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ID0100702200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949 47 7. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949. Geschäftiche Mitteilungen 47B, 67C, D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung . . . 47B Ewers (DP) 47C Dr. Seelos (BP) 53D Reimann (KPD) 58C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 67A Unterbrechung der Sitzung . 67C Loritz (WAV) 67D Frau Wessel (Z) 72B Dr. Richter (DRP) 80A Clausen (SSW) 85C Dr. Edert (Parteilos) 86B Fortsetzung der Sitzung 87C Die Sitzung wird um 10 Uhr 11 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Gebhard Seelos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Mit Erstaunen haben wir festgestellt, daß innerhalb des Kabinetts dem Reichsministerium des Innern der erste Platz unter den Ministerien zugewiesen wurde.

    (Zurufe: Wir sind nicht mehr im Auswärtigen Amt! Es heißt Bundesministerium!)

    Da bereits die wichtigsten Sachgebiete — das
    Flüchtlingswesen, die gesamtdeutsche Frage, die
    Angelegenheiten des Bundesrats - in eigenen Ministerien organisiert sind, können wir nicht einsehen, wozu man dem Innenministerium ein solches Gewicht gibt, nachdem doch die Fragen der inneren Verwaltung und der Polizei zur Zuständigkeit der Länder gehören. Wir müssen fast vermuten, daß man auf dem Gebiet der inneren Verwaltung und der Polizei einen Einbruch in die wenigen verbliebenen Hoheitsrechte der Länder vorhat. Wir werden deshalb die Arbeit des Bundesinnenministeriums mit größter Sorgfalt verfolgen.

    (Ironische Bravo-Rufe in der Mitte.)

    Das Kabinett enthält nicht weniger als fünf Über-Ministerien, nämlich für die Angelegenheiten des Marshallplans, für den Wohnungsbau, für die Vertriebenen, für die gesamtdeutsche Frage und für die Angelegenheiten des Bundesrats. Wenn wir angesichts der entscheidenden Bedeutung der Flüchtlingsfrage einem Flüchtlings-Ministerium zustimmen, so sehen wir in der Schaffung von vier weiteren Über-Ministerien nur eine sehr große Erschwernis der Regierungsarbeit, die sich weitgehend in Kompetenzstreitigkeiten und Zuständigkeitsschwierigkeiten erschöpfen kann. Selbstverständlich handelt es sich hier um lebenswichtige Aufgaben, aber sie können sich nach erprobter Regierungspraxis viel besser im Rahmen von Staatssekretariaten oder durch Ministerialdirektoren behandeln und zu einem sachgemäßen Ende bringen lassen. Wir fürchten, daß in dem allzu großen Zuständigkeitskampf der Bundesministerien dann wiederum die Rechte der Länder zu kurz kommen, wenn sie sich dann anmelden, um auch in den Zuständigkeitsfragen hinsichtlich der Länder gehört zu werden.

    (Anhaltende Unruhe und Lachen. — Glocke des Präsidenten.)

    Es ist bedauerlich, daß die Schaffung dieser neuen Super-Ministerien nicht aus ernsthaften staatspolitischen Notwendigkeiten, sondern aus dem durchsichtigen Geltungsbedürfnis von politischen Gruppen geschehen ist. Die Errichtung eines Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrats ist für uns noch keine Garantie für die Lösung der föderalistischen Frage, die wir nur in der materiellen Berücksichtigung der Länderansprüche sehen.
    Zu der personellen Zusammensetzung des Bundeskabinetts müssen wir darauf hinweisen, daß uns der föderalistische Charakter der Regierung gefährdet erscheint, wenn so ausgesprochene Zentralisten wie Herr Storch und Herr Kaiser daran teilnehmen.

    (Lachen in der Mitte.)

    Herr Storch hat in Frankfurt die Interessen der Länder in keiner Weise berücksichtigt und ihnen, ohne für eine Deckung zu sorgen, schwerste Lasten aufgebürdet. Bei dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen werden wir sehr darauf achten, daß es nicht zu einem Ministerium zur Liquidation der deutschen Länder wird.

    (Lebhafter Beifall der BP.)

