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    Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949 47 7. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949. Geschäftiche Mitteilungen 47B, 67C, D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung . . . 47B Ewers (DP) 47C Dr. Seelos (BP) 53D Reimann (KPD) 58C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 67A Unterbrechung der Sitzung . 67C Loritz (WAV) 67D Frau Wessel (Z) 72B Dr. Richter (DRP) 80A Clausen (SSW) 85C Dr. Edert (Parteilos) 86B Fortsetzung der Sitzung 87C Die Sitzung wird um 10 Uhr 11 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Max Reimann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident, ich stelle ausdrücklich fest, daß diese Bezeichnung ja nicht von mir stammt, sondern ich zitiere die Bezeichnung einer amerikanischen Zeitung.

    (Zurufe rechts: Das ist Tendenz! Das kann ja eine kommunistische Zeitung sein! — Zuruf links: So etwas kann man eben nur in Bayern glauben!)

    Es ist daher auch kein Zufall, daß diese Regierung gerade eine Sammlung von Repräsentanten der deutschen Schwerindustrie

    (Lachen rechts)

    und der Finanzherren darstellt.

    (Zuruf: Jakob Kaiser und Storch!)

    Denn beide, die deutschen sowie die amerikanischen, sind ja eng miteinander verflochten.

    (Zuruf in der Mitte: Besser als die deutschrussischen!)

    Der Herr Bundeskanzler hat hier den Eid auf das Grundgesetz abgelegt. Damit soll beim deutschen Volk der Eindruck erweckt werden, als ob das am 23. Mai verkündete Grundgesetz des Parlamentarischen Rates die wirkliche Verfassung für diesen westdeutschen Staat darstellt.

    (Zuruf in der Mitte: Selbstverständlich!)

    In Wirklichkeit liegen jedoch die Dinge anders.

    (Zuruf in der Mitte: Bei Ihnen!)

    Nicht zufällig wurde gerade am Tage nach der Regierungsbildung das Besatzungsstatut durch die drei Hohen Kommissare in Kraft gesetzt.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Die Hohen Kommissare brachten damit noch einmal besonders deutlich zum Ausdruck, welches die wirkliche Verfassung dieses westdeutschen Staates ist.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Dies wird sich in allen politischen Maßnahmen, die künftig getroffen werden, geradezu umgekehrt auswirken, als es der Herr Bundeskanzler uns in seiner Regierungserklärung darzustellen beliebte.

    (Zuruf in der Mitte: Dann wandern wir in die Ostzone aus!)

    Der Herr Bundeskanzler erklärte: Deutschland ist infolge Besatzungs- und Ruhrstatut, Marshall-plan usw. enger mit dem Ausland verflochten als je zuvor. — Ich mache jetzt darauf aufmerksam, Herr Präsident, daß ich den Herrn Bundeskanzler zitiere, damit Sie mich hier nicht wieder unterbrechen.

    (Heiterkeit.)

    „Verflechtung" nennt der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung jetzt das, was er früher als Diktat fremder Mächte und Kolonialstatut bezeichnet hat.

    (Zurufe von der KPD: Sehr gut! Seine Erklärung im Landtag von Nordrhein-Westfalen!)

    Dabei versucht der Herr Bundeskanzler, uns glaubhaft zu machen, daß die Hohen Kommissare vor allen wichtigen Entscheidungen mit der Bundesregierung vorher Fühlung nehmen werden. Genau umgekehrt wird es sein.

    (Zuruf in der Mitte: Genau wie in Rußland!)

    Ich möchte ausdrücklich noch einmal darauf aufmerksam machen, daß das Besatzungsstatut in den
    Händen der drei Hohen Kommissare die eigentliche politische Grundlage des westdeutschen Staates darstellt, einen Friedensvertrag verhindert und die Besatzungsdauer ungeklärt läßt.'

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Die Begleitmusik bei der Bildung dieser Regierung ist das Geklirre rollender Panzer im Ruhrgebiet und das Dröhnen der Demontagehämmer zur Vernichtung unserer Friedensindustrie, um die deutsche Konkurrenz auf dem Weltmarkt auszuschalten.

    (Lebhafter Widerspruch in der Mitte und rechts. — Vielfache Zurufe in der Mitte: Ostzone!)

    — Sie werden bei meinen Reden noch sehr viel schreien, und trotzdem werde ich Ihnen das sagen, was Sie hören müssen.

    (Beifall bei der KPD. — Zurufe rechts: Wo haben Sie Ihren Sohn? Was ist mit den Kriegsgefangenen und den Ostvertriebenen? — Anhaltender Lärm.)

    - Meine Herren der Rechten, ein neues 1932 wird es nicht mehr geben, verlassen Sie sich darauf!

    (Bravo! bei der KPD. — Zuruf in der Mitte: Weil Ihr nicht einmal mehr 5 Prozent zusammenbringt!)

    Ich kann mich erinnern, daß 1947 bei der Verkündung des Marshallplans von westdeutschen Politikern im Volk große Illusionen über den Wiederaufstieg und die Blüte der deutschen Wirtschaft verbreitet wurden, und am 20. Juni 1948 kündigte Professor Erhard neue Wunder an.

    (Zuruf in der Mitte: Sehen Sie in die Ostzone!)

