Meine verehrten Damen und Herren! Ich hatte die Absicht, zu einigen akuten Fragen der Wirtschafts-, der Finanz- und der Sozialpolitik zu sprechen, und halte es für meine Pflicht, eingangs sowohl an Herrn Blank wie an Herrn Ollenhauer ein Wort der Entgegnung zu richten.
Meine Freunde und ich freuen uns, mit den Ausführungen unseres Koalitionsfreundes Blank in den großen Linien einig zu gehen. Wir sind davon überzeugt, daß er und seine Freunde die Absicht haben, in der Durchführung der Koalition alles an die Ziele zu setzen, die der Herr Bundeskanzler und auf dem Gebiete, von dem ich spreche, der Kollege Blank hier dargelegt haben. Ich bitte, mir bei der Bewegung, mit der der Kollege Blank gesprochen hat, zu gestatten, daß ich hinzufüge, daß ich mich freue, diese Bemerkung auch als Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber machen zu können.
In einem Punkte, nämlich in den persönlichen Vorschußlorbeeren, die der Abgeordnete Blank zu verteilen sich bemühte, weiche ich ab. Ich glaube, es genügt, wenn ichgrundsätzlich Sage, solche Vorschußlorbeeren sollte man überhaupt nicht verteilen.
Was Herrn Ollenhauer angeht, so glaube ich, daß ich ein wenig bescheidener bin als er. Für mich, meine verehrten Damen und Herren, war am 8. Mai 1945 - ein Tag, an den wir viel zu wenig denken —, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation, in Deutschland überhaupt nichts mehr selbstverständlich. Wenn heute auf wirtschaftlichem Gebiet einiges wieder selbstverständlich ist, so verkenne ich nicht, daß das über eine Normalisierung der Verhältnisse im wesentlichen nicht hinausgeht. Ich bin aber nicht so undankbar, die Augen davor zu verschließen, daß das ausschließlich eine Folge a) der Währungsreform und b) der Abkehr und Umkehr in der Wirtschaftspolitik gewesen ist. Ich glaube, meine verehrten Herren von der Linken, Ihre Hausfrauen daheim — vielleicht nicht Ihre weiblichen Kollegen —, Ihre Hausfrauen daheim haben für diesen Gedankengang ein recht gutes Verständnis, und Sie werden sich ja auch gelegentlich erinnern, daß Sie zu Hause wesentlich besser zu essen bekommen, als dies früher der Fall war.
Ich will aber nun, da ich der Auffassung sein möchte, daß des Grundsätzlichen langsam genug geredet worden ist, zu einigen akuten Fragen übergehen, und zwar zunächst zur Finanz und Steuer. Wir sind auf dem Gebiete der Steuerpolitik im Frankfurter Wirtschaftsrat Schritt für Schritt vorangegangen, und ich glaube, sagen zu dürfen, nicht ohne Erfolg. Wir dürfen sagen, daß wir den Widersinn der Kontrollratsgesetze in steuerlicher Beziehung schon ein wenig beseitigt haben, und wir werden in diesem Bestreben logisch und energisch fortfahren. Wir wissen, daß eine Steuersenkung das Gebot der Stunde ist. Ich warne Sie aber, meine verehrten Damen und Herren, Ihre Hoffnungen in diesem Punkte allzu hoch zu spannen. Vielleicht lassen Sie sich einmal von Ihren zuständigen Büros, oder was Sie sonst an Stellen haben, einen Vergleich aufstellen über die Steuerbelastung insbesondere in den niederen Einkommenstufen, einen Vergleich zwischen der Zeit vor 1933 und jetzt. Dann werden Sie zum Teil überraschende Feststellungen treffen.
