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ID0100708400

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    Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949 47 7. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949. Geschäftiche Mitteilungen 47B, 67C, D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung . . . 47B Ewers (DP) 47C Dr. Seelos (BP) 53D Reimann (KPD) 58C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 67A Unterbrechung der Sitzung . 67C Loritz (WAV) 67D Frau Wessel (Z) 72B Dr. Richter (DRP) 80A Clausen (SSW) 85C Dr. Edert (Parteilos) 86B Fortsetzung der Sitzung 87C Die Sitzung wird um 10 Uhr 11 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Walter Zawadil


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Kanzler hat in seiner Erklärung zusammenfassend das Grundsätzliche der Bundespolitik formuliert. Meinerseits will ich mich nunmehr bemühen, ausgehend von dieser Regierungserklärung das Grundsätzliche zum Vertriebenenproblem zu sagen, von dem aus die Behandlung aller Detailfragen erfolgen sollte.
    Der Herr Kanzler erklärte, daß das Los der Vertriebenen besonders hart sei und die Frage ihres zukünftigen Schicksals von Deutschland allein nicht gelöst werden könne. Ich glaube den Sinn dieses Satzes richtig verstanden zu haben, wenn ich die Betonung auf das Wort „zukünftig" lege und daraus folgere, daß das gegenwärtige Schicksal, worunter ich das innerpolitische Dasein der Heimatvertriebenen verstehe, nunmehr mit verdoppelter Kraft einer Lösung zugeführt werden muß. Die augenblickliche Lage der Heimatvertriebenen in Deutschland ist zu einem Kardinalproblem geworden. Aus der Inkarnation des Elends, zu dessen Trägern wir geworden sind, ergeben sich, auf die Dauer gesehen, große Gefahren, durch deren Übersehen alle Bemühungen, Deutschland auf den verschiedensten Gebieten des Lebens einer Gesundung zuzuführen, zunichte gemacht werden könnten.
    Das Vorhandensein der Heimatvertriebenen birgt jedoch auch große positive Möglichkeiten für Deutschlands Gesundung in sich. In dem Satze des Herrn Kanzlers, daß die Frage des zukünftigen Schicksals der Vertriebenen nicht von Deutschland allein gelöst werden könne, sehe ich die Tatsache bestätigt, daß die außenpolitischen Aspekte des Vertriebenenproblems mit äußerster Geduld und Umsicht und unter ständiger Abstimmung mit der Entwicklung der allgemeinen internationalen Lage zu behandeln sind.
    Demgegenüber sind jedoch innenpolitisch unabdingbar alle Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um im Rahmen und bei völliger Ausnutzung aller Möglichkeiten die Frage einer entscheidenden Lösung entgegenzuführen. Wir haben den Eindruck, daß im Laufe der letzten vier Jahre zwar in Wort und Schrift das Los der Heimatvertriebenen besondere Beachtung gefunden hat, weniger jedoch durch wirkliche, entscheidende Taten. In dieser Beziehung wird die Bundesregierung über die zwischen den Ländern zu koordinierenden Maßnahmen hinaus zu entscheidenden Grundlösungen übergehen müssen.
    Die Auswirkungen der materiellen und existentiellen Not der Heimatvertriebenen in Deutschland liegen vor allem auf seelischem Gebiet. Bedingt durch ein vielfach festzustellendes mangelndes menschliches und behördliches Verständnis, gepaart mit allen Auswirkungen der deutschen Niederlage, wurden die Heimatvertriebenen in eine Art Isolierung und Minderheitenstellung gedrängt. Die Folge davon ist eine verstärkte Tendenz des Rückblickens. des ständigen Erheben der Frage, wann es endlich eine Rückkehr in die Heimat geben wird. Das Vergrübeln in ständige Rückerinnerungen an die Heimat führt zu Verbitterung und Gleichgültigkeit, die Erinnerung an die unmenschlichen Grausamkeiten im Zuge der Vertreibung zu einem seelischen Erstarren in dem Gedanken an Rache und Vergeltung.