    Alle Warnungen von einsichtigen Politikern im Wirtschaftsrat wurden in den Wind geschlagen. Man sah die Rettung in der separaten westdeutschen Währung und in dem Marshallplan. Heute muß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zugeben, daß die Gefahr einer Deflation oder Inflation in diesem westdeutschen Staat besteht.

    (Abg. Strauß: Beides zugleich?)

    Mir scheint, die wirtschaftspolitischen Auslassungen des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung sind noch weniger fundiert als jene des Herrn Professors Erhard am Tage der Währungsreform.

    (Abg. Strauß: Da hat ein Fachmann von euch gefehlt!)

    Letzterer baute seine Wirtschaftspolitik auf die Hortungslager und pries die Hortung als nationale Tat.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Aber worauf baut der Herr Bundeskanzler seine Konzeption auf? Etwa auf diesen Währungsrutsch? Die heutige Währungsabwertung ist doch der Ausdruck des verschärften Kampfes um die verengten kapitalistischen Absatzmärkte, um den höchsten Anteil an dem Export, den die internationale Hochfinanz führt. Dieser verschärfte Konkurrenzkampf und die in seinem Zeichen erfolgte Abwertung der D-Mark werden dazu führen, daß einerseits Westdeutschlands Export noch stärker gedrosselt, die Exportblockade verschärft wird. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Auffassung der britischen Exporteure, daß die deutschen Waren der schärfste Konkurrent der britischen Waren auf dem Weltmarkt sind.


    (Reimann)

    Andererseits wird aber der Zwangsimport amerikanischer Waren die Lebenshaltungskosten der westdeutschen Bevölkerung enorm verteuern.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Durch die Abwertung der D-Mark wird den amerikanischen Finanzleuten das Tor zu einem umfangreichen Kapitalexport nach Westdeutschland geöffnet. Den hat der Herr Bundeskanzler gefordert,

    (Abg. Strauß: Besser als der Menschenexport nach Rußland!)

    verschweigt aber zu sagen, daß durch diesen amerikanischen Kapitalexport die deutsche Wirtschaft aufgesaugt und ausverkauft wird.
    Von diesem Währungsrutsch sind alle Länder betroffen, die sich dem Marshallplan unterordnen und die nach dem alten kapitalistischen System der sogenannten freien Marktwirtschaft arbeiten. Dieser Währungsrutsch zeigt deutlich die Zerrüttung der kapitalistischen Wirtschaft im Gegensatz zu der Krisenfestigkeit und Stabilität der Wirtschaft der Sowjetunion,

    (Lachen rechts und in der Mitte)

    der volksdemokratischen Länder und auch der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands.

    (Heiterkeit rechts und in der Mitte. — Zuruf rechts: Dafür hatten wir gestern lebende Zeugen hier!)

    In diesen Gebieten konnte sich die Wirtschaft festigen,

    (Abg. Strauß: Fragen Sie Ihren Sohn!)

    weil die Werktätigen und mit ihnen die demokratischen Kräfte des Bürgertums den Weg der demokratischen Neuordnung aus eigener Kraft beschritten haben.

    (Abg. Dr. von Brentano: Wie Ihr Sohn!)

    Auf Grund der Abwertung der D-Mark muß man sich unwillkürlich der These Professor Erhards „Ehrliches Geld für ehrliche Arbeit" erinnern. Der Arbeiter, Beamte und Angestellte, der kleine Bauer und viele andere haben immer ehrlich gearbeitet. Der Arbeiter war der erste, der im Jahre 1945 die Trümmer und den Schutt wegräumte, den Verkehr in Ordnung und die Betriebe wieder in Gang brachte. Aber ehrliches Geld hat er nie dafür erhalten.

    (Zuruf rechts: In der Ostzone auch nicht!)

