Rede von
Franz
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 73 ist in einigen Punkten durchaus so, daß er unsere vollste Zustimmung findet. Er findet zunächst unsere Zustimmung wegen der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit; denn wir sind mit den Antragstellern der Meinung, daß das Problem schnellstens gesetzgeberisch geregelt werden muß. Wir sind auch der Meinung, daß die Terminierung zum 31. Dezember 1949 schon deswegen notwendig ist, weil noch im Winter die notwendigen Vorbereitungsarbeiten getroffen werden müssen, damit im Frühjahr losgebaut werden kann. Wir sind der Meinung, daß diese schnelle Regelung auch aus einem allgemeinen wirtschaftspolitischen Grund notwendig ist; denn die Beschäftigungslage in der Wirtschaft hängt ja zu einem nicht kleinen Teil von der Beschäftigung in der Bauwirtschaft ab.
Wir sind auch mit den Herren Antragstellern der Ansicht, daß eine Baukapazität von 250 000 Wohnungen eine durchaus erreichbare Größe für das erste Jahr darstellt und daß man deswegen diese Mindestgröße dem Ministerium sehr wohl mit auf den Weg geben soll. Ich glaube, daß zur Zeit wenigstens 200 000 Wohnungen im Bau sind, so daß also die Baukapazität eine Größenordnung von 250 000 in den nächsten Jahren erreichen kann.
Wir sind auch darin einig, daß das, was wir gesetzgeberisch hier machen wollen, im Schwerpunkt auf den sozialen Wohnungsbau konzentriert wird, wobei wir in Übereinstimmung mit den Herren Antragstellern unter sozialem Wohnungsbau das Bauen kleiner Wohnungen und von Wohnungen mit entsprechender Miete erblicken wollen.
Meine Damen und Herren, der Antrag Drucksache Nr. 73 bindet aber die Bundesregierung an bestimmte Richtlinien, die in den Ziffern 1 bis 7 des Antrags niedergelegt sind. Die Richtlinien sehen also einen bestimmten Weg vor. Es gibt nun aber über die Richtigkeit der Wege eine Fülle von Auffassungen. Schon die Tatsache, daß heute morgen zwei Anträge mit verschiedenen Gesichtspunkten zur Diskussion stehen, zeigt ganz deutlich, daß verschiedene Auffassungen möglich sind. Die Herren Diskussionsredner, besonders der Herr Vorredner, haben wieder neue Wege gezeigt. Ich habe eine andere Vorstellung. Wir sind deshalb der Meinung, daß man hier erst einmal im Ausschuß eine gewisse Klärung schaffen muß. Das ist notwendig und nicht zu umgehen. Der Antrag Ollenhauer und Fraktion läßt hier zwar zweifellos einen gewissen Spielraum; aber wir müssen doch die grundlegenden Spielregeln zunächst in einer Diskussion im Ausschuß klarlegen, weil sonst das Ministerium unseres Erachtens kaum in der Lage sein wird, einen guten gesetzgeberischen Entwurf auszuarbeiten und hier vorzulegen.
In der Frage des sozialen Wohnungsbaues sind zwei entscheidende Fragen zu lösen. Alle anderen Fragen sind nebenrangig und danach sehr einfach zu lösen. Die erste Frage ist die der Rentierlichkeit des Bauens, die zweite die der Aufbringung der Mittel. Wenn wir uns über diese beiden Fragen einig geworden sind, ist alles andere sehr einfach.
Heute morgen ist schon das Thema der sogenannten Kostenmiete angeschnitten worden. Dem steht in dem Antrag Nr. 73 die Forderung gegenüber, daß für künftige Neubauten der bisherige Neubaumietenstand nicht überschritten werden soll. Dabei liegt wohl, wie aus der Begründung heute morgen hervorging, die Auffassung vor, daß der derzeitige Baukostenindex noch so hoch sei, daß eine billige Miete mit den derzeitigen Mitteln nicht erreichbar wäre. Meine Damen und Herren, ich bin ganz anderer Meinung. Wir haben in einem Arbeitskreis, der über gute Studienmöglichkeiten verfügte, diese Frage in den letzten Tagen sehr eingehend untersucht und dabei festgestellt, daß es im deutschen Raum in ganz beachtlichen Gebieten schon gelungen ist, auf eine Produktionskostenhöhe von 180 zu kommen, gemessen an der Friedenshöhe von 1913, das heißt von 32 Mark pro Kubikmeter umbauten Raumes. Mit dieser Produktionskostenhöhe werden zur Zeit schon durchaus passable Wohnungen einschließlich Badeeinrichtungen und entsprechender moderner Installation in den Gebieten Weinheim, Frankfurt am Main und, wie ich glaube, sonst noch in einem Raum von Württemberg gebaut. Ich habe vor wenigen Tagen anläßlich einer eigenen beruflichen Prüfung, die ich machen mußte, festgestellt, daß man am Niederrhein beim Neuaufbau total zerbombter Städte, wo also en bloc mit entsprechender Normierung und Typisierung gebaut werden kann, schon auf Baupreise kommt, die ganz ähnlich aussehen. Wenn wir aber bei solchen Preisen angelangt sind, dann ist es möglich, den Quadratmeter zu vermietenden Raumes für eine Mark zu vermieten, natürlich bei entsprechender Zinshöhe, auf die ich gleich noch zurückkomme. Das würde bedeuten, daß wir uns hier in einer Größenordnung befinden, die schon für weite Volksschichten erträglich ist, und damit um ein Problem herumkommen, das immer die große Schwierigkeit darstellt: die Subventionierung.
