Protokoll:
5047

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 47

  • date_rangeDatum: 16. Juni 1966

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:25 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:53 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 47. und 48. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1966 Inhalt: 47. Sitzung Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 2301 A Abwicklung der Tagesordnung Schoettle, Vizepräsident . 2301 A, 2303 A Rasner (CDU/CSU) . . . 2301 B, 2302 A Dr. Mommer (SPD) . . . 2301 D, 2302 A Feststellung der Beschlußunfähigkeit . . . 2302 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . 2302 C 48. Sitzung Fragestunde (Drucksache V/681) Fragen des Abg. Geldner: Arbeitgeberzuschuß zur Altersversorgung für Angestellte Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . . 2303 B Geldner (FDP) . . . . . . 2304 A Cramer (SPD) . . . . . . . . . 2304 B Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 2304 C Fragen des Abg. Schmidt (Würgendorf) : Besoldungsordnung für Soldaten Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . . 2304 C Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Sicherung der Pressefreiheit gegen zu starke Konzentration Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . . 2305 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 2305 A Moersch (FDP) 2305 C Dr. Martin (CDU/CSU) . . 2305 D, 2306 A Mertes (FDP) 2306 A Kubitza (FDP) 2306 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 2306 C Fragen des Abg. Moersch: Unterschiedliche Behandlung von Beamten gleicher Ausbildung und Eignung Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . . 2306 D Moersch (FDP) . . . . . . . 2306 D Brück (Köln) (CDU/CSU) 2307 B Frage des Abg. Dr. Kübler: Richtlinie über die Verweigerung von Fremdenpässen an Ausländer aus NATO-Staaten Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . . 2307 C Dr. Kübler (SPD) . . . . . . . . 2308 B Dr. Arndt (Berlin/Köln) (SPD) . . 2308 C Jahn (Marburg) (SPD) 2309 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2309 B Brück (Holz) (SPD) 2309 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 Fragen des Abg. Dr. Müller (Mülheim) : Teilnahme von Häftlingen in Strafanstalten an Bildungsfernlehrgängen Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 2309 D Frage des Abg. Hirsch: Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft und für im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochene Personen Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 2310 A Jahn (Marburg) (SPD) 2310 B Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Schaffung einer zentralen Richterakademie Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 2310 C Jahn (Marburg) (SPD) 2310 C Frage des Abg. Jahn (Marburg) : „Tag des Rechts" Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 2310 D Fragen des Abg. Hamacher: Durch nationalsozialistische Rechtsprechung belastete Richter im Amt Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 2311 A Hamacher (SPD) . . . . . . . . 2311 C Fragen des Abg. Dr. Stark (Nürtingen) : Computer für die Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig Dr. Neef, Staatssekretär . . . . . 2311 D Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) . . 2311 D Fragen des Abg. Dr. Stark (Nürtingen) : Beschaffung von Datenverarbeitungsanlagen deutscher oder ausländischer Herkunft Dr. Neef, Staatssekretär . . . . . 2312 A Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) . . 2312 B Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) . . 2312 C Dröscher (SPD) . . . . 2312 D, 2313 D Petersen (CDU/CSU) . . . . . . 2313 A Geiger (SPD) . . . . . . . . . 2313 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . . 2313 B Mertes (FDP) . . . . . . . . . 2314 A Fragen des Abg. Dr. Müller (München) : Gewinnung von Kraftstoff aus Kohle Dr. Neef, Staatssekretär . . . . . 2314 B Dr. Müller (München) (SPD) . . . . 2314 B Fragen des Abg. Dr. Meinecke: „Moderne" Mastmethoden bei Hühnern, Kälbern und Schweinen Höcherl, Bundesminister 2314 D Dr. Meinecke (SPD) 2315 A Büttner (SPD) . . . . . . . . 2315 B Rollmann (CDU/CSU) 2315 D Frage des Abg. Wächter: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Dasselfliege Höcherl, Bundesminister 2316 A Wächter (FDP) . . . . . . . 2316 A Frage des Abg. Fellermaier: Eindringen des asiatischen Typs der Maul- und Klauenseuche Höcherl, Bundesminister 2316 B Fellermaier (SPD) 2316 B Frage des Abg. Rollmann: Zunahme des Nadelwaldbestandes — Abnahme der Laubwälder 2316 D Frage des Abg. Storm: Hoheits- und Fischereischutzgewässer in den Ostseeanliegerländern Höcherl, Bundesminister . . . . 2316 D Storm (CDU/CSU) 2317 A Frage des Abg. Rehs: Unterrichtung der deutschen Hochseefischer über diese Regelung . . . . 2317 A Frage des Abg. Kubitza: Ersatz von Schäden durch völkerrechtswidrige Eingriffe und Konfiskationen auf hoher See Höcherl, Bundesminister . . . . . 2317 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Neununddreißigste Verodnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/667, V/710) . 2317 B, 2317 D Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung erlassene Siebenunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/674, V/707) 2317 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 III Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung erlassene Fünfundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste (Drucksachen V/665, V/708) 2317 C Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung erlassene Dreiundreißigste und Vierunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/659, V/709, V/639, V/711) 2317 C Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Steinkohlenabsatzes in der Elektrizitätswirtschaft (Drucksache V/679) — Erste Beratung — 2317 D Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes (Drucksache V/673) — Erste Beratung — 2318 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache V/688) — Erste Beratung — 2318 A Entwurf eines Zweiten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksache V/680) — Erste Beratung — Spitzmüller (FDP) 2318 B Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses zu dem Bericht des Bundesministers der Justiz betr. Errichtung eines zentralen Instituts zur Ausbildung und Fortbildung von Strafvollzugsbediensteten (Drucksache V/233, V/632) . . . . . . . . 2318 B Antrag (SPD) betr. Ergänzung des § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache V/396), in Verbindung mit Antrag (Abg. Dichgans, Blank, Wagner, Ruf u. Gen.) betr. Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache V/509) und mit Antrag (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Mertes u. Gen.) betr. Änderung und Ergänzung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache V/125) Dr. Schäfer (SPD) 2318 D Rasner (CDU/CSU) 2320 D Busse (FDP) . . . . . . . . 2321 D Dr. Mommer (SPD) 2322 B Dichgans (CDU/CSU) 2323 A Entwurf eines Gesetzes zur Behebung sozialer Notstände auf dem Gebiete des Mietrechts (SPD) (Drucksache V/564) — Erste Beratung — Jacobi (Köln) (SPD) 2326 D Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 2332 D Dr. Bucher, Bundesminister . . . 2334 D Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . 2339 B Frau Dr. Probst, Vizepräsident . . 2343 B Wurbs (FDP) 2343 C Dr. Reischl (SPD) 2345 B Nächste Sitzung 2348 C Anlagen 2349 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2301 47. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2349 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Aigner **) 17. 6. Frau Albertz 27. 6. Arendt (Wattenscheid) 16.6. Bading **) 16. 6. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 16. 6. Dr. Barzel 18. 6. Bauer (Würzburg) *) 17. 6. Bergmann **) 16. 6. Berkhan *) 17. 6. Dr. Besold 17.6. Blachstein *) 17. 6. Blumenfeld *) 17. 6. Borm 16. 6. Corterier *) 17. 6. Deringer **) 16. 6. Dr. Dittrich **) 16. 6. Draeger *) 17. 6. Dr. Eckhardt 16. 6. Dr. Effertz 16.6. Frau Eilers 16. 6. Eisenmann 16. 6. Frau Dr. Elsner **) 16. 6. Dr. Eppler 16. 6. Erler*) 17. 6. Flämig *) 17. 6. Frieler 2. 7. Dr. Furler **) 16. 6. Gerlach **) 16. 6. Gewandt 17. 6. Dr. Giulini 20. 6. Dr. Gleissner 16.6. Graaff 17. 6. Dr. h. c. Güde 16. 6. Haage (München) 16.6. Haase (Kellinghusen) 16.6. Hellenbrock 16. 6. Dr. Hellige 19. 6. Frau Herklotz *) 17. 6. Herold *) 17. 6. Hösl *) 17. 6. Frau Jacobi (Marl) 1. 7. Jung 16. 6. Dr. Jungmann 30. 6. Kahn-Ackermann *) 17. 6. Dr. Kempfler *) 17. 6. Frau Klee 18. 6. Dr. Kliesing (Honnef) *) 17. 6. Klinker **) 17. 6. Dr. Koch 16. 6. Dr. Kopf *) 17. 6. Kriedemann **) 16. 6. Kulawig **) 16. 6. *) Für die Teilnahme an einer Tagung der WEU **) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Leber 16. 6. Lemmrich*) 17. 6. Dr. Lenz (Bergstraße) 19.6. Lenz (Brühl) **) 16. 6. Lenze (Attendorn) *) 17. 6. Lücker (München) **) 16. 6. Dr. Luda 16. 6. Matthöfer 19. 6. Mauk **) 16. 6. Frau Dr. Maxsein *) 17. 6. Dr. von Merkatz *) 17. 6. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30. 6. Dr. Morgenstern 30.6. Dr. Müller-Hermann 16. 6. Paul *) 17. 6. Frau Pitz-Savelsberg *) 17. 6. Pöhler *) 17. 6. Porzner 16. 6. Dr. Prassler 16.6. Rehs 18. 6. Reitz 18. 6. Richter 16. 6. Riedel (Frankfurt) 16. 6. Dr. Rinderspacher *) 17. 6. Dr. Rutschke *) 17. 6. Dr. Schmid (Frankfurt) *) 17. 6. Dr. Schmid-Burgk 17.6. Schmidt (Braunschweig) 16.6. Schmidt (Kempten) 16. 6. Dr. Schober 16. 6. Dr. Schulz (Berlin) *) 17. 6. Seuffert **) 16. 6. Dr. Stammberger 19. 6. Dr. Staratzke 16.6. Stiller 19. 6. Stooß 25. 6. Storm 16. 6. Strauß 16. 6. Teriete 2. 7. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell *) 17. 6. Wagner 16. 6. Dr. Wahl *) 17. 6. Weigl 17. 6. Wendelborn 1. 7. Wienand *) 17. 6. Dr. Zimmermann 16. 6. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Spitzmüller für die Fraktion der FDP zu Punkt 8 der Tagesordnung (Drucksache V/680) - Entwurf eines Zweiten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes - Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei begrüßt das Bemühen der Bundesregierung, durch die Vorlage des Entwurfs eines Zweiten 2350 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes einem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 26. November 1964 Rechnung zu tragen, der die Mitgliedschaft der mitarbeitenden Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung betrifft. Das Bundesverfassungsgericht hat eine besondere Situation der mitarbeitenden Ehegatten auch bei Bestehen eines Arbeitnehmerverhältnisses dadurch anerkannt, daß es die Versicherungsfreiheit gemäß § 1228 Abs. 1 Nr. 1 RVO, § 4 Abs. 1 Nr. 2 AVG und § 30 Abs. 1 Nr. 1 RKG als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt hat. Schon daraus ist ersichtlich, daß es keinen zwingenden Grund gibt, die Versicherung mitarbeitender Ehegatten ausschließlich in der Form zu regeln, wie sie ansonsten für versicherungspflichtige Arbeitnehmer gilt. Im Gegenteil, es wird ausdrücklich festgestellt, daß der Ausschluß „von der freiwilligen Versicherung" mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Aus diesem Beschluß ergeben sich zwei Konsequenzen: erstens den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen und zweitens die Möglichkeiten für eine freiwillige Versicherung zu schaffen. Diesem Auftrag kann nicht dadurch Rechnung getragen werden, (daß eine verfassungsgemäße Bestimmung beseitigt wird, sondern nur dadurch, daß zusätzliche verfassungsgemäße Möglichkeiten einer freiwilligen Versicherung in die Rentengesetze aufgenommen werden. Man sollte sich hier die Dinge nicht zu einfach machen. Sozialgesetze erweisen sich nur dann auf die Dauer als sinnvoll und wirksam, wenn sie den wirtschaftlichen, sozialen und soziologischen Gegebenheiten der betroffenen Personenkreise ausreichend Rechnung tragen. Es kann nicht Aufgabe des Bundestages sein, auf Grund des vorliegenden Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts den Rentenversicherungsträgern aus Finanzierungsgründen zwangsweise weitere Mitglieder zuzutreiben. Die schwierige Finanzlage in den kommenden Jahren, die für den Eingeweihten nicht zufällig eintritt, wird bei dem Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz zu erörtern sein. Hier geht es in erster Linie um die Vorsorgemöglichkeit für einen ganz bestimmten Personenkreis, der überwiegend im Bereich des Mittelstandes beheimatet ist. Es geht um die mitarbeitenden Ehegatten von Handwerkern, Einzelhändlern, freiberuflich Tätigen und selbständigen Handelsvertretern. Es ist nicht einzusehen, warum dieser Personenkreis nur wegen des Bestehens eines Arbeitnehmerarbeitsverhältnisses mit dem Ehegatten zwangsversichert werden soll. Das Merkmal eines solchen Verhältnisses reicht für die Rechtfertigung dieses Vorhabens jedoch nicht aus. Es bietet sich eine Reihe praktikabler Lösungsvorschläge außer der allgemeinen Versicherungspflicht an: 1. eine allgemeine Versicherungspflicht mit der Möglichkeit, sich auf Antrag innerhalb einer bestimmten Frist nach Begründung eines entsprechenden Arbeitsverhältnisses befreien zu lassen, 2. eine freiwillige Versicherung unter Anlehnung an die Vorschriften, die für freiwillig Weiterversicherte gelten, 3. die generelle Befreiung wie im bestehenden Recht mit der Ergänzung, daß auf Antrag der mitarbeitende Ehegatte wie ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer versichert werden kann. 4. Weitere Möglichkeiten, die dem Bundesverfassungsgerichtsurteil in einem freiheitlichen Rahmen entsprechen, sind theoretisch denkbar. Hier sei z. B. nur die Selbstversicherung alten Rechts erwähnt. Zu den grundsätzlichen Bedenken treten weitere Probleme hinsichtlich der vorgeschlagenen Nachversicherung wie auch hinsichtlich zahlreicher bereits bestehender Arbeitsverhältnisse. Die in Art. 2 vorgeschlagenen Regelungen berücksichtigen die Bedürfnisse der betroffenen Personenkreise nur ungenügend. Die Nachversicherung muß variable Möglichkeiten enthalten. Die finanzielle Belastung für 12 Jahre wie auch der völlige Verzicht auf eine Nachversicherung können unzumutbar sein. Eine Annahme des Entwurfs ohne eine Reihe wesentlicher Änderungen und Verbesserungen wäre ein schwerer Eingriff mit negativen Konsequenzen in bestehende Arbeitsverhältnisse. Was soll geschehen, wenn bereits anderweitig entsprechende Vorsorge für das Alter getroffen worden ist? Ist eine Auflösung zahlreicher entsprechender Arbeitsverhältnisse mit allen betrieblichen, steuerlichen und sonstigen Folgen nur deshalb zu rechtfertigen, weil plötzlich eine totale Rentenversicherungspflicht entsteht, die eine zusätzliche Belastung mit Tausenden von D-Mark jährlich mit sich bringen kann. Die soziale und wirtschaftliche Situation der betroffenen Personenkreise verlangt einen weiten Rahmen von Entscheidungsmöglichkeiten hinsichtlich des Einsatzes des gemeinsam erarbeiteten Einkommens. Es ist uns unverständlich, daß nicht einmal an die Übergangssituation und an die Übergangsproblematik gedacht worden ist. Bei der Rentenreform 1957, bei der Härtenovelle 1965 war es eine Selbstverständlichkeit, wenigstens für die Übergangszeit eine Befreiung von der Versicherungspflicht in einem bestimmten Rahmen zu gewähren. Die Tendenzen zur Zwangsversicherung sind hier unvergleichlich stärker. Warum soll man die mitarbeitenden Ehegatten in diese Zwangsjacke stecken? Nach Auffassung der Freien Demokraten stünde es der heutigen Sozialpolitik besser an, wenn die unzeitgemäßen Elemente des Zwanges, wo irgend möglich, verschwinden würden, da sie nichts anderes als der Ausdruck obrigkeitsstaatlichen Denkens sind. Es wird für uns von Interesse sein, im Ausschuß für Sozialpolitik des Deutschen Bundestages zu hören, wie sich die berufenen Vertreter des Handwerks, des Einzelhandels, der freien Berufe und der selbständigen Handelsmakler zu dem vorgelegten Entwurf stellen werden. Wir haben den begründeten Verdacht, daß gegen den Willen der betroffenen Personenkreise aus einer zu engen Betrachtung heraus eine Regelung herbeigeführt werden soll, die sie nicht wünschen und auch nicht brauchen. Lassen wir den mitarbeitenden Ehegatten die Wahl der freien Entscheidung in der Altersvorsorge; wir werden sehen, daß sie selbst das Richtige tun. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2351 Wir hoffen, daß die Bekenntnisse von allen Seiten dieses Hauses zum Mittelstand im Sozialpolitischen Ausschuß zu einem Beratungsergebnis führen, das von den Betroffenen auch als in ihrem Interesse liegend akzeptiert werden kann. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Katzer vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Offenbach) (Drucksache V/681, Frage IX/1) : Ist die Bundesregierung bereit, die Rentenversicherungsträger zu bevorzugter Durchführung des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 in denjenigen Fällen anzuhalten, in denen gegenwärtig Renten gewährt werden, deren Zahlbetrag unter dem Richtsatz für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz liegt, wenn ihnen von den Versicherungsämtern die in Betracht kommenden Rentner benannt werden? Die Versicherungsträger führen das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz in eigener Verantwortung durch. Sie haben dabei den gesamten Rentenbestand von Amts wegen zu überprüfen. Um so mehr freue ich mich darüber, daß sie, wie ich erfahren habe, Fälle einer besonderen Notlage, soweit dies im Rahmen einer großen Verwaltung möglich ist, bevorzugt bearbeiten. Bei diesem anerkennenswerten Bemühen darf es freilich nicht allein auf die Rentenhöhe ankommen. Soweit der Rentenzahlbetrag unter dem Regelsatz der Sozialhilfe liegt, beziehen die Berechtigten zum Teil andere Einkünfte, insbesondere andere Sozialleistungen. Gerade in den zuletzt genannten Fällen kommen den Berechtigten wegen der verschiedenen Anrechnungsvorschriften oftmals die Verbesserungen des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes nicht oder nur zum Teil unmittelbar zugute. Eine schematische Behandlung, wie Sie sie anregen, würde sowohl die rasche Durchführung des Gesetzes stören, als auch eine bevorzugte Berücksichtigung wirklicher Notfälle behindern. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Katzer vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Emde (Drucksache V/681, Frage IX/2): Ist die Bundesregierung bereit, die Hersteller von Kühlschränken durch Gesetz oder Verordnung zu verpflichten, ihre Geräte so zu konstruieren, daß sie auch von innen leicht zu öffnen sind? Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes über technische Arbeitsmittel vorgelegt, das als Schwergewicht die arbeitssichere Gestaltung von Geräten in den Haushaltungen und damit auch Kühlgeräten zum Ziel hat. Dabei geht die Bundesregierung davon aus, daß solche Geräte einen höheren Grad an Sicherheit beim Umgang aufweisen müssen als Geräte, die ausschließlich in die Hände von Fachkundigen gelangen. Insoweit wird durch das Gesetz über technische Arbeitsmittel Ihrem Anliegen bereits Rechnung getragen. Dagegen ist die Bundesregierung nicht der Ansicht, daß es zweckmäßig ist, durch Gesetz oder Verordnung bestimmte technische Lösungen für einzelne Geräte vorzusehen, weil sonst eine unübersehbare Fülle von Rechtsvorschriften ergehen müßte und es außerdem schwierig wäre, derartige Regelungen zu treffen. Im Entwurf wird auf die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik hingewiesen, und die Bundesregierung ist überzeugt, daß die Träger der Unfallverhütung und die Gremien der Selbstverwaltung der Wirtschaft diese Regelungen hinsichtlich der einzelnen in Frage kommenden Geräte in angemessener Weise treffen werden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers Katzer vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache V/681, Frage IX/3): Hält die Bundesregierung die Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes und die dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften noch für zeitgemäß, wonach in jedem Falle der Kapitalabfindung eine Sicherungshypothek eingetragen werden muß? Die Frage geht von der Annahme aus, daß in jedem Falle der Kapitalabfindung eine Hypothek zur Sicherung der Forderung auf Rückzahlung der Kapitalabfindung eingetragen werden müsse; dies trifft nicht zu. Das Bundesversorgungsgesetz sieht vielmehr die Eintragung einer Sicherungshypothek nur als Möglichkeit vor. Ich darf aber darauf hinweisen, daß die Eintragung einer solchen Hypothek in erster Linie der Sicherung des Abgefundenen selbst dient, denn im Falle einer Zwangsversteigerung des Grundstücks kann die Abfindung, wenn die Sicherungshypothek rangmäßig innerhalb des Versteigerungserlöses steht, zurückgefordert und dem Beschädigten die Grundrente wieder ausgezahlt werden. Die Vorschrift ist somit nach wie vor zeitgemäß. Im übrigen ist die Eintragung der Sicherungshypothek gebührenfrei. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Prochazka (Drucksache V/681, Fragen X/1 und 2): Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um gesundheitsschädigende Wirkungen zu vermeiden, die von übungstechnisch notwendigen Tiefflügen der Luftwaffe hervorgerufen werden? Ist die Bundesregierung in der Lage, die in Frage X/1 erwähnten Flüge auf weniger dicht bewohnte Gebiete und auf Zeiträume zu beschränken, über welche die Bevölkerung fallweise benachrichtigt werden kann? Zu Frage 1: Die Bundesregierung hat bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um gesundheitsschädigende Wirkungen von Tiefflügen nach Möglichkeit 2352 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 zu vermeiden. Hierzu gehören Sperrzeiten, Mindestflughöhen und Verlegung von Schulflügen in das Ausland. Herr Bundesminister von Hassel hat zusätzlich in einem Befehl vom gestrigen Tag die Mindestflughöhe bei Tiefflugübungen von 250 auf 500 Fuß heraufgesetzt. Nachttiefflüge in und unter 1000 Fuß Höhe werden ab sofort eingestellt. Darüber hinaus wird zur Zeit geprüft, ob für bestimmte Bereiche der Tiefflugausbildung die Mindestflughöhe noch weiter, nämlich von 500 auf 1000 Fuß heraufgesetzt werden kann. Ferner sind Verhandlungen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr vorgesehen, für den zivilen Überlandflugverkehr, sofern die Wetterlage dies zuläßt, Höhen über 2000 Fuß über Grund vorzuschreiben, um den Luftverkehr im unteren Luftraum zu „verdünnen". Diese Maßnahmen werden zwar größere Erleichterungen bringen, aber nicht dazu führen, die Lärmbelästigung völlig zu unterbinden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Tiefflüge ganz eingestellt würden. Dem stehen jedoch Ausbildungserfordernisse entgegen. Zu Frage 2: Bei der großen Zahl notwendiger Übungstiefflüge der Bundeswehr und der alliierten Luftstreitkräfte in der Bundesrepublik (etwa 40 000 im Jahr) ist es ausgeschlossen, diese Flüge in dünner besiedelte Gebiete zu verlegen, die es ohnehin kaum gibt. Es wurde bisher immer der Grundsatz verfolgt, ,die Tiefflüge möglichst gleichmäßig über den gesamten Luftraum über der Bundesrepublik zu verteilen, um nicht einzelne Teile unserer Bevölkerung besonders stark dem Lärm auszusetzen. Die Tiefflugausbildung bei der Luftwaffe ist auf die Zeit von 07.00 bis 17.00 beschränkt und von Freitagabend bis Montagfrüh sowie an gesetzlichen Feiertagen überhaupt verboten. Die Luftwaffe hat sorgfältig geprüft, ob sie an der unentbehrlichen Tiefflugausbildung der Piloten weitere Abstriche machen kann. Sie hat beispielsweise eine Einschränkung des Flugbetriebes in den Haupturlaubsmonaten Juli und August durch Verlegung der Flüge in andere Monate versucht. Diesen Bemühungen sind jedoch Grenzen gesetzt, weil sich ein auf andere Monate verdichtetes Tiefflugprogramm wegen der in diesen Monaten häufiger eintretenden schlechten Wetterlagen oft nicht durchführen läßt. Eine Untersuchung hat ergeben, daß eine solche Regelung ohne Einbußen für die zwingend erforderliche Ausbildung nicht möglich ist. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) (Drucksache V/681, Fragen X/4, 5 und 6) : Wieviel Beförderungen zum Feldwebel oder Kommandierungen zum Feldwebellehrgang sind seit Inkrafttreten der HDV 104/1 vom April 1964 unterblieben, weil bei den Bewerbern eine der Voraussetzungen gemäß Nummer 2 der Anlage 2 zum Abschnitt II des Hauptabschnitts C der genannten Vorschrift nicht vorlag? In wieviel Fällen waren die in Frage X/4 genannten Bewerber nicht im Besitz des Freischwimmerzeugnisses, des Sportabzeichens des Deutschen Sportbundes oder des Führerscheins der Bundeswehr? In wieviel Fällen ist für die in Frage X/4 erwähnten Bewerber auf die geforderten Leistungsnachweise gemäß Nummer 3 der in Frage X/4 genannten Vorschrift verzichtet worden? Zu Frage 1: Die präzise Beantwortung der Frage für den gesamten Zeitabschnitt vom April 1964 bis heute ist nicht möglich. Infolge der Delegierung der Beförderungsbefugnis zum Feldwebel auf die Bataillonskommandeure kann zur Zeit nur das Ergebnis vom 1. April 1964 bis 30. November 1965 vorgelegt werden, da die Beförderungen in dieser Zeit noch zentral durch die Stammdienststelle des Heeres bearbeitet wurden. Vom April bis Dezember 1964 sind keine Beförderungen zum Feldwebel wegen fehlender Nachweise gemäß HDV 104/1, Nr. 2 Anlage 2, Abschnitt II, des Hauptabschnitts C unterblieben. In den SDH-Mitteilungen 2/1964 Nr. 7 vom 10. 4. 1964 wurde den Truppenteilen bekanntgegeben, daß mit Einverständnis des BMVtdg als Übergangsregelung bis zum 31. 12. 1964 Beförderungen zum Feldwebel auch dann durchgeführt werden können, wenn die Leistungsnachweise über das Sportabzeichen des DSB und die Führerscheine bzw. Berechtigungsscheine der Bundeswehr noch nicht vorlagen. Für die Feldwebel, die ohne diese Voraussetzungen im Jahre 1964 befördert wurden, waren die Leistungsnachweise für das Sportabzeichen nachträglich bis zum 20. 1. 1965 zu erbringen, die fehlenden Führerscheine und Berechtigungsscheine unverzüglich zu erwerben. Vom 1. 1. bis zum 30. 11. 1965 sind 2832 Beförderungsvorschläge zum Feldwebel bearbeitet worden. Hiervon sind 91 Beförderungen wegen Fehlens der Voraussetzungen zunächst unterblieben, das entspricht ca. 3,2 %. Zu Frage 2: In 77 Fällen fehlte ,das Sportabzeichen, in 14 Fällen die entsprechenden Führerscheine bzw. Berechtigungsscheine. In jedem einzelnen Fall ist der Truppe der Grund der unterbliebenen Beförderung bekanntgegeben worden und diese veranlaßt worden, die fehlenden Nachweise baldmöglichst nachzureichen. In den meisten Fällen wurden die fehlenden Leistungsnachweise in kürzester Frist (1-2 Monate) nachgeholt, so daß den Betreffenden kein allzu großer Nachteil daraus entstand. Zu Frage 3: In der genannten Zeit vom 1. 1. bis 30. 11. 1965 hat die SDH in 383 Fällen von der ihr zustehenden Entscheidung auf Verzicht der verlangten Leistungsnachweise Gebrauch gemacht. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten KahnAckermann (Drucksache V/681, Frage X/7): Beabsichtigt das Bundesverteidigungsministerium nach wie vor, trotz der ablehnenden Haltung der regionalen Planungskörperschaften im Kreuzlinger Forst bei Pentenried ein Bundeswehrlazarett zu errichten? Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2353 Das Bundesverteidigungsministerium beabsichtigt nach wie vor, im Pentenrieder Schlag ein 600-BettenLazarett zu errichten. Dabei besteht nicht die Absicht, Teile des geschlossenen Waldgebietes ostwärts der Römerstraße in Anspruch zu nehmen. Das Raumordnungsverfahren ist seit Oktober 1964 bei der Bayerischen Staatskanzlei anhängig. Eine Entscheidung liegt noch nicht vor. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Riegel (Göppingen) (Drucksache V/681, Fragen X/8 und 9) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß Angehörige handwerklicher Berufe innerhalb von wenigen Tagen zu Reserveübungen einberufen werden? Ist der Bundesregierung bekannt, daß Angehörige handwerklicher Berufe während der Ableistung von Reserveübungen nicht im militärischen Dienst Verwendung finden, sondern zu Arbeiten in ihrem Beruf eingesetzt werden? Zu Frage 1: Nach den bestehenden Vorschriften sollen Einberufungsbescheide zum Grundwehrdienst und zu längeren Wehrübungen vier Wochen vor dem Einberufungstermin den Wehrpflichtigen zugestellt werden. Diese Mindestfrist wird in aller Regel weit überschritten, so daß die Bescheide meist mehrere Monate vor dem Termin im Besitz der Betroffenen sind. Hiermit wird den Wünschen der Wehrpflichtigen und den Interessen der Arbeitgeber durch die Einberufungsbehörden Rechnung getragen. Ohne Einhaltung einer bestimmten Frist können Wehrpflichtige einberufen werden, wenn der Bundesminister der Verteidigung oder die von ihm bestimmte Stelle Wehrübungen von kurzer Dauer als Alarmübungen angeordnet hat. Dies trifft innerhalb eines Kalenderjahres immer nur für einige Truppenteile und Verbände der Bundeswehr zu. Ich nehme an, daß es sich in dem von Ihnen beanstandeten Fall um eine solche Alarmübung gehandelt hat Die rechtliche Handhabe zu dieser Art von Wehrübungen gibt der § 13 Abs. 4 Satz 5 Nr. 2 der Musterungsverordnung in der Fassung vom 6. Februar 1963. Die Verordnung ist im Bundesgesetzblatt I Seite 112 abgedruckt. Alarmübungen, deren Dauer auf höchstens drei Tage begrenzt ist, dienen der Überprüfung der Alarmvorbereitungen und haben die beschleunigte Herstellung der Einsatzbereitschaft der jeweils übenden Truppe einschließlich der dazu eingeplanten personellen Reserven zum Ziel. Der Zeitpunkt dieser — ihrem Sinne nach überraschend angesetzten — Übungen kann weder dem übenden Truppenteil, noch den zur personellen Mob-Ergänzung gehörenden Reservisten oder deren Arbeitgeber vorher bekanntgegeben werden, ohne den Übungszweck zu gefährden. Die Alarmübungen sind zur Sicherstellung einer kurzfristigen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr unerläßlich; sie können auch entsprechend ihres besonderen Übungszweckes nicht auf die Konjunkturlage bestimmter Berufe abgestimmt werden. Durch ihre sehr kurz bemessene Dauer ist jedoch vorgesorgt, daß die Belastungen aller Betroffenen in zumutbaren Grenzen gehalten werden. Zu Frage 2: Bekanntlich benötigt eine moderne Armee bei dem hohen Stand der Technisierung aller Verbände und Einheiten in einer Unzahl von Einzelverwendungen Soldaten mit bestimmten zivilberuflichen Kenntnissen und Fertigkeiten. Die Bundeswehr ist deshalb — wie dem Hohen Hause durch die Beratung zur dritten Novelle des Wehrpflichtgesetzes bekannt ist — bemüht, bestimmte militärische Verwendungen gezielt mit zivilberuflich entsprechend vorgebildeten Wehrpflichtigen zu besetzen. Dieser Grundsatz trifft im besonderen auf die zur Mob-Ergänzung gehörenden Reservisten der Truppe zu. Es ist deshalb nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar wahrscheinlich und dienstlich gerechtfertigt, daß Reservisten während der eben angesprochenen Alarmübungen innerhalb des militärischen Dienstes zu Arbeiten in ihrem Beruf eingesetzt werden. Abweichend von ihrer normalen zivilberuflichen Tätigkeit lernen diese Reservisten während der Alarmübung bundeswehreigentümliches Gerät (Ausrüstungsgegenstände und Werkzeugsätze) unter feldmäßigen Bedingungen anzuwenden. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schmidt (Würgendorf) (Drucksache V/681, Frage X/10): Ist der § 8 der Soldatenlaufbahnverordnung so auszulegen, daß nur solche Facharbeiter mit dem Dienstgrad Obergefreiter eingestellt werden können, die sich als Freiwillige für mindestens drei Jahre zum Dienst in der Bundeswehr verpflichten, oder kann diese Vorschrift auch auf Wehrpflichtige angewendet werden, die sich erst während der Ableistung ihres Wehrdienstes ebenfalls auf mindestens drei Jahre verpflichten? § 8 der Soldatenlaufbahnverordnung kann auch auf Soldaten angewendet werden, die sich erst während der Ableistung ihres Grundwehrdienstes für mindestens drei weitere Jahre als Soldaten auf Zeit zum Dienst in der Bundeswehr verpflichten. Die Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entspricht laufbahnrechtlich dem Begriff der Einstellung. Nummer 6 meines Erlasses über die Einstellung von Bewerbern für technische Verwendung im Truppendienst als Obergefreite und Feldwebel und von Bewerbern für den Sanitätsdienst als Unteroffiziere 2354 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 vorn 3. August 1960 — VMBl S. 504 — wird bereits in diesem Sinne gehandhabt. Dieser Erlaß wird derzeit im Zusammenhang mit den weiteren Einstellungsmöglichkeiten auf Grund der letzten Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung überarbeitet. Hierbei wird auch der Ihrer Frage zugrunde liegende Fall ausdrücklich angesprochen werden. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Brück (Holz) (Drucksache V/681, Frage X/11) : Welches Ergebnis hat die in der Fragestunde vom 9. März 1966 zugesagte erneute Untersuchung der Umstände, die zum Tode des Soldaten Willi Henrichs vom Fernmelderegiment 751 geführt haben? Die Überprüfung, die ich am 9. März zugesagt hatte, ergab: Der Soldat Willi Henrichs wurde am 22. April 1965 im Zentrallazarett der Bundeswehr in Koblenz untersucht. Die Untersuchung hat keinen Anhalt dafür erbracht, daß der Soldat „nicht mehr ganz gesund" sei. Ihre Annahme, Henrichs sei auf Grund des Ergebnisses dieser Untersuchung in eine Schreibstube versetzt worden, trifft nicht zu. Grund für die Versetzung, die am 1. Juli 1965 nach Abschluß der Grundausbildung erfolgte, war vielmehr allein seine besondere Eignung für diese Verwendung. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Berkhan (Drucksache V/681, Fragen X/12 und 13) : Treffen Meldungen zu, nach denen die japanische Regierung für alle Düsenjäger der Typen F 86 f, F 86 d, F 104 (Starfighter) Startverbot verhängt hat? Sind der Bundesregierung die Gründe für das in Frage X/12 erwähnte Startverbot bekannt? Zu Frage 1: Die japanische Regierung verhängte am 21. 5. 1966 ein zweitägiges Flugverbot für 380 Flugzeuge der Typen F-86 F, F-86 D und F-104 J. Zu Frage 2: Die Flugruhe war nach drei F-86-Unfällen im Mai 1966 zu eingehenden Belehrungen der Flugzeugführer über Unfallverhütung und Verhalten bei Unfällen angeordnet worden. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Iven (Drucksache V/681, Fragen X/14, 15 und 16): Ist es zutreffend, daß bei Abstürzen von Flugzeugen die örtlichen Ordnungsbehörden nicht benachrichtigt werden? Trifft es zu, daß durch die in Frage X/14 erwähnte Tatsache dann die notwendigen Maßnahmen von seiten der Ordnungsbehörden nicht getroffen werden konnten? Ist die Bundesregierung bereit, bei Abstürzen von Flugzeugen mit den Behörden eine bessere Koordinierung anzustreben? Zu Frage 1: Ich beantworte die Frage mit nein. Die örtlichen Ordnungsbehörden werden aufgrund der gültigen Bestimmungen in jedem Falle benachrichtigt. In der Praxis ist es allerdings so, daß die Ordnungsbehörden einen Absturz meistens eher bemerken, als ihn die zuständige Bundeswehrdienststelle melden kann. Es wird deshalb vielfach auch vorkommen, daß die örtlichen Ordnungsbehörden ihrerseits die zuständige Bundeswehrdienststelle von einem Absturz benachrichtigen. Im übrigen unterscheiden die Bestimmungen zwei Fälle: 1. Der Flugzeugführer oder die Besatzung ist selbst in der Lage, die örtliche Ordnungsbehörde zu benachrichtigen. 2. Die Flugzeugbesatzung kann diese Benachrichtigung selbst nicht mehr vornehmen. Im letzteren Fall erfolgt die Benachrichtigung durch den Kommandeur der dem Unfallort nächstgelegenen Einheit oder Schule oder durch den Leiter einer Bundeswehrdienststelle. Es ist mir bisher nicht bekanntgeworden, daß die örtliche Ordnungsbehörde von einem Absturz keine Kenntnis erhalten hätte oder nicht ordnungsgemäß benachrichtigt worden wäre. Zu Frage 2: Ich kenne keinen Fall, in dem die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen, insbesondere also die Absicherung der Unfallstelle und die Hilfeleistung für verletzte Mitglieder der Besatzung nicht hätte treffen können. Zu Frage 3: Die bisherigen Bestimmungen haben sich durchaus bewährt. Eine Änderung erscheint daher nicht notwendig. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Neumann (Stelle) (Drucksache V/681, Fragen X/17, 18 und 19) : Ist es zutreffend, daß seitens der Garnisongemeinden keine Möglichkeiten bestehen, die von den Einheiten der Bundeswehr im Gemeindebereich eingebauten Benzinabscheider an Tankanlagen und Kraftfahrzeugabstellplätzen zu überwachen? Hält die Bundesregierung im Interesse der allgemeinen Hygienevorschriften und der Vorschriften für die Sauberhaltung unserer Gewässer den in Frage X/17 erwähnten Zustand für befriedigend? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den in Frage X/17 erwähnten unbefriedigenden Zustand aus der Sicht der Gemeinden zu beseitigen? Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2355 Zu Frage 1: Es trift zu, daß die Gemeinden in den Bundeswehrliegenschaften keine Aufsichtsbefugnisse haben. Benzinabscheider an Tankanlagen und Kraftfahrzeug-Abstellplätzen unterliegen der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten — VbF — vom 18. 2. 1960 (BGBl I S. 83), die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen worden ist. Nach § 19 dieser Verordnung ist Aufsichtsbehörde für Anlagen der Deutschen Bundespost, der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes sowie der Bundeswehr der zuständige Bundesminister oder die von ihm bestimmte Stelle. Die Wartung der Benzinabscheider in Bundeswehrliegenschaften läßt der Bundesminister der Verteidigung durch die Wehrbereichsverwaltungen überwachen. Zu Frage 2: Die Bundesregierung hält diesen Zustand für befriedigend. Die Behörden der Bundeswehr sind verpflichtet, die Anlagen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu betreiben. Sie haben hierbei neben den bundesrechtlichen Bestimmungen auch die landesrechtlichen Vorschriften, die zum Schutz der Gewässer erlassen sind, zu beachten. Zu Frage 3: Da die Bundesregierung den gegenwärtigen Zustand im Hinblick auf die Gemeinden nicht für unbefriedigend hält, beabsichtigt sie keine besonderen Maßnahmen, um diesen Rechtszustand zu ändern. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Eschmann (Drucksache V/681, Frage X/20) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß häufig Gemeinden nicht in der Lage sind festzustellen, welche Truppeneinheiten bei Übungen die kommunalen Feld- und Wirtschaftswege beschädigt haben? Der Bundesregierung ist bekannt, daß solche Fälle vorkommen. Da Übungen bei den Landesbehörden anzumelden sind, können diese Fälle in ihrer Mehrzahl durch eine Anfrage der Gemeinden bei den unteren Landesbehörden, ob und welche Einheit eine Übung innerhalb eines bestimmten Raumes angemeldet hat, geklärt werden. Auch unabhängig von diesem Ergebnis werden im Bereich der Bundeswehr Schäden immer dann reguliert, wenn die geschädigte Gemeinde nachweist oder die Feststellungen der Behörden der Bundeswehrverwaltung ergeben haben, daß der Schaden nur von der Bundeswehr verursacht sein kann. Es kommt daher für die Gemeinden nicht entscheidend darauf an, welche Einheit der Bundeswehr, sondern ob irgendeine Einheit der Bundeswehr den Schaden verursacht hat. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Prinz von Bayern (Drucksache V/681, Frage X/21): Erfolgt eine Abstimmung zwischen den Ergänzungskäufen an Fluggerät für die Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums und für die Lufthansa mit dem Ziel der einheitlichen Ausrüstung für eine strategische Flugzeugreserve? Die Frage der Bildung einer einheitlichen strategischen Flugzeugreserve ist bisher nicht Gegenstand der Erörterung zwischen den zuständigen Bundesressorts oder zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Deutschen Lufthansa gewesen. Das Bundesministerium der Verteidigung verfügt in seiner Flugbereitschaft an begrenzt langstreckenfähigen Transportflugzeugen lediglich über vier viermotorige Propellerflugzeuge eines älteren Typs, die allerdings in absehbarer Zeit ausgesondert und durch neue Modelle ersetzt werden müssen. Ob es darüber hinaus erforderlich ist, für die Luftwaffe in begrenzter Zahl Langstrecken-Transportflugzeuge zu beschaffen und dieserhalb entsprechende Anträge an das Parlament zu richten, wird zur Zeit sorgfältig geprüft. Für den Fall der Beschaffung moderner Langstrecken-Transportflugzeuge für die Bundeswehr wird eine möglichst kosten- und personalsparende Wartung und Instandsetzung angestrebt. Insoweit kann eine zwischen Lufthansa und Luftwaffe einheitliche Ausrüstung von besonderer Bedeutung sein, weil sie eine gemeinsame Abstützung auf die Instandhaltungseinrichtungen der Lufthansa ermöglichen würde. In dieser Hinsicht haben daher auch bereits im derzeitigen Planungsstadium Vorbesprechungen der Luftwaffe mit dem Bundesverkehrsministerium und der Deutschen Lufthansa stattgefunden. Die Untersuchungen ,sind noch nicht abgeschlossen. Das Bundesministerium der Verteidigung muß allerdings neben der Frage der erleichterten Wartung, Ersatzteilversorgung und Instandsetzung auch andere Kriterien in seine Untersuchung einbeziehen, wie etwa die Frage der Eignung der LufthansaModelle für typisch militärische Materialtransportaufgaben, die nicht ohne weiteres mit dem Verwendungszweck der Flugzeuge der Lufthansa identisch sind. Hier wird man letzten Endes die Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander abwägen müssen, um zu möglichst sachgemäßen und ökonomischen Vorschlägen zu kommen. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Ahrens 2356 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 (Salzgitter) (Drucksache V/681, Fragen X/22, 23 und 24) : Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, wie oft während ihrer Gesamtdienstzeit in der Bundeswehr Offiziere und gehobene Unteroffiziere mit einer Versetzung rechnen müssen? In welchen zeitlichen Abständen erfolgen Versetzungen von Offizieren und gehobenen Unteroffizieren der Bundeswehr? Hat die Bundesregierung Vorsorge getroffen oder Einrichtungen geplant, um von den Kindern der in Frage X/22 genannten Berufssoldaten, die weiterführende Schulen besuchen, die schulischen Nachteile abzuwenden oder zu mildern, die mit dem häufigen Wohnungswechsel verbunden sind? Zu Frage 1: Nach der für das Jahr 1965 ermittelten Versetzungshäufigkeit müssen während einer Gesamtdienstzeit von durchschnittlich 35 Jahren — Offiziere mit 6-10 Versetzungen (bei Enddienstgrad Major — General) — gehobene Unteroffiziere mit 3-5 Versetzungen rechnen. Versetzungen sind jedoch nicht immer — wie ich hinzufügen möchte — mit einem Umzug verbunden. Aus Fürsorgegründen werden zunächst alle Möglichkeiten zur Versetzung innerhalb des Standortes ausgeschöpft. Zu Frage 2: Im Zuge der Konsolidierungsmaßnahmen haben sich die zeitlichen Abstände der Versetzungen vom Jahre 1964 bis zum Jahre 1965 wie folgt geändert: Offiziere wurden 1965 im Durchschnitt nach 34,8 Monaten versetzt gegenüber 31,2 Monaten im Jahre 1964. Das Ergebnis wurde durch die häufigeren Versetzungen der Leutnante und Oberleutnante (nach 27,6 Monaten in den beiden Jahren) beeinträchtigt. Dagegen ist der zeitliche Abstand der Versetzungen bei den — Generalen und Stabsoffizieren von 39,6 auf 48,6 Monate — Hauptleuten von 34,8 auf 43,2 Monate angestiegen. Bei den gehobenen Unteroffizieren konnte der zeitliche Abstand der Versetzungen im angegebenen Zeitraum von 64,8 auf 81,6 Monate beträchtlich erhöht werden. Zu Frage 3: Zur Minderung der Umschulungsschwierigkeiten der Kinder von Bundeswehrangehörigen infolge von Familienumzügen, die auf Grund von Versetzungen notwendig werden, sind im wesentlichen folgende Maßnahmen getroffen worden: — Gewährung von Schulbeihilfen für Kinder der betroffenen Soldaten im In- und Ausland. Nach diesen Bestimmungen kann, sofern eine geeignete weiterführende Schule am neuen Dienstort nicht vorhanden ist oder eine solche Schule nicht in zumutbarer Zeit erreicht werden kann, bei einer auswärtigen Unterbringung des Kindes zu den dadurch entstehenden Mehrkosten an Unterkunft und Verpflegung eine Beihilfe bis zu 120,— DM monatlich gewährt werden. Ist die auswärtige Schule durch tägliche Fahrt vom neuen Dienstort aus in zumutbarer Zeit erreichbar, so werden die Fahrkosten erstattet, soweit sie monatlich 10,— DM übersteigen. Die Bundesregierung prüft zur Zeit Verbesserungen der genannten Beihilfen, insbesondere die Erhöhung des Betrages auf 120,— DM monatlich. — Übersendung von Verzeichnissen der an den Standorten oder in ihrer unmittelbaren Nähe befindlichen weiterführenden Schulen an sämtliche personalbearbeitenden Stellen der Bundeswehr mit der Weisung, bei Versetzungen von Soldaten auf die Schulverhältnisse am neuen Dienstort und die Familienverhältnisse des Soldaten angemessen Rücksicht zu nehmen. Das Schulverzeichnis wird laufend auf dem neuesten Stand gehalten. — Hohe finanzielle Zuwendungen an die Gemeinden bei Schulneubauten und -erweiterungsbauten. Darüber hinaus habe ich von der Ständigen Konferenz der Kultusminister anläßlich ihrer 111. Sitzung die Zusage erhalten, daß die Länder in Zukunft bei allen schulischen Maßnahmen auf die Versetzungshäufigkeit in der Bundeswehr Rücksicht nehmen wollen. Anlage 18 Schriftliche Antwort ,des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache V/681, Frage X/25) : Trifft es zu, daß während einer Bundeswehrübung bei der Standortverwaltung Mayen 6000 Liter Treibstoff verschwunden sind und der leitende Beamte später eine Angestellte beauftragt hat, die Fehlmenge von einem nahegelegenen Treibstoffdepot der Bundeswehr „schwarz" zu beschaffen? Im Mai 1963 wurde dem BMVtdg gemeldet, daß während einer Herbstübung im Jahre 1962 bei der Tankstelle in der Kasernenanlage in Mayen ein Fehlbestand an Kraftstoff aufgetreten sei. Die sehr umfangreichen und zeitraubenden Ermittlungen über die möglichen Ursachen und ,den Umfang des Fehlbestandes sind noch nicht abgeschlossen. Außerdem ist bei der Staatsanwaltschaft in Koblenz ein Ermittlungsverfahren anhängig, das den gleichen Sachverhalt betrifft. Auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind noch nicht abgeschlossen. Die zusätzlich gestellte Frage, ob der Leiter der Standortverwaltung Mayen später ,eine Angestellte beauftragt hat, die Fehlmenge von einem nahegelegenen Depot schwarz zu beschaffen, war Gegenstand eines Disziplinarverfahrens. Dem Beamten konnte das ihm vorgeworfene Verfahren nicht nachgewiesen werden. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2357 Anlage 19 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Josten (Drucksache V/681, Frage X/26): In welcher Weise informiert die Bundesregierung den Wehrpflichtigen, damit ihm bei seiner bestehenden Rentenversicherung kein Schaden entsteht? Bei Einberufung wird dem Wehrpflichtigen das „Merkblatt über die soziale Sicherheit der Wehrpflichtigen, die zur Ableistung des Grundwehrdienstes oder eine Wehrübung von länger als 3 Tagen einberufen werden", ausgehändigt. Es informiert den Wehrpflichtigen u. a. über 1. das Fortbestehen der gesetzlichen Rentenversicherung während des Wehrdienstes, 2. die Übernahme der Beiträge durch den Bund und 3. die Möglichkeit, einen Rentenantrag bei Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit während des Wehrdienstes zu stellen. Bei Beendigung des Grundwehrdienstes oder einer Wehrübung erhält der Wehrpflichtige als Nachweis über das Bestehen der Rentenversicherung und die Beitragsleistung durch den Bund eine „Wehrdienstbescheinigung". Er wird gleichzeitig durch entsprechende Hinweise auf der Rückseite der Wehrdienstbescheinigung aufgefordert, die Bescheinigung der Versicherungskarte beizufügen und beides seinem Arbeitgeber vorzulegen. Das Merkblatt unterrichtet den freiwillig Versicherten darüber, daß die von ihm für die Dauer des vollen Grundwehrdienstes zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge gem. § 7 des Unterhaltssicherungsgesetzes erstattet werden. Bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit Anspruch auf Fortzahlung der Arbeitsentgelte für die Dauer des Wehrdienstes hat der Arbeitgeber die Rentenversicherung durch Entrichtung der Beiträge in vollem Umfange aufrechtzuerhalten. Auch hierüber gibt das Merkblatt Aufschluß. Bei Wehrübungen bis zu 3 Tagen bleibt das Versicherungsverhältnis auf Grund der Beitragsleistungen durch den Arbeitgeber nach den Vorschriften des Arbeitsplatzschutzgesetzes ebenfalls bestehen. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Maucher (Drucksache V/681, Fragen XI/1 und 2) : Bis wann ist nach dem heutigen Stand der Beratungen mit der Verabschiedung und dem Inkrafttreten einer neuen Straßenverkehrs-Ordnung zu rechnen? Ist es ratsam, vor Verabschiedung einer neuen Straßenverkehrs-Ordnung noch Anordnungen über die Bevorrechtigung von Straßen (z. B. Ortsstraßen) zu treffen, die erhebliche Ausgaben verursachen? Zu Frage 1: Nach dem heutigen Stand der Beratungen ist mit der Verabschiedung einer neuen StraßenverkehrsOrdnung wohl im nächsten Jahr zu rechnen. Da jedoch für das Publikum und die Behörden eine ausreichende Übergangszeit zur Anpassung und Unterrichtung zur Verfügung gestellt werden muß, kann mit dem Inkrafttreten nicht vor 1968 gerechnet werden. Zu Frage 2: Anordnungen über die Bevorrechtigung von Straßen können nur von den Exekutivbehörden der Länder getroffen werden. Diese wissen, daß eine neue Straßenverkehrs-Ordnung bevorsteht. Auf ihre Entscheidung, ob sie das Inkrafttreten dieser neuen Straßenverkehrs-Ordnung abwarten wollen, kann der Bundesminister für Verkehr keinen Einfluß nehmen. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Koch (Drucksache V/681, Frage XI/3): Wie beurteilt die Bundesregierung die Einrichtung einer mit rund 8,5 km extrem langen Baustelle mit verengten Fahrbahnen zwischen den Anschlußstellen Solingen und Leverkusen, die lediglich der Durchführung von Verputzarbeiten an verschiedenen Überführungsbrücken in diesem Bereich dient? Bei der beanstandeten Baustelle handelt es sich um 8 Brückenbauwerke, bei denen zur Erhaltung des baulichen Bestandes ein Schutzüberzug aus Spritzbeton aufgebracht wird. Die Arbeiten dienen gleichzeitig auch der Verkehrssicherheit, da damit gerechnet werden mußte, daß sich einzelne Bauteile lösen und auf die Fahrbahn fallen. Im Hinblick auf die bevorstehende Sommerreisezeit hat die Auftragsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen versucht, die Dauer der Bauarbeiten auf dem stark belasteten Bundesautobahnabschnitt durch eine Zusammenfassung der Einzelbaustellen auf ein Minimum zu beschränken. Sie hat ferner erklärt, daß es sich hier um einen Ausnahmefall handelt und weitere Baustellen in dieser Länge nicht mehr eingerichtet werden. Die laufenden Bauarbeiten werden bis zum 25. Juni 1966 abgeschlossen sein. Anlage 22 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Koch (Drucksache V/681, Frage XI/4) : Wie hoch ist die Zahl der bekanntgewordenen Unfälle in dem in Frage XI/3 bezeichneten Baustellenbereich seit Einrichtung der Baustelle und im Vergleich dazu im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres? Die betreffende Baustelle war am 7. März 1966 in Betrieb genommen worden. Nach Mitteilung der 2358 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 Auftragsverwaltung sind auf der zwischen km 525,0 und 533,6 gelegenen Strecke für den Erhebungszeitraum vom 8. März bis 25. Mai 1966 74 Unfälle — ausgenommen Bagatellunfälle — erfaßt worden; davon waren 54 Unfälle mit Personenschaden. Insgesamt sind 76 Verletzte und 1 Toter zu beklagen. Im gleichen Zeitraum geschahen im Vorjahre auf demselben Bundesautobahnabschnitt 28 Unfälle, davon 14 mit Personenschaden. Insgesamt waren 26 Verletzte zu beklagen. Nach Mitteilung der Auftragsverwaltung wird bis zum Abschluß der Bauarbeiten durch die Polizei eine verstärkte Verkehrsüberwachung durchgeführt. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Koch (Drucksache V/681, Frage XI/5) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß angesichts der fast täglich auftretenden teilweise sehr schweren Verkehrsstörungen in dem in Frage XI/3 bezeichneten Baustellenbereich die Einrichtung derart ausgedehnter Baustellen in Zukunft vermieden werden muß? Die Erfahrungen haben gezeigt, daß bei sehr langen Baustellen auch bei Aufrechterhaltung einer 4spurigen Verkehrsführung auf Behelfsfahrstreifen häufiger mit Störungen im Verkehrsablauf gerechnet werden muß als bei Baustellen von geringerer Länge. Die Auftragsverwaltungen sind deshalb von mir wiederholt und nachdrücklich darauf hingewiesen worden, die Baustellenlänge soweit zu beschränken, wie dieses in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht möglich und vertretbar ist. Leider mußten wir auch in diesem Jahr beanstanden, daß verschiedene Länder diese Hinweise nicht in der erwarteten Weise beachtet haben. Die vom Bundesminister für Verkehr eingesetzten Ausschüsse für deckenbautechnische und verkehrstechnische Angelegenheiten bei Baustellen an Bundesautobahnen haben diese Fälle gegenüber den Auftragsverwaltungen der Länder bemängelt und hierzu bereits entsprechende Empfehlungen gegeben. Anlage 24 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf (die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) (Drucksache V/681, Frage XI/6): Trifft es zu, daß der Deutsche Wetterdienst weder ausbildungsmäßig, wissenschaftlich noch technisch auf Langfristvorhersagen im weitesten Sinne des Wortes vorbereitet ist? Seit Gründung des Deutschen Wetterdienstes arbeitet eine Gruppe von drei, zeitweilig zwei Meteorologen mit einigen technischen Hilfskräften an dem Problem der langfristigen Wettervorhersage. Zahlreiche Veröffentlichungen — im Jahre 1965 sind z. B. aus dem Bereich des Deutschen Wetterdienstes 5 Publikationen zum Thema Langfristprognose erschienen — entstanden während dieser Zeit. Im Abstand von 14 Tagen stellt der Deutsche Wetterdienst jeweils interne Prognosen über den wahrscheinlichsten mittleren Verlauf der Temperatur und der Niederschläge für den kommenden Monat auf. In allen Kulturnationen wird an dem Problem der langfristigen Wettervorhersage gearbeitet. Der Deutsche Wetterdienst hat im Rahmen der Weltorganisation für Meteorologie auch auf diesem Gebiet engen Kontakt mit Wissenschaftlern in West und Ost. Wie in anderen Bereichen des Wetterdienstes, versprechen auch hier die nunmehr zum Einsatz kommenden Großrechenanlagen eine erhöhte Trefferwahrscheinlichkeit, die ohne einen solchen maschinellen Aufwand nicht zu erzielen ist. Der Deutsche Wetterdienst besitzt erst seit vier Monaten eine der modernsten elektronischen Datenverarbeitungsanlagen und wird sich mit dieser Anlage insbesondere in enger Zusammenarbeit mit dem sehr fortschrittlichen amerikanischen Wetterdienst an der Entwicklung besserer Methoden zur langfristigen Wettervorhersage beteiligen. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen (Drucksache V/681, Frage XI/7) : Was geschieht von seiten der Bundesregierung, damit die konzernfreien Mineralölgesellschaften bei der Verteilung der Tankstellen an Bundesautobahnen nicht benachteiligt werden? Die Tankstellen an den Bundesautobahnen werden von der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen mbH. an Mineralölfirmen verteilt. Die gegenwärtig vorhandenen 145 Tankstellen an den Bundesautobahnen werden von 59 Mineralölfirmen beliefert. Hiervon sind 12 sog. Konzerngesellschaften und 47 konzernfreie Betriebe. Die Verteilung erfolgt nach Maßgabe des Umsatzes der Kraftstoffirmen über ihre Tankstellen im Bundesgebiet. Die konzernfreien Firmen werden somit an den Bundesautobahnen nach einem ihrer Geschäftsbedeutung entsprechenden Verteilerschlüssel berücksichtigt; sie sind also nicht benachteiligt. Anlage 26 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schwabe (Drucksache V/681, Fragen XI/8 und 9) : Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2359 Kennt die Bundesregierung die besonders große Gefährdung von Ärzten und Sanitätern beim Eingreifen anläßlich von Autobahnunfällen? Wäre es nicht zu empfehlen, dem in Frage XI/8 genannten Personenkreis die Anwendung amtlicher Verkehrszeichen zu genehmigen, um insbesondere Auffahrunfällen zu begegnen? Die erste Frage wird bejaht. Zur zweiten Frage: Ich kann Ihren Vorschlag nicht befürworten. Bei dem dichten Netz stationärer Autobahnwachen trifft in der Regel die Polizei zuerst am Unfallort ein und übernimmt die Sicherung der Unfallstelle und damit auch der Ärzte und Sanitäter. Trifft der Krankenwagen früher als die Polizei ein, so wird die Unfallstelle dadurch wirksam gesichert, daß die an Krankenwagen angebrachte Kennleuchte für blaues Blinklicht eingeschaltet bleibt. Trifft in Ausnahmefällen zuerst der Arzt ein, so kommt die Verwendung der in § 23 Abs. 2 StVO vorgeschriebenen Sicherungsmittel (z. B. Warndreiecke oder Warnleuchten) in Betracht. Den Arzt in Ergänzung von § 3 StVO mit der Aufstellung amtlicher Verkehrszeichen zur Absicherung der Unfallstelle zu beauftragen, würde ihn überfordern und u. U. auch die Hilfeleistung verzögern. Anlage 27 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Prinz von Bayern (Drucksache V/681, Frage XI/10): Sind Verhandlungen mit welchen Zielsetzungen und welchen bisherigen Ergebnissen zwischen der Bundesregierung, dein Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München im Gange über die Errichtung eines neuen Flughafens für München bis zu den Olympischen Spielen 1972? Zwischen der Bundesrepublik, dem Freistaat Bayern und der Stadt München sind wegen eines neuen Flughafens München bisher nur zwanglose Vorbesprechungen geführt worden, zumal der Bund an der Münchener Flughafengesellschaft nicht beteiligt ist. Sie führten zur Bildung eines „Arbeitskreises Flughafen München", dem sachverständige Vertreter der genannten Körperschaften angehören. Die Vorschläge des Arbeitskreises sollen der Entscheidung, für die die Landesregierung allein zuständig ist, zugrunde gelegt werden. Der Bundesminister für Verkehr wird dabei von der Landesregierung beteiligt. Der Arbeitskreis hat vor kurzem einen begrenzten Ausbau von München-Riem empfohlen. Über die Anlegung eines neuen Flughafens wird der Arbeitskreis noch Vorschläge unterbreiten. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Borm (Drucksache V/681, Frage XI/11): Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, zurr Zwecke der Verbesserung der Verkehrsbedingungen nach Berlin im Zonenrandgebiet insbesondere eine Querverbindung zwischen den Autobahnen Hannover—Helmstedt und Kassel—Hannover zu schaffen? Ja! Eine solche Querverbindung ist im wesentlichen bereits im Ausbauplan für die Bundesfernstraßen aus dem Jahre 1957 enthalten. Sie wird gebildet aus dem als Städtestraße bekannten Straßenzug der Bundesstraße 490 von der Autobahn Kassel—Hannover südlich Wartjenstedt über Salzgitter nach Braunschweig und setzt sich fort in der Ortsumgehung Braunschweig im Zuge der Bundesstraße 4, die nördlich von Braunschweig die Autobahn Hannover—Helmstedt erreicht. Im 3. Vierjahresplan ist vorgesehen, die rd. 32 km lange Bundesstraße 490 in den jetzt noch zweispurigen Abschnitten vierspurig mit Mittelstreifen auszubauen und vor allem die heute noch höhengleichen Kreuzungen zu beseitigen. Als neue Verbindung zwischen dem derzeitigen Ende der Städtestraße an der Bundesstraße 248 bei Rüningen und der Autobahn Hannover—Berlin ist die Ortsumgehung Braunschweig in ihrem südlichen Teil zur Zeit im Bau. Sie soll im 3. Vierjahresplan weitgehend fertiggestellt werden. Mit der Vollendung der beiden Baumaßnahmen wird dem Eckverkehr Kassel—HelmstedtBerlin eine leistungsfähige, autobahnähnliche Straßenverbindung zur Verfügung stehen. Anlage 29 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Folger (Drucksache V/681, Frage XI/12): Wie beurteilt die Bundesregierung den von der Organisation Mondiale du Tourisme et de l'Automobile unter maßgeblicher Mitarbeit des ADAC fertiggestellten Entwurf einer Europäischen Straßenverkehrsordnung? Es ist ein interessanter Entwurf, der vor kurzem vorgelegt wurde und jetzt eingehend geprüft wird. Im Rahmen der Vereinten Nationen werden jedoch z. Z. bereits weltweite Straßenverkehrsregeln vorbereitet. Daran arbeiten die Ausschüsse der ECE in Genf, in denen wir vertreten sind. 1967 soll dazu eine Weltkonferenz stattfinden. Eine europäische Straßenverkehrs-Ordnung ist deshalb im Augenblick nicht aktuell. Anlage 30 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Börner (Drucksache V/681, Fragen XI/13 und 14) : Sind der Bundesregierung die Untersuchungen des Kongresses der Vereinigten Staaten von Nordamerika über die Sicherheit von Automobilen bekannt? Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung Anlaß zu der Vermutung, daß auch in der Bundesrepublik die Sicherheit von Automobilen dringend verbesserungsbedürftig ist? Die Sicherheit eines Kraftfahrzeugs ist kein absoluter Begriff, vielmehr richtet ,sie sich nach dem 2360 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 jeweiligen Stand der Technik. Bei fortschreitender technischer Entwicklung bleiben daher die Kraftfahrzeuge ständig verbesserungsbedürftig. Die Untersuchungen des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika über die Sicherheit von Kraftfahrzeugen sind der Bundesregierung ebenso bekannt wie die neuen, 25 Punkte umfassenden General Services Administration-Vorschriften. Die in diesen Vorschriften enthaltenen Forderungen finden sich in vergleichbarer Form bereits zu einem großen Teil in den deutschen Verkehrsvorschriften, für einen weiteren Teil sind entsprechende Bestimmungen z. Z. in Vorbereitung und für den restlichen Teil wird ,geprüft, ob vergleichbare Vorschriften notwendig oder nützlich sind. Anlage 31 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vorn 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Tamblé (Drucksache V/681, Fragen XI/17, 18 und 19) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die vor allem an den Bundesstraßen der schleswig-holsteinischen Westküste stehenden alten Chausseewärterhäuschen heute vielfach Sichtbehinderungen für die Kraftfahrer geworden sind? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die in Frage XI/17 erwähnten Chausseewärterhäuschen vielfach an unübersichtlichen Kurven stehen und mit ihren Erkern die Ursache von Straßenverkehrsunfällen sind? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die noch aus der Postkutschenzeit stammenden Chausseewärterhäuschen beseitigen zu lassen, sofern sie nachgewiesenermaßen ein Verkehrshindernis darstellen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß im westlichen Schleswig-Holstein 8 solcher alten Wohnhäuser für Straßenwärter zum Teil sehr nahe an der Straße stehen und das Sichtfeld der Kraftfahrer einengen. Auf Anfrage teilte das schleswig-holsteinische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr mit, daß diese Straßenwärterhäuser als Unfallursache oder Unfallorte nicht hervorgetreten seien. Das schleswig-holsteinische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr ist als Auftragsverwaltung des Bundes für die Bundesfernstraßen in Schleswig-Holstein seit längerer Zeit bemüht, diese Straßenwärterhäuser zu beseitigen. Die Beseitigung wurde jedoch dadurch sehr erschwert, daß 6 dieser alten Häuser nicht etwa im Bundes- oder Landeseigentum sind, sondern sich in Privatbesitz befinden und auch nicht von Angehörigen der Straßenbauverwaltung bewohnt werden. Die Bewohner sind meist einkommensschwache und große Familien und daher kaum bereit, in Ersatzbauten einzuziehen und dort höhere Mieten zu bezahlen. Die Bemühungen der schleswig-holsteinischen Straßenbauverwaltung haben inzwischen dazu geführt, daß sieben dieser Straßenwärterhäuser noch im Jahre 1966 beseitigt werden sollen. Anlage 32 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Brück (Holz) (Drucksache V/681, Frage XI/20) : Wie beurteilt die Bundesregierung die vom Deutschen Jagdschutzverband auf seiner letzten Bundestagung erhobene Forderung, für Kraftfahrzeuge gelbes Scheinwerferlicht vorzuschreiben? Mit dem Deutschen Jagdschutzverband habe ich wegen der Durchführung von Versuchen mit Gelblicht zuletzt im Mai 1965 in Verbindung gestanden. Das Ergebnis der Versuche und der erwähnte Beschluß in der letzten Bundestagung des Deutschen Jagdschutzverbandes sind mir nicht bekannt. Es fehlen z. Z. noch jegliche Unterlagen darüber, ob und inwieweit die Lichtfarbe das Verhalten des Wildes beeinflußt und ob das Verbleiben des Wildes im Lichtkegel des Scheinwerfers tatsächlich auf Blendung zurückzuführen ist. Anlage 33 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vorn 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Brück (Holz) (Drucksache V/681, Frage X/21): Ist die Bundesregierung bereit, sich für die Schaffung einer einheitlichen Europäischen Straßenverkehrsordnung einzusetzen, wie sie jetzt vom Weltverband des Automobils gefordert worden ist? Wie bereits zur Frage des Herrn Kollegen Folger bemerkt, werden im Rahmen der Vereinten Nationen weltweite Straßenverkehrsregeln vorbereitet, und es soll dazu 1967 eine Weltkonferenz stattfinden. Eine europäische Straßenverkehrs-Ordnung ist deshalb im Augenblick nicht aktuell. Anlage 34 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Steinmetz vorn 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Fellermaier (Drucksache V/681, Fragen XII/1 und 2) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß mit Fernsehapparaten Autotelefongespräche abgehört werden können? Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um auch im Autotelefonverkehr die Unverletzlichkeit des Fernsprechgeheimnisses zu gewährleisten? Herr Bundesminister Stücklen hat zu diesem Problem bereits in der 134. Sitzung des Hohen Hauses ausführlich Stellung genommen. In Ergänzung dieser Auskünfte darf ich bemerken: Es ist bekannt, daß in besonders gelagerten Fällen die Autotelefongespräche mit einigen Fernsehgeräten bestimmter Bauart empfangen werden können. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2361 Die Deutsche Bundespost ist ständig und nicht ohne Erfolg bemüht, die Industrie zu veranlassen, durch technische Maßnahmen Abhilfe zu schaffen, damit diese Erscheinungen bei der technischen Gestaltung der Fernsehempfänger von vornherein weitgehend vermieden werden. In einem Merkblatt für alle Teilnehmer des Autotelefondienstes wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Empfang eines laufenden Gesprächs durch einen anderen Teilnehmer, der sein Gerät auf den gleichen Sprechfunkkanal eingestellt hat, verhindert wird, daß es jedoch keinen Schutz gegen das unbefugte Empfangen der Funkgespräche mit anderen Empfangsgeräten gibt. Im übrigen dürfen auch nach den Auflagen der Empfangsgenehmigung mit einem Fernsehempfänger nur solche Sendungen empfangen werden, die für die Allgemeinheit bestimmt sind — also die Fernseh-Rundfunksendungen. Andere unbeabsichtigt empfangene Sendungen dürfen anderen nicht mitgeteilt werden. Anlage 35 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Steinmetz vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen (Drucksache V/681, Frage XII/3) : Ist es richtig, daß in Büttelborn bei Darmstadt eine Bundesautobahntankstelle seit einer Reihe von Monaten in Betrieb ist, die immer noch nicht über einen Telefonanschluß verfügt, so daß es bei einer Beraubung und bei Unfällen nicht möglich war, schnellstens die Polizei und das Rote Kreuz zu verständigen? Es ist richtig, daß die an der Südseite der Autobahn liegende Tankstelle noch keinen Fernsprechanschluß hat. Die Einrichtung dieses abseits gelegenen Anschlusses wurde am 11. Oktober 1965 beantragt. In Büttelborn, Ortsnetz Groß Gerau, warten zur Zeit rund 40 Antragsteller auf die Herstellung ihres Anschlusses; im Bereich des zuständigen Fernmeldeamts Darmstadt sind es 15 000. Das Bauvorhaben zur Erweiterung des Kabelnetzes in Büttelborn ist in der Planung. Der Zeitpunkt der Ausführung wird durch die Haushaltslage der Deutschen Bundespost bestimmt. Die Benachrichtigung von Polizei und Rotem Kreuz bei gegebenem Anlaß ist durch die gegenüberliegende Tankstelle, die einen Fernsprechanschluß mit der Rufnummer Grießheim 3 45 hat, gesichert. Nach Auskunft der Polizeidienststelle Groß Gerau vom 7. 6. 1966 ist dort von einer Beraubung der Tankstelle nichts bekannt. Es wurde lediglich ein Diebstahl gemeldet, der von einem Kunden in Abwesenheit des Tankwarts begangen wurde. Nach einer Mitteilung der Verkehrsbereitschaft Darmstadt ereignete sich am 1. 4. 1966 um 7.30 Uhr bei Kilometerstein 19, in unmittelbarer Nähe der Tankstelle, ein Unfall. Schwierigkeiten bei der Verständigung der Polizei haben sich hierbei nicht ergeben, weil die gegenüberliegende Tankstelle den Unfall gemeldet hat. Anlage 36 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Steinmetz vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Sänger (Drucksache V/681, Frage XII/4) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die beabsichtigten Erhöhungen im Postzeitungsdienst vor allem die auf dem Abonnement durch die Post beruhenden Wochenzeitungen besonders stark treffen und daß diese Publikationen durch das Ausmaß der Erhöhung in ihrer Existenz gefährdet erscheinen? Die auf Anregung des Deutschen Bundestages tätig gewordene neutrale Sachverständigen-Kommission für die Deutsche Bundespost hält die Kostenunterdeckung des Postzeitungsdienstes für ungerechtfertigt hoch und empfiehlt eine stärkere Anpassung der Gebühren an den Betriebsaufwand. Da sich die Kostenunterdeckung im Jahre 1967 voraussichtlich auf 280 Mio DM belaufen wird, müßte die ab 1. Januar 1967 vorgesehene Gebührenerhöhung etwa dieselbe Summe an Mehreinnahmen erbringen, um das Defizit auszugleichen. In Erkenntnis der politischen Bedeutung der Zeitungsbezugspreise habe ich dem Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost lediglich eine Erhöhung um insgesamt 39,9 Mio DM vorgeschlagen. Die wichtige Vertriebsgebühr wurde im übrigen bei den wöchentlich einmal und häufiger erscheinenden Zeitungen günstiger gestellt als bei den seltener erscheinenden Zeitschriften. Damit ist die Grenze des möglichen Entgegenkommens erreicht. Die Auswirkungen der Gebührenerhöhungen sind in Anbetracht der umfangreichen Leistungen, die der Postzeitungsdienst für die Verleger erbringt, nach Auffassung der Bundesregierung zumutbar und keineswegs existenzgefährdend. An dem Umstand, daß eine Zeitung, die den Postzeitungsdienst in großem Umfang in Anspruch nimmt, stärker von einer Gebührenerhöhung betroffen wird, als eine Zeitung, die auf diesen Dienst weitgehend verzichtet, kann die Bundesregierung logischerweise nichts ändern. Anlage 37 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Bucher vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) (Drucksache V/681, Frage XIII/1): Gedenkt die Bundesregierung der Bodenpreisspekulation, die in zunehmendem Maße den Eigenheim- und Wohnungsbau behindert, zu begegnen? Die Ursachen für die Preissteigerungen auf dem Baulandmarkt sind außerordentlich vielfältiger Art. Ein Hauptgrund liegt in dem immer noch verhältnis- 2362 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 mäßig knappen Angebot, das zur Befriedigung der außerordentlich starken Nachfrage nicht ausreicht. Maßnahmen zur Verbesserung dieser Knappheitslage sind bereits mit dem Erlaß des Bundesbaugesetzes begonnen und mit dem Raumordnungsgesetz fortgeführt worden. Ich darf die wichtigsten unter ihnen in Stichworten nennen: Verbesserung der Planungsvorschriften Vorverlegung des Erschließungsbeitrages Einrichtung von Gutachterausschüssen zur Verbesserung der Marktübersicht Ausdehnung der Enteignungsmöglichkeiten Verbesserung der Grundlagen für raumordnende Maßnahmen. Außerhalb der genannten Gesetze sind ferner folgende Verwaltungsmaßnahmen zu erwähnen: Baulanderschließungsdarlehen der Länder unter Beteiligung des Bundes (§ 90 Abs. 3 II. WoBauG) Zinsverbilligungskredite an Heimstätten u. ä. Unternehmen (Richtlinien vom 17. 11. 1959/ 15. 2. 