Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein hervorragendes Mitglied dieses Hauses, das jetzt die Regierungsbank ziert, hat gelegentlich der Presse gegenüber geäußert, der Bundestag habe etwas Besseres zu tun, als sich mit der Frage des vorläufigen Bundessitzes zu beschäftigen.
Die Mehrheit dieses Hauses wird Sie vielleicht eines Besseren belehren. Jedenfalls sind wir und meine Freunde, aber auch eine sehr stattliche Anzahl von Mitgliedern dieses Hauses, die aus den verschiedensten Teilen des Bundesgebietes stammen und den verschiedensten politischen Gruppen angehören, wie der Antrag Dr. Hilpert und Genossen erkennen läßt, der Auffassung, daß der Bundestag unverzüglich und endgültig zu entscheiden hat, wo die leitenden Bundesorgane ihren Sitz zu nehmen haben. Diese Entscheidung muß getroffen werden, um der unerträglichen Unsicherheit ein Ende zu machen, die zur Zeit die Arbeit der Ministerien, aber auch der noch in Frankfurt befindlichen Verwaltungen lähmt. Die Notwendigkeit einer solchen
Beschlußfassung ergibt sich aber auch aus den Beschlüssen des Hauptausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz, der nicht nur die Ministerpräsidenten der elf Länder, sondern auch Vertreter des Parlamentarischen Rates und des Wirtschaftsrats angehört haben. Dieser Ausschuß hat in seiner Sitzung in Bad Schlangenbad am 6. 7. 1949 festgestellt, daß es mangels einer Legitimation der Ministerpräsidenten, den Beschluß des Parlamentarischen Rates einer Revision zu unterziehen, zunächst bei diesem Beschluß verbleiben müsse, es sei denn, daß der Bundestag eine andere Entscheidung treffe. Dieser Beschluß ist damals mit allen gegen eine Stimme — auch mit der Stimme des jetzigen Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer —angenomen worden.
Zugleich hat damals dieser Hauptausschuß festgelegt, daß alle Vorbereitungen auf dasjenige Maß beschränkt werden, das notwendig ist, um nur den Beginn der Arbeit der Bundesorgane sicherzustellen. Dieser Restriktionsbeschluß zwingt dazu, eine schnelle Entscheidung herbeizuführen; denn die Bundesregierung verfügt zur Zeit mangels eines Haushalts überhaupt über keine eigenen Mittel. Sie ist im Augenblick noch völlig auf die Zuschüsse der Länder angewiesen, die an diesen Beschluß gebunden sind.
In den letzten Monaten haben gewiß mancherlei Fragen die deutsche Öffentlichkeit bewegt. Aber man wird zugeben müssen, daß die Frage Bonn — Frankfurt, vielleicht mit Ausnahme des Landes Nordrhein-Westfalen, die Presse und die Bevölkerung in einer Weise bewegt hat, wie man das zunächst nicht erwartet hat.
Vor, während und nach den Wahlen haben die Erörterungen über Bonn und Frankfurt kein Ende gefunden. Fragen Sie Ihre eigenen Fraktionskollegen!
Es ist der Öffentlichkeit ja nicht unbekannt geblieben, welche Auseinandersetzungen Sie wegen
dieser Frage seit Tagen in Ihren Fraktionen haben.
Wir müssen dabei betonen, daß weder Bonn noch Frankfurt eine Entscheidung für oder gegen Berlin bedeutet. Wie wir über die Frage Berlin denken, das haben wir eindeutig in den Antrag, der soeben behandelt worden ist, in Drucksache Nr. 3 und der dazu gegebenen Begründung zum Ausdruck gebracht. Für uns ist und bleibt die eigentliche und heimliche Hauptstadt Berlin.
Aber von der Frage der eigentlichen Bundeshauptstadt ist jene andere Frage, jene rein administrative Frage des vorläufigen Sitzes der Bundesorgane völlig unabhängig. Hier handelt es sich — und das muß betont werden — nicht darum, einen Streit rivalisierender Städte zu entscheiden oder zu prüfen, welche lokalen, kommunalen Interessen den Vorrang verdienen. Es handelt sich auch — und das muß ich ausdrücklich bemerken — um keine Frage irgendeines politischen Prestiges, des Prestiges einer Partei oder irgendeiner Richtung.
