Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Ronneburger hat mit Wirkung vom 12. Juni 1975 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet.Als sein Nachfolger ist am 13. Juni 1975 der Abgeordnete Peters in den Bundestag eingetreten. — Lieber Herr Kollege, wir begrüßen Sie sehr herzlich als alten Kollegen im Deutschen Bundestag.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 16 der Tagesordnung — Antrag betr. Änderung des § 39 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages — von der Tagesordnung abgesetzt werden. — Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Der Bundesminister der Finanzen hat unter Bezugnahme auf § 37 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung eine Vorlagebetr. Haushaltsführung 1975hier: Zustimmung zu überplanmäßigen Haushaltsausgaben bei Kap. 1111 Tit. 616 11 — Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit— Drucksache 7/3745 —zugeleitet, die dem Haushaltsausschuß überwiesen werden soll. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.Der Ältestenrat empfiehlt, für die Einreichung von Fragen während der Sommerpause abweichend von der Geschäftsordnung folgende Regelung zu treffen:Jedes Mitglied des Hauses ist berechtigt, in den Monaten Juli und August je vier Fragen einzureichen. Die Fragen für den Monat Juli müssen spätestens bis Donnerstag, den 31. Juli 1975, 11 Uhr, die Fragen für August bis Freitag, den 29. August 1975, 11 Uhr im Parlamentssekretariat eingehen. Fragen, die in den Monaten Juli und August eingereicht werden, werden von der Bundesregierung schriftlich beantwortet.Die Fragen, die im September gestellt werden, werden gemäß den Richtlinien für die Fragestunde beantwortet. Sperrfrist für die Einreichung von Fragen für die Fragestunden der ersten Plenarsitzungen nach der Sommerpause ist gemäß Nr. 9 der Richtlinien für die Fragestunde Freitag, der 12. September 1975, 11 Uhr. — Ist das Haus mit dieser Regelung einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 16. Juni 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schneider, Mick, Niegel, Dr. Jobst, Dr. Waffenschmidt, Gerster , Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Belastungen durch öffentliche Gebühren und Entgelte für kommunale Dienstleistungen — Drucksache 7/3403 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3792 verteilt.Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 16. Juni 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Egert, Hauck, Dr. Meinecke , Rapp (Göppingen), Tietjen, Christ, Schmidt (Kempten), Spitzmüller und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Jugendalkoholismus — Drucksache 7/3647 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3793 verteilt.Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 11. Juni 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:Verordnung des Rates zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 865/68 bezüglich einiger Erzeugnisse der Tarifstelle 20.06 B II des Gemeinsamen Zolltarifs— Drucksache 7/3414 —Verordnung des Rates zur Tilgung gewisser Waren im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 2603/69 des Rates vom 20. Dezember 1969 zur Festlegung einer gemeinsamen Ausfuhrregelung— Drucksache 7/3429 —Verordnung des Rates zur Einführung eines Einfuhrgenehmigungsverfahrens für Importe von bestimmten Textilerzeugnissen mit Ursprung in der Republik Korea nach Irland— Drucksache 7/3430 —Verordnung des Rates zur Aufnahme weiterer Waren in die gemeinsame Liberalisierungsliste der Verordnung (EWG) Nr. 1439/74 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung— Drucksache 7/3432 —Verordnung des Rates über den Abschluß eines Interimsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland infolge des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft— Drucksache 7/3509 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2901/74, 2903/74, 2905/74, 2906/74 und 2907/74 zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in den EFTA-Ländern— Drucksache 7/3579 —Oberweisung einer EG-VorlageDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehende Vorlage überwiesen:Verordnung Nr. 1301/75 des Rates vom 20. Mai 1975 zur zeitweiligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für einige industrielle Waren
Metadaten/Kopzeile:
12566 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Präsident Frau Rengerüberwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werdenIch rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde— Drucksache 7/3763 —Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, daß wir in dieser Woche, abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde, eine Fragestunde mit einer Dauer von 180 Minuten durchführen. Gemäß § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung von der Geschäftsordnung beschlossen werden. — Es erhebt sich kein Widerspruch; damit ist so beschlossen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 1 des Herrn Abgeordneten Reiser:Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, das Zeugnisverweigerungsrecht auch auf journalistisch nicht hauptberuflich tätige Personen auszudehnen, soweit sie für die Herausgabe von periodischen Druckwerken ausdrücklich verantwortlich sind?Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, eine Änderung des am 21. Februar 1975 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetzes über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk im Hinblick auf den von Ihnen angesprochenen Fall vorzuschlagen. Nach dem Gesetz sollen Personen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sein, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. Wie bereits in der Begründung zur Regierungsvorlage und durch die Beantwortung Ihrer mündlichen Frage am 4. Juni 1975 klargestellt wurde, ist unter „berufsmäßig" jede haupt- oder nebenberufliche Tätigkeit zu verstehen, die in der Absicht vorgenommen wird, sie durch wiederholte Ausübung — ohne daß es dabei auf die Entgeltlichkeit ankommt — zu einer dauernden oder doch wiederkehrenden Beschäftigung zu machen.
Die Herausgabe eines periodischen Druckwerks ist schon von der Definition her eine wiederkehrende Beschäftigung von gewisser Dauer. Daraus folgt — selbstverständlich mit dem Vorbehalt, daß letzten Endes die Gerichte zu entscheiden haben —, daß derjenige, der — wenn auch nicht hauptberuflich — für die Herausgabe eines periodischen Druckwerks verantwortlich ist, damit zumindest eine nebenberufliche Tätigkeit ausübt, die nach dem Gesetz zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigen soll.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen klar, daß bei einer solchen Definition diejenigen nicht hauptberuflichen Journalisten bzw. Herausgeber, die nicht Journalisten sind, aber periodische Druckwerke herausgeben — wie beispielsweise Zeitungen von Bürgerinitiativen — nicht unter das Zeugnisverweigerungsrecht fallen?
Das kann in dieser Form nicht angenommen werden. Ich kann einer gerichtlichen Entscheidung nicht vorgreifen, möchte aber allgemein sagen: Ein periodisches Druckwerk kann durchaus von einer Bürgerinitiative herausgegeben werden, und dann fiele der Herausgeber ebenso wie der jeweils mitwirkende Journalist darunter. Es kommt darauf an, daß es eine wiederkehrende Beschäftigung ist, ohne daß die Entgeltlichkeit eine Rolle spielte.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reiser!
Ist es also richtig, daß die Herausgeber von periodischen Druckwerken solcher Art, wie ich sie eben genannt habe, wenn sie Profis, also Journalisten sind, auf alle Fälle unter das Zeugenverweigerungsrecht fallen?
Davon würde ich ausgehen.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung der Frage.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Haack zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 3 des Abgeordneten Röhner auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung den Ländern zunächst erst 60 °/o der Mittel für das Intensivprogramm zugewiesen hat?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Es trifft zu, Herr Kollege Röhner, daß der Bund den Ländern zunächst 60 v. H. der Mittel des gesamten Sozialprogramms einschließlich des Intensivprogramms, d. h. etwa 260 Millionen DM, zur Mitfinanzierung des Wohnungsbaus zur Verfügung gestellt hat.Die Bereitstellung dieses Teilbetrages ist darauf zurückzuführen, daß abweichend von dem in der Länderministerkonferenz im November 1974 festgelegten Verteilungsmaßstab nachträglich einige Länder gegen den sich daraus ergebenden Verteilungsschlüssel Einwendungen erhoben haben. Damit die dadurch entstandene Verzögerung der Mittelverteilung sich nicht nachteilig auf die Dispositionen der Länder und damit auf die Personen auswirkt, für die die Mittel bestimmt sind, nämlich die kinderreichen Familien, die alten Menschen, die Schwerbehinderten und die Familien, die noch in Wohnungsnotständen leben müssen, hat unser Ministerium in Verhandlungen mit den Ländern erreicht, daß wenigstens zunächst 60 v. H. der Bundesmittel, nämlich die genannten 260 Millionen DM, verteilt werden konnten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12567
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hätte die Bundesregierung nicht von vornherein erkennen müssen, daß in diesem Fall besonders schwierige Verhandlungen — auch über den Verteilungsschlüssel — zu erwarten waren, und hätte sie deshalb nicht noch frühzeitiger damit beginnen sollen, die entsprechenden Verhandlungen einzuleiten?
Nein. Nach dem Ergebnis der Länder-Ministerkonferenz vom November 1974, die ich eben erwähnt habe, waren die Schwierigkeiten für uns nicht vorherzusehen. In dem Moment, da wir die Schwierigkeit bezüglich des Verteilungsschlüssels sahen, haben wir sofort in Verhandlungen mit den Ländern versucht, daß wenigstens ein Teil der Mittel, der unstreitig ist, herausgegeben werden kann.
Das war das Ergebnis. So konnten die Mittel, diese 60 v. H., noch im Mai dieses Jahres abfließen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, den dem Freistaat Bayern zustehenden Anteil am Intensivprogramm in Höhe von 78 Millionen DM auf 49 Millionen DM herabzusetzen?
Nein, das ist gar nicht die Absicht der Bundesregierung. Im Gegenteil, der Verteilungsschlüssel bei diesen Intensiv- und Sozialmitteln für das Programm 1975 sieht so aus, daß das Land Bayern besonders begünstigt ist. Es bekommt die doppelten Mittel wie im Jahre 1974. Dagegen wurden Einwendungen seitens anderer Länder erhoben. Wir waren gerade für die Begünstigung des Landes Bayern.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Hösl.
Herr Staatssekretär, können Sie mir erklären, welche Verhandlungen die Bundesregierung vom November 1974 bis zur Mittelzuweisung im Mai 1975 geführt hat? Denn Sie werden mir zustimmen, daß das doch unverständlich erscheint und daß wir mit den Wohnungsbaumitteln nicht zu Weihnachten, sondern in der Bausaison aufwarten müssen.
Hier muß man, wenn Sie schon so konkret fragen, Herr Kollege Hösl, etwas differenzieren. Die Mittel innerhalb des sozialen Wohnungsbaus bewegen sich ja im wesentlichen in drei Bereichen: die Mittel des normalen sozialen Wohnungsbaus, dann die Intensiv- und Sozialprogrammittel — darauf richtet sich die Frage des Herrn Kollegen Röhner — und schließlich die Mittel im Rahmen des Regionalprogramms. Dazu werde ich nachher im Zusammenhang mit der zweiten Frage des Herrn Kollegen Röhner noch etwas sagen.
Die normalen Mittel im sozialen Wohnungsbau, die unstreitig gewesen sind, sind für das Jahr 1975 bereits im Dezember 1974 verteilt worden, um sie effektiv zu machen. Nur, dann begann der Streit — abweichend von der nach unserer Meinung vorhandenen Einigung in der Ministerkonferenz vom November — über diese Sondermittel für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Es haben intensive Gespräche der zuständigen Fachreferenten stattgefunden. Als diese Gespräche immer noch nicht zu einem Ergebnis geführt hatten, wir andererseits aber daran interessiert waren, daß die Mittel endlich fließen, haben wir die Länder schließlich so weit gebracht, daß wenigstens ein Teil dieser Mittel, der einigermaßen unstreitig ist, verteilt werden konnte.
Über die restlichen 40 % wird leider immer noch gestritten. Wir hoffen aber, daß wir in den nächsten Wochen zu einer Einigung kommen. So war der Hergang.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann, daß Herr Minister Ravens am letzten Sonntag in Kulmbach, auf die 60 % angesprochen, laut „Bayerischer Rundschau" davon sprach, das sei ein bayerisches Trauma, und hätten Sie in diesem Zusammenhang nicht von vornherein wissen müssen, daß die 40 % strittige Masse, die vorhanden ist, so groß ist und es besser wäre, etwa 70 oder 80 % im voraus zuzuteilen und die restlichen 20 % als Verteilungsmasse offenzulassen?
Vielleicht kann ich mit dem zweiten Teil Ihrer Frage beginnen. Das war nicht möglich, weil eben die Meinungen der Länder gerade über die Höhe so unterschiedlich sind. Gerade weil auch kritisiert wurde, daß der Freistaat Bayern soviel bekommt, war es notwendig, den Schnitt bei 60 % zu machen und nicht etwa bei 80 %.Was die Äußerungen des Herrn Minister Ravens in Kulmbach anbelangt, so ist es nach meiner Auffassung zutreffend, wenn er von einem bayerischen Trauma spricht. Er wollte nämlich damit sagen, daß die Bayerische Staatsregierung dauernd durchs Land zieht und behauptet, sie werde vom Bund benachteiligt, obwohl wir gerade in dieser Frage des sozialen Wohnungsbauprogramms nachweisen können, daß Bayern im Jahr 1975 mit großem Abstand an der Spitze liegt und daß es im Jahr 1975 doppelt so viele Mittel bekommt wie 1974. Trotzdem kritisiert die Bayerische Staatsregierung die Bundesregierung. Das ist der klassische Fall eines Traumas.
Metadaten/Kopzeile:
12568 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Röhner auf:
Inwieweit sind aus der schleppenden Bereitstellung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau nachteilige Rückwirkungen auf die Konjunkturförderungsprogramme der Bundesregierung eingetreten, nachdem auch die Mittel für das Regionalprogramm erst verspätet bereitgestellt wurden?
Herr Kollege Röhner, wie sich aus der Antwort auf Ihre erste Frage ergibt, ist von Bundesseite keine Verzögerung der Mittelbereitstellung für den sozialen Wohnungsbau entstanden und damit auch keine Verzögerung der Konjunkturförderungsprogramme der Bundesregierung eingetreten.
Diese Aussage trifft auch auf ,das sogenannte Regionalprogramm zu. Hier ist zudem zu berücksichtigen, daß die Mittel dieses Regionalprogramms in Höhe von etwa 1 Milliarde DM nur unter Einschaltung des Kapitalmarktes bereitgestellt werden können. Das setzt umfangreiche Verhandlungen, u. a. auch mit den Banken, voraus.
Gleichwohl ist es gelungen, den Ländern die Mittel schon am 15. Mai 1975 zur Verfügung zu stellen. Das kann, gemessen an den Vorjahren, in denen diese Mittel aus dem Regionalprogramm erst im Laufe des Sommers oder manchmal sogar erst im Herbst verteilt wurden, als frühzeitige Verteilung auch dieser Mittel angesehen werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, was plant die Bundesregierung in Anbetracht der diesjährigen, soeben geschilderten Situation für die nächsten Jahre in bezug auf Idas Volumen des Intensivprogramms?
Das steht zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage. Aber wenn Sie schon danach fragen, kann ich Ihnen sagen, daß die Mittel im Rahmen dieses Intensivprogramms bereits im Jahr 1975 wesentlich aufgestockt worden sind, weil die Bundesregierung seit dem letzten Jahr bekanntlich sagt: Wir müssen unsere Wohnungsbaumittel in Zukunft noch stärker auf die Bevölkerungsgruppen konzentrieren, die staatlicher Hilfe besonders bedürfen. Und das sind eben alte Menschen, Behinderte, junge oder auch kinderreiche Familien. Wir werden diese Schwerpunktförderung, die bereits im Jahre 1975 begonnen hat, auch in Zukunft fortsetzen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung angesichts der ,dringend notwendigen Konjunkturförderung mit mir der Auffassung, daß diese Mittelbereitstellung im kommenden Jahr rechtzeitiger vorgenommen werden sollte und daß vor allem auch frühzeitiger eine Einigung mit den Ländern über den Verteilungsschlüssel im Interesse einer Konjunkturbelebung herbeigeführt werden muß?
Ich stimme der in Ihrer Frage zum Ausdruck kommenden Auffassung hundertprozentig zu, Herr Kollege Röhner. Ich halte es für unverantwortlich, wenn sich staatliche Stellen über die Mittelverteilung streiten, obwohl es dringend notwendig wäre, diese Mittel wegen der konjunkturellen Lage schnell auszugeben. Alle Beteiligten müssen sich anstrengen, damit wir im Jahre 1976 ein befriedigenderes Ergebnis als in diesem Jahr erzielen. Wenn Sie das bei den Landesregierungen, auf deren Zustimmung wir angewiesen sind, unterstützen könnten, würde ich das sehr begrüßen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hösl.
Herr Staatssekretär, ist bei diesem Programm, das ja nach sozialen Kriterien vollzogen wird, die Dotationsauflage in gleicher Weise wie bei den übrigen Mitteln gegeben — ein Drittel Bund, zwei Drittel Länder -, oder liegen hier andere Verhältnisse vor?
Herr Kollege Hösl, ich habe gesagt, daß wir die Wohnungsbaumittel in Zukunft stärker auf die Gruppen, die ich genannt habe, konzentrieren wollen. Wir wollen diese Konzentration außerdem so vornehmen, daß die Förderung auch im Einzelfall höher wird mit der Folge, daß die Mieten im sozialen Wohnungsbau erschwinglicher werden. Darum haben wir bereits im Jahre 1975 dafür gesorgt, daß dort, wo wir Dotationsauflagen des Bundes haben, diese Mittel, die die Länder als Bundesmittel einsetzen, im Einzelfall wesentlich höher sein werden. Dort, wo es bisher Beschränkungen gab — wo etwa nur 10 000 DM pro Wohnung im Einzelfall aus Bundesmitteln gegeben werden durften —, haben wir in Vereinbarung mit den Ländern dafür gesorgt, daß jetzt im Einzelfall bis zu etwa 20 000 DM gegangen wird, damit eine stärkere Konzentration der Förderung vorgenommen werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Niegel!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit meiner Meinung überein, daß der soziale Wohnungsbau schlechthin — ich beziehe das jetzt nicht regional auf Bayern — im Sektor „Eigentumsbildung" dadurch, daß die Mittel nur schleppend zur Verfügung gestellt wurden, benachteiligt wurde, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, daß die Bundesregierung in ihrem sogenannten Aufschwungprogramm „nach Maß" die Eigentumsbildung überhaupt bewußt „vergessen" hat?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12569
Ich kann Ihnen, Herr Kollege Niegel, darin selbstverständlich überhaupt nicht zustimmen. Das wird Sie nicht wundern, denn ich habe vorhin z. B. gesagt, daß wir im Rahmen der normalen Mittel des sozialen Wohnungsbaus — und davon ist, wie Sie wissen, ein großer Teil für Eigentumsmaßnahmen bestimmt — dafür gesorgt haben, daß die Mittel bereits im Dezember 1974 bereitgestellt worden sind. Warum wir im Sozialprogramm, wo es u. a. auch um Eigentumsmaßnahmen geht, zu der Verzögerung gekommen sind, habe ich Ihnen eingehend geschildert.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hauff steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 5 des Herrn Abgeordneten Benz auf:
Was unternimmt dife Bundesregierung, um die Probleme der Reaktorsicherheit und des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens in einem Bundesministerium zu behandeln, und denkt sie insbesondere daran, die Reaktorsicherheitsforschung aus dem Bundesforschungsministerium auszugliedern und im Bundesinnenministerium zu integrieren?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Benz, wie die Bundesregierung bereits in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage des Herrn Abgeordneten Pfeffermann für die Fragestunde am 5. Juni 1975 ausgeführt hat — Protokoll der 176. Sitzung, Anlage 94 —, besteht zwischen den in der vorliegenden Anfrage angesprochenen Fachreferaten des Bundesministeriums für Forschung und Technologie und des Bundesministeriums des Innern eine enge Zusammenarbeit.
In der Antwort vom 5. Juni 1975 wird dargelegt, daß es zwischen den beiden Ministerien keine Schwierigkeiten bei der Koordinierung gibt. Daher gibt es keinen Anlaß für eine Änderung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers vom 15. Dezember 1972.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre die Effizienz der notwendigen Forschung für Reaktorsicherheit nicht höher, wenn man diese Sicherheitsforschung in eine Hand legen könnte, oder stehen einer solchen Entscheidung nur Konkurrenzen innerhalb der Ministerien entgegen?
Herr Kollege Benz, ich bin Ihnen für diese Frage dankbar, denn genau das war ausschlaggebendes Kriterium für die jetzige Festlegung. Der Wunsch, die Forschung in einer Hand zu behalten, und zwar insgesamt hinsichtlich der Sicherheit, der Wirtschaftlichkeit und der Betriebsoptimierung von Reaktoren, war exakt der Grund dafür, daß man gesagt hat, die Sicherheitsforschung sollte beim Bundesministerium für Forschung und Technologie bleiben.
Die zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Benz!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu in der Beurteilung, daß die Planung von Reaktoren sich deshalb so lange hinauszögert, weil die vorzulegenden Pläne nach verschiedenen Kriterien geprüft werden?
Herr Kollege Benz, wie Sie wissen, ist die Zuständigkeit des Bundes auf diesem Gebiet auf die Prüfung nach dem Atomgesetz begrenzt. Die dabei anzuwendenden Kriterien sind dem Deutschen Bundestag bekannt und einheitlich; sie werden allerdings laufend fortgeschrieben.
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Benz auf:
In welcher Hinsicht findet zwischen dem Bundeswirtschafts-
und dem Bundesforschungsministerium eine Abstimmung über die Politik auf dem Gebiet der Uranversorgung statt, und ist es auf Grund dieser eventuellen Abstimmung zu erklären, daß Bundesminister Matthöfer Zusagen von Bundesminister Dr. Ehmke vom Dezember 1973 über zusätzliche Förderungsmaßnahmen für die Uranversorgung rückgängig gemacht hat?
Die Zuständigkeit für den nuklearen Brennstoffkreislauf, in den die Uranversorgung eingeschlossen ist, liegt beim Bundesminister für Forschung und Technologie. Die Förderungsmaßnahmen zur Uranversorgung sind eingebettet in die allgemeinen Ziele der der Rohstoff- und Energiepolitik der Bundesregierung und werden insofern in engem Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durchgeführt.Die Unterstellung, daß Zusagen des früheren Bundesministers für Forschung und Technologie, Prof. Ehmke, aus dem Jahre 1973 auf zusätzliche Förderungsmaßnahmen für die Uranversorgung rückgängig gemacht worden sind, muß ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Mit einer einmaligen Aufstockung auf 49 Millionen DM im Jahr 1974 konnten neben den laufenden Projekten zusätzliche kostenintensive und aussichtsreiche Projekte in Kanada und Brasilien in Angriff genommen werden. Im laufenden Haushaltsjahr stehen für die Sicherung der Uranversorgung 35 Millionen DM an Bundesmitteln zur Verfügung. Das sind rund 120 % mehr als für diesen Zweck im Jahr 1973 ausgegeben worden sind.Darüber hinaus wurden die Förderungsmaßnahmen des Bundes auf zusätzliche Bereiche ausgedehnt, so z. B. Forschungsarbeiten, die der nichtbergmännischen Urangewinnung dienen, Beteiligungen oder sonstige Anrechte an Uranlagerstätten und Aufbereitungsanlagen.
Metadaten/Kopzeile:
12570 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Benz.
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, Herr Staatssekretär, daß für die nächsten zehn Jahre die Versorgung mit natürlichem und angereichertem Uran gesichert ist?
Herr Kollege Benz, ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, daß wir in einer marktwirtschaftlichen Ordnung leben und daß der Bund nur insofern eine Zuständigkeit für diesen Bereich hat, als er mit dazu beiträgt, die Eigenverantwortlichkeit der Unternehmen in diesem Bereich herauszufordern.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Benz.
Herr Staatssekretär, hielten Sie es für zwingend notwendig, bei der Planung von Reaktoren, die vom Planbeginn bis zur Fertigstellung zirka zehn Jahre dauert, die Belieferung mit Uran ebenfalls sicherzustellen?
Ich halte dies für ein ausschlaggebendes Kriterium bei der unternehmenspolitischen Entscheidung insbesondere der einzelnen EVUs. Der Bundesminister für Forschung und Technologie ist der Meinung, daß hier verstärkt ein Engagement der EVUs zu fordern ist. Aus diesem Grunde fanden mehrere Gespräche mit den maßgeblichen Vertretern der EVUs statt, um ihr Engagement in diesem Bereich zu stärken.
Danke schön, Herr Staatssekretär! Die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich sind damit beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Die Frage 7 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Herr Staatsminister Moersch steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Fragen 8 und 9 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann werden auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet; die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Entspricht die im „Nachrichtenspiegel" des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung vom 9. Mai 1975 wiedergebene Meldung von Radio Warschau dem tatsächlichen Verhandlungsstand, wonach „Polen seine Forderung nach Wiedergutmachung für polnische Opfer des Nazismus erneut vorgebracht" hat, verbunden mit der Feststellung, daß Polen „zwar auf Reparationen, niemals aber auf Wiedergutmachung verzichtet hat" und die entsprechenden Forderungen „leicht gerechnet auf 10 bis 15 Milliarden DM aufgelaufen" seien?
Bitte, Herr Staatsminister!
Herr Abgeordneter, ich habe mir die Mühe gemacht, die „Nachrichtenspiegel" 1 und 2 vom 9. Mai 1975 noch einmal durchzulesen. Eine Meldung von Radio Warschau mit den von Ihnen in Ihrer Frage wiedergegebenen Zitaten konnte ich nicht finden.
Herr Dr. Czaja, bitte, eine Zusatzfrage!
Herr Staatsminister, wenn Sie das nachgelesen haben, so bitte ich Sie doch zu klären, woher die Meldung im „Nachrichtenspiegel" — Ostteil vom 9. Juni, 106, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Seite 2, viertletzte Meldung von unten — stammt.
