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    Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949 47 7. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949. Geschäftiche Mitteilungen 47B, 67C, D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung . . . 47B Ewers (DP) 47C Dr. Seelos (BP) 53D Reimann (KPD) 58C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 67A Unterbrechung der Sitzung . 67C Loritz (WAV) 67D Frau Wessel (Z) 72B Dr. Richter (DRP) 80A Clausen (SSW) 85C Dr. Edert (Parteilos) 86B Fortsetzung der Sitzung 87C Die Sitzung wird um 10 Uhr 11 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man über Fragen der Außenpolitik spricht, muß man sich im besonderen Maße der Verantwortung bewußt sein, die man damit, zumal in diesem Hause, übernimmt.

    (Sehr richtig! bei der DP.)

    Als Sprecher meiner Fraktion begrüße ich lebhaft den wohlabgewogenen, sowohl festen wie taktvollen Ton der Regierungserklärung. Meine Fraktion ist mit ganzem Willen bereit, die Regierung bei der Bewältigung der unendlich schwierigen Aufgaben zu unterstützen, die ihrer auf dem Gebiete der Außenpolitik harren. Sie bringt namentlich dem Herrn Bundeskanzler, in dessen Ressort diese unser gesamtes nationales Interesse berührenden Fragen in erster Linie gehören, ihr volles Vertrauen entgegen.

    (Bravo! rechts und in der Mitte.) Unterstützen, erleichtern und fördern — darunter verstehe ich vor allem ein hohes Maß von Selbstdisziplin. Außenpolitische Fragen sollten nicht Gegenstand einer emotionalen Propaganda der Parteien sein.


    (Abg. Dr. Bucerius: Sehr richtig!)

    Wir haben in der Welt das Vertrauen zurückzugewinnen. Vertrauen ist wie im Verkehr unter den Menschen auch die Grundlage des Verkehrs unter den Völkern. Vertrauen ist die Basis der Verwirklichung des Rechts und das Recht überhaupt der Boden, auf dem die Beziehungen unter den Völkern gedeihen und sich in Stetigkeit zu einer Ordnung des Friedens und der kulturellen Blüte entwickeln.
    Wir sind ein besiegtes, ein unter Fremdherrschaft stehendes Land, das nach der Meinung einiger Unversöhnlicher unter unsern Gegnern gewissermaßen außerhalb des Rechts gestellt, für vogelfrei erklärt und der Willkür preisgegeben werden sollte.


    (Dr. von Merkatz)

    In den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie sind Dinge geschehen, die über jedes Maß hinaus so furchtbar sind,

    (Abg. Rische: Meinen Sie Auschwitz?)

    daß kein Wort die Qual auszudrücken vermag, die tief in unsere Volksseele eingebrannt ist, unvergeßlich als eine Last schier unüberwindbarer Bedrückung.

    (Sehr gut! rechts.)

    Das Gewicht dieses Erlebnisses lastet auf dem Frieden der Welt. Wurzellos und friedlos sind alle diejenigen, denen das ungeheure Unrecht der Verstümmelung unseres Vaterlandes angetan worden ist. Darüber ist nicht hinwegzukommen. Verstümmelt ist unser Land, verwüstet sind unsere Seelen, verödet und ausgebrannt alles das, was redlicher Fleiß in Jahrhunderten dort für Deutschland geschaffen hat.

    (Abg. Rische: Reden Sie doch einmal darüber, warum alles so gekommen ist!)

    - Diese Frage möchte ich nicht mit Ihnen diskutieren. (Zurufe von der KPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich bitte, den Redner nicht allzu häufig zu unterbrechen.