1966) Baulandbereitstellung aus dem Besitz des Bundes und der Länder. Diese Maßnahmen sollen auf Grund der inzwischen gesammelten Erfahrungen ergänzt und verbessert werden. Vorschläge dazu enthält der Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes. Weiter muß ich auf die starke Abhängigkeit des Baulandmarktes von allgemeinwirtschaftlichen Vorgängen hinweisen. Z. B. wird der Grundstücksmarkt durch die Geldwertentwicklung erheblich belastet. Die Bundesregierung ist bemüht, die Stabilität der Währung zu sichern. Die auf diesem Gebiet zu treffenden Maßnahmen werden auch für den Grundstücksmarkt Auswirkungen haben. Auch weitere Probleme, z. B. die neue Einheitsbewertung, und die Gemeindefinanzreform werden eine wesentliche Rolle spielen. Kurzfristige Erfolge darf man bei dieser Sachlage nicht erhoffen. Es bedarf erheblicher Anstrengungen aller Beteiligten, insbesondere auch der Länder und Gemeinden, die mit dem Bund zusammenwirken müssen, um eine Gesundung des Baulandmarktes zu bewirken. Im Rahmen der Wohnungsbaupolitik mils-sen deshalb die Voraussetzungen geschaffen werden, daß der Eigenheimbau und der soziale Wohnungsbau trotz der durch die Entwicklung der Baulandpreise bedingten Schwierigkeiten in dem erforderlichen Umfang weitergeführt werden. Bisher ist das, wie die Statistik zeigt, gelungen. Anlage 38 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Bucher vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Bäuerle (Drucksache V/681, Fragen XIII/2 und 3) : Wie hoch schätzt die Bundesregierung noch das tatsächliche Wohnungsdefizit? Liegen der Bundesregierung Zahlen vor, wieviel Wohnverhältnisse im Zuge der Abbaugesetze gekündigt wurden? Zu Frage 1: Das rechnerische Wohnungsdefizit, wie es aufgrund der Abbaugesetzgebung amtlich errechnet wird, ist bis Ende 1965 bereits unter die Grenze von 200 000 Wohnungen abgesunken. Es kann erwartet werden, daß dieses restliche Defizit bis zum Schlußtermin der Abbaugesetzgebung Ende 1967 so gut wie ganz abgedeckt ist. Wenn Sie unter dem „tatsächlich noch bestehenden Wohnungsdefizit" die Wohnabsichten und Wohnwünsche der bundesdeutschen Bevölkerung verstanden wissen wollen, so werden hierüber die Ergebnisse der amtlichen 1%igen Wohnungsstichprobe vom Herbst 1965 nähere Auskunft geben. Wichtige Ergebnisse hierüber werden bereits im Laufe dieses Jahres noch erwartet. Die Realisierung bestehender Wohnabsichten und Wohnwünsche hängt aber u. a. auch maßgebend von dem Einkommen ab. Aus diesem Grunde werden die Feststellungen über die Familieneinkommen, die auf freiwilliger Grundlage, wie in der Wohnungsstichprobe 1960, auch in der neuen 1%igen Wohnungsstichprobe vom Herbst 1965 wieder getroffen werden, eine besondere Bedeutung haben. Die Ergebnisse dieser Feststellungen können freilich erst zu einem späteren Zeitpunkt vorliegen. Zu Frage 2: Im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht. Aber hierüber werden aus der 1%igen amtlichen Wohnungsstichprobe vom Herbst 1965 Aufschlüsse erwartet. Freilich muß man sich vergegenwärtigen, daß die Zahlen der Kündigungen allein keinen Aussagewert haben können, denn es ,steht keineswegs fest, ob und inwieweit erfolgte Kündigungen tatsächlich zu einem Verlust von Wohnungen führen. Zuverlässigere Schlüsse lassen sich dagegen aus der Zahl der Räumungsklagen ziehen. Die von den Landesjustizverwaltungen für das Jahr 1965 durchgeführten Erhebungen über Räumungsklagen und deren Erledigung durch die Gerichte zeigen, daß die Räumungsklagen in allen Bundesländern — mit Ausnahme von Niedersachsen — abgenommen haben, und zwar im Bundesdurchschnitt um über 4 %. Nur in Niedersachsen war 1965 eine Zunahme der Räumungsklagen festzustellen, und zwar um rd. 9 %. Die Zahl der beantragten Zwangsräumungen ist in allen Bundesländern auffallend rückläufig. Im Bundesdurchschnitt beträgt der Rückgang fast 10 %. Anlage 39 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Lohmar (Drucksache V/681, Frage XIV/1): Wie beurteilt die Bundesregierung die Anregung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ein besonderes Forschungsinstitut für elektronische Datenverarbeitung zu gründen? Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2363 Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat in einem — im Februar 1966 veröffentlichten — Kurzmemorandum über Fragen der Datenverarbeitung angeregt, sorgfältig zu erwägen, ob ein besonderes Institut für Forschung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung gegründet werden soll. Sie hat also die Errichtung eines solchen Instituts noch nicht eindeutig befürwortet. Hierüber kann nur im Zusammenhang mit der Gesamtförderung der Datenverarbeitung entschieden werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert im Rahmen ihres Schwerpunktprogramms „Informationsverarbeitung" die Grundlagenforschung, insbesondere in den Hochschulen. Auch mehrere Bundesressorts haben für ihren Aufgabenbereich spezielle Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Nuklear-Datenverarbeitung und der Datenverarbeitung in der Weltraumforschung gefördert. Weite Bereiche, vor allem viele Vorentwicklungen, die für die zukünftige Verwendung der Datenverarbeitung von ausschlaggebender Bedeutung sind, können jedoch weder im Rahmen des Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft noch im Rahmen der speziellen Ressortforschung gefördert werden. Deshalb prüft die Bundesregierung z. Z. die Frage zusätzlicher Maßnahmen, insbesondere für die bessere Anwendung von Datenverarbeitungssystemen im öffentlichen Aufgabenbereich. In einem Kurzmemorandum zu dem Thema „Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung", das im Februar 1966 veröffentlicht wurde, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Gründung eines Instituts für Forschung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung noch nicht unmittelbar vorgeschlagen, sondern angeregt, sorgfältig zu erwägen, ob ein solches Institut gegründet werden soll. Hieraus geht hervor, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft selbst noch nicht eindeutig zu dieser Frage Stellung genommen hat. Dies hängt, wie sich aus dem Kurzmemorandum ergibt, zu einem Teil damit zusammen, daß über die Gründung eines Instituts für Forschungen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung nicht isoliert entschieden werden kann, sondern eine solche Entscheidung im Zusammenhang mit der Förderung der Datenverarbeitung überhaupt zu sehen ist. Die Bundesregierung wird die Anregung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die Gründung eines solchen Instituts zu erwägen, aufgreifen. Ich beabsichtige, Anfang Juli eine Besprechung mit Vertretern der Wissenschaft und der Wirtschaft über die Fragen der Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung, die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und in diesem Zusammenhang auch über die Anregung der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu führen. Von dem Ergebnis dieser Besprechung wird es abhängen, ob die weiteren Überlegungen für die Förderung der Datenverarbeitung auch die Errichtung eines zentralen Forschungsinstituts einbeziehen. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, ob dem Ausbau bestehender Institute der Vorzug zu geben ist vor einer Neugründung, die nach allen Erfahrungen erhebliche Zeit in Anspruch nehmen wird. Eine verstärkte Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung an den Hochschulen ist bereits im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Informationsverarbeitung" der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingeleitet. Für den komplexen Bereich der elektronischen Datenverarbeitung gibt es aber Aufgaben, die von den Hochschulinstituten in ausreichender Weise nicht bearbeitet werden können. Diese Arbeiten müssen in besonderen Forschungseinrichtungen und in Industrielaboratorien durchgeführt werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat auch darauf hingewiesen, daß der engen Zusammenarbeit von fachlich verschieden orientierten Wissenschaftlern an gemeinsamen Problemen in einem großen Institut besondere Bedeutung zukommt, was einer der Gründe dafür ist, daß die Gründung eines zentralen Instituts ernsthaft erwogen werden sollte. Es ist selbstverständlich, daß die deutsche Industrie an den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Datenverarbeitung beteiligt wird. Zur Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der integrierten Schaltkreise, neuer Speichermedien und der Datenübertragung und Datenverknüpfung sind kostspielige Anlagen und Hilfseinrichtungen und eine straff geleitete enge Zusammenarbeit einer großen Zahl von Mitarbeitern erforderlich. Diese Voraussetzungen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Technologie sind in hohem Maße bei den Forschungslaboratorien der Industrie bereits vorhanden, so daß die Förderung bestimmter Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bei der Industrie besonders sinnvoll und erfolgversprechend ist. Große Forschungszentren für Datenverarbeitung in dem Sinne, wie sie die Deutsche Forschungsgemeinschaft vorgeschlagen hat, sind mir im Ausland nicht bekannt. Allerdings gibt es Zentren mit einer etwas anderen Zweckbestimmung: In Eingland ist vor kurzem ein Rechenzentrum errichtet worden, das u. a. die Aufgabe hat, die Verwender von Datenverarbeitungsanlagen zu beraten, für sie Systemanalysen durchzuführen und neue Programme zu entwickeln. In den USA wurde beim National Bureau of Standards ein „Center for Computer Sciences and Technology" gegründet. Zu den Aufgabengebieten dieses Zentrums gehören insbesondere die Beratung von Behörden bei der Entwicklung von Datenverarbeitungssystemen, Forschung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung hauptsächlich für Anwendungen der US-Regierung, Normung von Datenverarbeitungsanlagen und Programmiersprachen sowie Entwicklung von Prüfkriterien für Datenverarbeitungsanlagen. 2364 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 Anlage 40 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache V/681; Frage XIV/2) : Sind Meldungen richtig, die besagen, daß die Bundesrepublik Deutschland wegen völlig ungenügenden finanziellen Aufwandes bei der Erkennung von Vorräten an Uranerz gegenüber den europäischen Nachbarländern, insbesondere Frankreich, weit ins Hintertreffen geraten ist? Derartige Meldungen sind nur bedingt richtig. Nach dem Euratom-Bericht 2961 („Die Uranvorräte der Europäischen Gemeinschaft") vom Mai 1966 ergeben sich im Vergleich zwischen Frankreich und der Bundesrepublik bis Ende 1964 folgende Zahlen: In Frankreich wurden von 1946 bis 1964 mit einem Aufwand von ca. 380 Mio Franken (= ca. 309 Mio DM) Vorräte von ca. 37 000 t Uran ermittelt. In der Bundesrepublik wurden von 1956 bis 1964 mit einem Aufwand von ca. 18 Mio DM Vorräte von ca. 3000 t Uran ermittelt. Außerdem wurden ca. 12 Mio DM für die Anlage Ellweiler und Grundlagenuntersuchungen verausgabt. Die Arbeiten in Frankreich haben 10 Jahre eher begonnen. Sie fallen über die Hälfte in den Zeitraum vor 1959, also in eine Zeit, in der weltweit bei steigenden Uranpreisen mit aller Energie nach Uran gesucht wurde. Nach 1959, dem Höhepunkt der Uranproduktion in der westlichen Welt, ließen überall die Bemühungen stark nach. Außerdem fallen die französischen Uranarbeiten zu einem beträchtlichen Anteil in den Bereich der Verteidigungsaufgaben. In der Bundesrepublik dienen die Uranarbeiten ausschließlich friedlichen Zwecken und unterliegen damit im wesentlichen marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Die Aufwendungen beider Länder sind deshalb praktisch nicht vergleichbar. Unabhängig davon besteht jedoch die Notwendigkeit, den Vorsprung des Auslandes einzuholen. Ich werde bemüht bleiben, im Rahmen des Möglichen Bundesmittel hierfür zur Verfügung zu stellen. Für die Bemühungen der Bundesrepublik im Vergleich zu Italien gilt folgendes: In Italien wurden von 1947 bis 1964 mit einem Aufwand von ca. 6,2 Milliarden Lire einschließlich Investitionen (= ca. 39,5 Mio DM) ca. 1500 t Uran ermittelt. Unter Berücksichtigung des größeren Zeitraumes liegen die Aufwendungen Italiens im Jahresdurchschnitt demnach unter denen der Bundesrepublik. Anlage 41 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Nellen (Drucksache V/681, Fragen XV/1, 2 und 3): Trifft es zu, daß die VEBA AG, an der der Bund zu über 40 Prozent beteiligt ist, ihren Sitz in Bonn aufgeben und nach Herne übersiedeln soll? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Übersiedlung der VEBA AG nach Herne wegen des beträchlichen Ausfalls an Gewerbesteuer die finanzielle Situation der Bundeshauptstadt weiter verschlechtern wird? Denkt die Bundesregierung daran, in erhöhtem Maße Zuschüsse an die Stadt Bonn zu geben, da deren Belastungen vor allem auf die Tatsache zurückzuführen ist, daß Bonn Sitz der Bundesregierung und der meisten Bundesbehörden ist? Zu Frage 1: Der Vorstand der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks AG (VEBA) hat vorgeschlagen, den Sitz der Geschäftsleitung vorläufig nach Herne zu verlegen. Eine Verlegung des rechtlichen Sitzes der VEBA steht dabei nicht zur Erörterung. Hierfür wäre allein die Hauptversammlung der Gesellschaft zuständig. Der Vorstand ist der Auffassung, daß die Entwicklung der VEBA zu einer Konzernführungsgesellschaft ein räumliches Zusammenrücken der Spitze und ihrer Tochtergesellschaften voraussetzt. Die Notwendigkeit ,der Schaffung einer leistungsfähigen Konzernspitze ist bei den Beratungen des Hohen Hauses über die Teilprivatisierung der VEBA im vorigen Jahr wiederholt betont worden. Um die großen wirtschaftlichen Probleme lösen zu können, die sich für die in ,der VEBA zusammengefaßten Unternehmen heute stellen, hält es die Leitung für erforderlich, sich in das Zentrum der unternehmerischen Tätigkeit, d. h. in das Ruhrgebiet zu begeben. Zu Frage 2: Es ist der Bundesregierung bekannt, daß die Verlegung der Geschäftsleitung der VEBA zu Steuerausfällen bei der Stadt Bonn führen wird. Sie bedauert, daß die finanzielle Situation der Stadt hierdurch verschlechtert wird. Sie sieht jedoch keine Möglichkeit, eine vom Vorstand der VEBA aus unternehmerischen Gründen für notwendig gehaltene Maßnahme zu beeinflussen. Auch im Interesse der Volksaktionäre hält sie sich nicht für berechtigt, in derartige Entscheidungen der nunmehr überwiegend privatisierten Gesellschaft einzugreifen. Die Frage 3 beantworte ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen wie folgt: Bei der Bemessung der Zuschüsse für die Stadt Bonn im Rahmen der Förderung kommunaler Vorhaben nach Art. 106 Abs. 7 des Grundgesetzes sind die besonderen Belastungen, die der Stadt Bonn in ihrer Eigenschaft als vorläufige Bundeshauptstadt entstanden sind, berücksichtigt worden. Ich darf hierzu auf die schriftliche Beantwortung Ihrer Anfrage vom 2. 2. 1966 durch den Bundesminister der Finanzen Bezug nehmen. Die Bundesregierung ist auch künftig bereit, der besonderen Lage der Stadt Bonn im Rahmen des Art. 106 Abs. 7 des Grundgesetzes soweit wie möglich Rechnung zu tragen. Ein Ausgleich des etwaigen Ausfalles an Gewerbesteuer durch eine Verlegung der Geschäftsleitung der VEBA ist nach dieser Verfassungsvorschrift jedoch nicht möglich. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2365 Anlage 42 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 16. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Picard (Drucksache V/681, Fragen XVI/1 und 2) : Wie gedenkt die Bundesregierung der ständig zunehmenden Belästigung der Bevölkerung durch Lärm entgegenzuwirken? In welcher Weise wird die Bundesregierung die Erkenntnisse verwerten, die auf dem Mitte Mai in Baden-Baden stattgefundenen Kongreß der Internationalen Vereinigung gegen den Lärm mitgeteilt wurden? Zu Frage 1: Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen, die Lärmbekämpfung in der Bundesrepublik durch gesetzgeberische Maßnahmen und durch Förderung der wissenschaftlichen Forschung voranzutreiben, mit Nachdruck fortsetzen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Gebiet der Rechtsetzung. Diese wird sich insbesondere an folgenden Zielen orientieren: Überarbeitung, Ergänzung und Intensivierung der bestehenden Lärmschutzvorschriften sowie Erfassung der bisher nicht geregelten Lärmquellen. Unabhängig von den speziellen gesetzgeberischen Maßnahmen prüft die Bundesregierung, ob und in welchem Umfang es möglich sein wird, eine für alle Gebiete der Lärmbekämpfung einheitliche und umfassende Regelung zu treffen. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, daß sich die Grundfragen der Lärmbekämpfung auf jedem Einzelgebiet in gleichem oder jedenfalls ähnlichem Sinne stellen. Dies gilt beispielsweise für die Frage der Immissionsgrenzen und der Maß- und Bewertungsmethoden. Eine solche einheitliche bundesrechtliche Regelung würde nicht nur zu einer wesentlichen Verwaltungsvereinfachung beitragen, sondern auch im Interesse der Wirtschaft liegen, die wegen der zahlreichen Spezialregelungen mehr und mehr um die Erhaltung der Wettbewerbsgleichheit besorgt ist. Zu Frage 2: Auf dem Internationalen Kongreß für Lärmbekämpfung, der vom 11. bis 14. Mai 1966 in Baden-Baden stattfand, ist eine Fülle interessanter Fragen der Lärmbekämpfung unter medizinischen, juristischen, physikalischen und technischen Gesichtspunkten erörtert worden. Die Bundesregierung prüft, welche der zahlreichen Anregungen und Vorschläge durch gesetzgeberische Maßnahmen, durch Hinweise an die Verwaltungsbehörden oder in Form von Forschungsaufträgen realisiert werden können. Andererseits war den auf dem Kongreß gehaltenen Referaten zu entnehmen, daß das Lärmbekämpfungsrecht anderer Staaten zum Teil noch wenig entwickelt ist; in vielen Fällen beschränken sich die Möglichkeiten der Lärmbekämpfung auf die zivilrechtliche Nachbarschaftsklage und auf die Bestrafung wegen ruhestörenden Lärms, ein Stadium, das wir in der Bundesrepublik überwunden haben. Das deutsche Lärmbekämpfungsrecht erfreut sich im Ausland besonderer Wertschätzung, wie man aus dem Echo auf die betreffenden deutschen Vorträge feststellen konnte. In diesem Zusammenhang darf ich auch die anerkennenden Worte erwähnen, die der Innenminister der Vereinigten Staaten, Udall, nach seinem Besuch in der Bundesrepublik in dem Sonderbericht an Präsident Johnson über die fortschrittliche deutsche Lärmbekämpfung gefunden hat. Anlage 43 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) (Drucksache V/681, Frage XVI/3) : Welche Gesundheitsstörungen werden, soweit sie in zeitlichem Zusammenhang mit den Pockenschutzimpfungen bei Kindern auftreten, als entschädigungspflichtige Erkrankungen bzw. Dauerschäden anerkannt? Nach § 51 Bundes-Seuchengesetz hat u. a. Anspruch auf Entschädigung, wer durch eine gesetzlich vorgeschriebene Impfung einen über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden Gesundheitsschaden erleidet. Eine Aufzählung von Gesundheitsstörungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung auftreten könnten und deshalb als Impfschaden anerkannt werden, gibt es nicht und kann es nicht geben, da jede Gesundheitsstörung, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Pockenschutzimpfung verursacht ist und über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgeht, einen Entschädigungsanspruch begründet. Es kommt also weniger darauf an, welche Gesundheitsstörung aufgetreten ist; entscheidend ist vielmehr, daß sie nicht nur in zeitlichem, sondern vor allem in ursächlichem Zusammenhang mit der Impfung steht. Anlage 44 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 16. Juni 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller (München) (Drucksache V/681, Frage XVI/5) : Beabsichtigt die Bundesregierung, den Zusatz von Bleitetraäthyl zu Benzin wegen der damit verbundenen gesundheitsschädlichen Wirkungen zu verbieten? Die Bundesregierung hat zu dieser Frage noch keinen Beschluß gefaßt. Mein Haus ist den Fragen der Verbleiung von Vergaserkraftstoffen und deren physiologischen und biologischen Auswirkungen nachgegangen. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse des Bundesgesundheitsamtes über solche Auswirkungen ist jedoch noch nicht beendet. Es ist daher nicht möglich, ein abschließendes Urteil zu fällen. Nach den mir schon vorliegenden Untersuchungsdaten kann man zur Zeit noch auf keine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Einwirkung von Blei-Immissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr schließen. Eine Bleianreicherung in den Pflanzen in der Nähe von verkehrsreichen Stra- 2366 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 lien wie Autobahnen ist jedoch bereits zu erkennen. Darüber hinaus ist auch der Bleipegel der Stadtluft in Deutschland — wie in den USA — nach Feststellungen des Bundesgesundheitsamtes angestiegen. Ein Verbot der Verbleiung des Kraftstoffes schlechthin wäre zur Zeit keine adäquate Maßnahme. Ohne Bleizusatz könnte jetzt in den deutschen Raffinerien kein Kraftstoff hergestellt werden, dessen Klopffestigkeit den heutigen Motoren mit ihrem hohen Kompressionsverhältnis genügt. Ich habe aber Untersuchungen eingeleitet, inwieweit der Bleizusatz im Benzin gesenkt werden kann, um die Bleiemissionen aus Kraftfahrzeugen auf ein Minimum zu reduzieren.
Gesamtes Protokol
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Es wird zunächst vorgeschlagen, die heutige Tagesordnung um die Ihnen in einer Liste vorliegenden näher bezeichneten Vorlagen zu ergänzen. Das Haus ist damit einverstanden? — Dann ist die Erweiterung der Tagesordnung hiermit beschlossen.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat am 14. Juni 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Korspeter, Rehs, Bartsch, Kaffka, Hirsch, Lemper und der Fraktion der SPD betr. Leistungsgesetz für Sowjetzonenflüchtlinge — Drucksache V/645 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/685 verteilt.
Dann, meine Damen und Herren, muß ich zunächst mit dem Haus die Frage der weiteren Behandlung der Tagesordnung klären. Sie wissen — oder vielleicht wissen Sie es auch nicht —, daß gestern abend der Punkt 4 nur zu einem Teil behandelt worden ist. Der Rest ist noch offen. Wenn wir eine vernünftige Erledigung der gesamten Tagesordnung erreichen wollen, dann müssen wir uns jetzt darüber klarwerden, wie wir weiter prozedieren wollen. Ich könnte mir vorstellen, daß wir so verfahren, daß wir nach der Fragestunde zunächst die jetzt eben beschlossenen Zusatzpunkte erledigen — das geht schnell —, daß wir dann mit den unstrittigen Punkten 5 bis 8 fortfahren, den Punkt 10 dazunehmen und dann Punkt 9 behandeln, der vom Ältestenrat als der zentrale Punkt für die heutige Sitzung angesehen wird. Danach könnten wir die restlichen Teile von Punkt 4, nämlich Buchstaben d, e und f, erledigen.
Zur Tagesordnung hat das Wort Herr Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0504700100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben im Ältestenrat eine Tagesordnung aufgestellt, und das Haus hat diese, da es nicht widersprochen hat, gebilligt. Sie sah vor, daß als Punkt 4 der Tagesordnungspunkt behandelt wird, den wir gestern abend begonnen haben. Es besteht nicht die geringste Notwendigkeit, die Debatte über diesen Punkt abzubrechen.
Ich füge folgendes hinzu: Die Kollegen, die diese Anträge eingebracht haben, sind durch eine Reihe von Zeitumdispositionen immer wieder vertröstet worden. Der Punkt ist immer wieder abgesetzt worden. Es entspricht einfach einem Gebot der Fairneß, daß man diese Debatte, auf die diese Kollegen so lange warten mußten, nun auch zu Ende führt. Es handelt sich in beiden Fällen um erste Beratungen. Es gibt keine Notwendigkeit, dem Punkt 9 — auch eine erste Beratung - den Vorrang vor der unterbrochenen Beratung des Punktes 4 zu geben. Wir sollten es, glaube ich, so machen, wie wir es im Ältestenrat beschlossen haben, Herr Präsident, nämlich daß Punkt 4 vor Punkt 9 beraten wird, wie es auch logisch ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504700200
Die Logik ist nicht immer das Richtige.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0504700300
Aber zumindest ist es logisch, Herr Präsident!