Der Herr Vertreter der SPD, der heute morgen den Antrag Drucksache Nr. 73 begründet hat, hat mit vollem Recht gesagt: wenn wir den unrentierlichen Teil subventionieren wollen, dürfen wir dafür keine Zinsen erheben. Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung: wenn wir Subventionierung des unrentierlichen Teils betreiben wollen, dürfen wir nicht einmal eine Tilgung erheben; denn ich frage Sie, wo denn die Tilgung herkommen soll. Das Wesen der Unrentierlichkeit besteht doch gerade darin, daß die einkommenden Mieten einen bestimmten Prozentsatz der Baukosten nach Verzinsung und Tilgung nicht decken. Selbst wenn Sie nur mit einem Prozent tilgen wollen, müssen Sie dieses eine Prozent aus sonstigen Einkommensmitteln nehmen. Das muß man doch mit aller Klarheit und Deutlichkeit sehen. Das große Ziel des Wohnungsbaus sollte es sein, zu erreichen, daß wir auf eine solche Höhe kommen, die Subventionen unnötig macht. Wenn dann noch irgendwo etwas zu subventionieren ist — das kann es bei Einzelverdienern mit vier, fünf Kindern und kleinen Einkommensgruppen und Ostflüchtlingen durchaus geben —, dann soll man nicht die Baukosten, das heißt die Produktion subventionieren, denn eine solche Subventionierung trifft immer Reiche und Arme durcheinander, sondern sollte den Verbraucher, also den Mieter subventionieren. Damit erhält man endlich einmal klare volkswirtschaftliche Tatbestände in der Bauwirtschaft und kommt um das ganze Subventionierungsproblem herum. Man sollte sich in diesen Gedankengängen bewegen und sie einmal mit der notwendigen Klarheit untersuchen. Ich sehe hier jedenfalls Lösungsmöglichkeiten.
Wenn man um die Frage der Subventionierung so im wesentlichen herumgekommen ist, dann ergibt sich lediglich noch die Notwendigkeit der Aufbringung der Mittel. Wenn wir 250 000 Wohnungen bauen wollen, brauchen wir Mittel von insgesamt rund zweieinhalb Milliarden Mark, die wir aufbringen müssen. Die Zahl ist allerdings etwas hoch gegriffen. Ich glaube, daß man bei der von mir angegebenen Baukostenhöhe mit etwa rund zwei Milliarden auskommen könnte.
