Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vorgestern anläßlich der Regierungserklärung aus dem Mund des Herrn Bundeskanzlers eine Reihe von sehr wohl abgewogenen und sehr treffend formulierten Erklärungen gehört. Wir haben programmatische Darlegungen des Bundeskanzlers vernommen, wie er und seine Regierung sich für die nächste Zeit die Arbeit auf den verschiedenartigsten Gebieten vorstellt, auf dem Gebiet der allgemeinen Wirtschaft, der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, des Wohnungsbaues, der Fürsorge für die Kriegsversehrten, die Heimatvertriebenen und andere Schichten der Bevölkerung.
Meine Damen und Herren, wir von der WAV haben dazu folgendes zu bemerken. Uns kommt es nicht darauf an, ob in all diesen Sätzen wirklich alle Berufsstände mit Worten bedacht sind; uns kommt es nicht darauf an, ob vielleicht der eine Berufsstand in der Regierungserklärung drei Sätze mehr und der andere einen Satz weniger zugeteilt bekommen hat. Uns kommt es überhaupt nicht auf Worte an; denn die Regierungserklärungen - wieviele haben wir in den letzten Jahren schon gehört? — gleichen einander wie ein Ei dem andern, und sie müssen wohl auch einander weitestgehend gleichen. Worauf es heute angesichts der ungeheuren Not unserer Zeit ankommt, sind keine Erklärungen mehr, sondern sind nur noch Taten, und wir werden nach dem Bibelwort verfahren. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen! Wir werden diese Regierung nach ihren Früchten und nur danach beurteilen, aber nicht danach, ob jetzt vielleicht ein Satz etwas treffender und besser formuliert ist als der andere. Wir werden nicht skrupulös jedes Komma in der Rede des Kanzlers untersuchen. O nein! Wir werden sehen, was diese Regierung fertigbringt. Die Früchte brauchen — das geben wir der Regierung ohne weiteres zu — einige Zeit zum Reifen. Aber lange Zeit ist dafür nicht vorhanden. Wir rufen der Regierung nur eines zu: Eilt, eilt! — denn die Not unseres Volkes ist ungeheuerlich groß, und ich möchte beinahe sagen: es ist schade um jeden Tag, an dem die Regierung davon abgehalten wird, sofort an die Arbeit zu gehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ungeheuerlich groß ist die Not unseres Volkes überall, wo Sie hinsehen: draußen auf den Straßen, in den Baracken, wo die Flüchtlinge wohnen, bei den Kriegsversehrten, die oft nicht einmal soviel Geld haben, um sich eine Prothese für ihren Beinstumpf anschaffen zu können, bei den Kriegerwitwen und Kriegerwaisen, bei dem Mittelstand, der heute wiederum am Verarmen ist; denn gerade die kleinen Geschäftsleute sind es, denen es schlecht geht, während die großen Schieber glänzend dastehen. Was haben denn die kleinen Geschäftsleute in ihrer Kasse? Eine Reihe von geplatzten Wechseln. Und wie sieht es sonst im Wirtschaftsleben aus? Böse genug!
Wir können nicht den Optimismus teilen, daß es schon so glänzend aufwärts ginge. Ja, für Hunderttausende von Großschiebern in diesem Land geht es aufwärts; aber für die breite Masse der Bevölkerung geht es nicht aufwärts. Gerade darauf kommt es aber nach unserem Dafürhalten an, daß die breite Masse unserer Bevölkerung endlich einmal einen Lebensstandard bekommt, daß das Leben auch lebenswert genannt werden kann. Dieser Standard wäre möglich. Es ist Zeug genug da, auf allen möglichen Gebieten! Unser Volk ist auch fleißig und arbeitsam wie von jeher. Die Ursache dafür, daß es nicht so aufwärts geht, wie wir das wünschen und wie es wenigstens auf den Gebieten, in denen uns auswärtige Mächte nichts dreinreden, möglich ist, muß also irgendwoanders liegen.
