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    Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949 47 7. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949. Geschäftiche Mitteilungen 47B, 67C, D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung . . . 47B Ewers (DP) 47C Dr. Seelos (BP) 53D Reimann (KPD) 58C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 67A Unterbrechung der Sitzung . 67C Loritz (WAV) 67D Frau Wessel (Z) 72B Dr. Richter (DRP) 80A Clausen (SSW) 85C Dr. Edert (Parteilos) 86B Fortsetzung der Sitzung 87C Die Sitzung wird um 10 Uhr 11 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung gesagt, die Koalitionsparteien seien sich völlig einig darin, daß sie sich bei ihrer ganzen Arbeit von dem Bestreben leiten lassen würden, so sozial im wahrsten und besten Sinne des Wortes zu handeln wie irgend möglich. Ich erkläre als Sprecher meiner Fraktion noch einmal, daß dies unsere feste Absicht ist. Die Sozialpolitik wird deshalb eine beherrschende Stellung in der Regierungsarbeit einnehmen, und ich hoffe, daß die Opposition gerade hier die Gelegenheit findet, wo sie nicht unter allen Umständen nein sagen muß.

    (Lachen links. — Sehr gut! rechts. — Zuruf links: Wer lacht da?)

    — Es freut mich. Ihre Freude gibt mir Gewähr dafür, daß Sie mitarbeiten werden.
    Nun kann aber die wechselseitige Abhängigkeit von Sozial- und Wirtschaftspolitik nicht übersehen werden. Denn in erster Linie bestimmen Wert und Umfang des Sozialprodukts das Ausmaß sozialer Leistungen. Daher sagt die Regierungserklärung weiter: „Die beste Sozialpolitik ist eine gesunde Wirtschaftspolitik, die möglichst vielen Brot und


    (Blank)

    Arbeit gibt." Meine Damen und Herren, die wirtschaftspolitische Linie der Regierung ist klar, sie besteht — darüber kann kein Zweifel sein — in der Fortsetzung des im Wirtschaftsrat beschrittenen Weges. Dazu verpflichtet sie die Entscheidung des Wählers. Denn nicht zuletzt durch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, stand der Wahlkampf hauptsächlich unter der Parole: Für oder gegen die Frankfurter Wirtschaftspolitik? Es blieb Herrn Dr. Schumacher vorbehalten, die in freier demokratischer Wahl getroffene Entscheidung der Wähler dahin umzudeuten, der deutsche Besitz habe diese Regierung etabliert. Die Zahl der diese Regierung tragenden Wählerstimmen zeigt, daß sie ihren Auftrag aus dem Willen des Volkes hat, und der Auftrag lautet: Fortsetzung und Weiterentwicklung der Frankfurter Wirtschaftspolitik. Wie und nach welchen Prinzipien das geschehen soll, meine Damen und Herren, das möchte ich in Kürze in dieser Spezialdebatte darlegen.
    Unser wirtschaftspolitisches Ziel ist die soziale Marktwirtschaft, und ich möchte gleich sagen: sie ist gleichweit entfernt von der Planwirtschaft wie von der freien Wirtschaft des Manchestertums.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Denn in ihr sind die Ordnungselemente: sowohl Freiheit als auch Bindung. Wir wünschen als motorische Kraft Freiheit im Wettbewerb und als Bindung unabhängige Monopolkontrolle, um Mißbrauch der Freiheit zu verhindern.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dazu wird es einer Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen bedürfen, und eine dieser Maßnahmen wird sein, durch ein Monopolgesetz den Wettbewerb in der Wirtschaft zu sichern. Frau Abgeordnete Wessel bemängelte gestern in ihrer Rede, daß ein solches Monopolgesetz in Frankfurt am Main in der Schublade der Verwaltung für Wirtschaft liegengeblieben sei.

    (Zuruf von der KPD: Da bleibt es auch weiter liegen!)