Ich bin nun nicht der Meinung, daß man unter allen Umständen versuchen müßte, diese Mittel ausschließlich aus Etatmitteln aufzubringen. Die Aufbringung aus Etatmitteln ist immer sehr gefährlich und meines Erachtens im ganzen gesehen auch höchst unerwünscht. Wenn Etatmittel zur Verfügung gestellt werden, besteht immer die Gefahr, daß irgendwelche anderen Aufgaben aus diesen Mitteln mit finanziert werden. Man sollte sich also überlegen, ob man hier nicht andere Wege gehen kann. Wir haben auch auf diesem Gebiet Überlegungen angestellt, die ich heute dem Hohen
Hause nicht im einzelnen vortragen will, um die Diskussion nicht zu verlängern. Sie gehen aber von der Basis aus, daß man einen Teil der ja doch in Aussicht gestellten und geplanten Steuersenkungen für den Wohnungsbau heranziehen sollte, und zwar mit der Maßgabe, daß nach einer Anzahl von soundso viel Jahren diese Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Wenn diese Mittel unverzinslich zur Verfügung gestellt werden, hat man die Möglichkeit, die zweitrangigen Hypotheken sehr billig zu geben und die Mittel, die für Verzinsung aufgebracht werden müßten, im wesentlichen für eine Tilgung aufzuwenden. Ich kann mir vorstellen, daß auf diese Art und Weise — wir haben das errechnet — etwa die Hälfte des notwendigen Finanzierungsbedarfs von 1 bis 1,25 Milliarden zur Verfügung gestellt werden könnte. Das würde bedeuten, daß das Problem der Steuersenkung hiermit gekoppelt wird und wir nicht irgendwelche sonstigen imaginären Finanzierungsmöglichkeiten suchen müssen. Wir haben darüber einmal mit der Aufbaubank verhandelt und die Frage untersucht, ob es notwendig und möglich sei, die andere Hälfte auf dem freien Kapitalmarkt aufzubringen. Der Herr Vizepräsident Abs, der sich mit uns über diese Frage unterhalten hat, war der Meinung, daß ganz sicher 500 Millionen — bei optimistischer Beurteilung auch etwas mehr — auf dem freien Kapitalmarkt zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Differenz könnte dann vielleicht irgendwo aus Etatmitteln genommen werden.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Wir haben die Möglichkeit, ohne eine Subventionierung der Produktion durch eine Verkoppelung mit dem Gedanken der Steuersenkung das Programm, das nach übereinstimmender Meinung realisiert werden soll, auf eine ganz einfache Formel zu bringen. Vorbedingung ist allerdings die Regelung der Preisfrage. Diese Frage ist meines Erachtens insofern relativ einfach zu lösen, als man Mittel für den sozialen Wohnungsbau nur bei entsprechender Preisgestaltung zur Verfügung stellt, das heißt also, daß man sagt: es werden Baumittel nur bei dieser Preisgröße von 180 gegeben. Ich bin der Meinung, daß die freie Wirtschaft so elastisch sein wird, daß sie dann dieses Problem lösen kann.
Wir brauchen hier allerdings auch einen gewissen Teil von Mitteln, um das Studium verbilligter Bauweisen zu fördern. Auch hierfür müssen nicht große Mittel zur Verfügung gestellt werden. Es ist da in jüngster Zeit eine Anzahl von Gedanken aufgetaucht, die es sogar vielleicht ermöglichen, den Baukostenindex auf den Stand von 1913 zu bringen. Das ist aber im Augenblick im Erwägungsstadium. Sie sehen, meine Damen und Herren, wir -haben hier ganz klare Vorstellungen über die Wege, die zu gehen sind.
Ich bin der Meinung, daß das Problem der Baustoffindustrie überhaupt kein diskutables Problem ist. Die Baustoffindustrie wird sehr leicht die notwendigen Mengen an Baustoffmitteln zur Verfügung stellen. Sie wird froh sein, wenn sie ihre Produktion absetzen kann.
Was der Herr Vorredner der KPD, Herr Paul, ausgeführt hat, war zum Teil überraschend, und zwar in meinem Sinne erfreulich überraschend; zum Teil muß ihm widersprochen werden. Ich stelle mit Genugtuung fest, daß Herr Paul hier erklärt hat, er stünde auf dem Standpunkt, daß nicht allein die öffentliche Initiative angekurbelt
werden soll, sondern auch die private Initiative. Ich erblicke in einem solchen Bekenntnis einen erfreulichen Fortschritt und sage dazu selbstverständlich ein Ja. Ich bin aber nicht der Meinung, wie gesagt worden ist, daß in der Vergangenheit die Privatinitiative versagt hätte. So liegen die Dinge nicht, und ,wir wollen ganz nüchtern wirtschaftlich feststellen, daß der hier so eifrig kritisierte Bau von gewerblichen Räumen ganz einfach darauf beruht, daß das Problem der Rentierlichkeit der Baukosten nicht gelöst war. Solange wir in dieser Situation sind, werden eben gewerbliche Räume und Läden gebaut und keine Wohnungen. Wir müssen daher das Problem der Rentierlichkeit ganz an den Anfang stellen.
Ich bin der Meinung, daß wir keine Betteltouren wünschen. Alle die Versuche, die im Wege der Selbsthilfe bei vielen Gemeinden gemacht worden sind, sind im Grunde genommen keine Lösung der Aufgabe. Eine Lösung ist aber auch nicht dadurch zu erwarten, daß Großverdiener und Großunternehmer mit mehr Sonderabgaben besteuert werden. Ich habe den Eindruck, daß der Herr Kollege Paul noch nie etwas von einem Steuerfiskus gehört hat. Hatte er das gehört, würde er wissen, daß die fiskalischen Möglichkeiten heute bereits reichlich ausgeschöpft sind.