Wir haben eine Wunschliste für den Herrn Bundeskanzler und seine Regierung. Wir wollen uns fetzt mit keinem Satz dabei aufhalten, die Rede des Herrn Bundeskanzlers zu zerpflücken. O nein! Wir möchten ihm nur namens unserer Wähler sagen, was wir von der Regierung erwarten. Es ist heute noch nicht die Zeit, darüber zu reden, wie es die Regierung im einzelnen machen wird. Wir werden es sehen. Ich sagte schon, daß wir diese Regierung nach ihren Taten und sonst nach gar nichts anderem beurteilen werden. Sine ira et studio werden wir die Arbeit der Regierung unter die Lupe nehmen, weder mit Voreingenommenheit noch mit der Gewährung von Vorschußlorbeeren. Aber eines möchten wir die Regierung bitten: geht raschestens an die Arbeit; denn die Not ist ungeheuerlich groß.
Das Problem der Heimatvertriebenen muß endlich einmal richtig in Angriff genommen werden; denn es ist eine Kulturschande für unser Land, wenn Millionen von Heimatvertriebenen in schäbigen Holzbaracken logieren müssen.
— Und in Bunkern — ganz richtig — und teilweise sogar im Freien! Ich kenne Heimatvertriebene, die noch nicht einmal eine Holzbaracke haben oder darauf verzichten, während des Sommers darin zu wohnen, weil die Holzbaracken bekanntlich so verlaust und in einem solchen Zustand sind, daß man einfach nicht darin wohnen kann. Mein Freund Götzendorf, selbst ein Heimatvertriebener, wird über das Problem der Heimatvertriebenen noch ausführlicher zu reden haben.
Aber eines freut mich in der Regierungserklärung: daß nämlich die Regierung so klare Worte hinsichtlich der Oder-Neiße-Linie gesprochen hat. Wir alle — ohne Rücksicht auf Partei — werden niemals die Oder-Neiße-Linie anerkennen.
Aber eins habe ich in der Regierungserklärung vermißt. Genau so wie uns Schlesien und Pommern, wie uns Ostpreußen und alle diese übrigen deutschen Gebiete am Herzen liegen, genau so liegt uns auch das Schicksal der Deutschen in den Gebieten in Böhmen und Mähren am Herzen.
Genau so wie Schlesien gehört auch Deutsch-Böhmen zu uns, zu Deutschland. Die Deutschen in Böhmen haben 1919 ausdrücklich erklärt, daß sie lediglich in den neuen tschechischen Staat hinein vergewaltigt worden sind, daß sie aber niemals de jure anerkennen, daß dieses deutsch-böhmische Gebiet Gebiet der Tschechoslowakei sei. Ich möchte hier keineswegs dem Herrn Bundeskanzler irgendwelche Absichten unterstellen. Es ist vielleicht nur im Laufe der Rede vergessen worden. Deswegen kam auch ein Zwischenruf von unserer Seite. Ich glaube, daß die Bundesregierung genau so wie wir alle der Auffassung ist: Deutsch-Böhmen ist genau so deutsches Gebiet wie Schlesien und Pommern und Ostpreußen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aber mit der Hoffnung auf Rückkehr der Flüchtlinge, mit der Hoffnung darauf, daß endlich einmal dieses furchtbare Unrecht, das in Jalta und später am deutschen Volk begangen worden ist, mit der Hoffnung allein, daß das wieder gutgemacht wird, können wir uns noch nicht begnügen. Wir müssen eine rascheste Eingliederung der Heimatvertriebenen in die einheimische Wirtschaft haben, und dann wird sich ja bald herausstellen, daß das, was die Heimatvertriebenen mitgebracht haben — aus Böhmen und Mähren und überallher sonst, ich nenne von diesen Flüchtlingsindustrien nur die Gablonzer Industrie und die Graslitzer Industrie
—, wahre Goldgruben für die Flüchtlinge genau so wie für die Einheimischen werden können. Und so bitten wir den Herrn Bundeskanzler und die Bundesregierung ganz besonders, ihr Augenmerk dem Schicksal der Flüchtlinge und ihrer Industrien zuwenden zu wollen!