Herr Abgeordneter, ich will das gern nachprüfen. Ich habe hier nur Seite 6. Tut mir leid!
Dann muß man das wohl später klären. — Herr Abgeordneter Dr. Czaja, noch eine Zusatzfrage!
Herr Staatsminister, Sie sind aber über den tatsächlichen Verhandlungsstand gefragt worden. Diese Meldung des „Nachrichtenspiegel" des Presse- und Informationsamtes bezog sich ja darauf. Würden Sie jetzt die Freundlichkeit haben, nachdem ich praktisch eine Zusatzfrage verloren habe, die Hauptfrage zu beantworten?
Herr Abgeordneter, ich habe feststellen müssen, daß das von Ihnen wiedergegebene Zitat mir nicht vorliegt und bei intensivem Suchen des Auswärtigen Amtes nicht gefunden werden konnte. Möglicherweise handelt es sich um eine Verwechslung. Mir liegt nämlich eine in der „Ost-Information" wiedergegebene Meldung vom 6. Juni 1975 vor — vielleicht war das gemeint —, in der auf das Thema Wiedergutmachung eingegangen wird. Hierin wird jedoch nicht festgestellt, daß die polnischen Forderungen — ich zitiere — „leicht gerechnet auf 10 bis 15 Milliarden DM aufgelaufen seien", sondern lediglich, daß der polnische Staat für die NS-Opfer einen Betrag in dieser Höhe aufgebracht habe.
Nur möchte ich hier, Herr Abgeordneter, ganz allgemein hervorheben, daß die vom Bundespresseamt herausgebenen Dienste wie „Nachrichtenspiegel" und „Ost-Information" objektiv und umfassend über das Nachrichtenbild informieren wollen. Sie haben nicht die Aufgabe, Hinweise zur Politik der Bundesregierung und zum Stand ihrer Beziehungen zu ausländischen Regierungen zu geben.
Herr Kollege Czaja, es wird jetzt etwas kompliziert, weil hier die Unterlagen unterschiedlich sind. Ich glaube daher, daß man den Herrn Staatsminister nun nicht mehr nach
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12571
Präsident Frau Rengerweiteren Einzelheiten fragen kann. Können wir zu Ihrer nächsten Frage übergehen?
— Ich rufe also die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:Kann die Bundesregierung erklären, daß sie weiterhin solche uferlos wachsenden Forderungen, die bei weniger „leichter Rechnung" und der angekündigten Einbeziehung von Forderungen für Zwangsarbeiter über 15 Milliarden DM hinaus erheblich gesteigert zu werden drohen, zurückweist und deutsche Forderungen für den entgangenen Nutzen des gewaltigen zivilen Vermögens Deutscher, das völkerrechtswidrig von Polen konfisziert wurde, endlich geltend machen wird?Herr Staatsminister!
Herr Abgeordneter, zur Sache selbst: Die Bundesregierung hält an ihrem Standpunkt fest, daß die endgültige Regelung beiderseitiger vermögensrechtlicher Forderungen — dazu gehören Wiedergutmachung, Reparationen, deutsche Gegenforderungen — einem Friedensvertrag mit Deutschland vorbehalten bleiben muß, eine Antwort, die wir hier in diesem Deutschen Bundestag wiederholt gegeben haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja!
Herr Staatsminister, würden Sie wenigstens jetzt die Frage beantworten, ob die Volksrepublik Polen nach dem Verhandlungsstand erneut die Forderung vorgebracht habe, 15 Milliarden DM für die Entschädigung von KZ-Opfern zu zahlen?
Herr Abgeordneter, ich bitte zwischen Verhandlungsstand und einer Radioäußerung zu unterscheiden; ich habe soeben diese Äußerung klar zitiert. In einer Verhandlung war von dieser Zahl nicht die Rede.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja!
Können Sie damit bestätigen, daß solche Zahlen bei den Verhandlungen auch nicht annähernd genannt bzw. vorgebracht worden sind, und bedeutet das, daß Sie solche Leistungen absolut ablehnen würden?
Herr Abgeordneter, ich glaube, ich muß noch einmal das Zitat wiederholen. Hier, in dieser Erklärung, die in der „Ost-Information" wiedergegeben ist, wurde gesagt — und es ist die Meinung eines polnischen Kommentators, nicht die der polnischen Regierung, die uns gegenüber vertreten worden ist —, es sei „leicht gerechnet auf 10 bis 15 Milliarden DM angelaufen", was die polnischen Ausgaben für NS-Opfer angehe. — Zum Verhandlungsstand selber berichten wir laufend im Auswärtigen Ausschuß.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Jäger .
Herr Staatsminister, ergibt sich nicht aus dem, was dieser Kommentator sagt, daß dies mindestens die psychologische Vorbereitung entsprechender Forderungen darstellt, da dieser Kommentator in einem kommunistisch beherrschten Land wie Polen zweifellos nicht ohne Willen der Regierung derartiges von sich geben kann?
Herr Abgeordneter, wenn das so wäre, würde sich sicher derjenige, der diese Vorbereitungen psychologisch treffen will, darüber freuen, daß ihm dies in der Fragestunde gelungen ist.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Sowjetunion, wie dies soeben erst wieder Botschafter Falin während des Besuchs des Direktors von TASS, Samjatin, in der Bundesrepublik Deutschland getan hat, die Gültigkeit des englischen und französischen Textes des Viermächteabkommens vom 3. September 1971 bestreitet, worin es heißt, „daß diese Sektoren so wie bisher kein Bestandteil (konstitutiver Teil) der Bundesrepublik Deutschland sind" (constituent part, élément constitutif), und was gedenkt sie dafür zu tun, daß dem englischen und französischen Text entsprechend den Ausführungen des Regierungssprechers unmittelbar nach Abschluß des Viermächteabkommens ein Vorrang zukommt?
Bitte sehr, Herr Staatsminister!
Äußerungen von Botschafter Falin, Herr Abgeordneter, während des Besuchs des Direktors von TASS, Samjatin, auf die Ihre Frage zutreffen würde, sind der Bundesregierung nicht bekannt.
Nach Satz 2 der Schlußbestimmungen des Viermächteabkommens vom 3. September 1971 sind der französische, englische und russische Text des Abkommens ausdrücklich als „gleichermaßen verbindlich" vereinbart worden. Eine dieser Formulierung widersprechende Darstellung des Sprechers der Bundesregierung liegt mir nicht vor.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, an welchen Text hält sich nun die Bundesregierung in Gesprächen zwischen der Bundesregierung und der Sowjetunion? Hält sie sich an den russischen oder an den englischen Text?
Herr Abgeordneter, zunächst ist die Bundesregierung gar nicht Partner dieses Abkommens,
sie hat also mit der Sowjetunion darüber gar nicht zu verhandeln. Sie hält sich an alle Texte, die sich im übrigen in der Sache auch nicht unterscheiden.Die Bundesregierung hat dazu einmal — vielleicht darf ich das in Erinnerung rufen —, und zwar am
Metadaten/Kopzeile:
12572 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Staatsminister Moersch3. September 1971 — vielleicht hatten Sie dies gemeint —, zum Abschluß des Viermächteabkommens, Ziffer 5, eine Erklärung folgenden Wortlauts abgegeben — ich zitiere —:Das Viermächteabkommen hat das rechtliche Grundverhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin nicht geändert. Dieses Grundverhältnis wird nach wie vor nicht nur durch deutsches Verfassungsrecht, sondern auch durch alliierte Vorbehaltsrechte bestimmt.Das deutsche Verfassungsrecht, d. h. die einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes und der Berliner Verfassung, bleibt unverändert, es wird jedoch weiterhin von den alliierten Vorbehaltsrechten überlagert.Alle Bundesregierungen haben diese vorrangigen alliierten Rechte stets als im Interesse der Sicherheit Berlins liegend betrachtet und respektiert.In der Verantwortung, die ihnen für Berlin und seine Sicherheit obliegt, haben die Alliierten kraft dieses Vorranges deutsches Verfassungsrecht dergestalt suspendiert, daß Berlin nicht vollgültig in die Verfassungsorganisation des Bundes einbezogen ist und nicht vom Bund regiert wird.Das war die verbindliche Äußerung der Bundesregierung zu diesen Fragen. Das Übrige steht exakt im Viermächteabkommen, und zwar, wie ich hier sehe, in jeder Sprache gleich.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, wenn wir trotzdem davon ausgehen müssen, daß der russische Text in einem entscheidenden Punkt anders formuliert ist als der englische und der französische, gilt dann die von Herrn Ahlers seinerzeit getroffene Feststellung, daß die Bundesregierung dem englischen Text den Vorzug einräumt?
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, auf welcher Grundlage und in welchem Zusammenhang dies gesagt worden ist. Ich kann nur feststellen, daß genau in dem Punkt, um den es hier geht, zwischen den drei Texten keine Abweichung besteht, jedenfalls nach dem, was unsere Sachverständigen dazu meinen. Es ist hier zitiert. Sie wissen, daß die entsprechenden Hinweise in allen verbindlichen Fassungen vorhanden sind.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie erklärt es sich die Bundesregierung, daß trotz der „Information" zum Warschauer Vertrag über ständige Kontakte zwischen den Regierungen in Bonn und Warschau und der von unserer Botschaft in Warschau der polnischen Regierung übermittelten Interventionsnotizen die Zahl der Aussiedler aus Ostdeutschland jenseits von Oder und Neiße in den ersten fünf Monaten des Jahres 1975 im Monatsdurchschnitt die niedrigste seit zwei Jahrzehnten ist?
Zu Inhalt und Bedeutung der „Information" der Volksrepublik Polen und zur Frage der Interventionsnotizen habe ich in den Fragestunden der letzten Wochen wiederholt Stellung genommen. Ich kann daher auf meine Äußerungen — zuletzt vom 5. und 12. Juni — Bezug nehmen.
Herr Abgeordneter, was die Zahl der Umsiedler in den ersten fünf Monaten dieses Jahres anlangt, ist tatsächlich festzustellen, daß die monatlichen Ausreisezahlen rückläufig waren. Dies ist jedoch auch in den ersten Monaten ,des vergangenen Jahres der Fall gewesen und wurde dann durch einen Anstieg in den folgenden Monaten ausgeglichen. Ich sage dies, ohne daß ich jetzt daraus Konsequenzen ziehen kann.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, ist es aber nicht erlaubt, daraus zu schließen, daß die wiederholt hier von Ihnen gerade auch im Bundestag angeführten Bemühungen der Bundesregierung bezüglich der Erhöhung der Aussiedlerzahl ergebnislos verlaufen sind?
Wenn Sie die Zahlen der ersten fünf Monate zugrunde legen, ist es keine Frage, daß diese Bemühungen bisher nicht erfolgreich gewesen sind.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung überhaupt noch, daß die Zahl der Aussiedler wieder größer wird? Oder gibt es nur noch eine einzige Möglichkeit, nämlich daß die Bundesregierung auf finanzielle Forderungen der Gegenseite eingeht, um zu erreichen, daß die Zahl der Aussiedler wieder größer wird?
Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß wir uns in Gesprächen über diese Frage befinden. Daher halte ich es nicht für richtig, jetzt Verhandlungspositionen der einen oder anderen Seite hier darzustellen. Ich bitte um Verständnis.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, muß die Bundesregierung nicht gerade im Sinne der Ausführungen von Herrn Bundesminister Genscher, daß man in den humanitären Fragen viel mehr zur Meinungsbildung in der Bundesrepublik und in der Welt beitragen müsse, die Verletzung der Grundlagen des Warschauer Vertrages in der deutschen und ausländischen öffentlichen Meinung viel stärker herausstellen?
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12573
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, auf welche Äußerungen von Bundesminister Genscher Sie hier anspielen. Aber ich kann mir nicht recht vorstellen, daß er das gemeint hat, was Sie meinen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger .
Herr Staatsminister, nimmt die mangelnde Vertragstreue des polnischen Vertragspartners in diesem Punkt nicht inzwischen ein Ausmaß an, das die Bundesregierung beunruhigen und zu neuen Überlegungen veranlassen müßte?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat hier wiederholt dargestellt, daß sie sich um eine positive Klärung dieser Fragen bemüht. Sie stellt demgemäß Überlegungen dieser Art an.
Ich rufe die Frage 14 des des Herrn Abgeordneten Reiser auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerung des Militärattachés an der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in London, der laut Tageszeitung „Die Welt" vom 11. Juni 1975 gesagt haben soll, falls deutsches Militärgerät an Südafrika geliefert worden sei, wäre dies „säuberlich und korrekt im Rahmen aller Ausführungsbestimmungen der NATO geschehen, an die man sich ganz eng gehalten hat"?
Bitte schön, Herr Staatsminister!
Herr Abgeordneter, Ihre Frage zielt auf Spekulationen ab, die in letzter Zeit wiederum den Vorwurf erheben, die Bundesrepublik Deutschland arbeite mit Südafrika militärisch zusammen. Ich darf deshalb vorab zu dem Sachverhalt selbst etwas sagen und dabei die unrichtigen Spekulationen zurückweisen.
Erstens. Die Bundesregierung hat im Jahre 1968 einer deutschen Firma nach dem Außenwirtschaftsgesetz die Ausfuhrgenehmigung für die Lieferung von Sende- und Empfangsgeräten und einer Datenverarbeitungsanlage nach Südafrika erteilt. Das Geschäft ist seit längerem abgewickelt. Es ging dabei nicht um militärisches Gerät im Sinne der entsprechenden Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen; das bitte ich zu beachten. Das Exportgeschäft betraf vielmehr Erzeugnisse, die für den zivilen Bereich entwickelt worden sind. Wie viele andere Produkte können aber auch sie von Streitkräften genützt werden. Ich erinnere an Kraftfahrzeuge, die sicherlich nicht als Kriegswaffen hergestellt, sondern eben von Soldaten benutzt werden. Fernmeldegeräte für Zwecke der Schiffahrt sind ein Beispiel für viele Erzeugnisse einer fortgeschrittenen Technologie, an deren Export die deutsche Industrie nicht schon deshalb gehindert ist, weil sie unter Umständen auch militärisch eingesetzt werden könnten. Was die Seeroute um das Kap betrifft, ist es auch einleuchtend, daß bei einer jährlichen Frequenz von nicht weniger als 25 000 Schiffen moderne
Mittel zur Bewältigung eines sicheren Verkehrs eingesetzt werden müssen.
Zweitens. Die Tatsache, daß die nach Südafrika exportierten Fernmeldegeräte zum Teil vom Materialamt der Bundeswehr katalogisiert worden sind, hat nichts mit einer militärischen Zusammenarbeit zu tun. Das Materialamt der Bundeswehr besorgt die Katalogisierung für das gesamte von der staatlichen Verwaltung benötigte Material, beispielsweise auch für die Bundespost. Es wird also nicht nur im militärischen, sondern auch im zivilen Bereich der staatlichen Verwaltung tätig.
Der Sinn dieser Katalogisierung besteht darin, das von den öffentlichen Diensten benötigte Material in einer schematischen und datentechnisch geordneten Form zu beschreiben, um auf diese Weise die Angebote der Industrie besser vergleichen zu können.
Die Katalogisierung erfolgt nach einem System amerikanischen Ursprungs, das unzutreffenderweise als „NATO-Kodifizierungssystem" bezeichnet wird. Es trifft zwar zu, daß dieses System in den Verteidigungsbereichen der NATO-Mitgliedstaaten verwendet wird, aber eben nicht nur dort, sondern auch in Nicht-NATO-Staaten wie z. B. Argentinien, Australien und Neuseeland. Das System wird also ebenso im zivilen Bereich wie auch von vielen Staaten außerhalb der NATO benutzt; ich habe einige hier genannt. Auch im Welthandel hat es eine gewisse Bedeutung erlangt, weil die so katalogisierten Gegenstände mit einer technischen Beschreibung angeboten werden können, die von einer staatlichen Stelle erarbeitet ist.
Diese Feststellungen ergeben zusammengefaßt eindeutig, daß es unrichtig ist, von einer militärischen Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Südafrika zu sprechen. Die Äußerung des Militärattachés in London, nach der Sie fragen, ist in der „Welt" unzutreffend wiedergegeben. Der Militärattaché hat nicht von „Ausführungsbestimmungen der NATO" gesprochen — die es im Bereich dieser Exporte nicht gibt —, sondern von den gesetzlichen Exportbestimmungen der Bundesrepublik Deutschland. Diese Bestimmungen sind beachtet worden. Ich stelle also noch einmal fest: Es gibt keine Rüstungszusammenarbeit mit Südafrika, und ich darf Ihnen, Herr Abgeordneter, für die Gelegenheit danken, dies an dieser Stelle noch einmal darlegen zu können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reiser.
Herr Staatsminister, haben Sie nicht den Eindruck, daß Sie weitgehend die Fragen meines Kollegen Coppik, die anschließend folgen werden, beantwortet haben?
Herr Abgeordneter, ich habe die Absicht gehabt, zunächst den Zusammenhang herzustellen, damit Sie Ihre Zusatzfragen leichter anbringen können. Ich habe mir die Freiheit genommen, die nächste Frage gleich mit einzubeziehen.
Metadaten/Kopzeile:
12574 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reiser.
Herr Staatsminister, haben Sie denn den Eindruck, daß der Militärattaché an unserer Botschaft in London alle diese Details, die Sie hier ausgebreitet haben, hätte wissen müssen?
Das hat er im Zweifel auch gewußt. Ich habe den Eindruck, daß es selten erfolgreich ist, wenn man am Telefon Auskünfte dieser Art gegenüber Korrespondenten gibt, die möglicherweise die Materie weniger gut beherrschen als der Auskunftgebende. Der Auskunftgebende denkt dann oft nicht daran, daß der, dem er Auskunft gibt, die Dinge durcheinanderbringen kann.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Coppik.
Herr Staatsminister, wenn diese Katalogisierung auch Gegenstände für den zivilen Bereich umfaßt, wird man wohl fragen müssen, weshalb diese Katalogisierung vom Materialamt der Bundeswehr vorgenommen wird.
Diese Frage ist einfach zu beantworten: Weil das für den Staat offensichtlich am billigsten ist. Sonst müßten Sie ein neues Amt schaffen und einen entsprechenden Antrag für den Bundeshaushalt stellen.
Ich rufe die Frage 102 des Herrn Abgeordneten Coppik auf:
Treffen Berichte zu, die vom Vorsitzenden der Unit on Apartheid bei den Vereinten Nationen, Botschafter Ogbu, auf einer Pressekonferenz in New York bekanntgegeben wurden, wonach deutsche Firmen an dem Aufbau einer hochmodernen militärischen Aufklärungs- und Nachrichtenzentrale „Advokaat" in Simonstown, Republik Südafrika, beteiligt sind und diese Beteiligung nur mit der Hilfe des Materialamts der Bundeswehr, das diese militärischen Ausrüstungsgüter mit NATO-Code versehen hat, erfolgen konnte ?
Bitte schön, Herr Staatsminister!
Ich habe in der Antwort auf die Frage des Abgeordneten Reiser bereits den grundlegenden Sachverhalt dargestellt. Die Bundesregierung hält sich strikt an den Appell des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und erteilt keine Genehmigungen für die Lieferung von Kriegswaffen, Munition und Militärfahrzeugen nach Südafrika. Sie enthält sich also jeder militärischen Zusammenarbeit mit Südafrika.
Die Behauptungen, die kürzlich der Sekretär der britischen Anti-Apartheid-Bewegung, Abdul Minty, in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Apartheid-Sonderausschusses der Vereinten Nationen, Botschafter Ogbu, und vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geäußert hat, sind nicht geeignet, diese Haltung der Bundesregierung in irgendeiner Weise in Frage zu stellen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Coppik.
Herr Staatsminister, wie vereinbaren sich diese Erklärung und alle diese Vorgänge insgesamt mit der Entschließung der Vereinten Nationen, in der alle Regierungen ersucht werden, keine Zusammenarbeit mit Südafrika auf dem Gebiet der nuklearen oder anderer moderner technologischer Forschung, insbesondere mit militärischer Nutzungsmöglichkeit, zu betreiben?
Herr Abgeordneter, diese Feststellung der Bundesregierung und ihre Haltung vereinbaren sich nahtlos mit dieser Erklärung der Vereinten Nationen, die mir auch vorliegt, denn so, wie die Bundesregierung diese Erklärung interpretiert, wird sie von all denen interpretiert, die für diese Erklärung gestimmt haben. Was Sie meinen, ist offensichtlich etwas anderes, was die Vereinten Nationen eben nicht beschlossen haben, nämlich ein Handelsembargo, denn Sie werden mir zugeben, daß auch Hosenknöpfe für militärische Zwecke mißbraucht werden können, wenn sie an Uniformen genäht werden.
Keine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Coppik?
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reiser.
Herr Staatsminister, wie schätzen Sie denn einen Artikel des „Pinneberger Tageblatts" vom 5. Dezember 1974 ein, wo über dieses Projekt Simonstown folgendes gesagt wird:
Vom hochgezüchteten Komputer über die Funkpeilung bis zum einfachen Fernschreiber ist alles „made in Germany".
Herr Abgeordneter, abgesehen davon, daß mir dieser Artikel nicht vorliegt, kann ich Ihnen nur sagen: Die deutsche Wirtschaft steht in weltweiter Konkurrenz auf diesen Gebieten nichtmilitärischer Art, und da heute das Militär sehr viele moderne Dinge verwenden muß, kann man niemals ausschließen, daß z. B. ein Fahrzeugmotor, ein Kolben, eine Zündkerze, die sicherlich ein modernes Gerät ist, auch einmal militärisch verwendet wird. Aber der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen — und darauf kommt es hier wohl an — hat eben dies nicht zum Gegenstand seiner Resolution gemacht, sondern hat hier ausdrücklich militärische Gegenstände gekennzeichnet. Die Bundesregierung hat sich nicht anders verhalten, als sie sich immer verhalten hat. Ich glaube, daß hier eine bestimmte Aufgeregtheit dadurch entstanden ist, daß der Hinweis auf die Katalogisierung falschen Eindruck erweckt hat, es handle sich um militärisches Gerät. Dabei handelt es sich lediglich um die Registrierung von Gerät durch eine
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12575
Staatsminister MoerschStelle, die für staatliche Stellen insgesamt tätig ist, z. B. für die Bundespost.
Ich rufe die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Coppik auf:
Trifft weiter zu, daß das Projekt „Advokaat" auf eine engere militärische Zusammenarbeit zwischen Südafrika und den Westmächten abzielt?
Bitte schön, Herr Staatsminister!
Für die Bundesregierung lautet die Antwort: Nein. Ich verweise auf die Erklärung des Sprechers der NATO vom 10. Juni 1975, die sagt, daß zwischen dem Projekt „Advokaat" und dem Atlantischen Bündnis keinerlei Zusammenhang besteht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Coppik.
Herr Staatsminister, wie beurteilt dann die Bundesregierung die Äußerung des niederländischen Verteidigungsministers Vredeling, der Pläne der NATO erläutert hat, eine Bodenbeobachtungsstation und Radarbeobachtungseinrichtungen in Südafrika zu installieren, und besteht nicht — —
Herr Abgeordneter, ich glaube, ich muß Sie unterbrechen. Das hat nun wirklich keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der an die Bundesregierung gerichteten Frage.
Darf ich die Frage zu Ende führen?
Nein. Sie steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang.
— Was möchten Sie bitte?
— Herr Staatsminister, ich glaube, das ist wohl nicht nötig.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Frage 15 des Herrn Abgeordneten Schinzel:
Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, Reiseveranstaltern in der Bundesrepublik Deutschland die Durchführung von Pauschalflugreisen nach Südrhodesien für die laufende Hauptsaison nicht zu untersagen, obwohl sie bereits im Juni 1974 in der Fragestunde des Deutschen Bundestages darauf hingewiesen wurde, daß diese Reiseprogramme gegen Embargobestimmungen der Außenwirtschaftsverordnung verstoßen, die sowohl den Dienstleistungs- als auch den Zahlungsverkehr mit Südrhodesien unterbinden sollten?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 19. Juni 1974 hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Jung im Namen der Bundesregierung erklärt, daß die Frage, ob die Durchführung von Pauschalflugreisen nach Südrhodesien gegen die Bestimmungen des Außenwirtschaftsrechts verstoße, geprüft werde. Die Prüfung ist inzwischen abgeschlossen und hat das bestätigt, was Ihnen bereits mit Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums vom 5. September 1974 mitgeteilt worden ist. Demnach unterhalten deutsche Reiseveranstalter weder Kontakte zu südrhodesischen Touristikunternehmen noch leisten sie Zahlungen nach Südrhodesien. Es werden lediglich in Einzelfällen Angebote für Anschlußrundreisen nach Südrhodesien aus den Programmen der südafrikanischen Partner übernommen. Das mag im Ergebnis unerwünscht sein, stellt jedoch keinen Verstoß gegen die Embargo-Bestimmungen der Außenwirtschaftsverordnung dar. Die Bundesregierung ist deshalb gar nicht in der Lage, den deutschen Reiseveranstaltern zu untersagen, diese Südrhodesien-Rundreisen weiter anzubieten. Gleichwohl hat sie die Veranstalter gebeten, solche Reisen aus ihrem Programm zu streichen. Das wurde ihr auch zugesagt. Die Veranstalter wollen diesem Wunsch der Bundesregierung nachkommen, sobald die laufenden vertraglichen Abmachungen dies erlauben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schinzel? — Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Schinzel auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß dem völkerrechtsverbindlichen Charakter des gegen Südrhodesien gerichteten Sicherheitsratsbeschlusses 253 durch die daraufhin ergangene Neuregelung der Außenwirtschaftsverordnung ausreichend Rechnung getragen ist, obwohl diese Verordnungsregelung die Anwendung der Sanktionen in das Ermessen der Verfolgungsbehörde stellt und die Exekutive dieses Ermessen im Sinne einer prinzipiellen Nichtanwendung der Sanktionen ausgeübt hat, da sie in dem einzigen Bereich, in dem das Embargo nicht auf dem Wege über Drittländer übergangen werden kann (Pauschalreisen), niemals Sanktionen verhängt hat?
Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, daß sie alle rechtlichen und administrativen Maßnahmen zur Durchführung der bindenden Südrhodesien-Sanktionen der Vereinten Nationen getroffen hat. Diese in jeder Fragestunde, in der das Südrhodesien-Problem behandelt wurde, getroffene Feststellung ist nach wie vor richtig.Ihre Behauptung, die Außenwirtschaftsverordnung stelle die Anwendung der Sanktionen in das Ermessen der Verfolgungsbehörden, ist nicht richtig. Die Außenwirtschaftsverordnung enthält neben den Bestimmungen, die den Außenwirtschaftsverkehr mit Südrhodesien beschränken, auch die notwendigen Straf- und Bußgeldvorschriften für Zuwiderhandlungen. Für die Ahndung solcher Zuwiderhandlungen durch die Verfolgungsbehörden gelten die allgemeinen Rechtsgrundsätze für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.Daß die Verfolgungsbehörden allerdings erst tätig werden können, wenn der Verdacht einer Verletzung von Rechtsvorschriften besteht, ist selbstver-
Metadaten/Kopzeile:
12576 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Parl. Staatssekretär Grünerständlich. So bestand bisher kein Anlaß, auf dem Gebiet des Tourismus irgendwelche Bestrafungen vorzunehmen. Das ergibt sich aus dem Sachverhalt, den ich bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage ausgeführt habe.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? — Keine Zusatzfrage!
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bank für Gemeinwirtschaft durch die Bereitstellung eines 30-Millionen-Kredits die Errichtung eines Werks der Sanitärporzellanindustrie in der DDR fördern will?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die Bank für Gemeinwirtschaft die Errichtung eines Werks ,der Sanitärporzellanindustrie in der DDR durch Bereitstellung eines Kredites fördert.
Nach der jetzigen Rechtslage könnte sich die Bank nur an dem Geschäft beteiligen, indem sie den Lieferanten in der Bundesrepublik den Vertrag vorfinanziert. Die Gewährung direkter Kredite an DDR-Unternehmen hingegen ist nicht zulässig. Derartige Vorfinanzierungen sind nicht besonders genehmigungspflichtig.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß Ihr Haus bei der Bank für Gemeinwirtschaft Erkundigungen zu dieser Frage hat einziehen lassen? Können Sie ausschließen, daß dort solche Geschäfte im Gange sind?
Herr Kollege, die Bundesregierung sieht sich durch rechtliche Vorschriften daran gehindert, Einzelheiten über solche Geschäfte — auch, soweit sie ihr bekannt werden — mitzuteilen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kunz.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie angesichts der Lage im Zonenrandgebiet, wo Sanitärporzellan hergestellt wird und wo gerade in dieser Branche Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit herrschen, derartige Entwicklungen?
Herr Kollege, von den wirtschaftlichen Auswirkungen her gesehen möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die Produktion von Sanitärkeramik in der Bundesrepublik von 1970 bis 1973 stetig gestiegen ist. Sie ging im Jahre 1974 um 4 %, also leicht, zurück. Die Ursache dafür ist die schlechte Baukonjunktur.
Die Einfuhren entwickelten sich ähnlich wie die Produktion. Jedoch war hier der Rückgang 1974 beträchtlich stärker. Die Einfuhr ging um 28 % zurück. Unsere Ausfuhr stieg 1974 sogar beträchtlich an, nämlich um 12 %.
Die Bezüge aus der DDR sind von 1971 bis 1974 stetig und erheblich, insgesamt um 74 %, zurückgegangen. Demgegenüber stieg die Produktion in der Bundesrepublik — darauf habe ich hingewiesen — ständig an.
1974 machten die Bezüge aus der DDR weniger als 0,3 % der Produktion aus. Vor diesem Hintergrund wird man die wirtschaftlichen Auswirkungen zu betrachten haben, nach denen Sie gefragt haben.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Wird die Bundesregierung in Anbetracht der schwierigen gegenwärtigen Situation der deutschen sanitärkeramischen Industrie und der zu erwartenden zusätzlichen Schwierigkeiten durch Bezüge aus der DDR im Fall eines Antrags Lieferungen für die Einrichtung einer sanitärkeramischen Produktionsanlage in der DDR durch Bürgschaftsübernahme unterstützen und die Geschäftsabwicklung im innerdeutschen Handel genehmigen?
In jüngster Zeit ist ein Vertrag über die Lieferung einer sanitärkeramischen Produktionsanlage in die DDR genehmigt worden. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Genehmigung waren erfüllt. Da der Liefervertrag den normalen Garantiebedingungen entsprach, wurde auch die in solchen Fällen mögliche und im innerdeutschen Handel sowie im Außenhandel vielfach übliche Bundesgarantie gegeben.
Die Bezüge sanitärkeramischer Produkte aus der DDR können im übrigen in der jüngsten Vergangenheit unsere Produktion nicht wesentlich beeinträchtigt haben. Sie gingen in der Zeit von 1971 bis 1974 wertmäßig um 74 % zurück und machten 1974 nicht einmal 0,3 % unserer Produktion aus. Ich hatte diesen Tatbestand bereits in der Antwort auf die Zusatzfrage erwähnt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß sich der Schwerpunkt der Porzellanindustrie in dem strukturschwachen Gebiet Oberpfalz/Oberfranken befindet und daß diese Branche derzeit unter beträchtlicher Kurzarbeit zu leiden hat?
Das ist uns bekannt, Herr Kollege. Wir können aber unter gar keinen Umständen — das wird mit Ihrer Frage doch indirekt angedeutet — etwa unsere Genehmigungspraxis nach solchen konjunkturellen oder regionalen Auswirkungen ausrichten, zumal dann, wenn diese Zahlen im Blick auf Einfuhr, Produktion und Ausfuhr eindeutig erweisen, daß hier keinerlei Gefährdung, gesamtwirtschaftlich gesehen oder branchenmäßig gesehen, vorliegt. Das würde zu einer Investitionslenkung in
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12577
Parl. Staatssekretär Grünereinem Umfange führen, den niemand in diesem Hause wünschen kann.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jobst.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Auswirkungen von solchen Kreditgewährungen für Lieferungen an Ostblockstaaten auf unsere Industrie und insbesondere auf unsere Arbeitsmarktsituation näher zu prüfen und dann entsprechende Maßnahmen zu ergreifen?
Selbstverständlich wird jeder dieser genehmigungspflichtigen Vorgänge nach den hier geltenden Gesetzen bearbeitet, und selbstverständlich spielt bei der Genehmigungspraxis auch unser Wunsch eine Rolle, den innerdeutschen Handel auszuweiten, und selbstverständlich der Wunsch derer, die solche Anlagen liefern, solche Anlagen im Interesse der Arbeitsplätze, die sie haben, auch liefern zu können.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz .
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, inwieweit die DDR mit Sanitärkeramik als Konkurrent der Bundesrepublik auf dem Weltmarkt auftritt?
Darüber liegen mir keine Zahlen vor. Ich habe mich in meiner Beantwortung der Frage nach den wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Verhältnis DDR—Bundesrepublik bezogen und Ihnen die entsprechenden Zahlen genannt.
Können Sie darüber noch schriftlich berichten?
Ich werde das gern nachprüfen. Ich bin nicht sicher, ob wir Ihnen darüber Zahlen liefern können. Aber ich werde das gerne tun.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, daß die Importe aus der DDR gesamtwirtschaftlich keine allzu großen Auswirkungen hätten. Sind Sie mit mir der Meinung, daß trotzdem gerade diese Importe für bestimmte Branchen und vor allem für Einzelfirmen mit ihren Arbeitern harte Maßnahmen sind bzw. harte Folgen haben?
Ich habe in diesem konkreten Fall nicht nur von gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen gesprochen, sondern auch auf die Branche abgehoben
und nachgewiesen, daß angesichts des Austausches keinerlei Gefährdung zu sehen ist. Es ist gar keine Frage, daß jede Konkurrenzsituation, daß insbesondere etwa das Verhältnis von Niedriglohnländern zu den Produktionsverhältnissen in der Bundesrepublik für Einzelfirmen sehr schwerwiegende Auswirkungen hat. Das ist eine Folge des Wettbewerbs, in dem wir uns weltweit befinden, in dem wir — und das muß ich nun gesamtwirtschaftlich sagen — allerdings auch durch unsere hohen Exportüberschüsse deutlich machen, daß wir diesem Wettbewerb insgesamt gewachsen sind.
Ich rufe Frage 19 des Herrn Abgeordneten Burger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die freiwillige Selbstbeschränkung der Zigarettenhersteller in der Werbung?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung beurteilt die freiwillige Selbstbeschränkung der Zigarettenhersteller in der Werbung grundsätzlich positiv. Sie sieht in den Vereinbarungen eine sinnvolle Ergänzung zu den in § 22 des Gesetzes zur Gesamtreform des Lebensmittelrechtes vom 15. August 1974 enthaltenen Werbeverboten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Burger.
Wie, Herr Staatssekretär, kann man den Widerspruch auflösen, der darin besteht, daß sich einerseits die Zigarettenhersteller aus der Fernsehwerbung zurückgezogen haben, während andererseits auf der Mattscheibe zu beobachten ist, wie z. B. der Mann, der bei uns die Richtlinien der Politik bestimmt, bei Interviews genüßlich seine Pfeife nicht nur eben raucht, sondern genießt, und damit doch gewissermaßen als Nebenwirkung seiner Fernsehauftritte zu einem vielbeachteten Rauchersymbol geworden ist?
Herr Kollege Burger, ich kann diese Frage nicht zulassen.
— Haben Sie eine zweite Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich die Frage anders formulieren? Darf ich Sie fragen, ob Sie mir recht geben können, wenn es mir als ein Widerspruch erscheint, daß man die vielbeachteten Cowboy-Auftritte, die der Raucherwerbung dienen, vom Bildschirm verdrängt hat, dies als Ausdruck
Metadaten/Kopzeile:
12578 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Burgerdes Willens einer bestimmten Gesundheitspolitik, die von allen Parteien getragen wird, und daß andererseits diejenigen, die diese Politik vertreten, gleichsam doch ein anderes Beispiel geben?
Herr Kollege, es ist eine Sache, ob wir die Werbung durch Selbstbeschränkung und durch gesetzliche Regelung einschränken, insbesondere um des Schutzes einer ganz bestimmten Bevölkerungsschicht, vor allem der Jugend willen, und es ist eine ganz andere Frage, ob wir etwa hier die Aufforderung an die Bundesregierung richten, den einzelnen aufzufordern, vom Rauchen Abstand zu nehmen. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, hier in die persönliche Freiheit des einzelnen einzugreifen.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Burger auf:
Wie hat sich die Zigarettenproduktion in den letzten fünf Jahren entwickelt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Produktion der deutschen Zigarettenhersteller ist in den letzten fünf Jahren um 10,4 °/o auf 143 Milliarden Stück im Jahre 1974 angestiegen. Nach den bisher vorliegenden Daten dürfte die Produktion im Jahre 1975 diejenige des Vorjahres erreichen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ergebnisse der deutschsowjetischen Wirtschaftsbesprechungen der zweiten Juniwoche 1975 in Bonn?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung ist mit dem Verlauf der fünften Tagung der deutsch-sowjetischen Wirtschaftskommission, die vom 9. bis 11. Juni in Bonn stattfand und durch Besuche beim Bundeskanzler und beim Bundesaußenminister sowie bei einigen Unternehmen ergänzt wurde, zufrieden. Am Vorabend des fünften Jahrestages des Moskauer Vertrages wurde deutlich, daß beide Regierungen und die Wirtschaft beider Länder den Weg der Intensivierung ihrer gegenseitig vorteilhaften Wirtschaftsbeziehungen konsequent weitergehen werden. Beide Seiten stimmten darin überein, daß durch weitere große Projekte vor allem im Bereich der Rohstoffe und durch eine Verbesserung der sowjetischen Lieferstruktur verstärkte sowjetische Lieferungen und damit eine größere Ausgeglichenheit des Warenaustausches erreicht werden sollen.
In diesem Sinne konnten erfreuliche Fortschritte in den Arbeiten der zahlreichen Branchengruppen der Kommission festgestellt werden. Einige Projekte wie das Erdgasdreieckgeschäft unter Einschluß des Iran, die noch bei der letzten Kommission behandelt worden waren, konnten inzwischen erfolgreich vereinbart werden. Die Kommission erörterte auch einige besonders erfolgversprechende Ansätze für neue Kooperationsmöglichkeiten wie die Kooperation bei der Modernisierung der Leicht- und Maschinenbauindustrie der UdSSR oder die Kooperation in der Zellstoff- und Papierherstellung, die durch eine Expertengruppe geklärt werden sollen.
Nützlicher Bestandteil der Kommissionsarbeiten waren daneben einige allgemeine Fragen, z. B. die Frage der Förderung von Geschäftskontakten.
Beide Seiten brachten ihre Erwartung zum Ausdruck, daß durch die günstige Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen auch das gesamte Verhältnis zwischen beiden Ländern positiv beeinflußt wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schweitzer.
Herr Staatssekretär, können Sie vielleicht noch ganz kurz einige ergänzende Angaben über die Entwicklung des deutsch-sowjetischen Handels im abgelaufenen Jahr machen? Oder liegen Ihnen die Zahlen dafür gerade nicht vor?
Ich habe die exakten Zahlen für diesen Handelsaustausch hier leider nicht zur Verfügung, werde sie Ihnen aber gern zuleiten.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie meinen Eindruck bestätigen, den ich — vermutlich mit anderen Kollegen — bei Parlamentariergesprächen mit Herrn Samjatin gewonnen habe, daß sich die Sowjetunion in diesem Zusammenhang insgesamt, wenn ich das so sagen darf, mit der Einschaltung der EWG bei künftigen Fixierungen unserer Handelsbeziehungen positiv abgefunden hat?
Ich kann diesen Eindruck bestätigen, insbesondere weil von seiten der Bundesregierung in diesem Zusammenhang nie Unklarheiten über unsere Position aufgekommen waren und die Sowjetunion an der Intensivierung des Handelsaustausches interessiert ist und deshalb unsere Position in dieser Frage respektiert.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Sauer.
Herr Staatssekretär Grüner, können Sie mitteilen, wieviel deutsche Firmen zur Zeit ein Wirtschaftsabkommen mit sowjetischen Firmen getroffen haben?
Nein, ich kann Ihnen darüber keine Zahlenangaben machen. Ich bin gern bereit, Ihnen entsprechende Zahlen zu übermitteln, die dann aller-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12579
Parl. Staatssekretär Grünerdings möglicherweise nicht vollständig sind, weil auch etwa der Ostausschuß der deutschen Wirtschaft nicht über voll abgerundete Zahlen verfügt. Aber den Gesamttrend kann ich Ihnen mitteilen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 22 des Abgeordneten Reuschenbach ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Die Frage 23 des Abgeordneten Höcherl wird schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung die eingetretenen Auswirkungen ihrer Währungs-, Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik auf die Arbeitsplätze und Unternehmen im Zonenrandgebiet rückgängig zu machen, und welche Mittel wird sie einsetzen, um wenigstens die noch bestehenden Arbeitsplätze der Porzellan-, Glas-, Bau- und sonstigen gewerblichen Wirtschaft sowie der Deutschen Bundesbahn zu erhalten, die zum Teil in diesem Gebiet besonders gefährdet sind?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die Auswirkungen ihrer Währungs-, Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik auf die Arbeitsplätze von Unternehmen im Zonenrandgebiet als insgesamt positiv anzusehen sind. Sie sieht daher keine Notwendigkeit, diese Maßnahmen rückgängig zu machen. Zur Sicherung der Arbeitsplätze im Zonenrandgebiet stehen die Förderungsmöglichkeiten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zur Verfügung, die durch Beschluß des Planungsausschusses vom 20. März 1975 erneut verbessert worden sind.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Kunz.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung angesichts der Lage der Wirtschaft und der Arbeitsplätze der Auffassung, daß die für das Zonenrandgebiet bisher angebotenen Hilfen ausreichen, dort mit der übrigen Bundesrepublik vergleichbare Arbeitsmarkt- und Lebensverhältnisse zu schaffen?
Die Bundesregierung ist dieser Meinung, da ja die Ihnen bekannte besondere Präferenz für das Zonenrandgebiet gegeben ist, die über all das hinausgeht, was in anderen Gebieten gefördert wird. Das heißt natürlich nicht, Herr Kollege, daß es nicht noch eine Verbesserung der Zustände dort geben sollte. Wir alle wissen aber, daß die Möglichkeiten, Anreize zu geben, begrenzt sind, insbesondere in so schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, wie wir sie im Augenblick haben.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kunz.
Herr Staatssekretär, warum weigert sich die Bundesregierung, für das Zonenrandgebiet ähnliche Förderungsmaßnahmen vorzusehen wie für Berlin, obwohl das Zonenrandgebiet wirtschaftlich und arbeitsmarktpolitisch nachweislich wesentlich ungünstiger dasteht als Berlin?
Herr Kollege, wir haben durch das Zonenrandförderungsgesetz in der wirtschaftlichen Förderung für das Zonenrandgebiet die höchste Präferenz nach Berlin vorgesehen. Soweit ich weiß, war es ein Beschluß des ganzen Deutschen Bundestages, der zu diesem Gesetz geführt hat. Alle Fraktionen dieses Hauses legen großen Wert darauf, daß die Förderung in dieser Form erhalten bleibt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sauer.
Herr Staatssekretär, auf Grund Ihrer ersten Antwort darf ich Sie fragen, ob Sie das Material der Industrie- und Handelskammer Braunschweig kennen, aus dem hervorgeht, daß in den letzten zehn Jahren in diesem Gebiet mehrere hundert Unternehmen in Konkurs gegangen sind und ständig zahlreiche junge Leute den Verwaltungsbezirk Braunschweig verlassen, weil sie keine Arbeitsplätze vorfinden. Würden Sie auf Grund dieses Materials Ihre Auskunft für den niedersächsischen Bereich noch einmal überprüfen?
Herr Kollege, wir kennen die Schwierigkeiten, die im Augenblick in vielen Bereichen der Bundesrepublik auftreten.
Sie sind leider nicht auf das Zonenrandgebiet beschränkt. Im übrigen können wir feststellen, daß die Entwicklung, generell gesehen, auch in der jetzigen schwierigen wirtschaftlichen Situation im Zonenrandgebiet in der Relation nicht schlechter ist als in der übrigen Bundesrepublik, was eigentlich sehr für den Erfolg unserer Zonenrandförderung spricht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Junghans.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie viele neue Arbeitsplätze in den letzten fünf Jahren im Zonenrandgebiet auf Grund der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" geschaffen worden sind?
Metadaten/Kopzeile:
12580 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Ich habe leider diese Zahlen nicht an der Hand, Herr Kollege. Es ist bekannt, daß die Erfolge der Förderungsmaßnahmen in den Debatten dieses Hauses immer wieder unterstrichen worden sind, und zwar von allen Parteien. Es wäre sonst wohl nicht erklärlich, daß von allen Fraktionen mit so großem Nachdruck an der Fortführung dieser Zonenrandförderung und an der Präferenz festgehalten wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorhin anerkannt haben, daß eine stärkere Förderung möglich und nötig sei, frage ich Sie: Warum erfolgt die nicht, und in welcher Form könnte man sie vornehmen?
Diese Förderung erfolgt tatsächlich, weil die Zonenrandförderung die höchste Präferenz überhaupt in unserem Präferenzsystem genießt.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reuschenbach.
Herr Staatssekretär, wäre es Ihnen möglich und wären Sie bereit, zu gegebener Zeit, aber nicht allzu spät den Mitgliedern des Bundestages, zumindest aber dem Wirtschaftsausschuß, einmal eine Übersicht darüber zu geben, welche diversen, unterschiedlichen, zum Teil gegensätzlichen Forderungen in den letzten zwei Monaten aus den Reihen der Opposition gegenüber Ihrem Ministerium gestellt worden sind, einschließlich der dazugehörenden Kosten?
Wenn eine entsprechende Aufforderung des Wirtschaftsausschusses ergeht, werde ich sehr gerne im Wirtschaftsausschuß detailliert zu diesen Fragen Stellung nehmen.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Thürk auf:
Wußte die Bundesregierung bereits vor dem 4. Mai dieses Jahres von der Absicht der Veba-AG, Raffineriekapazitäten stillzulegen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Der Bundesregierung waren vor dem 4. Mai 1975 keine derartigen Pläne bekannt. Der Aufsichtsrat der Veba-Chemie AG, in dem die Bundesregierung vertreten ist, wurde erstmals in seiner turnusmäßigen Sitzung am 5. Mai 1975 über die Überlegungen des Unternehmens zur Verminderung der erheblichen Verluste unterrichtet. Ein konkreter Beschluß zu einer starken Reduzierung des Rohöldurchsatzes wurde erst in der außerordentlichen Aufsichtsratsitzung des Unternehmens am 26. Mai 1975 gefaßt. Danach sollen verschiedene Raffinerie- und Chemieanlagen im Konzernbereich stillgelegt werden, und zwar nicht vollständig, sondern nur vorübergehend. Für die betroffenen Arbeitnehmer ist Kurzarbeit vorgesehen worden. Über die erforderlichen Einzelmaßnahmen wurde inzwischen für die Mehrzahl der betroffenen Konzernbereiche Einvernehmen zwischen den jeweiligen Unternehmensleitungen und den Arbeitnehmervertretungen erzielt.
Herr Staatssekretär, waren der Bundesregierung — ich weiß nicht, ob ich sie akustisch richtig verstanden habe — auch nicht die hohen Verluste der Veba-AG, die möglicherweise für die Frage der Kapazitätsstillegung maßgeblich waren, bekannt? Wenn nicht, warum nicht?
Die Vertreter im Aufsichtsrat waren mit Sicherheit über die Situation informiert. Die Bundesregierung hatte sich mit dieser Frage, soweit ich weiß, nicht beschäftigt — was auch nicht ihre Aufgabe ist, darf ich hinzufügen.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Thürk auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die in den letzten Wochen unter Führung der Veba-Konzerntöchter Aral und Fanal vorgenommene Benzinpreiserhöhung in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht?
Die Bundesregierung sieht im Einklang mit dem Bundeskartellamt keinen Anlaß, wegen der kürzlich vorgenommenen Benzinpreiserhöhungen kartellrechtliche Maßnahmen einzuleiten. Die Entwicklung der Benzinpreise ab Juli 1974 hat gezeigt, daß der Wettbewerb auf dem Benzinmarkt funktioniert. Die Mineralölgesellschaften mußten die im Gefolge der starken Rohölpreissteigerungen zu Beginn des Jahres 1974 vorgenommenen Benzinpreiserhöhungen von zirka 8 Pfennig je Liter infolge des verstärkten Angebotsdrucks, insbesondere in Rotterdam, schrittweise zum größeren Teil zurücknehmen.
Der in jüngster Zeit nachlassende Angebotsdruck hat es den Mineralölgesellschaften ermöglicht, einen Teil dieser zurückgenommenen Preiserhöhungen erneut im Markt durchzusetzen. Darin kann kein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht gesehen werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thürk!
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht mit mir das Gefühl, daß das merkwürdige Gleichverhalten der Mineralölkonzerne die Bundesregierung dazu aufrufen sollte, das Kartellamt einzuschalten? Wenn das nicht geschehen ist, frage ich: Warum nicht?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12581
Herr Kollege, das Bundeskartellamt ist gehalten, von sich aus — ganz unabhängig von Initiativen der Bundesregierung — derartige Vorgänge zu beobachten. Ich erinnere daran, daß sehr intensive, eingehende Untersuchungen durch das Kartellamt in diesem Markt stattgefunden haben.
Ich kann nur noch einmal darauf verweisen, daß nach unseren derzeitigen Kenntnisstand diese Preisbewegungen von der Marktlage her diktiert sind und nicht etwa auf kartellwidrigen Absprachen beruhen. Das ist der Erkenntnisstand, der uns zur Verfügung steht. Die vom Kartellamt durchgeführten Untersuchungen haben eine sehr wichtige und ergänzende Erkenntnis in dieser Richtung gebracht.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thürk.
Herr Staatssekretär, müßte nicht ein gleichartiges Verhalten ganzer Wirtschaftszweige, wenn das dafür eingesetzte Bundesamt nicht reagiert, die Bundesregierung kraft ihrer Aufsichtspflicht dazu veranlassen, einzuschreiten oder sich zumindest mit den Hintergründen der Nichttätigkeit der entsprechenden Bundesämter zu befassen?