— Dann lesen Sie die Artikel etwas genauer durch und werden Sie vor allem nicht so nervös! Das ist ein schlechtes Zeichen.
Es handelt sich hier doch nur um eine Angelegenheit der Zweckmäßigkeit,
um eine Frage des geringstmöglichen Kostenaufwands und die Frage: wie können wir die Bundesorgane so schnell wie möglich wirksam arbeiten
lassen, mit anderen Worten — —
-- Sie müssen etwas lauter reden, wenn man Sie verstehen soll! — Mit anderen Worten: das Hohe Haus wird meines Erachtens die ganze Frage nur unter zwei Gesichtspunkten zu entscheiden haben. Einmal muß die Frage gestellt werden: Wo und wie kommen die Bundesorgane am schnellsten zur vollen Wirksamkeit? Das ist eine rein administrative Frage. Zum andern ist die Frage zu stellen: Was kostet uns die Schaffung oder Errichtung eines vorläufigen Bundessitzes, und wo sind bis jetzt von den Gesamtkosten, die dadurch entstehen können, die meisten Aufwendungen und die meisten Investitionen gemacht worden? Das sind die beiden Fragen, die wir ganz nüchtern und leidenschaftslos zu beantworten haben.
Nach dem Bericht der technischen Kommission der Ministerpräsidenten, deren Vorsitz der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Arnold, hatte, der durch Herrn Ministerialdirektor Dr. Wandersleb vertreten wurde, und dem auch Mitglieder des Parlamentarischen Rates angehört haben, können zunächst hier in Bonn nur Teile heißt es wörtlich in dem Bericht — der Bundeskanzlei, des Innen-, Finanz- und Justizministeriums und darüber hinaus nur Organisationsgruppen der übrigen Ministerien untergebracht werden. Dabei ist man damals davon ausgegangen, daß nur acht Ministerien errichtet werden würden. Inzwischen hat sich ja zum Erstaunen der deutschen Öffentlichkeit die Zahl auf 13 erhöht. Diesen Bericht kann man als eine zuverlässige und objektive Unterlage betrachten. Nach diesem Bericht lassen sich in absehbarer Zeit — „später", wie es heißt — nur drei Ministerien, nämlich die Bundeskanzlei, das Innen- und Justiz-Ministerium und vielleicht auch das Finanz-Ministerium in voller Sollstärke unterbringen. Es heißtdannweiter,daß erst zu einem späteren Zeitpunkt, wahrscheinlich erst im Laufe des Jahres 1950, die Unterbringung sämtlicher Ministerien in Bonn möglich sein wird. Schon jetzt rechnet man aber damit, daß auch dann große Teile der seitherigen Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt verbleiben müssen.
Diese Regelung muß nach unserer Ansicht zu einer Zweigleisigkeit der Bundeszentralverwaltungen führen, die die Arbeitsfähigkeit in einer unerträglichen Weise hemmt, in einer Zeit, meine Damen und Herren, in der schnelle Entschlüsse gefaßt werden müssen und in der es auf ein wirksames Funktionieren des Bundes eigentlich in jedem Augenblick ankommt. Es ist mithin während eines längeren Zeitraums in Bonn mit einer räumlichen Trennung der legislativen Gewalt, aber auch der Bundesregierung von den verwaltenden Abteilungen in Frankfurt zu rechnen.
Weder das Parlament noch die Bundesregierung sind angesichts dieser Situation in der Lage, eine der ihnen obliegenden wichtigsten Funktionen, nämlich die ständige Kontrolle der Verwaltung auszuüben. Nach unserer Ansicht muß das zu einer Stärkung des Einflusses der Bürokratie führen, die unerträglich ist. In den Wandelgängen dieses Hauses und in den Vorzimmern gewisser Ministerien
ist in den letzten Tagen davon berichtet worden, welche Vorgänge sich aus Anlaß der Kabinettsberatungen über die Änderung des Wechselkurses der D-Mark abgespielt haben. Auch der Presse und der Öffentlichkeit sind diese Vorgänge nicht verborgen geblieben. Die erforderlichen Fachkräfte standen im entscheidenden Augenblick nicht zur Verfügung. Hohe Ministerialbeamte haben die Rolle von Botengängern übernehmen müssen.
Ich glaube, daß diese Vorgänge sich in Bonn wahrscheinlich noch wiederholen werden.
