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ID0100801600

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    Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. September 1949 137 8. Sitzung Bonn, Dienstag, den 27. September 1949. Antrag der Zentrumsfraktion, betreffend Unterrichtung des Ältestenrats über den Stand der Abwertungsfrage: Dr. Reismann (Z) (zur Geschäftsordnung) 137C Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung . . . 137 B, 138 A Etzel (CDU) 138A Dr. Frey (CDU) 141D Dr. Kather (CDU) . . . . . . . 143C Euler (FDP) 146C Dr. Mühlenfeld (DP) 146D Dr. Besold (BP) 149D Unterbrechung der Sitzung . . 152B Löfflad (WAV) 152C Dr. Miessner (NR) 153A Dr. Ott (Parteilos) 155A Nächste Sitzung 156 C Die Sitzung wird um 15 Uhr 10 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Linus Kather


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Das Flüchtlingsproblem hat sowohl in der Regierungsklärung als auch in der anschließenden
    Debatte einen verhältnismäßig breiten Raum eingenommen. Ich möchte das als erfreulichen Auftakt für die Arbeiten dieses Parlaments und auch der Bundesregierung hinstellen. Ich kann auf eine weitere erfreuliche Tatsache hinweisen. Der Bundestag ist das erste Parlament, in das die Vertriebenen mit einer Zahl von Abgeordneten eingezogen sind, die ungefähr ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht.

    (Beifall.)

    Etwa sechzig Heimatvertriebene und Flüchtlinge sitzen in den Reihen dieses Hohen Hauses. Wenn man sich vor Augen hält, daß beim ersten Zusammentritt des Wirtschaftsrats unter 52 Abgeordneten nicht ein Heimatvertriebener war, und daran denkt, daß auch im Parlamentarischen Rat unter 70 Abgeordneten nur ein Flüchtling zu finden war, so muß man hier doch einen sehr erfreulichen Fortschritt und ein politisches Novum höchst bedeutsamer Art feststellen. Die Augen der Vertriebenen sind auf Bonn gerichtet. Gerade diese Ärmsten unseres Volkes erwarten sehr viel vom Parlament, von der Bundesregierung und auch von ihren eigenen Abgeordneten. Von diesen erhoffen sie sich insbesondere, daß sie sich über alle Parteischranken hinweg zu gemeinsamer Arbeit für das Wohl ihrer Schicksalsgefährten zusammenfinden. Diese Hoffnung ist auch in einer Entschließung des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen zum Ausdruck gekommen, und ich glaube sagen zu können, daß dieser Wunsch auch von den Flüchtlingsabgeordneten selber einmütig geteilt wird. Schon die Vorbesprechungen im kleineren Kreise haben ergeben, daß der Wille zu dieser sachlichen Arbeit überall vorhanden ist, und ich kann eine solche Arbeitsgemeinschaft, die sich den parlamentarischen Gepflogenheiten anpassen und sich ohne feste Organisation von Fall zu Fall zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden wird, schon jetzt in sichere Aussicht stellen.

    (Beifall.)

    Ich meine, es wird für die ganze Arbeit des Parlaments von Nutzen sein, wenn sich eine so große Zahl von Abgeordneten aus den Kreisen der Vertriebenen zur Arbeit zusammenfinden und sie sich auf diese Weise näherkommen.
    Der Herr Abgeordnete Zawadil hat zum Ausdruck gebracht, und zwar mit Recht, daß wir in erster Linie Deutsche sein wollen und dann Flücht-