Das zweite, ebenso wichtige Problem, von dem wir hoffen und erwarten, daß es die Bundesregierung mit aller Kraft angehen wird, ist das Problem der Arbeitslosigkeit. Wir warnen vor jeder theoretischen Betrachtung der Lage, vor einer Betrachtung, wie sie in den Sälen der Universität bei angehenden Studenten vielleicht am Platze sein mag, denen man die theoretischen Grundbegriffe des Wissens erst beibringen muß, die in der Praxis aber vollkommen fehl am Platze ist. Wir warnen vor einem Auspendelnlassen der Arbeitslosen, wir warnen davor mit aller Kraft, weil es sich hier nicht um totes Metall und tote Uhrenpendel handelt, sondern um lebende Menschen, und der Mensch muß Mittelpunkt des ganzen Staates sein. Nur das ist wahre Demokratie, alles andere ist Spiegelfechterei.
Wir warnen vor einem. Auspendelnlassen der Arbeitslosenziffer. Die Arbeitslosenziffer ist schon hoch genug, viel zu hoch schon. Wir müssen unter allen Umständen an ihre Beseitigung und ihren Abbau herangehen.
Da kann ich nicht ganz dem Optimismus der Regierungserklärung folgen, die meint, daß schon lediglich durch eine Belebung des Baumarktes die Arbeitslosen weitgehend zum Verschwinden gebracht werden könnten. So einfach ist das Ding doch nicht! Ganz besonders aber möchte ich warnen, vielleicht die einen Arbeitslosen in die Arbeit hineinzubringen und dafür andere Hunderttau-'sende, die jetzt noch gerade mit Mühe und Not im Lebenskampf durchkommen, zu Arbeitslosen werden zu lassen, und zwar dadurch, daß man einen der wichtigsten Ausgabenposten im Budget des kleinen Mannes in die Höhe steigen läßt: ich meine den Ausgabenposten an Mieten. Die Miete ist genau so wie der nackte Lebensunterhalt eine der wichtigsten Ziffern im Budget des kleinen Mannes, und wehe, wenn wir heute zu Mietpreiserhöhungen kommen würden! Ich glaube, sogar im Namen von Tausenden von Hausbesitzern zu sprechen, wenn ich Ihnen sage: das ist nicht einmal das Ziel der Vernünftigen unter den Hausbesitzern. Wir müssen selbstverständlich dazu kommen, daß wiederum Beträge für die Reparatur von Wohnungen bereitstehen. Wir kennen ganz genau die Lage auf diesem Gebiet. Aber niemals kann das durch eine Mietzinssteigerung erreicht werden. Das muß durch etwas ganz anderes erreicht werden: das muß dadurch erreicht werden, daß die irrsinnig hohen Steuerlasten, die auf dem Hausbesitz ruhen, endlich abgebaut werden; denn der Hausbesitzer ist ja heute nichts anderes mehr als der Kassenbote des Finanzamtes.
Wir können etwas ganz anderes tun: wir können Mittel für die dringlichst notwendigen Reparaturen der Häuser bereitstellen, ohne die Mieten zu erhöhen, denn jede Mieterhöhung würde sofort die Schraube ohne Ende in Bewegung setzen. Wir müssen endlich einmal die wahnsinnig überhöhten Mietzinssteuern herunterbringen, und soweit es Sache der Länder auf diesen Gebieten ist, wird der Bund irgendwie dann einen Ausgleich für die Länder zu schaffen haben, daß wir dann von selbst auch hier dringendst notwendige Maßnahmen treffen können; wie es ja überhaupt Sache der Bundesregierung sein wird, die Tätigkeit der Länder endlich einmal zu koordinieren und endlich einmal in eine gleiche, für das ganze Deutschland nützliche und heilsame Richtung zu bringen. Wir warnen also die Regierung vor Mietpreiserhöhungen aller Art!