Aber ebenso bedeutsam wie die Gefahr der Zweigleisigkeit der Verwaltung ist die reine Kostenfrage. Für den Bund sollte das eherne Gesetz der Sparsamkeit gelten.
Wir können es uns nicht leisten, öffentliche Gelder, die man einsparen kann, auszugeben. Die Haushalte der Länder, von denen der Bund vorläufig ja noch abhängig ist, sind auf das äußerste angespannt, und das Versprechen des Herrn Bundeskanzlers, das er kürzlich aus Anlaß der Änderung des Wechselkurses der D-Mark gegeben hat, alle Maßnahmen zu treffen, um zu verhüten, daß die Lebensmittelpreise steigen, erfordert Aufwendungen, die nach sachkundiger Schätzung in den nächsten 3 bis 5 Monaten etwa 380i Millionen erfordern werden. Wie kann der Herr Finanzminister angesicht dieser Situation überhaupt noch eine Million für einen Zweck ausgeben, den man auf andere Art viel besser erreicht?
In Bonn mögen bis jetzt 15 Prozent der dort insgesamt notwendigen Kosten für die Einrichtung der obersten Bundesverwaltung ausgegeben worden sein.
— In Frankfurt hat man binnen zwei Jahren unter Einsatz aller baulichen und technischen Mittel die Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes arbeitsfähig gemacht und dort etwa 85 Prozent jener Kosten ausgegeben, die für die Einrichtung einer obersten Bundesverwaltung notwendig sind.
Mit anderen Worten: man hat doch nur die nüchterne Frage zu entscheiden: Soll man hier in Bonn die dort noch etwa notwendigen 85 Prozent der Gesamtkosten ausgeben, oder soll man in Frankfurt die dort noch erforderlichen nur 15 Prozent ausgeben?
Die Zahlen beruhen auf dem, was man aus dem Bericht des Technischen Ausschusses der Ministerpräsidenten entnehmen kann.
Die Kommission des Parlamentarischen Rates, die seinerzeit eingesetzt worden ist, um die Angaben der Städte Frankfurt, Kassel und Bonn zu überprüfen, ist in ihrem Bericht vom 28. April 1948 — bitte, sehen Sie Anlage 1 nach -- davon ausgegangen, daß in Bonn für die Unterbringung der Bundesorgane 3 '795 000 DM erforderlich seien. Inzwischen sind aber für den Ausbau dieses Bundeshauses, dessen endgültiger Plenarsaal erst drüben, dort, wo sich die Bootshäuser befinden, ausgebaut werden soll — denn dies ist nur ein vorläufiger Plenarsaal —,
und für die Bereitstellung von 14 000 Quadratmeter I Nutzfläche für die vorläufige Unterbringung des Bundespräsidenten, für die Unterbringung der Bundeskanzlei und der sogenannten Organisationsgruppen bis zum 30. August 1949, zuzüglich der Kosten, die durch die Errichtung der Fernmeldeanlagen entstanden sind, und zuzüglich 350 000 Mark Kosten für die Unterbringung von Stäben der Besatzungsmächte, 21 650 000 Mark ausgegeben worden.
Dabei sind die ursprünglich für die Pädagogische Akademie veranschlagten 2 600 000 Mark bis Ende August um 112 Prozent überschritten worden.
Die Ausbaukosten der Pädagogischen Akademie betragen bis Ende August dieses Jahres nicht 2 600 000 Mark, wie veranschlagt, sondern 5 500 000 Mark, und für den Ausbau des Finanzamts, für den 300 000 Mark veranschlagt worden sind, sind bis zu dem gleichen Zeitpunkt 420 000) Mark verausgabt worden.
Für die Polizeischule — man höre —, für die 25 000 Mark veranschlagt worden sind, sind nach dem Bericht dieses Technischen Ausschusses bis Ende August 206 000 Mark ausgegeben worden, wobei die 400 000 Mark für die Ersatzpolizeischule in Münster noch gar nicht in Rücksicht gezogen worden sind.
Ich erwähne das nur am Rande. Bei diesen Kostenvoranschlägen irrt man sich in der Regel, und ich glaube, die Hessen wissen davon ein Lied zu singen, wenn sie an die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets denken.
— Sie rufen „Aha!" Eben deshalb sagen wir ja: Lassen Sie die Finger davon!
