Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Lassen Sie mich zu meinem Thema, zum Wohnungsbau und dessen Finanzierung kommen. Die „Nationale Rechte" hat zunächst keinen Anlaß, den guten Willen der Regierung im Hinblick auf ihr Wohnungsbauprogramm zu bezweifeln oder ihr heute mit Belehrungen zu kommen. Wir halten es auch nicht gerade für geschmackvoll, jetzt, nachdem die Regierung erst vor ein paar Tagen zusammengetreten ist, mit
agitatorischen Forderungen auf Bevorzugung dieser oder jener Bevölkerungsgruppe zu kommen. Außerdem bliebe uns da nicht viel mehr übrig; denn soweit ich mich erinnern kann, ist gerade auf dem Gebiet des Wohnungsbaues für jeden bereits eine komplette Wohnung gefordert worden, einschließlich der Frauen mit und ohne Kindern usw. Wenn wir dazu noch etwas tun wollten, könnten wir eigentlich nur noch für jeden Jugendlichen ein Eigenheim verlangen, und die Finanzierungsfrage müßte selbstverständlich in der Weise gelöst werden, daß man die Steuern restlos beseitigt.
Meine Damen und Herren, einen solchen oder ähnlichen Antrag werden Sie vielleicht von uns als der Partei, die am weitesten rechts steht, erwartet haben.
Nun zur Sache!
Das Wohnungsproblem ist, wie mehrfach hervorgehoben worden ist, ein Finanzproblem. Wir möchten aber nicht dabei stehenbleiben. Es könnte sein, daß es in gewissem Sinne auch ein Organisationsproblem ist, nämlich wenn man bedenkt, daß es sich vielfach um freie Arbeitskräfte, also Arbeitslose handelt, die ja selbst Wohnungsuchende sind. Immer wieder haben wir von den Arbeitslosen gehört, warum es denn nicht möglich sei, daß sie mit ihrer eigenen Arbeitskraft irgendwie eingeschaltet würden, selbst unter Verzicht auf irgendeinen Bauhandwerkerlohn. Sie meinen, man sollte ihnen nach wie vor die Arbeitslosenunterstützung geben, und sie würden dann vielleicht einen halben oder dreiviertel Tag nur für die Arbeitslosenunterstützung arbeiten und insoweit schon zum Wohnungsbau und insbesondere zur Verbilligung des Wohnungsbaues beitragen. Ich muß sagen, daß es einem schwerfällt, diese Wünsche einfach damit abzutun, daß man ihnen sagt, damit wäre die Finanzierung nicht gelöst. Es ist zwar richtig, daß die Kosten eines Hauses sich nicht nur aus Arbeitslohn, sondern in sehr starkem Maße auch aus Materialkosten zusammensetzen; aber ich meine, man sollte doch, wenn man hier soviel gutem Willen begegnet — die eigene Arbeitskraft sogar unentgeltlich zur Verfügung zu stellen —, sehr ernsthaft darüber nachdenken, welche Wege man in dieser Richtung organisatorisch wohl finden könnte. Insoweit meine ich, daß das in gewissem Sinne auch ein Organisationsproblem ist. Ganz spezielle Vorschläge können wir dazu naturgemäß im Augenblick noch nicht machen.
Im übrigen ist natürlich das Wohnungsbauproblem ein Finanzproblem, und zwar einmal privater Art und zum anderen öffentlicher Natur. Privater Art ist es insofern, als es auch in normalen Zeiten immer üblich war, daß ein Haus nicht aus eigenen Mitteln, sondern im wesentlichen mit Fremdkapital finanziert wurde. Etwa 60 Prozent Hypothekenkredite waren immer erforderlich. Diese Hypothekenkredite wurden in der deutschen Wirtschaft zumeist von Hypothekenbanken und Sparkassen gegeben.
Diese wiederum besorgten sich die Mittel dazu durch ihr sogenanntes Passivgeschäft am Pfandbriefmarkt oder durch die Spareinlagen. Beides liegt heute darnieder. Es wäre daher zu erwägen,
ob man nicht das Ansehen des Hypothekenkredits, der ja beim Hausbau eine ganz wesentliche Rolle spielt, wieder stärken müßte, und da möchte ich den ganz konkreten Vorschlag machen, daß man die Abwertung, die hypothekengesicherte Darlehen erfahren haben, günstiger regelt als die Abwertung der übrigen Geldkonten. So war es übrigens auch bei der Wiederaufwertung nach 1918.
