Hier liegt die große deutsche, die europäische Aufgabe, die Grundlage des Friedens in der Welt. Es gibt keine Freiheit und Gleichberechtigung, das heißt: es gibt kein Leben für Deutschland, wenn nicht hier auf friedlichem Wege - ich betone. um alle Mißverständnisse auszuräumen, auf friedlichem Wege! — eine Lösung gefunden wird, die uns Deutschen das wiedergibt, worauf wir nach göttlichem und menschlichem Recht einen Anspruch haben.
Aber seien wir uns auch bewußt, daß wir nur ein Mittel haben, dieses hohe nationale Ziel zu verwirklichen und zu fördern. Es gibt keine wirksamere Demonstration unseres Anspruchs auf die deutschen Ostgebiete als das ganz ehrliche, heiße Bemühen, das Problem der Heimatvertriebenen in dem uns verbliebenen Raum soweit zu lösen, wie das in unserer Kraft steht. Wenn wir hier der Welt beweisen, daß wir wirklich eine nationale Gemeinschaft sind, gereift durch das Schicksal, geschmiedet in den Feuern einer ungeheuren Wirklichkeit, dann werden wir den moralischen Kern aller Dinge in dieser Welt so überzeugend bloßgelegt haben, wie das notwendig ist, um unser Lebensrecht, unser Recht auf Freiheit und Gleichberechtigung vor aller Augen zu stellen.
Es ist nicht wahr, daß die Macht die Welt allein bewegt. Es ist der Geist, der das Weltgewissen wachruft.
Gottes Wille regiert die Welt, nicht die Bosheit und die Brutalität. Ein Volk, das es über sich bringt, in der Stunde seiner tiefsten Erniedrigung zu sich, zu seiner Verpflichtung zu finden, besiegt die Mächte der Finsternis. Hier liegt die Würde des Besiegten, jene stille Vornehmheit der Gesinnung und der Tüchtigkeit, die stärker ist als alle Waffen.
Wir leben in einem furchtbaren Jahrhundert, in dem der Einbruch der Barbarei, gewappnet mit den größten Mitteln der Technik und gelenkt von der Eiseskälte der Herzlosigkeit und von narkotisiertem Gewissen, erfolgt ist. Richten wir Dämme auf vor dem Satanischen, das da aufgebrochen ist,alles zu vernichten, was das Leben lebenswert gemacht hat. Das ist die deutsche Aufgabe, Aufgabe eines Landes, in dem sich Abgründe offenbart haben, deren Wirklichkeit die Visionen dantischer Phantasie ins Unsagbare übertreffen.
Landesbischof Lilje hat zu Beginn der Evangelischen Woche in Hannover ein Wort gesprochen, das über den Beginn unserer Arbeit auch in diesem Hause stehen könnte: Herr, bewahre uns vor leeren Worten! Das gilt auch für das Gebiet der Außenpolitik. Bemühen wir uns, in bescheidenem, demütigem Dienst an den Tatsachen eine konkrete Vorstellung der Probleme zu gewinnen, um die es hier geht.
Ich begrüße die Entscheidung des Herrn Bundeskanzlers und seiner Berater, kein Außenministerium zu schaffen. Dazu ist die Zeit noch nicht reif. Auf Wortdeklamationen kommt es nicht an. Zwar beschränken die Vorbehalte des Besatzungsstatuts eine deutsche Außenpolitik nicht restlos. Das, was die Hohen Kommissare in Vertretung der außenpolitischen Kompetenz Deutschlands wahrnehmen, ist nicht deutsche Außenpolitik, sondern steht unter dem Verdacht, Ausdruck dessen zu sein, was ihnen
die Interessen ihrer Regierungen in bezug auf
Deutschland vorschreiben. So wirkt es auch nicht gerade ermutigend, wenn die Hohen Kommissare durch den Erlaß eines Pressegesetzes gleich nach Beginn des Inkrafttretens des Besatzungsstatuts die deutsche Kompetenz welter einengen, als ursprünglich im Besatzungsstatut vorgesehen ist. Unendlich mühsam ist hier die Aufgabe unserer Bundesregierung, eine Zusammenarbeit zu ermöglichen, die die deutschen lebensnotwendigen Interessen geltend macht und in zäher Kleinarbeit jenes Bild des Zusammenwirkens ermöglicht, dessen letztes großes Ziel die europäische Gemeinschaft zu gegenseitigem Nutzen ist. Es soll ihr niemand dabei in den Rücken fallen; er versündigt sich an unserer Zukunft. Wir werden hierüber Rechenschaft abzulegen haben vor unserm Volk und vor dem höchsten Richter, der die Weltgeschicke lenkt und Völker und Menschen wägt in der Freiheit ihres Willens und ihrer Taten, die er zu verwirklichen ihnen aufgegeben hat.