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    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Hier liegt die große deutsche, die europäische Aufgabe, die Grundlage des Friedens in der Welt. Es gibt keine Freiheit und Gleichberechtigung, das heißt: es gibt kein Leben für Deutschland, wenn nicht hier auf friedlichem Wege - ich betone. um alle Mißverständnisse auszuräumen, auf friedlichem Wege! — eine Lösung gefunden wird, die uns Deutschen das wiedergibt, worauf wir nach göttlichem und menschlichem Recht einen Anspruch haben.
    Aber seien wir uns auch bewußt, daß wir nur ein Mittel haben, dieses hohe nationale Ziel zu verwirklichen und zu fördern. Es gibt keine wirksamere Demonstration unseres Anspruchs auf die deutschen Ostgebiete als das ganz ehrliche, heiße Bemühen, das Problem der Heimatvertriebenen in dem uns verbliebenen Raum soweit zu lösen, wie das in unserer Kraft steht. Wenn wir hier der Welt beweisen, daß wir wirklich eine nationale Gemeinschaft sind, gereift durch das Schicksal, geschmiedet in den Feuern einer ungeheuren Wirklichkeit, dann werden wir den moralischen Kern aller Dinge in dieser Welt so überzeugend bloßgelegt haben, wie das notwendig ist, um unser Lebensrecht, unser Recht auf Freiheit und Gleichberechtigung vor aller Augen zu stellen.
    Es ist nicht wahr, daß die Macht die Welt allein bewegt. Es ist der Geist, der das Weltgewissen wachruft.

    (Zuruf von der KPD: Hätten Sie vor 12 Jahren daran gedacht!)

    Gottes Wille regiert die Welt, nicht die Bosheit und die Brutalität. Ein Volk, das es über sich bringt, in der Stunde seiner tiefsten Erniedrigung zu sich, zu seiner Verpflichtung zu finden, besiegt die Mächte der Finsternis. Hier liegt die Würde des Besiegten, jene stille Vornehmheit der Gesinnung und der Tüchtigkeit, die stärker ist als alle Waffen.
    Wir leben in einem furchtbaren Jahrhundert, in dem der Einbruch der Barbarei, gewappnet mit den größten Mitteln der Technik und gelenkt von der Eiseskälte der Herzlosigkeit und von narkotisiertem Gewissen, erfolgt ist. Richten wir Dämme auf vor dem Satanischen, das da aufgebrochen ist,alles zu vernichten, was das Leben lebenswert gemacht hat. Das ist die deutsche Aufgabe, Aufgabe eines Landes, in dem sich Abgründe offenbart haben, deren Wirklichkeit die Visionen dantischer Phantasie ins Unsagbare übertreffen.
    Landesbischof Lilje hat zu Beginn der Evangelischen Woche in Hannover ein Wort gesprochen, das über den Beginn unserer Arbeit auch in diesem Hause stehen könnte: Herr, bewahre uns vor leeren Worten! Das gilt auch für das Gebiet der Außenpolitik. Bemühen wir uns, in bescheidenem, demütigem Dienst an den Tatsachen eine konkrete Vorstellung der Probleme zu gewinnen, um die es hier geht.
    Ich begrüße die Entscheidung des Herrn Bundeskanzlers und seiner Berater, kein Außenministerium zu schaffen. Dazu ist die Zeit noch nicht reif. Auf Wortdeklamationen kommt es nicht an. Zwar beschränken die Vorbehalte des Besatzungsstatuts eine deutsche Außenpolitik nicht restlos. Das, was die Hohen Kommissare in Vertretung der außenpolitischen Kompetenz Deutschlands wahrnehmen, ist nicht deutsche Außenpolitik, sondern steht unter dem Verdacht, Ausdruck dessen zu sein, was ihnen
    die Interessen ihrer Regierungen in bezug auf
    Deutschland vorschreiben. So wirkt es auch nicht gerade ermutigend, wenn die Hohen Kommissare durch den Erlaß eines Pressegesetzes gleich nach Beginn des Inkrafttretens des Besatzungsstatuts die deutsche Kompetenz welter einengen, als ursprünglich im Besatzungsstatut vorgesehen ist. Unendlich mühsam ist hier die Aufgabe unserer Bundesregierung, eine Zusammenarbeit zu ermöglichen, die die deutschen lebensnotwendigen Interessen geltend macht und in zäher Kleinarbeit jenes Bild des Zusammenwirkens ermöglicht, dessen letztes großes Ziel die europäische Gemeinschaft zu gegenseitigem Nutzen ist. Es soll ihr niemand dabei in den Rücken fallen; er versündigt sich an unserer Zukunft. Wir werden hierüber Rechenschaft abzulegen haben vor unserm Volk und vor dem höchsten Richter, der die Weltgeschicke lenkt und Völker und Menschen wägt in der Freiheit ihres Willens und ihrer Taten, die er zu verwirklichen ihnen aufgegeben hat.
    Es ist eine sehr ernste, eine von mitternächtlichem Dunkel umhüllte Stunde über uns verhängt worden, in der wir zur Entscheidung aufgerufen worden sind. Zeigen wir uns nicht als Schwächlinge oder als Knechte! Das Gebiet der Außenpolitik ist eine Angelegenheit von tiefem Ernst. Bedenken Sie, daß jedes unserer Worte vielleicht unsagbare Leiden für alle jene bedeuten mag, die fern von uns in den Lagern des Ural schutzlos preisgegeben sind.
    Das, was wir brauchen, ist zunächst eine zuverlässige Information über die Vorgänge in der Welt und sind gute Analytiker, die diese Informationen zu einem klaren Bild zusammenzufügen vermögen, um dem Kabinett zuverlässige Unterlagen zu vermitteln, auf die es seine Entschlüsse aufzubauen vermag. Ich bin nicht so vermessen, dem Kabinett als Ansicht unserer Partei Rezepte vorzulegen, gewissermaßen Vorschriften für eine künftige Außenpolitik zu geben. Wir sind aber nun wieder da, ein beschränkt souveräner Staat von rund 45 Millionen, zusammengedrängt auf engstem Raum an einem wichtigen Ort Europas und damit der Welt. Das ist eine Realität, die niemand übersehen kann. Der Herr Bundeskanzler und mit ihm sein Kabinett werden diese Realität geltend zu machen wissen.
    Wir wollen uns hierbei einfügen in den Willensstrom, der aus unserem Volke kommt und der der