    Unter diesen Einflüssen drohen die Heimatvertriebenen aus der zeitbedingten Isolierung, in die sie hineingeraten sind, in ein Stadium der Selbstisolierung zu gelangen. Wir selbst halten die Bestrebungen einiger Flüchtlingsvertreter, die, befangen in einer Not- oder Lagerpsychose, die Elendsmassen zu radikalisieren versuchen, für schädlich und vollkommen abwegig.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Dieser großen Gefahr gilt es mit allen Mitteln legislativer und exekutiver Natur zu steuern und durch eine parallel vorzunehmende psychische Aufrichtung vorzubeugen. Der seelische und materielle Schock der Vertreibung muß überwunden werden. Die Heimatvertriebenen müssen aus ihrer Selbstisolierung herausgehoben und zu lebendigen und konstruktiven Bestandteilen im gegenwärtigen Mosaik des deutschen Volkes werden.
    Wir bejahen daher die Eingliederung; sie ist de jure gewollt und festgelegt. Aber wir verstehen unter Eingliederung nicht die bedingungslose Unterwerfung unter den Willen der herrschenden Mehrheit, sondern wir verstehen unter Eingliederung eine Eingliederung als Gleiche unter Gleichen Eine solche wahrhafte Eingliederung soll die Voraussetzung für die Erhaltung der Substanz unseres Lebens sein, für die Erhaltung unserer körperlichen und seelischen Leistungsfähigkeit, die unter der ständigen Wirkung des Wohnungselends und aller sonstigen materiellen Not zu erlahmen droht. Hier hat zum Beispiel ein wirklicher und echter Ausgleich der Lasten gegenüber allen Geschädigten des Krieges als erster Schritt entscheidende Bedeutung.
    Immer größer wird die Zahl der Heimatvertriebenen, die auch in ihrem heutigen grausamen Elendsdasein einen schicksalhaften Sinn erkennen und daraus die Forderungen für eine positive Lebens- und Daseinsbejahung ableiten. Wir müssen zu der Erkenntnis gelangen, daß, so wie jede geschichtliche Epoche letzten Endes einen tiefen Sinn aufweist, auch das Schicksal von Millionen Heimatloser letzten Endes einen Sinn beinhaltet, und, daraus folgernd, den organischen Ablauf der Geschichte erkennen und fähig werden, die ewigen Gesetze der Geschichte in zeitbedingten Formen zu verwirklichen. Ich glaube, daß uns dasselbe Schicksal, das unsere Ost- und Grenzlanddeutschen, die jahrhundertelang den Schutzschild Europas bildeten, heute, nachdem dieser Schutzschild zerbrochen und die Trümmer in das Binnendeutschtum hineingeworfen wurden, die hohe Aufgabe gestellt hat, gemeinsam mit den fortschrittlichen und konstruktiven Faktoren des Binnendeutschtums Deutschlands Zukunft zu gestalten. Größte Not schafft stärksten Willen; wir sind die Träger der größten und bittersten Not, daher auch die stärksten Willensträger deutscher Zukunftsgestaltung.
    Wir Vertriebene des deutschen Ostens sind keineswegs mit leeren Händen nach hier gekommen, materiell zwar verarmt, aber im Vollbesitz eines reichen Erbes an wirtschaftlichen, staatspolitischen und kulturellen Erfahrungen und an Können. Die vornehmste Aufgabe der Heimatvertriebenen wird es sein, dieses Erbe in den Dienst der gesamtdeutschen Sache zu stellen. Es wird sich dabei nicht darum handeln, eine separate Tradition aller Erbgüter zu pflegen, was letzten Endes zu einem Versiegen schöpferischer Fortsetzung führen würde. Jedoch die besonderen Erfahrungen und Tatsachen, die wir Ost- und Grenzlanddeutschen aufzuweisen haben, an Wirtschaftskraft, an gesellschaftlichen Überlieferungen, an kulturellen Gehalten und vor