Das hat nichts damit zu tun, daß eine Steuersenkung im großen notwendig ist und meines Erachtens auch durchzusetzen sein wird. Die größeren Möglichkeiten liegen aber in der Bewertung und in den Methoden der Veranlagung. Das setzt ein ganz anderes persönliches Niveau bei den Finanzbehörden, insbesondere bei den Finanzämtern voraus, als wir es heute haben. Sie werden sich erinnern, daß wir in dieser Beziehung schon einmal besser gestellt waren. Wenn immer beklagt wird, daß man zwar die kleinen Zensiten an die Hammelbeine nimmt, aber die großen nicht erfaßt und durchleuchtet — Herr Loritz hat von hunderttausend Schiebern gesprochen —, dann ist daran bestimmt sehr viel Richtiges. Das liegt an der Unzulänglichkeit der Veranlagungsbehörden. Wir brau-
chen eine außerordentliche Verbesserung des Betriebsprüferdienstes und ähnlicher Dinge. Ich will hier am Rande die Frage streifen, ob es nicht doch möglich ist, den sehr seriösen Stand der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in irgendeiner Weise in diese Arbeit miteinzuschalten.
Ich glaube, daß es auf die Dauer unmöglich ist, die Betriebe danach zu besteuern und verschieden zu besteuern, in welcher juristischen Form sie betrieben werden. Wir müssen zu einer Betriebssteuer kommen und haben gern festgestellt, daß der wissenschaftliche Beirat der Verwaltung für Finanzen sich in diesem Sinne ausgesprochen hat. Es wird hoffentlich möglich sein, diese Betriebssteuer schon in einem Gesetz über die Neuordnung von Steuern ab 1. Januar 1950 wirksam werden zu lassen.
Ich glaube weiter, daß wir eine Senkung der indirekten Steuern brauchen — Tabak, Kaffee —, und zwar, wenn es auch paradox klingt, um die Erträgnisse aus diesen Steuern zu vermehren. Die Steuermoral, die aua allen Gebieten schlecht ist, ist bei den indirekten Steuern besonders schlecht, und wir sollten uns alle Mühe geben, sie zu heben.
Ein ganz kurzes Wort zur Währungsreform. Daß sie technisch gelungen ist und daß es auch trotz der Abwertung des englischen Pfundes dabei bleibt, darüber besteht, glaube ich, Einverständnis.
— Einverständnis, daß sie technisch gelungen ist!
Dieses Gelingen ist auch nicht mit der Nebenerscheinung verbunden, daß der Patient tot ist.
Aber wir haben in diesem Zusammenhang noch sehr weitgehende Wünsche. Das setzt jedoch voraus, daß uns eine größere Freiheit in dieser Beziehung von den Besatzungsbehörden zugestanden wird. Wir haben sie an sich auf Grund des Besatzungsstatuts, aber die Generalklausel der Liste der Eingriffsmöglichkeiten läßt doch wohl Befürchtungen aufkommen. Es gehört dazu, daß auch das Organisationsstatut der Bank deutscher Länder eine durchgreifende Änderung erfährt.
Wenn nun hier, meine Damen und Herren, von der „Schattenquote" gesprochen worden ist, so muß ich darauf aufmerksam machen, daß einer Regelung über die Schattenquote unbedingt die Wiedergutmachung des schreienden Unrechts vorausgehen muß, das durch die zweite Währungsreform begangen warden ist, nämlich durch die Herabsetzung der Quote für Geldforderungen von 10 auf 6,5 Prozent. Wenn in dieser Beziehung etwas geschehen soll, muß das die Reihenfolge sein.
Wenn wir eine größere Freiheit auf diesem Gebiete erwarten, dann erbitten oder wollen wir sie insbesondere in einer Form, daß sie sich nützlich auf dem Gebiete der Finanzpolitik auswirkt. Ich glaube, daß die Sicherheit der Währung, die ich hier für meine Person nochmals betonen möchte, es nunmehr erlaubt, auch in der Kreditpolitik und in den Fragen der Vorfinanzierung etwas mehr Großzügigkeit walten zu lassen. Ich spreche keineswegs für einen Leichtsinn, aber ich spreche für einen, sagen wir, leichten Sinn oder eine, wie ich es eben nannte, Großzügigkeit. Es gibt eine Reihe von Gebieten, meine Damen und Herren, auf denen wir weiß Gott nicht mehr länger auf langfristige Kredite warten können. Über den Wohnungsbau brauche ich nicht zu sprechen, das ist hier schon so oft erörtert worden. Es besteht auch Einverständnis darüber, daß die Modernisierung im Bergbau eine vordringliche Aufgabe ist. Die Flurbereinigung, die Erhöhung der Produktion und schließlich die Mechanisierung in der Landwirtschaft sind ebenfalls unumstrittene Gebiete.