Vor noch etwas warnen wir diese Regierung — auch darüber sind einige Sätze im Regierungsprogramm gesprochen worden, die aber, wenigstens nach unserem Dafürhalten, noch nicht klar und eindeutig ausgelegt werden können —: wir warnen die Regierung davor, ohne weiteres und unbesehen dem Beispiel anderer Staaten zu folgen, die in einer ganz anderen Lage als wir sind. Wir warnen die Regierung, hier einfach in das kalte Wasser nachzuspringen, selbst dann, wenn andere uns vorausgesprungen sind. Wir warnen vor einer Währungsdevalvation. Wir warnen vor einem neuerlichen Währungsschnitt, und wir können den Beruhigungserklärungen leider — ich sage: leider — nicht Glauben schenken, diesen Beruhigungserklärungen, die schon in der Bundeskanzler-Erklärung angedeutet sind: „Na, Kinder, so schlimm wird's ja wohl nicht werden! Es wird nur vielleicht eine Verteuerung um einige Prozent bei deal Import-Artikeln geben, wenn wir jetzt die D-Mark um 20 oder 30 Prozent herabwerten lassen, und das wird sich dann im allgemeinen Preisgefüge verlaufen. Es wird keineswegs dazu führen, daß das gesamte Lohn- und Preisniveau ins Rutschen kommt!" Wir glauben dieser Beruhigungserklärung nicht! Warum? Weil jeder, der schon mal zwei Semester lang Volkswirtschaftslehre gehört hat, weiß, daß jede Regierung nach jeder Währungsabwertung schon solche Erklärungen abgegeben hat. Und Währungsabwertungen haben wir in den letzten Jahrzehnten in ganz Europa bisher schon am laufenden Band gehabt. Und was ist denn dabei herausgekommen?
Schauen wir die berühmte Franc-Abwertung aus dem Jahre 1936 an, die als Schulbeispiel herangezogen wird! Schauen wir andere Abwertungen in anderen Ländern an! Was ist herausgekommen? Nach wenigen Monaten war es so, daß die Preise für die wichtigsten Warengattungen sich wieder dem ursprünglichen Niveau weitgehend angegliedert haben, also an den inhärierenden Goldwert. Nach wenigen Monaten war die Wirkung einer Abwertung verpufft. Die Leidtragenden und die Dummen bei der ganzen Sache waren die ehrlich Arbeitenden, waren die Arbeiter, die Angestellten und die kleinen Geschäftsleute.
Die Leidtragenden waren jene, deren Löhne und deren Einnahmen nur mühselig hinter der Steigerung der Preise nachhumpeln konnten.
Wir glauben nicht, daß hier eine Abwertung der D-Mark ohne allzu große Folgen für das Preisniveau sein und bleiben würde. Wir glauben etwas ganz anderes: daß nämlich unmittelbar nach der Währungsabwertung das gesamte Preis- und Lohngefüge ins Rutschen kommt und daß daraus die schädlichsten Spannungen und Streitigkeiten bei uns entstehen können. Der Erfolg wird am Schluß nur der sein, daß das mühsam für die D-Mark gesammelte Vertrauen wiederum restlos zerstört wird.
England hat durch die Abwertung wenigstens etwas bekommen: England hat durch die Abwertung seine Staatsschulden um 30 oder wieviel Prozent heruntergebracht. Wir selbst sind in einer ganz anderen Lage. Unsere Staatsschulden sind ja weitestgehend durch die Währungsreform aufgeflogen und
beseitigt worden. Für uns trifft dieser Vorteil einer Abwertung nicht zu. Wir haben nur Nachteile — ich betone: nur Nachteile! Ich glaube nicht an den Vorteil einer Abwertung der D-Mark. Ich glaube ganz besonders deshalb nicht daran, weil wir auf lange Jahre, vielleicht auf Jahrzehnte hinaus bedeutend mehr importieren müssen, als wir exportieren können.
Wir müssen uns nicht einseitig dem Sterlingblock anschließen und ihm nachfolgen. Wir werden auf lange Zeit hinaus vielmehr Anlehnung suchen müssen an die Währung, die jetzt fest geblieben ist, also an die Dollarwährung, nachdem Amerika auf lange Zeit hinaus zum größten Teil wohl die Importe bestreiten wird und muß, ohne daß noch Gegenwerte aus den deutschen Exporten in entsprechender Höhe zur Verfügung stehen. Bis es einmal so weit ist, dürften sich die Preise am Weltmarkt schon lange wieder so angeglichen haben, daß aus einer heutigen Abwertung kein Vorteil entstehen würde.