Sie können davon ausgehen, daß ein ständiger Kontakt zwischen dem Kartellamt und dem Bundeswirtschaftsministerium in allen wichtigen wettbewerbsrechtlichen Fragen besteht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Zeyer.
Herr Staatssekretär, treffen Presseberichte zu — z. B. in der „Deutschen Zeitung" vom 6. Juni dieses Jahres —, wonach die Bundesregierung die mögliche Erhebung einer Ölsondersteuer in die Diskussion gebracht hat, damit die Veba-Konzerntöchter Aral und Fanal mit Hilfe der internationalen Konzerne Preissteigerungen für Benzin und Heizöl durchsetzen können?
Solche Pressemeldungen treffen nicht zu.
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Pack.
Meint die Bundesregierung, daß man den deutschen Autofahrer durch zusätzliche Belastungen immer wieder aufs neue melken kann?
Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß die Knappheitssituation auf den internationalen Ölmärkten, die ja im Gefolge der Kartellpolitik der Olförderländer entsteht, durch Maßnahmen der Bundesregierung vom deutschen Verbraucher ferngehalten werden kann.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Zeyer auf:
Um wieviel Prozent lag das Bruttosozialprodukt im ersten Quartal 1975 unter dem Niveau des ersten Quartals 1974, und mit welchem realen Rückgang des Bruttosozialprodukts muß in diesem Jahre nach den Daten, die der Konzertierten Aktion am 6. Juni 1975 vorgelegen haben, gerechnet werden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
In ,der Bundesrepublik gibt es keine amtlichen Feststellungen der vierteljährlichen Sozialproduktentwicklung. Nach Schätzungen meines Hauses auf Grund der bisher bekannten statistischen Indikatoren lag das Sozialprodukt im ersten Quartal 1975 um etwa 4,5 % unter dem vergleichbaren Vorjahresniveau. Schätzungen anderer Stellen, z. B. des DIW, 'kommen zu ähnlichen Ergebnissen.Bei der Interpretation dieser Zahlen muß jedoch auch berücksichtigt werden, daß aus kalendarischen Gründen weniger Arbeitstage als im ersten Quartal 1974 gegeben waren. So hat sich z. B. allein wegen der Lage der Osterfeiertage die Zahl der Arbeitstage um 31/2 % gegenüber dem ersten Quartal 1974 vermindert.Hiermit wird deutlich, daß der Rückgang des Sozialprodukts, den ich vorhin erwähnte, nach unten verzerrt ist. Nach Berechnungen des DIW beträgt so auch der Rückgang bei arbeitstäglicher Betrachtungsweise nur 3 %. Sollte das Niveau des ersten Quartals im weiteren Verlauf des Jahres 1975 beibehalten werden, würde der Jahresdurchschnitt 1974 nicht um 4,5 % wie im ersten Quartal, sondern um zirka 3 % unterschritten werden, da im Verlaufe des Jahres 1974 das Sozialprodukt zurückging.Auf Grund der wirtschaftspolitischen Expansionsmaßnahmen von Bundesregierung und Bundesbank und der gleichgerichteten Anstrengungen unserer Handelspartner geht die Bundesregierung, wie übrigens auch die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, jedoch davon aus, daß sich die konjunkturelle Entwicklung im weiteren Jahresverlauf beleben wird. Es sei aber darauf hingewiesen, daß die angenommene Entwicklung nur erreichbar ist, erstens wenn sich die Weltkonjunktur bereits in der zweiten Jahreshälfte belebt und damit die derzeitig rückläufige Exportnachfrage wieder ansteigt, zweitens die Nachfrage nach Investitionsgütern nicht nur vor Auslaufen der Investitionszulage stoßartig zunimmt, sondern sich mit Verbesserungen der Exportnachfrage im Verlauf des zweiten Halbjahres nachhaltig belebt, drittens die Verbraucher ihre derzeitige Kaufzurückhaltung bald aufgeben und die gesamtwirtschaftliche Sparquote von ihrer gegenwärtigen Höhe auf ein normales Niveau zurückgeht.Wenn diese Bedingungen eintreten, werden sich nach der Prognose des interministeriellen Arbeitskreises „Gesamtwirtschaftliche Voraussetzungen" vom 21. Mai dieses Jahres in den folgenden Quartalen die negativen Abstände gegenüber dem Vor-
Metadaten/Kopzeile:
12582 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Parl. Staatssekretär Grünerjahrsniveau verringern, um schließlich wieder in einen positiven Abstand umzuschlagen, so daß dann im Jahresdurchschnitt 1975 ein realer Rückgang des Sozialprodukts vermieden werden könnte.Diese bedingte Prognose hat der Konzertierten Aktion vorgelegen und wurde auch zusammen mit den zugrunde liegenden Hypothesen dem Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt. Hiernach ist im Jahresdurchschnitt 1975 mit einer Stagnation des Sozialprodukts zu rechnen. Ein Ausbleiben nur einer dieser Hypothesen, insbesondere die Verzögerung der Erholung der Weltkonjunktur, aber auch eine Verschiebung des konjunkturellen Wendepunktes um nur zwei bis drei Monate, würde zu ungünstigeren Ergebnissen für den Jahresdurchschnitt 1975 führen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeyer.
Herr Staatssekretär, von welcher durchschnittlichen Arbeitslosenzahl ist man bei der Konzertierten Aktion am 6. Juni dieses Jahres für das Jahr 1975 ausgegangen?
Ich habe die damalige Zahl jetzt nicht zur Hand. Aber ich glaube, daß die hier gegebene Auskunft und die Debatte des Bundestages über die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen ja einen hinreichenden Informationsgrad ergeben. Ich bin aber gerne bereit, Herr Kollege, die Zahlen, die wir dem Wirtschaftsausschuß schon zugeleitet haben, noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob etwa die Zahlen, die Sie erfragen, gefehlt haben. Ich werde das nachholen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeyer.
Herr Staatssekretär, teilen die Konzertierte Aktion und vor allem die Bundesregierung die Auffassung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, wie er sie beispielsweise am 14. Juni dieses Jahres gegenüber der „Saarbrücker Zeitung" geäußert hat, daß in diesem Jahr im Jahresdurchschnitt mit über einer Million Arbeitslosen gerechnet werden müsse?
Niemand kann eine solche Voraussage mit Sicherheit machen. Ich glaube, ich habe eindeutig klargelegt, welche Bedingungen für die Annahmen erfüllt sein müssen, die wir der Konzertierten Aktion vorgelegt haben und die ja Herr Staatssekretär Dr. Schlecht auch im Wirtschaftsausschuß des Bundestages erläutert hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Zeitel.
Herr Staatssekretär, wie groß muß nach den letzten bekannten Konjunkturdaten das Wachstum des realen Sozialprodukts in der zweiten Jahreshälfte sein, um auf ein Nullwachstum zu kommen?
Eine solche Zahl läßt sich nicht nennen, Herr Professor Zeitel, weil es von dem Zeitpunkt abhängt, an dem der Aufschwung wirksam wird, und damit von der Verlaufskurve im ersten Halbjahr. Eine solche Zahl für das zweite Halbjahr ist also so lange nicht zu nennen, so lange die Ergebnisse für das erste Halbjahr nicht bekannt sind.
Aber ich glaube, Herr Professor Zeitel, daß aus meinen Aussagen eindeutig hervorgeht, unter welchen Voraussetzungen wir in diesem Jahr nicht mit einem realen Absinken des Sozialprodukts zu rechnen haben.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Pack.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß von einem Wachstum nur bei einer realen Zunahme des Bruttosozialproduktes die Rede sein kann und daß der Begriff des Null- oder Minuswachstums nur den tatsächlichen Rückgang vertuschen soll?
Nein, Frau Kollegin. Ich glaube, daß ich eindeutig dargelegt habe, wie die Erwartungen sind, was die bedingten Prognosen aussagen und unter welchen Voraussetzungen wir im Jahresverlauf reales Wachstum erreichen können und unter welchen nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wagner .
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, nachdem Sie Herrn Professor Zeitel auf seine Frage geantwortet haben, eine solche Zahl lasse sich nicht nennen, möchte ich fragen: Verhält es sich nicht doch so, daß diese Zahl sehr leicht genannt werden kann, nämlich dann, wenn das reale Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr — ohne Rücksicht auf den Verlauf ganz einfach für diesen Zeitraum — angenommen und gesagt wird, was erforderlich wäre, damit im Gesamtdurchschnitt des Jahres dann das apostrophierte „Nullwachstum" erreicht wird?
Selbstverständlich, wenn die Frage so gestellt ist, kann ich Ihnen viele Zahlen nennen.
— Nein, dann muß ich auch die Annahmen hinzufügen, unter denen eine solche Zahl erwartet wird. Es ist also für einen Wirtschaftswissenschaftler wirklich ungewöhnlich, eine solche Verlaufspro-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12583
Parl. Staatssekretär Grünergnose zu erwarten, ohne die Annahmen, unter denen er sie erwartet, mitzuteilen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, halten Sie den von Ihrer Regierung und auch von Ihnen selbst verwendeten Ausdruck „Nullwachstum" nicht für einen philologischen und nationalökonomischen Unsinn, als einen Ausdruck für eine Pleite Ihrer Wirtschaftspolitik?
Nein, das ist nicht der Fall, denn auch wenn wir in diesem Jahr im Vergleich zum Jahre 1974 ein reales Nullwachstum haben, setzt das voraus, daß wir etwa in der zweiten Hälfte dieses Jahres deutliche reale Zuwachsraten haben. Das ist die Voraussetzung, wenn wir insgesamt — im Jahresdurchschnitt — ein Nullwachstum erreichen wollen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 28 der Abgeordneten Frau Pack auf:
Zu wieviel Prozent war die Produktionskapazität der deutschen Industrie im April 1974 ausgelastet, und wie hoch war der Auslastungsgrad im April 1975?
Der Auslastungsgrad der Industrie wird nicht im Rahmen der amtlichen Statistik erfaßt, sondern von einigen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten auf Grund recht unterschiedlicher Verfahren geschätzt. Die zeitnahesten Schätzungen erstellt das Ifo-Institut für Wirschaftsforschung in München mittels Befragungen der Unternehmen.
Die Erhebungen bei der verarbeitenden Industrie finden viermal im Jahre statt. Sie hatten 1974 folgendes Ergebnis: Januar 83,7, April 84, Juli 81,8, Oktober 80,7 %. Die Zahlen für 1975: Januar 74,9, April 75,4 %. Hieraus ergibt sich ein rechnerischer Durchschnitt von 82,6 % für die vier Stichtage des Jahres 1974.
Die auf Grund von Kapazitätsfortschreibungen und der Produktionsentwicklung errechneten Auslastungsziffern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin liegen erst bis zum dritten Quartal 1974 vor, für das sich ein Auslastungsgrad von 82,4 % für die verarbeitende Industrie ergab.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Pack.
Worauf führt die Bundesregierung den starken Rückgang im Auslastungsgrad der Sachkapazitäten von April 1974 auf April 1975 zurück?
Das sind die Auswirkungen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, insbesondere auch die Auswirkungen des außerordentlich starken Nachlassens der Auslandsnachfrage.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, empfinden Sie es nicht auch als unehrlich, wenn die Bundesregierung bei diesem gravierenden Rückgang im Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten der deutschen Industrie der Bevölkerung noch im April dieses Jahres vorgaukelte, der Aufschwung sei da?
Ich empfinde das nicht als eine unrichtige Aussage, weil wir uns zum jeweiligen Zeitpunkt auch auf die jeweiligen Sachverständigenäußerungen gestützt haben und weil es eben ein Schicksal der Wirtschaftsentwicklung ist, daß sich Daten ändern können. Leider haben sie sich zuungunsten der deutschen Wirtschaft verändert.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeyer.
Herr Staatssekretär, gibt die Bundesregierung zu, daß sich das Konjunkturprogramm vom 12. Dezember des vergangenen Jahres vor allem mit der Investitionszulage von 7,5 % bei dem von Ihnen geschilderten starken Rückgang in der Auslastung der Produktionskapazitäten als Fehlleistung darstellt, die den Staat rund 8 Milliarden DM kostet?
Wenn es den Staat 8 Milliarden DM kostet, ist es sicher kein Fehlschlag gewesen,
weil dann entsprechende Umsätze getätigt worden sind. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß die wirtschaftliche Lage ohne diese konjunkturellen Maßnahmen ungünstiger wäre, als sie sich heute darstellt. Eine rein rechnerische Angabe dessen, was bewirkt worden ist, und dessen, was nicht bewirkt worden ist, ist, wie Sie wissen, leider nicht möglich.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Reuschenbach.
Herr Staatssekretär, würden Sie — da ich selbst es nicht kann — der Öffentlichkeit und den Mitgliedern des Hauses mitteilen, daß die Opposition dem kritisierten Programm zugestimmt hat?
Metadaten/Kopzeile:
12584 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wagner .
Herr Staatssekretär, stimmen Sie der Meinung zu, daß das Konjunkturprogramm vom Dezember 1974 nur dann kein Fehlschlag wäre, wenn es zusätzliche Investitionen herbeigeführt hätte, also nicht nur eine Begünstigung für die Investitionen gebracht hätte, die ohnehin getätigt worden wären, und daß folglich die Kosten dieser Investitionszulage — ob nun 7 oder 8 Milliarden DM — für sich allein über Erfolg und Mißerfolg dieses Programms überhaupt nichts besagen?
Die Bundesregierung hat von der ersten Stunde an darauf aufmerksam gemacht, daß nicht allein zusätzliche Investitionen, die selbstverständlich mit diesem Programm in erster Linie angestrebt worden sind, sondern auch vorgezogene Investitionen mit ihrem Multiplikatoreffekt dem Ziel dieses Konjunkturprogramms entsprachen. Ich glaube, daß das auch für die Opposition überzeugend war; sonst hätte sie diesem Programm nicht zugestimmt.
Ich rufe die Frage 29 der Frau Abgeordneten Pack auf:
Um wieviel Prozent lagen die Auftragseingänge der deutschen Industrie im April 1975 unter denen von April 1974?
Die Auftragseingänge bei der verarbeitenden Industrie, ohne Nahrungs- und Genußmittel, lagen im April nach den vorläufigen statistischen Ergebnissen um 4 % unter dem entsprechenden Stand des Vorjahres. Während bei den Inlandsbestellungen der Vorjahrestrend leicht überschritten wurde — plus 1,7 % —, ergab sich bei den Auslandsorders ein deutlicher Rückgang, minus 15,8 %.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Pack.
Ist es richtig, daß sich im April 1975 im Auftragseingang ein Minus von real insgesamt 13,5 % gegenüber 1974 ergab?
Das ist tendenziell — ohne daß ich diese Zahl ad hoc nachprüfen kann — möglich, vor allem wegen der extrem starken Rückläufigkeit der Auslandsnachfrage, die ich auch in meiner Antwort schon erwähnt habe.
Keine Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der nicht eingetretenen nachstehenden Ankündigung, und welches Jahr mag sie vielleicht gemeint haben, als sie am 31. Dezember 1974 vom Bundespresseamt bundesweit in Zeitungsanzeigen mit erheblichen Geldkosten prophezeien ließ: „Der Aufschwung kommt. Im Frühjahr werden wir über den Berg sein."?
Die Bundesregierung hält die Aussage der Zeitungsanzeige des Bundespresseamts vom Jahresende 1974 nach wie vor für richtig. In dieser Anzeige wurde darauf hingewiesen, daß es im weiteren Verlauf zu einem Aufschwung kommen werde und die konjunkturelle Abschwungphase im Frühsommer, und nicht, wie irrtümlich in .der Bundestagsdrucksache ausgedruckt, im Frühjahr hinter uns liegen werde. Die vorliegenden Daten weisen in der Tat in diese Richtung.
Erstens. Die Abwärtsentwicklung der Binnennachfrage ist, wie die saisonbereinigten Zahlen für die ersten vier Monate 1975 zeigen, insgesamt weitgehend zum Stillstand gekommen. Die Investitionsgüternachfrage aus dem Inland ist sogar deutlich gestiegen.
Zweitens. Der Rückgang der Industrieproduktion hat sich saisonbereinigt spürbar abgeflacht.
Drittens. Die Geschäftserwartungen in der Wirtschaft haben sich nach den Ergebnissen des Ifo-Tests im Vergleich zum letzten Quartal 1974 gebessert.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, anscheinend haben Sie meine Frage nicht ganz gelesen. Sie haben hier von einem Jahr nichts gesagt. Ich frage Sie, welches Jahr haben Sie gemeint, als Sie diese Anzeige aufgaben „Der Aufschwung kommt — im Frühsommer sind wir über den Berg"? Meinten Sie 1976, 1977 oder andere Jahre? Auch in der Antwort haben Sie von einem Jahr nichts gesagt.
Herr Kollege, ich hatte das für eine rhetorische Scherzfrage gehalten. Gemeint war das Jahr 1975.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, muß man Ihre Antwort „Frühjahr—Sommer 1975" so werten, wie es der „General-Anzeiger" am 31. Mai 1975 unter der Überschrift „Der düpierte Wähler" schrieb: „Ein so gescheiter wirtschafts- und finanzpolitisch erfahrener Mann wie Helmut Schmidt weiß natürlich, wie er Konjunkturberichte der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, einzuschätzen hat. Freilich, das Lügen gehört zum Wahlgeschäft."
Kurze Fragen, Herr Abgeordneter Niegel! Bitte, Herr Grüner!
Dieser Kommentar gibt den Verlauf
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12585
Parl. Staatssekretär Grünerder Beratungen in der OECD und das gemeinsame Erörtern der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung sicher nicht richtig wieder. Unsere internationalen Verhandlungen zeigen ja auch immer wieder sehr deutlich, wie unterschiedlich die einzelnen Länder ihre eigenen Chancen einschätzen. Die OECD ist gezwungen, aus diesen unterschiedlichen Einschätzungen dann eine Gesamtmeinung herauszubilden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer!
Herr Staatssekretär, in welchen Zeitungen sind die Anzeigen erschienen, und auf welche Kosten belaufen sie sich? Sind Sie bereit, dies einmal schriftlich bekanntzugeben, zumal Sie Auftraggeber waren?
Dafür bin ich nicht zuständig. Wenn Sie eine Anfrage zu diesem Thema einreichen, wird sie sicher beantwortet werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reuschenbach.
Herr Staatssekretär, wenn schon von Bewertungen von Wahlkampfparolen die Rede ist, muß man dann nicht die andere Parole „Wählt den politischen Frühling" als Einmengung in die Kompetenzen des lieben Gottes bezeichnen?
Ich teile Ihre Auffassung, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Dr. Luda auf:
Hält der Bundeskanzler seine Erklärungen vom 1. Mai 1975 „die größten Sorgen liegen hinter uns. Es geht jetzt ganz eindeutig aufwärts . . Ich bleibe also bei meiner Frühsommerprognose" mit der Erklärung des zuständigen Bundeswirtschaftsministers für vereinbar, daß sich „unsere Wirtschaft erst in der zweiten Jahreshälfte erholt" und daß es eine Leistung sei, „wenn es gelinge, die Null-Linie zu erreichen"?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die offenkundig einem Interview des Herrn Bundeskanzlers mit der „Neuen Rhein-Zeitung" entnommenen Zitate und die angeführten Äußerungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers sind miteinander vereinbar. Der Herr Bundeskanzler hat in seinem Interview die konjunkturelle Lage als eine Übergangsphase charakterisiert, in der es konjunkturell nicht mehr bergab gehe und sich die aufwärtsgerichteten Zeichen mehrten. Den weiteren konjunkturellen Verlauf hat der Bundeskanzler mit dem Bild umschrieben, daß wir uns bald „auf einem aufsteigenden Ast" befinden würden. Diese Darstellung steht durchaus nicht im Widerspruch zu den Aussagen des Bundeswirtschaftsministers, daß sich „unsere Wirtschaft erst in der zweiten Jahreshälfte erholt". Unter „Erholung der Wirtschaft" ist nämlich mehr zu verstehen als das Erreichen der Talsohle und das Sichtbarwerden einiger positiver Indikatoren.
Zu den durchschnittlichen Wachstumsaussichten für das Jahr 1975 hat sich der Herr Bundeskanzler in dem herangezogenen Interview nicht geäußert. Daher kann kein Widerspruch zu dem vom Bundeswirtschaftsminister genannten Wachstum von im Jahresdurchschnitt annähernd Null gegeben sein. In der Tat ist nach dem deutlichen Rückgang des Sozialprodukts im ersten Vierteljahr 1975 eine erhebliche Beschleunigung des Wirtschaftswachstums im weiteren Jahresverlauf erforderlich, um zu der genannten Null-Linie für den Jahresdurchschnitt zu gelangen. Auch der Bundeskanzler ist in seinem Interview von einer deutlichen Leistungssteigerung der deutschen Wirtschaft ausgegangen. Er hat allerdings angesichts der starken außenwirtschaftlichen Verflechtung der deutschen Wirtschaft immer wieder auf die großen Risiken der Auslandsnachfrage hingewiesen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Luda!
Herr Staatssekretär, bleibt der Bundeskanzler hinsichtlich des wirtschaftlichen Aufschwungs weiterhin bei seiner Frühsommerprognose?
Herr Kollege, ich glaube, daß die Bundesregierung in der Aktuellen Stunde, die Sie zu diesem Thema beantragt haben, in aller Breite und mit aller Deutlichkeit ihren Standpunkt zu dieser Frage hier dargelegt hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Luda!
Herr Staatssekretär, angesichts der Differenzen zwischen der damaligen Aussage des Bundeskanzlers und seines Ressortministers möchte ich Sie nochmals fragen: Welches ist die Auffassung des Bundeskanzlers über die Prognose „Frühsommeraufschwung" heute — des Bundeskanzlers, nicht der Bundesregierung? Offenbar gibt es da doch immer wieder unterschiedliche Auffassungen.
Herr Kollege, auch der Bundeskanzler hat in dieser Debatte Stellung genommen und seine Meinung hier sehr klar zum Ausdruck gebracht.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Zeyer.
Herr Staatssekretär, kann man davon ausgehen, daß auch der Bundeskanzler nunmehr der Auffassung ist, die Bürger in der Bundes-
Metadaten/Kopzeile:
12586 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Zeyerrepublik müßten sich an schlechte Zeiten gewöhnen, so wie es der Staatssekretär Dr. Schlecht in einem Interview in der „Bild"-Zeitung vom 9. Juni dieses Jahres getan hat?
Herr Abgeordneter, ich muß feststellen, daß dies nicht das Zitat ist, nach dem hier gefragt worden ist; Sie haben ein neues hinzugefügt. Ich weiß nicht, ob wir das so weitermachen wollen. Ich denke, das sollte man doch lassen. — Danke schön!
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Russe auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 33 des Hern Abgeordneten Dr. Zeitel auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß der Anstieg der Konkurse weiter anhält und daß hiervon mittelständische Betriebe besonders hart betroffen sind?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung betrachtet den Anstieg der Zahl der Konkurse mit Sorge. Sie geht jedoch davon aus, daß im Zuge der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung die Zahl der Konkurse und Vergleichsverfahren nicht im bisherigen Ausmaß anhält. Es gibt insbesondere Anzeichen dafür, daß der strukturelle Anpassungsprozeß, z. B. im Baugewerbe, weitgehend fortgeschritten ist und daß die gemeinsam mit der Bundesbank verfolgte Politik die Lage der Unternehmen allmählich verbessern wird.
Ob kleine und mittlere Unternehmen zum Anstieg der Zahl der Konkurse im letzten Jahr besonders beigetragen haben, kann an Hand der verfügbaren statistischen Daten nicht festgestellt werden. Es gibt keine Aufgliederung der Statistik der Konkurse und Vergleichsverfahren nach Beschäftigten oder Umsatzgrößenklassen.
Die Politik der Bundesregierung ist jedoch darauf gerichtet, kleinen und mittleren Unternehmen Finanzierungsmittel vorrangig verfügbar zu machen, mögliche Wettbewerbsnachteile durch eine Hebung des Leistungsstandes dieser Unternehmen auszugleichen sowie Hilfen beim Ausbau der kooperativen Möglichkeiten zu geben.
Ich darf im übrigen auf die schriftliche Beantwortung der Fragen des Herrn Kollegen Spranger und des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer vom 10. April bzw. 24. April 1975 hinweisen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeitel.
Herr Staatssekretär, wie hoch schätzen Sie den Forderungsausfall, der sich aus den Konkursen im ersten Vierteljahr ergeben hat, und hat dieser Forderungsausfall steigende Tendenz?
Ich kann Ihnen leider zu dieser Frage, auf die ich nicht vorbereitet bin, keine Angaben machen. Ich bin auch nicht sicher, ob auf Grund unserer statistischen Möglichkeiten überhaupt eine Antwort möglich ist. Ich werde das gerne prüfen und die Frage schriftlich beantworten, falls dies möglich ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Zeitel!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß im Bereich der Bauwirtschaft erneut Auftragskürzungen anstehen, die für die Entwicklung der mittelständischen Industrie besonders relevant sein könnten, und welche Folgerungen ziehen Sie daraus?