Bei der Frage, durch welche Stellen eventuell die vom Staat gegebenen Gelder geleitet werden sollen, hört man vielfach von neuen Institutionen sprechen. Ich möchte hier an die eingespielte Arbeit der Hypothekenbanken und Sparkassen erinnern. Diese Institute arbeiten in diesen Fragen seit langen Jahrzehnten. Es ist deshalb, wie ich glaube, nicht unbedingt erforderlich, neue Instanzen zu schaffen.
Ich komme nun zu dem Finanzproblem auf dem staatlichen Sektor. Hier möchten wir zunächst das ablehnen, was augenblicklich in Niedersachsen in der Stadt Hannover gemacht wird, wo man Mittel zum Wohnungsbau durch eine sogenannte Wohnbauabgabe beschafft. Es ist doch eigentlich von allen unbestritten, daß sowohl der Hausbesitz als auch die Mieter bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit belastet sind. Ich muß schon sagen: ich empfinde es als mehr als das Ei des Kolumbus, wenn man nun einfach sagt: die Mieter zahlen rund noch zehn Prozent drauf — so ist es in Hannover —, führen dies an den Hauswirt ab, und dieser führt es dann weiter an die Stadt ab. Das bedeutet eine Verteuerung der Lebenshaltung für sämtliche Schichten des Volkes, die gerade für die sozial Schwachen unseres Erachtens nicht tragbar ist. Im übrigen ist das praktisch auch nichts anderes als eine zusätzliche Steuer, denn die Grundsteuer ist zum Beispiel in Hannover um 50 Prozent erhöht worden. Der Hinweis, daß diese Beträge steuerfrei gespart werden könnten, da sie als Spareinlagen gelten, ist nicht stichhaltig; denn man kann derartige Zwangsabgaben nach dem Gesetz nicht als freiwillige Sparbeträge ansehen, die nach dem Einkommensteuergesetz steuerbegünstigt sind.
Ein weiteres Mittel, das Finanzproblem staatlicherseits zu lösen, ist das der Kreditausweitung. Dazu ist aber nicht viel zu sagen. Dieses Mittel ist gefährlich, wie wir alle wissen, und es kann auch stets nur bis zu einem gewissen Grade helfen, das Problem zu lösen.
Ich möchte aber auf ein drittes Mittel kommen, und zwar nicht das Mittel einer Steuererhöhung, sondern man sollte einmal daran denken, daß der Staat Steuergelder, und zwar reichlich Steuergelder, auch dann bekommt, wenn die Finanzverwaltung als solche gut arbeitet. Ich bin mir bewußt, daß ich hier sicherlich etwas Unpopuläres ausspreche, wenn ich dazu auffordere, die Finanzverwaltung schlagkräftig zu machen.
In diesem Zusammenhang ist aber leider auf Artikel 108 des Grundgesetzes einzugehen. Danach ist die Regelung so getroffen, daß die Verwaltung der Umsatzsteuer und der einmaligen Vermögensabgaben dem Bund, die Verwaltung der übrigen Steuern den Ländern obliegt. Wir erinnern uns ja noch alle an den bekannten Streit vor einigen Monaten, bei dem diese Frage im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stand. Man sollte sich einmal fragen, wer eigentlich ein Interesse daran hat, daß die Finanzverwaltung, die gerade in diesem
Augenblick, wo der Staat eine Reihe sozialer Aufgaben zu erfüllen hat, funktionieren muß, in dieser Weise, wie es in Artikel 108 zum Ausdruck kommt, praktisch lahmgelegt wird. Es sind bestimmt nicht die vielen Lohn- und Gehaltsempfänger; denn diese zahlen mehr oder weniger unfreiwillig und ganz von selbst den vollen Steuersatz und sie haben nur das eine Interesse, daß eine schlagkräftige Verwaltung da ist, die so billig, sicher und gleichmäßig wie nur möglich arbeitet.
