Rede:
ID0100802100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Dr.: 1
    8. Besold.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. September 1949 137 8. Sitzung Bonn, Dienstag, den 27. September 1949. Antrag der Zentrumsfraktion, betreffend Unterrichtung des Ältestenrats über den Stand der Abwertungsfrage: Dr. Reismann (Z) (zur Geschäftsordnung) 137C Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung . . . 137 B, 138 A Etzel (CDU) 138A Dr. Frey (CDU) 141D Dr. Kather (CDU) . . . . . . . 143C Euler (FDP) 146C Dr. Mühlenfeld (DP) 146D Dr. Besold (BP) 149D Unterbrechung der Sitzung . . 152B Löfflad (WAV) 152C Dr. Miessner (NR) 153A Dr. Ott (Parteilos) 155A Nächste Sitzung 156 C Die Sitzung wird um 15 Uhr 10 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    aus der mit erhöhten Kunstdüngergaben erhöhten Produktion
    und durch das dadurch erhöhte Steueraufkommen.
    In der deutschen Volkswirtschaft, die in den letzten drei, vier Generationen weit überwiegend nach der gewerblichen Seite orientiert ist, wo die Landwirtschaft also ihrem Umfang nach sich in einer Minderheit befindet - die Entwicklung wird ja in dieser Richtung weitergehen —, muß die Regierung alles daran setzen, daß die Landwirtschaft nicht wie bisher in einer hoffnungslosen Minderheit verbleibt. Die hinter uns liegenden Jahre des Hungers, die Zwangslage, 50 Prozent der notwendigen Lebensmittel einführen zu müssen, und die Tatsache, daß eine gesunde Landwirtschaft den sichersten Absatzmarkt unserer eigenen .gewerblichen Produktion darstellt, daß die Landwirtschaft wertmäßig einen hohen Anteil am Sozialprodukt leistet bei gleichzeitig hohen Investitionen, wie sie wohl keine Produktion der deutschen Volkswirtschaft aufzuweisen hat, ferner die Tatsache, daß die Landwirtschaft die breiteste Schicht selbständiger Existenzen enthält, ferner das bevölkerungs- und staatspolitische Gewicht zwingen uns allein schon zur Anerkennung des Grundsatzes der absoluten Gleichberechtigung der Agrarpolitik gegenüber der übrigen Wirtschaftspolitik.
    Ich muß noch einmal mit allem Ernst wiederholen: wir können leider aus der vergangenen Frankfurter Wirtschaftspolitik nicht feststellen, daß der Landwirtschaft und der ihr verbundenen Wirtschaft diese gleichberechtigte Stellung eingeräumt worden wäre. Insofern wünschen wir uns eine gründliche Änderung der in Frankfurt begonnenen Politik, die sich vornehmlich darin auszudrücken hat, daß eine auf die Erfordernisse der Landwirtschaft eingestellte Handels- und Wirtschaftspolitik betrieben wird.
    Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit der europäischen Teilnehmerländer im Rahmen des Marshallplans und der Bildung eines einheitlichen europäischen Marktes — wir bekennen uns zu dem Grundsatz, daß das europäische Preisgefälle wiederhergestellt werden muß — können wir nicht zusehen, daß Außenhandelsverträge abgeschlossen werden, die plötzlich und unvorbereitet übermäßige Einfuhren von solchen Ernährungsgütern zulassen, die auch in Deutschland sehr gut selbst erzeugt werden und die dadurch, daß sie stoßweise und in unproportionierten, unregelmäßigen Mengen bei uns auftreten, an der Existenzgrundlage unserer Erzeuger rütteln. Die Vorgänge auf dem Gemüse- und Obstmarkt, die die einheimische Produktion zum großen Teil in den Viehstall und auf den Komposthausen wandern ließen, sind mit auf eine schädliche Politik von Frankfurt zurückzuführen. Mir scheint - ich spreche da in memoriam der Zeiten des Wirtschaftsrates —, daß das Fehlen des Ausschusses für Landwirtschaft und Agrarpolitik überhaupt in Frankfurt sich doch drastisch bemerkbar macht. Denn nun ist kein neugieriger Abgeordneter mehr da, der einmal einige interessante Fragen an die verantwortlichen Männer der Agrarpolitik stellen könnte; zum Beispiel warum bei ausreichenden saisonbedingten Auftrieben auf den deutschen Schlachtviehmärkten in demselben Moment große Mengen Walfleisch, das den Engländern wegen seiner minderwertigen Qualität nicht zusagt, gekauft und eingeführt werden; oder warum die VELF mit Italien verhandelt, um die Obst- und Gemüseeinfuhr von 12 Millionen auf 22 Millionen Dollar zu erhöhen, und warum die
    148 Deutscher Bundestag — E. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. September 1949

    (Dr. Mühlenfeld)

    Gemüseeinfuhr aus Holland auf 250 000 Tonnen erhöht wird. Das ist meinem Erinnern nach dieselbe Menge, die vor 1938 in das gesamte deutsche Reichsgebiet eingeführt wurde.