    Die erarbeiteten Werte wurden vor der Währungsreform und auch nach der Währungsreform zur Bereicherung derjenigen benutzt, deren Politik uns diese Trümmer und diese Katastrophe brachten. Bereits bei der Währungsreform hat Herr Professor Erhard eine Forderung erhoben, die der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung wiederholte, nämlich die Forderung nach Kapitalbildung; Kapitalbildung zur Erhöhung des Profits, nicht aber zur Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung. Das ist der Sinn der Wirtschaftspolitik der Regierung. Deshalb wurde auch in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers mit keinem Wort die aufopferungsvolle Arbeit der Arbeiter und Angestellten der letzten vier Jahre erwähnt.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Der Herr Bundeskanzler bringt der Bevölkerung Westdeutschlands einen leeren Trost: „Es besteht kein Grund zur Beunruhigung", so sagt er, „da die zu erwartenden Veränderungen auf dem Gebiete von Löhnen und Preisen im ganzen nur zu relativ geringfügigen Verschiebungen führen werden." So sagt der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung. Die Zusammensetzung der Regierung läßt keinen Zweifel offen, daß die Folgen der Abwertung der D-Mark auf die Schultern der werktätigen Bevölkerung abgewälzt werden, genau so wie bei der Währungsreform. Zum zweiten Mal in zwei Jahren werden auf dem Rücken der Arbeiter, Angestellten, Kleinsparer, Handwerker, Invaliden, Altersrentner und des Mittelstandes Währungsmanipulationen durchgeführt, von denen nur die besitzende Klasse profitiert.
    Meine Damen und Herren! 15 Monate seit der Währungsreform haben uns deutlich gemacht, was unter sozialer Marktwirtschaft, die der Herr Bundeskanzler wieder verkündet hat, zu verstehen ist. Soziale Marktwirtschaft heißt Ein- und Unterordnung der westdeutschen Wirtschaft unter den Marshallplan mit all den Folgen der Marshallplanpolitik. Ich spreche absichtlich von Folgen der Marshallplanpolitik, weil ich den Eindruck habe, daß auch die eifrigsten Verfechter des Marshallplans ihre Felle wegschwimmen sehen. Ich habe zum Beispiel nichts davon gehört, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zu den Äußerungen des Marshallplan-Administrators Hofmann oder zu den Verlautbarungen des Pariser ERP-Büros Stellung nahm, die wörtlich lauteten, „daß der Kontinent trotz der amerikanischen Unterstützung bis 1952 wirtschaftlich nicht auf eigene Füße gestellt werden kann". Auf diese Erklärung, auf diesen Währungsrutsch baut nun der Herr Bundeskanzler seine Politik der freien Marktwirtschaft auf und spricht von einer Aufwärtsentwicklung. .1947 sagte Marshall bei der Verkündung des Marshallplans, dieser Plan sei gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos gerichtet. Und das Resultat nach zwei Jahren? Wir haben das Chaos der Währung, die begonnene Abwertung, der noch weitere folgen werden.
    Meine Damen und Herren, nehmen Sie den letzten UN-Bericht über die Wirtschaftslage 1948/49. Darin wird gesagt, daß zum ersten Mal seit Beendigung des Krieges die Produktion ins Stocken geraten ist und die Zahl der Arbeitslosen stetig wächst. Allein im Westen Deutschlands sind es mehr als 1,2 Millionen Arbeitslose und ebensoviel Kurzarbeiter. Diese Entwicklung kommentierte der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung mit den Worten: „Unsere Wirtschaft ist im Aufstieg." Ein recht eigenartiger Aufstieg!
    Die amerikanische Gruppe der internationalen Handelskammern wirft den Anhängern des Marshallplans auf Grund dieser Schwierigkeiten in den einzelnen Ländern Unfähigkeit zum kühnen Handeln vor und fordert zu drakonischen Maßnahmen auf. In diesem Zusammenhang wurde mir auch klar, was der Sinn und Zweck der Ernennung eines Ministers für den Marshallplan ist. Die Durchführung dieser drakonischen Maßnahmen, nämlich die Senkung des Lebensstandards des werktätigen Volkes, . soll in dieser Regierung die Aufgabe des Vizekanzlers und ERP-Ministers Blücher sein. Jeder, der diesen ERP-Minister Blücher im Wirtschaftsrat erlebt hat, weiß, daß er diese Aufgabe im Interesse des deutschen und auch amerikanischen Finanzkapitals gut durchführen wird.

    (Pfuirufe rechts.)

    Aber er hat auch noch eine andere Aufgabe, nämlich die der Kontrolle über die Herren sozialdemo-


    (Reimann)

    kratischen Wirtschaftsminister in den einzelnen Ländern. Dies läßt die Vermutung zu, daß die westdeutschen Finanzherren auch von dieser Seite die Kontrolle über die Wirtschaft übernehmen.
    Im Zeichen der Krise des Marshallplans werden die sozialen Spannungen in Westdeutschland wachsen. Diese Regierung wird kein soziales Problem lösen. Sie scheint sich dessen selbst bewußt zu sein; denn nur so ist die Drohung des Herrn Bundeskanzlers gegen „linksradikale Elemente" zu verstehen. Das heißt: diese Regierung Dr. Adenauers ist bereit, gegen Hunger und weitere Verelendung den Machtapparat des Staates einzusetzen.

    (Zuruf rechts: Das ist ja gar nicht wahr!) Das ist ein altes Rezept aller reaktionären Regierungen.


    (Zuruf rechts: Gerade in der Ostzone! — Weitere Zurufe.)

    Der Herr Bundeskanzler sagte: „Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern müssen zeitgemäß geordnet werden." Was versteht diese Regierung eigentlich unter dem Begriff „zeitgemäße Ordnung"? In Nordrhein-Westfalen wurde vom Landtag die Sozialisierung des Bergbaus beschlossen. In Hessen ist die Sozialisierung bestimmter Industriezweige ih der Verfassung verankert. Durch einen Federstrich der Gouverneure wurden diese demokratischen Beschlüsse außer Kraft gesetzt. Das ist wohl für den Herrn Bundeskanzler „zeitgemäße Ordnung". Das demokratische, verfassungsmäßig garantierte Mitbestimmungsrecht in Hessen, Bremen, Württemberg-Baden wurde auf demselben Wege suspendiert. Da dies auch eine Forderung der Regierungsparteien ist, findet auch das der Herr Bundeskanzler als „zeitgemäß geordnet".

