Rede:
ID0100901700

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Loritz.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1940 157 9. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 28. September 1949. Geschäftliche Mitteilungen 157E, 173D Erklärung der Bundesregierung zur Auswirkung der Pfundabwertung: Dr. Adenauer, Bundeskanzler 157C, 168B Unterbrechung der Sitzung . . . 158B Dr. Schumacher (SPD) 158C Dr. Bucerius (CDU) 159A Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . . . 159C Dr. von Merkatz (DP) 160D Dr. Seelos (BP) . . . . . . . . 161C Rische (KPD) 162B Loritz (WAV) 164B Dr. Reismann (Z) 166A von Thadden (NR) 167C Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 168D Agatz (KPD) 169A Dr. Reismann (Z) 172B Nächste Sitzung 173D Die Sitzung wird um 14 Uhr 46 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Seit einigen Tagen wird in diesem Hohen Hause über die Regierungserklärung des Kabinetts Adenauer gesprochen. Die wahre Regierungserklärung ist jedoch der Beschluß der Alliierten Hohen Kommission bezüglich der Festsetzung eines neuen D-Mark-Kurses. Der Ton dieser Erklärung ist wie Sturmläuten! Mir der Erklärung zur D-MarkAbwertung hat der Herr Bundeskanzler nun selbst zugegeben, wer in Westdeutschland regiert. Konnte uns deutlicher bewiesen werden, wie abhängig die westdeutsche Separat-Regierung vom Willen der Hohen Kommissare ist? Der Herr Bundeskanzler sagte zwar in seiner Regierungserklärung, die Hohen Kommissare würden ohne vorherige Rücksprache mit der westdeutschen Regierung nichts tun.

    (Zuruf rechts: Das hat er so nicht gesagt!)

    — Er hat es gesagt. Er hat in diesem Zusammenhang allerdings nicht vom Besatzungsstatut und
    nicht vom Ruhrstatut gesprochen. Es wäre sicherlich notwendiger gewesen, dem Hohen Hause und unserem Volke in diesem Zusammenhang einmal klar und deutlich zu sagen, nach welchen Methoden

    (Zuruf rechts: Rußland!)

    und nach welchen Paragraphen in Westdeutschland regiert wird. Nun kennen wir die Methoden des Regierens in Westdeutschland, und zwar aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers selbst. Sie sprachen hier, meine Herren Vorredner, von der Brüchigkeit, ja vom Zusammenbruch der großen amerikanischen Konzeption; Sie sprachen von einer „Unterminierung des Marshallplans". Meine Damen und Herren, Sie sprechen in der Regel nur von den Äußerlichkeiten und von den Auswirkungen, aber Sie haben noch nicht von der eigentlichen Ursache der Abwertung und der Lage in Westdeutschland gesprochen. Die eigentliche Ursache dieser Lage ist gerade der Marshallplan. Die Abwertung in den kapitalistischen Ländern zeigt mit aller Deutlichkeit die Krise des kapitalistischen Systems und insbesondere die Krise des Marshallplans.

    (Zuruf rechts: Nein, die sozialistische Krise!)

    Sie zeigt den großen Rutsch in der Welt des Kapitalismus.

    (Zuruf rechts.)

    Der Herr Bundeskanzler hat zwar versucht, alle Schuld den Hohen Kommissaren zuzuschieben. Ich wage jedoch an dem Wert der heutigen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zu zweifeln, die Regierung werde der Anordnung der Hohen Kommissare nicht zustimmen. Hat der Herr Bundeskanzler immer noch nicht die Bedeutung des Besatzungsstatuts und des Ruhrstatuts erkannt? Man möchte fast glauben, hier wird mit deutschen Interessen gespielt. Nach dem Besatzungsstatut erzwingt sich jeweils diejenige Macht eine Entscheidung, die wirtschaftlich 'am stärksten interessiert ist oder, wie es heißt, die am meisten Hilfe leistet. Hier konnte man so anklingen hören, als ob es bei diesem Beschluß zu irgendwelchen Meinungsverschiedenheiten unter den Herren Kommissaren gekommen sei. Dann möchte ich die Frage stellen: Warum hat Herr McCloy nicht anders entschieden? Warum hat er seine Unterschrift gegeben? Eben wegen der großen amerikanischen Konzeption!