    (Zuruf von der SPD: Weil es so teuer ist!)

    — Nein, so liegen die Dinge leider nicht, sonst wäre es noch verständlich.
    Es sind noch mehr solche unverständliche Dinge im Laufe des letzten Jahres geschehen, unverständlich deshalb, weil nach unserer Meinung alles daran gesetzt werden muß, bei steigender Agrarerzeugung die Nahrungsmittelimporte zu senken mit dem Ziel, Devisen und noch einmal Devisen zu sparen, mit denen wir Rohstoffe auf dem Weltmarkt für unsere Industrie kaufen können; und somit hilft unsere Landwirtschaft, das Exportvolumen zu vergrößern, sie hilft, zusätzliche Arbeitsplätze in den Fabriken und Werkstätten zu schaffen und damit die städtische Kaufkraft zu heben.
    Wir begrüßen die bekundete Absicht, die Zwangswirtschaft weiter abzubauen. Diese totale Zwangs- und Planwirtschaft - das ist ja wohl kein Geheimnis mehr — hat zusammen mit dem totalen Erfassungssystem in den vergangenen Zeiten die Produktion ganz erheblich benachteiligt. Man kann wohl sagen, wir können uns dazu gratulieren, daß der Zwang zur Erhaltung ihrer persönlichen und betrieblichen Existenz die Gesamtheit des deutschen Volkes, Erzeuger wie Verbraucher, veranlaßt und gezwungen hat, die Plan- und Zwangswirtschaft, soweit es ging, zu umgehen. Wäre das nicht der Fall gewesen, dann wäre sie zu einer ausgemachten Katastrophe ausgeartet; darüber besteht wohl bei all denjenigen, die sehen und hören wollen, gar kein Zweifel. Sicher ist, daß sich die alte Planwirtschaft selber ad absurdum geführt hat. Aber eine marktmäßig gelenkte Wirtschaft wird nicht zu entbehren sein, und zwar unterschiedlich für die einzelnen landwirtschaftlichen Erzeugnisse, nur mit dem Unterschied, daß wir das nicht aus dogmatischer Rezeptmacherei tun, sondern nach den jeweiligen Erfordernissen des praktischen Lebens von Fall zu Fall. Für uns hängt die Seligkeit davon nicht ab. Im Rahmen der uns auferlegten sozialen Verpflichtungen haben wir gerade auch hier eine soziale Marktordnung Wirklichkeit werden zu lassen. Im Rahmen der zu ergreifenden marktorganisatorischen Maßnahmen wird die Errichtung von Marktverbänden
    ich denke hier vor allen Dingen an die Zucker- und Milchwirtschaft — ein dringendes Anliegen der Verbraucher, der Erzeuger und Verarbeiter sein.
    Ich darf mir auch erlauben, die Regierung um beschleunigte Vorlage eines Gesetzes über die Importausgleichsstelle zu bitten. Das Gesetz ist bereits vom Wirtschaftsrat beschlossen worden, hat aber nicht die Genehmigung der Militärregierung gefunden. Durch die Verzögerung wird die Erzeugung in Mitleidenschaft gezogen. Ich hoffe, daß auch in diesem Gesetz eine angemessene Heranziehung der berufenen Vertretung der Landwirtschaft vorgesehen werden wird.
    In diesen Zusammenhang gehört noch die baldige gesetzliche Regelung von Vorratsstellen für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus eigener Produktion und aus Importen, damit eine gleichmäßige Versorgung und Preisregelung zugunsten der Verbraucher und der Erzeuger möglich wird.