    (Dr. Kather)

    linge. Aber ich darf hinzufügen, daß die Arbeit für unsere Leidensgefährten der stärkste Antrieb unserer politischen Tätigkeit und ihre Interessen die oberste Richtschnur für unser politisches Handeln sein müssen. Das Vertrauen der Heimatvertriebenen wird auf die Dauer nur der behalten, der niemals bereit ist, ihre berechtigten Interessen parteitaktischen Erwägungen oder Anforderungen hintanzustellen.
    Es ist hier im Laufe der Debatte mehrfach gegen den drohenden Radikalismus im Lager der Heimatvertriebenen gesprochen worden. Wer die Entwicklung der letzten Jahre auf diesem Gebiet aufmerksam verfolgt hat, kann sich eigentlich nur wundern, daß der Radikalismus nicht noch viel weiter vorgeschritten ist. Das Unrecht hat an der Wiege unseres Problems gestanden, und es ist den davon Betroffenen treu geblieben bis auf den heutigen Tag. Es begann mit der Ausweisung von Millionen unschuldiger Menschen aus der angestammten Heimat und setzte sich fort hier im Westen mit Benachteiligungen und Zurücksetzungen aller Art.
    Ich sehe durchaus die Gesamtnot des deutschen Volkes. Das ist ja gerade das Furchtbare an dem Schicksal der Vertriebenen, daß sie hineingestellt sind in ein zerrissenes, zerstückeltes und zerstörtes, ohnmächtiges Vaterland. Wir wissen auch, daß wir in zahlreichen Fällen echter Menschenliebe und Menschenfreundlichkeit begegnet sind und daß viele Menschen und Stellen sich die größte Mühe gegeben haben, unser Los zu bessern. Aber ich muß doch sagen, daß das leider Ausnahmen sind und daß wir großen allgemeinen Unrechtstatbeständen gegenüberstehen, die wir anklagen müssen. Es hätte auch bei der trostlosen Gesamtlage unseres Volkes sehr viel mehr geschehen können. Wenn heute noch Hunderttausende in Lagern und in Bunkern menschenunwürdig hausen müssen, so hätte das nicht mehr zu sein brauchen. Wenn man vielerorts weniger darauf bedacht gewesen wäre, die guten Stuben zu bewahren, und mehr Wert darauf gelegt hätte, das gute Herz zu zeigen,

    (lebhafte Zustimmung)

    dann hätten wir das wahrscheinlich schon überwunden.
    Die Ostvertriebenen sind die einzige Volksgruppe, deren Angehörige bei der Währungsreform vollkommen leer ausgegangen sind. Vor einigen Tagen hat hier ein Abgeordneter darüber geklagt. daß die Sparguthaben nur mit 6,5 Prozent aufgewertet worden sind. Ich muß ihm entgegenhalten, daß unseren Schicksalsgenossen auch diese 6,5 Prozent vorenthalten worden sind,

    (Sehr richtig!)