Die Bundesregierung hat die Folgerungen, die sie aus der derzeitigen wirtschaftlichen Lage zieht, mit allen Details nicht nur im Plenum des Bundestages, sondern auch im Wirtschaftsausschuß bekanntgegeben.
Eine Zusatzfrage, bitte sehr!
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, darf ich fragen, wie viele Konkurse es im Jahre 1975 — bis April oder Mai oder Juni; bitte nennen Sie die aktuellsten Ziffern, die Sie haben — gegeben hat?
Ich muß ehrlich sagen: vermutlich habe ich hier einige Zahlen; aber sie treffen nicht Ihre Frage. Ich wäre außerordentlich dankbar, wenn Sie an solchen Fragen interessiert sind und es sich um konkrete Zahlen handelt, wenn Sie sie vorher einreichten. Sonst ist eine korrekte Beantwortung nicht mit Sicherheit möglich. Ich möchte vermeiden, daß ich hier unrichtige Zahlen nenne. Ich werde gern schriftlich darauf zurückkommen.
Dafür wird das Haus Verständnis haben.
Bitte sehr!
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, auf welche Tatsachen stützen Sie Ihre Annahme, daß der strukturelle Anpassungsprozeß im Baugewerbe weitgehend abgeschlossen ist?
Wir stützen diese Annahme auf den Auftragseingang und den Auftragsbestand in diesem Bereich. Ich füge hinzu, Herr Kollege, daß eine solche Annahme selbstverständlich auch durch die weitere wirtschaftliche Entwicklung widerlegt werden kann, wie alle Aussagen über die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung von Bedingungen ab-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12587
Parl. Staatssekretär Grünerhängig sind, die hier genannt wurden und von denen niemand sicher voraussagen kann, ob sie eintreten werden.
Wir kommen damit zur Frage 34 des Abgeordneten Dr. Zeitel:
Ist der Bundeskanzler der Auffassung, daß das Konjunkturprogramm vom 12. Dezember 1974 die deutsche Wirtschaft in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 1974 dazu veranlaßt hat, nennenswerte zusätzliche Investitionen zu tätigen, und wenn ja, in welchem Umfange?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß mit dem Konjunkturprogramm vom 12. Dezember 1974 — in Verbindung mit einem gleichgerichteten geldpolitischen Kurs der Bundesbank — wichtige binnenwirtschaftliche Voraussetzungen für eine Wiederbelebung der Wirtschaftstätigkeit geschaffen worden sind. In dieser Auffassung sieht sich die Bundesregierung u. a. auch durch das jüngste Gemeinschaftsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute bestätigt. Ein wesentlicher Bestandteil des Dezember-Programms ist die befristete Investitionszulage, die noch bis Ende dieses Monats in Anspruch genommen werden kann. Vor Ablauf dieser Frist ist kein abschließendes Urteil über die konjunkturelle Wirkung dieser Vergünstigung möglich.
Bisher liegen nur Angaben für die Auftragseingänge in den Investitionsgüterindustrien aus dem Inland für die ersten vier Monate vor. Sie lagen in den Monaten Januar bis April wertmäßig um 4,6 % über dem Niveau der gleichen Vorjahresperiode.
Konjunkturell aussagefähiger ist jedoch die Entwicklung der saisonbereinigten Zahlen. Diese waren — nach dem Saisonbereinigungsverfahren der Deutschen Bundesbank — im Zeitraum Januar/April wertmäßig um 12,4 % höher als im vorangegangenen Viermonatsabschnitt. Eine eindeutige Erfassung der zusätzlichen Investitionsaufträge ist dabei, wie vorhin schon ausgeführt, nicht möglich. Doch wäre ohne das Konjunkturprogramm die Inlandsnachfrage nach Investitionsgütern sicherlich schwächer ausgefallen.
Im übrigen sind auch vorgezogene Investitionsgüteraufträge wegen ihrer Multiplikatoreffekte wachstumsfördernd.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung nicht Befürchtungen, daß als Folge des sogenannten Vorzieheffektes ein Auftragsloch in der Investitionsgüterindustrie in der zweiten Jahreshälfte entstehen könnte?
Sicher, Herr Kollege, gibt es keine Entwicklung, die man nicht auch unter negativen
Aspekten oder mit Befürchtungen betrachten könnte. Ob eine solche Entwicklung eintritt, hängt von vielen Bedingungen ab, von denen wir nicht mit Sicherheit sagen können, ob sie eintreten werden oder nicht. Jedenfalls ist entscheidend, daß wir durch diese Investitionszulage im ersten Halbjahr eine gewisse Belebung der Inlandsnachfrage nach Investitionsgütern erreicht haben. Das war angesichts der Schwierigkeit der wirtschaftlichen Lage ein sehr wichtiges Ziel.
Eine zweite Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Dr. Zeitel.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung den Aufwand für die Investitionsprämie im Verhältnis zu den bis jetzt erkennbaren Resultaten nicht für einen fragwürdigen Einsatz von Mitteln, die, gezielter eingesetzt, mehr für die Konjunktur bedeutet hätten?
Die Bundesregierung war sich bei der Vorlage dieses Programms des Themas Aufwand und Ertrag voll bewußt. Sie hat sich zu diesem Programm bekannt. Die jetzige wirtschaftliche Lage zeigt deutlich, daß es dringend notwendig war, ein solches Programm zu verabschieden, weil die wirtschaftliche Entwicklung schlechter war, als etwa vom Sachverständigenrat vorausgesehen worden war, der die Bundesregierung ja im November aufgefordert hatte, keine zusätzlichen konjunkturellen Maßnahmen zu ergreifen. Ich nehme an, daß die Opposition dem Programm auch unter diesen Gesichtspunkten seinerzeit zugestimmt hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gerster.
Herr Staatssekretär, können Sie mir das, was mir aus meinem Wahlkreis definitiv bekannt ist, für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland bestätigen, daß nämlich bis heute das Konjunkturförderungsprogramm, speziell die Investitionszulage, vom Mittelstand, d. h. von mittleren und kleinen Unternehmen, in nennenswertem Umfang nicht in Anspruch genommen worden ist?
Ich kann Ihnen das nicht bestätigen, zumal — und darauf habe ich hingewiesen — ein rechnerischer Nachweis überhaupt nicht möglich ist, weil Sie bei Investitionen überhaupt nicht auseinanderhalten können: wären sie ohnehin gemacht worden, sind sie vorgezogen worden, oder sind sie zusätzlich gemacht worden. Das wird es nicht geben. Ich weiß aber aus zahllosen Gesprächen, daß viele Unternehmen Investitionen vorgezogen haben, insbesondere im mittelständischen Bereich, und daß etwa die Belebung der Automobilnachfrage ohne die Investitionszulage in diesem Umfang nicht eingetreten wäre. Das ist jedenfalls die Meinung der Automobilindustrie.
Metadaten/Kopzeile:
12588 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, deuten denn nicht die steigenden Absatzzahlen in der Automobilindustrie im Binnenland auch darauf hin, daß gerade der Mittelstand sehr stark von dem Investitionszulagengesetz Gebrauch gemacht hat?
Darauf wollte ich mit meinem Hinweis auf die Belebung in der Automobilindustrie aufmerksam machen, weil dort nur die großen Zahlen — und diese großen Zahlen entstehen vor allem in der Nachfrage aus dem mittelständischen Bereich — ihre Wirkung entfalten können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weber.
Herr Staatssekretär, würden Sie Herrn Professor Zeitel bestätigen, daß die Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung doch offensichtlich nicht so schlecht waren, weil doch die CDU-Sozialausschüsse am vergangenen Wochenende die Fortsetzung dieser Konjunkturmaßnahmen über den 30. Juni hinaus gefordert haben?
Angesichts der sehr unterschiedlichen Meinungen zu allen wichtigen Fragen in der Opposition weiß ich nicht, ob die Weiterleitung dieser Information von Wert ist.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Buschfort steht zur Verfügung.
Zunächst die Frage 35 des Abgeordneten Dr. Franz. — Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme zu der Frage 36 des Abgeordneten Dr. Schöfberger:
Hat die Bundesregierung gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über negative Auswirkungen des Akkord- und Fließbandsystems auf die physische und psychische Gesundheit, auf die Frühinvalidität und auf die Lebenserwartung der betroffenen Arbeiter, oder ist sie verneinendenfalls bereit, im Rahmen des Bundesforschungsprogramms entsprechende Untersuchungen zu fördern?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die Auswirkungen der Akkord- und Fließbandarbeit, insbesondere auf die Frühinvalidität und die Lebenserwartung, stehen noch nicht zur Verfügung. Das im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Bundesminister für Forschung und Technologie der Öffentlichkeit vorgelegte Aktionsprogramm „Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens" greift insbesondere auch die Probleme auf, die im Zusammenhang mit der Akkord- und Fließbandarbeit stehen.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat zur Ermittlung von Belastungsschwerpunkten am Arbeitsplatz Forschungsaufträge vergeben, ,die auch Aufschlüsse über die besonderen Arbeitsbelastungen durch Akkord- und Fließbandarbeit geben werden. Ein Forschungsprojekt dient .der Ermittlung von Möglichkeiten der Arbeitsplatzbewertung bei psycho-mentaler Belastung. Dieses Projekt soll Grundlagen für eine abgestufte Bewertung derartiger Belastungen schaffen.
Die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel fördert ein Projekt, das sich mit den Ursachen vorzeitiger Berufs- und Arbeitsunfähigkeit befaßt.
Ferner wird vom Bundesministerium für Forschung und Technologie eine Reihe von Projekten gefördert, die der Erprobung neuer Formen der Arbeitsorganisation dienen. Ein Beispiel hierfür ist das Entwicklungsprojekt zur Erprobung neuer Arbeitsstrukturen in der Elektroindustrie. Hier sollen in sechs Montagebetrieben die bisher benutzten Fließbänder, an denen die Beschäftigten, hauptsächlich Frauen, zumeist einfachste, sich rasch wiederholende Handgriffe ausführen mußten, durch Gruppenarbeitsplätze ersetzt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schöfberger.
Herr Staatssekretär, welche Gründe gibt es dafür, daß ein so wichtiger Bereich des Arbeitslebens so lange, also praktisch bis zum heutigen Tage, unerforscht geblieben ist?
Herr Kollege, Sie wissen, ,daß diese Bundesregierung Forschungsaufträge in vielen Bereichen vergeben hat. Die Untersuchungen sind sicherlich sehr schwierig, und Rückflüsse sind noch nicht vorhanden. Warum hierauf in der weiteren Vergangenheit kein größeres Augenmerk gerichtet worden ist, kann ich nicht beurteilen. Ich weise nur darauf hin, daß zur Zeit viele Forschungsvorhaben laufen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schöfberger.
Herr Staatssekretär, haben Sie eine Vorstellung von der Dauer dieser Forschungsarbeiten? Bis wann kann mit einem gesicherten Ergebnis gerechnet werden?
Herr Kollege, erste Ergebnisse erwarten wir in naher Zukunft, noch in diesem Jahr oder Anfang nächsten Jahres.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12589
Parl. Staatssekretär BuschfortWir sind auch bereit, wenn es sich als notwendig erweist, weitere Forschungsaufträge zu vergeben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stavenhagen.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß bereits vor dem Tätigwerden dieser Bundesregierung auf dem Bereich „Humanisierung der Arbeitswelt" von der Industrie einiges an Grundlagen und Erkenntnissen erforscht wurde und daß einige Unternehmungen auch ohne Hilfe dieser Bundesregierung neue, humanere Arbeitsplätze eingeführt haben?
Herr Kollege, wenn ich diese Zusatzfrage auf die Hauptfrage, die hier gestellt worden ist, beziehe, dann würde ich ganz gerne antworten, daß bisher die betriebliche Entwicklung in die falsche Richtung getrieben worden ist; denn bisher war es allgemeine Auffassung, daß man durch die Verkürzung von Taktzeiten zu einem besseren Ergebnis kommt, während man jetzt der Auffassung ist, daß die kurzen Taktzeiten wieder verschwinden sollten und daß eine humanere Arbeitsplatzgestaltung Platz greifen sollte. Wie sich nun die einzelnen Forschungsergebnisse zu dieser Frage stellen werden, kann ich heute nicht abschließend beantworten. Nur: die Auffassung in der Vergangenheit scheint offenbar falsch gewesen zu sein.
Herr Abgeordneter Reiser zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, verfolgt die Bundesregierung auf diesem Gebiet auch Versuche und Forschungen im Ausland, beispielsweise in Schweden?
Das schwedische Modell, das uns auch durch verschiedene Publikationen bekannt ist, dürfte auch für die deutschen Forschungen Anregungen gegeben haben.
Die Fragen 37 und 38 des Herrn Abgeordneten Pfeifer werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich komme zu Frage 39 des Abgeordneten Möllemann. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird ebenso wie seine Frage 40 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Laermann auf:
Ist unter den Aspekten, daß die vielfältige und rasche Wandlung der Berufsinhalte und -formen, zunehmende Unüberschaubarkeit und die Entscheidungsvielfalt eine rechtzeitige und umfassende fachkundige Entscheidungshilfe notwendig machen, die Zahl der von der Bundesanstalt für Arbeit eingesetzten Berufsberater ausreichend, und sind diese hinreichend qualifiziert, um den Ansprüchen an eine wirkungsvolle personen-
und berufsfeldbezogene Beratung zu entsprechen?
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, würde ich gerne die Fragen 41 und 42 zusammen beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 42 auf:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die weiter ansteigenden Zahlen der Abiturienten sowie der anderen Hochschulzugangsberechtigten und die Verschärfung der Zulassungssituation eine ausgewogene Berufs- und Bildungsberatung immer dringlicher machen, zumal der Anteil der Unentschlossenen stark ansteigt und vermehrter und besserer Beratung bedarf, und kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, ob und inwieweit eine bessere und rechtzeitige Berufsberatung auch einen erheblichen Beitrag zur besseren Kapazitätsauslastung der Hochschulen liefern kann, da nach statistischen Unterlagen von der durchschnittlichen Studienzeit 0,7 Studienjahre auf Studienwechsler entfallen?
Herr Kollege Laermann, zu Ihrer Frage möchte ich zunächst bemerken, daß die Einrichtung von Planstellen in der Berufsberatung Aufgabe von Verwaltungsrat und Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit als Selbstverwaltungskörperschaft ist. Diese haben mit Genehmigung der Bundesregierung die Zahl der Planstellen in der allgemeinen Berufsberatung im Jahre 1974 um 60 und im Jahre 1975 um weitere 160 auf jetzt insgesamt über 2100 erhöht. Die Zahl der Planstellen der Berufsberatung für Abiturienten und Hochschüler stieg in der gleichen Zeit von 282 auf 419. Die derzeitigen Engpässe in einigen Arbeitsämtern sind hauptsächlich dadurch entstanden, daß bisher wegen fehlender Ausbildungskapazitäten nicht alle Planstellen besetzt werden konnten. Nach Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit werden diese Stellen bis spätestens 1976 mit den Kräften besetzt werden, die sich zur Zeit in Ausbildung befinden.Zu der Frage der Qualifikation der Beratungsfachkräfte ist zu sagen, daß die Bundesanstalt für Arbeit in den letzten Jahren durch umfangreiche Aus- und Fortbildungsmaßnahmen die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, daß alle Fachkräfte der allgemeinen Berufsberatungen in die Besoldungsgruppe A 11 bzw. Vergütungsgruppe BAT IV a eingestuft werden konnten. Ein Teil der Berater der allgemeinen Berufsberatung wird seit 1972 wissenschaftsorientiert an der Akademie für Beratungsfachkräfte der Bundesanstalt für Arbeit in Mannheim ausgebildet. Der Anteil der an dieser Akademie ausgebildeten Berater soll in den nächsten Jahren erhöht werden. Zudem wird die Umwandlung der Akademie in eine Fachhochschule erwogen.Die Fachkräfte der Berufsberatung für Abiturienten und Hochschüler verfügen alle über eine meist pädagogisch oder psychologisch ausgerichtete Hochschulausbildung mit zusätzlicher einjähriger Sonderausbildung. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Bundesanstalt für Arbeit mit diesen Maßnahmen das Notwendige unternommen hat, um die Berufsberatung an die höheren Anforderungen der Gegenwart anzupassen.Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich folgendes bemerken: Die Bundesregierung teilt die Ansicht, daß eine qualifizierte Berufsberatung aus den dargestellten Gründen zunehmend notwendiger wird. Sie un-
Metadaten/Kopzeile:
12590 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Parl. Staatssekretär Buschfortterstützt daher die Bemühungen der Bundesanstalt für Arbeit, die Schulabsolventen so rechtzeitig und so gründlich wie möglich zu informieren und zu beraten. Um die Entscheidungsfähigkeit der zukünftigen Hochschulbewerber so zu verbessern, daß während des Studiums nach Möglichkeit kein Studienwechsel oder -abbruch notwendig wird, gewährt die Bundesanstalt für Arbeit umfassende Informationshilfen. Den Schülern der vorletzten Klassen wird zunächst „STEP für Abiturienten", ein Arbeitsheft zur Berufswahlvorbereitung, zur Verfügung gestellt. Danach wird jedem Schüler die Möglichkeit zu berufskundlichen Einzelgesprächen mit einem Berufsberater gegeben. Parallel dazu wird zu Beginn des letzten Schuljahres die umfangreiche Informationsbroschüre „Studien- und Berufswahl" an alle Schüler verteilt. Auf Wunsch werden Einzelhefte der „Blätter zur Berufskunde" ausgegeben. Außerdem beziehen alle Schüler der beiden letzten Schuljahre das Studienmagazin „aspekte" mit aktuellen Berichten aus der Studien- und Berufswelt. Die Abgabe dieser berufskundlichen Mittel erfolgt kostenlos. Allein im Jahre 1974 sind 100000 Exemplare „STEP", 250 000 Exemplare „Studien- und Berufswahl" und monatlich 250 000 Exemplare „aspekte" ausgegeben worden. Außerdem haben von den 1,3 Millionen ausgegebenen Einzelheften der „Blätter zur Berufskunde" einen großen Teil die zukünftigen Studienanwärter erhalten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Laermann.
Herr Staatssekretär, halten Sie es im Sinne der Forderung nach einer qualifizierten Berufsberatung für richtig, daß man Jungakademiker, die so ausgebildet worden sind, wie Sie eben hier ausgeführt haben, und die nach dem Mannheimer Modell gerade von den Hochschulen kommen und selbst nicht über eine Berufserfahrung verfügen, nach einjähriger Vorbereitungszeit für die Beratung von Abiturienten einsetzt?
Herr Kollege, die Qualifikation dieser Berufsberater ist auch unter dem Aspekt zu bewerten, daß sie speziell für die Beratung von Abiturienten ihren Einsatz finden und deshalb nicht das breite berufliche Spektrum — beispielsweise die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Schlossers oder Werkzeugmachers — beherrschen müssen. Nach dem einjährigen Lehrgang wissen sie sicherlich, wie der Berufsweg eines Abiturienten im Einzelbereich verlaufen kann.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß die Darstellung von Berufen und Berufsfeldern in „aspekte und analysen" tatsächlich so wirklichkeitsgetreu erfolgt, daß man sich daraus ein objektives Bild machen kann und daß man darauf eine Berufs- oder Studienwahl begründen kann, wenn man nicht die Möglichkeit hat, sich an einen berufserfahrenen Berufsberater zu wenden?
Herr Kollege, ich bin schon der Auffassung, daß es sich um einen qualifizierten Berufsberater handeln sollte. Nur, wenn Sie erwarten, daß ein Berufsberater in der jeweiligen beruflichen Praxis, beispielsweise als Mediziner, als Jurist oder als Architekt, seine Erfahrungen gesammelt haben sollte, dann glaube ich, daß die Bundesanstalt solche Anforderungen bei der Berufsberatung nicht erfüllen kann.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Laermann.
Halten Sie im Hinblick auf die starke Fluktuation bei den Berufsberatern eine Besoldung nach der Besoldungsstufe A 11 bzw. eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe BAT IV a für richtig? Liegt die Fluktuation nicht darin begründet, daß die Laufbahnpraxis in der Bundesanstalt für Arbeit eine Höherstufung nur dann vorsieht, wenn man aus der Berufsberatung selbst wieder ausscheidet und eine andere Tätigkeit ausübt? ist das mit einer qualifizierten Berufsberatung zu vereinbaren?
Herr Kollege, von einer außergewöhnlichen Fluktuation ist mir nichts bekannt. Ich werde das gern einmal prüfen lassen.
Sicher ist aber, daß wir auch in der Berufsberatung für die Abiturienten hockbezahlte Berufsberater eingesetzt haben. Sicherlich kann man sich darüber streiten, ob man nicht jedem, der irgendwo qualifiziert tätig ist, noch mehr Gehalt zur Verfügung stellen kann. Aber A 11 bzw. BAT IV a ist sicherlich schon eine angemessene Bezahlung.
Die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Peiter wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Fragen 44 und 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Franz auf. — Er ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Fragen 45 und 46 des Herrn Abgeordneten Schmitt auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Die Fragen 47 und 48 des Herrn Abgeordneten Maucher werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 49 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12591
Vizepräsident Dr. JaegerWelche Erfahrungen liegen über die Inanspruchnahme der von der Bundesanstalt für Arbeit und anderen Stellen angebotenen Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für arbeitslose Arbeitnehmer vor?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Enders, die Bundesanstalt für Arbeit ist im Rahmen ihres Aktionsprogramms „Berufliche Bildungsmaßnahmen und Beschäftigungslage" vom Februar 1974 mit gutem Erfolg bemüht, Arbeitslose für die Teilnahme an beruflichen Fortbildungs-, Umschulungs-
und Einarbeitungsmaßnahmen zu gewinnen.
Während der Anteil der vorher arbeitslos gewesenen neu eintretenden Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen 1973 nur 5,8 % betrug, konnte er 1974 auf 16,3 % — das sind rund 38 000 Teilnehmer — und im ersten Quartal 1975 sogar auf 30,3 % gesteigert werden. Besonders deutlich war die Entwicklung bei den Umschulungsmaßnahmen. Von den in diese Maßnahmen neu eintretenden Teilnehmern waren 1973 1,8 % vorher arbeitslos, 1974 33,2 %. Im ersten Quartal 1975 erhöhte sich dieser Anteil auf 52,9 %, bei den Männern allein sogar auf 56,4 %. In den letzen Monaten hat der Anteil der vorher arbeitslos gewesenen Teilnehmer weiter zugenommen. Darüber hinaus führt die Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen der sogenannten berufsvorbereitenden Maßnahmen besondere Lehrgänge für arbeitslose Jugendliche durch, die vorher mindestens ein Jahr beschäftigt waren. Statistische Angaben hierzu liegen noch nicht vor.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für notwendig, diese Kurse und Lehrgänge noch attraktiver zu gestalten, um diejenigen anzusprechen, die bisher noch keinen Gebrauch von dem Angebot machten?
Herr Kollege, ich glaube schon, daß die derzeit durchgeführten Lehrgänge sehr gut sind. Unser Problem liegt wohl nur darin, daß die Anreize zu Weiter- oder Ausbildungsmaßnahmen angesichts der Möglichkeit, auch als Ungelernter Geld zu verdienen, wohl noch nicht so recht angenommen werden. Hier ist weitere Aufklärungsarbeit notwendig.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, wieviel Personen haben diese Leistungen der Bundesanstalt, von denen hier die Rede ist, in Anspruch genommen — im April oder im März oder im Mai, je nachdem, wie Sie die Zahlen haben —, und wieviel waren davon, in Zahlen ausgedrückt, Arbeitslose?
Herr Kollege, ich sagte bereits vorhin, daß es im vorigen Jahr 38 000 arbeitslose Teilnehmer gewesen sind. Im ersten Quartal 1975 — also nur bezogen auf ein Quartal — waren es bereits 20 500 Teilnehmer.
Wir kommen zur Frage 50 des Abgeordneten Horstmeier:
Was hat die Prüfung der Bundesregierung ergeben, einen Gesetzentwurf zur unentgeltlichen Beförderung von Begleitpersonen Schwerbehinderter bei Reisen mit der Deutschen Bundesbahn dem Deutschen Bundestag zuzuleiten?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Horstmeier, in dem von der Bundesregierung im November vorigen Jahres beschlossenen Entwurf eines Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr ist unter anderem vorgesehen, eine notwendige Begleitperson von Schwerbehinderten sowohl im Nahverkehr als auch im Fernverkehr unentgeltlich zu befördern. Dies bedeutet, daß dann die Begleitperson Schwerbehinderter auch bei Reisen mit der Deutschen Bundesbahn unentgeltlich befördert wird.
Es wird Ihnen bekannt sein, daß der Bundesrat Ende vorigen Jahres den Gesetzentwurf aus finanziellen Gründen abgelehnt hat. Die Bundesregierung prüft zur Zeit, ob der Entwurf gleichwohl dem Deutschen Bundestag zur weiteren parlamentarischen Behandlung zugeleitet werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Horstmeier.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wann diese Prüfung abgeschlossen sein wird?
Herr Kollege, wir müssen uns das reiflich überlegen. Wenn man die Gewißheit hat, daß der Bundesrat, der seine Zustimmung geben muß, den Gesetzentwurf, wenn man ihn wieder einbringt, wieder zurückweisen wird, werden Sie verstehen, daß das nicht so ganz einfach ist.