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Nun zeigt sich, wie recht wir Kommunisten hatten, als wir unser Volk vor dem Marshallplan warnten, warnten vor seinen zwangsläufigen Folgen. Dieser Marshallplan bedeutet für unser Volk und für alle daran beteiligten Länder Unfreiheit und Wirtschaftsdiktat, bedeutet gegen unser Volk, gegen unsere Wirtschaft die Anwendung einer Waffe der amerikanischen Wirtschafts- und Außenpolitik.

    (Abg. Dr. Würmeling: Sie haben lieber KZs!)

    — Marshallplan, westdeutscher Staat, D-MarkRutsch, das ist der Weg der Verzweiflung und der Weg des Niedergangs für unser Volk.

    (Zuruf rechts: Auf nach Moskau!)

    Keine wirtschaftliche Freizügigkeit, keine wirtschaftliche Freiheit, sondern Abhängigkeit und Knechtschaft bedeutet der Marshallplan, wie die heutige Debatte in aller Deutlichkeit beweist.

    (Unruhe. — Zuruf von der CDU: Davon leben Sie ja!)



    (Rische)

    Unter Ziffer 2 des Beschlusses der Hohen Kommission wird das Wort vom Dumping ausgesprochen. Es heißt dort:
    Die Hohe Kommission stellt fest, daß jegliche etwa existierenden diskriminatorischen Maßnahmen und jegliches Dumping aufzuhören haben und Maßnahmen getroffen werden müssen im Hinblick auf die Beseitigung irgendwelcher direkter oder indirekter Subsidien, die zur Unterstützung derartiger diskriminatorischer Maßnahmen und zu Dumpingzwekken gewährt werden.
    Mit der Erklärung, so kann man in diesem Zusammenhang wohl sagen, werden die deutschen Interessen mißachtet. Warum sprechen mit einem Male die Herren Hohen Kommissare so offen mit uns? Bisher war Deutschland der Kohlenlieferant für alle westeuropäischen Staaten. Wir lieferten nicht freiwillig; uns wurde der Zwangsexport diktiert. Wir haben die Kohle zu Zeiten exportiert, als es in der deutschen Wirtschaft an allen Ecken und Kanten fehlte, als wir verhindert waren, unseren eigenen Aufbau zügig zu forcieren. Die anderen Länder konnten während dieser Zeit mit der vom deutschen Bergmann im Ruhrgebiet geförderten
    Kohle ihre Wirtschaft aufbauen, und zu gleicher Zeit unterbanden damit diese am Marshallplan teilnehmenden Länder den Aufbau der deutschen Friedenswirtschaft. Und nun reden uns diese marshallisierten Regierungen vom Dumping. Nun sprechen ausgerechnet die Regierungen dieser Länder von diskriminierenden Maßnahmen, die wir etwa ergreifen könnten. Wer von diskriminierenden Maßnahmen zu sprechen hat, das dürfte doch wohl im Zusammenhang mit diesem Beschluß der Hohen Kommission ganz klar sein. Mit der Festlegung des Abwertungssatzes und den Bestimmungen der Hohen Kommission sind diskriminierende Maßnahmen gegen die deutsche Wirtschaft beschlossen worden.
    Meine Damen und Herren, es wird sicherlich nicht mehr lange dauern, dann wird in Auswirkung der Abwertung englische Kohle mit deutscher Kohle in Konkurrenz stehen, und zwar in Deutschland.

    (Zustimmung bei der KPD.)