    Meine Damen und Herren! Wenn ich von einer Bauernbefreiung gesprochen und damit die Abschaffung des Ausnahmerechts für die Landwirtschaft gefordert habe, so gehört dazu auch die Wiederherstellung des Verfügungsrechts über den bäuerlichen Besitz für den Eigentümer selber. In dieser Beziehung ist von Gesetzes wegen die totale Herrschaft des Staates aus einer vergangenen Zeit ausschließlich für einen einzelnen Stand aufrechterhalten worden. Ich verkenne durchaus nicht, daß einstweilen noch eine gewisse Kontrolle beim Übergang bäuerlichen Eigentums auf einen anderen Eigentümer nicht zu entbehren ist. Hierzu brauchen wir aber ein Gesetz, das die wenigen Fälle der Eigentums- und Besitzveränderung, die noch zu regeln sind, aufzählt. In diesen Fällen kann die Genehmigung versagt werden, so zum Beispiel, wenn Grund und Boden oder der Betrieb ganz oder teilweise der Nutzung für die Volksernährung entzogen werden soll. Wichtig ist aber vor allem, daß eine starre Preisbindung beseitigt wird und die Kontrolle sich auf die Verhinderung von Auswüchsen nach oben sowie nach unten beschränkt. Eine Revision des geltenden Rechts im Grundstücksverkehr wird sich ebenfalls in Richtung auf eine Produktionssteigerung auswirken.
    Damit komme ich zu einem sehr wichtigen Kapitel der Agrarpolitik, das mir sehr am Herzen liegt und das einer gründlichen Überholung bedarf, nämlich zu dem Pachtrecht. Das Pachtrecht war einst das hervorragendste, das vornehmste Institut des sozialen Aufstiegs in der Landwirtschaft, sei es, daß komplette Betriebe durch kapitalschwache Landwirte übernommen wurden, sei es, daß unwirtschaftliche oder kleine Betriebe durch Zupachtung einzelner geeigneter Flächen lebensfähig gemacht werden konnten, oder sei es auch, daß eine in der Führung des Betriebes zeitweilig eingetretene Lücke überbrückt werden konnte. In allen diesen Fällen übte das alte Pachtrecht eine gesunde soziale Funktion aus. Diese Funktion des Pachtrechts wiederherzustellen ist eine durch die Entwicklung der jüngsten Zeit notwendig gewordene Angelegenheit. Auf dem Pachtmarkt ist es still, sehr still geworden. Den Schaden davon haben Pächter wie Verpächter und auch Heimatvertriebene in gleichem Maße. Eine Lockerung. eine zeitgerechte Gestaltung des Pachtschutzrechts, vor allen Dingen eine Wiederherstellung der Vertragstreue und, was wohl das Wichtigste ist, die ausdrückliche Anerkennung des Verpächters als Eigentümer — was durch die Diskussion um die Bodenreform leider gründlich mißlungen ist -würden den Pachtmarkt wieder beleben und unter Beibehaltung eines vernünftigen Pachtschutzes der großen Zahl von pachtwilligen Heimatvertriebenen und einheimischen Bauern wieder eine Existenz geben. Wenn wir diese Probleme nicht angreifen, glaube ich nicht, daß das Flüchtlingssiedlungsgesetz den Erfolg haben wird, den wir ihm alle wünschen.
    Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich noch auf einen Punkt hinweise, der mir gerade in den letzten Wochen sehr augenfällig geworden ist. Ich bin der Überzeugung — und es werden viele in diesem Hause mit mir dieser Überzeugung sein —, daß der Kreditbedarf der Landwirtschaft nicht genügend berücksichtigt wird. Der lang- und mittelfristige Bedarf ist von der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf 524 Millionen D-Mark für 1949 angegeben worden. Und was ist geschehen? Die Verwaltung für Wirtschaft, in den Angelegenheiten der Kreditpolitik federführend, hat von diesen 524