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504700400
Das kann man nicht bestreiten. Zur Tagesordnung hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0504700500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Rasner sagt, es gebe nicht den geringsten Grund, jetzt den Punkt Mietrecht vorzuziehen, dann irrt er. Es gibt den Grund, daß wir im Ältestenrat so verblieben waren, die Geschäftsordnungsanträge soweit wie möglich gestern abend zu erledigen und dann heute nach der Fragestunde mit unserer Vorlage betreffend Mietrecht zu beginnen.

(Abg. Rasner: Nein!)

Nun glaube ich nicht, daß es sinnvoll ist, sich darüber lange zu streiten. Ich schlage vor, doch den Punkt Geschäftsordnungsanträge zu erledigen, und schlage damit gleichzeitig vor, daß unser Antrag zu § 33 der Geschäftsordnung ohne Begründung und Aussprache überwiesen wird. Das verkürzt die Debatte. Im übrigen werden wir uns so verhalten, daß wir die Geschäftsordnungsanträge zwar erledigen, aber nicht zuviel Zeit damit verlieren, um auch noch zur Behandlung unserer Vorlage Mietrecht zu kommen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504700600
Herr Abgeordneter Rasner!
2302 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0504700700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße den Vorschlag des Kollegen Mommer mit einer kleinen Einschränkung: Der Antrag zu § 33, selbst wenn Sie auf die Begründung verzichten, bedarf aus grundsätzlichen Erwägungen einer, allerdings nur kurzen — ich sage, daß es in fünf Minuten gemacht werden kann — Erwiderung. Diese Erwiderung wünschen wir jedenfalls zu geben.

(Mommer: Bedauere!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504700800
Zur Tagesordnung noch einmal Herr Abgeordneter Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0504700900
Ich muß dann dabei bleiben, daß unser Punkt betreffend Mietrecht jetzt behandelt wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504701000
Ja, das müssen wir dann durch Abstimmung klären. Das ist nicht anders möglich. Nach Herrn Dr. Mommers Vorschlag würde also Punkt 9 vor dem restlichen Teil des Punktes 4 behandelt werden. Wir stimmen darüber ab.
Wer dem Vorschlag Mommer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das ist also strittig. Das Präsidium ist sich nicht einig. Es ist auch schwer zu sagen, was die Mehrheit ist. Wir wollen es mit Aufstehen probieren.
Wer also für den Vorschlag Mommer ist, den bitte ich aufzustehen. —

(Zuruf: 33! — Widerspruch.)

— Ich stelle mir nicht vor, daß wir jetzt im Hammelsprung entscheiden. Zunächst ist die linke Seite etwas stärker als die rechte.

(Zurufe.)

— Wir zählen aus, damit es ganz korrekt ist.
Meine Damen und Herren, die Auszählung hat ergeben, daß das Haus nicht beschlußfähig ist. Ich muß die Sitzung daher aufheben.
Ich berufe die nächste Sitzung auf 9.25 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluß der Sitzung: 9.18 Uhr.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2303
48. Sitzung
Bonn, den 16. Juni 1966
Stenographischer Bericht
Beginn: 9.25 Uhr

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504701100
Die Sitzung ist eröffnet.
Wir müssen die Abstimmung über die Tagesordnung wiederholen. Zur Abstimmung steht noch einmal der Vorschlag des Abgeordneten Dr. Mommer, der die Reihenfolge der zu behandelnden Tagesordnungspunkte betrifft. Nach dem Vorschlag Dr. Mommers soll der Punkt 9 der Tagesordnung vor den restlichen Teilen des Punktes 4 behandelt werden.
Wer für diesen Vorschlag ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir verfahren also so, daß der Punkt 4 der Tagesordnung nach der Behandlung der Punkte 5 bis 8 und 10 beraten werden wird. Die Ergänzungsliste wird selbstverständlich nach der Fragestunde vorweg behandelt werden. Damit besteht jetzt Klarheit darüber, wie wir prozedieren.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache V/681 —
Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Frage IV/1 des Herrn Abgeordneten Geldner:
Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit sich die Gebietskörperschaften bereit erklärt haben, Angestellten einen entsprechenden Arbeitgeberzuschuß zur Altersvorsorge zu bezahlen, soweit sie von der Befreiungsmöglichkeit aus der Angestelltenrentenversicherungspflicht Gebrauch gemacht oder die Versicherungspflichtgrenze überschritten haben?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504701200
Ich bitte, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Geldner zusammen beantworten zu dürfen, da sie zusammenhängen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504701300
Ich rufe dann noch die Frage IV/2 des Herrn Abgeordneten Geldner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dort, wo die in Frage IV/l angesprochene Bereitschaft nicht vorliegt, entsprechend ihrer Möglichkeiten eine entsprechende Leistung unter Hinweis auf die Regelungen nach dem Bundesangestelltentarif zu empfehlen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504701400
Herr Abgeordneter, Sie fragen nach der Einstellung der Gebietskörperschaften. Ich darf zunächst feststellen, daß der Bund und die Länder den Angestellten Zuschüsse leisten, die entweder wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungsfrei sind oder von der Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung Gebrauch gemacht und einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen haben. Die übrigen Gebietskörperschaften, die Sie offenbar interessieren, also die Gemeinden und Gemeindeverbände, haben nach unseren Feststellungen im allgemeinen keine entsprechenden tarifvertraglichen Vereinbarungen getroffen. Die Spitzenorganisation der kommunalen Arbeitgeberverbände hat jedoch aus Anlaß der Rentenreform 1957 die Mitgliedsgemeinden ermächtigt, den Angestellten, die durch die Erhöhung der Jahresarbeitsverdienstgrenze wieder versicherungspflichtig geworden sind und die sich von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung haben befreien lassen, auf Antrag ebenfalls Zuschüsse zu den Prämien für Lebensversicherungsverträge zu gewähren.
Seit längerer Zeit werden, wie Ihnen sicherlich bekannt ist, zwischen Bund, Ländern und kommunalen Arbeitgeberverbänden einerseits und den Gewerkschaften andererseits sowie in den zuständigen Gremien der Zusatzversorgungsanstalten Verhandlungen über eine Neuregelung der zusätzlichen Altersversorgung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes geführt. Im Rahmen dieser Verhandlungen ist Einvernehmen darüber erzielt worden, daß Zuschüsse der öffentlichen Arbeitgeber zu den Prämien für Lebensversicherungen künftig nur noch dem Angestellten gewährt werden, der entweder bei Inkrafttreten der Neuregelung im Arbeitsverhältnis gestanden und bereits einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen hat, zu dem der Arbeitgeber bisher schon einen Zuschuß gewährt hat, oder der beim Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze wegen Nichterfüllung der Wartezeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung keine Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung in der Angestelltenversicherung hat.
Bei diesem Sachverhalt — das als Antwort auf Ihre zweite Frage — erübrigt sich nach unserer Meinung eine Empfehlung der Bundesregierung in dem von Ihnen angeregten Sinne.
2304 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504701500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0504701600
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung der kommunalen Spitzenverbände, daß es richtig ist, die Wahl der Form der Vorsorge in einem Fall zu begünstigen und im anderen Fall durch Versagung eines entsprechenden Arbeitgeberzuschusses zu beeinflussen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504701700
Die Einschränkung des Wahlrechts zum Abschluß von Lebensversicherungen, die sich aus dem ergibt, was ich vorhin über den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen sagte, wird mit dem Wunsch begründet, zu einer größtmöglichen Einheitlichkeit in der zusätzlichen Altersversicherung zu kommen und die Arbeit der Zusatzversorgungsanstalten zu vereinfachen. Die Sitzungsorganisation der kommunalen Arbeitgeberverbände hat aus diesen Verhandlungsergebnissen bereits im Jahre 1965 die Konsequenz gezogen und anläßlich der Erhöhung der Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Angestelltenversicherung von 15 000 DM auf 21 600 DM keine allgemeine Ermächtigung zur Bezuschussung von Lebensversicherungsverträgen mehr erteilt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504701800
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0504701900
Herr Staatssekretär, erscheint es der Bundesregierung als gerechtfertigt, daß unter Hinweis auf verwaltungsmäßige Dinge der Arbeitgeberzuschuß versagt wird?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504702000
Die verwaltungsmäßigen Dinge müssen auch berücksichtigt werden. Wir sehen jedenfalls keinen Anlaß, vom Bund her auf die Gemeinden einzuwirken, zumal uns die rechtlichen Möglichkeiten dazu fehlen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504702100
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Cramer.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0504702200
Herr Staatssekretär, worauf ist es zurückzuführen, daß die seit Jahren schwebenden Verhandlungen zwischen Ihnen und den Gewerkschaften über die Altersversorgung nicht zum Abschluß kommen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504702300
Das liegt an der Schwierigkeit der Materie und an der großen Zahl der Beteiligten. Der Bund jedenfalls ist an der Länge der Verhandlungen, die auch wir bedauern, nicht allein schuldig.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504702400
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Cramer.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0504702500
Gibt es bestimmte Punkte, über die Sie sich einig werden können?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504702600
Ja, natürlich. Wir sind auch schon weitgehend einig geworden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504702700
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0504702800
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung die Versicherung von Angestellten in der gesetzlichen Rentenversicherung für sicherer und vorteilhafter als jede andere Form der Vorsorge für das Alter?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504702900
Ich möchte hier keine Bewertung der verschiedenen Versicherungsformen vornehmen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504703000
Keine weiteren Fragen.
Frage IV/3 des Abgeordneten Schmidt (Würgendorf) :
Besteht die Absicht, die Besoldungsordnung für Soldaten so zu ändern, daß ältere Hauptleute, die nicht mehr zum Major befördert werden können, in die Besoldungsgruppe A 12 eingestuft werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504703100
Da die Fragen des Herrn Abgeordneten Schmidt in engem Zusammenhang stehen, darf ich wohl das Einverständnis des Herrn Fragestellers und des Herrn Präsidenten annehmen, daß ich sie gemeinsamen beantworte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504703200
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage IV/4 des Abgeordneten Schmidt (Würgendorf) auf:
Wann ist mit der Vorlage eines Änderungsvorschlages der Bundesregierung zur Besoldungsordnung wegen der in Frage IV/3 erwähnten Hauptleute zu rechnen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504703300
Die Bundesregierung wird noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf zur Änderung der Besoldung in den Gesetzgebungsgang geben. Ich darf hierzu auf die Ausführungen des Herrn Bundesministers des Innern in der Debatte dieses Hohen Hauses über Fragen der Beamtenpolitik am 21. April 1966 Bezug nehmen. Dieser Gesetzentwurf sieht eine Verbesserung der Beförderungsverhältnisse unter Zugrundelegung des Leistungsprinzips vor. An den Strukturverbesserungen der Besoldung nehmen nicht nur die Beamten und Richter, sondern auch die Soldaten teil. Auch für Hauptleute soll die Möglichkeit einer Höherstufung eröffnet werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504703400
Keine weiteren Fragen. Frage IV/5 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg:
Hält die Bundesregierung es für möglich und notwendig, durch geeignete Maßnahmen die Pressefreiheit gegen zu starke Konzentration zu sichern?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2305

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504703500
Die Kommission, Herr Abgeordneter, die von der Bundesregierung auf Beschluß des Bundestages zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit zwischen Presse, Funk, Fernsehen und Film eingesetzt worden ist, wird, wie zu erwarten ist, auch Erkenntnisse über Konzentrationserscheinungen innerhalb der deutschen Presse gewinnen. Ferner wird sich ein Überblick darüber, wie weit die Konzentration inzwischen fortgeschritten ist, aus der Bestandaufnahme ergeben, die gegenwärtig vom Deutschen Presserat veranstaltet wird. Die Bundesregierung möchte dem Ergebnis dieser Untersuchungen nicht vorgreifen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504703600
Eine Zusatzfrage.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0504703700
Herr Staatssekretär, gerade weil das von mir umrissene Problem meist im Hinblick auf einen oder einige hervorragende Verleger und ihre persönliche Leistung gesehen wird, möchte ich fragen: Sieht die Bundesregierung die Gefahr, daß bei immer weniger und immer größeren Verlagen plötzlich die Gelder finanzstarker Organisationen politisch einseitig eingesetzt werden könnten?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504703800
Sie sprechen damit die Gefahr einer Konzentration im Pressewesen an und sehen darin wohl auch eine Gefährdung der Pressefreiheit. Nun wird man sagen können, daß die Konzentration im ) Pressewesen nicht schlechthin eine Gefährdung der Pressefreiheit bedeuten muß. Diese Pressefreiheit, die wohl auch Mannigfaltigkeit und Vielgestaltigkeit der Zeitungen oder Zeitschriften voraussetzt, ist allerdings dann bedroht, wenn ein Zusammenschluß marktbeherrschend werden sollte und damit die Gefahr entsteht, daß durch Mißbrauch solcher wirtschaftlicher Machtstellungen die Informations- und Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Ob und wann dieser Gefahrenpunkt im Zuge der Konzentration innerhalb der Presse erreicht ist, läßt sich nach unserer Meinung zur Zeit noch nicht feststellen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504703900
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0504704000
Trotz dieser für mich — wenn ich das feststellen darf, Herr Staatssekretär — außerordentlich enttäuschenden Antwort darf ich vielleicht noch eine zweite Zusatzfrage stellen: Wenn das Grundgesetz die Pressefreiheit ausdrücklich garantiert, ist diese Pressefreiheit nach Auffassung der Bundesregierung die Freiheit des und der Journalisten, ungehindert und ungeschmälert zu schreiben, was sie denken? Was ist sie sonst? Was ist sie darüber hinaus Ihrer Meinung nach?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504704100
Die Schranken der Pressefreiheit ergeben sich aus dem Grundgesetz, Herr Abgeordneter. Sie kennen den Art. 5. Was der Art. 5 an
Beschränkungen der Pressefreiheit zuläßt, ist möglich, weiteres nicht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504704200
Herr Abgeordneter Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504704300
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich die Tatsache, daß sich das Bundeskartellamt in Berlin schon mit weniger bedeutenden Fragen sehr intensiv befaßt hat als der Frage der Kartellierung im Pressewesen beispielsweise und den Folgen der Konzentration auch für die Berufsfreiheit der Journalisten?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504704400
Wenn ich Sie recht verstanden halbe, nannten Sie zu Beginn Ihrer Frage das Bundeskartellamt. Das Bundeskartellamt untersteht nicht der Aufsicht des Bundesinnenministeriums. Ich bin daher über dessen Arbeitsmethoden usw. nicht so gut im Bilde wie der Bundeswirtschaftsminister und sein Vertreter. Ich könnte mir aber vorstellen, daß das Bundeskartellamt deshalb noch keinen Anlaß zu Überlegungen oder Schritten gehabt hat, weil es die Konzentration in der Presse noch nicht als zu groß angesehen hat.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504704500
Eine weitere Frage.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504704600
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß das Bundeskartellamt in der Tat zunächst für die wirtschaftlichen Aspekte der Frage zuständig wäre und es vor allem auch eine Frage der wirtschaftlichen Freiheit ist, die hier berührt wird?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504704700
Sie meinen, daß im Pressewesen auch die wirtschaftliche Freiheit berührt wird? Selbstverständlich, auch sie wird mit berührt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504704800
Herr Abgeordneter Dr. Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0504704900
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in Osterreich, in den nordischen Ländern und in Amerika gleichlaufende Konzentrationsvorgänge zu beobachten sind? Haben Sie davon Kenntnis genommen und haben Sie irgendwelche Schlüsse auf das Problem gezogen, das hier schon Herr Schulze-Vorberg angeschnitten hat, nämlich auf die Frage, ob damit die Pressefreiheit bedroht werden kann?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504705000
Selbstverständlich beobachten wir auch andere Staaten und die dortigen Erscheinungen der Konzentration im Pressewesen. Aber aus ,diesen Beobachtungen haben sich für uns noch keine Folgerungen im Hinblick auf ein Einschreiten ergeben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504705100
Herr Abgeordneter Mertes.
2306 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0504705200
Herr Staatssekretär, sind Sie wie der Kollege Martin der Meinung, daß man Vorgänge in den USA oder in Österreich unbedingt als Vergleichsmaßstab für die gegenwärtigen Vorgänge in der Bundesrepublik heranziehen kann?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504705300
Nein, der Meinung bin ich durchaus nicht. Die Dinge liegen in den USA und den anderen Staaten im Vergleich zu Deutschland durchaus verschieden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504705400
Herr Abgeordneter Dr. Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0504705500
Herr Staatssekretär, irren Sie sich da nicht vielleicht doch? Der Vorgang ist gleichlaufend. Bs handelt sich darum, daß mittlere und kleinere Zeitungen die Kosten der Modernisierung und des Personalaufwands nicht zu bestreiten vermögen und Zeitungen, beispielsweise auch Gewerkschaftszeitungen, die eine zwanzigjährige Tradition haben, in nordischen Ländern aufgeben müssen. Ich glaube, der Vorgang ist durchaus parallel. Man kann Vergleiche ziehen.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504705600
Vielleicht sind in diesem Zusammenhang einige Zahlen interessant, die den Umfang der Konzentration betreffen. Ich habe hier eine Aufstellung, aus der sich ergibt, daß die Gesamtauflage der Tageszeitungen vom Jahre 1964 bis zum Jahre 1965 um ein Drittel, von 14,6 Millionen auf 20 Millionen, gestiegen und die Zahl der selbständigen Redaktionen von 225 auf 182 zurückgegangen ist, also um etwa 20 bis 25 %.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504705700
Eine Zusatzfrage.