Ich denke aber, daß wir doch in den nächsten Monaten die Beratungen abschließen können, insbesondere dann, wenn die Finanzberatungen mit den Bundesländern abgeschlossen sind.
Keine weitere Zusatzfrage.Dann kommen wir zu Frage 51 des Herrn Abgeordneten Horstmeier:Warum hat ein Landwirt, der vorübergehend Pachtflächen aufgeben muß und damit eventuell die Beitragspflichtigkeit für die Altershilfe verliert, aber noch keine 60 Monatsbeiträge gezahlt hat, auch bei einer späteren Beitragspflichtigkeit keine Möglichkeit mehr, einen Altersgeldanspruch zu erwerben?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Metadaten/Kopzeile:
12592 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
In dem von Ihnen genannten Fall einer erneuten späteren Beitragspflichtigkeit hat ein Landwirt durchaus die Möglichkeit, einen Altersgeldanspruch zu erwerben. Erforderlich dafür ist, daß er mit dieser neuen Tätigkeit selbständig die Leistungsvoraussetzungen, insbesondere die einer ununterbrochenen Beitragsentrichtung, erfüllt.
Die Einführung des Grundsatzes der ununterbrochenen Beitragsentrichtung hat der Gesetzgeber im Interesse der Gleichbehandlung von weiterhin in der Landwirtschaft tätigen Unternehmern und solchen Personen für notwendig angesehen, die zwar aus der Landwirtschaft ausgeschieden sind, aber diesem Sicherungssystem weiterhin angehören wollen.
Ich könnte mir vorstellen, daß die Anwendung dieses Grundsatzes in einzelnen Fällen nicht immer einfach sein wird, nämlich dann, wenn, wie Sie es darstellen, der Landwirt vorübergehend Pachtflächen aufgeben muß und dadurch zweifelhaft wird, ob sein Betrieb noch eine Existenzgrundlage im Sinne des Altershilfegesetzes darstellt. Dabei stellt sich die Frage einer durchgehenden Mitgliedschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer in der Altershilfe nur dann, wenn der Betreffende noch nicht das Recht auf Weiterversicherung hat, das ihm bereits nach fünfjähriger Beitragspflicht zusteht. Sollte Ihrer Frage ein solcher Fall aus der Praxis zugrunde liegen, so schlage ich vor, mir die Einzelheiten dieses Falles mitzuteilen; ich werde der Angelegenheit dann gern nachgehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Horstmeier.
Herr Staatssekretär, sind bei der Bundesregierung schon Überlegungen angestellt worden, die Rechtslage nach dem Altershilfegesetz — darum geht es hier ja — dem allgemeinen Rentenrecht anzugleichen? Dort ist die ununterbrochene Beitragspflicht ja nicht gefordert.
Herr Kollege Horstmeier, Sie haben recht, daß bei diesem Gesetz Schwierigkeiten auftreten können. Ich bin der Auffassung, wir sollten diese einmal sammeln und dann überprüfen, ob und wo man Veränderungen herbeiführen muß.
Keine Zusatzfrage mehr.
Dann rufe ich die Frage 52 des Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, wenn die vorgesehenen 250 Millionen DM für die bereits beantragten ABM-Maßnahmen nicht ausreichen, und welche Auswirkungen hat dies auf den Arbeitsmarkt und auf die Konjunkturlage insbesondere im Zonenrandgebiet, in dem es in einzelnen Arbeitsamtsbereichen bereits über 7 % Arbeitslose und zusätzlich 15 % Kurzarbeiter gibt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege
Kunz, die Bundesregierung begrüßt, daß es gelungen ist, in der aktuellen konjunkturellen Situation in verstärkten Umfang Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz durchzuführen. Nachdem in den letzten Jahren weithin Zurückhaltung gegenüber der Inanspruchnahme dieser Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bestand, ist nunmehr das Interesse vor allem auch der öffentlichen Träger im Bereich der Kommunen voll geweckt. Die Bemühungen der Bundesregierung wirkten sich hierbei ebenso aus wie die in der letzten Zeit vorgenommenen Änderungen der maßgebenden Anordnung der Bundesanstalt für Arbeit. Die vorliegenden Anträge auf Förderung überschreiten bei weitem die Haushaltsansätze der Bundesanstalt für das Jahr 1975.
Die Bundesregierung hat daher beschlossen, Restmittel aus dem 600-Millionen-DM-Programm vom Dezember 1974 für die Gewährung besonderer arbeitsmarktpolitischer Beschäftigungshilfen der Bundesanstalt zur Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Damit werden alle Anträge berücksichtigt, für die Anerkennungsbescheide vorliegen. Ferner werden alle Fälle erfaßt, in denen auf Grund vorläufiger Zusagen die Arbeiten aufgenommen worden sind. Darüber hinausgehende Anträge werden allerdings in diesem Haushaltsjahr von der Bundesanstalt wohl kaum bedient werden können.
Ich möchte noch erwähnen, daß allein der Landesarbeitsamtsbezirk Nordbayern voraussichtlich mit 26 °/o an den Mitteln für solche Maßnahmen beteiligt sein wird, welche die Bundesanstalt in diesem Jahr im gesamten Bundesgebiet fördern wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Kunz.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß infolge des Stopps der Antragstellung für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei der dramatischen Entwicklung auf dem Bausektor im Zonenrandgebiet von Fachleuten die Meinung vertreten wird, daß, wenn nicht zusätzliche Maßnahmen beschlossen werden, im Spätherbst bis Anfang des Winters die Hälfte aller im Bausektor Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verlieren werden?
Herr Kollege, im vergangenen Jahr sind die zur Verfügung gestellten Mittel nicht verbraucht worden. Den Überhang haben wir in das Jahr 1975 mit hinübergenommen. Wir hatten damit um die 200 Millionen DM zur Verfügung. Diese Mittel wurden außergewöhnlich stark beansprucht und waren bereits im April vergriffen. Jetzt werden weitere gut 200 Millionen DM zur Verfügung stehen. Das heißt, daß in diesem Jahr für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen über 400 Millionen DM Verwendung finden können.Ob darüber hinaus in diesem Jahr noch etwas zu machen ist, kann man heute wohl nicht sagen; denn das ist eine Frage, die auch der Finanzminister zu
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12593
Parl. Staatssekretär Buschfortentscheiden hat, darüber hinaus aber auch eine Frage, wie die Bundesanstalt für Arbeit die Entwicklung in diesem Bereich einschätzt. Sicherlich hat diese Frage auch etwas mit dem Nachtragshaushalt zu tun.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Kunz.
Herr Staatssekretär, ich darf mich noch einmal vergewissern. Ich habe vorhin die Antwort akustisch nicht ganz verstanden. Werden alle Anträge, für die von der Arbeitsverwaltung die vorzeitige Baugenehmigung erteilt worden ist, in der vorgesehenen Finanzierung berücksichtigt werden können?
Herr Kollege, alle bewilligten Anträge und alle in Angriff genommenen Maßnahmen werden mit diesen Mitteln abgedeckt werden können. Neue Anträge — um das vielleicht noch einmal zu sagen — sollen keine Berücksichtigung mehr finden.
Ich glaube, das ist ein Mißverständnis, Herr Staatssekretär. Die Frage bezog sich auf Anträge, für die eine vorzeitige Baubewilligung erteilt wurde, die aber noch nicht genehmigt sind.
Herr Kollege, soweit angefangen: ja.
Nur soweit angefangen?
Ja.
Eine weitere Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Jung zur Verfügung.
Ich rufe Frage 53 des Abgeordneten Dr. Wernitz auf:
Trifft es zu, daß Verfahren zur Klärung von Ansprüchen aus Bundesbahnunglücksfällen im Vergleich zu Rechtsstreitigkeiten Betroffener mit Haftpflichtversicherungen schleppend abgewickelt werden?
Nein, Herr Kollege, dies trifft nicht zu. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, daß die Schadensregulierung bei der Deutschen Bundesbahn im Vergleich zu Versicherungsgesellschaften schleppend erfolgt.
Ich darf Sie vielleicht darüber hinaus informieren, daß ein Vertreter des Verkehrsministeriums vor zwei Tagen bei der Direktion in München weilte und festgestellt hat, daß alle Vorkehrungen getroffen sind, um eine schnelle und unbürokratische Hilfe zu gewährleisten. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden übrigens bereits 50 000 DM an Abschlagszahlungen geleistet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ich glaube, wenn ich das vorausschicken darf, Sie haben meine Frage nicht ganz richtig verstanden. Darf ich darauf hinweisen, daß meine Frage allgemein formuliert war und sich insbesondere auf eine Notiz bzw. einen Bericht in der „Süddeutschen Zeitung" vom 10. Juni dieses Jahres bezog, wo es hieß:
Die anfänglich oft als großzügig deklarierte Soforthilfe sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Betroffenen hinsichtlich der endgültigen Klärung ihrer Ansprüche mit einer schleppenden Bearbeitung durch die Justizbeamten der Bahn rechnen müssen, sobald das Schadensereignis aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden ist.
Das bezog sich also nicht nur auf Warngau, sondern generell auf die Situation der letzten Jahre. Das geht auch aus dem Zusammenhang der Fragen, die ich eingereicht habe, hervor.
Herr Kollege Wernitz, es ist richtig, daß Verzögerungen in der Schadensabwicklung auftreten können, und zwar sowohl bei der Bundesbahn wie bei Versicherungsgesellschaften, wenn die für die Haftung bedeutsame Unfallursache oder der Umfang des Schadens erst nach einer gerichtlichen Klärung ermittelt werden können. Darauf bezieht sich vermutlich auch Ihr Zitat. Ebenso kann die Berechnung einer Haftpflichtrente durch die notwendige Einholung ärztlicher Gutachten verzögert werden. Die Betroffenen erhalten in diesen Fällen aber Abschlagzahlungen.
Eine Zusatzfrage? — Nicht mehr.
Ich komme zur Frage 54 des Abgeordneten Dr. Wernitz:
Wie steht es insbesondere mit der Schadensregulierung im Zusammenhang mit den Eisenbahnunglücksfällen vom 9. Februar 1971 , 27. Mai 1971 (Radevormwald), 21. Juli 1971 (Rheinweiler) und 5. November 1973 (Guntershausen)?
Herr Kollege Wernitz, die Schadensregulierung der Unfälle bei Aitrang und bei Radevormwald ist abschlossen. Bei dem Unfall von Rheinweiler steht noch in sieben Fällen und bei 'dem Unfall von Guntershausen in zwei Fällen die endgültige Festsetzung von Haftpflichtrenten aus. Dies ist darauf zu-
Metadaten/Kopzeile:
12594 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Parl. Staatssekretär Jungrückzuführen, daß der Deutschen Bundesbahn die erforderlichen Facharztgutachten noch nicht vorliegen. Die Unfallopfer haben jedoch Abschlagszahlungen erhalten. Die noch nicht regulierten Fälle machen nur einen verschwindend geringen Prozentsatz der Gesamtzahl der Anspruchsteller aus.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 55 des Abgeordneten Schmidt sowie die Fragen 56 und 57 des Abgeordneten Milz werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 58 des Abgeordneten Dr. Riedl ,ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Die Fragen 59 und 60 des Abgeordneten Dr. Wagner werden auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme damit zur Frage 61 des Abgeordneten Dr. Stavenhagen:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die den Landkreisen Karlsruhe und Enzkreis durch die auf ihren Wunsch geplante Schnellbahntrasse Mannheim—Stuttgart der Deutschen Bundesbahn entstehenden Beeinträchtigungen auszugleichen?
Herr Kollege Stavenhagen, die Deutsche Bundesbahn hat als selbständiger Planungsträger ihre Vorstellungen in den gesetzlich vorgeschriebenen Planfeststellungsverfahren offenzulegen und mit den Betroffenen abzustimmen. Schon im Stadium der Planung werden von der Deutschen Bundesbahn sozioökologische Fragen zur Beurteilung der Trassenführung in die Überlegungen einbezogen. Kommt es in den Planfeststellungsverfahren zu keiner Einigung, so entscheidet der Bundesminister für Verkehr. Er wird bei seiner Entscheidung jeweils Lösungen suchen, die möglichst allen Belangen weitgehend Rechnung tragen und Beeinträchtigungen auf das unvermeidbare Maß beschränken.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Stavenhagen.
Herr Staatssekretär, ist Ihre Antwort so zu verstehen, daß es also nicht ohne Folgekosten für die betroffenen Kreise abgehen wird?
Das ist so nicht zu verstehen, Herr Kollege Stavenhagen. Ich habe eben deutlich gemacht, daß auch die sozioökologischen Fragen bei der Festlegung der Trasse eine Rolle spielen. Die Frage der Kosten, die natürlich in irgendeiner Form geregelt werden muß, war nicht Gegenstand Ihrer Frage.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn das so nicht zu verstehen ist, ist es dann zutreffend, daß der Bund, vertreten durch die Bundesbahn, für diese Folgekosten aufkommen wird?
Herr Kollege Dr. Stavenhagen, hinsichtlich des Lärmschutzes beispielsweise ist zur Zeit eine Rechtsverordnung zur Ausfüllung des Bundesimmissionsschutzgesetzes in der Ausarbeitung, an deren Auflagen und Grenzwerte die Deutsche Bundesbahn gebunden ist. Sie hat sich bereit erklärt, eventuell weitergehende Auflagen auch nach Beendigung der Bauarbeiten nachträglich zu erfüllen.
Ich rufe nunmehr die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen eines Sonderprogramms dafür zu sorgen, daß alle Straßenplanungen im Bereich der Bundesbahnschnellbahntrasse Mannheim—Stuttgart beschleunigt vorangetrieben werden und bereits außerhalb des Planfeststellungsverfahrens Zusagen in der Richtung zu machen, daß sämtliche Straßenanschlüsse auf dieses neue Netz eingestellt werden?
Nein, Herr Kollege Stavenhagen, Art, Umfang und Durchführung von Maßnahmen bei der Kreuzung der Neubaustrecke mit Straßen und Wegen sind im Eisenbahnkreuzungsgesetz geregelt, in dem auch Planungen, deren Realisierung in absehbarer Zeit zu erwarten ist, berücksichtigt werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es Schätzungen über die Höhe der Folgekosten speziell im Bereich des Straßenbaus?
Nein, Herr Kollege.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Dr. Stavenhagen.
Herr Staatssekretär, ist angesichts der zu erwartenden Folgekosten und angesichts der finanziellen Situation der Bundesbahn mit dem Einhalten der ursprünglich beabsichtigten Planung noch zu rechnen? Wann soll mit dem Bau begonnen werden?
Herr Kollege, zum ersten Teil Ihrer Zusatzfrage, nämlich zu den Folgekosten: Hier ist zu unterscheiden, ob neue Kreuzungen beispielsweise zwischen Bahn und Straße hergestellt werden. In diesen Fällen haben, wie Ihnen bekannt ist, die Beteiligten die Folgekosten zu tragen: Werden Eisenbahn und Straße gleichzeitig neu angelegt, so werden die Kosten hierfür je zur Hälfte auf beide Beteiligten
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12595
Parl. Staatssekretär Jungübertragen. Wird an einem Bahnübergang, der besteht, eine Maßnahme durchgeführt, so tragen die Beteiligten je zu einem Drittel die Kosten. Das letzte Drittel trägt bei Kreuzungen mit einem Schienenweg der Deutschen Bundesbahn der Bund.Dieses ist die Antwort auf den ersten Teil Ihrer Frage.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich darf an den zweiten Teil meiner Frage erinnern: Wird der Termin eingehalten? Der Bautermin war, glaube ich, für das kommende Jahr vorgesehen. Ist das noch aktuell?
Herr Kollege, zunächst einmal muß das derzeitige Planfeststellungsverfahren abgewartet werden, so daß ich hier über die Absicht hinaus keine konkrete Auskunft über den Beginn der Baumaßnahme geben kann, zumal im Rahmen einer solchen Planfeststellung eine Reihe von Einsprüchen erfolgen können, die geprüft und denen eventuell entsprochen werden muß.
Die Fragen 63 bis 70 sind nach Nr. 2 Absatz 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig, weil das Thema bei Punkt 30 der Tagesordnung behandelt wird.
Ich rufe dann die Frage 71 des Abgeordneten Haase auf:
Was hat die Bundesregierung veranlaßt, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt Teile der Stadt Kassel für das Projekt eines über mehrere Jahre geplanten lokalen „Zwei-Weg-Kabelfernseh"-Großversuchs auszuwählen, obwohl weder der für Ende des Jahres angekündigte Abschlußbericht noch die in Aussicht gestellten Empfehlungen der „Kommission für den Ausbau der technischen Kommunikationssysteme " vorliegen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich die beiden Fragen 71 und 72 wegen des Sachinhalts zusammen beantworte, wenn Herr Kollege Haase einverstanden ist?
Dann rufe ich auch die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Haase auf:
In welchem Umfang hat die Bundesregierung die betroffene Regional- und Lokalpresse — in diesem Fall die „Hessisch/Niedersächsische Allgemeine" — bei den Verhandlungen zur Planung und Vorbereitung dieses Großversuchs gehört, nachdem von Regierungsseite in der Vergangenheit immer wieder versichert worden ist, alle interessierten gesellschaftlichen Kräfte an den geplanten Projekten zu beteiligen?
1. Im Zusammenhang mit der Klärung von Problemkreisen des Kabelfernsehens und der Breitbandkommunikation ist die Bundesregierung bereits früher zu der Auffassung gelangt, daß neben der Errichtung von zwei Kabelfernsehversuchsanlagen in Hamburg und Nürnberg nur mit Hilfe eines weiteren Versuchsprojektes die komplexen Fragen, die mit dem Zwei-Weg-Kabelfernsehen verbunden sind, beantwortet werden können. Von dieser Auffassung hat sie die Mitglieder der KtK unterrichtet. Von der KtK wurde inzwischen die Durchführung von ZweiWeg-Kabelfernsehversuchen einvernehmlich angeregt. Die jetzt bekanntgewordenen Aktivitäten der Bundesregierung dienen der Vorbereitung eines Versuchsprojektes, insbesondere der Standortwahl, und bewegen sich im Rahmen der bisherigen Vorstellungen der KtK.
2. Herr Kollege Haase: Entsprechend dem sehr frühen Vorbereitungsstadium, in dem sich das Versuchsprojekt befindet, kam es zunächst darauf an, die Bereitschaft der primär Zuständigen für das Projekt festzustellen. Die örtliche Presse ist von der Hessischen Landesregierung in die Erörterungen einbezogen worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, sehen Sie sich in der Lage, mir Sachverständige oder Expertengremien oder andere Beratungsgremien namentlich zu nennen, die an der Entscheidung für Kassel als Standort dieses ersten Großversuchs für lokales Kabelfernsehen mitgewirkt haben bzw. beteiligt gewesen sind?
Nein, Herr Kollege Haase. Es ist so, daß von der Deutschen Bundespost eine Reihe von Orten für solche Modellversuche in Erwägung gezogen wurden. Im vorliegenden Fall waren zunächst einmal drei Orte vorgesehen. Ein Teil von Kassel — es ist ja nicht die ganze Stadt — entsprach am besten den Vorstellungen über einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung und bot sich daher für ein solches Modellvorhaben an.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Umstände, unter denen die Entscheidung für diesen ersten Großversuch von lokalem Kabelfernsehen in Kassel gefallen ist, und die Art und Weise, wie die Öffentlichkeit von diesem Projekt unterrichtet wurde bzw. davon erfahren hat, geeignet sind, die Arbeit der Kommission für den Ausbau der technischen Kommunikationssysteme — KtK — zu belasten und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Sachverständigen und der Bundesregierung zu erschweren?
Herr Kollege Haase, Ihre Frage ist nahezu identisch mit einer der noch kommenden Fragen des Herrn Kollegen Lenzer. Aber ich will gerne schon jetzt darauf eingehen.
Metadaten/Kopzeile:
12596 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Parl. Staatssekretär JungZunächst einmal enthält Ihre Frage die Unterstellung, daß dieser Versuch bereits genehmigt sei. Das trifft nicht zu. Ich habe Ihnen eben erläutert, daß es sich hier um die Vorbereitung eines solchen Modellversuches handelt und auch die Bereitschaft der eventuell Beteiligten erkundet werden muß, um dann, wenn die KtK endgültig zu dem Ergebnis kommt, diese Pilotprojekte durchzuführen, unverzüglich mit den Vorbereitungen beginnen zu können; denn der Vorlauf für die Durchführung eines solchen Versuches ist außerordentlich lang.Zum zweiten Teil Ihrer Frage, ob durch die Veröffentlichung das Vertrauensverhältnis zwischen der KtK und den anderen Beteiligten gestört werden könnte: Diese Meinung würde ich dann teilen, wenn das richtig wäre, was Sie sagen: daß hier bereits eine Genehmigung erfolgt sei. Das trifft aber nicht zu.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zuzugestehen, daß die erste Stellungnahme des Herrn Oberbürgermeisters der Stadt Kassel, der laut Pressemeldungen erklärt haben soll, er habe die Einführung des Kabelfernsehens deshalb unterstützt — jetzt zitiere ich —, „weil Kassel als Großstadt seit mehr als zehn Jahren auf die lokale Berichterstattung einer einzigen Zeitung angewiesen sei", zumindest den Verdacht wecken könnte, daß es sich hier um einen versteckten Angriff auf die sogenannte regionale und lokale Monopolzeitung handelt?
Herr Kollege, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich nicht bereit bin, hier in Bewertungen einzutreten. Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß die Haltung der Bundesregierung die ist, daß wir vorbereitend ein solches Pilotprojekt, wie es ja auch von der KtK gewünscht wird, in drei Modellen mit erarbeiten, daß aber nichts ohne die Beteiligung der zuständigen Ressorts, der zuständigen Länder und der damit befaßten KtK erfolgt.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, bleibt es aber — auch im Hinblick auf das Engagement des Bundes — nicht doch erstaunlich, daß hier der Staat von sich aus mit nicht gerade billigen Kabelfernsehexperiment im lokalen Bereich beginnt, während selbst die sogenannten Monopolzeitungen und die mittleren Tageszeitungen zum Teil bereits einen Kampf um ihr wirtschaftliches Überleben führen?
Nein, Herr Kollege Haase, dies ist gar nicht verwunderlich, weil ja die Mitglieder der KtK — hier befinden sich ja auch einige Kollegen Ihrer Fraktion, die das bestätigen können — in ihren bisherigen Beratungen durchaus zu dem Ergebnis gekommen sind, daß man Pilotprojekte, also Modellversuche dieser Art in der Zukunft durchführen muß und darf, um vielfältige Möglichkeiten zu erproben.
Vizperäsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hoffie.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Verwirklichung oder die Vorbereitung des Demonstrations- und Versuchsmodells in Kassel zurückzustellen oder zu modifizieren, wenn die KtK in ihren abschließenden Empfehlungen zu grundsätzlich anderen Organisations- und Strukturempfehlungen käme, als sie für Kassel im Augenblick im Gespräch sind?
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat sofort nach Beginn der Diskussion in der Öffentlichkeit mitgeteilt, daß die Bundesregierung diese Maßnahme nur dann durchführen oder einleiten wird, wenn, wie ich eben schon sagte, die Abstimmung zwischen den betreffenden Ressorts, mit den Ländern und mit den Empfehlungen der KtK erfolgt ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sieglerschmidt.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie, obwohl aus den Daten der Zeitungsverleger bekannt ist, daß sich Zeitungen dieser Art in einer vergleichsweise günstigen wirtschaftlichen Situation befinden, fragen, ob die Bundesregierung alles tun wird, um nicht durch Versuche dieser Art und die daraus folgenden Planungen die Lebensfähigkeit regionaler und lokaler Zeitungen zu beeinträchtigen?
Die Bundesregierung wird selbstverständlich alles tun, um diese Lebensfähigkeit in dem von Ihnen eben angesprochenen Sinne zu erhalten und zu fördern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reiser.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung denn bestätigen, daß die Frage solcher Versuchsprojekte in Sitzungen der Kommission für den Ausbau der technischen Kommunikationssysteme, der KtK, bereits erörtert worden ist?
Ja, das kann die Bundesregierung bestätigen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenzer.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12597
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob es sich bei diesem Großversuch um eine zwischen Ihrem Hause und dem Bundesministerium für Forschung und Technologie abgesprochene Aktion zu diesem jetzigen Zeitpunkt handelt oder wieder um einen Alleingang des BMFT?
Nein, Herr Kollege Lenzer, es ist ja nicht so, daß hier nur Bundesforschungsministerium und Bundespostministerium in die vorbereitenden Gespräche einbezogen wären, sondern es sind, wie Sie ja wissen, natürlich auch andere, das Land Hessen, die Stadt Kassel und örtliche oder regionale Zeitungen, beteiligt. Insofern kann es also nicht ein Alleingang eines Ministeriums sein.
Ich wiederhole, hier handelt es sich um die Vorbereitung eines Modellversuches, der einer von der KtK zu erwartenden Empfehlung entspricht und der ja — wie Sie selbst wissen; Sie sind ja in dieser Frage sehr engagiert und sachkundig — doch einer sehr langen Vorarbeit und Vorbereitung bedarf.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie Auskunft darüber geben, auf welcher rechtlichen Grundlage diese Entscheidung zwischen den Häusern BPM und BMFT gefallen ist?