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Unter zeitgemäßer Ordnung der Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber versteht der Herr Bundeskanzler die Sicherung der Macht der wirtschaftlich Starken. Wohl und voll überlegt will er den wirtschaftlich Schwachen den Schutz des Staates restlos versagen.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Das zeigt uns den Charakter dieser Regierung. Selbst in der Weimarer Zeit erkannte man mindestens formal die Pflicht des Staates, die wirtschaftlich Schwachen zu schützen, an.
    Es war also kein Zufall, wenn Herr Dr. Adenauer in seiner Regierungserklärung kein Wort von den Forderungen der Gewerkschaften nach dem Mitbestimmungsrecht in den Betrieben und in der Wirtschaft gebracht hat, wenn er selbst die Forderungen des Bochumer Katholikentages und vieler Tausender katholischer Arbeiter ignoriert hat. Vielleicht ist das das Werk des Herrn Vizekanzlers.
    Der Herr Bundeskanzler hat die Versicherung gegeben, daß seine Regierung bei ihrer Arbeit „sozial" — das ist wörtlich — „im wahrsten und besten Sinne des Wortes, wie irgend möglich, handeln werde." Meine Damen und Herren! Solche Verheißungen hat doch unser Volk schon öfter auch von anderen deutschen Regierungen gehört.
    Nun, prüfen wir, was der Herr Bundeskanzler den einzelnen Gruppen der sozial Interessierten versprochen hat. Im Versprechen ist diese Regierung groß, besonders groß Herr Dr. Adenauer. Den Obdachlosen hat man Wohnungen versprochen.
    Wie sollen sie beschafft werden? Der Herr Bundeskanzler sagt: der Bund will Geld zur Verfügung stellen, die Länder sollen alle Möglichkeiten erschöpfen. Aber woher? Diese Frage hat der Herr Bundeskanzler nicht beantwortet. Sollen diese Gelder etwa aus den bankrotten Staatshaushalten der einzelnen Länder genommen werden? Die Mieten, so sagt er, sollen so festgesetzt werden, das heißt so erhöht werden, daß das Privatkapital, die Finanzspekulanten am Wohnungsbau stärker interessiert werden. Sie glauben doch wohl selber nicht, Herr Bundeskanzler, daß unter den heutigen Bedingungen der Teuerung, der steigenden Zahl der Konkurse und Betriebsstillegungen der Handwerker, der Kleingewerbetreibenden und der kleinen Hausbesitzer irgendwelche Mittel für den Wohnungsbau durch diese Personen selber gedeckt werden können. Klar und eindeutig hat der Herr Bundeskanzler ausgesprochen, daß es für ihn nur eine Lösung des Problems gebe, nämlich durch Sicherung profitabler Geschäfte. Das ist praktisch das Ende des sozialen Wohnungsbaus,

    (Sehr gut! bei der KPD)

    den die CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm der Bevölkerung versprochen hat. Mieterhöhungen bedeuten heute bei den unzureichenden Löhnen und bei den Hungerrenten der Sozialberechtigten, daß diese gezwungen sind, noch enger zusammenzurücken. Die kleinen Leute, die sich in schwerer Arbeit ein Siedlungshäuschen geschaffen haben, werden, um ihren Besitz zu behalten, gezwungen sein, in Keller- oder in Dachräume überzusiedeln und die übrigen Räume abzuvermieten. Wohnungsbau durch Kapitalbildung auf Grund von Mietserhöhungen wird bei dieser wirtschaftlichen Lage nicht durchführbar sein. Die kommunistische Fraktion hat Ihnen zum Bau von Wohnungen einige Anträge vorgelegt, in denen es heißt, daß die Bundesregierung beauftragt werden soll, den Besatzungsmächten mitzuteilen, daß die Bundesregierung nicht mehr in der Lage ist, die hohen Besatzungskosten zu zahlen, und daß sie daher vorschlägt, dieselben um 50 % zu kürzen. Daraus soll der Wohnungsneubau zum Teil bestritten werden.

    (Bravorufe bei der KPD.)

    Im Wahlkampf hat die CDU den sozialen Lastenausgleich versprochen, dasselbe hat die FDP auch getan. Jetzt aber sagt der Herr Bundeskanzler, doch sicher im Auftrage der Regierungsparteien: Nur eine blühende Wirtschaft kann die Belastung aus dem Lastenausgleich für die Dauer tragen. Blüht aber die Wirtschaft in diesem westdeutschen Staat? Ist überhaupt damit zu rechnen, daß sie in absehbarer Zeit zu neuer Blüte kommen wird? Nur Träumer können bei der Wirtschaftspolitik in diesem westdeutschen Staat auf eine Blüte der Wirtschaft hoffen.

    (Zuruf von der KPD: Ja, Sumpfblüte!)

    Trotzdem hat Herr Dr. Adenauer, der genau wie wir weiß, daß unter den Bedingungen des Ruhrstatuts und des Marshallplans die deutsche Wirtschaft nicht wieder gesunden kann, erklärt, daß mit einer baldigen Verabschiedung des endgültigen Lastenausgleichs zu rechnen ist. Dasselbe hat man schon 1948 versprochen. Lastenausgleich bei dem gegenwärtigen politischen Kräfteverhältnis in diesem westdeutschen Staat, Lastenausgleich unter einer Regierung, deren Prinzip es ist, das Eigentum der Schwerindustrie zu schützen, bedeutet einen Lastenausgleich, der die Kriegsschuldigen schont


    (Reimann)

    und die Opfer dieses Hitler-Krieges leer ausgehen läßt.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, daß er die Politik des Frankfurter Wirtschaftsrats fortsetzen und dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft gegenüber einer Planung zum Siege verhelfen wird. Dabei werfen Sie, meine Herren, in Ihrer Propaganda mit Absicht Planung und hitlerische Zwangswirtschaft in einen Topf.