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0504705800
Herr Staatssekretär, welche Konsequenzen wird das Bundesinnenministerium auf Grund seiner Kompetenz für das Presserechtswesen nach den hier behandelten Fragen ziehen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504705900
Ich sagte zu Beginn, Herr Abgeordneter, daß wir die Untersuchungen der Kommission, die auf Antrag des Bundestages eingesetzt worden ist, und die Untersuchungen des Deutschen Presserates abwarten wollen. Auf Grund des Ergebnisses dieser beiden Untersuchungen wird die Bundesregierung Überlegungen darüber anstellen, was getan werden kann.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504706000
Eine zweite Zusatzfrage.

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0504706100
Können Sie vielleicht jetzt schon sagen, wann endlich ein Ergebnis der Untersuchungen dieser Kommission vorliegen wird?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504706200
Das kann ich nicht voraussagen.
Auf die Arbeitsweise und das Arbeitstempo der Kommission haben wir ebensowenig Einfluß wie auf den Presserat.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504706300
Herr Abgeordneter Dr. Marx zu einer Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0504706400
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie im Zusammenhang mit dem hier angesprochenen Komplex die britische Gesetzgebung, die eine solche Konzentration unmöglich macht?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504706500
Ich glaube, es würde den Rahmen der Fragestunde überschreiten, wenn ich mich hier über die britischen Verhältnisse ausließe. Ich kann nur sagen, daß die Rechtslage und die Verhältnisse im Pressewesen Großbritanniens von denjenigen der Bundesrepublik so verschieden sind, daß zu bezweifeln ist, ob die britische Regelung, die Sie im Auge haben, von uns übernommen werden könnte, sei es auch nur in ihren Grundzügen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504706600
Keine weiteren Fragen.
Ich rufe die Frage IV/6 des Herrn Abgeordneten Moersch auf:
Hält die Bundesregierung die unterschiedliche Behandlung von Beamten gleicher Ausbildung und Eignung, die sich aus der Anwendung des § 6 Abs. 1 des Gesetzes zu Artikel 131 GG ergibt, für mit dem Geist und dem Wortlaut des Grundgesetzes vereinbar?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504706700
Nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes zu Artikel 131 des Grundgesetzes gelten frühere Beamte auf Widerruf als mit Ablauf des 8. Mai 1945 durch Widerruf entlassen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich keine unterschiedliche Behandlung gleicher Tatbestände, wie Sie anzunehmen scheinen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 17. Dezember 1953 entschieden, daß diese Vorschrift nicht zu beanstanden ist. Beamte auf Widerruf mit der erforderlichen Ausbildung haben an der Unterbringung nach dem 131er-Gesetz teilgenommen. Die Unterbringung ist auf Grund des Dritten Änderungsgesetzes vom 21. August 1961 endgültig abgeschlossen worden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504706800
Eine Zusatzfrage.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504706900
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß dennoch bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die als junge Beamtenanwärter oder als Beamte aus politischen Gründen aus der sowjetischen Besatzungszone fliehen mußten, Härten entstanden sind und daß diese Beamte nicht in die gleiche Rechtsposition gekommen sind, die ihre vergleichbaren Kollegen im Bundesgebiet haben?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504707000
Diese Zusatzfrage zielt eigent lieh auf Ihre zweite Hauptfrage ab. Vielleicht darf ich sie damit zugleich beantworten.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2307

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504707100
Ich rufe die Frage IV/7 des Herrn Abgeordneten Moersch auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um dem in Frage IV/6 genannten betroffenen Personenkreis, zu dem vornehmlich ehemalige Beamte aus der SBZ zählen, die Gleichstellung mit ihren Kollegen in der Bundesrepublik zu gewährleisten?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504707200
Frühere Beamte auf Widerruf, die aus der sowjetischen Besatzungszone bis zum Abschluß der Unterbringung in das Bundesgebiet gekommen sind, haben genauso an der Unterbringung teilgenommen wie frühere Beamte auf Widerruf im Bundesgebiet. Im übrigen fördert der Bund die Wiederverwendung beider Personenkreise mittelbar auch nach Abschluß der Unterbringung noch durch seine Beteiligung an der späteren Versorgungslast nach § 42 Abs. 6 des 131er-Gesetzes.
Natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, daß die Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone, die nach Einstellung der Unterbringung herübergekommen sind, insofern benachteiligt sind, als sie an der Unterbringung nicht mehr teilnehmen konnten. Aber auch für sie wird etwas getan. Sie werden auch jetzt noch, soweit es irgend möglich ist, hier wieder in Arbeit kommen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504707300
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504707400
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, zu prüfen, ob es sich hier nicht um ganz wenige Härtefälle handelt, die bisher sozusagen nicht vom Gesetz gedeckt waren — was auch nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hat —, um gerade diesen Menschen die Gleichberechtigung zu geben, die aus politischen Motiven, nämlich wegen ihres Eintretens für den parlamentarisch-demokratischen Staat, aus der sowjetischen Besatzungszone fliehen mußten, und zwar zum Teil vor dem Zeitpunkt, der im Gesetz genannt worden ist, die aber durch Umstände, die im lokalen Bereich gelegen haben, diesen Termin nicht rechtzeitig wahrnehmen konnten?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504707500
Wir sind durchaus bereit, Herr Abgeordneter, diese Härtefälle zu prüfen. Vielleicht tragen Sie sie an uns heran oder veranlassen, daß sie an uns herangetragen werden.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504707600
Ich werde das gern tun.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504707700
Herr Abgeordneter Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0504707800
Herr Staatssekretär, nachdem Sie nun dem Herrn Kollegen Moersch dieses Zugeständnis gemacht haben, darf ich Sie fragen — da wir noch einen Antrag in diesem Hohen Hause vorliegen haben, wonach eine Abschlußgesetzgebung vorgelegt werden soll —: werden Sie dann nicht nur den Fall oder die Fälle, sondern auch die übrigen Härtefälle, die wir in langen Beratungen im letzten Deutschen Bundestag behandelt haben,
mit in Ihre Überlegungen einbeziehen, damit wir dann tatsächlich zu einem Abschlußgesetz kommen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504707900
Selbstverständlich, wir werden auch die anderen Fälle, in denen sich Härten ergeben haben, mit in die Prüfung einbeziehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504708000
Die Frage ist beantwortet. Frage IV/8, Abgeordneter Dr. Kübler:
Ist die Bundesregierung bereit, die den Ländern übermittelte Richtlinie über die Verweigerung von Fremdenpässen an Ausländer aus Natostaaten, die der Wehrpflicht in ihrem Heimatstaat nicht genügen, unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 1966 zu Artikel 6 Abs. 1 GG (1 BvR 509/65) so zu ändern, daß die Länder die Möglichkeit haben, Fremdenpässe an solche Ausländer auszustellen, deren mit einer Deutschen in Deutschland geschlossenen, aber im entsprechenden Ausland nicht anerkannten Ehe durch die Ableistung des Wehrdienstes in ihrem Heimatstaat in ihrem Bestand gefährdet würde?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504708100
Ich nehme an, Herr Abgeordneter, daß sich Ihre Frage auf griechische Staatsangehörige bezieht, ,da im Bereich der NATO-Staaten lediglich Griechenland eine nach deutschem Recht geschlossene Ehe nicht anerkennt.
Sie haben wohl weiter ein Rundschreiben des Bundesministers des Innern an die Innenminister der Länder vom 26. August 1963 im Auge. Darin heißt es:
Deutsche Frauen, die Ausländer heiraten, müssen damit rechnen, daß ihre Ehemänner vom Heimatland zum Wehrdienst herangezogen werden. Es ist ihnen im allgemeinen zuzumuten, dem Ehemann in seine Heimat zu folgen.
In dem Rundschreiben heißt es weiter, daß ledigen und verheirateten Paßbewerbern, die sich ,dem Wehrdienst in ihrem Heimatland entziehen wollen, ein Fremdenpaß versagt werden sollte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der das erwähnte Rundschreiben folgt, müssen besondere Umstände hinzukommen, die es der deutschen Ehefrau auch unter Berücksichtigung ihrer ehelichen Pflichten unzumutbar machen, dem ausländischen Ehegatten ins Ausland zu folgen. Sie, Herr Abgeordneter, nehmen offensichtlich für Ihren Fall diese Unzumutbarkeit an.
Dazu ist folgendes zu bemerken. Im Falle einer deutsch-griechischen Ehe liegt es an sich in der Entscheidung der Partner — abgesehen von ihrer religiösen Bindung —, ob sie die Ehe nach deutschem Recht oder nach griechisch-orthodoxem Ritus schließen wollen. Wäre bei einer Eheschließung nach deutschem Recht allein aus diesem Grunde der Ehefrau die Übersiedlung nach Griechenland nicht zuzumuten, so wäre .der Grundsatz, wonach von einer deutschen Ehefrau die Nachfolge in das Heimatland ihres Ehemannes erwartet werden kann, in die Disposition der Betroffenen gestellt. Allein mit der Wahl einer in Griechenland nicht anerkannten Eheschließungsform könnte 'der griechische Wehrpflichtige also die Erteilung des Fremdenpas-
2308 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Staatssekretär Dr. Schäfer
ses erzwingen und sich auf diese Weise der Wehrpflicht entziehen.
Andererseits kann aber auch der deutschen Ehefrau eines griechischen Wehrpflichtigen zugemutet werden, während der Dauer des Wehrdienstes ihres Mannes in seinem Heimatland in der Bundesrepublik zu bleiben. Der Bestand der Ehe braucht durch diese nur vorübergehende Trennung nicht gefährdet zu sein. Die Ableistung des Wehrdienstes bringt immer eine Trennung von der Familie mit sich, die auch von deutschen Wehrpflichtigen während der Dauer ihres Wehrdienstes hingenommen werden muß.
Aus all diesen Erwägungen möchte der Bundesminister des Innern das Rundschreiben nicht ändern. Dazu bietet auch der von Ihnen genannte Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 1966 keinen Anlaß.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504708200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kübler.

Dr. Paul Kübler (SPD):
Rede ID: ID0504708300
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß ein griechischer Wehrpflichtiger mit dem Wehrsold eines Ledigen eine Familie in der Bundesrepublik ernähren kann?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504708400
Das vermag ich nicht zu beurteilen.

(Lachen bei der SPD.)


Dr. Paul Kübler (SPD):
Rede ID: ID0504708500
Es sind 36 Pfennig pro Tag. — Ich darf meine Frage noch präzisieren. Herr Staatssekretär, Ihr Rundschreiben ist vom 26. August 1963. Ist Ihnen bekannt, daß eine ganze Reihe von Griechen, die seit mehr als acht Jahren in der Bundesrepublik verheiratet sind, in den Jahren 1964 und 1965 Einberufungsbefehle als ledige Wehrpflichtige in Griechenland bekommen haben und daß ihnen von den Behörden in der Bundesrepublik ein Ausländerpaß wegen des Rundschreibens von 1963 verweigert worden ist?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504708600
Dazu muß ich sagen, daß — Sie erwähnen es ja selber — Griechenland ein NATO-Staat ist und wir uns nicht durch Erteilung von Wehrpässen an Personen in größerer Zahl, die sich der griechischen Wehrpflicht entziehen wollen, in Schwierigkeiten mit unserem NATO-Partner Griechenland setzen können.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504708700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kübler.

Dr. Paul Kübler (SPD):
Rede ID: ID0504708800
Herr Staatssekretär, ist Ihnen das von mir zitierte Urteil bekannt, daß ein Schweizer Staatsbürger, der in der Schweiz steuerrechtlich kriminell war und dort eine Strafe hätte absitzen müssen, in Deutschland straffällig wurde — mit einer geringeren Strafe —, ausgewiesen werden sollte, heiratete und wegen des Bestehens der Ehe nicht ausgewiesen werden kann, während diese
Griechen, die längere Jahre in Deutschland verheiratet sind, nur weil sie die griechisch-orthodoxe Trauung nicht nachvollziehen wollen — es ist ein evangelischer Vikar griechischer Staatsangehörigkeit darunter, der grundsätzlich sagt, er läßt sich nicht mehr griechisch-orthodox trauen, weil er das nicht nachvollziehen will —, ausgewiesen werden sollen zur Erfüllung ihrer Wehrpflicht als Ledige?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504708900
Sie erwähnen den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts. Mir ist einer unter dem von Ihnen angegebenen Aktenzeichen bekannt, der aber das Datum vom 23. September 1965 trägt. Eine spätere Entscheidung unter dem 1. März 1966, wie Sie sie zitiert haben,

(Abg. Dr. Kübler: 1966! Ich habe sie hier!)

ist uns nicht bekannt. Vielleicht stellen Sie sie uns zur Verfügung. Im übrigen beziehe ich mich auf das, was ich vorhin grundsätzlich zu diesem Problem gesagt habe.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504709000
Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Dr. Arndt (Berlin/Köln) (SPD) : Herr Staatssekretär, haben jemals Verhandlungen zwischen dem Auswärtigen Amt und der griechischen Regierung stattgefunden, um diese unerträglichen Zustände in der Behandlung der Griechen nun auf ein einem Kulturstaat angemessenes Niveau zu bringen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504709100
Ich kann Ihre. Frage nicht beantworten; ich weiß nicht, ob das Auswärtige Amt mit Griechenland hierüber verhandelt hat.
Sie sprachen von „unerträglichen Zuständen". Uns sind natürlich im Bundesinnenministerium die einzelnen Fälle, die Sie und Ihr Parteifreund etwa im Auge haben, nicht bekannt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns einmal über diese Fälle näher berichten könnten, damit wir uns die Dinge noch einmal anschauen und überlegen können.
Dr. Arndt (Berlin/Köln) (SPD) : Darf ich gleich eine Frage zu einem Fall stellen. Halten Sie es für richtig, daß ein Grieche, der seit Jahren in Berlin lebt, der mit einer deutschen Frau verheiratet ist — aber nicht griechisch-orthodox —, der in Deutschland Gedichtbände veröffentlicht hat und als Dichter in deutscher Sprache anerkannt ist, der ein anerkannter Berliner Bildhauer ist, bei uns rausgesetzt werden soll lediglich wegen dieser Bestimmungen im Hinblick auf die NATO?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504709200
Ich darf noch einmal auf das vorhin erwähnte Rundschreiben unseres Hauses von 1963 zurückkommen. Darin heißt es, ledigen und verheirateten Paßbewerbern, die sich dem Wehrdienst entziehen wollen, sollte ein Fremdenpaß grundsätzlich versagt werden. Bei dieser bewußt weich gehaltenen Fassung besteht also durchaus die Möglichkeit, in
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2309
Staatssekretär Dr. Schäfer
einem solchen Falle wie dem des von Ihnen erwähnten in Berlin lebenden Griechen entgegenzukommen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504709300
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0504709400
Herr Staatssekretär, auf Grund welcher Umstände soll eigentlich jeweils angenommen werden, daß sich die Bewerber dem Wehrdienst entziehen wollen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504709500
Ich nehme an, daß die Betreffenden, die zu einem Zeitpunkt, in dem sie in Griechenland zum Wehrdienst herangezogen worden sind, hier einen Fremdenpaß beantragen, mit Hilfe dieses Fremdenpasses der Wehrpflicht in Griechenland nicht nachkommen wollen. So scheint doch der Tatbestand in den Fällen zu liegen, die Ihrem Parteifreund Dr. Kübler vorschweben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504709600
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0504709700
Wollen Sie damit eine generelle Vermutung zum Nachteil derjenigen aufstellen, die solche Anträge stellen,

(Staatssekretär Dr. Schäfer: Natürlich nicht!)

und wollen Sie damit von vornherein — das liegt doch im Wortlaut Ihres Schreibens ausschließen, daß es auch sehr andere, wohlbegründete und in sehr anderen Bereichen zu würdigende Umstände geben kann, die einen solchen Antrag rechtfertigen und eine solche von vornherein aufgestellte Beweisvermutung eigentlich unzulässig machen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504709800
Ich stimme Ihnen zu, daß man von generellen Verallgemeinerungen in diesem Falle wie auch sonst absehen sollte. Ich habe aber schon gesagt, daß unser Rundschreiben, das im übrigen keine Weisung für die Länder sein kann, so elastisch gehalten ist, daß die Länder ab- und zugeben können. Wenn das im Einzelfall nicht geschehen ist, dann müßte man entsprechend nachstoßen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504709900
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0504710000
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß die Formulierung Ihres Erlasses im Hinblick auf die Praktiken der unteren Verwaltungsbehörden überprüft werden sollte? Denn so weich, wie Sie glauben, daß der Erlaß gehalten ist, ist er jedenfalls für eine nachgeordnete Behörde sicher nicht.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504710100
Ich werde diese Fragestunde zum Anlaß nehmen, durch eine Rückfrage bei den Ländern die Tatbestände zu erhellen. Wir werden dann
prüfen, ob unser Rundschreiben, das jetzt immerhin drei Jahre alt ist, einer neuen Fassung bedarf.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504710200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Brück (Holz).

Alwin Brück (SPD):
Rede ID: ID0504710300
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß der einzige Grund für einen Griechen, in Deutschland eine Ehe einzugehen, der ist, sich vor dem Wehrdienst zu drücken?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504710400
Durchaus nicht!

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504710500
Ich meine, nun sind die Fragen aber wirklich erschöpfend beantwortet. Es ist nichts mehr drin. Alles, was weiter gefragt wird, geht auf Kosten der übrigen Fragen dieser Fragestunde.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf, zunächst die Frage V/1 des Abgeordneten Müller (Mülheim) :
Erachtet die Bundesregierung die Teilnahme von Häftlingen in Strafanstalten an Bildungsfernlehrgängen als eine geeignete Resozialisierungsmaßnahme?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504710600
Ich bitte, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Müller (Mülheim) wegen ihres sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504710700
Sind Sie einverstanden, Herr Abgeordneter? — Dann rufe ich auch die Frage V12 des Abgeordneten Müller (Mülheim) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Länderjustizministerien zu bitten, die Häftlinge mit den in Frage V1 erwähnten Möglichkeiten vertraut zu machen und die Teilnahme an derartigen Fernlehrgängen zu erleichtern?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504710800
Die von den Ländern bundeseinheitlich im Verwaltungswege erlassene Dienst- und Vollzugsordnung vom 1. Dezember 1961 in der Fassung vom 1. Januar 1966 ermöglicht in geeigneten Fällen die Teilnahme Gefangener an Bildungsfernlehrgängen. Auf den beiden letzen Anstaltsleitertagungen in NordrheinWestfalen haben sich die Anstaltsleiter mit der Frage der Fortbildung Gefangener durch Fernkurse eingehend befaßt. Der bei den Tagungen anwesende Vertreter des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen legte den Anstaltsleitern nahe, bei der beruflichen Fortbildung der Gefangenen durch Fernkurse nicht engherzig zu verfahren. Die Verhältnisse in den übrigen Ländern dürften ähnlich liegen.
Die Teilnahme Gefangener an Bildungsfernlehrgängen kann dann als eine geeignete Maßnahme für eine soziale Einordnung angesehen werden, wenn es sich um einen wertvollen Fernkurs eines anerkannten Fernlehrinstituts handelt, wenn der Gefangene die erforderlichen geistigen Fähigkeiten und charakterlichen Eigenschaften für eine erfolgreiche Teilnahme am Fernkurs besitzt und wenn die voraussichtliche Haftzeit ausreicht, das Lehrziel des Kursus zu erreichen. Von wesentlicher Bedeu-
2310 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Bundesminister Dr. Jaeger
tung wird auch sein, daß während der Dauer des Kurses die Einzelunterbringung des Gefangenen und eine beratende Hilfe durch einen Anstaltsoberlehrer sichergestellt sind.
Die Anstaltsleiter prüfen jeden Einzelfall, in dem sich die Teilnahme an einem Fernlehrgang empfiehlt oder beantragt wird, soweit erforderlich gemeinsam mit den Arbeitsämtern. Bei dieser Sachlage besteht meines Erachtens kein Anlaß, die Landesjustizverwaltungen auf dieses Anliegen noch besonders hinzuweisen, zumal es sich um eine Verwaltungsaufgabe handelt, für deren Wahrnehmung ausschließlich die Länder zuständig sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504710900
Frage V/3 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher (Pullach) ist beantwortet.
Ich rufe die Frage V/4 des Abgeordneten Hirsch auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das veraltete Gesetz, betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft vom 14. Juli 1904 in der Fassung des Gesetzes vom 24. November 1933 (Bundesgesetzbl. III 313-2) sowie das veraltete Gesetz, betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen vom 20. Mai 1898 in der Fassung des Gesetzes vom 24. November 1933 (Bundesgesetzblatt III 313-1) durch die Vorlegung entsprechender Änderungsgesetze zu novellieren?
Herr Abgeordneter Jahn (Marburg) übernimmt diese Frage. Bitte Herr Minister!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504711000
Zur Frage des Abgeordneten Hirsch: Die Bundesregierung beabsichtigt, dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in der Frage bezeichneten Entschädigungsgesetze vorzulegen. Das Bundesjustizministerium hat die erforderlichen Arbeiten bereits im vergangenen Jahr in Angriff genommen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504711100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0504711200
Wann beabsichtigt die Bundesregierung die Vorlagen einzubringen?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504711300
Es ist notwendig, die Landesjustizverwaltungen an den Vorarbeiten zu beteiligen, weil in erster Linie die Haushalte der Länder von einer Neuregelung betroffen werden. Ich muß auch darauf aufmerksam machen, daß eine Reform Grundfragen des Haftungsrechts aufwirft, die einer sehr sorgfältigen Abwägung bedürfen. Einen genauen Termin kann ich deshalb im Augenblick nicht nennen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504711400
Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0504711500
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, daß die Einbringung einer Vorlage zur Reform dieser Gesetzgebung dringlich ist?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504711600
Durchaus!