Ich weiß selbstverständlich: wir sind noch nicht ganz frei auf allen Gebieten. Es ist leider noch nicht so, daß die Bundesregierung die letzte und einzige Entscheidung auf diesen Gebieten in der Hand hat. Das ist, weiß Gott, kein Vorwurf gegen die Bundesregierung, sondern ein Vorwurf gegen ganz andere Leute. Aber ich kann mir nicht denken, daß dann, wenn die Bundesregierung gegenüber der ganzen Weltöffentlichkeit fest und klar ihren Standpunkt kundgibt und erklärt: wir wollen keine Abwertung der mühsam erworbenen D-Mark, die Alliierten darüber einfach zur Tagesordnung übergehen können.
Meine Damen und Herren, dieses Problem beunruhigt uns von der WAV ganz besonders, dieses Problem, aus dem sich hunderterlei andere Probleme entwickeln werden, gerade jetzt bei beginnender Wintersaison, wo in kurzer Zeit die Arbeitslosigkeit schon rein saisonmäßig ansteigen wird. Wir sehen mit größter Sorge der Zukunft entgegen. Eine Herabsetzung der Exportpreise für die deutschen Waren, die zweifelsohne nach der Sterling-Abwertung notwendig sein wird, um konkurrieren zu können, müssen wir auf andere Art und Weise erzielen als durch einen Währungsschnitt. Wir müssen und können diese Herabsetzung dadurch erreichen, daß wir endlich einmal die Wirtschaft weitgehend von den unerhört hohen und einfach nicht mehr tragbaren Steuerlasten befreien, die auf der Produktion und auf der gesamten Wirtschaft ruhen. Im Altertum hat man gesagt, man könne vom Volk nur den Zehnten verlangen und nicht mehr. Was wären wir froh, wenn heute nur der Zehnte aus allen Einkünften der Wirtschaft und der Steuerzahler verlangt würde!
Wir müssen eine Herabsetzung der Steuern bekommen. Dann können wir die Produktion auch im Export ohne weiteres verbilligen und auch dort, wo es nötig ist um auf dem Weltmarkt von der englischen Konkurrenz nicht allzu scharf in den Hintergrund gedrängt zu werden.
Wie gesagt: dieses Problem soll man nicht theoretisch angehen, noch dazu nicht angesichts der Tatsache, daß es ja nun einmal so ist, daß wir auf lange Zeit hinaus, mindestens noch für die nächsten Jahre und vielleicht Jahrzehnte darauf angewiesen sind, von Amerika her riesige Mengen an Lebensmitteln und sonstigen Gütern zusätzlich zu importieren, wobei die Bezahlung dieser Güter nicht ohne weiteres gleich wird erfolgen können.
Aus allen diesen Gründen werden wir durch einen schematischen Währungsabwertungsschnitt nur verlieren, nicht dagegen gewinnen können. Wir bitten — ich wiederhole es — gerade angesichts der Wichtigkeit der Dinge diese Regierung, unter gar keinen Umständen so bereitwillig mitzumachen und gleich dem englischen Beispiel zu folgen. Wir Deutschen müssen doch nicht gleich wie ein Pudel jedesmal sofort bereitwillig durch jeden Reifen hindurchspringen, den man uns entgegenhält.
Das zu diesem Problem.
Wir können allerdings — das sagte ich schon — die Währung nur dann auf dem Stande von heute halten, wenn wir die Produktion dadurch weitgehend verbilligen, daß wir mit den Steuern heruntergehen. Da habe ich nun große Befürchtungen; denn es ist meistens so: zuerst kommt der Minister, dann kommen fünf Ministerialdirektoren als Abteilungsleiter, dann kommen zwanzig Ministerialräte, und dann wird der Apparat immer größer und umfangreicher. Selbst wenn der Minister bremst, dann sorgen die Herren Ministerialdirektoren und Ministerialräte schon von selbst dafür, daß dieser Bremsdruck nicht allzu stark wirksam wird und immer weiter und weiter Personal eingestellt wird; denn man muß ja seine Notwendigkeit im Amt beweisen. Der beste Beweis aber für die Herren Bürokraten für ihre absolute Notwendigkeit war es noch stets, eine möglichst große Zahl von Aktennummern zu haben, damit man im Schlußbericht alle Vierteljahre oder alle Jahre sagen kann: „Schaut mal an, wie umfangreich der Aufgabenbereich unseres Ministeriums ist!" Da darf der Minister noch so wohlmeinend bremsen — und ich sehe schon ein Lächeln auf der Regierungsbank, ein Lächeln des Einverständnisses damit —,
da darf man noch so bremsen, meine Damen und
Herren, da sind manchmal die Ministerialräte und
Oberregierungsräte stärker als die Herren Minister.