    (Dr. Mühlenfeld)

    Millionen D-Mark 290 Millionen D-Mark anerkannt und in ihren Planübernommen. Um das Unglück vollständig zu machen, erkennt von diesen nun noch verbliebenen 290 Millionen D-Mark die Militärregierung nur 48 Millionen D-Mark an, wobei allein 16 Millionen D-Mark für die Landeskulturkredite, für Wasserwirtschaft, Flurbereinigung usw., reserviert werden. Auch in diesem Punkte wünschen wir uns eine Änderung der Frankfurter Wirtschaftspolitik und keine Vernachlässigung der Landwirtschaft in der Kreditversorgung.
    In diesem Zusammenhang sei mir ein Hinweis auf die Verbundenheit von Handwerk, Handel und Landwirtschaft gestattet, die sich aus Betrachtungen gerade einer gesunden Kreditpolitik und deren öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Trägern ergibt. Diese Verhältnisse empfehle ich ebenfalls der Aufmerksamkeit der Bundesregierung. Die Bedeutung und das volkswirtschaftliche Leistungsvermögen erfordern die Schaffung eines Staatssekretariats für die mittelständische Wirtschaft mit Abteilungen f r Handel und Handwerk. Gerade von der agrarpolitischen Seite aus kann uns die Position und das Schicksal des Handwerks und des Handels nicht gleichgültig sein. Allein das niedersächsische Handwerk beschäftigt fast 400 000 Personen; unter Einbeziehung der Familienmitglieder sind es weit über 1 Million Personen. Das sollte uns schon einen Aufschluß über die Bedeutung des Handwerks geben. Daraus ergibt sich die Wichtigkeit der Einräumung einer besonderen Position, einer besonderen Abteilung innerhalb des Aufbaus des Ministeriums für Wirtschaft.
    Meine Damen und Herren! Ich kann nicht umhin, eine weitere wichtige Angelegenheit einer erhöhten Beachtung und Fürsorge unserer Regierung zu empfehlen. Es handelt sich hier um zwei Stiefkinder der deutschen Wirtschaftspolitik, um zwei Stiefkinder, mit denen wir uns im Wirtschaftsrat in monatelanger eingehender Arbeit beschäftigt haben, nämlich um die deutsche Küsten- und Hochseefischerei. Der Wirtschaftsrat hatte sich bemüht, hier einem nationalen Notstand abzuhelfen; aber leider ist den damaligen Arbeiten ein befriedigender Erfolg versagt geblieben. Wir können feststellen, daß sich im gesamten Küstengebiet ein Strukturwandel vollzieht, der sich für alle Beteiligten — und das ist nahezu wohl die Gesamtheit der Bevölkerung in den Küstengebieten — sehr nachteilig auswirkt. Wir sollten von der Bundesregierung erwarten, daß das Entgegenkommen der Besatzungsmächte hinsichtlich des Fischdampferneubaus durch eine einsichtige deutsche Politik zu einem Erfolg wird.
    In Anbetracht der Bedeutung der deutschen Fischwirtschaft, vor allen Dingen in der Form der Urproduktion, der Fischerei, sei es Küstenfischerei oder Hochseefischerei, gebührt dieser Fischwirtschaft eine besondere Abteilung im Ministerium. Meine Damen und Herren, wir haben bislang darunter gelitten, und wir werden weiter darunter leiden, daß wir nach der bisherigen Organisation — und nach den Empfehlungen der Ministerpräsidenten soll es so bleiben — nur eine Lenkungsstelle haben, unter der ein Referat Fische aufgeführt ist. Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um einen Wirtschaftszweig sui generis mit ganz anderen technischen und volkswirtschaftlichen Voraussetzungen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, daß der Fischwirtschaft eine besondere
    Abteilung im Ministerium zugebilligt wird. Die Leistungen der Fischwirtschaft prägen sich nicht besser aus und lassen sich nicht besser darstellen als in einer kleinen Formel. 181 Fischdampfer leisten, über die Relation des Eiweißprozentsatzes umgerechnet, das, was 1 700 000 landwirtschaftliche Betriebe an Fleisch leisten. 80 000 Menschen hängen direkt oder indirekt von dem Gedeihen der deutschen Fischwirtschaft in unseren Küstengebieten ab. Das sollte uns allein schon genügen, um der Fischwirtschaft innerhalb der Organisation des Ministeriums die gebührende Stellung einzuräumen.
    Lassen Sie mich zum Schluß noch einer ganz besonderen Sorge Ausdruck geben, die ebenfalls unsere Küstengebiete betrifft. Es handelt sich hier um den Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte, um die Freigabe von Seefrachtern bis zu 3000 Tonnen. Es ist schlechterdings nicht zu vertreten, daß wir von unserer Landwirtschaft die höchsten Anstrengungen verlangen, um Devisen zu sparen, und auf der andern Seite zusehen, daß 26 Prozent der Devisen die uns nach dem Marshallplan zustehen, für Seefrachten ausgegeben werden. Die Leistungssteigerung der Landwirtschaft muß hier durch Ersparnisse an Devisen in den Seefrachten ergänzt werden. Außer durch die Förderung der Seefischerei kann durch Aufbau einer Handelsflotte die Wirtschaft der küstennahen Gebiete gerettet werden. Die Werften haben keine Aufträge mehr, und Entlassungen der Arbeiter sind an der Tagesordnung. 60 000 deutsche Seeleute und Werftarbeiter sind arbeitslos. Die Zulieferungsindustrien für den Schiffsbau und für die Reparaturanstalten sind zu nachhaltigen Betriebseinschränkungen gezwungen.
    Ich glaube noch einmal zusammenfassend der Bundesregierung sagen und mit allem Nachdruck darauf hinweisen zu müssen, daß. wir aus den angegebenen Gründen einer automatischen Fortsetzung der in Frankfurt begonnenen Wirtschaftspolitik nicht unsere Zustimmung geben können. Hier bedarf es einer eingehenden Revision. Meine Damen und Herren, erkennen wir nun, daß wir eine Gesundung, unseres gesamten deutschen Wirtschaftslebens nicht erreichen können, wenn der deutschen Landwirtschaft nicht die ihr gebührende gleichberechtigte Stellung in der deutschen Wirtschaftspolitik eingeräumt wird.