    — Da bleibt es nicht liegen! Alle Sachkenner sind sich darüber klar, daß es sich hier um eine außerordentlich verwickelte Materie handelt,

    (Lachen und Aha-Rufe links)

    die gründlichster Vorarbeit bedarf und auch niemals restlos abgeschlossen sein wird, weil sie ständig an den sich ergebenden Tatbeständen neu überprüft und revidiert werden muß. Sie dürfen aber die Versicherung entgegennehmen, daß ein solches Monopolgesetz geschaffen wird. Wir befinden uns dabei in völliger Übereinstimmung mit einer Forderung, die die Gewerkschaften aufgestellt haben, die sich auf die Schaffung einer Stelle zur Überwachung kartell- und monopolartiger Einrichtungen und Abreden bezieht. Dieses unser Gesetz wird alle Marktabreden und Kartellverträge verbieten, und es muß die Bildung wirtschaftlicher Macht verhindern.
    Meine Damen und Herren! Wir werden das bestehende Gesellschaftsrecht einer Überprüfung zu unterziehen haben, und wir werden es entsprechend unserem Ziele zu ändern haben.

    (Abg. Rische: Abschaffung des Bankgeheimnisses!)

    — Warten Sie ab, Herr Abgeordneter Rische! —
    Wer Unternehmer sein will, muß auch mit seinem ganzen persönlichen Besitz einstehen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das gilt nicht nur für den Unternehmer, das gilt
    unserer Ansicht nach auch für die Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften. Wir wollen keine anonyme Verantwortungslosigkeit mehr in der Wirtschaft. Darüber hinaus erwarten wir von der Regierung Gesetzentwürfe, die die restlose Offenlegung von Geschäftsberichten, Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen bei allen Kapitalgesellschaften gewährleistet. Ich kann auch hier wieder darauf hinweisen, daß wir uns dabei in völliger Übereinstimmung mit einer Forderung der Gewerkschaften befinden, die sie an dieses Bundesparlament gerichtet haben, die dahin geht, es sei eine Erweiterung der für wirtschaftliche Unternehmungen bestehenden gesetzlichen Publikationsvorschriften erforderlich. Meine Damen und Herren, gerade den Arbeitern wird damit gedient, die als Wertschaffende auch einen Anspruch darauf haben, über den wahren Stand des Unternehmens und den erzielten Gewinn unterrichtet zu werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Obwohl es wegen mangelnder Kenntnis der Zusammenhänge noch unpopulär ist, halten wir daran fest, daß sich die Preise marktgerecht bilden müssen. Wohin die behördlich festgesetzten Preise, die doch nur eine Illusion sind, führen, haben wir seit dem Jahre 1936 erlebt. Behördlich festgesetzte Preise, zugewiesene Kontingente, feste Gewinnspannen, eine solche Sinekure wollen wir dem Unternehmertum ein zweites Mal nicht mehr gönnen.

    (Beifall rechts, in der Mitte und bei einem Teil der SPD.)

    Unternehmer sein heißt nämlich nicht: Staatspensionär sein.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.) Das muß wieder begriffen werden.

    Die Arbeiterschaft kann mit Recht von demjenigen, der sich Eigentümer der Produktionsmittel nennt, verlangen, daß er von diesen Produktionsmitteln auch einen Gebrauch macht mit echtem Wagnis, einen Gebrauch, der höchste Rentabilität des Betriebes sichert. Wer das nicht kann, soll die Finger von diesem Geschäft lassen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren, darüber hinaus werden Sie uns Preisbeeinflussung mit Mitteln der Kredit- und Steuerpolitik, die wir nach Lage der Verhältnisse anzuwenden gewillt sind, nicht als Abkehr von unseren Prinzipien auslegen. Ich bin der Meinung, wir stimmen darin überein, daß dies probate Mittel sind.
    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, an dieser Stelle ein kurzes Wort über die Steuerpolitik, von der fast alle Redner gesprochen haben einfügen. Herr Dr. Schumacher meinte zum diesbezüglichen Punkt der Regierungserklärung, die geplante Steuersenkung stünde in Konkurrenz minden Besatzungskosten und den erforderlichen Sozialleistungen. Ich lege mir das zunächst so aus, daß Herr Dr. Schumacher meinte, die Besatzungskosten zu senken läge nicht in unserer Macht, und eine Senkung der Sozialleistungen beabsichtige die Regierung nicht; infolgedessen sei die Steuersenkung unmöglich. Dazu möchte ich sagen: Die heutigen Steuersätze lähmen und hindern die Spartätigkeit, sie führen zur Verschwendung und lenken Mittel in den Luxuskonsum, die bei vernünftiger Steuerpolitik produktiven Zwecken zugeführt würden.

    (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

    Wenn der Staat 80 bis 90 Prozent jedes Aufwandes
    deckt — und das geschieht tatsächlich —, dann treten Unterschiede im Lebensstandard stärker in Er-


    (Blank)

    scheinung, als sie nach der Einkommensverteilung überhaupt möglich wären.