    (Dr. Zawadil)

    allem an politischem Instinkt müssen verwertet und zu Impulsen einer Neubelebung des deutschen Lebens werden. Unsere Erfahrungen auf dem Gebiete der Selbstverwaltung, der Wirtschaftsverbände, der Kreditgenossenschaften wie überhaupt in allen Belangen genossenschaftlicher Zusammenarbeit sind nicht zu übersehen und ebensowenig die Erfahrungen und Einstellungen, besonders der Sudetendeutschen, in Fragen staatlicher Neuordnung uni deren Vorstellungen aus österreichischer Erfahrung heraus auf den Gebieten der Justiz, Verwaltung und Erziehung. Es gehört zum Wesen altösterreichischer Tradition, daß Volksrechte als Menschengrundrechte in jedem Staatsgebilde gewahrt sein müssen.
    Wir Heimatvertriebene müssen uns darüber klar sein, daß wir nicht nur in die Vergangenheit blicken oder gar in ihr verharren dürfen, wenn wir unserer Aufgabe dienen wollen. Das Leid des Gewesenen muß sich zur gestaltenden Kraft des Kommenden wandeln. Die künftige Neuordnung Europas, die, beschattet vom Gegensatz der großen Mächte, schüchtern beginnt. wird vermutlich viel großräumigere wirtschaftliche und politische Einheiten schaffen. wenn sich Europa unter dem neuen Machtverhältnis behaupten will. Wir missen daher wirtschaftlich. politisch und kulturell europäisch denken, wenn wir eine Zukunft haben wollen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Alle Traditionen unseres Erbes, die dahin weisen, sind zu pflegen, alle gegensätzlichen zurückzudrängen. Wir wünschen und sehen es im Sinne unserer vom Schicksal gestellten Aufgabe als wichtig an, daß die besonderen Fähigkeiten und Begabungen des binnendeutschen Menschen, gepaart mit den besonderen Befähigungen der Ost- und Grenzlanddeutschen, zu einer schöpferischen Synthese werden, aus der heraus sich jene Kräfte ableiten, die geeignet sind, eine Neugestaltung Deutschlands zu ermöglichen. Aus der im Augenblick noch bestehenden und auf die Dauer unhaltbaren Polarität zwischen Alt- und Neubürgern muß über eine fruchtbare Spannung hinweg die Kräftepaarung erfolgen. In dieser Richtung haben sich alle Maßnahmen der Regierung zu bewegen. Und es ist vor allem energisch dafür Sorge zu tragen, daß das legislative Wollen in der Exekutive, und zwar bis in die untersten Instanzen, seine Durchführung erfährt.
    So sehen wir drei große Aufgaben, nach denen sich das künftige Dasein und Wirken der Heimatvertriebenen zu richten hat: erstens den Dienst an der Heimat in der lebendigen Pflege aller kulturellen Elemente unseres stammlichen Daseins; zweitens unser Wirken für Deutschland, indem wir seiner Gesundung alle unsere körperlichen und geistigen Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen haben; und drittens ist uns die hohe Aufgabe gestellt, als lebendige Zeugen des in der Menschheitsgeschichte noch nie dagewesenen völkerrechtswidrigen Verbrechens der brutalen Vertreibung von Millionen unschuldiger Deutscher zu Vorkämpfern eines neuen friedvollen Menschheitsdenkens zu werden, auf daß nie wieder Menschen um ihrer Weltanschauung, ihrer Sprache, ihres nationalen Daseins willen oder ihres Glaubens wegen entrechtet und vertrieben werden.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Ich erhoffe mir die Zustimmung aller Schicksalsgefährten in diesem Hause, wenn ich die Feststellung treffe, daß wir heimatvertriebenen Abgeordneten in primärer Hinsicht nicht als Vertriebene oder Flüchtlinge betrachtet werden wollen, sondern wir sind und wirken hier als deutsche Abgeordnete, darüber hinaus als Fachkräfte im Hinblick auf das zu lösende Vertriebenenproblem. Und alle uns im Bundestag gestellten Aufgaben möchten wir in gleichberechtigter Stellung und vertrauensvoller Zusammenarbeit behandelt wissen, der Sache dienlich und dem Volke als Beispiel.
    Ich bin überzeugt, daß unter solchen Gesichtspunkten unser Wirken im Rahmen dieses Hauses ein fruchtbringendes sein kann, und sehe darüber hinaus unsere Aufgabe darin. der organischen Entwicklung einer wahrhaften Eingliederung im Sinne schöpferischer Kräftegestaltung innerhalb unserer Schicksalsgefährten überall im Lande ideologisch den Weg zu bereiten. So gesehen glauben wir, nicht nur unseren Leidensgenossen, sondern Deutschland einen geschichtlichen Dienst erweisen zu können. Denn noch immer sind wir Ost- und Grenzlanddeutsche da, wenn es um Deutschland geht!