Es ist eine sehr ernste, eine von mitternächtlichem Dunkel umhüllte Stunde über uns verhängt worden, in der wir zur Entscheidung aufgerufen worden sind. Zeigen wir uns nicht als Schwächlinge oder als Knechte! Das Gebiet der Außenpolitik ist eine Angelegenheit von tiefem Ernst. Bedenken Sie, daß jedes unserer Worte vielleicht unsagbare Leiden für alle jene bedeuten mag, die fern von uns in den Lagern des Ural schutzlos preisgegeben sind.
Das, was wir brauchen, ist zunächst eine zuverlässige Information über die Vorgänge in der Welt und sind gute Analytiker, die diese Informationen zu einem klaren Bild zusammenzufügen vermögen, um dem Kabinett zuverlässige Unterlagen zu vermitteln, auf die es seine Entschlüsse aufzubauen vermag. Ich bin nicht so vermessen, dem Kabinett als Ansicht unserer Partei Rezepte vorzulegen, gewissermaßen Vorschriften für eine künftige Außenpolitik zu geben. Wir sind aber nun wieder da, ein beschränkt souveräner Staat von rund 45 Millionen, zusammengedrängt auf engstem Raum an einem wichtigen Ort Europas und damit der Welt. Das ist eine Realität, die niemand übersehen kann. Der Herr Bundeskanzler und mit ihm sein Kabinett werden diese Realität geltend zu machen wissen.
Wir wollen uns hierbei einfügen in den Willensstrom, der aus unserem Volke kommt und der der
Exekutive ihre Richtung gibt. Besonnene Ruhe und Festigkeit des Willens mögen uns hierbei lenken. Wir sind uns unserer historischen Würde bewußt in dem bescheidenen Stolz, den uns unsere alte Geschichte gibt. Es hat unter den Siegern Leute gegeben, die glaubten, man könne unser Rückgrat brechen, indem man uns unser geschichtliches Bewußtsein nahm. Aber wir sind der Überzeugung, daß das Unglück moralische Kräfte in einem Volke mobilisiert, die die Anfechtungen der Not überwinden. Darum halten wir mit der ganzen Kraft des Herzens an unserem Gefühl für unseren nationalen Wert fest. Wir richten unseren Blick auf das Leuchtende in unserer Geschichte und bekennen uns in Demut auch zu den Schatten unserer Vergangenheit, in dem heißen Bemühen, diese Gespenster zu überwinden.
Hier stehen wir in der Mitte des Jahrhunderts zuinnerst bereit, mit unserer Situation fertig zu werden, damit wir vor der Nachwelt nicht als Versager gewertet werden. Wir sind bereit, unser Kreuz auf uns zu nehmen und ein für allemal ein Beispiel zu geben, daß man ein altes Kulturvolk nicht zu einem Knechtsvolk machen kann.
Ich bitte um Vergebung, wenn ich die mir kurz bemessene Zeit nicht besser zu nutzen wußte als zu Worten, deren Leidenschaft ich nicht ganz zurückzudrängen vermochte. Der ganze einfache Inhalt meiner Darlegungen sollte nichts anderes sein als das, was Sie ja alle beseelt, ein Bekenntnis zu Deutschland, zu dem Land, dem wir unser ganzes Dasein verdanken, das wir lieben in seinem Unglück, dem wir dienen wollen mit allen unseren Kräften.
Ich habe namens meiner Fraktion noch folgenden Auftrag zu erfüllen und folgendes zu erklären. Aus den Schlußworten des Herrn Abgeordneten Ollenhauer ist bei uns der Eindruck entstanden, daß seine Fraktion die Absicht hat, den Herrn Bundeskanzler aufzufordern, am Schluß der Besprechung der Regierungserklärung die Vertrauensfrage zu stellen. Meine Fraktion muß dagegen auf Grund des Artikels 68 des Grundgesetzes Widerspruch erheben. Sie hält ein solches Verlangen für verfassungswidrig, und zwar in dem Sinne, daß die Initiative ganz bei dem Herrn Bundeskanzler liegt, ob er die Vertrauensfrage stellt oder nicht,
und daß es bereits verfassungswidrig ist, wenn aus diesem Hause irgendein präjudizierendes Verlangen in dieser Richtung gestellt wird.