    (Zustimmung bei der KPD.)

    Die fünfzehnjährige Zwangswirtschaft hat nicht das geringste mit der von uns geforderten Wirtschaftsplanung zu tun. Natürlich können wir — darüber sind wir uns klar — von dieser Regierung Adenauer-Blücher niemals eine Planung der Wirtschaft erwarten. Planung der Wirtschaft heißt nicht: Rationierung und Strangulierung der Verteilung; diese Zwangsmaßnahmen wurden von denselben Herren eingeführt, die heute die soziale Marktwirtschaft vertreten.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Planung heißt vielmehr Organisierung und Lenkung der Produktion nach den Bedürfnissen des Volkes und freie Verteilung. Gegen diese Planung der Produktion sind eben die Herren Vertreter der sozialen Marktwirtschaft, weil eine Planung der Produktion auch die Entmachtung der Konzernherren voraussetzt.

    (Erneute Zustimmung bei der KPD.)

    Aber auch in seiner Regierungserklärung wagt heute Dr. Adenauer nicht, die Konzernherren offen zu schützen, wie das auch Herr Professor Erhard nicht wagte. Deshalb werden Sie auch niemals aus dem Munde Dr. Adenauers oder Professor Erhards hören, daß sie in ihrer Polemik gegen die Wirtschaftsplanung auch nur versuchen, gegen eine Planung der Produktion zu polemisieren.

    (Zuruf in der Mitte: Genau so wenig wie Sie in Rußland!)

    Sie polemisieren mit Berechnung gegen eine Planung der Verteilung, die niemand von uns will, und erinnern dabei an die Hitlersche Zwangswirtschaft, um den Gedanken der Planung der Produktion für den kleinen Mann in ein Schreckensgespenst zu verwandeln.

    (Zuruf rechts: Da haben wir Sie aber ganz falsch eingeschätzt!)

    — Wir kennen uns!
    Meine Damen und Herren! Auf Grund des Wahlergebnisses, nach der Veröffentlichung der Steuerreformpläne des Herrn Pferdmenges, die der Herr Bundeskanzler zu seinen eigenen gemacht hat, und nach der Bildung dieser Regierung wurde mir aus Gewerkschaftskreisen eine Reihe von Äußerungen bekannt. Diese Äußerungen decken sich mit den Diskussionen, die von Arbeitern, Angestellten und Bürgern, welche der SPD und auch der CDU angehören, geführt werden. In diesen Diskussionen wird deutlich zum Ausdruck gebracht, daß heute in Wirtschaft und Verwaltung dieselben Kräfte herrschen, die das Unglück für unser Volk herbeigeführt haben, und es werden auch Parallelen zwischen der Brüning- und Papen-Regierung und der heutigen Regierung Dr. Adenauers gezogen. Noch schneller als nach 1918 wird derselbe Weg wie in der Weimarer Republik noch einmal beschritten, sagen die Arbeiter und sehr viele Bürger. Anläßlich der Bildung dieser Regierung wurde aus allen Kreisen von Menschen, die die Lehren aus der Vergangenheit gezogen haben, an solche Ereignisse wie an den 20. Juli 1932 und auch an den 30. Januar 1933 erinnert.

    (Zuruf rechts: Wo ihr so glänzend marschiert seid!)

    Ich glaube, daß derartige Fragestellungen — das beweist uns das Programm dieser Regierung, in welchem von den Forderungen der Mehrheit der Bevölkerung, nämlich der Arbeiter, nichts zu finden ist — ihre Berechtigung haben. Von einem sozialdemokratischen Funktionär aus Schleswig-Holstein
    — um nur einige Beispiele zu nennen, wie weit wir sind — erhielt ich einen Brief, in dem dieser darauf hinweist, daß in diesem Lande dieselben Kräfte, die hier in Bonn die Regierung gebildet haben, sich darauf vorbereiten, die dortige sozialdemokratische Regierung durch eine Rechtsregierung zu ersetzen.

    (Oho-Rufe rechts.)

    — Sie haben ja eine Zeitlang unter dem Genuß eines solchen Verteters hier gestanden. Aus Hamburg wurde ich von vielen sozialdemokratischen Arbeitern auf die Tatsache hingewiesen, daß der Rechtsblock dort einen kompakten Angriff gegen jede Position des Fortschritts im Wahlkampf zu den Bürgerschaftswahlen organisiert, um die in Hamburg traditionelle SPD-KPD-Mehrheit zu brechen und die Sozialdemokratie — so sagen sie — aus der Regierung zu entfernen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    — Ja, ich weiß: „Sehr richtig!" von rechts.
    Wenn man an mich jetzt die Frage richtet: Sie lehnen doch den westdeutschen Staat ab; ist es Ihnen dann nicht gleichgültig, wer in den Positionen dieses Staates sitzt? — so muß ich darauf antworten: wir lehnen diesen westdeutschen Staat ab und kämpfen konsequent für die Einheit Deutschlands.