Aus den in Frankfurt entstandenen Kosten kann man entnehmen, wie hoch die endgültigen Kosten in Bonn gegenüber allen etwaigen Voranschlägen sein werden.
— In Frankfurt ist ja das meiste bereits investiert!
Der Bericht des Technischen Ausschusses der Misterpräsidenten -- und das ist das Entscheidende, meine Damen und Herren —, nach dem zunächst weitere 60 000 Quadratmeter Nutzfläche in Bonn und darüber hinaus im Umkreis von Bonn weitere 50 000 Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden sollen und können, schweigt sich über die Höhe der Kosten in Bonn aus.
Die Frage ist offen, soweit sie Bonn angeht.
Es heißt in diesem Bericht — und, der Bericht begnügt sich mit der Feststellung —, daß die endgültige Unterbringung der Bundesministerien in Bonn und der weitere Ausbau von Verkehrs- und Fernmeldeeinrichtungen eine beträchtliche Erhöhung der Ausgaben zur Folge haben werden. Man weiß also nicht, wie hoch die Kosten sein werden. Aber in der letzten Sitzung des Postausschusses des Wirtschaftsrats hat ein Vertreter der Verwaltung für Post und Fernmeldewesen — ich glaube, auf Anfrage des Abgeordneten Horn — erklärt, daß für den Ausbau des Post- und Fernmelde-
wesens im Bonner Raum für den Fall, daß Bonn endgültig Bundessitz werde, 32 Millionen in den nächsten zwei Jahren erforderlich sein würden.
Und der Direktor der Verwaltung für Post- und
Fernmeldewesen hat bei anderer Gelegenheit im
gleichen Zusammenhang erklärt, daß die Aufgaben,
die die Post in Bonn zu bewältigen habe, einen
wesentlichen Teil der langfristigen Investitionsmittel in Anspruch nehmen werden, die der Post,
wenn überhaupt, in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen würden, so daß die Post nicht in der
Lage sei, die schwer beschädigten Fernsprechämter
in Städten wie Dortmund oder Essen auszubauen.
Mit anderen Worten: Bonn ist ein sehr unsicheres und riskantes Geschäft.
Man wird vielleicht einwenden — und dieser Einwand läßt sich zunächst durchaus hören —, daß bei einer Revision des Beschlusses des Parlamentarischen Rates die in Bonn bis jetzt aufgewendeten Mittel nutzlos aufgewendet worden seien. Aber abgesehen davon, daß nach dem Bericht des Technischen Ausschusses der Ministerpräsidenten, dessen Vorsitz in den Händen des Herrn Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen lag, bei dem seitherigen Umfang der Aufwendungen in Bonn nicht damit gerechnet werden kann, daß diese Ausgaben nutzlos erfolgt sind, weil die seither geschaffenen Einrichtungen von der Stadt oder der Universität verwendet werden können, würde das in einem weit größeren Maß und Umfang für die Investitionen in Frankfurt am Main gelten.
In Frankfurt am Main sind nach dem Bericht des Technischen Ausschusses für die Einrichtungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes — die ja den Stamm der fünf großen Ministerien bilden werden und nach Artikel 132 des Grundgesetzes wohl auch bilden müssen — inzwischen insgesamt 116 147 000 Mark ausgegeben.
I
Ich gebe offen zu, daß man, als man in Hessen damals dieses Bauprojekt begann, mit höchstens 65 Millionen Mark gerechnet hat.
— Die Hälfte ungefähr Reichsmark, aber volkswirtschaftlich gesehen ist das doch gleich. Die Hessen haben ungefähr mit der Hälfte gerechnet, und das endgültige Ergebnis kam fast auf die doppelte Summe. Aber darüber hinaus sind ja noch mehr Kosten entstanden durch den Umzug der bizonalen Verwaltungen nach Frankfurt am Main, durch die Errichtung! der Länderhäuser usw., deren Kosten rund 18 Millionen betrugen, und schließlich haben ja auch die private Wirtschaft und das Gewerbe Mittel aufwenden müssen, um handelspolitische Vertretungen einzurichten und Verbände an den Sitz der Verwaltungszentrale zu bringen, Mittel, deren Höhe man nur überschlagen kann, die aber immerhin auf 11 Millionen geschätzt werden. Wenn diese letzteren Schätzungen stimmen, würden sich somit die Gesamtinvestitionen in Frankfurt auf 145 Millionen Mark stellen.