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504711700
Keine weiteren Fragen? —
Dann rufe ich die Frage V/5 des Abgeordneten Jahn (Marburg) auf:
Wie will der Bundesjustizminister die Bestrebungen zur Schaffung einer zentralen Richterakademie unterstützen?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504711800
Die Schaffung einer zentralen Richterakademie unterstütze ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln. Da die ganz überwiegende Zahl der Richter im Dienst der Länder steht, ist für eine Richterakademie ein Zusammenwirken von Bund und Ländern nötig. Die Fragen der Errichtung der Akademie werden zur Zeit zwischen dem Bundesministerium der Justiz und den Justizministerien der Länder erörtert. Die Justizministerkonferenz wird sich voraussichtlich im Herbst dieses Jahres schlüssig werden. Ein Unterausschuß der Justizministerkonferenz hat vor kurzem die vorbereitenden Arbeiten begonnen.
Da die Fortbildung der Richter im gemeinsamen Interesse des Bundes und der Länder liegt, werde ich mich auch um eine angemessene finanzielle Beteiligung des Bundes an ,der Gründung und Unterhaltung der Akademie bemühen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504711900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0504712000
Herr Minister, ist es richtig, daß es in den Ländern nicht unerhebliche Einwendungen gegen die Errichtung der Richterakademie gibt?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504712100
Es gibt Befürworter und es gibt solche, die Einwendungen erhoben. Die Regelung wird auf der Herbstkonferenz der Länderjustizminister beraten werden.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0504712200
Wie beurteilen Sie selbst die Möglichkeit, diesen Plan zu verwirklichen?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504712300
Ich hoffe auf Verständnis und Bereitschaft der Länderjustizminister.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504712400
Ich rufe die Frage V/6 des Abgeordneten Jahn (Marburg) auf:
Wie will der Bundesjustizminister den Gedanken eines „Tag des Rechts" verwirklichen, den er kürzlich in seiner Rede vor dem Berliner Richterbund als begrüßenswert bezeichnet hat?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504712500
Wie Sie wissen, Herr Kollege, halte ich den Gedanken, jährlich einen „Tag des Rechts" zu veranstalten, für geeignet, die immer wieder zu beobachtende Rechtsfremdheit zu vermindern. Da die Gerichte und die anderen Einrichtungen der Rechtspflege überwiegend Landesbehörden sind, wird ein „Tag des Rechts" nur im Zusammenwirken mit den Justizministern der Länder durchgeführt werden können. Ich beabsichtige deshalb, diese Frage auf der nächsten Justizministerkonferenz im Herbst dieses Jahres mit meinen Ressortkollegen in den Ländern zu besprechen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2311

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504712600
Keine weiteren Fragen?
Ich rufe die Frage V/7 des Abgeordneten Hamacher auf.
Ist dem Bundesjustizminister die Meldung der Westfälischen Rundschau vom 5. Mai 1966 bekannt, in der berichtet wird, daß nach Angabe des Leiters des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, Simon Wiesenthal, noch 15 durch nationalsozialistische Rechtsprechung belastete Richter auf hohen Posten in der Bundesrepublik Deutschland amtieren?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504712700
Die Meldung der Westfälischen Rundschau vom 5. Mai 1966 ist mir inzwischen bekannt geworden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504712800
Eine Zusatzfrage? — Keine Frage dazu? — Dann kommt die Frage V/8 des Abgeordneten Hamacher.
Ist es richtig, daß den zuständigen deutschen Behörden die in Frage V/7 erwähnten Tatsachen bekannt sind, ohne daß bisher eine Reaktion erfolgt ist?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504712900
In der Zeitungsmeldung wird nur ein Richter aus Paderborn namentlich erwähnt. Sofort nach Bekanntwerden der Erklärungen des Leiters des Jüdischen Dokumentationszentrum, Herrn Simon Wiesenthal, in der niederländischen und deutschen Presse sind über das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft in Den Haag Kopien der Urteile, an denen der Richter mitgewirkt hat, angefordert worden. Die Urteile sind am 2. Juni 1966 im Bundesjustizministerium eingegangen und unverzüglich an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen als oberste Dienstbehörde für den in Frage kommenden Richter weitergeleitet worden. Die Erklärung des Leiters des Jüdischen Dokumentationszentrums ist also nicht ohne Reaktion geblieben.
Nach der genannten Meldung der Westfälischen Rundschau will Herr Wiesenthal die Namen anderer Richter den zuständigen Behörden mitgeteilt haben. Dem Bundesministerium der Justiz ist eine solche Mitteilung nicht zugegangen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504713000
Ich muß zu Frage V/7 hinzufügen, daß ich vorhin etwas verblüfft war und deshalb in der weiteren Abhandlung der Geschäfte gestutzt habe, weil die Antwort des Bundesjustizministers von einer so einmaligen Kürze war, wie sie bei den Fragestunden normalerweise nicht üblich ist.

(Heiterkeit.)

Ich rufe jetzt die Frage V/9 des Abgeordneten Hamacher auf.
Ist der Bundesjustizminister bereit, die in Frage V/7 erwähnte Angelegenheit zu verfolgen mit dem Ziel, dem Willen dieses Hohen Hauses, wie er in § 116 des Deutschen Richtergesetzes seinen Niederschlag gefunden hat, Geltung zu verschaffen?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504713100
Der in der Antwort auf die erste Frage erwähnte Richter aus Paderborn steht im Landesdienst. Deshalb liegt die Bearbeitung der Angelegenheit bei dem Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Jedoch halte ich in dieser Sache, wie schon in früheren
Fällen, Kontakt mit den Landesjustizverwaltungen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504713200
Eine Zusatzfrage, Herr Minister!

Heinrich Hamacher (SPD):
Rede ID: ID0504713300
Sie verweisen auf den Minister des Landes Nordrhein-Westfalen. Darf ich von Ihnen erwarten, daß Sie die Angelegenheit trotzdem verfolgen, um mir darauf eine Antwort geben zu können, wie die Angelegenheit erledigt werden soll oder wird?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504713400
An sich wäre der direkte Weg eine Anfrage im Landtag von Nordrhein-Westfalen an den dortigen Justizminister. Aber ich werde Ihnen gern den Gefallen tun und Ihnen über das Ergebnis berichten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504713500
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
Ich rufe die Frage VII/1 des Abgeordneten Dr. Stark auf:
Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, für die Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig einen aus den USA importierten Computer eines deutschen Anbieters anzukaufen, obwohl ein Angebot eines anderen Anbieters vorliegt, das um rund 300 000 DM billiger und nach der Auffassung von Fachleuten auch technisch und leistungsmäßig besser, zumindest aber gleichwertig ist?
Das Wort zur Beantwortung hat der Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504713600
Ein Gutachtergremium hat festgestellt, daß die elektronischen Datenverarbeitungsanlagen beider Anbieter technisch gleichwertig waren. Die Entscheidung für eines der beiden Angebote wurde aus wirtschaftspolitischen Gründen getroffen: Die Bundesregierung möchte durch den Kauf dieser wettbewerbsfähigen Anlage die Forschung und Entwicklung im Bereich der Datenverarbeitungsindustrie bei einschlägigen Unternehmen in der Bundesrepublik fördern, weil sie der Meinung ist, daß diese Industrie eine Schlüsselstellung für das Wachstum unserer Volkswrtschaft einnimmt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504713700
Herr Abgeordneter Dr. Stark.

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0504713800
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß von den drei unabhängigen Behördensachverständigen zwei IBM-Anlagen haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504713900
Die Sachverständigen, die zu der Beratung hinzugezogen worden sind, waren in ihrer Mehrheit für die Entscheidung der Bundesregierung. Wer von den Sachverständigen sich in welchem Sinne geäußert hat, sollte hier nicht bekanntgegeben werden.
2312 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504714000
Haben Sie noch eine Frage? —(Dr. Stark: Nein.)

Dann rufe ich die Frage VII/2 des Abgeordneten Dr. Stark auf.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Physikalisch-Technische Bundesanstalt. Braunschweig für den gleichen Preis, wie er für den in Frage VII/1 vorgesehenen Computer genannt wird, einen Computer des in Frage VII/1 erwähnten zweiten Anbieters mit der doppelten Speicherkapazität ankaufen könnte?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504714100
Es trifft zu, daß die Konkurrenzfirma ihr ursprünglich als verbindlich und unabänderlich erklärtes Angebot dann wesentlich verbessert hat, als die Wahl zugunsten einer anderen Firma getroffen worden war.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504714200
Keine weiteren Fragen.
Dann rufe ich die Frage VII/3 des Abgeordneten Dr. Stark auf:
Hat die Bundesregierung die Absicht, auch in Zukunft im Bereich der öffentlichen Verwaltung Datenverarbeitungsanlagen deutscher Herkunft gegenüber solchen ausländischer Anbieter, die seit Jahrzehnten in Deutschland ansässig sind und Tausende deutscher Arbeitnehmer in der Entwicklung, Produktion und im Vertrieb beschäftigen, vorzuziehen, auch wenn die ausländischen Angebote preislich und leistungsmäßig günstiger sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504714300
Die Bundesregierung wird die Grundsätze, die ich hier vorgetragen habe, in vergleichbaren Fällen auch in Zukunft anwenden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504714400
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Stark.

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0504714500
Herr Staatssekretär, sind Sie, wenn man mit Ihnen der Meinung ist, daß die deutsche Datenverarbeitungsindustrie gefördert werden soll, mit mir der Meinung, daß es wohl nicht der richtige Weg war, der hier eingeschlagen worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504714600
Der Ankauf von elektronischen Datenverarbeitungsmaschinen ist eines der Mittel, mit denen die deutsche Regierung die einschlägige Industrie unterstützen möchte. Diese Methode hat im übrigen in einem weitaus größeren Maße ihre Parallele in den Heimatländern der übrigen Anbieter in Deutschland.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504714700
haben Sie noch eine Frage? - Bitte!

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0504714800
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß im Bereich der Datenverarbeitungsindustrie von einer rein deutschen Entwicklung überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann, sondern die Dinge weitgehend verflochten sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504714900
Es sollte unter allen Umständen der Eindruck vermieden werden, als stünde die Bundesregierung vor der Frage, ihre deutsche Industrie zu fördern oder die ausländischen Anbieter ,auf unserem Markt zu benachteiligen. Was die Bundesregierung will, ist, daß wir für unsere Industrie den Anschluß erreichen durch intensive Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Industrien im Ausland und bei uns.

(Wortmeldung des Abg. Dr. Stark.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504715000
Sie sind jetzt am Ende Ihres Kontingents. Wenn Sie Ihre Fragen zu Antworten nicht ausnützen, dann heißt das nicht, daß wir alle Fragen kumulieren können. So geht es nicht.
Bitte, Herr Abgeordneter Franke!

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0504715100
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, wieviele Anlagen bei Bundesbehörden inzwischen installiert sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504715200
Es werden insgesamt 34 Anlagen für die Bundesbehörden eingesetzt werden. Davon werden wenn Sie das fragen wollen — 28 Anlagen nicht deutschen Ursprungs sein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504715300
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Franke.

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0504715400
Herr Staatssekretär, wieviel Lieferanten werden sich in diese 34 Anlagen teilen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504715500
28 Anlagen werden von einer nichtdeutschen Firma geliefert werden.

(Abg. Franke [Osnabrück]: Herr Staatssekretär — )


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504715600
Nein, es tut mir leid, Sie können nur zwei Zusatzfragen stellen.
Herr Abgeordneter Dröscher.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0504715700
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung angesichts der im Ausland eingetretenen Entwicklung — ich denke z. B. an Frankreich — überhaupt für möglich, eine so bedeutende Industrie durch solche gezielten, aber doch relativ bescheidenen Hilfen auf nationaler Basis konkurrenzfähig zu machen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504715800
Die Bundesregieung hält das für möglich.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504715900
Herr Abgeordneter Petersen zu einer Zusatzfrage.
Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2313

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0504716000
Herr Staatssekretär, sind nicht auch Sie der Meinung, daß es sinnvoller wäre, gezielte Forschungsaufträge zu vergeben, um auf Spezialgebieten eine Entwicklung zu forcieren, statt zu versuchen, auf breiter Basis einen Anschluß zu finden, der für uns im internationalen Bereich heute gar nicht mehr drin ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504716100
Ich sagte vorhin, die Bundesregierung wird beides tun.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504716200
Herr Abgeordneter Geiger.

Hans Geiger (SPD):
Rede ID: ID0504716300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der angekaufte Computer in Amerika hergestellt worden ist, während sich das Angebot auf eine deutsche Herstellung bezieht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504716400
Der Computer ist zu einem Teil in Amerika und zu einem kleineren Teil in Deutschland hergestellt worden. Wir erwarten, daß sich das Verhältnis zwischen diesen beiden Anteilen zugun sten der deutschen Hersteller verschieben wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504716500
Herr Abgeordneter Geiger.

Hans Geiger (SPD):
Rede ID: ID0504716600
Ist Ihnen darüber hinaus bekannt, Herr Staatssekretär, daß im Anbieterwerk Tausende von deutschen Arbeitnehmern beschäftigt sind und darüber hinaus ein großes Forschungslaboratorium unterhalten wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504716700
Wie ich vorhin sagte, möchte die Bundesregierung unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, daß sie durch die Unterstützung deutscher Firmen in irgendeiner Weise zum Ausdruck bringen wolle, daß die Aktivität ausländischer Gesellschaften in diesem Fall weniger willkommen ist. Sie ist der festen Überzeugung, daß sich eine gute Zusammenarbeit mit diesen Firmen bewerkstelligen läßt; das will sie fördern.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504716800
Herr Abgeordneter Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0504716900
Herr Staatssekretär, im Rahmen dieser Fragestunde haben Sie in einer Antwort gesagt, daß es vornehmlich wirtschaftspolitische Gründe waren, die für die Entscheidung der Bundesregierung maßgeblich waren, während Sie jetzt schon zweimal vorgetragen haben, daß keineswegs ,dieser Eindruck entstehen solle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504717000
Herr Abgeordneter Klepsch, Sie sollen nicht kommentieren, sondern fragen.
Dr. Klepsch (CDU/CSU) Ich frage ja.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504717100
Nein, das war keine Frage, es war ein Kommentar.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0504717200
Herr Staatssekretär, ich wollte fragen, welche Ihrer beiden Auskünfte verbindlich ist.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504717300
Ich sehe keinen Unterschied in den beiden Feststellungen. Die erste Feststellung war: Das volkswirtschaftliche Wachstum unseres Landes wird davon abhängen, daß auch die deutsche Industrie bei der Entwicklung und Produktion elektronischer Datenverarbeitungsanlagen mitwirkt. Die zweite Feststellung war: Die Anstrengungen der deutschen Regierung in dieser Richtung sind unter keinen Umständen als eine Benachteiligung oder auch nur als eine Stellungnahme zu der Aktivität ausländischer Firmen auf dem gleichen deutschen Markt zu verstehen. Das ist kein Unterschied.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504717400
Herr Abgeordneter Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0504717500
Herr Staatssekretär, darf ich dann fragen, wieso die Bundesregierung das wesentlich preisgünstigere Angebot nicht angenommen hat.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504717600
Erstens, weil sie in den Heimatländern der hier tätigen ausländischen Industrie ein Verfahren sieht, das sich offensichtlich bewährt, und weil sie meint, daß es niemand mißverstehen könnte, wenn wir uns in einer ähnlichen Richtung bewegen. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die Zahlen darüber zugänglich machen, wie die amerikanische Regierung jene in Deutschland tätigen amerikanischen Firmen durch die Vergabe öffentlicher Aufträge unterstützt. Zweitens, weil wir es in diesem Anfangsstadium für aussichtsreich halten, daß wir diese Industrie auch durch den Ankauf solcher Anlagen für Bundesdienststellen unterstützen. Das ist eine der Methoden, mit denen wir diese Politik betreiben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504717700
Herr Abgeordneter Dröscher.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0504717800
Herr Staatssekretär, wenn das die Kriterien in Ihrer Entscheidung sind, müßten Sie dann nicht auch verfügen, daß Bundesstellen keine Opel- und keine Ford-Automobile kaufen dürfen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504717900
Wir haben nicht den Eindruck, daß diese beiden Fälle vergleichbar sind.

(Abg. Dröscher: Genau dasselbe wie bei IBM!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504718000
Herr Abgeordneter Mertes.
2314 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0504718100
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Entscheidung des Bundeswirtschaftsministeriums gefallen ist, obwohl die leitenden Herren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig sich für das andere System eingesetzt hatten, auch aus dem Grunde, um bessere Korrespondenzmöglichkeiten zu haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504718200
Das Ergebnis einer Unterhaltung, die wir natürlich mit der Leitung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt geführt haben, war, daß diese ihre Bedürfnisse auch mit der deutschen Anlage befriedigen kann, für den Fall, daß der deutsche Anbieter seine Zusagen halten kann.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504718300
Herr Abgeordneter Mertes.

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0504718400
Herr Staatssekretär, ist Ihre Formulierung, Sie möchten künftig einen Eindruck vermeiden, so zu verstehen, daß Sie auch von Ihrem Ministerium aus alles unterlassen, was dazu beitragen könnte, daß derartige Eindrücke entstehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504718500
Ich habe gesagt, daß die Bundesregierung die Grundsätze, die ich hier dargelegt habe, für gut hält und daß sie sie in der Zukunft in der gleichen Weise anwenden wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504718600
Keine weiteren Fragen. —Ich rufe die Frage VII/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller (Manchen) auf:
Welche Auswirkungen auf die deutsche Energiepolitik hat die Tatsache, daß nach Pressemeldungen in den USA mit Unterstützung der USA-Regierung ein neues Verfahren zur Gewinnung von Kraftstoff aus Kohle zu angeblich billigeren Gestehungskosten als aus Erdöl entwickelt wurde?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504718700
In den Vereinigten Staaten wird mit Unterstützung der USA-Regierung ein neues Verfahren zur Herstellung von Kraftstoff aus Kohle entwickelt. Die Kosten sollen bei diesem Verfahren ungefähr halb so hoch sein, wie sie bei den bisher in Deutschland bekannten Verfahren der Kohleverflüssigung waren. Die Versuchsanlage soll über mehrere Jahre betrieben werden. Die wirtschaftliche Bedeutung des neu entwickelten Prozesses wird sich nach dieser Erprobungszeit feststellen lassen. Für die deutsche Energiepolitik wird diese Anlage vorerst so lange keine Bedeutung haben, als die Kostenunterschiede zwischen der darin eingesetzten amerikanischen Kohle und der deutschen Kohle so groß sind, wie sie heute sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504718800
Eine Zusatzfrage.

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0504718900
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Kosten für dieses Verfahren nicht nur niedriger sind als bei den bisher bekannten Verfahren der Kohleverflüssigung, sondern niedriger als die Verarbeitung von Rohöl in Kraftstoff?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504719000
Nein, das ist mir nicht bekannt. Ich halte das auch nicht für zutreffend.

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0504719100
Würden Sie bereit sein, sich die entsprechenden Berichte des amerikanischen Innenministeriums zu einer Prüfung der Kostenfrage — aus diesen Berichten habe ich es — kommen zu lassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504719200
Der Kontakt mit dem amerikanischen Innenministerium ist nach dem Besuch des amerikanischen Innenministers gerade in dieser Sache besonders eng. Wir sind natürlich für jeden Hinweis dankbar, den wir zusätzlich haben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504719300
Ich rufe die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller auf.
Gibt es, ähnlich wie in den USA, auch in der Bundesrepublik Deutschland das Bestreben von. Mineralölkonzernen, Kohlengruben aufzukaufen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504719400
Der Bundesregierung sind keine Bestrebungen bekannt, daß Mineralölkonzerne versuchen, in der Bundesrepublik Kohlengruben zu kaufen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504719500
Keine weiteren Fragen. —
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die erste Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke auf:
Welches Ergebnis hat die in der Fragestunde vom 29. November 1965 (Drucksache V/38 — Frage VIII/21) angekündigte Umfrage bei den Ländern über das Ausmaß „sogenannter moderner" Mastmethoden bei Hühnern, Kälbern und Schweinen erbracht?
Herr Minister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504719600
Ich bitte, mir zu gestatten, die beiden Fragen, die in einem Sachzusammenhang stehen, zusammen beantworten zu dürfen.
Vizepräsiden Schoettle: Sind Sie einverstanden?

(Abg. Dr. Meinecke: Einverstanden!)

Dann rufe ich noch die Frage VIII/2 des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke auf:
Liegen bereits — wie in der Fragestunde vom 29. November 1965 angekündigt — gutachterliche Stellungnahmen seitens des vom Veterinärmedizinischen Fakultätentag beauftragten Gutachtergremiums über die Frage der Vereinbarkeit der „sogenannten modernen" Mastmethoden mit dem Tierschutzgesetz vor?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504719700
Die Umfrage bei den Bundesländern, in welchem Umfange Mast in Intensivhaltungsbetrieben festgestellt worden ist und ob in diesem Zusammenhang bereits Ermittlungs- oder Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Tier-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2315
Bundesminister Höcherl
schutzgesetz durchgeführt worden sind, hat ergehen, daß nur die Mast von Kälbern in sogenannten Mastboxen in einigen Bundesländern eine gewisse Rolle spielt. In einzelnen Fällen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, über deren Ausgang Mitteilungen bisher jedoch nicht vorliegen.
Das vom Deutschen Veterinärmedizinischen Fakultätentag angeforderte Gutachten ist bisher nicht eingegangen. Erneute Rückfragen beim Fakultätentag haben ergeben, daß die Vorarbeiten offenbar größere Zeit in Anspruch nehmen. Am 20. Mai ist die letzte Mahnung auf Erstattung des Gutachtens hinausgegangen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504719800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0504719900
Herr Bundesminister, halten Sie generell eine Überarbeitung des Tierschutzgesetzes für erforderlich, oder sind Sie der Auffassung, daß diese Fragen den Beratungen des neuen Strafgesetzbuches überlassen bleiben sollten?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504720000
Wir haben ein ausgezeichnetes Tierschutzgesetz, das nur richtig angewandt werden muß.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504720100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0504720200
Herr Bundesminister, in Anbetracht der Tatsache, daß es auch auf anderen Rechtsgebieten mehrere Tierschutzbestimmungen und Rechtsvorschriften über die Tierhaltung gibt, stelle ich an Sie die Frage, ob nicht der Veterinärmedizinische Fakultätentag, der jetzt sowieso mit dieser Problematik beschäftigt ist, gebeten werden sollte, zu prüfen, ob es möglich ist, gewisse verbindliche Richtlinien, und zwar tierhygienisch, tierpsychologisch und ernährungsphysiologisch fundiert, über moderne intensive Mastmethoden zu erarbeiten und diese Richtlinien allgemein verbindlich zu veröffentlichen.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504720300
Herr Kollege, das ist der Sinn des Gutachtens, das wir angefordert haben. Läuft dieses Gutachten ein, so werden wir es allen beteiligten Stellen, auch dem Bundestag, zugänglich machen, um vor allem auch bei der Rechtsprechung Richtlinien für eine angemessene moderne Beurteilung vorzulegen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504720400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Büttner.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0504720500
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie erklärten, daß wir ein sehr gutes Tierschutzgesetz haben? Was halten Sie dann von dem einstimmig gefaßten Bundestagsbeschluß, demzufolge ein neues Tierschutzgesetz bis zum 1. 1. 1967 vorgelegt werden soll? Ist an diesem
Gesetzentwurf überhaupt schon gearbeitet worden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504720600
Diese beiden Dinge müssen sich nicht widersprechen. Wir können durchaus ein gutes Tierschutzgesetz haben, können aber trotzdem dafür sorgen, ein besseres zu bekommen.

(Heiterkeit.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504720700
Noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Büttner.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0504720800
Herr Minister, nach dieser Antwort darf ich eine weitere Frage wegen des von Ihnen angeforderten Gutachtens an Sie richten; dieses Gutachten steht ja in Zusammenhang mit Tierquälereien usw. Sie sagen, es seien weitere und längere Vorbereitungen erforderlich. Ist es möglich, daß an diesem Gutachten noch nicht so intensiv gearbeitet worden ist, weil möglicherweise ein Vorschuß auf die Honorare noch nicht entrichtet worden ist?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504720900
Ich habe eine bessere Meinung von den Professoren.

(Heiterkeit.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504721000
Herr Abgeordneter Rollmann, wollen Sie noch eine Frage stellen?