    (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter erteile, möchte ich § 86 unserer vorläufigen Geschäftsordnung verlesen,
wenigstens die erste Zeile:
Die Redner sprechen in freiem Vortrag.
Ich glaube, daß es der Debatte dieses Hauses nützen könnte, wenn man sich insoweit an die Geschäftsordnung hielte.

(Sehr richtig! links.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man über Fragen der Außenpolitik spricht, muß man sich im besonderen Maße der Verantwortung bewußt sein, die man damit, zumal in diesem Hause, übernimmt.

    (Sehr richtig! bei der DP.)

    Als Sprecher meiner Fraktion begrüße ich lebhaft den wohlabgewogenen, sowohl festen wie taktvollen Ton der Regierungserklärung. Meine Fraktion ist mit ganzem Willen bereit, die Regierung bei der Bewältigung der unendlich schwierigen Aufgaben zu unterstützen, die ihrer auf dem Gebiete der Außenpolitik harren. Sie bringt namentlich dem Herrn Bundeskanzler, in dessen Ressort diese unser gesamtes nationales Interesse berührenden Fragen in erster Linie gehören, ihr volles Vertrauen entgegen.

    (Bravo! rechts und in der Mitte.) Unterstützen, erleichtern und fördern — darunter verstehe ich vor allem ein hohes Maß von Selbstdisziplin. Außenpolitische Fragen sollten nicht Gegenstand einer emotionalen Propaganda der Parteien sein.


    (Abg. Dr. Bucerius: Sehr richtig!)

    Wir haben in der Welt das Vertrauen zurückzugewinnen. Vertrauen ist wie im Verkehr unter den Menschen auch die Grundlage des Verkehrs unter den Völkern. Vertrauen ist die Basis der Verwirklichung des Rechts und das Recht überhaupt der Boden, auf dem die Beziehungen unter den Völkern gedeihen und sich in Stetigkeit zu einer Ordnung des Friedens und der kulturellen Blüte entwickeln.
    Wir sind ein besiegtes, ein unter Fremdherrschaft stehendes Land, das nach der Meinung einiger Unversöhnlicher unter unsern Gegnern gewissermaßen außerhalb des Rechts gestellt, für vogelfrei erklärt und der Willkür preisgegeben werden sollte.


    (Dr. von Merkatz)

    In den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie sind Dinge geschehen, die über jedes Maß hinaus so furchtbar sind,

    (Abg. Rische: Meinen Sie Auschwitz?)

    daß kein Wort die Qual auszudrücken vermag, die tief in unsere Volksseele eingebrannt ist, unvergeßlich als eine Last schier unüberwindbarer Bedrückung.

    (Sehr gut! rechts.)

    Das Gewicht dieses Erlebnisses lastet auf dem Frieden der Welt. Wurzellos und friedlos sind alle diejenigen, denen das ungeheure Unrecht der Verstümmelung unseres Vaterlandes angetan worden ist. Darüber ist nicht hinwegzukommen. Verstümmelt ist unser Land, verwüstet sind unsere Seelen, verödet und ausgebrannt alles das, was redlicher Fleiß in Jahrhunderten dort für Deutschland geschaffen hat.

    (Abg. Rische: Reden Sie doch einmal darüber, warum alles so gekommen ist!)

    - Diese Frage möchte ich nicht mit Ihnen diskutieren. (Zurufe von der KPD.)