Mit Erstaunen haben wir festgestellt, daß innerhalb des Kabinetts dem Reichsministerium des Innern der erste Platz unter den Ministerien zugewiesen wurde.
Da bereits die wichtigsten Sachgebiete — das
Flüchtlingswesen, die gesamtdeutsche Frage, die
Angelegenheiten des Bundesrats - in eigenen Ministerien organisiert sind, können wir nicht einsehen, wozu man dem Innenministerium ein solches Gewicht gibt, nachdem doch die Fragen der inneren Verwaltung und der Polizei zur Zuständigkeit der Länder gehören. Wir müssen fast vermuten, daß man auf dem Gebiet der inneren Verwaltung und der Polizei einen Einbruch in die wenigen verbliebenen Hoheitsrechte der Länder vorhat. Wir werden deshalb die Arbeit des Bundesinnenministeriums mit größter Sorgfalt verfolgen.
Das Kabinett enthält nicht weniger als fünf Über-Ministerien, nämlich für die Angelegenheiten des Marshallplans, für den Wohnungsbau, für die Vertriebenen, für die gesamtdeutsche Frage und für die Angelegenheiten des Bundesrats. Wenn wir angesichts der entscheidenden Bedeutung der Flüchtlingsfrage einem Flüchtlings-Ministerium zustimmen, so sehen wir in der Schaffung von vier weiteren Über-Ministerien nur eine sehr große Erschwernis der Regierungsarbeit, die sich weitgehend in Kompetenzstreitigkeiten und Zuständigkeitsschwierigkeiten erschöpfen kann. Selbstverständlich handelt es sich hier um lebenswichtige Aufgaben, aber sie können sich nach erprobter Regierungspraxis viel besser im Rahmen von Staatssekretariaten oder durch Ministerialdirektoren behandeln und zu einem sachgemäßen Ende bringen lassen. Wir fürchten, daß in dem allzu großen Zuständigkeitskampf der Bundesministerien dann wiederum die Rechte der Länder zu kurz kommen, wenn sie sich dann anmelden, um auch in den Zuständigkeitsfragen hinsichtlich der Länder gehört zu werden.
Es ist bedauerlich, daß die Schaffung dieser neuen Super-Ministerien nicht aus ernsthaften staatspolitischen Notwendigkeiten, sondern aus dem durchsichtigen Geltungsbedürfnis von politischen Gruppen geschehen ist. Die Errichtung eines Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrats ist für uns noch keine Garantie für die Lösung der föderalistischen Frage, die wir nur in der materiellen Berücksichtigung der Länderansprüche sehen.
Zu der personellen Zusammensetzung des Bundeskabinetts müssen wir darauf hinweisen, daß uns der föderalistische Charakter der Regierung gefährdet erscheint, wenn so ausgesprochene Zentralisten wie Herr Storch und Herr Kaiser daran teilnehmen.
Herr Storch hat in Frankfurt die Interessen der Länder in keiner Weise berücksichtigt und ihnen, ohne für eine Deckung zu sorgen, schwerste Lasten aufgebürdet. Bei dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen werden wir sehr darauf achten, daß es nicht zu einem Ministerium zur Liquidation der deutschen Länder wird.
Wenn wir schon Meldungen lesen, daß dieses Ministerium ganz oder zum Teil nach Berlin kommen soll,
dann stimmt uns das doppelt zur Vorsicht. Will man hier eine Zweiteilung des Kabinetts auf kaltem Wege machen, teilweise mit Sitz in Bonn, teilweise mit Sitz in Berlin, und dann noch die anderen Behörden sogar in Frankfurt, oder will man einen Teil der Regierung der Kontrolle des Bundestags und des Bundesrats entziehen? Wir mel-
den dann jetzt schon unsere schärfste Opposition an.
Das Kabinett Adenauer trägt mit den Antipoden Storch und Kaiser auf der einen Seite, Hellwege und Schäffer auf der anderen Seite ein föderalistisch-zentralistisches Janusgesicht.
Wir können nur hoffen, daß das milde Gesicht des Föderalismus uns öfter zulächelt.
Meine Damen und Herren! Wenn ich nun zu dem materiellen Inhalt der Regierungserklärung Stellung nehme, so möchte ich folgendes sagen: Der ganze Tenor der Regierungserklärung, die ja sicherlich aus einem Guß war und fast alle Probleme gestreift hat,
ist mir vorgekommen, als ob er doch etwas der inneren Herzenswärme entbehren würde. Sie war eiskalt.
Auch die anderen Erklärungen der größten Parteien, sowohl der Oppositionspartei, der SPD, und dann der Regierungspartei, der CDU, haben nicht die innere Leidenschaft in sich getragen,
die das Volk nach 17 Jahren Elend und nach 10 Jahren von Blut und Tränen hätte erwarten können. Man hätte glauben mögen, das ganze Leben des einzelnen würde nur aus materiellen Dingen bestehen.
Fast nie hat man die Gesamtproblematik ansprechen hören, die uns in dieses grauenvolle Unglück gebracht hat.
Fraglos handelt es sich bei den Problemen eben nicht bloß um materielle, sondern um geistige Dinge, die wir verarbeiten müssen. Es ist in der Regierungserklärung und bei den großen Parteien fast nur die Spannung sozialer Art, auch materieller Art angesprochen worden, ebenso die Spannungen zwischen Opposition und Regierungsparteien, aber nie die Spannungsverhältnisse zwischen dem Bund und den Ländern.
Warum sind wir denn in dieses Unglück gekommen? Nicht weil es vielen unter den Nazis vielleicht materiell schlecht ging, sondern weil es zu dieser zentralen Machtanballung gekommen ist, nachdem die Stimmen der einzelnen Länder vernichtet worden sind, die sich vielleicht diesem nationalistischen, imperialistischen Machtstreben der Nazis hätten entgegenwerfen können.
— Ja, und in Berlin waren die größten Nazis! (Abg. Dr. Schmid: Ihr habt ihn doch erfunden! — Abg. Dr. Baumgartner: Die preußischen Offiziere um Ludendorff und um Hitler! — Abg. Strauß: Und die Leute
vom Auswärtigen Amt!)