    (Dr. von Merkatz)

    Exekutive ihre Richtung gibt. Besonnene Ruhe und Festigkeit des Willens mögen uns hierbei lenken. Wir sind uns unserer historischen Würde bewußt in dem bescheidenen Stolz, den uns unsere alte Geschichte gibt. Es hat unter den Siegern Leute gegeben, die glaubten, man könne unser Rückgrat brechen, indem man uns unser geschichtliches Bewußtsein nahm. Aber wir sind der Überzeugung, daß das Unglück moralische Kräfte in einem Volke mobilisiert, die die Anfechtungen der Not überwinden. Darum halten wir mit der ganzen Kraft des Herzens an unserem Gefühl für unseren nationalen Wert fest. Wir richten unseren Blick auf das Leuchtende in unserer Geschichte und bekennen uns in Demut auch zu den Schatten unserer Vergangenheit, in dem heißen Bemühen, diese Gespenster zu überwinden.

    (Abg. Rische: Die leben noch, die Gespenster!) Hier stehen wir in der Mitte des Jahrhunderts zuinnerst bereit, mit unserer Situation fertig zu werden, damit wir vor der Nachwelt nicht als Versager gewertet werden. Wir sind bereit, unser Kreuz auf uns zu nehmen und ein für allemal ein Beispiel zu geben, daß man ein altes Kulturvolk nicht zu einem Knechtsvolk machen kann.

    Ich bitte um Vergebung, wenn ich die mir kurz bemessene Zeit nicht besser zu nutzen wußte als zu Worten, deren Leidenschaft ich nicht ganz zurückzudrängen vermochte. Der ganze einfache Inhalt meiner Darlegungen sollte nichts anderes sein als das, was Sie ja alle beseelt, ein Bekenntnis zu Deutschland, zu dem Land, dem wir unser ganzes Dasein verdanken, das wir lieben in seinem Unglück, dem wir dienen wollen mit allen unseren Kräften.
    Ich habe namens meiner Fraktion noch folgenden Auftrag zu erfüllen und folgendes zu erklären. Aus den Schlußworten des Herrn Abgeordneten Ollenhauer ist bei uns der Eindruck entstanden, daß seine Fraktion die Absicht hat, den Herrn Bundeskanzler aufzufordern, am Schluß der Besprechung der Regierungserklärung die Vertrauensfrage zu stellen. Meine Fraktion muß dagegen auf Grund des Artikels 68 des Grundgesetzes Widerspruch erheben. Sie hält ein solches Verlangen für verfassungswidrig, und zwar in dem Sinne, daß die Initiative ganz bei dem Herrn Bundeskanzler liegt, ob er die Vertrauensfrage stellt oder nicht,

    (Sehr richtig! bei der CDU)

    und daß es bereits verfassungswidrig ist, wenn aus diesem Hause irgendein präjudizierendes Verlangen in dieser Richtung gestellt wird.

    (Beifall rechts. — Zuruf von der SPD: Das ist aber eine sonderbare Auffassung!)