    Ich erinnere nur an die Lage im Jahre 1926.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Im Jahre 1926 konnten die deutschen Unternehmer in Ruhrort, in Duisburg englische Kohle billiger kaufen als deutsche Kohle. Erinnern Sie sich an die Folgen dieser Dumpingpolitik: Massenarheitslosigkeit, Betriebsstillegungen usw.
    Darf ich auch noch an eine andere gegenwärtige Tatsache erinnern, an die Übersättigung des europäischen Kohlenmarktes. In Belgien lagern zur Stunde 3 Millionen Tonnen Kohle auf den Halden. Die Franzosen sperren schon die Einfuhr bestimmter Sorten von Ruhrkohle. Ich erinnere weiter an die unermüdlichen Bemühungen Englands, endlich in Westeuropa Kohlenabsatz zu finden, und dann spricht man vom Kohlendumping.
    Die Hohen Kommissare fordern binnen 7 Tagen eine Erhöhung des Kohlenpreises um 25 Prozent. Das ist ein Befehl! Wir kennen die Folgen. Die Folgen sind, daß nun wie nach der Währungsreform und wahrscheinlich noch schlimmer eine gewaltige Preislawine einsetzt, die alles das, was deutscher Fleiß und was die Arbeiter seit 1945 aufbauten — natürlich nicht, indem sie davon Profite erzielten, sondern indem sie opferten —, hinwegfegen wird. Die Folgen dürften somit jedem
    bekannt sein: Not und Verzweiflung werden von nun ab Westdeutschland regieren. Und die Auswirkungen? Ich warne, ich warne die Regierung sehr eindringlich. Die Arbeiterschaft in Westdeutschland hat sich lange Zeit geduldig genug erwiesen. Sie ist in diesen Tagen hellhörig geworden. Die Arbeiterschaft in Westdeutschland, die kommunistischen, sozialdemokratischen und die christlichen Gewerkschaftler, sie alle werden sich gegen die Maßnahmen der Hohen Kommission und der Regierung Adenauers geschlossen zur Wehr setzen.

    (Zurufe von der CDU: Aber nicht unter Ihrer Führung! Bleiben Sie nur unter sich!)

    Sie werden sehen, was diese Maßnahmen für Folgen haben werden. Die Arbeiter werden lernen, daß man sich auch gegen derartige Befehle zur Wehr setzen kann.
    Herr Bundeskanzler, Sie gaben uns eine Regierungserklärung, wonach Preiserhöhungen in Zusammenhang mit der Abwertung nicht erfolgen
    sollen. Stehen Sie noch zu dieser Erklärung, Herr
    Bundeskanzler? Herr Bundeskanzler, Sie sprachen
    von einer „blühenden Wirtschaft". Stehen Sie
    noch zu Ihrem Wort, Herr Bundeskanzler? Tatsachen und Befehle sind jedenfalls stärker als alle Worte und Erklärungen westdeutscher Politiker. Das hat die Geschichte der letzten Jahre bewiesen.

    (Beifall bei der KPD. — Zuruf von der CDU.) Die englische Regierung sprach bereits von Preiserhöhungen. Nun, Herr Bundeskanzler, haben Sie das Wort. Legen Sie nun Ihre Karten ebenfalls offen auf den Tisch, Herr Bundeskanzler!

    Wir sind überzeugt: was wir jetzt erleben, ist erst der Anfang. Es wird noch lustiger zugehen (Zuruf von der FDP: Das freut euch!)

    im Reich der Hohen Kommissare und der ausländischen Monopolisten, die nun den „heißen" Krieg gegen die deutsche Wirtschaft eröffnet haben.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Uns war es jedenfalls immer klar: westdeutscher Staat — das konnte keinen wirtschaftlichen Aufstieg bedeuten. Das war für uns niemals eine Garantie dafür, daß es nun mit unserem Volke wirtschaftlich aufwärts gehen werde.
    Wir haben einige Forderungen an die Regierung zu stellen. Die erste Forderung ist: im Zusammenhang mit dem Beschluß der Alliierten Hohen Kommission dürfen unter keinen Umständen Preiserhöhungen folgen, nicht im Kohlensektor, nicht im Lebensmittelsektor, noch sonst irgendwo. Wir warnen vor solchen Preiserhöhungen; denn sie würden das ganze wirtschaftliche Gefüge mit einem Mal auseinanderreißen. Sie wissen, was das ganz zwangsläufig bedeuten würde.
    Wir fordern nun unser Volk auf, einig und geschlossen zu stehen und von den uns umgehenden Mächten die Freiheit des Handelns, die Freiheit des Exports und Imports zu fordern.