Diese Zahlen sind ein Anhaltspunkt dafür, was in Bonn ausgegeben werden müßte.
— In Frankfurt — darüber läßt sich ja nun nicht
diskutieren — wird nur ein Bruchteil aller dieser
Kosten noch aufgewandt werden müssen, und diese
Kosten werden sich im wesentlichen auf die Aufwendungen für den Umbau der dortigen Pädagogischen Akademie zu einem Parlamentsgebäude beschränken. In Bonn stehen außer diesem Bundeshaus bis jetzt nur — vielleicht ist in den letzten Tagen etwas dazugekommen rund 15 000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung. Der darüber hinausgehende Raum muß erst bereitgestellt werden. Für die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets stehen zur Verfügung oder sind im Ausbau 83 000 Quadratmeter Nutzfläche,
also das Vielfache dessen, was im Augenblick in Bonn benutzt werden kann.
Die Bereitstellung des in Bonn erforderlichen Raums ist nur dann möglich, wenn die Besatzungstruppen Bonn räumen, eine Räumung, die für Mitte Oktober in Aussicht gestellt ist. Das führt dazu, daß in anderen Gegenden — ich denke zum Beispiel an die Umgebung von Köln — Wohnraum beschlagnahmt werden muß.
— Ich komme gleich auf diese Frage. — Am Sonntag, dem 11. September dieses Jahres, haben sich durch die Dörfer des Landkreises Köln auf Veranlassung Seiner Eminenz des Herrn Kardinals Frings Bittprozessionen bewegt, in denen jene verängstigten Menschen geschritten sind, die Angst um ihr Heim und ihre Wohnung hatten, weil eine militärische Beschlagnahme drohte.
Diese zum mindesten in den letzten eineinhalb Jahren ungewöhnliche Maßnahme mußte eben ergriffen werden, weil, um Bonn zum Sitz der Bundesorgane zu machen, innerhalb — das ist das Entscheidende — weniger Wochen die Besatzungstruppen Bonn räumen müssen. Ich kann deshalb
— damit komme ich auf den Einwand des Herrn Zwischenrufers — mit besonderem Nachdruck darauf hinweisen, daß die Unterbringung der Bundesorgane und der Alliierten Kommission einschließlich ihres Personals in Frankfurt am Main möglich ist, ohne daß solche Maßnahmen ergriffen werden müssen.
— Einen Augenblick!
Der Parlamentarische Rat — das bitte ich zu bedenken — hat in dem Bericht seiner Kommission als einen der entscheidenden Grundsätze aufgestellt, daß die Unterbringung der Bundesorgane mit dem geringstmöglichen Druck auf die Zivilbevölkerung zu erfolgen habe. Die bei der Wahl Bonns zum Sitz der Bundesorgane notwendigen Maßnahmen einer zwangsweisen Evakuierung von Hunderten deutscher Familien lassen allerdings — das muß zugegeben werden — jede Rücksichtnahme auf die deutsche Zivilbevölkerung vermissen. Wir hoffen, daß, falls das Hohe Haus zu einer Revision des Beschlusses des Parlamentarischen Rats kommen sollte, diese Beschlagnahmen sofort und unverzüglich rückgängig gemacht werden. Ich gebe Ihnen zu, daß nach dem Statut der Alliierten Kommission, Artikel II, Ziffer 3, vorgesehen ist, daß der Sitz der Hohen Kommissionen und der Sitz der Deutschen Bundesregierung zu keiner der Besatzungszonen gehört und daß deshalb, falls Frankfurt zum Sitz der leitenden Bundesorgane gewählt werden sollte, auch dort einige Besatzungstruppen abziehen müssen.
Aber — und das ist das Entscheidende — entgegengesetzt zu dem Fall Bonn brauchen diese Besatzungstruppen nicht sofort abzuziehen, sondern hier kann die Räumung Zug um Zug erfolgen,
bis ihnen draußen der nötige Ersatzraum für die Kasernen, in denen sie nämlich untergebracht sind, zur Verfügung gestellt worden ist. Vor einigen Tagen ist eine typische Zweckmeldung verbreitet worden, daß in Frankfurt der Abzug von 15 000 Besatzungsangehörigen erforderlich sei, falls Frankfurt zum Sitz der leitenden Bundesorgane bestimmt werden sollte. Diese Meldung ist nach Angaben des
zuständigen Direktors des Hohen Alliierten Kommissars, Mr. Wolfe, nicht nur unautorisiert, sondern auch unzutreffend. In ganz Hessen gibt es kaum 15 000 amerikanische Besatzungsangehörige.