    (Lebhafte Zurufe in der Mitte und rechts: Für Rußland!)

    Aber nachdem dieser westdeutsche Staat gegen unseren Willen gebildet worden ist, kann es uns nicht gleichgültig sein, in wessen Händen die Positionen dieses Staates liegen und welche Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik in diesem Staate getrieben wird.

    (Zustimmung bei der KPD. — Zurufe in der Mitte.)

    Ich will noch mehr sagen: die Kommunistische Partei hat aus der Vergangenheit ernste Lehren gezogen

    (Lachen in der Mitte und rechts)

    — dies werden Sie noch merken, meine Herren von rechts! — und insbesondere aus der Zeit vor 1933.

    (Zuruf von der KPD: Die Lautsprecher sind abgeschaltet!)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich höre eben, daß die Lautsprecher abgeschaltet sind.

(Zuruf rechts: Sie sollen neu eingeschaltet und nur noch etwas verstärkt werden!)

Ich bin dankbar, daß ich darauf aufmerksam gemacht worden bin.

(Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)

— Herr Abgeordneter, wollen Sie jetzt so lange warten, bis die Lautsprecher eingeschaltet sind?

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    Rede von Max Reimann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Ich kann mich auch so verständlich und deutlich machen.


    (Reimann)

    Ich wünsche nur, andere Parteien, insbesondere auch die SPD, würden genau so ernste Lehren aus der Vergangenheit ziehen.

    (Zurufe.)

    Die große Lehre ist: alle die, die eine Wiederholung analoger Ereignisse wie die des 20. Juli 1932 verhindern wollen, alle die, die dem Ansturm des Rechtsblocks gegen die Forderungen der Gewerkschaften, Arbeiter, Angestellten und Beamten sowie des Mittelstandes Einhalt gebieten wollen, die verhindern wollen, daß Arbeiter, Gewerkschaftler, Sozialdemokraten und andere fortschrittliche Kräfte aus den Positionen verdrängt und von den Vertretern des Besitzbürgerblocks abgelöst werden sollen, müssen sich in einer gemeinsamen Kampffront gegen diese Reaktion finden.

    (Beifall bei der KPD.)

    Im gemeinsamen Handeln aller fortschrittlichen Kräfte unseres Volkes liegt ihre Stärke. Aus der Zersplitterung und Spaltung hat immer nur die Reaktion Nutzen gezogen und kann nur die Reaktion Nutzen ziehen.

    (Zuruf in der Mitte: Darum „fortschrittliche" KZs!)

    Ich spreche deshalb folgendes offen aus: wir sind in den Betrieben, in den Parlamenten und auch sonst wo immer zu gemeinsamen Absprachen mit den Sozialdemokraten bereit,

    (Lachen in der Mitte)

    um den Ansturm der Reaktion auf die Positionen und Rechte der werktätigen Bevölkerung abzuwehren.

    (Lachen und Zurufe in der Mitte.)

    — Ja, das tut Ihnen weh! Ich weiß aber, daß wir damit auf dem richtigen Wege sind, um Sie zu erledigen.

    (Beifall bei der KPD. — Zuruf: Was heißt „erledigen"? Liquidieren?)

    — Politisch! Politisch!

    (Zuruf in der Mitte: Im Wolfspelz oder im Schafspelz?)

    Ich glaube nicht, Herr Dr. Schumacher, daß Sie sich der Illusion hingaben, daß wir mit unserer Stimmabgabe für Sie die nach unserer Meinung schädliche Anti-Ostpolitik akzeptieren. Ich komme im Laufe meiner Ausführungen noch darauf zurück.

    (Zurufe in der Mitte.)

    Ich möchte deutlich und vernehmlich erklären: unsere Stimmabgabe für den Kandidaten Dr. Schumacher bei der Bundespäsidentenwahl war ein symbolischer Ausdruck unserer Gemeinschaft, gemeinsam mit der SPD überall, insbesondere aber in den Betrieben, den Kampf gegen die Wiederholung einer Brüning- und Papen-Politik zu führen,

    (Zurufe rechts)

    gegen die Angriffe der autoritären Besitzverteidigungsregierung, wie Herr Dr. Schumacher diese Regierung genannt hat, auf die Löhne und alle Rechte der Arbeiter und der werktätigen Bevölkerung.

    (Zuruf: Das scheint aber eine unglückliche Liebe zu sein!)

    Herr Dr. Schumacher, Sie haben ziemlich starke Worte gegen die jetzige Regierung gebraucht. Sie sprachen davon, daß der Rechtsruck bedeutsamer ist, als er in den Mandatszahlen seinen Ausdruck findet.

    (Zuruf: Das hängt von euch ab!)