Die Wirtschaft selbst dürfte auch kein Interesse daran haben, die Finanzverwaltung wieder auf den Stand der Zeit vor 1919 zurückzubringen. Die Wirtschaft ist auch froh darüber, daß es nicht mehr in einzelnen Ländern Steueroasen gibt, in die sie ihre Syndizi schicken muß, um hier oder dort eine neue Aktiengesellschaft zu gründen, damit man ja einen Steuervorteil, der irgendwo in einem Land besteht, für sich in Anspruch nehmen kann. Ich glaube, auch die Ausführungen des Herrn Fraktionsvorsitzenden einer Regierungspartei, nämlich der FDP, waren in dieser Hinsicht ziemlich aufschlußreich. Sie setzten sich in gewisser Weise von den Erklärungen anderer Regierungsparteien ab, indem sie eine starke zentrale Regelung auf diesem Gebiet forderten. Wer aufmerksam dabei zugehört hat, dem wird das bei der Rede des Herrn Dr. Schäfer nicht entgangen sein.
Schließlich hat auch die Finanzverwaltung selbst kein Interesse an einer Zerschlagung. Wenn man die Finanzbeamten fragt, so hört man, daß sie noch heute sehr darunter, leiden, daß die Finanzverwaltung in den Jahren seit 1945 praktisch in Länderverwaltungen zerschlagen war und daß es an einer einheitlichen Lenkung fehlte. Wenn sie Auskunft geben oder Entscheidungen treffen sollten, konnten sie das einfach nicht tun, weil Anweisungen von oben nicht vorhanden waren. Wir werden daher immer wieder unseren Finger auf diese Wunde legen. Ich glaube auch, daß uns diese Frage im Laufe der nächsten Jahre noch mehr zu schaffen machen wird. Wir möchten es auch von seiten der „Nationalen Rechten" durchaus bezweifeln, ob es richtig war, für den Preis des Inkrafttretens des Grundgesetzes die Zerschlagung der Finanzverwaltung hinzunehmen.
Zusammenfassend möchte ich erstens sagen: der arbeitslose Wohnungsuchende muß seine unentgeltliche Arbeitsleistung mit in die Waagschale werfen können, um sich damit ein Anrecht auf Wohnung zu sichern; zweitens: das Vertrauen zum Hypothekenkredit muß durch bessere Aufwertung von Hypothekendarlehen wiederhergestellt werden; drittens: staatliche Mittel sollten nicht über neue Stellen, sondern über die bewährten Institute wie Hypothekenbank und Sparkasse verteilt werden; viertens: die großen sozialen Aufgaben der Regierung sind nur bei einer schlagkräftigen, einheitlichen Bundesfinanzverwaltung zu erfüllen.
Wir bitten daher, die Verwaltung der Einkommen- und Umsatzsteuer auf jeden Fall personell in dieselbe Hand zu legen. Es ist ja leider nach dem Grundgesetz vorgesehen, daß nur die Umsatzsteuer vom Bund verwaltet wird und die Einkommen- und Körperschaftsteuer von den Ländern. Fragen Sie mal einen Finanzbeamten, dem sträuben sich jetzt schon die Haare bei dem Gedanken, daß der eine Beamte die Umsatzsteuer veranlagt und der andere die Einkommensteuer. Denn wer etwas von diesen Dingen versteht, der weiß, daß sich die Einkommensveranlagung unmittelbar auf der Um-
satzfeststellung aufbaut. Es wäre also eine Mehrarbeit und eine schlechtere Arbeit, die allein bei einer Trennung herauskommen würde. Wenn also die Regierung hier durch den Artikel 10.8 festgelegt ist, so bitten wir doch immerhin, die Sache in irgendeiner Weise so zu regeln, daß wenigstens personell entweder der Bundesbeamte die Aufgaben des Landesbeamten mitmacht oder umgekehrt. Das läßt sich ja als Auftragsangelegenheit regeln.
Im übrigen wollen wir es hinsichtlich der Regierungserklärung mit dem schönen Bibelspruch von Herrn Loritz halten, den wir gleich konkretisieren, indem wir der Regierung zurufen: „An ihren Häusern wollen wir sie erkennen".