    Wenn wir schon Meldungen lesen, daß dieses Ministerium ganz oder zum Teil nach Berlin kommen soll,

    (Huh-Rufe in der Mitte)

    dann stimmt uns das doppelt zur Vorsicht. Will man hier eine Zweiteilung des Kabinetts auf kaltem Wege machen, teilweise mit Sitz in Bonn, teilweise mit Sitz in Berlin, und dann noch die anderen Behörden sogar in Frankfurt, oder will man einen Teil der Regierung der Kontrolle des Bundestags und des Bundesrats entziehen? Wir mel-


    (Dr. Seelos)

    den dann jetzt schon unsere schärfste Opposition an.

    (Unruhe.)

    Das Kabinett Adenauer trägt mit den Antipoden Storch und Kaiser auf der einen Seite, Hellwege und Schäffer auf der anderen Seite ein föderalistisch-zentralistisches Janusgesicht.

    (Lachen.)

    Wir können nur hoffen, daß das milde Gesicht des Föderalismus uns öfter zulächelt.

    (Abg. Strauß : Sie meinen damit wohl Ihren eigenen Kopf? Fast kann man sich des Gedankens nicht erwehren, daß ein Föderalist innerhalb des Kabinetts, in dem er auch zentralistische Regierungserklärungen und Maßnahmen mitmachen und billigen muß, ungefährlicher ist und besser an die Leine genommen werden kann als nur innerhalb der Fraktion. (Abg. Schütz: Wir brauchen einen guten bayerischen Bevollmächtigten!)

    Meine Damen und Herren! Wenn ich nun zu dem materiellen Inhalt der Regierungserklärung Stellung nehme, so möchte ich folgendes sagen: Der ganze Tenor der Regierungserklärung, die ja sicherlich aus einem Guß war und fast alle Probleme gestreift hat,

    (Abg. Renner: Stimmt nicht ganz!)

    ist mir vorgekommen, als ob er doch etwas der inneren Herzenswärme entbehren würde. Sie war eiskalt.

    (Widerspruch.)

    Auch die anderen Erklärungen der größten Parteien, sowohl der Oppositionspartei, der SPD, und dann der Regierungspartei, der CDU, haben nicht die innere Leidenschaft in sich getragen,

    (Lachen)

    die das Volk nach 17 Jahren Elend und nach 10 Jahren von Blut und Tränen hätte erwarten können. Man hätte glauben mögen, das ganze Leben des einzelnen würde nur aus materiellen Dingen bestehen.

    (Abg. Strauß: Wo haben Sie den Krieg verbracht?)

    Fast nie hat man die Gesamtproblematik ansprechen hören, die uns in dieses grauenvolle Unglück gebracht hat.

    (Abg. Strauß: An dem Sie mitgewirkt haben! Wir waren Soldaten!)

    Fraglos handelt es sich bei den Problemen eben nicht bloß um materielle, sondern um geistige Dinge, die wir verarbeiten müssen. Es ist in der Regierungserklärung und bei den großen Parteien fast nur die Spannung sozialer Art, auch materieller Art angesprochen worden, ebenso die Spannungen zwischen Opposition und Regierungsparteien, aber nie die Spannungsverhältnisse zwischen dem Bund und den Ländern.

    (Zuruf von der SPD: Kommt noch!)

    Warum sind wir denn in dieses Unglück gekommen? Nicht weil es vielen unter den Nazis vielleicht materiell schlecht ging, sondern weil es zu dieser zentralen Machtanballung gekommen ist, nachdem die Stimmen der einzelnen Länder vernichtet worden sind, die sich vielleicht diesem nationalistischen, imperialistischen Machtstreben der Nazis hätten entgegenwerfen können.

    (Lebhafter Beifall bei der BP. — Widerspruch bei der SPD. — Zuruf von der SPD: In Bayern stand das Braune Haus!)

    — Ja, und in Berlin waren die größten Nazis! (Abg. Dr. Schmid: Ihr habt ihn doch erfunden! — Abg. Dr. Baumgartner: Die preußischen Offiziere um Ludendorff und um Hitler! — Abg. Strauß: Und die Leute
    vom Auswärtigen Amt!)


Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, nachdem die Zwischenphase der Zwischengespräche beendet ist, fährt der Herr Abordnete Dr. Seelos fort.

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    Rede von Dr. Gebhard Seelos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Wir haben die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers sorgfältig danach geprüft, ob wir eine Ausschöpfung der wenigen in der Bonner Verfassung vorhandenen föderalistischen Tendenzen erwarten können. Wir sind in dieser Hoffnung tief enttäuscht worden.

    (Zuruf in der Mitte: Gott sei Dank!)