    (Zuruf von der CDU: Genau wie im Osten! — Abg. Renner: Auch mit dem Osten!)

    Wir fordern von der Hohen Kommission die Freiheit, Lebensmittel dort einzukaufen, wo sie uns am billigsten angeboten werden und wo man bereit ist, uns Rohstoffe und Lebensmittel zu liefern, wenn wir dafür deutsche Fertigerzeugnisse liefern.

    (Abg. Dr. Seelos: Wie in Rußland!)



    (Rische)

    Wir fordern daher aus der Erkenntnis, daß es durch den Marshallplan mit der deutschen Wirtschaft nur bergab gehen kann, die Freiheit der deutschen Entscheidung in allen Fragen der Wirtschaft und die Forcierung des Ost-WestHandels.

    (Abg. Renner: Sehr gut!)

    Alle Tatsachen beweisen, daß die anderen Völker aus ihrer wirtschaftlichen Lage längst eine Schlußfolgerung gezogen haben. Sie verlassen sich nicht mehr allein auf die immer enger werdenden Märkte der kapitalistischen Weltwirtschaft, sondern sie bemühen sich darum — ich möchte beinahe sagen, wie nüchterne Realisten oder, wenn Sie wollen, wie Opportunisten —, mit ihren östlichen Nachbarn Handelsverträge abzuschließen. Sie sind uns dabei, meine Herren von der Industrie, mehr als nur eine Nasenlänge voraus.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Sie scheuen sich nicht, mit den Russen, mit den Polen und mit den Tschechoslowaken Handelsverträge abzuschließen. Sie sind sogar bereit, nach Moskau zu gehen und in Moskau zu verhandeln, weil sie wissen, Ost-West-Handel bedeutet unter den gegenwärtigen krisenhaften Erscheinungen der Weltwirtschaft so eine Art Rettungsanker. Es wird höchste Zeit, daß unsere Regierung sich entschließt, Maßnahmen zum Abschluß eines Ost-WestHandelsvertrages zu ergreifen. Noch immer nicht hat man es in Frankfurt fertiggebracht, den Vertrag zwischen der sowjetischen Besatzungszone und den Westzonen über den Austausch von Waren und Gütern unter Dach und Fach zu bringen. Immer noch fehlen die Unterschriften.

    (Zurufe von der FDP: Warum? — Zuruf rechts: Zur Sache!)

    Wir fordern darum eine unabhängige deutsche Wirtschaft, die einen gleichberechtigten Anteil am Welthandel hat. Wir sind jedoch illusionslos.

    (Lachen in der Mitte und rechts.)

    Wir wissen, daß die Regierung Adenauer auf Gedeih und Verderb mit der amerikanischen Konzeption verbunden ist; und sie wird mit der amerikanischen Konzeption untergehen.

    (Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir alle in diesem Hause ohne Rücksicht auf Parteischattierung stehen unter dem erschütternden Eindruck der Ereignisse der letzten 48 Stunden. Das Ganze ist eine Katastrophe für unsere deutsche Wirtschaft. Lassen Sie mich das bitte mit aller Deutlichkeit sagen. Jedes andere Wort wäre eine Verschleierung der wahren Tatsachen. Es i s t eine Katastrophe für unsere ganze Wirtschaft. Denn kein Mensch glaubt es, wenn es, sei es von der Regierungsbank her, sei es von irgendwelchen Sprechern dieses Hauses, so hingestellt wird, als sei es möglich, durch Manipulationen irgendwelcher Art, durch Preisstützungen oder durch sonstige Dinge zu verhindern, das alle Waren- und alle Lebensmittelpreise ins Rutschen kommen und sich in kürzester Zeit auf den abgewerteten Wert unseres Geldes einstellen und einspielen werden.