    (Beifall bei der DP.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Besold.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Anton Besold


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine Damen und Herren! Dieses Parlament müßte es zu seiner vornehmsten Aufgabe machen, Auseinandersetzungen zwischen den Parteien auch in vornehmer Weise durchzuführen. Wenn am letzten Freitag am Ende dieser Debatte von dem Herrn Abgeordneten Götzendorff ein Artikel der „Bayerischen Landeszeitung" zitiert worden ist — das ist sein Recht — mit dem Zusatz, daß die Bayernpartei damit eine neue Art des Rassenhasses pflege, so ist das eine Beleidigung einer Partei, die vom Präsidenten hätte gerügt werden müssen. Wir bedauern dies.
    Meine Damen und Herren! Auch die Bayernpartei hat sich rückhaltlos dafür erklärt, daß auf Bundesebene das Flüchtlingsministerium errichtet wird, obwohl Flüchtlingsangelegenheiten nach der konkurrierenden Gesetzgebung zunächst noch Sachen der Länder sind. Wir haben es deshalb getan, weil wir die große Not der Flüchtlinge kennen. Wir


    (Dr. Besold)

    haben uns auch für einen Flüchtlingsausgleich nicht bloß im Interesse der einzelnen Länder, sondern auch im Interesse der Flüchtlinge eingesetzt. Auch andere Länder haben das getan. Wir haben das Flüchtlingsministerium auch deshalb betont, weil wir wissen, daß wir nicht allein in der Lage sind, diese Frage zu lösen, sondern daß hier auch die ausländische Hilfe notwendig ist, die auf der Bundesebene leichter erreicht werden kann. Es ist richtig, gegen eine Art von Flüchtlingen haben wir uns gewandt, die aber keine Flüchtlinge sind. Wir wissen, daß gerade in den letzten Monaten und vielleicht auch vor längerer Zeit — das möchte ich hier betonen — unter diesem Deckmantel und unter Ausnützung der Armut und der Not dieser Flüchtlinge aus dem Osten Leute hereingekommen sind, die nicht vertrieben worden sind, sondern ihr Dasein auf diese Weise zur politischen Wühlarbeit benützen, und dagegen wenden wir uns.

    (Zuruf: Das stand doch nicht in dem Artikel!)

    Lassen Sie mich nun noch einige Worte zur Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers sagen! Der Herr Bundeskanzler hat davon gesprochen, daß der Wahlkampf von der Parole beherrscht war „hie soziale Marktwirtschaft — dort Planwirtschaft". Sicherlich haben die Bundesregierung und der Herr Bundeskanzler einen großen Auftrag der Wähler erkannt, und sicherlich ist die Bundesregierung auch gewillt, auf wirtschaftlichem Gebiet gemäß dem Auftrag ihrer Wähler eine Lösung anzustreben und zu finden. Darüber hinaus ist aber eine weit größere und vielleicht entscheidungsschwerere Frage mit nur wenigen Sätzen in der Regierungserklärung betont worden: es ist die Frage des föderalistischen oder zentralistischen Staatsaufbaus.
    Wenn der Herr Bundeskanzler erklärt hat, daß der Wiederaufbau unserer Wirtschaft die vornehmste, ja die einzige Grundlage für jede Sozialpolitik und für die Eingliederung der Ausgewiesenen ist, so können wir diesen Standpunkt nicht teilen. Wohl ist die Lösung der wirtschaftlichen und der sozialen Fragen vordringlich, weil sie auch die spürbarsten Aufgaben in sich schließen; aber nicht immer sind die spürbarsten Dinge die entscheidenden.
    Wenn der Herr Bundeskanzler in seiner 19 Seiten langen Regierungserklärung nur mit zwei Sätzen das Problem „Föderalismus oder Zentralismus" berührt hat, so entspricht dies nicht der Bedeutung dieser Frage. Wenn unsere Generation nicht erkannt hat, daß es das ewig deutsche, ja vielleicht europäische Leid und das Leid der Welt ist, daß der Anfang der Blüte einer Wirtschaft immer wieder durch zentralistische Machtkonzentrationen zerstört worden ist, dann kann es kaum eine andere Generation verstehen.