    Der Herr Bundeskanzler hat in seiner 11/2stündigen Rede die föderalistischen Dinge fast nur in einem Satz behandelt, während er in den anderen Ausführungen nur auf die materiellen Spannungsverhältnisse eingegangen ist. Durch die Unterstreichung der Redner der Regierungsparteien, die auch kaum von föderalistischen Dingen oder von den Sorgen der Länder gesprochen haben — nicht einmal der Redner der Deutschen Partei —, sind wir sehr besorgt, in diesem Hause hier unsere föderalistischen Ziele noch zur Verwirklichung bringen zu können. Insbesondere ist auch .der Redner der FDP ja noch über die Bonner Verfassung hinausgeschossen, indem er die Regelung der Finanzhoheit so scharf kritisiert hat. Es ist nicht richtig, daß die Alliierten etwa dieses Recht der Finanzhoheit der Länder angemeldet hätten. Wir Bayern haben handfeste Forderungen in dieser Hinsicht gestellt.

    (Abg. Renner: Ihr profitiert ja davon, Ihr Bayern!)

    Wir hörten in der Regierungserklärung fast nur davon, daß die kulturellen Zuständigkeiten der Länder gewahrt werden sollen. Von all den anderen Gebieten, die genannt worden sind und die nach der Verfassung zur konkurrierenden Gesetzgebung der Länder gehören, wurde es gerade als eine Selbstverständlichkeit betrachtet, daß hier die Zuständigkeit des Bundes in Anspruch genommen werden soll. Wir haben nie ein Wort von der Eigenstaatlichkeit der Länder gehört.

    (Zuruf links: Gott sei Dank!)

    Wir haben nie davon gehört, daß vom Bund geredet worden ist, sondern nur vom Staat. Da müssen wir sagen: Herr Bundeskanzler, wir sind hellhörig in solchen Dingen, und wir sehen mit Sorge der weiteren Entwicklung der Regierungspolitik in föderalistischer Hinsicht entgegen.
    Herr Dr. Adenauer, Sie sind nicht Reichskanzler, Sie sind Bundeskanzler!

    (Beifall bei der BP.)

    Diese Besorgnis wird dadurch unterstrichen, daß der Herr Bundeskanzler erklärt hat, die Politik des Frankfurter Wirtschaftsrats fortsetzen zu wollen.

    (Abg. Schütz: Was wollen Sie denn?)

    Viele Maßnahmen der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung sind in Bayern auf schärfste Ablehnung gestoßen, weil sie von einem mangelnden Verständnis für die bayrischen Notwendigkeiten getragen sind

    (Lachen)



    (Dr. Seelos)

    und weil sie rücksichtslos die zentralen Machtmittel gegenüber Bayern ausgenützt haben. Die Politik des Frankfurter Wirtschaftsrats hat sich durch verhängnisvolle Widersprüche ausgezeichnet und durch eine Zweigleisigkeit in der Behandlung der gewerblichen und der agrarischen Wirtschaft. Dort verfolgte man die Lockerung und Aufhebung der Zwangswirtschaft, hier, entgegen der tatsächlich bestehenden Lage, die Beibehaltung der Zwangswirtschaft.
    Wenn vollends der Herr Bundeskanzler auf dem Gebiet der Ernährung und Landwirtschaft eine neue Linie der Intensivierung der zentralen Zuständigkeiten ankündigt, so sehen wir hier bereits die verhängnisvollen Folgen von Artikel 74 Ziffer 17, in der ganz allgemein und ohne Einschränkung die Förderung der Agrarwirtschaft und der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes überwiesen wird. Diese Bestimmungen wurden gegen die schärfsten Warnungen des Bayrischen Bauernverbandes in die Verfassung aufgenommen, nur weil die Frankfurter Bürokratie diese Bestimmungen zur Ausweitung ihrer künftigen Zuständigkeiten brauchte. Wir hatten gehofft, daß von diesen Zuständigkeiten nur in sparsamster Form Gebrauch gemacht werden würde. Nun aber sehen wir aus der Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers, daß eine gefährliche Offensive gegen die Zuständigkeit der Landwirtschaftsministerien der Länder zu erwarten ist. Sowohl die Aufklärung der landwirtschaftlichen Bevölkerung als auch die Förderung der agrarischen Wirtschaft ist Sache der Länder und der Landesministerien. Wir hoffen nur, daß der neue Bundes-Landwirtschaftsminister sich bald i von den Reminiszenzen und von dem Geiste der Frankfurter Verwaltung freimacht.