Gewundert hat es uns, daß bisher mit keinem Worte von der Reichsbahn, oder, wie sie jetzt heißt, von der Bundesbahn die Rede gewesen ist. Sie ist der größte Arbeitgeber, sie ist auch der größte Auftraggeber in der Bundesrepublik Deutschland. Sie machen sich kaum eine Vorstellung, wie viele Industriezweige von der Auftragspolitik der Bundesbahn geradezu abhängig sind. Ich, will hier von Aufzählungen absehen, aber die Zunahme der Arbeitslosigkeit in den letzten Wochen und Monaten führe ich bis zu einem gewissen Grade auf die immer noch nicht geregelte Kreditlage der Bundesbahn zurück. Ich bitte Sie, sich einmal einen Moment zu überlegen, was das bedeutet. Es gibt Industrien — denken Sie zum Beispiel an Lokomotiven —, die in ihrer Inlandsbeschäftigung von der Bundesbahn geradezu abhängig sind, und eine gewisse Inlandsbeschäftigung ist die Voraussetzung dafür, daß diese Industrien ihre zweite Aufgabe, nämlich Export zu treiben, erfüllen können. Ich halte es nicht für übertrieben, wenn ich sage, daß. die Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes hinsichtlich der Kreditgewährung an die Bundesbahn nicht nur für die Bundesbahn, sondern auf die Dauer auch für Zweige der Wirtschaft tödlich sein wird. Denn letzten Endes, meine Damen und Herren, ist es doch ein Unsinn, Investierungen aus der Westentasche oder aus den Tageseinnahmen zu bezahlen, und welche Investierungen bei der Bundesbahn nötig sind, wissen Sie alle. Es sollte sich langsam herumgesprochen haben, daß ein solches Unternehmen hierfür große Kredite braucht, und ich meine, die Verhandlungen, die darüber geführt worden sind, sollten mit etwas mehr Energie jetzt zu Ende gebracht werden.
Ich darf, da ich eben von der Bundesbahn spreche, noch hinzufügen, daß es uns notwendig erscheint, sie etwas näher an die Kontrolle des Parlaments heranzuführen.
In dieser Beziehung sind wir in einen Zustand hineingeschlendert, der nicht tragbar ist. Das bedeutet nicht, daß in der Bundesbahn die Betriebsführung nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten erfolgen soll; im Gegenteil, das ist eine absolute Notwendigkeit. — Im übrigen bitte ich, diese Ausführungen über die Bundesbahn in erster Linie als ein Beispiel für die Notwendigkeit langfristiger Kredite anzusehen.
Was die ausländische Finanzhilfe angeht, so haben uns die Besatzungsmächte vielfach erklärt, sie wünschten und erwarteten, daß zunächst das Inland die äußersten Anstrengungen mache. Wir haben mehrfach Ausführungen darüber gelesen, was in dieser Beziehung aus privaten und öffentlichen Mitteln geschehen ist. Das ist wesentlich mehr, als man vielleicht hätte erwarten können, und ich glaube, sagen zu dürfen, daß nun der Zeitpunkt für die Zurverfügungstellung ausländischer Kredite gekommen und nach diesen unseren Vorleistungen die Bahn dafür frei ist. Ich möchte daran aber noch einen Wunsch knüpfen, nämlich daß die Freigabe aus den Counterpart Funds usw. nicht weiterhin mit diesem Formalismus und mit dieser Langwierigkeit behandelt wird, sonst ist in diesem Falle doch einmal der Patient tot, ehe ihm geholfen werden kann.