    (Sehr gut!)

    Wir versprechen uns von einer Steuersenkung folgende Wirkungen. Erstens eine Zunahme der Spartätigkeit und damit erhöhte Kapitalbildung durch alle Schichten des Volkes; zweitens eine Entlastung des unmittelbaren Konsums, insbesondere des Luxuskonsums; drittens eine erhöhte Investitionstätigkeit, Belebung der einschlägigen Industrien, insbesondere der Bauwirtschaft; viertens eine Aufsaugung der Arbeitslosigkeit und Entstehung zusätzlichen Arbeitseinkommens; fünftens steigende Nachfrage auch auf den Konsumgütermärkten und auch dort vermehrte Beschäftigung; sechstens durch steigende Umsätze und erhöhte Produktion auch steigende Steuereinnahmen trotz Senkung der Steuersätze.

    (Sehr gut!)

    Aber nicht unbedeutend dürften auch die diesen zugeordneten Nebenwirkungen sein: erstens ein Rückgang der Bürokratie, weil durch freie Kapitalbildung der Riesenapparat der staatlich-zentralistischen Kapitalverteilung überflüssig wird;

    (Bravo! in der Mitte und rechts)

    zweitens eine Förderung der kleineren und mittleren Existenzen, die nur bei freier Kapitalbildung, wie" alle Erfahrungen lehren, Kredite erhalten können, während bei staatlicher Verteilung erfahrungsgemäß nur öffentliche und Riesenunternehmungen bedacht werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Gerade hier aber sind wir an einem Kernpunkt unseres wirtschaftspolitischen Wollens, nämlich Klein- und Mittelexistenzen zu fördern.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts. — Zuruf des Abg. Renner.)

    Dasjenige Volk wird sozial am gesundesten sein, das möglichst viele selbständige Existenzen hervorbringt, und nicht ein Volk, Herr Renner, das nichts mehr ist als seelenlose Nummern in einem Machtstaatsapparat.

    (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

    Wir erwarten drittens Rückkehr zu dem finanzpolitischen Grundsatz: die Staatsausgaben haben sich den finanzpolitischen Möglichkeiten anzupassen und nicht umgekehrt.

    (Sehr wahr!)

    Die geplante Steuersenkung steht damit wohl nicht in Konkurrenz mit den Sozialleistungen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz zur Wirtschaftspolitik zurückkehren. Wir sind davon überzeugt, daß sich durch diese Wirtschaftspolitik eine Wirtschaft entwickelt, die ein möglichst großes Sozialprodukt erzeugt. Daß uns das seit der Wende durch das Leitsätze-Gesetz schon in erfreulichem Maße gelungen ist, lehrt der Augenschein jedes Menschen in der Bizone.

    (Sehr gut! rechts.)

    Das alles betrifft aber im Grunde genommen nur die Wirtschaftsweise und besagt noch nicht viel über die Fragen der Wirtschaftsverfassung. Die Wirtschaftsweise, wie ich es definieren will, die Wettbewerbswirtschaft mit den Prinzipien, die wir ihr zugrunde legen, würde sowohl in der Privatwirtschaft als auch in der Gemeinwirtschaft zu gelten haben. Auch eine Gemeinwirtschaft, wenn sie nicht zur Ertraglosigkeit verurteilt sein wollte, würde sich zu diesen Prinzipien des echten Wettbewerbs untereinander zu bekennen haben.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Aber es sei mir ein Wort zur Frage der Wirtschaftsverfassung erlaubt. Die Regierungserklärung spricht sich dazu aus. Sie sagt nämlich: Die sozial- und gesellschaftspolitische Anerkennung der Arbeitnehmerschaft macht eine Neuordnung der Besitzverhältnisse in den Grundstoffindustrien notwendig. Herr Dr. Schumacher meinte dazu, es sei nicht klar, ob damit die Wiederherstellung der alten Besitzverhältnisse gemeint sei. Ich will diesen Zweifel bei ihm beheben, meine Damen und Herren von der Opposition. Denn in der Regierungserklärung heißt es „eine Neuordnung". Das dürfte doch einem Manne nicht entgangen sein, der gerade in seiner Partei nach 1945 die Parole ausgab, nicht von dem Aufbau zu sprechen - denn das könne Restaurierung bedeuten —, sondern von dem Neubau. Ich glaube, dieser Hinweis auf Ihre eigene Definition wird Ihnen klar sagen, was hier mit dem Wort „Neuordnung der Besitzverhältnisse" gesagt sein soll.