    (Abg. Dr. Schmid: Bravo!)

    In der Unterstreichung der Förderung des Mittelstandes folgen wir Herrn Dr. Adenauer in jeder Weise. Wir vermissen aber ein stärkeres Eingehen auf die Bedürfnisse des Arbeiterstandes, das nicht dadurch kompensiert wird, daß Herr Adenauer in einem unverständlichen Zugeständnis an den sozialistischen Flügel der CDU

    (Hört! Hört! und Lachen links)

    die Forderung nach einer Neuordnung der Besitzverhältnisse der Grundindustrien aufstellt.

    (Hört! Hört! links und in der Mitte.)

    Wie Herr Dr. Adenauer das mit seinem Wirtschaftsprogramm, der Förderung der freien Marktwirtschaft, der Förderung der Privatinitiative vereinbart, wenn sich die Industrien von einer neuen Sozialisierungswelle durch die jetzige Bundesregierung bedroht sehen,

    (Heiterkeit und Zurufe links und in der Mitte)

    scheint uns nicht ganz klar.

    (Abg. Strauß: Carlo Schmid hat die meiste Angst!)

    Die freundlichen Bemerkungen des Herrn Bundeskanzlers über die etwaige Möglichkeit, Aufwertungshärten gegenüber den Altsparern zu korrigieren, begrüßen wir, da das zu einer seit langem aufgestellten Forderung der Bayernpartei gehört. Wir hätten es begrüßt, wenn Herr Dr. Adenauer diese Frage etwas vertieft hätte, da das zur Beruhigung weiter, hart betroffener Bevölkerungsteile gedient hätte.
    Wir begrüßen insbesondere die Zusicherung des Herrn Bundeskanzlers auf eine gleichmäßigere Verteilung der Vertriebenen auf die verschiedenen Länder im Interesse der besonders hart betroffenen Länder und auch im Interesse der Vertriebenen selbst. Diese Zusicherungen entsprechen einem nachdrücklichen Verlangen der Bayernpartei,

    (Zurufe von der SPD.)

    Wir bitten aber nun, daß diese Maßnahmen auch schnell und wirksam durchgeführt werden, damit die Entlastung sich bald fühlbar macht

    (Abg. Strauß: Bundesexekutive?)

    und wir zu einer gewissen Linderung dieser Not kommen.

    (Zuruf von der CDU: Hoffentlich rufen Sie nicht den Bund zu Hilfe!)

    Wir stimmen im wesentlichen auch den außenpolitischen Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers bei, wenn wir auch gewünscht hätten, daß einige freundliche Worte für Österreich darin enthalten gewesen wären.

    (Händeklatschen bei der BP.)

    Ich habe aus den Reden der Opposition und der Regierung folgenden Eindruck bekommen: daß man sich immer wieder darum streitet, wer das Erstgeburtsrecht hat in bezug auf solche außenpolitischen Fragen, die das gesamte deutsche Volk betreffen. Es ist doch grotesk, daß irgendeine Partei, wie sie auch heiße, das Recht für sich in Anspruch nimmt, zuerst auf Fragen der Kriegsgefangenenrückführung eingegangen zu sein oder zuerst die Oder-Neiße-Grenze abgelehnt zu haben.

    (Abg. Dr. Schmid: Tun Sie es auch?)

    Ich finde, es steht im Gegensatz zu der Politik, die die mächtigsten und größten Staaten wie die USA und England betrieben haben, wo man außenpolitische Dinge als solche des ganzen Volkes ansieht. Wir als ein so armes, bedrängtes und niedergeschlagenes Volk können es uns um so weniger leisten, wenn es um solche Fragen der gemeinsamen Not und um gemeinsame Forderungen des deutschen Volkes geht, die Auseinandersetzung auf die Niederungen der Parteipolitik zu bringen.
    Hinsichtlich des Besatzungsstatuts gehen wir allerdings von etwas anderen Voraussetzungen aus. Das Besatzungsstatut ist von den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten am 8. April 1949, also vor fast sechs Monaten, beschlossen worden unter Verhältnissen, die völlig anders lagen als jetzt. Wir wissen nicht einmal, ob das Besatzungsstatut als außenpolitischer Akt von den Parlamenten der drei Mächte angenommen worden ist. Um so mehr sind wir darüber verwundert, daß der Herr Bundeskanzler dieses Besatzungsstatut in seiner gestrigen Rede - allerdings nicht in seiner vervielfältigten - als Diskussionsgrundlage hinnimmt. Von uns ist es von Anfang an höchstenfalls als eine eingetragene Sicherheitshypothek der Militärgouverneure, die wir möglichst bald löschen wollen, angesehen worden. Wir würden es dankbar begrüßen, wenn wir mehr erfahren könnten über die Form der Überreichung dieses so wichtigen Schreibens durch die Militärgouverneure gestern und über die Stellungnahme. welche die Bundesregierung in diesem Moment eingenommen hat, denn das ist von größter historischer Bedeutung und von größter Auswirkung auf das gesamte deutsche Volk.