    (Lachen links.)

    — Sie lachen! Sie kennen vielleicht die Geschichte nicht. Auch verstehe ich nicht, warum gerade die Linke lacht.

    (Zurufe.)

    Sprechen Sie nicht ein Jahrhundert vom Sozialismus und predigen Sie ihn nicht? Sie haben auch auf dem Gebiet der sozialen Lohnwirtschaft Erfolge erzielt. War es aber nicht so, daß in einer Generation zweimal zentralistische Machtkonzentrationen Ihre Arbeiter die eigenen Mordwerkzeuge haben konstruieren lassen? Und war es nicht so, daß damit nicht nur die Existenz des deutschen
    Volkes, sondern auch der einzelnen Stände zerstört worden ist?

    (Zurufe links.)

    Wir sagen, daß es sich hier um eine historische Feststellung handelt, um eine historische Feststellung, an der man in der Geburtsstunde eines neuen Bundes, eines neuen Deutschland nicht vorübergehen kann. Man kann diese Dinge auch nicht nur mit zwei Sätzen streifen, weil es sich um elementare, lebenserhaltende oder lebensverneinende Entscheidungen für einen Bund handelt. Wir wissen doch selbst aus unserer Geschichte folgendes. Das Reich von 1871 war zunächst föderalistisch. Je mehr den einzelnen Ländern ihre Rechte genommen, je mehr die einzelnen Länder auf wirtschaftlichem und auf staatspolitischem Gebiet ausgehöhlt und in ihren Rechten zurückgesetzt worden sind, je mehr sich eine zentralistische Staatsausweitung geltend gemacht hat, um so sicherer sind wir in internationale Konflikte gekommen. Zum erstenmal geschah das 1914. Der Krieg wurde verloren. Es kam eine Revolution. Aber, meine Damen und Herren, das war keine Revolution!

    (Lachen links.)

    Das Kernübel, nämlich die zentralistische Ausrichtung, wurde nicht beseitigt. Man hat am Alten wieder neu begonnen. In der Weimarer Verfassung hat man das, was zunächst föderalistisch gedacht war, nunmehr zentralistisch niedergelegt und so die Brücke zum exzentrischsten Zentralismus, nämlich zum Nationalsozialismus, geschlagen.

    (Zurufe.)

    Nicht daß es die Parteien zuvörderst gewesen sind, meine Damen und Herren, sondern es ist die staatspolitische Auffassung des 19. und 20. Jahrhunderts, die Europa vernichtet hat. An dieser Feststellung dürfen wir am Beginn eines neuen Deutschland nicht vorübergehen.
    Wenn man immer wieder hört, daß wir in der Bayernpartei sagen, das sei eine bayerische Sache, dann muß ich sagen: freilich ist es eine bayerische Sache, weil diese föderalistische Auffassung bei uns am meisten verkörpert ist,

    (Lachen und Zurufe)

    aber es ist nicht nur eine bayerische, sondern es ist eine deutsche, ja eine europäische Angelegenheit.

    (Sehr richtig! rechts und in der Mitte. — Zurufe links.)