    daß sie bis heute noch nicht die geringste Aufwertung für ihre Sparguthaben bekommen haben. Das mutet besonders merkwürdig an, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sich auch hier wieder ein Unrecht gegen die richtet, die ohnehin schon alles verloren haben. Wir erwarten von der Regierung, daß eine ihrer ersten Maßnahmen sein wird, diesem Unrecht ein Ende zu setzen.
    Wir haben mit Genugtuung aus der Erklärung des Kanzlers gehört, daß ein weiteres Unrecht, nämlich in der Behandlung der Ansprüche unserer Pensionäre und Hinterbliebenen, endlich ein Ende finden soll. Der Zonenbeirat hat schon am 14. Januar 1948 die Militärregierung einstimmig gebeten, diesem Unrecht ein Ende zu setzen, und es ist wirklich allerhöchste Zeit, daß das damals gegebene Versprechen der Militärregierung erfüllt wird.
    Wir müssen auch fordern, daß man den aus dem Osten verdrängten Beamten die ihnen nach dem Beamtengesetz zustehenden Wartegelder nicht weiter vorenthält. Wir müssen fordern, daß man den Kündigungsschutz erweitert. Die Angestellten und Beamten aus dem Osten sind naturgemäß die ersten Opfer jeder Kündigung, die aus Gründen der Ersparnis oder aus anderen Gründen notwendig wird: sie sind zuletzt gekommen und werden zuerst entlassen. Wir wissen, daß der Anteil der Heimatvertriebenen an der Arbeitslosigkeit dreimal so groß ist wie der der einheimischen Bevölkerung. Wir erwarten daher, daß man auf diese besondere Situation auch bei der Bildung der Bundesregierung Rücksicht nimmt. Es entspricht der Gerechtigkeit, daß man in erster Linie an die aus dem Osten gekommenen Angestellten und Beamten denkt, die noch immer keine Beschäftigung gefunden haben.
    Ganz besonders möchte ich die Aufmerksamkeit der Bundesregierung auf eine weitere Gruppe lenken: das sind die aus dem Osten verdrängten Bauern und Landwirte. Hier handelt es sich um eine Art von Menschen, die sich nur sehr schwer einem anderen Berufe zuwendet, die auch nicht die nötige Wendigkeit besitzt, um sich selbst irgendwie zu helfen, vor allem aber eine Gruppe, die den Verlust der Heimat doppelt schmerzlich empfindet und für die bisher nach meinen Erfahrungen am allerwenigsten getan worden ist. Was man bisher von Aktionen mit wüsten und auslaufenden Höfen und ähnlichem gehört hat, kann man noch nicht einmal als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich muß verlangen und erwarten, daß die Bundesregierung gerade dieser Frage ihre besondere Aufmersamkeit zuwendet, ein wirklich großzügiges Siedlungsprogramm in die Tat umsetzt und auch die dafür erforderlichen Geldmittel bereitstellt.
    Denken Sie an das weitere Unrecht, das sich in der Art und Weise kennzeichnet, wie das Sofortprogramm gestaltet und gestartet worden ist. Acht Monate haben die Besatzungsmächte die Durchführung dieser wirklich dringenden Notmaßnahmen hinausgezögert, ehe sie sie in Kraft setzten; eine merkwürdige Art der Sachbehandlung, die wirklich geeignet war, den Vertriebenen auch das letzte Vertrauen zu nehmen. Und was ist bei der Sache denn eigentlich herausgekommen? Doch nur eine ziemlich unerhebliche Erhöhung der bisher gezahlten Unterstützungen! Dieses Sofortprogramm, dem man ja auch den Namen „Lastenausgleich" mit Recht entzogen hat, hat mit dieser Maßnahme wirklich nichts mehr zu tun. Es ist nichts anderes als ein vorweggenommener Finanzausgleich. Das Betrübliche daran ist zudem, daß die Beträge, die dafür aufgewendet werden, den Ostverdrängten und den anderen Krieggeschädigten verlorengehen, und wir müssen uns dagegen verwahren, daß aus diesen Mitteln die Wohlfahrtsetats der Länder, Kreise und Gemeinden allein auf Kosten der Kriegsgeschädigten entlastet werden. Das sind Aufgaben, die die Allgemeinheit zu tragen. hat, die aber mit dem Lastenausgleich nicht das geringste gemein haben.
    Ein weiteres schweres Unrecht ist die Art und Weise, wie man unsere Organisationen behandelt


    (Dr. Kather)

    hat. Es ist doch ein grotesker Zustand, daß man dieser am meisten geschädigten Volksgruppe seit Jahr und Tag noch die Möglichkeit genommen hat, sich zu gegenseitiger Hilfe zusammenzuschließen. Daher is es kein Wunder, meine Damen und Herren, wenn der Ruf nach der Flüchtlingspartei immer lauter geworden ist. Dieses Mal ist noch ein Erdrutsch verhindert worden, weil die Lizenz fehlte, weil die maßgeblichen Männer sich gegen diese Entwicklung gestemmt haben und weil insbesondere der Zentralverband davor gewarnt hat, den Weg der unabhängigen Kandidatur zu gehen. Es handelt sich hier um ein Problem von einer sehr erheblichen Größenordnung. 7,8 Millionen Flüchtlinge haben wir im Bundesgebiet. Das ist eine Masse, die, wenn sie zusammengefaßt wird, sehr wohl in der Lage ist, das politische Bild vollkommen zu verändern.