Über das Problem der Besatzungskosten sich zu unterhalten, lohnt nicht. Es ist ja doch keine realisierbare Möglichkeit.
Ich bin mit Ihnen durchaus der Auffassung, daß man in der Baustoffindustrie, wenn die Dinge ins Wachsen kommen und die Bauproduktion losgeht, dafür sorgen muß, daß unter keinen Umständen Preisabreden zustande kommen. Wenn aber mein Vorschlag realisiert wird, nur dort Mittel hinzugeben, wo ein Baukostenindex von 180 erreicht wird, dann sind wir auf dem richtigen Weg; dann kann nur im Rahmen entsprechend billiger Preise abgesetzt werden. Das regelt sich dann ganz von selbst. Das ist das, was wir unter freier Wirtschaft verstehen und wo wir eben nicht besonders planen wollen. Wir wollen gesetzgeberisch durch eine Rahmengesetzgebung die Voraussetzungen schaffen, nach denen die Wirtschaft sich dann vernünftig einrichten muß.
Der Herr Vertreter der SPD hat weiter gesagt, daß die Privatinitiative in der Vergangenheit versagt hätte. Übersehen wir doch nicht, daß vor dem Kriege 95 Prozent des erforderlichen Wohnungsbaues von der privaten Hand und von der privaten Initiative geschafft worden sind.
Ich bin durchaus der Meinung, daß gemeinnützige Unternehmungen und private Unternehmungen gleiche Startbedingungen haben sollten. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber ich darf in aller Bescheidenheit der Meinung sein, daß auch die jetzigen Finanzierungsmethoden den gemeinnützigen Unternehmungen gegenüber den privaten einen unerhörten Vorteil auf diesen Gebieten gegeben haben. In meinem Land ist es jedenfalls so, daß ein Großteil der Mittel ausschließlich an die Gemeinnützigen geflossen ist, weil man den Privaten keine Möglichkeit der Finanzierung gegeben hat. Daß dies grundlegend geändert werden muß, würde in den Vorstellungen, die ich habe, ohne weiteres eingeschlossen sein. Ich bin befriedigt zu hören, daß auch die SPD keine Planung im Sinne eines großen Behördenapparates will, sondern daß sie sich unter der Planung eine Rahmengesetz-
gebung vorstellt. Ja, das ist eine Selbstverständlichkeit; in allen diesen Fragen bekommen wir keine Schwierigkeiten.
Ich möchte in einem einzigen Punkt noch etwas gegen die Ausführungen des Herrn Vertreters der FDP sagen. Es ist hier die Notwendigkeit der Finanzierung auf dem Wege der Kreditschöpfung angedeutet worden. Ich will nicht bestreiten, daß hier vielleicht Möglichkeiten liegen. Ich möchte aber sehr ernst davor warnen, hier Wege zu gehen, wie sie weiland Herr Dr. Schacht gegangen ist, da bei jeder Kreditschöpfung die kreditschöpfenden Mittel sehr bald auf dem Konsumgütermarkt erscheinen und dort plötzlich eine zusätzliche Kaufkraft schaffen, die, wenn die Konsumgüterindustrie nicht genügend korrespondierend produziert hat, ganz zwangsläufig zu allgemeinen Preissteigerungen führen muß. Wir müssen hier sehr vorsichtig sein, auch im Interesse des allgemeinen Ansehens der Bank deutscher Länder.
Weil die Wege, welche wir beim Wohnungsbau gehen müssen, durchaus noch nicht geklärt sind, weil es verschiedene Meinungen gibt, beantrage ich hiermit, die Anträge Drucksachen Nr. 10, 39 und 73 an den zuständigen Ausschuß mit der Maßgabe zu verweisen, daß der Ausschuß gebeten wird, seine Arbeiten bis zum 1. Dezember 1949 zu beenden. Wir wollen ihn bewußt unter Zeitdruck stellen. Ich glaube, daß wir dann noch so zeitig fertig werden, daß das Ministerium in der Lage ist, bis zum 1. Januar 1950 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, der nochmals im Ausschuß und hier im Plenum beraten werden kann, so daß wir termingemäß zurechtkommen. Ich halte es nicht für möglich, die drei Anträge so, wie sie gestellt sind, mit bindenden Richtlinien in dieser Form an das Ministerium gehen zu lassen.