    SiE erinnerten an die zweite Periode der Weimarer Situation. Mir scheint aber, daß Ihre Konzeption einen Widerspruch in sich birgt. In der achtzigjährigen Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung wurde immer und immer wieder die Feststellung getroffen, daß das Kapital international ist. Sollte diese Feststellung heute vergessen sein? Mir scheint, sie gilt heute für Westdeutschland mehr denn je; denn ohne den Einfluß des amerikanischen Finanzkapitals wäre doch wohl eine Restaurierung der alten Kräfte, wie sie nach 1945 wieder erfolgte, unmöglich.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Oder meinen Sie etwa, die Aussetzung der Sozialisierung und die Aufhebung der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte durch Vertreter des amerikanischen Finanzkapitals sei im Interesse der Demokratie und des Fortschritts erfolgt? Diese Maßnahmen erfolgten im Interesse des in- und ausländischen Großkapitals. Man kann also nicht konsequent gegen die Angriffe des deutschen Großkapitals kämpfen, wenn man nach der anderen Seite hin dem amerikanischen Kapital Konzessionen macht. Ich freue mich, feststellen zu können, daß führende Gewerkschaftler und Sozialdemokraten erkennen, daß dieser Widerspruch untragbar ist, und daß sie sogar in der Öffentlichkeit konsequent den Weg des Kampfes gegen den Marshall-plan und das Ruhrstatut beschreiten.
    In ihrem Kampf gegen die Angriffe des Besitzbürgerblocks und der Reaktion haben die Arbeiterschaft und alle fortschrittlichen Kräfte Deutschlands heute eine starke Position, die geschaffen wurde durch die Industriereform, Bodenreform und Schulreform in der sowjetischen Besatzungszone.

    (Unruhe. — Zuruf: „Zwangsarbeit!")

    Selbstverständlich ist die Veränderung der ökonomischen Basis und des sozialen Überbaues in der sowjetischen Besatzungszone keine einfache Sache. Es gibt beim Aufbau einer neuen Wirtschaft und Verwaltung aus eigener Kraft ohne Hilfe von außen Schwierigkeiten des Wachstums. Selbstverständlich brachte auch die Spaltung Deutschlands, die Tatsache, daß die sowjetische Besatzungszone keine eigene Schwerindustrie hat

    (Abg. Strauß: nicht mehr hat!)

    und, wenn die Spaltung Deutschlands anhält, sich eine eigene Schwerindustrie aufbauen muß, zunächst Schwierigkeiten. Aber eins steht fest: daß diese Schwierigkeiten in wachsendem Maße vom Volke selbst überwunden werden. Man wird die Schwierigkeiten überwinden. Hier geht man aber in die Krise. Und wenn hier die Frage des Magneten gestellt wurde, so kann ich Ihnen heute in vollem Optimismus antworten: der Magnet wird nicht der westdeutsche Staat mit seiner Regierung Adenauer-Blücher sein, sondern der Magnet für das Volk wird die neue demokratische Ordnung der sowjetischen Besatzungszone sein!

    (Lebhafter Beifall der Kommunisten. Widerspruch in der Mitte. Anhaltende Unruhe. — Zuruf: Er ist ein guter Humorist! — Glocke des Präsidenten.)

    Gestatten Sie mir, daß ich einige Bemerkungen zur verflossenen Konferenz der Außenminister in Paris mache. Es wurde hier sehr viel von der Einheit Deutschlands gesprochen, die man nicht aufgebe. Der Herr Bundeskanzler hat sogar einen Minister für gesamtdeutsche Fragen ernannt. Welchen Wert die Beteuerungen über die Einheit Deutschlands von Ihrer Seite haben, zeigt uns doch die Tat-


    (Reimann)

    sache, daß, obwohl die Pariser Außenministerkonferenz die Wiederaufnahme von Wirtschaftsbeziehungen auf dem Wege der Verständigung der bestehenden Wirtschaftsorgane empfohlen hat, die Durchführung dieser Empfehlungen bisher von der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung abgelehnt worden ist. Mir scheint aber, daß Tausende und aber Tausende von Unternehmern und Geschäftsleuten, denen Betriebsstillegungen drohen oder die vor dem Konkurs stehen, die Aufnahme der Wirtschaftsbeziehungen mit der Ostzone fordern. Der Handel mit der Ostzone ist auch die Brücke zu der Wiederaufnahme des Handels mit dem Osten und Südosten Europas.

    (Zuruf: Das haben wir schon gemerkt!)

    Oder wohin wollen Sie nach der Abwertung des Pfundes um 30 Prozent und der vorgesehenen Abwertung der D-Mark um 20 Prozent noch exportieren? Mir ist bekannt, daß Tausende englischer Handelsfirmen ihre Geschäftsangebote nach Polen und in die Tschechoslowakei schicken und auch ihre Handelsagenten nach dort abkommandieren. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es in Westdeutschland solche unklugen Geschäftsleute gibt, die der Konkurrenz den Vortritt lassen wollen.

    (Sehr gut!)

    Ich bin sogar der Meinung, daß diese Geschäftsleute auch die Politiker, die aus engstirnigen Gesichtspunkten heraus den Handel mit der Ostzone und mit Osteuropa ablehnen, zwingen werden, das zu tun, was im Interesse der deutschen Wirtschaft liegt.

    (Abg. Strauß: Sie werden zur KPD gehen!)