    (Zuruf von der CDU: Das muß man oft genug sagen!)

    Alles andere ist Unsinn, sehr verehrte Herren Kollegen, vollkommen barer volkswirtschaftlicher Nonsens.
    Übrigens fragt niemand danach, woher die Regierung diese Mittel, diese Millionen- und Milliardenbeträge nehmen sollte, um solche Stützungen auch nur in einem nennenswerten Umfange durchführen zu können. Wir hören von Stützungen für Getreide und Fett. Wir haben gehört, daß die Preise für die Inlandskohle nicht höher Sein dürften. Wir werden demnächst weitere solche Erklärungen hören und hören müssen. Wer glaubt denn von uns noch, daß so etwas möglich ist? Diese Gelder müssen ja irgendwoher kommen. Aus den Steuereinnahmen vielleicht? Die werden sowieso schon für ganz andere Dinge absorbiert, für Staatsausgaben aller Art. So bliebe nur noch eines: die Steuern wahnsinnig zu erhöhen, und das wird nicht mehr gehen.
    Ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines: Sie werden erleben, daß in kürzester Zeit das gesamte Preisgefüge ins Rutschen gekommen ist, genau so wie wir es vor wenigen Tagen in der Erklärung der WAV zur Regierungsdeklaration gesagt haben. Ganz egal, ob die alliierten Kommissare uns die Weisung gegeben haben, den Kohlenpreis zu erhöhen oder nicht, die Wirkung wäre die gleiche gewesen. Der Unterschied ist nur, daß der Patient jetzt durch eine solche Maßnahme, auf Grund deren der Kohlenpreis sofort angeglichen werden muß, einen Blutsturz bekommen hat, während sonst, wenn diese Maßnahme nicht erfolgt wäre, der Patient in einigen Monaten an Lungenschwindsucht gestorben wäre.

    (Zustimmung bei der WAV.)

    Die Auspendelung der Preise hätte im letzteren Fall einige Monate länger gedauert, bis sich alles an die veränderte Basis nach oben angeglichen hätte. So aber wird nun der Todesprozeß noch viel kürzer sein, und so werden Sie sehen, daß sich schon in wenigen Tagen die Preise für die wichtigsten Güter an die Abwertung angleichen.
    Meine Damen und Herren, wohin wird das führen? Denken Sie daran, daß unser Volk vor dem Winter steht und Kohle einkaufen soll. Können das aber vielleicht die Unterstützungsempfänger mit ihren 19 Mark — soviel haben sie bei uns in Bayern pro Kopf und Monat —, oder können es vielleicht die kleinen Mittelständler und die Arbeiter? Und wie wird es mit dem ganzen Preisgefüge der Industrie sein? Die Bundesbahnen werden ihre Preise heraufsetzen, und so wird es weitergehen.
    Das Grundübel war, daß überhaupt mit dem Gedanken an eine Abwertung gespielt wurde.

    (Sehr richtig! bei der WAV.)

    Man könnte fast das Dichterwort zitieren: „Beim ersten sind wir frei, beim zweiten sind wir Knechte!" Meine Damen und Herren, jeder, der die Dinge überblickt, mußte damit rechnen, daß auf eine Abwertung der D-Mark hin mit Sicherheit solche Maßnahmen von seiten der Alliierten einsetzen würden. Wir bedauern weiß Gott diese Maßnahmen, mit denen die alliierten Kommissare in das innerdeutsche Preisgefüge eingegriffen haben oder eingreifen wollen, aufs tiefste und fühlen uns da mit sämtlichen Fraktionen dieses Hauses einig. Wir mußten aber leider damit rechnen, und es mußte Aufgabe der deutschen Staatslenkung sein, diese Reaktion, die mit größter Sicherheit von seiten der alliierten Kommissare zu erwarten war, im voraus schon einzukalkulieren.