    (Abg. Renner: Die Stellungnahme kann ich Ihnen verraten!)



    (Dr. Seelos)

    — Behalten Sie es für sich, das interessiert mich nicht!
    Den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers über die Berlin-Hilfe haben wir entnommen, daß in 15 Monaten über eine Milliarde Mark nach Berlin geflossen ist, die damit dem Aufbau der westdeutschen Wirtschaft entzogen worden ist.

    (Zuruf links: Oho!)

    Wir vermißten deshalb in der Regierungserklärung einen Hinweis darauf, daß, wenn man der bedrängten Stadt weiterhin Hilfe leisten will, man auf einer Kontrolle des Verwendungszweckes bestehen wird.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Sehr richtig!)

    Denn wir sind nicht gewillt, unter irgendwelchem Mäntelchen die sozialistischen Experimente der dortigen sozialistischen Regierung zu tolerieren.

    (Beifall bei der BP. — Zuruf von der SPD: Aha!)

    Bei dieser Gelegenheit hätte man sehr wohl auch der Gebiete gedenken können, die durch die politische Grenzziehung ebenfalls schweren Schaden gelitten haben und in einem schweren Existenzkampf stehen, wie zum Beispiel die bayerischen Nordgebiete, die durch Grenzüberschneidungen und Einschnitte der Ostzone und durch die Abschnürung gegenüber der Tschechoslowakei stark beeinträchtigt sind. Wir haben uns erlaubt, Anträge zur Behebung des Notstandes dieser Gebiete einzubringen, und hoffen, daß diese Anträge ebenso wie die Anträge hinsichtlich der Berlin-Hilfe die Unterstützung sämtlicher politischen Parteien finden werden.

    (Beifall bei der BP. — Zuruf von der CDU: Das kann nur auf der Bundesebene geregelt werden! — Zuruf des Abg. Renner.)

    Hinsichtlich der Entnazifizierung stimmen wir mit der Ansicht des Herrn Bundeskanzlers völlig überein, daß es endlich Zeit ist, nicht mehr zwei Klassen von Menschen in Deutschland zu haben.

    (Abg. Dr. Schmid: Sie haben besonderen Grund dazu!)

    Ich hoffe, daß er davon auch die CSU-Mitglieder seines Kabinetts überzeugt, denn noch zu Beginn dieses Jahres hat die CSU ein Wahlgesetz beschlossen, das diese Gliederung in zwei Klassen von Menschen festgelegt hat.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Sehr richtig! — Zuruf: Das war Wahlpropaganda!)

    Wir werden im weiteren Verlauf der Aussprache noch zu einzelnen Punkten Stellung nehmen. Für die Generaldebatte möchte ich mich mit diesen wesentlichen Ausführungen begnügen und nur nochmals unterstreichen, daß wir die weitere Entwicklung des Kabinetts im Hinblick auf seine föderalistischen und zentralistischen Maßnahmen mit größter Aufmerksamkeit verfolgen werden. Bei einer föderalistischen Ausgestaltung der Gesetzgebung wird man auf die Mitarbeit der Bayernpartei rechnen können; dem verhängnisvollen Zentralismus sagen wir unseren Kampf an.

    (Zurufe von der SPD: Oho!)

    Diese Haltung entspricht unserem allgemeinen Bekenntnis zu einem föderalistischen Deutschland und unserer Ablehnung eines zentralistischen Deutschlands. Wir bekennen uns zu Deutschland, aber merken Sie wohl auf: wir sind Deutsche nur als Bayern!

    (Lebhafter Beifall bei der BP. — Zurufe.) Versucht man, uns unseren tausendjährigen bayerischen Staat zu nehmen,


    (große Heiterkeit und Zurufe)

    dann gefährden Sie den Bestand Deutschlands!

    (Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei der BP. — Anhaltende Zurufe. — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)