Diesen Anfängen gilt es zu wehren, meine Damen und Herren, und wir bitten diese Regierung händeringend: Seid sparsam bei der Aufstellung des Personaletats!
Wir können es uns nicht mehr leisten! Wir haben sowieso schon eine Länderbürokratie in fast allen deutschen Ländern, die phantastisch groß ist. Wollen wir jetzt auch noch eine Bundesbürokratie schaffen, die ebenso groß oder vielleicht noch größer ist? Wer soll das alles bezahlen? Letzten Endes zahlt es immer nur unsere Wirtschaft und zahlen es unsere Steuerzahler. Wir möchten der Regierung vor allem das mit auf den Weg geben: Tut alles, um den Behördenapparat möglichst klein zu halten; denn die Wirksamkeit und die Güte eines Ministeriums vermindert sich in geometrischer Progression mit der Zunahme der Beamtenstellen im Ministerium.
Das steht für jeden fest, der schon einmal ein Ministerium, und sei es nur kurze Zeit, geleitet hat.
Jeder in diesem Hause ohne Rücksicht auf die Parteieinstellung wird mir hierin recht geben, und es wird die hohe Aufgabe gerade dieses Bundesparlaments sein, immer und immer wieder dafür zu sorgen, daß nicht hier von einer Beamtenbürokratie
aus ein übersetzter Beamtenapparat aufgebaut wird, der den Steuerzahlern einfach nicht mehr tragbar erscheint.
Ich möchte nun ein Wort wiederholen, das wir von der WAV schon vor drei Jahren geprägt haben. Es freut mich immer, wenn solche Formulierungen dann von großen Parteien aufgenommen und wiederholt werden. Wir möchten eines nicht erleben: daß nämlich irgendeine politische Partei, heiße sie, wie sie wolle, zu einem Stellenvermittlungsbüro für alle die Bewerber wird, die sich zu Hunderten, ja zu Tausenden schon melden, um in diese neue Bundesbeamtenschaft aufgenommen zu werden. Wenn das wahr ist, was in einigen Zeitungen stand: an einem einzigen Tage über 700 Stellengesuche und Bewerbungen von Beamten aller Art, die nach Bonn hergeflattert sind, dann beneide ich den Herrn Bundeskanzler und seine Regierung weiß Gott nicht um die Aufgabe, hier Spreu vom Weizen zu sondern und aus diesem Wust und aus diesem Berg von Stellengesuchen die wirklich Fähigen — das werden wahrscheinlich nur wenige sein — herauszupicken
und als Regierungsräte und Oberregierungsräte und so weiter auf die Posten zu stellen, auf denen sie wirklich produktive Arbeit leisten können.