    (Loritz)

    In dem Schreiben der alliierten Kommissare, das der Herr Bundeskanzler uns heute vorgelesen hat, heißt es, daß die Hohen Kommissare gegen die Neufestsetzung des D-Mark-Kurses keinerlei Einwände erheben. Eine merkwürdige Formulierung! Ich bitte namens der Fraktion der WAV den Herrn Bundeskanzler und die Bundesregierung, vor aller Öffentlichkeit, vor dem gesamten deutschen Volke klipp und klar zu sagen, inwieweit die Anregung zur Abwertung von deutscher Seite oder inwieweit sie von alliierter Seite gekommen ist. Das wird notwendig sein, damit die Verantwortlichkeiten vor der deutschen Geschichte nicht bloß heute, sondern auch auf längere Zeit hinaus festgestellt werden können. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht ganz — aber ich lasse mich von Regierungsseite gern darüber belehren, wenn es anders sein sollte —, ob es nur so war, daß der Gedanke zur Abwertung von alliierter Seite ausgegangen ist. Ich weiß es nicht! Wir wünschen darüber Aufklärung. Wir wissen nur eines: daß einige Hunderttausend in diesem Lande, namentlich Leute in der Großindustrie und auch sonstwo, die zur Zeit Riesenwarenlager haben und mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen haben, weil sie
    nämlich nicht gewillt waren, die Preise rechtzeitig
    so herabzusetzen, daß die Verdienstspannen auf ein vernünftiges Maß reduziert wurden, heute - und ich habe solche Stimmen mit eigenen Ohren gehört — hinsichtlich der D-Mark-Abwertung mit Begeisterung erfüllt sind, weil sie nämlich wissen, daß sie jetzt ihre Warenlager loswerden können. Die Preise werden nicht nur um 25 Prozent, sondern vielleicht noch mehr heraufrutschen; denn wenn sie einmal im Rutschen sind, rutschen sie immer weiter herauf, als man es ursprünglich meint, und kein Kuckuck wird sich mehr darum kümmern, ob die Verdienstspannen hier übersetzt sind oder nicht, sondern alles wird nach diesen Waren schnappen, und die Herren werden dabei Riesengewinne erzielen; denn die geförderte Kohle oder die Industrieprodukte, die sie jetzt viel teurer verkaufen, sind in Arbeitslöhnen in der alten D-Mark-Währung bezahlt worden, so daß die Gewinne um 25 oder vielleicht sogar 30 Prozent und noch mehr steigen werden.
    Ich kann mir sehr wohl denken, daß von dieser interessierten deutschen Seite her alles getan worden ist, um eine Abwertung in Gang zu bringen und damit die Entscheidung hinauszuzögern, vor der sich diese Herren angeblichen Volkswirtschaftler sehen, nämlich endlich einmal von dem übersetzten Preisniveau herunterzugehen und nicht etwa schon an einigen tausend Tonnen Stahl oder sonstigen Industrieerzeugnissen auf Kosten unserer deutschen Bevölkerung zu Millionären werden zu wollen. Diese Entscheidung ist durch die D-Mark-Abwertung hinausgezögert worden. und das ist schlecht genug für unser gesamtdeutsches Interesse.
    War es wirklich notwendig, daß den alliierten Kommissaren vorgeschlagen wurde — falls, wie ich eigens betone, dieser Vorschlg erfolgte —, zu einer Abwertung zu schreiten? In meiner letzten Rede habe ich schon dazu Stellung genommen. Ich möchte mich nicht wiederholen. Wir von der WAV glauben, daß das nicht notwendig war, sondern daß hier von seiten des Staates mit anderen Maßnahmen eingeschritten werden mußte, daß man durch Senkungen der Steuern und durch verschiedene andere Maßnahmen, auf die ich hier, weil die Redezeit nur 15 Minuten beträgt, nicht im einzelnen eingehen kann, eine Senkung des