    (Beifall bei der CDU. — Zuruf des Abg. Renner.)

    Es freut mich, hier feststellen zu können, daß die Regierungserklärung sich wieder einmal mit den Forderungen der Gewerkschaften deckt, wo es im Abschnitt VI unter anderem heißt: ,,Es sind deshalb
    vordringlich insbesondere der Bergbau, die eisen- und stahlschaffende Industrie sowie die Großchemie in Gemeineigentum zu überführen." Wenn also Herr Dr. Schumacher in seiner Rede bemängelt hat, daß die Regierungserklärung sich nicht mit den Gewerkschaften beschäftige, so kann ich feststellen, daß sie das tut — das werde ich Ihnen gleich noch darlegen —, daß sie sogar wesentliche Programmpunkte der Gewerkschaften in ihr Programm übernommen hat. Das ist gar kein Wunder, meine Damen und Herren!

    (Abg. Rische: „Wunderschön"!)

    Denn auf den Bänken der Regierungsparteien sitzen bessere Gewerkschaftler, als Sie einer sind, Herr Rische.

    (Bravorufe bei der CDU. — Abg. Rische: Das ist aber billig! Sehr billig!)

    Ich sage noch einmal, auf den Bänken der Regierungsparteien — —

    (Abg. Renner: Von der SPD reden Sie nicht!)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Blank, ich darf bitten, keine persönlichen Wertungen vorzunehmen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Verzeihen Sie, Herr Präsident! Ich habe von dem Herrn Abgeordneten Rische einen Zuruf bekommen, den ich so auffassen mußte, als ob er meine Ausführungen anzweifele. Deshalb habe ich diese Antwort gegeben. Aber ich stehe nicht an: wenn dies ein unzulässiger Ausdruck gewesen sein sollte, der den Herrn Abgeordneten Rische beleidigen könnte, so nehme ich ihn hiermit in aller Form zurück.

    (Lachen und Zurufe links.)

    Ich sage noch einmal: auf den Bänken der Regierungsparteien sitzt eine ganze Anzahl von Männern, deren Lebensaufgabe darin bestand, für die Rechte der Arbeitnehmerschaft zu wirken, und die heute noch wie ihre Gewerkschaftskollegen auf den Bänken der Opposition in der Gewerkschaftsbewegung praktisch tätig sind.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU.)

    Deshalb können Sie, meine Herren von der Opposition, in dieser Frage völlig unbesorgt sein.


    (Blank)

    Die Regierungserklärung, betone ich noch einmal, deckt sich hier mit einer der Forderungen der Gewerkschaften. Ich weiß, daß alle bisherigen Versuche zur Lösung dieser Fragen durch Ländergesetzgebung von den Militärregierungen nicht anerkannt wurden. Wir sind von den Militärregierungen darauf hingewiesen worden, daß diese Fragen durch das deutsche Volk zu entscheiden seien, wenn es eine Regierung habe. Dieser Zeitpunkt ist gekommen. Wir kennen unsere Aufgabe. Und so klar, wie die Regierungserklärung sich hierzu ausspricht, so klar, wie wir es in unserem Ahlener Programm und in den Düsseldorfer Leitsätzen niedergelegt haben, so klar werden wir in diesem Parlament für die Lösung dieser Fragen eintreten.

    (Zuruf des Abg. Rische.)

    Eins aber möchte ich von vornherein sagen: Überführung in Gemeineigentum — ich übernehme es wörtlich, wie es hier in den Forderungen der Gewerkschaften steht — kann für uns nie und nimmer Verstaatlichung bedeuten.

    (Bravorufe in der Mitte und rechts.)

    Wir kennen die Gefahren. Wir wünschen nicht einen „geliebten Führer", einen Einheitsstaat, ein Einheitsgesicht, eine Einheits-Übererfüllung der Übernormen. Wir wünschen vielmehr nach dem Gesetz, nach welchem die Arbeitnehmer angetreten sind, daß dem Menschen seine persönliche Freiheit erhalten bleibt und er nicht zum Sklaven eines totalitären Staates wird.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)

    Meine Damen und Herren, es wird sehr viel über diese Materie zu sagen sein. Wir werden die Vorlagen, die wir demnächst bekommen, sehr ernst zu prüfen haben.