Meine Damen und Herren, es gibt noch eine Reihe wichtigster Probleme, zu denen wir einiges Wenige sagen möchten: das Problem der Kriegsversehrten, der Kriegerwitwen, der Kriegshinterbliebenen. Wenn man einmal hineingeschaut hat in die Elendsquartiere dieser anständigen Menschen, dann möchte man es oft nicht für möglich halten, wie es da zugeht, wie Leute mit 20 oder 30 Mark im Monat leben müssen. Es ist bewundernswert,
was unser Volk alles erduldet. Aber das darf uns nicht dazu führen, daß wir hier denken: na, das ist bisher schon so gegangen, das kann noch weiter so gehen; diese armen Teufel werden sich schon nicht rühren. — Nein, wir müssen jetzt endlich einmal, und zwar von Bundes wegen, mit einer umfassenden Regelung der Versorgung dieser Ärmsten unseres Volkes herauskommen, die ihre Pflicht und sonst gar nichts getan haben, ihre Pflicht gegenüber ihren Mitbürgern, die ins Feld hinausgezogen sind nicht aus Begeisterung am Kriegführen. O nein, wir alle oder fast alle, die wir hier sitzen, wissen es, wie bedrückt am 25. August 1939 ganze Regimenter ausmarschiert sind, wie bedrückt, ohne Lachen auf den. Gesichtern, diese Menschen hinausgegangen sind. Man hat sie hinauskommandiert; es war nicht ihr freier Wille. Sie haben draußen ihre Pflicht getan gegenüber ihren Mitbürgern, gegenüber ihren Kameraden, die sie herausgeholt haben, wenn sie verwundet waren, und die sie noch aus den Stacheldrahtverhauen zurückgebracht haben. Diesen Menschen möchten wir von der WAV unseren ganz besonderen Dank zum Ausdruck bringen.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat mit Recht einer ganzen Reihe von Organisationen im In- und Ausland, dem Roten Kreuz und vielen anderen, namens des ganzen deutschen Volkes wärmstens gedankt für das, was diese Organisationen für unsere Mitbürger getan haben. Ich glaube, wir müßten zu diesem Dank auch noch eines zum Ausdruck bringen, nämlich den unendlichen Dank unseres ganzen Volkes all denen unserer Mitbürger gegenüber, diesen Millionen von Mitbürgern, die brav und anständig gewesen sind, ihre Pflicht getan haben und namenloses Elend
durchgemacht haben; den Dank an die, die draußen waren, ohne daß sie deswegen Militaristen gewesen sind; den Dank genau so an die, die herinnen gestanden sind, beim Löschen der Brände ihren Nachbarn geholfen und nicht viel danach gefragt haben, ob sie am nächsten Tag bei einer Kasse eine Bezahlung dafür in Empfang nehmen konnten; und schließlich seit 1945 den Dank an unser ganzes deutsches Volk, das sich in bewundernswerter Art und Weise benommen hat
mit Ausnahme einiger hunderttausend Großschieber, Währungsreformgewinnler und ähnlicher schmutziger Subjekte, die aus der Not unseres Volkes Golddukaten geschlagen haben.
Denen allen müßte man danken, und es hätte uns sehr gefreut, wenn die Regierungserklärung darüber Näheres enthalten hätte, und zwar ausführlich.
Bewundernswert war und ist die Haltung unseres Volkes. Ich frage Sie: welche anderen Völker hätten sich wohl so diszipliniert, so anständig und ruhig benommen, wenn sie pro Monat 150 Gramm Fleisch und 75 Gramm Fett bekommen hätten und sonst gar nichts außer ein bißchen schlechtes Brot und ein paar Kilo Kartoffeln? Das waren doch die Lebensbedingungen unseres Volkes. Unser heißester Dank muß daher diesen allen gelten, namentlich all den Millionen von Hausfrauen, die alles getan haben, um durchzuhalten. Deshalb freut es uns ganz besonders, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung auch der Frauen und der Frauenprobleme eigens gedacht hat.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat in seiner Erklärung sehr richtig gesagt: Wir können uns nicht auf ewige Zeiten darauf verlassen, daß uns aus dem Ausland all das gegeben wird, was wir nicht selbst erarbeiten und kaufen können. Wir müssen unsere Produktion erhöhen, und das Alpha und Omega der ganzen Regierungstätigkeit soll sein: wie kann die Produktion in diesem Lande erhöht werden? Allerdings, ich muß schon sagen: schematisch geht das nicht. Wir lehnen jeden Schematismus und jeden Doktrinarismus auf diesem Gebiete ab. Schlagwörter haben hier sehr wenig Bedeutung. Wir glauben, daß von Fall zu Fall in empirischer Art und Weise der Herr Wirtschaftsminister und die Regierung sich bei jedem einzelnen Tatbestand immer wieder darüber schlüssig werden müssen, was zu geschehen hat oder nicht. Hier kann nicht mit Allerweltsrezepten oder grauen Theorien etwas erreicht werden. Eines allerdings, meine Damen und Herren, muß beseitigt werden: es darf nicht so weitergehen, daß heute in weiten Gebieten Deutschlands das Bauholz zum großen Teil keinen Absatz mehr findet deswegen, weil nicht genügend Nachfrage da ist, weil nicht genügend gebaut wird. Ich kenne Ziegeleien in der Umgebung meiner Vaterstadt, die die Produktion sogar drosseln und herabsetzen, weil zu wenig Nachfrage nach Ziegelsteinen besteht.