Herr Kollege Lenzer, ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß überhaupt keine Entscheidung gefallen ist; deswegen kann diese Frage so nicht beantwortet werden.
Herr Abgeordneter Böhm .
Herr Staatssekretär, können Sie mir konkret sagen, in welcher Weise die „Hessische Allgemeine" an den Vorbereitungen zu diesem Großversuch bisher beteiligt worden ist und in welcher Weise Sie sie künftig zu beteiligen gedenken?
Herr Kollege, ich müßte nun die Niederschrift einmal hernehmen. In jedem Fall ist die „Hessische Allgemeine" an den Gesprächen allgemein beteiligt worden. Ich kann nicht abschließend sagen, in welchem Umfang endgültig die „Hessische Allgemeine" beteiligt sein wird, weil die Gespräche fortgesetzt werden müssen, zumal die Abstimmung zwischen den Ressorts und insbesondere natürlich auch mit den Empfehlungen der KtK, wie ich vorhin schon erwähnte, noch erfolgen muß.
Eine zweite Frage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir in diesem konkreten Einzelfall zu versichern, daß Ihr Haus alles tun wird, die Interessen der „Hessisch/Niedersächsische Allgemeine" bei diesem Großversuch in dem Umfang zu wahren, in dem die Zeitung das wünscht?
Ich darf auf diesen speziellen Fall die generelle Antwort an Herrn Kollegen Sieglerschmidt wiederholen, daß unser Haus alles tun wird, um die Zeitungen bei diesen Versuchen entsprechend zu berücksichtigen und in die Gespräche einzuschalten.
Herr Reiser möchte eine zweite Frage stellen.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß auf der Plenarsitzung der KtK ein Vertreter der Bundesregierung am 29. November 1974 ausdrücklich gesagt hat: „... haben wir jedoch die dringende Bitte an die KtK, uns dann bei der Ausarbeitung der Konzeption dieses Projektes" — von dem hier gesprochen wird — „zu beraten, bevor die eigentliche Projektdefinitionsphase beginnt"?
Ich kann dies bestätigen.
Die Fragen 73 und 74 des Herrn Abgeordneten von Bismarck werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Das gleiche gilt von den Fragen 75 und 76 des Herrn Abgeordneten Dr. Klein . Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit komme ich zu Frage 77 des Herrn Abgeordneten Dr. Mende:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß bei den Verhandlungen und Absprachen zur Vorbereitung des lokalen Kabelfernsehprojekts in Kassel das hessische Landesparlament weder beteiligt noch informiert wurde?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Mende, die hessische Landesregierung ist Gesprächspartner der Bundesregierung für das Land Hessen. Sie ist in die Vorklärung dieses Projektes einbezogen worden, wie ich vorhin schon deutlich gemacht habe. Eine Beteiligung bzw. Information des hessischen Landesparlaments liegt nicht in der Zuständigkeit der Bundesregierung. Das kann allein das Land Hessen tun.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Ist der Bundesregierung bekannt, ob der Intendant des Hessischen Rundfunks, Werner Heß, die Aufsichtsorgane des Hessischen Rundfunks informiert hat? Wieweit ist der Intendant, Werner Heß, selbst durch die Bundesregierung in die Vorbereitungen eingeschaltet gewesen?
Metadaten/Kopzeile:
12598 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Herr Kollege Mende, ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten, ob der Intendant die Aufsichtsorgane informiert hat. Der Hessische Rundfunk ist selbstverständlich an den Gesprächen beteiligt.
Herr Abgeordneter Haase zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, weil hier gerade vom Hessischen Rundfunk und vom Land Hessen die Rede ist: Haben Sie schon Vorstellungen, in welchem Verhältnis die allfällig anfallenden Kosten auf Hessischen Rundfunk, Land Hessen und Bund aufgeteilt werden sollen?
Jung, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr 'und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege Haase, aus den Veröffentlichungen wissen Sie, daß in diesen Vorgesprächen auch Überlegungen über die Kosten angestellt wurden. Aber konkrete Vorstellungen kann es deswegen noch nicht geben, weil es noch keinen konkreten Modellversuch gibt; denn hier sind auch die Vorstellungen der KtK abzuwarten. Wir werden diese Empfehlungen der KtK berücksichtigen, wobei dann auch Überlegungen hinsichtlich der Finanzierung eines solchen Projekts angestellt werden müssen.
Ich komme zu Frage 78 des Herrn Abgeordneten Lenzer:
Teilt die Bundesregierung meine Meinung, daß die Art und Weise, wie das lokale Kabelfernsehprojekt in Kassel in der Öffentlichkeit bekannt wurde, den Verdacht erwecken könnte, daß hier von seiten des Bundesministeriums für Forschung und Technologie der Versuch gemacht wird, auf dem Gebiet der neuen Medien Entwicklungen und Tatsachen zu präjudizieren, obwohl ein erster Versuch in Bremens Neuer Vahr des damaligen Bundesministers für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen, Prof. Dr. Ehmke, wegen rechtlither Bedenken aufgegeben werden mußte?
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die beiden Fragen des Herrn Kollegen Lenzer wegen ihres Sachzusammenhangs zusammenfassend beantworte?
Bitte sehr!
Ich rufe also auch die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf:
Wie und wann ist es zu der überraschenden Entscheidung für einen ersten Lokalfernsehgroßversudi in Kassel gekommen, nachdem man bisher auf Grund aller Informationen und Zusicherungen aus dem Bundesministerium für Forschung und Technologie, das für solche Versuche zuständig sein sollte, davon ausgehen konnte, daß erst der Bericht und die Empfehlungen der „Kommission für den Ausbau der technischen Kommunikationssysteme „ abgewartet werden sollten, bevor man — unter Beteiligung aller interessierten gesellschaftlichen Kräfte — vom Bundesministerium für Forschung und Technologie aus in die Phase konkreter Planungen, Vorbereitungen und Entscheidungen von entsprechenden Großversuchen übergehen wollte?
Jung, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für 'das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege Lenzer, zu Ihrer ersten Frage: Der im zweiten Teil Ihrer Frage unterstellte Sachverhalt ist unzutreffend. Was das Projekt in Kassel angeht, so hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen deshalb mit seiner Presseerklärung vom 11. Juni 1975 klargestellt, daß das Projekt erst dann realisiert wird, wenn eine Abstimmung zwischen den politisch Verantwortlichen und mit der KtK stattgefunden hat. Von einer Präjudizierung irgendwelcher Art kann also nicht die Rede sein.
Zu Ihrer zweiten Frage. Eine Entscheidung über die Realisierung des Projektes in Kassel ist bisher nicht getroffen worden. Dies ist erst möglich, wenn der notwendige Abstimmungsprozeß zwischen den Betroffenen abgeschlossen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenzer!
Herr Staatssekretär, halten Sie nicht doch eine Präjudizierung für gegeben, zumal Sie ja, wie soeben von Ihnen mehrfach betont, hier zum Ausdruck gebracht haben, daß die KtK quasi über das Projekt informiert gewesen sei, wovon keine Rede sein kann?
Herr Kollege Lenzer, die KtK ist am 27. November — vorhin wurde hier von einem Kollegen ein kurzer Auszug aus dem Protokoll verlesen — grundsätzlich informiert worden. Die KtK hat ja — da Sie ihr angehören, können Sie das selbst bestätigen — in ihren bisherigen Beratungen auch Überlegungen angestellt, Pilotprojekte oder Modellversuche durchzuführen, und zwar drei mit verschiedener Grundlage. Von daher ist also überhaupt nicht zu unterstellen, daß dieser in Vorbereitung befindliche Versuch präjudizierend für irgend etwas anderes wirkt. Denn soweit ich das vergleichen konnte, deckt er sich ja mit zumindest einer der Vorstellungen der KtK.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß man von Empfehlungen der KtK, wie Sie sie soeben in Beantwortung der Fragen von Kollegen erwähnt haben, zur Stunde überhaupt noch nicht sprechen kann, sondern daß man dies erst tun könnte, wenn der abschließende Bericht der KtK vorliegt, der ja für das Ende dieses Jahres angefordert ist und erwartet wird?
Dies ist richtig, Herr Kollege Lenzer. Ich habe ja wiederholt darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht um Empfehlungen der KtK, sondern um Überlegungen der KtK handelt. Ich habe aber auch gleichzeitig darauf hingewiesen, daß es sich um einen in Vorbereitung befindlichen Versuch handelt. Insofern kann man noch nicht von einer endgültigen Entscheidung sprechen. Ich betone noch einmal: Die Empfehlungen, die abschließenden Empfehlungen der KtK werden von der Bundesregierung bei der Durchführung dieses künftigen Versuches — falls es überhaupt so weit kommt — entsprechend berücksichtigt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12599
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenzer!
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß sich, um diesem Versuch auch in der Öffentlichkeit wirklich den Eindruck des Vorläufigen zu geben, Vertreter von beiden Häusern, nämlich dem Postministerium und dem Forschungsministerium, in der nächsten Sitzung der KtK, die ja am Freitag dieser Woche stattfinden wird, dort amtlich so erklären werden?
Ja, Herr Kollege Lenzer, ich werde dafür Sorge tragen.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenzer.
Herr Staatssekretär, ist bei der Bundesregierung bereits zu dieser Stunde daran gedacht, diesen Großversuch noch weiter auszudehnen, möglicherweise auf das Rhein-Main-Gebiet?
Nein, Herr Kollege Lenzer, derartige Überlegungen sind zur Zeit noch nicht angestellt.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sieglerschmidt.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß nicht die in Übereinstimmung mit den Arbeitsergebnissen der KtK vorgenommene Planung zu Präjudizierungen führt, sondern daß durch tendenziöse Berichterstattung in bestimmten Publikationsorganen und auch heute durch die Fragesteller in dieser Sache der Eindruck eines unseriösen Vorgehens der Bundesregierung hervorgerufen werden soll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Sieglerschmidt, Ihre Frage enthält eine Bewertung, der ich mich zunächst nicht anschließen möchte.
Vizperäsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage hat der Abgeordnete Reiser.
Herr Staatssekretär, ist es denn richtig, daß die Gespräche zwischen dem zuständigen Bundesministerium, der hessischen Landesregierung, der Stadt Kassel und dem Hessischen Rundfunk lediglich darauf abzielten, zunächst den Rahmen für ein Demonstrationsprojekt „Zwei-Wege-Kabelfernsehen" abzustecken, der dann im einzelnen in enger Zusammenarbeit mit der KtK ausgefüllt werden soll?
Ja, Herr Kollege, so ist es.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, ist nach Auffassung der Bundesregierung das Interesse an der Erprobung derartiger neuer Medien in sicherlich sehr kostenintensiven Großversuchen so hoch, daß bei der Finanzsituation, der der Bund in den nächsten Jahren entgegengehen wird, überhaupt ein aktuelles Interesse an diesen Dingen vorliegt?
Ja, das Interesse nicht nur der Bundesregierung, sondern auch der hier wiederholt erwähnten „KtK" an der Durchführung solcher Modellversuche ist groß. Im übrigen habe ich vorhin bereits darauf hingewiesen, daß man erst nach Abstimmung mit den zuständigen Ressorts und der „KtK" in Überlegungen über die endgültige Finanzierung wird eintreten können, so daß im Augenblick noch gar nicht gesagt werden kann, in welchem Umfang die Bundesregierung hiermit haushaltsmäßig belastet wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hoffie.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß sich auch die Vertreter der CDU/CSU in der „KtK" mehrfach dahin gehend erklärt haben, daß praktische Demonstrationsprojekte des Kabelfernsehens trotz des relativ hohen Kostenaufwandes notwendig sind, um abschließende Bewertungen hinsichtlich des Bedarfs an neuen Kommunikationstechnologien treffen zu können?
Ja, ich kann dies bestätigen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, zunächst zur Frage 80 des Abgeordneten Braun:
Ist die Bundesregierung bereit, bei künftigen Gesetzentwürfen jeweils anzugeben, welche zusätzlichen Ausgaben den Gemeinden/Gemeindeverbänden durch das betreffende Gesetz im Hinblick auf personelle Ausgaben, Sachausgaben und Folgekosten entstehen?
Bitte sehr!
Herr Kollege Braun, nach § 37 Abs. 2 Buchstabe a der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil, sind in der Begründung der Gesetzentwürfe der Bundesregierung die Auswirkungen auf die Haushalte der Gemeinden und Gemeindeverbände — aufgegliedert nach Sachkosten und Personalkosten — darzustellen. Diese
Metadaten/Kopzeile:
12600 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Parl. Staatssekretär BaumVorschrift, die auch für Rechtsverordnungen gilt, wurde bislang nicht in allen Fällen in vollem Umfang beachtet. Der Herr Bundeskanzler hat daher mit Schreiben vom 17. März dieses Jahres die Minister gebeten, Gesetzesvorlagen nur dann dem Kabinett zur Beschlußfassung vorzulegen, wenn sie die Angaben über die Kosten enthalten. Es ist also sichergestellt, daß künftig in der Begründung der Gesetz- und Verordnungsentwürfe deren finanzielle Auswirkungen für die Gemeinden und die Gemeindeverbände dargestellt werden.Zu dem von den Bundesressorts angewandten Verfahren bei der Ermittlung der für die Gemeinden voraussichtlich entstehenden Kosten möchte ich noch auf folgendes hinweisen, Herr Kollege. Die Bundesregierung hat durch Beschluß vom 7. März 1975 die Gemeinsame Geschäftsordnung dahin gehend geändert, daß in § 23 a nunmehr ausdrücklich die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene bei allen Entwürfen von Gesetzen und Rechtsverordnungen, durch die Belange der Gemeinden und Gemeindeverbände berührt werden — also auch, wenn sie mit Kosten belastet werden — geregelt wird. Dadurch wird den kommunalen Spitzenverbänden die Möglichkeit gegeben, schon bei der Gesetzesvorbereitung aus kommunaler Sicht auch zu_ der Kostenfrage Stellung zu nehmen. Sind sie anderer Meinung als die Bundesregierung, wird diese abweichende Meinung in der Begründung des Gesetzentwurfs dargestellt und somit den gesetzgebenden Körperschaften zur Kenntnis gegeben. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß der Bundestag für sich etwas Ähnliches vorhat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Braun.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, gerade bei dieser Gesetzgebung in Zukunft das Instrument des Planspiels zur Feststellung der tatsächlichen finanziellen Belastung stärker anzuwenden?
Das Instrument des Planspiels, Herr Kollege, ist sicher in einigen Fällen nützlich, um die Kosten exakt zu ermitteln, die auf die ausführenden Stellen zukommen. Ich kann mir vorstellen, daß es künftig noch mehr angewandt wird als schon bisher, aber sicher nicht in jedem Fall.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Braun.
Hat die Bundesregierung erwogen, das Deutsche Institut für Urbanistik zur Feststellung der Höhe der finanziellen Belastungen ebenfalls heranzuziehen?
Davon ist mir bisher nichts bekannt,
Herr Kollege. Aber ich werde der Sache gerne nachgehen und Ihnen darüber Auskunft geben.
Wir kommen zur Frage 81 des Abgeordneten Braun:
Wird die Bundesregierung in dem jeweiligen Gesetzentwurf dann auch darlegen, in welcher Weise sie den Gemeinden/Gemeindeverbänden den zusätzlichen finanziellen Aufwand erstatten wird?
Herr Kollege, soweit die Länder Bundesgesetze ausführen, tragen sie grundsätzlich die sich aus der Aufgabenwahrnehmung ergebenden Ausgaben. Das finanzverfassungsrechtliche System des Grundgesetzes setzt voraus, ,daß die Länder zur Tragung dieser Ausgaben auf Grund der Verteilung des Steueraufkommens in der Lage sind. Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind an diesem Aufkommen durch Anteile nach näherer Bestimmung des Art. 106 Abs. 5 und 7 GG beteiligt. Die Anteile an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis der Einnahmen des Bundes und der Länder einschließlich Gemeinden und Gemeindeverbände wesentlich anders entwickelt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, durch Bundesgesetz verursachte Mehrbelastungen der Länder und Gemeinden durch Finanzzuweisungen auszugleichen, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt sind. Eine Verpflichtung des Bundes zum Ad-hoc-Ausgleich für die sich aus jedem einzelnen Gesetz ergebenden Mehrbelastungen der Kommunen stünde mit idem Grundgesetz nicht im Einklang. Deshalb hält es die Bundesregierung für untunlich, die Art der Erstattung des zusätzlichen Aufwandes der Gemeinden in den Gesetzentwürfen darzulegen.
Herr Abgeordneter Braun zu einer Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, würden Sie mit mir der Meinung sein, daß auch in dieser Legislaturperiode eine Reihe von Gesetzen beschlossen worden ist, die erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Gemeinden haben, ohne daß den Gemeinden ein entsprechender finanzieller Ausgleich zur Verfügung gestellt worden ist?
Herr Kollege, das kann ich in dieser Form nicht bestätigen. Ich habe Ihnen dargelegt, daß nach unserer Verfassung ein Ausgleichssystem wirksam wird, mit dem versucht werden soll, die Mehrkosten abzudecken. Im übrigen weise ich Sie darauf hin, daß im Rahmen der Enquete-Kommission versucht wird, das Funktionieren unserer Finanzverfassung einmal grundlegend zu überdenken. Dabei wird auch auf die besondere Situation der Gemeinden eingegangen.
Die Frage 82 des Abgeordneten Dr. Wittmann ist nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig, weil das Thema bei Punkt 30 der Tagesordnung behandelt wird.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12601
Vizepräsident Dr. Jaeger
Trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, das Bundesgrenzschutzkommando Mitte von Kassel auf längere Sicht gesehen stufenweise in den Raum Bonn zu verlegen, und daß kurzfristig mit der Verlegung von Dienststellen zu rechnen ist?
Herr Kollege Böhm, die Bundesregierung beabsichtigt auch langfristig nicht, das Grenzschutzkommando Mitte aus Kassel in den Raum Bonn zu verlegen. Sie hat jedoch ins Auge gefaßt, auf Grund eines im Dezember 1973 erstatteten Gutachtens über „Rationalisierungsmaßnahmen zur weiteren Leistungssteigerung des Bundesgrenzschutzes" von den sieben zur Zeit im Bundesgrenzschutz vorhandenen Gruppenstäben vier aufzulösen.
Von der Auflösung werden im Bereich des Grenzschutzkommandos Mitte der Gruppenstab in Fuldatal bei Kassel sowie vermutlich auch der Gruppenstab in Alsfeld betroffen werden, nicht jedoch die übrigen in den beiden Standorten liegenden Dienststellen.
Es wird ferner erwogen, auch die Verwaltungsstelle Kassel der Grenzschutzverwaltung Mitte — nicht Kommandostab Mitte und nicht die Grenzschutzverwaltung Mitte — im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen aufzulösen.
Von allen genannten Maßnahmen, Herr Kollege, werden im Bereich des Grenzschutzkommandos Mitte insgesamt etwa 120 Angehörige des Bundesgrenzschutzes betroffen. Die durch die Auflösung der genannten Dienststellen gewonnenen Kräfte und Planstellen werden benötigt, um die Sicherungskräfte im Raum Bonn verstärken und dort das dringend erforderliche Grenzschutzkommando West mit einer Grenzschutzverwaltung aufstellen zu können.
Das Bundesministerium des Innern wird bei der Durchführung der organisatorischen Maßnahmen selbstverständlich auf die persönlichen Verhältnisse der betroffenen Beamten Rücksicht nehmen, die zum Teil schon unterrichtet sind. Eine Reihe von ihnen hat sich mit erforderlichen Versetzungsmaßnahmen einverstanden erklärt. Die Bundesregierung wird für die übrigen Beamten annehmbare Verwendungsmöglichkeiten eröffnen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie hier festgestellt haben, daß der Gruppenstab und die Verwaltungstelle abgezogen werden sollen, frage ich Sie, in welcher Weise die entsprechenden Personalräte bisher bei den vorzunehmenden und bereits vorgenommenen Maßnahmen beteiligt worden sind.
Herr Kollege, soweit die Maßnahmen schon entschieden sind — ich habe Sie ja auch über Maßnahmen informiert, die geplant sind, um Ihnen einen möglichst umfassenden Überblick zu geben —, haben bereits Gespräche mit den Personalräten stattgefunden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Haase.
Herr Staatssekretär, es sind aber, was die letzte Frage des Herrn Abgeordneten Böhm angeht, Klagen seitens der Personalvertretungen laut geworden. Ich muß mich deshalb fragen: Wird hier nicht — —
Sie haben nicht sich selbst zu fragen, sondern die Bundesregierung.
Ich frage Sie — um dem Petitum des Herrn Präsidenten Rechnung zu tragen —: Wird nicht in Ihrem Hause die Mitbestimmung, die sonst dort angeblich obenansteht, dadurch gröblichst vernachlässigt, daß man die Personalvertretungen vor vollendete Tatsachen stellt?
Nein, Herr Kollege, das ist nicht der Fall. Sie müßten mir dazu sagen, wann und wo die Mitbestimmung, wie sie gesetzlich vorgeschrieben ist, gröblich vernachlässigt worden wäre. Wenn Sie Klagen haben, gehe ich diesen gerne nach, und wenn Sie hier behaupten, daß die Personalvertretungen unzureichend gehört worden sind, werde ich dem auch von mir aus nachgehen, denn als Sie sich gefragt haben, habe ich mich gleichzeitig mitgefragt.
Herr Abgeordneter Jäger zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es sonst irgendein Grenzschutzkommando des Bundesgrenzschutzes, dem keine Verwaltungsstelle zugeordnet ist, und in welchem Zusammenhang kann dann das Vorhaben der Bundesregierung im Raum Kassel als Rationalisierungsmaßnahme gesehen werden, wenn hier als Ausnahme von der sonstigen Regel eine Verwaltungsstelle weggenommen, das Kommando aber dort belassen wird?
Herr Kollege, ich habe dargelegt, daß die Grenzschutzverwaltung Mitte erhalten bleibt, daß aber ein Zweig, die Verwaltungsstelle mit etwa 20 Personen, im Zuge der Rationalisierungsmaßnahmen nicht mehr benötigt wird und deshalb eine Auflösung geplant ist.
Herr Abgeordneter Böhm, Sie wollen Ihre zweite Zusatzfrage mit Verzögerung anbringen?
Ja. — Herr Staatssekretär, da Sie hier den Abzug weiterer Bediensteter des öffentlichen Dienstes aus dem nordhessischen Zonenrandgebiet angekündigt haben bzw. gesagt haben, daß es dazu bereits gekommen ist, frage
Metadaten/Kopzeile:
12602 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Böhm
ich Sie, wie die Bundesregierung es mit ihren strukturpolitischen Hilfsmaßnahmen für dieses Gebiet vereinbaren will, daß hier im Bereich des öffentlichen Dienstes ein solcher Abzug aus dem Zonenrandgebiet erfolgt.
Herr Kollege, zunächst muß ich Sie berichtigen: Ein Abzug hat noch nicht stattgefunden. Er ist geplant, und ich habe Ihnen dargelegt, wo er geplant ist und wieviel Personen betroffen sind. Sie müssen dabei bitte berücksichtigen, daß durch die neuen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes im Raume Bonn hier der Aufbau einer besonderen Verwaltung notwendig ist und daß der Bundesgrenzschutz die Möglichkeit haben muß, im Interesse der Rationalisierung auch eine Verlagerung von Stellen vorzunehmen.
Ich glaube nicht, daß damit die Wirtschaftsstruktur des Raumes Kassel ernsthaft betroffen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, ist mit der Verlegung des Bundesgrenzschutzkommandos auch eine nachhaltige Veränderung des Auftrages verbunden?
Nein, Herr Kollege. Der Auftrag ist von diesem Hause festgelegt worden und wird erfüllt und nicht geändert. Er geht klar aus den gesetzlichen Grundlagen hervor. Im übrigen wird das Grenzschutzkommando nicht verlegt; das habe ich ja gerade dem Kollegen Böhm erklärt.
Jetzt wird keine Zusatzfrage mehr gewünscht. Der Raum Kassel hat ja in der heutigen Fragestunde eine besonders breite Behandlung gefunden.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser steht zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Hat die Bundesregierung in den vergangenen zwölf Monaten von den ihr zustehenden Rechten bzw. Pflichten aus dem § 47 des Gesetzes über das Kreditwesen Gebrauch gemacht?
Herr Kollege Ey, § 47 des Kreditwesengesetzes kann nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nur angewandt werden, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten bei Kreditinstituten zu befürchten sind, die schwerwiegende Gefahren für die Gesamtwirtschaft, insbesondere den geordneten Ablauf des allgemeinen Zahlungsverkehrs, erwarten lassen. Die Gefahr einer solchen allgemeinen Krise hat nicht bestanden. Die Bundesregierung brauchte deshalb § 47 des Kreditwesengesetzes nicht anzuwenden.
Herr Abgeordneter Ey zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung es nicht für eine schwerwiegende Gefahr für die Gesamtwirtschaft eines Landes, wenn die Bankverluste einer Landesbank fast 10 % der Höhe des gesamten Bruttosozialprodukts betragen?