    Ich glaube, daß sich gerade in dieser Stunde eine Auseinandersetzung über diese Frage lohnen muß, weil auch eine blühende Wirtschaft, die der Herr Bundeskanzler in Aussicht gestellt hat, nur dann auf längere Zeit friedensmäßig gesichert ist, wenn endlich mit diesen Machtkonzentrationen in den zentralistischen Staaten Schluß gemacht wird.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Wenn auch am nächsten Tag der Abgeordnete Blank noch einmal eine Erklärung in föderalistischer Hinsicht geben wollte und dabei gesagt hat: wir wollen keinen Einheitsstaat, wir wünschen, daß dem Menschen seine persönliche Freiheit erhalten bleibt und er nicht zum Sklaven eines totalitären Staates gemacht wird, so habe ich dazu zu sagen, daß hierin keinerlei Sicherung für eine föderalistische Entwicklung enthalten ist; denn es geht nicht nur darum — selbstverständlich geht es auch darum —,

    (Heiterkeit)

    daß den Menschen ihre persönliche Freiheit gesichert ist, sondern daß auch den einzelnen Ländern


    (Dr. Besold)

    die Freiheit gesichert wird und daß wir nicht Sklaven nur eines totalitären, sondern eines zentralistisch ausgerichteten Staates werden.

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, es kommt mir fast so vor, als ob Sie über Ihr Unglück selbst lachen würden,

    (Lachen)

    als ob Sie mit verschlossenen Augen an der Vergangenheit und an dem letzten Jahrhundert vorübergeben würden und als ob Sie aus Bosheit nicht erkennen möchten, wo der richtige Weg ist.

    (Erneutes Lachen.)

    Wir wissen, daß in diesem Hause wenig Verständnis für eine föderalistische Staatsrichtung ist.

    (Zurufe: Oho!)

    Wir wissen es, und wenn auch hier wenig Abgeordnete sind, die sich dazu bekennen, so vergessen Sie nicht, daß sich ein großes Land dazu bekennt, und zwar deshalb, weil seine ganze jahrhundertlange Entwicklung darauf hinzielt.

    (Anhaltende Unruhe.)

    Man soll nicht über etwas lachen, was man in der Geschichte vielleicht nicht selbst erlebt hat!

    (Hört! Hört! und Heiterkeit.)

    Glauben Sie es: das ist eine Staatsauffassung, die in diesem Lande auf Grund seiner Fähigkeiten, auf Grund seiner Geschichte verankert und verwurzelt ist. Das bayerische Volk ist zum größten Teil ein kulturschöpferisch ausgerichtetes Volk, und das hat es in seiner Kulturgeschichte gezeigt. Ein Volk, das kulturschöpferisch ausgerichtet ist, braucht auch im staatspolitischen Aufbau seine Freiheit und seine Rechte, und darum — nicht aus Eigenbrötelei, meine Damen und Herren -- hat das bayerische Volk auch in früheren Verfassungen schon immer Vorrechte gehabt.

    (Zurufe und Lachen.)

    Ich sage Ihnen, Sie werden an dem bayerischen Volk und Land den treuesten Partner in einem neuen Deutschland haben,

    (ironische Bravorufe)

    wenn Sie diese kulturpolitische Bedingtheit und diese staatspolitisch ausgerichtete Sinnesart im Aufbau des neuen Deutschland berücksichtigen.

    (Unruhe. - Glocke des Präsidenten.)

    Wenn der Herr Bundeskanzler in dieser Stunde der Entstehung eines neuen Deutschland das Primat der Wirtschaft wieder in den Vordergrund gerückt hat, so mit Recht. Aber daß er neben der sozialen Einstellung der Regierung nichts von dieser ideellen Ausrichtung gesagt hat, das hat uns ebenso verwundert. Wir wissen es, und Sie alle wissen es, daß der beste Staatsmann und das beste Wirtschaftsprogramm nicht zu einer glücklichen Zukunft führen kann, wenn nicht zugleich auch eine geistige und sittliche Erneuerung des Volkes angestrebt wird. Und gerade von dieser Regierung hätten wir diesbezüglich eine Erklärung erwartet. In diesem Hause ist schon von verschiedenen Rednern der Mißbrauch des Rechts betont worden.

    (Zuruf: Die Regierung greift nicht in die Rechte der Länder ein!)

    Das ist kein Eingriff in die Rechte der Länder, wenn zum Neubeginn eines neuen Deutschland auch eine geistige Ausrichtung gegeben wird!

    (Große Unruhe.)

    Wir erwarten sie ja von der Regierung, aber wir wissen auch, daß das Fehlen verschiedener Grundsätze in der vergangenen und auch in der allerjüngsten Zeit alle Versprechungen, die bisher gemacht worden sind, immer wieder zu Tode geritten hat.

    (Zurufe: Oho!)