    (Abg. Rische: Zehn Jahre wird man reden!)

    Wir werden mit aller gebotenen Überlegung an
    diese Frage herangehen. Wir lehnen es ab, sinnlose
    Experimente zu machen; denn wir wollen in Wirklichkeit dem Menschen, der Arbeiterschaft dienen.

    (Abg. Rische: Nur darüber reden!)

    Nur noch eins! Die Gewerkschaften haben Forderungen zur Regelung der Rechtsbeziehungen im Arbeitsleben und in der Sozialversicherung aufgestellt. Da freut es mich, darauf hinweisen zu können, daß auch die Regierungserklärung sagt: „Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern müssen zeitgemäß geordnet werden, und die Selbstverwaltung der Sozialpartner muß an die Stelle der staatlichen Bevormundung treten." Ohne das gesamte Gebiet des Arbeitsrechts, das einer Lösung harrt, hier in dieser kurzen Rede in allen Einzelheiten darlegen zu wollen, kann ich Ihnen sagen, daß wir auch hier im Grundsätzlichen mit dem übereinstimmen, was die Arbeitnehmerschaft auf diesem Gebiete als ihre berechtigten Forderungen erhebt.
    Auf allen Gebieten des Arbeitsrechts und der Sozialpolitik besteht seit jeher eine große Zersplitterung des Rechts. Unterschiedliche Regelungen wichtiger arbeitsrechtlicher und sozialpolitischer Angelegenheiten in den Ländern haben zur weiteren Zersplitterung und Uneinheitlichkeit der Rechtsvorschriften geführt. Die Gewerkschaften fordern daher ein einheitliches und fortschrittliches Arbeitsrecht für alle Arbeitnehmer. Diese Forderung, meine Damen und Herren, wird — davon bin ich fest überzeugt - in diesem Hause, durch die Damen und Herren dieses Parlaments ihre Erfüllung finden.

    (Zustimmung in der Mitte.) Davon dürfen Sie überzeugt sein!

    Herr Dr. Schumacher bemängelte, daß die Regierungserklärung das Wort ,,Arbeiter" nicht einmal erwähnt habe. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß auf Seite 11 der Regierungserklärung gleich zweimal von Arbeitnehmern die Rede ist. Aber darüber twill ich gar nicht streiten. Viel entscheidender als die Frage, ob das Wort „Arbeiter" in der Regierungserklärung steht, ist für uns, daß auf der Regierungsbank einer der markantesten Vertreter der christlichen Arbeiterbewegung, der auch in der heutigen Gewerkschaftsbewegung etwas gilt, sitzt.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Er ist der Garant unseres sozialpolitischen Wollens!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU.)

    Und, meine Damen und Herren, es sitzt ja auch noch ein zweiter Mann auf der Regierungsbank, dessen Ansehen in der Arbeiterbewegung sicherlich mehr als groß ist, einer der Männer, der zusammen mit dem Freunde Leuschner von der anderen Seite die Seele des Widerstandes der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft war.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der CDU.)

    Zwei solche Männer auf der Regierungsbank sind uns mehr als zwanzigfache Erwähnung der Arbeiter in der knappen Regierungserklärung.

    (Erneute Zustimmung bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren, die Regierung ist auch willens zu einer loyalen Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, und dafür haben wir schon einen Beweis. Gestern hat der Herr Bundeskanzler an den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herrn Dr. Böckler, einen Brief gerichtet und ihm mitgeteilt, daß Maßnahmen, die in Verfolg der Pfundabwertung erforderlich sein würden, mit den Gewerkschaften besprochen werden würden und daß er in Kürze einen Besuch von Herrn Dr. Böckler und noch einigen Herren der Gewerkschaften erwarte, um mit ihnen über die Dinge zu beraten.

    (Beifall bei der CDU. Zuruf von der KPD: Nein, um stillzuhalten!)

    Ich glaube nicht, daß Herr Dr. Böckler ein Mann ist, der sich zum Stillhalten eignet.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, hierzu noch einiges sagen zu müssen. Wenn die Regierung bereit ist, loyal mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten, dann soll aber niemand auf den abwegigen Gedanken kommen, es bestünde auch nur im entferntesten die Möglichkeit, nach volksdemokratischem Muster außerparlamentarische Organisationen im parlamentarischen Leben einsetzen zu können.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte. — Abg. Rische: Das sagt ein Gewerkschaftler!)