    (Zuruf: Das will man ja verhindern, man macht sie ja mundtot!)

    Es gibt nur eins, was diese Entwicklung überhaupt noch aufhalten kann — und ich richte einen Appell an die Bundesregierung —: die Notmaßnahmen, die ich hier aufgezeigt habe, nunmehr unverzüglich in Kraft zu setzen. Mit Drucksache Nr. 29 haben wir einen solchen Antrag bereits eingereicht. Wir erwarten, daß die Bundesregierung von der Möglichkeit des Artikels 119 Gebrauch macht und alle diese Maßnahmen im Wege der Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats in Kraft setzt.

    (Abg. Hilbert: Das können Sie aber nur mit großen Parteien erreichen, nicht mit einer Flüchtlingspartei!)

    Ich habe auch nicht der Flüchtlingspartei das Wort geredet, was Sie festgestellt haben müßten, wenn Sie meine Ausführungen mit Aufmerksamkeit verfolgt hätten, sondern ich habe nur auf eine Gefahr hingewiesen, der wir absolut ins Auge sehen müssen.
    Wir müssen vor allem auch erwarten — und darin stimme ich mit dem Herrn Bundeskanzler überein —, daß der endgültige Lastenausgleich unverzüglich in Angriff genommen wird. Auch ich bin der Meinung, daß er leichter von einer blühenden Wirtschaft zu tragen sein wird, keinesfalls aber aus den Erträgnissen der Wirtschaft. Wir verlangen eine gerechte Neuverteilung der Lasten, die die Zufallsentscheidung des Krieges mit sich gebracht hat, aber diese gerechte Neuverteilung ist ohne Eingriff in die Vermögenssubstanz nicht durchführbar.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dem, der die Dinge etwas tiefer sieht, ist es völlig klar, daß in der ganzen Entstehung und Behandlung des Flüchtlingsproblems vom Osten her eine bestimmte politische Absicht erkennbar ist. Man hat uns unsere Ernährungsgrundlage genommen, man hat die 10 Millionen Menschen in das schon übervölkerte Westgebiet hineingepreßt, und durch die Zustände in der Sowjetzone sorgt man dafür, daß dieser Flüchtlingsstrom nicht versiegt; meiner Auffassung nach alles in der offenkundigen Absicht, bei uns unmögliche Zustände zu schaffen, einen ewigen Unruhe- und Zersetzungsherd zu unterhalten und dadurch Westdeutschland langsam, aber sicher für den Bolschewismus reif zu machen. Dieser Gefahr werden wir nur begegnen können, wenn wir die nicht zu leugnenden
    großen sozialen Spannungen, die auf die Dauer nicht bestehen bleiben können,

    (Zuruf von der KPD)