— Sehen Sie, solche Dinge dürfen nicht mehr passieren.
Es darf auch nicht so weitergehen, daß wir heute allein in der Bizone über 250 000 arbeitslose Bauhandwerker haben, für die Arbeit in Hülle und Fülle auf Jahrzehnte hinaus vorhanden wäre. Hier fordern wir die Regierung auf, tatkräftig einzuschreiten, wobei wir allerdings davor warnen, das
Heil in einer uferlosen Kreditausweitung erblicken zu wollen. Wir würden etwas ganz anderes begrüßen, nämlich eine Herabsetzung der Staatsausgaben, namentlich der Ausgaben für Zehntausende von Beamtenposten, die in den letzten Jahren künstlich und ohne Notwendigkeit geschaffen oder mit unfähigen Leuten besetzt worden sind. Durch einen Abbau aller dieser Posten würden wir zu Ersparungen gelangen, die sich sehen lassen könnten und die groß genug wären, um riesige Beträge für den Wohnungsbau und andere dringende Sofortmaßnahmen abzweigen zu können.
Ein Redner hat sich hier über die Förderung der Landwirtschaft ausgelassen. Er sagte: wir müssen unter allen Umständen die landwirtschaftliche Produktion dadurch in die Höhe bringen, daß wir den Hackfruchtanbau intensivieren. Lassen Sie mich bitte eines dazu sagen. Es ist doch heute so, daß in einigen Gebieten Deutschlands der Hackfruchtanbau zur Zeit schon deswegen reduziert wird, weil nicht genügend landwirtschaftliche Arbeitskräfte da sind
oder vermittelt werden können. Sehen Sie, das sind einige dieser Fehldispositionen auf dem Gebiete des Wirtschaftslebens, wo wir die neue Bundesregierung dringendst bitten, hier endlich einzugreifen, weil es wirklich höchste Zeit ist. Wie kann man denn den Hackfruchtanbau und Zuckerrübenanbau, die bekanntlich enorm arbeitsintensive Anbauarten sind, intensivieren, wenn heute nicht einmal den Bauern genügend landwirtschaftliche Kräfte zur Verfügung stehen, um die bisherige Produktionsweise weiterhin durchführen zu können?
Hier muß der Staat, hier muß der Deutsche Bund entsprechend eingreifen, und zwar so rasch wie möglich.
Meine Damen und Herren, es gäbe noch so viel zu sagen zu den einzelnen Punkten des Regierungsprogramms. Wir wollen es uns ersparen, hier allzulange darüber zu reden. Denn jede Stunde, die der Regierung an Zeit durch Debatten weggenommen wird, geht ihr für produktive Arbeit verloren.
Wir werden in einigen Monaten sehen, wie es diese Regierung bewerkstelligen wird. Wir werden in einigen Monaten sehen, ob diese Regierung auf alten, ausgefahrenen Geleisen fortfahren wird oder ob sie neue, konstruktive Ideen haben wird, die endlich einmal unsere Wirtschaft aufwärtsbringen können. In einigen wenigen Monaten schon wird es sich die Regierung gefallen lassen müssen, daß wir uns hier darüber ausführlichst unterhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt aber — ich wiederhole es — werden wir von der WAV ohne Haß und ohne Vorschußlorbeeren-Gewährung diese Regierung beurteilen. Wir werden sie nach ihren Taten beurteilen, und ich wünsche der Regierung nur, sie möchte recht viele gute Taten setzen zum Wohle unseres armen deutschen Volkes und unseres armen deutschen Vaterlandes.