    Die Wahrheit ist nicht nur aus dem gesellschaftlichen, sie ist auch aus dem politischen Leben verschwunden. Erinnern wir uns zurück: Hat man nicht gerade in der jüngsten Zeit, in den letzten zehn, zwanzig Jahren von Sozialität und Sozialismus gesprochen, und ist in Wirklichkeit nicht in Ausrichtung der zentralistischen Staaten der Stacheldraht geschaffen worden? Aber auch nach 1945, als uns versprochen worden ist, daß die Demokratie geboren wird! Hat man nicht von Volksgemeinschaft gesprochen? Und in Wirklichkeit hat man Haß, Neid, Zwietracht und Denunziation hochgezüchtet. Und dieses süße Mittel der Denunziation ist auch bei der Rechtsgestaltung nach 1945 sogar gefördert worden, und man hat wieder davon Gebrauch gemacht. Man hatte uns versprochen, daß eine neue Demokratie gegründet wird. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen -- das wissen Sie ja —, daß die Demokratie aus dem wirklichen Willen des Volkes heraus geboren wird. Hat man nicht im gleichen Atemzug in diesem Grundgesetz, in dieser neuen Demokratie verankert, daß dieses Grundgesetz nicht der freien Entscheidung des Volkes entspringt? Ich sage: die Wahrheit muß auch im politischen Leben zurückkehren; denn sonst kommt kein Vertrauen zustande. Wo die Wahrheit nicht ist, gibt es auch keine Gerechtigkeit. Man hat den Mißbrauch des Rechts in der nationalsozialistischen Zeit angeprangert. Haben wir nicht nach 1945 zu gleicher Stunde erlebt, daß wieder Mißbrauch mit dem Recht getrieben worden ist in der Lenkung des Rechts im politischen Sinne? Ich spreche nicht für .und nicht gegen die Nazis,

    (Lachen)

    ich spreche allein vom Standpunkt des Rechts aus und möchte dabei herauskehren, daß auch unter der Führung der Demokratie das Recht mißbraucht werden kann, wenn nicht sittliche Grundsätze in den Vordergrund gestellt werden. Denn wo die Wahrheit nicht ist, finden Sie auch nicht die Gerechtigkeit und die Liebe, die Menschenachtung und die Menschenwürde. Daß dieses Jahrhundert sich an der Menschenachtung und -würde versündigt hat, dafür haben Sie erst in den letzten Tagen noch ein Zeugnis erhalten, als ein Mann aus den östlichen Gebieten hier aufgetreten ist. Die Menschenachtung und die Menschenwürde müssen oberstes Gesetz sein. Man sage nicht, daß die Verletzung des Menschenrechtes, der Menschenachtung und der Menschenwürde eine deutsche Angelegenheit ist! Sie ist eine Angelegenheit der zentralistischen Staatsausrichtung, die immer zum Mißbrauch des Rechts geführt hat,

    (Heiterkeit)

    zum Mißbrauch des Rechts im exzentrischsten Zentralismus des Nationalsozialismus, zum Mißbrauch des Rechts in diesen totalitären Staatsgebilden, wie wir sie drüben im Osten sehen. Aber ob es sich um Vergasung oder Hungerlager handelt, man hat diese Erscheinungsformen in der Geschichte immer und immer wieder in zentra-


    (Dr. Besold)

    listischen Machtzusammenballungen und ihrem Mißbrauch gefunden.

    (Zurufe.)

    Deshalb — und nicht aus rein bayerischen Interessen — bekennen wir uns zu einer konsequenten föderalistischen Staatsauffassung. Wir hätten in der Regierungserklärung gerne gehört, inwieweit die Bundesregierung gesonnen ist — anscheinend will sie von der konkurrierenden Gesetzgebung des Artikels 74 sehr weitgehenden Gebrauch machen —, in strengster föderalistischer Auffassung oder zum Zentralismus hinneigend die Voraussetzungen des Artikels 72 zu prüfen.
    Meine Damen und Herren, mögen Sie darüber lachen,

    (Gelächter)

    daß sich dieses Haus mit diesen Fragen auseinandersetzt. Die Vergangenheit hätte Sie zu ernsteren Mienen veranlassen müssen.

    (Lachen und Zuruf links: Das kommt auf Sie an!)

    Ich möchte Ihnen zum Schluß meiner Ausführungen nur zurufen: Meine Damen und Herren, deutsche Männer und deutsche Frauen, rettet Deutschland und Europa durch eine echte und wahre föderalistische Staaten- und Völkergemeinschaft!

    (Beifall bei der BP. Zuruf: In Bayern anfangen!)