    Ich muß mich in diesem Zusammenhang an eine zynische Bemerkung einer ausländischen Zeitung erinnern. Die „New York Herald Tribune" schreibt:
    Es ist wahr, daß das Schlagwort „Exportiere oder stirb" für Großbritannien und Deutschland gilt. Aber wenn in dem kommenden Kampf um die Weltmärkte schon jemand sterben muß, so sollen es die Deutschen sein.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Wir wollen nicht, daß diese Fragestellung Wirklichkeit wird. Wir Deutschen wollen nicht sterben, wir wollen leben. Deshalb treten wir für eine Verständigung zwischen Ost und West ein, für die Bildung eines gemeinsamen Wirtschaftsausschusses zwischen den bestehenden Organen und für eine gesamtdeutsche Wirtschaftspolitik. Die Bildung eines Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen liegt nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft und nicht im Interesse einer deutschen Verständigung. Dieses Ministerium ist ein widernatürliches Ministerium, ein Ministerium der Fortsetzung des kalten Krieges. Das wird auch durch die Tatsache bewiesen, daß zwar der Herr Bundeskanzler die Bildung dieses Ministeriums bekanntgab, aber ein so politisches Ereignis wie die Pariser Zusammenkunft der Außenminister und ihre Empfehlungen in seiner Regierungserklärung völlig außer acht ließ.

    (Zuruf: Er hat Angst vor dem Frieden!)

    Der Herr Bundeskanzler sprach in seiner Regierungserklärung davon, daß er in einem geordneten Rechtsgang Ansprüche auf die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie verfolge.

    (Abg. Strauß: Wie stehen Sie dazu?)

    Was versteht der Herr Bundeskanzler unter „geordnetem Rechtsgang", nachdem er das Potsdamer
    Abkommen, die einzig existierende, von den vier
    Besatzungsmächten feierlichst verkündete Rechtsgrundlage ablehnt?

    (Zurufe: Was heißt Rechtsgrundlage? Wie stehen Sie zu Potsdam?)

    Sie haben, Herr Bundeskanzler, mit einem Male

    (Abg. Strauß: Wie stehen Sie zu Potsdam?)

    das Potsdamer Abkommen zitiert und angeführt, daß die endgültige Grenzregelung auf einer Friedenskonferenz vorgenommen werden soll. Es mutet mich sehr eigenartig an, daß Sie sich auf das Potsdamer Abkommen und auf eine Friedenskonferenz berufen. Mir scheint, hier zeigen Sie sich, Herr Bundeskanzler, als ein Politiker der verpaßten Gelegenheiten;

    (Sehr gut! bei der KPD)

    denn Ihre Politik ist es ja gewesen, die Durchführung des Potsdamer Abkommens zu verhindern. Sie haben ja die Westmächte ermuntert, vom Potsdamer Abkommen abzutreten. Sie haben doch gerade, wenn ich mich recht erinnere, das Besatzungsstatut begrüßt und den Abschluß eines Friedensvertrages mit einer gesamtdeutschen Regierung durch die Bildung eines westdeutschen Staates verhindert.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Sie haben in Ihrer Regierungserklärung Herrn Churchill zitiert und angekündigt, daß Sie eine Denkschrift veröffentlichen wollen.
    Herr Bundeskanzler! Gestatten Sie mir, daß auch ich Herrn Churchill jetzt zitiere. Am 27. Oktober 1944 hielt Herr Churchill im britischen Unterhaus eine Rede. Dabei führte er wörtlich aus:
    Es steht den Polen frei, ihr Gebiet auf Kosten Deutschlands nach Westen auszudehnen.

    (Hört! Hört! bei der KPD. — Zuruf aus der Mitte: Ihre Gebiete!)

    Dabei müßte die Ausweisung der Deutschen,
    — denn das ist es, was vorgeschlagen wurde —
    die Ausweisung sämtlicher Deutschen aus den an Polen gefallenen Gebieten im Westen und Norden vorgenommen werden,

    (Hört! Hört! bei der KPD) denn eine Ausweisung ist,

    — so sagt Churchill —
    soweit wir sehen konnten, die Methode, die am zufriedenstellendsten und auch die dauerhafteste sein wird. Es wird reiner Tisch gemacht!
    So sagte Herr Churchill 1944. Weiter erklärte er: Ich fühle mich nicht alarmiert durch die Aussicht auf eine Loslösung von Bevölkerungen, auch nicht einmal durch diese großen Transferierungen, die unter modernen Verhältnissen eher möglich sind, als sie jemals waren.

    (Zuruf in der Mitte: Ja, jetzt kommen Sie dran!)

    - Ich komme! Nur Geduld, meine Herren!

    (Zuruf von der KPD: Er gibt Ihnen schon die Antwort!)

    Soweit Churchill! Und im Spätherbst 1944 schrieb Herr Roosevelt an Mikolaiczyk einen Brief. In diesem Brief heißt es — ich zitiere wörtlich —:
    Falls die polnische Regierung und das polnische Volk den Wunsch haben sollten, nach der neuen Grenzziehung ihre nationalen. Minderheiten umzusiedeln, soll dem von amerikanischer Seite nichts entgegenstehen. Wir werden
    - so sagt Roosevelt —


    (Reimann)

    diese Umsiedlung vielmehr nach Kräften erleichtern.
    Am 13. Mai 1943 sandte Herr Benesch — jetzt etwas für die Sudetendeutschen, die gestern so gerufen haben — —

    (Zurufe von allen Seiten und Unruhe.) Am 13. Mai — —


    (Fortgesetzte Zurufe.)

    Ich komme! Ich bleibe Ihnen keine Antwort schuldig; verlassen Sie sich darauf!

    (Zuruf: Wir wollen die Antwort nicht haben! — Unruhe.)