Was die öffentlichen Haushalte anlangt, meine Damen und Herren, so glaube ich, daß ihre Lage nicht nur schwierig ist, sondern in allernächster Zeit eher noch schwieriger wird. Ich meine jetzt in erster Linie die Haushalte der Länder und der Kommunen. Denn etwaige Steuersenkungen und etwaige dringend notwendige Entlastungen auf dem Gebiete der Besatzungskosten werden bestimmt durch Erfordernisse zum Beispiel auf dem Gebiete der Sozialpolitik und in anderen Dingen überkompensiert. Ich will gar nicht von Subventionen reden, die wir aus diesen öffentlichen Haushalten werden zahlen müssen. Es dürfte wohl im ganzen Hause kein Zweifel darüber bestehen, daß Subventionen auf die Dauer eine ungesunde Angelegenheit sind. Aber, meine Damen und Herren, wie soll man solchen von außen kommenden Ereignissen wie der Abwertung des Pfundes und der Neuregelung der Bezahlung bzw. Abrechnung der Lebensmitteleinfuhren, die schon am 1. Juli in Kraft getreten ist, Ereignissen, die uns so über Nacht beschert werden, wie soll man denen — ich sage das bewußt als Wirtschaftler — von heute auf morgen anders begegnen als auch unter Inanspruchnahme von Subventionen? Deswegen werden Sie mir zugehen daß die Lage der öffentlichen Haushalte schlecht bleiben wird. Um so wichtiger ist alles das, was hier über Ersparnismaßnahmen gesagt worden ist.
Nun sind hier gestern eine große Reihe von Wünschen vorgetragen worden, besonders von der Frau Abgeordneten Wessel. Ich habe einmal hinter ihr hergeschaut und mich gefragt, wo wohl der große Goldsack ist, den sie eigentlich mit sich herumtragen muß. Denn es ist ja doch nicht möglich, meine Damen und Herren, derartige Wünsche zu äußern, ohne gleichzeitig entsprechende Deckungsvorschläge zu machen.
Ich glaube, wir sollten doch in unsere Geschäftsordnung, auch in die vorläufige, einen Satz hineinbringen, wonach solche Anträge von Deckungsvorschlägen, so gescheit man sie sich nur ausdenken kann, begleitet sein müssen.
Ich will mich auf diese wenigen Ausführungen über Wirtschafts- und Finanzpolitik beschränken, da mir sehr daran liegt, noch etwas zur Sozialpolitik zu sagen. Mein Freund Schäfer hat sich schon in seiner Rede ziemlich eingehend damit beschäftigt. Wenn ich in der heutigen Debatte ausführlicher zu diesen Dingen Stellung nehme, so geschieht das einerseits, um zu unterstreichen, wie wichtig dieses Aufgabengebiet uns erscheint, andererseits aber auch, um zum Ausdruck zu bringen, daß die Art und Weise, in der die Verwaltung für Arbeit im Wirtschaftsrat bzw. im Vereinigten Wirtschaftsgebiet vorgegangen ist, nicht unseren Beifall findet und daß wir bitten müssen, hier einen Wandel eintreten zu lassen, weniger, wie ich hoffe, in der Zielsetzung, wohl aber absolut in den Methoden.
Ich will Sie jetzt nicht damit aufhalten, Ihnen die Entwicklung der letzten Monate zu schildern, obwohl das sehr reizvoll wäre. Aber wenn Sie sich die letzten Briefe der Militärregierungen an den Präsidenten des Wirtschaftsrats ansehen, werden Sie feststellen, eine wie große Zahl von Gesetzen gerade auf diesem Gebiet entweder der Ablehnung verfallen oder der Behandlung durch den Bundestag vorbehalten geblieben sind, und dann, werden Sie mit mir der Meinung sein, daß das kein Zufall ist. Vielmehr liegt das daran, daß mit unziemlicher Eile und noch dazu ohne gehörige Vorbereitung die wichtigsten Gesetze vorgelegt und verabschiedet worden sind. Ja es ist vorgekommen, daß Gesetze parlamentarisch beraten worden sind, ohne daß sie vorher das Plazet des Verwaltungsrats, also des damaligen Kabinetts gehabt hätten. Mein Freund Seelos ist nicht da, sonst würde ich ihn fragen, ob es mir erlaubt ist, ein bayerisches Wort zu zitieren. Ich will es trotzdem tun. Es heißt: Langsam, weil's pressiert!
Das sollte sich der Herr Minister für Arbeit für seine künftigen Gesetzesvorlagen etwas hinter die Ohren schreiben, wenn man bei einem Minister von Ohren sprechen darf, was ich den hohen Herrn Präsidenten eventuell zu überlegen bitte.