    Das sagt ein Gewerkschaftler deshalb, weil er sich über die unterschiedlichen Aufgaben der Gewerkschaften und der politischen Parteien völlig klar ist!

    (Erneute lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

    Anders als in früheren Zeiten stehen die Sozialprobleme vor uns. Es ist aber Tatsache, daß gegenwärtig nicht mehr die Arbeiterschaft die am tiefsten stehende soziale Schicht darstellt, sondern das Riesenheer der Flüchtlinge die tiefste Elendsschicht bildet. Deshalb, meine Damen und Herren, stellt die Regierungserklärung an die Spitze der dringenden Bundesaufgaben die Lösung der Flüchtlingsfrage und der Wohnungsfrage, und deshalb haben zwei Ministerien in diesem Kabinett die


    (Blank)

    Aufgabe, diese Fragen einer Lösung entgegenzuführen.
    Lassen Sie mich aber, da über diese Dinge Berufenere als ich aus den Kreisen der Flüchtlinge selber sprechen werden, noch einiges Wenige zur Sozialversicherung sagen. Ich weiß, meine Damen und Herren, daß der gegenwärtige Zustand der Sozialversicherung dringend Reformen notwendig macht. Ich weiß, daß hier eine umfangreiche Gesetzgebung auf uns wartet. Lassen Sie mich noch einige wenige Grundprinzipien darstellen. Wir verlangen in allen Sozialversicherungszweigen Wiederherstellung des Versicherungsprinzips; denn wir wollen, daß der Rentenempfänger kein Wohlfahrtspflegling ist, sondern eine Rente bezieht, auf die er einen selbst erworbenen Rechtsanspruch hat.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wir wollen weg von der staatlichen Einflußnahme auf diese Dinge. Wir wünschen, die Angelegenheit der Sozialversicherung mehr und mehr in die Hände der Sozialpartner zu legen. Dort nämlich, wo sich die beiden um den Ertrag der Wirtschaft mühen, haben sie beide auch die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß der Arbeitnehmer später seine erdiente Rente bekommen kann.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, wir wünschen keine Mammutgebilde, sondern Versicherungsträger in Gliederungen, die den Versicherten eine lebendige Verbundenheit und Mitwirkungsmöglichkeiten lassen. In der Krankenversicherung werden wir Gesundes zu erhalten wissen. In der Rentenversicherung der Arbeiter werden wir die Rechtsangleichung an den Stand der Angestelltenversicherung herbeizuführen wissen. Wir werden die Rentenversicherung der Angestellten — weil wir Gleichheit nicht im Eintopf sehen — zu erhalten wissen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir werden in der Unfallversicherung auch die Mitwirkung der Arbeitnehmer sichern; denn wir wünschen deren Heranführung an die Verantwortung auch in diesem wichtigen Punkt. Und in der Arbeitslosenversicherung werden wir baldigst die Selbstverwaltung wiederherzustellen haben. Grundsatz aber bleibt bei uns, das Vermögen der Versicherungsträger vor Zugriffen eines geldgierigen Staates sicherzustellen,

    (Beifall in der Mitte)

    aber Ersatz der Vermögen, die der Staat im wahrsten Sinne des Wortes verpulvert hat.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich meine Ausführungen über die Sozialversicherung mit diesen knappen Worten beenden. Wir haben in der Regierungserklärung gesagt, daß wir willens sind, so sozial wie möglich in diesem Bundestag zu wirken. Und wenn ich die Männer und Frauen hier vor mir sitzen sehe, sowohl in den Regierungsparteien als auch auf der Seite der Opposition, und an die vielen denke, die mit uns gemeinsam in den Organisationen stehen, die außerhalb des Parlaments die Rechte der Arbeitnehmer wahrnehmen, dann bin ich mir darüber klar, daß wir hier eine einmalige Gelegenheit haben, eine echte Sozialpolitik zu betreiben, eine Sozialpolitik, die nur deshalb möglich ist, weil durch eine vernünftige Wirtschaftspolitik die Wirtschaft auch wieder Erträge abwirft. Dieser Verpflichtung werden wir uns bewußt sein und in diesem Sinn unsere Arbeit leisten. Das deutsche Volk wird uns nüchtern und sachlich bei der Arbeit beobachten. Ich glaube aber, daß es keine Ursache hat, an unserem guten Willen zu zweifeln. Gott gebe, daß wir ihm bald bessere Verhältnisse herbeiführen können!

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)