Sie ist genau so unzutreffend wie jener Bericht, der heute morgen in der „Kölnischen Rundschau" erschienen ist, in dem behauptet wird, daß die Fertigstellung eines Parlamentsgebäudes in Frankfurt am Main vier Monate in Anspruch nehmen und 10 Millionen kosten werde. Die Kosten für dieses Parlamentsgebäude — vielleicht wird das mein Kollege Hilpert noch näher ausführen können, der als Finanzminister ja einen besseren Einblick hat als ich — sind für Frankfurt mit 4 Millionen veranschlagt und werden wahrscheinlich 5 Millionen betragen, genau wie hier in Bonn.
Aber in diesem Zusammenhang ist auch die Wohnungsfrage von ganz besonderer Bedeutung: In Bonn stehen nach dem Bericht des Technischen Ausschusses „Wohnungen" — so heißt es wörtlich —„nur in geringer Anzahl zur Verfügung". Man hilft sich infolgedessen vorläufig mit der Beschlagnahme von Zimmern, was im wesentlichen auf Kosten der 4500 Studenten der Universität Bonn geht. Es sei nur nebenbei darauf hingewiesen, daß die Unterbringung der Obersten Bundesorgane in Bonn den Ausbau und die Entwicklungsmöglichkeiten der Bonner Universität hemmt. Erst nach und nach — so lautet dieser Bericht des Technischen Ausschusses — ist es möglich, in Bonn durch Räumung seitens der Besatzungstruppen, durch Instandsetzung, und Neubau 750 Wohnungen zu erstellen, und dann sollen im Jahre 1950 weitere 1750 Wohnungen gebaut werden, so daß in Bonn insgesamt 2500 Wohnungen verfügbar wären. In Frankfurt verfügt die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zur Zeit bereits über 3297 Wohnungen, von denen die Hälfte schon von den Angehörigen der dortigen Verwaltungen bezogen sind, während der Rest noch frei und verfügbar ist.
Meine Damen und Herren, die ganze Angelegenheit hat aber — bedenken Sie das — noch eine sozialpolitische Seite. Die Angehörigen der bizonalen Verwaltungen werden, wie ich bereits erwähnte, zum größten Teil vom Bund übernommen werden müssen,
schon mit, Rücksicht auf den Artikel 132 des Grundgesetzes; sie bilden den Stamm der großen Ministerien. Viele haben nunmehr wieder, nachdem sie jahrelang — manche über 10 Jahre infolge des Krieges und der Nachkriegszeit von ihren Familien getrennt gelebt haben, ein Heim in Frankfurt gefunden und konnten wieder ein Familienleben beginnen. Welche Auswirkungen diese jahrelange Trennung von der Familie hat, geht aus
einem Bericht der Betriebsräte der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets hervor, aus dem ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur einige wenige Sätze zitieren will. In diesem Bericht der Betriebsräte heißt es:
Das ernsteste Kapitel aber ist das: jahrelang haben die Familien getrennt gelebt. Ehen sind zerrüttet, die Kindererziehung hat gelitten, Krankheiten auf seiten der Frauen und Männer und ohne die Möglichkeit hinreichender Pflege. Bei den Männern verschlampte Wäsche usw.
Bis Ende dieses Jahres
— so heißt es weiter —
werden in Frankfurt sämtliche Angehörige der bizonalen Verwaltung eine Wohnung gefunden haben,
und dann soll für sie wieder eine neue Wanderung beginnen. Die Kinder dieser Familien sind inzwischen in Frankfurt eingeschult worden.
Wenn es bei der Entscheidung des Parlamentarischen Rates verbleibt, wird eine neue Völkerwanderung in den Bonner Raum, in das Gebiet der Bonner Bundeslandschaft
— anders kann man dieses Gebiet ja wohl kaum nennen —, das von Bonn-Nord alias Köln bis Remagen oder demnächst Bonn-Süd geht, einsetzen. Ich glaube, daß die Bundesregierung auch eine gewisse Verantwortung für die Angehörigen der Verwaltung hat und daß man auch diesen Gesichtspunkt nicht ganz außer acht lassen darf.