    Preisniveaus erreicht hätte, durch die unsere Industrie im Zusammenhang mit der Abwertung des Pfundkurses nicht so stark geschädigt worden wäre, ganz abgesehen davon, daß noch zur Zeit und auf lange Sicht hinaus unsere Importe bedeutend höhere Summen ausmachen als die Exporte. England hat durch die Abwertung sehr viel verdient. England hat nämlich seine gesamten Staatsschulden und Schulden der öffentlichen Hand letztlich um 30 Prozent verringert. W i r haben an dieser Abwertung gar nichts zu verdienen; denn es gibt praktisch keine Staatsschulden mehr, wenigstens nicht in nennenswertem Umfange. weil ja anläßlich des Währungsschnitts die Schulden der öffentlichen Hand liquidiert und gestrichen worden sind. Wir haben durch diese Abwertung nur zu verlieren.
    Was wird die Folge der Abwertung sein, und zwar auf die Maßnahme der Hohen Kommissare hin doppelt so rasch die Folge sein? Die Folge wird sein, daß in kürzester Zeit die Preise auf die Goldmarkbasis, umgerechnet auf Dollarwertbasis, hinaufspringen, und unser ganzes Volk mit Ausnahme von hunderttausend Großindustriellen und Warenbesitzern wird der leidtragende Teil sein. Das konnen wir nicht verantworten. Ich bitte, an Sie alle appellieren zu dürfen, daß wir dieses Problem hier rechtzeitig erkennen und rechtzeitig dazu Stellung nehmen. Vielleicht wird es heute schon zu spät sein; aber immerhin, es ist noch nicht ganz so weit, denn heute abend findet ja noch eine Besprechung der Bundesregierung mit den alliierten Kommissaren statt. Wir von der WAV rufen der Bundesregierung zu: „Landgraf, werde hart!", tut hier nicht das, was zwar auswärtigen und auch manchen inländischen Kreisen angenehm sein kann, sondern denkt an die Interessen der breiten Massen unseres Volkes und widersetzt euch jeder Abwertung, noch dazu, nachdem ihr, meine Herren von der Bundesregierung. jetzt seht, daß diese Abwertung durch die Fixierung des Kohlenpreises und andere Maßnahmen gar keinen Gewinn für unsere gesamte Volkswirtschaft bedeutet, sondern nur noch eine Katastrophe bringt.
    Noch eine Bitte — nur so am Rande — hätten wir an die Bundesregierung. Wir sind froh darüber, wenn die Presse sehr rasch über alle Maßnahmen der Bundesregierung informiert wird; aber wir bitten darum, daß gleichzeitig mit der Informierung der Presse eine Informierung der einzelnen Fraktionen dieses Hauses erfolgt. Und wenn das Plenum nicht beisammen ist, dann bitten wir die Regierung, in Zukunft wenigstens durch einen Telephonanruf bei den Sekretariaten der einzelnen Fraktionen den Abgeordneten, die dort versammelt sind, die Nachricht davon, was die Bundesregierung beabsichtigt und tut, ebenso rasch mitteilen zu lassen, wie das gegenüber der Presse geschehen ist. Wir wissen genau. Herr Bundeskanzler, daß Sie dadurch, daß die Nachricht in Paris schon verbreitet wurde, in eine gewisse Zwangslage versetzt worden sind. Wir bitten Sie also, in Zukunft gleichzeitig mit dem Telephonanruf an die Presse auch einen Telephonanruf an die Fraktionssekretariate gehen zu lassen, damit wenigstens diejenigen Volksvertreter, die gerade anwesend sind, unterrichtet sind und nicht erst auf dem Umweg über die Presse darüber informiert werden, was die Bundesregierung beabsichtigt.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß, indem ich die Bundesregierung bitte,


    (Loritz)

    keine Abwertung vorzunehmen, wenn es nur irgendwie noch möglich ist, weil diese Abwertung ein Schlag ins Wasser und lediglich ein Schlag gegen die Interessen des größten Teils unserer deutschen Bevölkerung sein wird.

    (Beifall bei der WAV.)