    durch einen gerechten Lastenausgleich überwinden. Auch derjenige, der noch einen Besitzstand zu verteidigen hat, sollte sich sagen, daß selbst ein schmerzhafter Eingriff in die Vermögenssubstanz leichter zu ertragen ist als ein Zustand, der geschaffen würde, wenn die verzweifelten Millionen zur Selbsthilfe greifen würden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das deutsche Volk hat hier seine große Bewährungsprobe abzulegen und mit dem deutschen Volk auch der deutsche Bundestag.
    Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, daß wir zur Lösung unserer Frage internationale Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Darin kann man ihm nur beipflichten. Es wird insbesondere die Aufgabe des Herrn Flüchtlingsministers sein, seine Tätigkeit gerade nach dieser Richtung hin zu intensivieren. Aber es ist schon von anderer Seite gesagt worden, und ich möchte es doch noch einmal sagen: man kann auswärtige Hilfe erst dann in Anspruch nehmen, wenn man selbst die notwendigen eigenen Anstrengungen gemacht hat. Ich entnehme auch daraus eine Unterstützung des Appells, den ich eben an die Bundesregierung gerichtet habe.
    Ich bin aber auch der Auffassung, daß selbst mit internationaler Hilfe eine wirkliche und echte Lösung des Flüchtlingsproblems nicht möglich sein wird. Der Herr Bundeskanzler hat mit Recht gesagt, daß 50 Prozent unseres Nahrungsmittelbedarfs oder noch mehr eingeführt werden müßten; er hofft, bis zum Jahre 1950 durch Intensivierung der Landwirtschaft einen Ausgleich der deutschen Wirtschaft herbeizuführen. Nach dem, was der Herr Vorredner hier eben gesagt hat, daß durch zehnprozentige Erhöhung unserer Erzeugung eine Milliarde erspart werden könnte, bin ich nicht so optimistisch wie der Herr Bundeskanzler. Wir brauchen weit über drei Milliarden, und ich glaube nicht, daß es möglich sein wird, unsere landwirtschaftliche Erzeugung derart zu steigern, und ebensowenig glaube ich, daß man uns einen Export in diesem Ausmaße gestatten wird. Wir können diese Spanne verringern, aber nicht beheben, und müßten also auf die Dauer Kostgänger der Alliierten bleiben.
    Es gibt nur eine wirkliche und echte Lösung: das ist die Rückgabe unserer Ostprovinzen. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, diese Erkenntnis, die dahin geht, daß Deutschland ohne diese Ostprovinzen, ohne diese seine Kornkammer immer ein wirtschaftlicher Torso bleiben wird, der ganzen Welt zum Bewußtsein zu bringen und darauf hinzuweisen, daß es ein wahnwitziger Zustand ist, wenn 18 Millionen Polen weit mehr Ackerfläche zur Verfügung haben als 70 Millionen Deutsche. Auf einer derartigen Grundlage kann man kein gesundes und glückliches vereinigtes Europa aufbauen.
    Das Recht auf die Heimat ist von anderen Rednern schon genügend unterstrichen worden. Dieses Recht erkennen wir selbstverständlich auch unseren sudetendeutschen Freunden zu. Aber es war völlig unmöglich, etwa vom Kanzler zu verlangen, daß er in seiner Regierungserklärung Anspruch auf Gebiete erhebt, die vor 1937 nicht zum Deutschen Reich gehört haben. Wer etwas Derartiges verlangt; dem fehlt das erforderliche Fingerspitzengefühl.

    (Sehr gut! links und in der Mitte.)



    (Dr. Kather)

    Aber eines müssen und können wir fordern. Wir fordern, daß das Sudetenland, das seit uralten Zeiten deutsch war, seinen deutschen Bewohnern zurückgegeben wird. Das ist eine Forderung, hinter die sich jeder stellen kann. Wir fordern auch die Wiedergutmachung für unsere sudetendeutschen Freunde, und wir wollen hoffen,

    (Zuruf von der KPD: Ein neuer Henlein!)