Wenn die Bundesregierung dies für eine Angelegenheit im Sinne des § 47 hielte, hätte sie den Paragraphen angewandt.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß die Bundesregierung im vergangenen Jahr beabsichtigte, einem Landesbankvorstand nach § 47 die Bankengeschäftsführungseigenschaft zu entziehen?
Ich kann Ihnen das nicht bestätigen, Herr Ey.
Sie haben nur zwei Zusatzfragen. — Keine andere Zusatzfrage.
Die Fragen 85, 86, 87 und 88 werden auf Wunsch der drei Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit komme ich zu Frage 89 des Abgeordneten Höcherl. — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird dann auch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 90 des Abgeordneten Zeyer auf:
Steht der Bundeskanzler noch zu seinem Wort in der Regierungserklärung vom 17. Mai 1974, die Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode nicht zu erhöhen, und welche anderen Steuern werden noch in dieser Wahlperiode erhöht?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Zeyer, der erste Teil Ihrer Frage ist identisch mit einer Frage, die Ihr Fraktionskollege Dr. Sprung schon in der letzten Fragestunde gestellt hatte. Ich darf auf die Antwort verweisen, die ich in der damaligen Fragestunde gegeben habe.Auch zu dem zweiten Teil Ihrer Frage habe ich mich schon in der letzten Fragestunde geäußert. Ich wiederhole: Es gibt zur Zeit im Bundesministerium der Finanzen keine Arbeit an irgendeiner Steuervorlage.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12603
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Zeyer.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihre Antwort so verstehen, daß alle Presseveröffentlichungen der letzten Wochen, die sich mit einer beabsichtigten Erhöhung der Mehrwertsteuer und anderer Steuern befaßt haben, jeglicher Grundlage entbehren?
Herr Kollege Zeyer, Sie können meine Antwort so verstehen, wie ich sie gegeben habe, nämlich so, daß es im Bundesministerium der Finanzen keine Arbeit an irgendeiner Steuervorlage gibt. Eine solche Arbeit wäre die Voraussetzung für eine mögliche Steuererhöhung.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Zeyer.
Herr Staatssekretär, soll das heißen, daß der Herr Bundesfinanzminister einfach dahergeredet hat, als er vor wenigen Tagen von einer Steuererhöhung nach der Rezession sprach?
Ich würde fast annehmen, daß jetzt jemand dahergeredet hat; denn der Herr Bundesfinanzminister hat — genauso, wie ich das hier des öfteren gesagt habe — darauf hingewiesen, daß eine Steuererhöhung zur Zeit nicht beabsichtigt ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Thürk.
Herr Staatssekretär, ich muß das Thema noch einmal aufgreifen und Sie fragen, ob der Herr Bundesfinanzminister, als er — und das ist nie in Abrede gestellt worden — öffentlich erklärt hat, Steuererhöhungen — gemeint war wohl die Mehrwertsteuer — vornehmen zu wollen, sobald der Aufschwung gekommen sei, dies getan hat, ohne daß in Ihrem Hause überhaupt irgendwelche Vorarbeiten geleistet worden sind?
Herr Kollege, es ist doch wohl selbstverständlich, daß, nachdem es eine monatelange Diskussion über Steuererhöhungen gibt, die insbesondere aus den Reihen der Opposition geführt worden ist — ich stehe doch hier zum x-ten Male, um zum gleichen Thema Stellung zu nehmen —, sich auch der Bundesfinanzminister zu diesem Thema äußert. Die Fragen, die hier immer wieder gestellt werden, betreffen den gleichen Themenkreis: Stehen Steuererhöhungen bevor? Wird an Steuererhöhungen gearbeitet? Ich sage Ihnen hier noch einmal: Es wird an Steuererhöhungsvorlagen nicht gearbeitet. Deswegen können Sie daraus den Schluß ziehen, daß eine Steuererhöhung in einem überschaubaren Zeitraum nicht beabsichtigt ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger .
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß die Äußerungen des Bundesfinanzministers, auf die sich soeben der Kollege Thürk bezogen hat, nicht dementiert wurden — auch jetzt von Ihnen nicht —, frage ich Sie: Muß ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung in einem überschaubaren Zeitraum nicht mit jenem Aufschwung und jener Konjunkturverbesserung rechnet, die dann zu Steuererhöhungen führen sollen?
Ich muß es Ihnen überlassen, welche Schlußfolgerungen Sie aus meinen Antworten ziehen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Sauer.
Herr Staatssekretär, da wir bei Ihnen — dankenswerterweise — nicht gewohnt sind, daß Sie einfach daherreden, darf ich Sie fragen, was Sie unter einem „überschaubaren Zeitraum" verstehen?
Das dürfen Sie in der Tat fragen. Ich kann Ihnen aber darauf keine Antwort geben;
denn es ist doch so, Herr Kollege, daß wir uns mitten in einem Haushaltsjahr befinden. Dieses Haushaltsjahr gestaltet sich durch die Umstände, die wir alle kennen und die Sie hoffentlich mit der Bundesregierung beklagen — manchmal hat man nicht den Eindruck —, sehr schwierig. Genauso wird sich die Haushaltsaufstellung für 1976 sehr schwierig gestalten. Ich verrate niemandem ein Geheimnis.
Zum rechten Zeitpunkt wird die Bundesregierung alle Entscheidungen treffen, die für den künftigen Haushalt erforderlich sind.
Bislang war ich der Meinung, der einzig überschaubare Raum für einen Abgeordneten sei eine Wahlperiode.
Meine Damen und Herren, ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Schröder auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß der Bundeskanzler den Vertretern der Stadt Emden zugesichert hat, sich für die Erhaltung der Arbeitsplätze der Emdener Frisia-Raffinerie einzusetzen, und machte der Bundeskanzler dabei die Zusage, daß die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen wird, um die Konkurrenzsituation der deutschen Raffinerien zu den multinationalen Konzernen zu verbessern?
Herr Staatssekretär!
Metadaten/Kopzeile:
12604 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Herr Präsident, wegen des engen Sachzusammenhangs würde ich es gerne sehen, wenn Sie damit einverstanden wären, daß ich die beiden Fragen zusammen beantworte.
Bitte sehr! Ich rufe auch die Frage 92 des Abgeordneten Schröder auf:
Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung gegebenenfalls inzwischen unternommen, um diese Zusagen zu erfüllen?
Herr Kollege Schröder, die Bundesregierung bemüht sich bei allen ihren Beteiligungsgesellschaften um die Erhaltung der Arbeitsplätze. Dies gilt selbstverständlich auch für die Emdener Frisia-Raffinerie. Der Einflußnahme des Bundes auf die unternehmenspolitischen Entscheidungen der einzelnen Gesellschaften sind allerdings Grenzen gesetzt. Sie wissen, daß der Bund bei VEBA unter 50 % beteiligt ist.
Hinsichtlich der Frisia-Raffinerie haben Vertreter der Stadt Emden Gelegenheit gehabt, dem Bundeskanzler ihre Sorgen um die Sicherheit der Arbeitsplätze vorzutragen. In diesem Gespräch hat der Bundeskanzler seine Bereitschaft erklärt, sich für die Erhaltung der Arbeitsplätze einzusetzen. Der Aufsichtsrat der Frisia-AG hat in seiner Sitzung am 5. Juni 1975 lediglich ein vorübergehendes Abstellen der Prozeßanlagen der Raffinerie Emden bei Aufrechterhaltung des Tanklager- und Verladebetriebes beschlossen. Damit ist zwar Kurzarbeit, aber keine Entlassung von Beschäftigten verbunden.
Im übrigen beobachtet die Bundesregierung aufmerksam die Situation auf dem Mineralölmarkt und seine weitere Entwicklung. Die Frage der Verbesserung der Lage der deutschen Raffinerien ist Gegenstand der Prüfung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröder.
Herr Staatssekretär, der Herr Bundeskanzler hat ja auch in Aussicht gestellt, sich dafür einzusetzen, daß die Wettbewerbsfähigkeit dieser Raffinerien eventuell durch Sonderabgaben verbessert wird; das hat man anscheinend zunächst einmal fallenlassen. Aber welche konkreten Möglichkeiten gibt es denn zur Zeit überhaupt, die Wettbewerbsfähigkeit dieser Raffinerien gegenüber den Multis oder auch gegenüber den Dumpingpreisen anderer Importeure zu verbessern?
Nun, Herr Kollege Schröder, genau darauf habe ich Ihnen eine Antwort zu geben versucht, indem ich sagte: die Frage der Verbesserung der Lage der deutschen Raffinerien ist Gegenstand der Prüfung.
In einer der letzten Fragestunden habe ich darauf hingewiesen, daß am voraufgegangenen Vormittag das Bundeskabinett sich mit dieser Frage befaßt hat, auch mit den Sonderabgaben, die Sie in diesem Zusammenhang mit Recht erwähnt haben. Das Bundeskabinett hat beschlossen, noch vor der Sommerpause den gleichen Gegenstand an Hand von erarbeiteten Unterlagen zur Debatte zu stellen. Die Sommerpause steht nun unmittelbar bevor, so daß ich davon ausgehe, daß das Kabinett alsbald darüber berät und die Öffentlichkeit informiert.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröder.
Herr Staatssekretär, da Ihre Auskünfte ja für die Betroffenen noch nicht sehr befriedigend sein können, darf ich vielleicht noch die Frage stellen: Was haben denn — —
Herr Abgeordneter, Sie dürfen die Antworten der Bundesregierung nicht qualifizieren. Sie dürfen nur Fragen stellen.
Entschuldigung! — Darf ich die Frage stellen: Was haben denn die Gespräche des Bundeswirtschaftsministers in den Vereinigten Staaten in diesem Bereich ergeben, oder muß ich der Tatsache, daß bisher keine Verlautbarungen darüber bekanntgeworden sind, entnehmen, daß es keine konkreten Ergebnisse in dieser Richtung gibt?
Herr Kollege Schröder, diese Gespräche des Herrn Bundesministers für Wirtschaft in den Vereinigten Staaten dienten eben der Erörterung von Möglichkeiten zur Verbesserung der Lage der deutschen Mineralölwirtschaft. Die Ergebnisse dieser Gespräche werden in den Auftrag des Kabinetts einbezogen, der, wie ich Ihnen vorher sagte, vor der Sommerpause erfüllt werden soll.
Die dritte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröder.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß das, was Sie bisher an Auskünften zu diesem Problem gegeben haben, für die Mitarbeiter der betroffenen Raffinerie, deren Entlassung durch Stilllegung ja immer noch droht, nicht sehr befriedigend ist?
Ich stimme Ihnen nicht zu, Herr Kollege Schröder. Die Mitarbeiter, von denen Sie hier sprechen, standen vor der großen Sorge der Entlassung. Nicht zuletzt durch das erwähnte Gespräch mit dem Herrn Bundeskanzler Helmut Schmidt ist
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12605
Parl. Staatssekretär Haehserdiese größte Sorge von den Mitarbeitern genommen worden. Kurzarbeit ist nicht Arbeitslosigkeit; aber das brauche ich Ihnen nicht zu erklären.
Die letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröder.
Ich darf aus Ihren Ausführungen schließen, daß dies in erster Linie durch eine Intervention des Bundeskanzlers zustande gekommen ist und es sich nicht, wie Sie sich eingangs ausgedrückt haben, vor allen Dingen um Entscheidungen der zuständigen Organe bei der VEBA handelt?
Sie dürfen das daraus nicht schließen, wenn Sie die Betonung auf das „in erster Linie" legen. Ich habe darauf hingewiesen, daß der Bundeskanzler auch eingeschaltet worden ist und daß dies auch dazu führte, daß die größte Sorge, um die es uns ja ging, von den Arbeitnehmern genommen wurde, nämlich die der Entlassung.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Was den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten betrifft, so sind alle Fragen schriftlich zu beantworten.
Sie werden hier also nicht mehr aufgerufen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Schmidt zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 101 der Abgeordneten Frau Benedix auf:
Wie steht die Bundesregierung zu der Förderung von Tagungen zum Thema Sicherheitspolitik aus Mitteln des Bundesverteidigungsministeriums, wenn sich diese Tagung fast ausschließlich mit militärischen Verdünnungsmaßnahmen in Mitteleuropa der Bildung einer sogenannten Entspannungszone beschäftigt und hierbei wiederum der Frage einer Bewußtseinsveränderung durch wertfreien Systemvergleich Vorrang einräumt?
Zur Beantwortung, bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrte Frau Kollegin, aus Ihrer Fragestellung vermag ich nicht zu erkennen, ob Sie eine spezielle Tagung angesprochen haben.
Grundsätzlich kann ich sagen, daß Haushaltsmittel, die im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit für die Förderung von Tagungen zum Thema „Sicherheits- und Verteidigungspolitik" eingesetzt werden können, nicht beim Bundesministerium der Verteidigung ressortieren, sondern beim Bundespresseamt. Es handelt sich dabei um Kap. 04 03 Tit. 53102.
Das Bundesministerium der Verteidigung erhält aus diesem Titel des Einzelplans 04 einen Verfügungsbetrag zur Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit der Truppe. Daraus können Truppenbesuche sowie Vortragsveranstaltungen und Seminare, die
Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zum Gegenstand haben, finanziert werden. Von diesen Veranstaltungen sind selbstverständlich kritische Interessenten und kontroverse Themen nicht ausgeschlossen, soweit die Gewähr gegeben ist, daß der Standpunkt der Bundesregierung nachdrücklich vertreten werden kann. Dieser Standpunkt läßt sich kurzgefaßt durch die Formel „Verteidigungsbereitschaft + Entspannung = Sicherheit" verdeutlichen.
Eine Tagung, die sich ausschließlich mit der von Ihnen umschriebenen Thematik befaßt, würde diesem Standpunkt nicht Rechnung tragen. Sie könnte daher nicht aus den Mitteln des Verteidigungsministeriums gefördert werden.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Benedix.
Muß ich Ihrer Darlegung entnehmen, daß eine schriftliche Zusage eines hohen Repräsentanten der staatstragenden Partei in einem Brief, den ich vorliegen habe, des Inhalts, daß eine solche Bezuschussung nach Rücksprache mit dem Verteidigungsministerium erfolgen wird, auf einer Unwahrheit beruht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, ich habe ja ausdrücklich gesagt: Wenn hier die Möglichkeit besteht, auch die Meinung der Bundesregierung nachhaltig zu vertreten, und es nicht ausschließlich um Themen geht, die Sie aufgeführt haben, ist selbstverständlich eine Hilfe möglich.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Frau Abgeordnete Benedix.
Herr Staatssekretär, aus dieser Programmübersicht ging sehr deutlich hervor, daß hier eine Bewußtseinshaltung herbeigeführt wird, die den Intentionen der offiziellen Linie der Bundesregierung widerspricht. Würden Sie also meinen, daß auch dann grundsätzlich eine Förderung möglich ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich muß Ihnen dazu sagen, daß ich überhaupt nicht Stellung nehmen kann. Sie haben nicht konkret gesagt, worum es geht und wo eine solche Veranstaltung gewesen ist. Ich kann mir natürlich schon denken, was Sie meinen; aber ich habe es nicht konkret vor mir liegen. Deswegen kann ich dazu keine Stellung nehmen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, dem Haus bekanntzugeben, mit welchem Zuschuß das Bundesministerium der Verteidigung bzw. das Bun-
Metadaten/Kopzeile:
12606 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohensteindespresseamt die sicherheitspolitische Tagung der Jungsozialisten am letzten Wochenende in Siegen gefördert hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn diese Tagung gemeint war, bedauere ich sehr, daß Sie sie nicht in Ihrer Frage aufgeführt haben, verehrte Frau Kollegin. Ich kann jetzt aus dem Handgelenk heraus natürlich nicht sagen — sonst hätte ich es schon in der Antwort gesagt —, ob und mit welchen Mitteln hier gefördert worden ist. Ich bin aber gern bereit, darauf schriftlich zurückzukommen.
Keine Zusatzfrage mehr.
Die Fragen 104 und 105 des Abgeordneten Gansel werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Nun kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit.
Die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Schöfberger wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Frage 106 des Abgeordneten Rollmann wird schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 107 des Abgeordneten Sauer auf:
Was hat die Bundesregierung veranlaßt, abweichend vom Ersten Familienbericht im Zweiten Familienbericht (Drucksache 7/3502) auf eine Darstellung der Lage der Familien in Mitteldeutschland zu verzichten?
Der erste Familienbericht, Herr Kollege, hatte zum Ziel, einen ersten umfassenden Überblick über die Situation der Familien in Deutschland zu geben. Aus diesem Grunde stellte er in starkem Maße eine Beschreibung bestehender Zustände dar, in die soweit es sich um die Wiedergabe statistischer Daten handelte, auch die DDR einbezogen werden konnte. Demgegenüber behandelte der Zweite Familienbericht ein Spezialthema, das eine wesentlich differenziertere Darstellung und kompliziertere Analysen erforderte und entsprechend dem Berichtsauftrag auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt blieb.
Im übrigen wurde bereits in den „Materialien zum Bericht über die Lage der Nation 1972", soweit entsprechende Daten und Untersuchungen vorlagen, auf die Situation der Familien in der DDR eingegangen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sauer.
Plant die Bundesregierung in irgendeiner anderen Form die derzeitige Situation der Familien in Mitteldeutschland darzustellen? Das wäre sicher eine Bereicherung für die Diskussionen, die viele Besucher in Mitteldeutschland führen.
Herr Kollege, soweit es unseren Geschäftsbereich angeht, nicht, es sei denn, in einem zukünftigen Bericht dieser Art würde sich die Notwendigkeit einer umfassenden Darstellung wie im ersten Bericht ergeben. Inwieweit in Materialien zum Bericht zur Lage der Nation zukünftig solche Daten veröffentlicht werden, entzieht sich meiner Kenntnis.
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 108 und 109 des Abgeordneten Dr. Schäuble werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme zur Frage 110 des Abgeordneten Egert. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, desgleichen seine Frage 111. Die Antworten werden ebenfalls als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 112 des Abgeordneten Kiechle sowie die Fragen 113 und 114 des Abgeordneten Dr. Dollinger werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Auch diese Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme zur Frage 115 des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein:
Verfügt die Bundesregierung über zuverlässige Informationen darüber, daß die praktische Ausbildung in Krankenanstalten für Studierende der Medizin entsprechend der am 26. März 1975 geänderten Bundesärzteordnung ab 1. Oktober 1976 gewährleistet ist?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung hat zuletzt im März dieses Jahres eine schriftliche Anfrage an die obersten Landesgesundheitsbehörden gerichtet, die den Stand der Vorbereitungen für die am 1. Oktober 1976 erstmalig anlaufende praktische Ausbildung im letzten Jahre des Medizinstudiums betraf. Es liegen noch nicht von allen Ländern Mitteilungen zu dieser Anfrage vor. Auf Grund der bisherigen Antworten muß ich davon ausgehen, daß die betroffenen Länder in der Lage sind, die praktische Ausbildung in Krankenanstalten ab 1. Oktober 1976 durchzuführen.
Die Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder hat auf ihrer letzten Sitzung im Mai dieses Jahres die Notwendigkeit betont, alle Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Vollzug der Approbationsordnung für Ärzte zu schaffen.
Eine Zusatzfrage.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975 12607
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohensteinüber die neuesten Informationen verfügt, die eine solche Stellungnahme zulassen, wie Sie sie eben abgegeben haben?
Ja, Herr Kollege. Wir sind in dieser Frage in ständigem Kontakt mit den Ländern. Wir haben Informationen, die alle positiv sind. Ich gehe davon aus, daß wir von den Ländern sofort unterrichtet würden, wenn sich daran etwas änderte.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich muß also aus Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie nicht darüber informiert sind, daß das Land Hamburg nicht beabsichtigt, zusätzliche Stellen und zusätzliche Sachausgaben für die Durchführung der Approbationsordnung im Stadtstaat Hamburg bereitzustellen?
Ich bin nur darüber informiert, daß nach dem Stand unserer Kenntnis die Länder die Voraussetzungen haben. Ich nehme an, daß das auch in Hamburg gegeben ist. Anderslautende Informationen habe ich keine.
Ich komme zur Frage 116 des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein:
Werden seitens der Bundesländer die notwendigen personellen und sächlichen Voraussetzungen in den akademischen Lehrkrankenhäusern zum 1. Oktober 1976 vorhanden sein, oder fallen auch diese unerläßlichen Investitionen unter den von den Gesundheitsministern der Länder empfohlenen Einstellungsstopp für Krankenhäuser?
Herr Kollege, die Bundesregierung erwartet, daß die personellen und sachlichen Voraussetzungen für die Durchführung der praktischen Ausbildung im letzten Jahr des Medizinstudiums bis 1. Oktober 1976 geschaffen werden. Die Richtwerte zur personellen Besetzung der Krankenhäuser bei den Krankenhäusern beziehen sich nicht auf das Personal, das zur Durchführung der Approbationsordnung für Ärzte notwendig ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn meine Informationen zutreffen, daß keine zusätzlichen Stellen für die Ausbildung von angehenden Ärzten im letzten Studienjahr geschaffen werden, wie denkt sich dann die Bundesregierung die Durchführung der Bundesärzteordnung bzw. der Approbationsordnung?
Ich kann Ihre Informationen im einzelnen nicht nachprüfen, kann mir aber vorstellen, daß man die Durchführung dadurch sicherstellen kann, daß ohne Schaffung zusätzlicher Stellen durch Umgruppierung vorhandener Stellen solche Aufgaben gelöst werden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ich habe ja nicht zu einem konkreten Tatbestand geantwortet, sondern zu einer Information, über die Sie verfügen und die ich nicht kenne. Ich habe zu der theoretischen Möglichkeit Stellung genommen, daß man ohne Ausweitung von Stellen durch Umschichtung vorhandenen Personals Aufgaben lösen kann. Ich haben nicht zu einem konkreten Vorgang Stellung genommen; ich kenne ihn nicht.
Ich komme zu Frage 117 der Abgeordneten Frau Stommel:
Ist die Bundesregierung bereit, den Bürger vor übermäßiger Strahlenbelastung infolge unaufhaltsam zunehmender röntgendiagnostischer Maßnahmen durch Einführung eines Röntgenpasses besser zu schützen?
Frau Kollegin Stommel, die Frage der Einführung eines Strahlenbuches oder Röntgenpasses beschäftigt die Bevölkerung seit Jahren und wird auch jetzt noch gelegentlich aufgegriffen. Auf Grund dieses starken öffentlichen Interesses hat sich der Bundesgesundheitsrat bereits 1966 damit befaßt, kam jedoch zu einem ablehnenden Votum. 1972 hat das Bundesgesundheitsamt diesen Problemkreis nochmals geprüft — ebenfalls mit negativem Ergebnis.
Die inzwischen erlassene und in Kraft getretene Röntgenordnung vom 1. März 1973 regelt diese Frage dahin gehend, daß jeder behandelnde Arzt früher gefertigte Röntgenaufnahmen anfordern kann und daß derjenige, der diese Röntgenaufnahmen besitzt, sie dem anfordernden Arzt überlassen muß. Eine Behörde wird aber nicht tätig. Darüber hinaus kann der Patient von seinem Arzt eine Abschrift der Aufzeichnung verlangen. Damit soll sichergestellt werden, daß röntgendiagnostische Maßnahmen auf den unbedingt notwendigen Umfang beschränkt bleiben.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich erteile das Wort zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung dem Abgeordneten Berger.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 36 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages möchte ich folgende tatsächliche Erklärung abgeben:
Metadaten/Kopzeile:
12608 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Juni 1975
BergerBei der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Personalstruktur des Bundesgrenzschutzes — Drucksache 7/3494 — in der 168. Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. April 1975 hat der Abgeordnete Pensky sich auf Ausführungen bezogen, die ich in der 9. Sitzung des Innenausschusses am 16. Mai 1973 gemacht habe.Ich muß hierzu bemerken, daß Abgeordneter Pensky meine Ausführungen unvollständig wiedergegeben und dadurch den falschen Eindruck erweckt hat, als habe der Abgeordnete Gerster zuvor in der ersten Beratung des Bundesgrenzschutz-Personalstrukturgesetzes die Unwahrheit gesagt. In dem vom Abgeordneten Pensky angesprochenen Protokoll des Innenausschusses heißt es wörtlich auf Seite 10 ff.:Hierzu liegen dem Ausschuß der Antrag der Fraktion der CDU/CSU und ein Formulierungsvorschlag des BMI vor, der auf Ersuchen der Koalitionsfraktionen ausgearbeitet worden ist (s. Anlage 2 Nr. I).Abg. Berger begrüßt den Ergänzungsantragder Koalitionsfraktionen und betont, daß damitbezüglich der Polizeizulage auf übereinstimmenden Antrag aller drei Fraktionen eine Lösung gefunden werden könne. Allerdings trete er dafür ein, diese Zulagenregelung nicht erst zum 1. Januar 1974, sondern schon zum 1. Juli 1973 in Kraft zu setzen.Die Anlage 1 Nr. 4 des Protokolls enthält den Antrag der CDU/CSU-Fraktion, eine Stellenzulage in Höhe von 120 DM für die Polizeivollzugsbeamten des Bundes der Besoldungsordnung A einzuführen.
Wir stehen am Ende der Tagesordnung. Die nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen zum Stenographischen Bericht abgedruckt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, -den 19. Juni 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.