    daß es nicht allzulange dauern wird, bis auch die Bewohner des Sudetenlandes wieder in ihrer alten Heimat sitzen, in einem Europa, in dem Grenzen nicht mehr die Rolle spielen, die sie in der Vergangenheit gespielt haben.
    Lassen Sie mich noch ein Wort zu der Frage des Flüchtlingsministeriums sagen. Die Errichtung des Flüchtlingsministeriums hat in der Debatte allgemein Zustimmung gefunden. Ich habe kein Wort der Kritik gehört. Die Bedenken, die vorher, insbesondere auch vom Organisationsausschuß laut geworden sind, sind uns bekannt; sie mußten aber zurückgestellt werden. Worauf es uns ankommt, ist, daß einer von uns als verantwortlicher Minister im Kabinett sitzt und dafür sorgen kann, daß man uns nicht mehr vergißt. Es wird Sache der Bundesregierung sein, insbesondere auch des Bundeskanzlers, dem Flüchtlingsminister jede Unterstützung zuteil werden zu lassen. Es handelt sich hier um das Problem Nummer 1. Leider Gottes verdient dieses Problem diese Bezeichnung auch im Hinblick auf seine Dauerhaftigkeit. Es werden noch sehr viele Jahre vergehen, ehe wir dieser Schicksalsfrage des deutschen Volkes Herr geworden sind. Mit Rücksicht auf die Bedeutung und den Umfang bitte ich auch, von einer Sparsamkeit I am falschen Platze abzusehen und gerade für dieses Ministerium die erforderlichen Mittel bereitzustellen, damit es die notwendige Arbeit im Interesse der Vertriebenen leisten kann. Wir sind der Meinung, daß zur Unterstützung dieser Arbeit in jedem Ministerium, das in Betracht kommt, eine besondere Abteilung für Flüchtlinge gebildet werden sollte, die gerade die einschlägigen Fragen unter die Lupe zu nehmen hat.
    Wir von den Flüchtlingsorganisationen begrüßen es, daß einer von uns an dieser Stelle steht. Ich kann dem Herrn Minister die Erklärung abgeben, daß wir seine Arbeit in jeder Weise unterstützen werden; und da er selbst einer von uns ist, auch einer von der Organisation her, sind wir einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sicher. Wir erwarten andererseits auch, daß man endlich mit der Diffamierung und Zurücksetzung der Organisationen ein Ende macht, daß man endlich unsere Arbeit, die wir jahrelang unter den schwersten Bedingungen für die Allgemeinheit getan haben, anerkennt und ihr die notwendige Unterstützung zuteil werden läßt.
    Meine Damen und Herren, die Situation ist ernst. Es wird von der Politik der Bundesregierung und auch dieses Hohen Hauses abhängen, ob es gelingt, die Flüchtlinge von dem Wege der politischen Absonderung abzuhalten. Ich sage noch einmal: ich würde das für ein Unglück ansehen. Bei der augenblicklichen Situation und Stimmung kann eine solche politische Neubildung nur in ein radikales Fahrwasser kommen, und die maßvollen Persönlichkeiten aus dem Flüchtlingslager würden dann wahrscheinlich nicht maßgebend sein. Es hängt von den Erfolgen ab, die wir in den nächsten Wochen und Monaten aufzuweisen haben. Mit Worten sind die Vertriebenen nicht
    mehr anzusprechen; sie wollen endlich Taten sehen, und nur diese werden sie anerkennen. (Beifall in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon eine ganze Reihe von Rednern hat hier den Worten die Taten gegenübergestellt, ohne daß doch aus dieser Gegenüberstellung die notwendigen Konsequenzen gezogen worden wären. Wir verkennen nicht, daß die heute so populäre Alternative von Worten und Taten ein großes demokratisches Mißverständnis in sich birgt. Trotzdem ist die Ungeduld unserer Bevölkerung gerechtfertigt, und wir sollten uns keinem Zweifel darüber hingeben, daß gerade acht Tage Diskussion einer Regierungserklärung zu Beginn der Arbeit der ersten deutschen Regierung nicht das geeignete Mittel sind, um die aus dem tragischen Schicksal Deutschlands resultierende vorsichtige Einstellung großer Bevölkerungsschichten zur Demokratie zu überwinden. Deswegen ist es uns ein Bedürfnis, ein Beispiel zu geben, von dem wir hoffen, daß sich ihm noch andere Parteien anschließen werden. Dieses Beispiel besteht darin, daß wir in der dritten Runde, die wir ohnehin schon für unnötig gehalten hatten - wir hatten uns in der vorigen Woche gegen die Abhaltung dieser dritten Runde ausgesprochen — auf das Wort verzichten.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)