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0504721100
Herr Minister, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um der wachsenden Beunruhigung der Öffentlichkeit über Methoden der modernen Intensivhaltung entgegenzuwirken?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504721200
Auf diese Globalfrage muß ich erwidern, daß Abgeordnete der drei Fraktionen eine Intensivhaltung besichtigt und durchaus nicht den schlechten Eindruck bekommen haben, den Sie hier mitteilen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504721300
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0504721400
Herr Minister, ich glaube, das ist auch von Ihrer Seite aus etwas global geantwortet. Ich möchte Sie fragen, ob Sie nicht darüber informiert sind, in welcher Weise heute insbesondere teilweise die Kälbermast in diesen modernen Betrieben der Intensivhaltung erfolgt.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504721500
Herr Kollege, was die Kälbermast betrifft, so muß ich sagen, daß ich hinsichtlich der Mastboxen bereits eine Antwort erteilt habe. Zuständig sind die Länder und die Gerichte. Das ist keine Sache des Bundes.
2316 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode - 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504721600
Keine weitere Frage mehr.
Frage VIII/3 des Abgeordneten Wächter:
Ist die Bundesregierung bereit, den schon vor längerer Zeit angekündigten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Dasselfliege in absehbarer Zeit dem Parlament zuzuleiten?
Bitte, Herr Minister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504721700
Ich darf auf die Frage erwidern, daß der Gesetzentwurf fertig ist und dem Justizministerium zur Rechtsprüfung vorliegt. Er wird dann den üblichen Weg gehen können.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504721800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wächter.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0504721900
Ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, daß alle Rinder in der Bundesrepublik nach einheitlichen Gesichtspunkten, allerdings zu verschiedenen Terminen entsprechend den Erfordernissen der einzelnen Länder, gegen Dassellarven behandelt werden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504722000
Ja.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504722100
Keine weitere Frage.
Frage VIII/4 des Herrn Abgeordneten Fellermaier:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die deutsche Landwirtschaft gegebenenfalls rechtzeitig und ausreichend gegen das Eindringen des asiatischen Typs der Maul- und Klauenseuche zu schützen, die von der Sowjetunion aus bereits bis an die rumänische Grenze vorgedrungen ist?
Bitte, Herr Minister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504722200
Zum Schutze gegen die Einschleppung von Tierseuchenerregern, u. a. auch des Erregers der Maul- und Klauenseuche Typ A — das ist ein sehr gefährlicher Typus —, bedarf die Einfuhr und die Durchfuhr von Klauentieren, Teilen, Erzeugnissen und Rohstoffen von Klauentieren, von tierischem Dünger sowie Rauhfutter und Stroh aus allen osteuropäischen Staaten nach den Vorschriften der Verordnung über die Einfuhr und Durchfuhr von Klauentieren, Teilen usw. usw. vom 3. August 1965 der veterinärpolizeilichen Genehmigung. Diese Genehmigung wird nur erteilt, wenn eine Einschleppung von Tierseuchen nicht zu befürchten ist.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung in Übereinstimmung mit den vom Internationalen Tierseuchenamt in Paris empfohlenen Maßnahmen alle Vorkehrungen getroffen, um im Falle einer akuten Gefahr schärfste veterinärpolizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung dieser exotischen MKS durchzuführen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504722300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fellermaier.

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0504722400
Herr Minister, würden Sie bereit sein, zu präzisieren, was Sie unter „genauen Vorkehrungen" verstehen, nachdem wir feststellen mußten, daß beim letzten Seuchenzug doch immerhin die Koordinierung und Abstimmung zwischen dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den beteiligten Landesveterinärverwaltungen — vorsichtig formuliert — etwas mangelhaft waren?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504722500
Soweit hier eine Verantwortung des Bundesernährungsministeriums behauptet wird, kann ich dem nicht zustimmen. Die Zuständigkeit liegt allein bei den Ländern. Aber um ein Übriges zu tun, hat die Bundesregierung nicht nur diese veterinärpolizeilichen Bestimmungen gegen eine besonders gefährliche Art von MKS erlassen, wir haben vielmehr auch finanziell Vorbereitungen getroffen, um den Impfstoff, der bei uns nicht hergestellt wird, anzukaufen, und zwar im Gegenwert von 3 Millionen DM. Ich bin überzeugt, daß das Hohe Haus diese Ausgabe genehmigen wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504722600
Herr Abgeordneter Fellermaier.

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0504722700
Herr Minister, darf ich das so verstehen, daß wir im Falle des Eindringens der asiatischen Seuche — trotz aller Vorkehrungen und Maßnahmen, die Ihr Haus getroffen hat — diesen Impfstoff, der für diesen Erreger richtig ist, zur Verfügung haben werden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504722800
Jawohl.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504722900
Frage VIII/5 des Abgeordneten Rollmann:
Entspricht die fortschreitende Zunahme des Nadelwaldbestandes und die Abnahme der Laubwälder in der Bundesrepublik noch den Erfordernissen unseres Wasserhaushaltes?
Der Abgeordnete Rollmann war vorhin noch im Saal, ist aber jetzt nicht mehr anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Die Fragen VIII/6 und VIII/7 des Abgeordneten Strohmayr sind vom Fragesteller zurückgezogen.
Frage VIII/8 des Herrn Abgeordneten Storm:
Kann die Bundesregierung angeben, in welcher Weise die Frage der Hoheits- und Fischereischutzgewässer in den einzelnen Ostseeanliegerländern geregelt ist?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504723000
Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Herrn Bundesminister für Verkehr beantworte ich die Frage wie folgt.
Offenbar sind mit der Bezeichnung „Fischereischutzgewässer" die Fischereigrenzen bzw. Fischereianschlufizonen gemeint. Nach dem gegenwärtigen Stand beanspruchen die Ostsee-Anlieger folgende Grenzen: Dänemark 3, Schweden 4, Finnland 4, UdSSR 12 Seemeilen, Polen — einschließlich der polnisch verwalteten deutschen Ostgebiete — 3, die sowjetisch besetzte Zone 3 und die Bundesrepublik Deutschland ebenfalls 3 Seemeilen .An die Territorialgewässer anschließende Fischereianschlußzonen werden bisher nicht beansprucht. Lediglich für Zoll- und Sicherheitsmaßnahmen besteht seitens Polens eine Anschlußzone von 6 Seemeilen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2317

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504723100
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Storm.

Friedrich-Karl Storm (CDU):
Rede ID: ID0504723200
Herr Minister, hat die Bundesregierung die Regelungen der Anlieger, die über die Dreimeilenzone hinausreichen, einschließlich der Erklärungen von Zonen zu Fischereischutzgewässern anerkannt und den betreffenden Fischern mitgeteilt?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504723300
Wir können das nicht anerkennen. Es ist eine Rechtslage, die wir bedauern.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504723400
Frage VIII/9 des Abgeordneten Rehs:
In welcher Weise informiert die Bundesregierung die deutschen Hochseefischer über die Hoheits- und Fischereischutzgewässer der Ostseeanliegerländer?
Ist der Abgeordnete Rehs anwesend? — Das ist nicht der Fall; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Frage VIII/10 des Herrn Abgeordneten Kubitza:
Ist die Bundesregierung bereit, Schäden zu ersetzen, die unter Verletzung des Völkerrechts durch Organe fremder Mächte Hochseefischern der Bundesrepublik zugefügt werden, z. B. durch völkerrechtswidrige Eingriffe und Konfiskationen auf hoher See?
Bitte, Herr Minister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0504723500
Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, hier eine eigene Verpflichtung des Bundes zum Ersatz ,derartiger Schäden anzuerkennen. Es stellt sich die Frage, was aus Billigkeitsgründen geschehen könnte. Diese Frage muß nach dem einzelnen Fall beantwortet werden.
Die Bundesregierung ist natürlich bereit, bei Schäden auf Grund völkerrechtswidriger Eingriffe völkerrechtliche Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Die Voraussetzung für die Geltendmachung derartiger Schadenersatzansprüche isst jedoch die Erschöpfung bzw. das Nichtvorhandensein nationaler Rechtsmittel. Insoweit gilt für völkerrechtswidrige Eingriffe ausländischer Staatsorgane gegen deutsche Fischer nichts anderes als in allen anderen Fällen, in denen völkerrechtswidrige Handlungen gegen deutsche Staatsangehörige begangen werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504723600
Keine weiteren Zusatzfragen.
Damit ist die Fragestunde beendet. Die Fragen XI/15 und XVI/4 ,der Abgeordneten Frau Freyh und die Frage XI/16 des Abgeordneten Strohmayr sind zurückgezogen. Die übrigen nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Zusatzpunkte auf, die heute vormittag durch Beschluß des Hauses auf die Tagesordnung gesetzt worden sind:
1. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Neununddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen

(Zollkontingent für gesalzenen Seelachs)

- Drucksachen V/667, V/710 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke
2. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Siebenunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingent für Rindergefrierfleisch)
— Drucksachen V/674, V/707 — Berichterstatter: Abgeordneter Lange
3. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Fünfundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksachen V/665, V/708 — Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber
4. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Dreiunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Angleichungszölle für Dextrine und Stärke)
— Drucksachen V/659, V/709 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
5. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Vierunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Verlängerung der Zollaussetzung für Kartoffeln)
— Drucksachen V/639, V/711 — Berichterstatter: Abgeordneter Junker
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das
Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Ausschußantrag auf Drucksache V/710. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
In den übrigen Fällen hat das Haus nur von den Berichten des Ausschusses Kenntnis zu nehmen. Anträge ,des Ausschusses liegen nicht vor. — Ich stelle fest, daß das Haus von den Berichten des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen auf den Drucksachen V/707, V/708, V/709 und V/711 Kenntnis genommen hat.
Nun kommen wir zur Behandlung der Punkte 5
bis 8 und 10 der Tagesordnung. Zunächst Punkt 5: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Steinkohlenabsatzes in der Elektrizitätswirtschaft
— Drucksache V/679 —
Ich eröffne die erste Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. — Die Aussprache ist geschlossen. Die Vorlage soll überwiesen werden an den
2318 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Vizepräsident Schoettle
Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Das Haus ist mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 6:
Erste Beratung des von ,der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG)

— Drucksache V/673 —
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Das Wort wird im übrigen ebenfalls nicht gewünscht. Die Vorlage soll überwiesen werden an den Verteidigungsausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — gemäß § 96 der Geschäftsordnung, außerdem an den Innenausschuß. — Das Haus ist mit diesen Vorschlägen einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 7:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
— Drucksache V/688 —
Eine Begründung erfolgt nicht. Das Wort wird in der Aussprache ebenfalls nicht begehrt. Die Vorlage soll überwiesen werden an den Innenausschuß — federführend —, an den Verteidigungsausschuß und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Das Haus stimmt diesen Vorschlägen zu; es ist so beschlossen.
Punkt 8:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes

(2. RVÄndG)

— Drucksache V/680 —
Es erfolgt keine Begründung. Das Wort in der Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht. Die Vorlage soll an den Ausschuß für Sozialpolitik allein überwiesen werden. — Das Haus stimmt diesem Vorschlag zu.
Bitte, Herr Abgeordneter Spitzmüller!

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0504723700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte dazu sprechen. Aber mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses gebe ich eine schriftliche Erklärung *) ab.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504723800
Das Haus wird diese Mitteilung begrüßen.
Dann rufe ich Punkt 10 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) zu dem Bericht des
Bundesministers der Justiz betr. Errichtung
1 siehe Anlage 2 eines zentralen Instituts zur Ausbildung und Fortbildung von Strafvollzugsbediensteten
— Drucksachen V/233, V/632 — Berichterstatter: Abgeordneter Busse (Herford)

Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Beschlußfassung über den Antrag des Ausschusses, den Sie auf der Seite 2 der Drucksache V/632 finden. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Nun, meine Damen und Herren, kehren wir nach dem Ergebnis der vormittäglichen Beschlußfassung zu Punkt 4 der Tagesordnung zurück, und zwar sind folgende Anträge aufgerufen:
d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ergänzung des § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
— Drucksache V/396 —
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dichgans, Blank, Wagner, Ruf und Genossen betr. Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
— Drucksache V/509 —
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Mertes und Genossen betr. Änderung und Ergänzung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
— Drucksache V/125 —
Zunächst der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Ergänzung des § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Das Wort dazu hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504723900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgabe dieses Hauses ist es, die verschiedenen politischen Meinungen, die durch die Fraktionen repräsentiert werden, in offener Aussprache vor der Offentlichkeit hier darzulegen. In diesem Sinne ist § 33 unserer Geschäftsordnung abgefaßt. Er geht davon aus, daß der Präsident die Leitungsbefugnis hat.
Der Präsident bestimmt die Reihenfolge der Redner.
So heißt es hier. Und es heißt weiter:
Dabei soll ihn die Sorge für sachgemäße Erledigung und zweckmäßige Gestaltung der Beratung, die Rücksicht auf die verschiedenen Parteirichtungen und auf die Stärke der Fraktionen leiten.
Das ist ein klarer Auftrag an den Präsidenten, ein klarer Auftrag, daß auf die Darstellung der einen Meinung die Darstellung der anderen Meinung kommen soll, so daß in Rede und Gegenrede sich die Probleme klären und daß in der Öffentlichkeit die Standpunkte klar werden. Insoweit besteht in diesem Hause sicher Einigkeit, das auch in der Zukunft so zu gestalten.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2319
Dr. Schäfer
Nun aber hat sich in der Praxis eine Schwierigkeit ergeben, die gar keine eigentliche Schwierigkeit zu sein brauchte, wenn man sich darüber verständigte. Es handelt sich um das Recht der Mitglieder der Bundesregierung, in diesem Hause jederzeit das Wort zu ergreifen. Diese Bestimmung ist richtig, und diese Bestimmung ist notwendig. Denn bei der Beratung des Parlaments ist es erforderlich, daß das zweite Verfassungsorgan, die Bundesregierung, hier anwesend ist und daß sie zu jedem Diskussionsbeitrag sofort ihre Meinung sagen kann.
Indem ich dies unterstreiche, daß die Regierung die Möglichkeit haben muß, sofort ihre Meinung zu sagen, komme ich aber auch zu der Feststellung, daß es im gleichen Maße zur Förderung der Aussprache erforderlich ist, daß auf entsprechende Darlegungen der Minister sie selbst, die Minister, und das Haus ein Interesse daran haben müssen, daß nun die Opposition ihrerseits sich zu Wort meldet und ihre Meinung dazu sagt.
Gerade in den letzten Monaten hat sich hier im Hause eine sehr unangenehme Praxis entwickelt. Ich darf den Herrn Abgeordneten Vizepräsident Schoettle zitieren. Am 3. März 1966 hat er bei der Haushaltsberatung hier folgendes gesagt:
Wir scheinen bei den Haushaltsberatungen einen neuen Stil zu entwickeln; wenigstens scheint es mir so, wenn ich einen Vergleich mit früheren Gepflogenheiten ziehe. Betrachten Sie diese Bemerkung bitte nicht als einen Ausfluß persönlichen Gekränktseins. Immerhin ist es eine Neuerung gegenüber früher, daß, nachdem der Bundesfinanzminister einen langen Teil der Beratung mit der Begründung seines Haushalts in Anspruch genommen hat, dann auch der Herr Bundeskanzler in die Arena reitet und dann die stärkste Regierungsfraktion noch die Spitze der Diskussion nimmt. Das erweckt doch stark den Eindruck, als ob man das Wort der Opposition möglichst weit in den Hintergrund drängen oder gar durch die Wucht eines massiven Aufmarsches überdecken wollte.
Und Herr Abgeordneter Schmidt (Hamburg) hatte Grund, am 17. Mai hier folgendes zu sagen:
Erlauben Sie mir zunächst einen Hinweis auf den verfahrensmäßigen Ablauf der heutigen Debatte. Nachdem zum Einzelplan 4 und 5 zunächst für die Sozialdemokraten Herr Erler gesprochen hat, haben inzwischen der Bundeskanzler, der Finanzminister, ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, ein Sprecher der FDP-Fraktion, der Minister für gesamtdeutsche Fragen — insgesamt fünf Sprecher für die Koalition —gesprochen, also ein Sozialdemokrat und fünf Sprecher für die Koalition. Es ist dies ein Bild, wie es sich bei mehreren Debatten der letzten Zeit schon ergeben hat.
Meine Damen und Herren, hier ist also eine Situation gegeben, bei der man den Eindruck hat, daß nicht ganz zufällig vier, fünf Redner nacheinander sprechen. Wir haben einen Fall gehabt, daß in einer zehnstündigen Debatte — in einer zehnstündigen Debatte, meine Damen und Herren! — die SPD 13/4 Stunden hatte. Dabei macht die SPD hier in diesem Hause mehr als 40 % der Abgeordneten aus. Es kann nicht im Interesse einer echten sachgerechten Erörterung liegen, wenn die Regierungsparteien und die Mitglieder der Bundesregierung im Sinne des Monologs mit verschiedenen Worten im Endergebnis dasselbe sagen. Man macht damit nicht nur die Sacherörterung unmöglich, sondern man fördert die Eintönigkeit hier in diesem Hause. Man nimmt für sich im Endergebnis etwas in Anspruch, was einem nicht zusteht.
Lassen Sie mich das einmal zu Ende denken. Nehmen wir an, es würden sich sechs, sieben oder zehn Minister laufend zu Wort melden.

(Abg. Rasner: Das ist ja Unsinn!)

— Am „Unsinn" erkennt man sofort, was man daraus ziehen muß.

(Abg. Rasner: Unsinn!)

— Genau, Herr Rasner. Wie ich Ihrem Zuruf „Unsinn" entnehmen darf, stimmen Sie zweifellos mit mir darin überein, daß das ein Mißbrauch eines verfassungsmäßig verbrieften Rechtes wäre.

(Abg. Rasner: Ja!)

— Ja, das wäre zweifellos ein Mißbrauch.
Ich sagte: Es muß die Möglichkeit bestehen. Aber Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, müssen ja und der Minister muß ja ein Interesse daran haben, daß nach seinen Ausführungen Sie nun auch erfahren, was die Opposition dazu zu sagen hat. Wenn man so für die Zukunft verfährt, eventuell sogar geplant so verfährt, wenn die Opposition durch solche Verfahrensmanipulationen gehindert würde, hier ihre Meinung zu sagen — —

(Abg. Rasner: Ist doch Unsinn, Herr Schäfer!)

— Das wäre ein Unsinn, meinen Sie; so verstehe ich Sie.

(Abg. Rasner: Das gibt es doch gar nicht!)

- Ja, Sie sagen: „Das gibt es nicht"; aber, Herr
Rasner, ich habe gerade Sie im Verdacht, daß Sie persönlich kräftig daran mitwirken.

(Abg. Rasner: Nein, nein! — Weiterer Zuruf von der Mitte.)

— Gerade Sie habe ich im Verdacht. Ich sage es so offen; denn ich kämpfe ja darum, daß wir immer offen unsere Meinung sagen dürfen, und Sie haben hoffentlich ein Interesse daran, wie ich dem Zuruf entnehmen darf.
Herr Rasner, dann würden Sie uns zwingen, an anderer Stelle, in Pressekonferenzen, unsere Meinung zu sagen und die Diskussion aus diesem Hause hinaus zu verlegen.

(Abg. Rasner: Das will ja keiner, Herr Schäfer!)

— Das wäre ganz schlimm.

(Abg. Rasner: Sie bauen einen Türken, Herr Schäfer!)

2320 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Dr. Schäfer
— Nachdem Sie sagen: „Das will ja keiner", müßte man sich eigentlich darüber einig sein, daß unser Antrag etwas Selbstverständliches beinhaltet. Bei der Gestaltung der aktuellen Stunde hat es sich gezeigt, daß man mit der Bundesregierung sehr wohl zu einem vernünftigen Agreement kommen kann, daß man also Absprachen treffen kann, damit sich hier nicht mehrere melden. Und nun kommt es auf Sie an, Herr Rasner. Jetzt kommt es auf den Geschäftsführer und auf die Leitung Ihrer Fraktion an, nämlich darauf, ob Sie dann glauben, hartnäckig darauf bestehen zu müssen, das Recht als größte Fraktion in Anspruch zu nehmen und direkt nach Ihrem Minister hier zu Wort zu kommen. Genau das tun Sie. Deshalb sind Sie derjenige, den ich hier unmittelbar anspreche. Genau Sie kämpfen nämlich an der falschen Stelle um das Recht der größten Fraktion. Sie machen die Diskussion langweilig, weil Sie wiederholen, was schon gesagt worden ist, und die Opposition an der Darstellung ihrer Gesichtspunkte hindern.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Zum erstenmal wird hier in der Geschäftsordnung das Wort „Opposition" genannt. Wir meinen, daß man das tun soll. Wir drücken uns immer. Früher hat man sogar Hemmungen gehabt, die Parteien in einer Verfassung zu nennen. Heute hat man diese Hemmungen erfreulicherweise nicht mehr. Es gibt nun eine Opposition in diesem Hause. Sie ist eine selbstverständliche Kraft mit einem legalen selbstverständlichen Auftrag. Ist aber das der Fall, dann soll man sie auch als solche benennen, wie das in vielen Ländern üblich ist. Wir meinen nicht nur, daß die Opposition selbstverständlich einem Minister antworten soll. Vielmehr soll die oppositionelle oder abweichende Meinung zu Wort kommen.
Lassen Sie mich nur an einem Beispiel kurz aufzeigen, wie selbstverständlich es ist, daß man so verfährt. Die Rundfunkanstalten — Sie kennen die Abmachungen, Herr Rasner — haben sich 1962 über ein Verfahren für den Fall geeinigt, daß ein Minister oder der Kanzler im Rundfunk oder im Fernsehen eine Erklärung abgeben will. Man ist sich einig, daß dann am nächsten oder übernächsten Tag entsprechende Sendezeit für die Parteien — für alle — zur Verfügung stehen soll. Aber dann kommt der entscheidende Satz von der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten:
Der Diskussionsleiter wird das Wort zunächst — d. h. als erstem —
dem Vertreter des kontroversen Standpunktes zu einer kurzen zusammenfassenden Darstellung geben.
Das ist ein Normalverfahren: daß auf die Darstellung eines Ministers zunächst diejenigen, die anderer Meinung sind, das Wort bekommen, um ihren Standpunkt zu sagen. Sache der den Minister tragenden Partei ist es dann, weitere Argumente hinzuzufügen, um die Aussprache darüber zu beleben.
Innerhalb dieses Hauses muß die volle Chancengleichheit in der Aussprachemöglichkeit bestehen. Bei dieser Aussprache stehen die Opposition einerseits, die Regierungspartei und die Regierung andererseits. In Einzelfällen mögen Unterschiede bestehen; denen wollten wir Rechnung tragen mit der Formulierung „davon abweichende Auffassungen". Aber grundsätzlich müssen wir dem Präsidenten die Möglichkeit einräumen — ihn nicht zwingen —, unter diesen Gesichtspunkten das Wort zu erteilen und dabei auch einem Bundesminister mal gelegentlich sagen zu können: Herr Minister, ich als Präsident halte es jetzt für nützlicher, daß ein Vertreter der Opposition spricht. Wenn der Minister dann hartnäckig auf seinem Recht nach Art. 43 besteht, kann ihn niemand daran hindern. Ich möchte aber annehmen, daß auch die Mitglieder der Bundesregierung ein Interesse an einer Aussprache haben, die auf diese Weise geführt wird.
Ich habe versucht, Ihnen in aller Kürze die Gründe unseres Antrages darzustellen. Ich hoffe, daß er einem allgemeinen Anliegen Ausdruck gibt.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504724000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0504724100
Ohne „Dr.", Herr Präsident!

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504724200
Ich bin den Tatsachen höchstens vorausgeeilt.

(Heiterkeit.)


Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0504724300
Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer, lassen Sie mich zunächst einmal so sagen: Ich verstehe, wenn Sie so wollen, aus menschlichen Gründen Ihren Antrag; nach 17 Jahren Opposition kommt man auf solche Überlegungen,

(Unruhe und Zurufe von der SPD)

auch wenn sie staatsrechtlich ganz unhaltbar sind.
Aber ehe ich zur Sache komme, noch zwei Bemerkungen vorweg. Herr Kollege Schäfer — damit das ganz klar ist —: auch unsere Fraktion ist gegen jedes Filibustern von der Regierungsbank her. Das wollen auch wir unter keinen Umständen. Auch wir halten es nicht für gut, wenn man — —

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sie nehmen es aber in Kauf! — Weitere Zurufe links.)

Auch wir halten es nicht für gut, wenn zwei oder drei Minister hintereinander von ihrem von der Verfassung verbrieften Recht Gebrauch machen. Das fördert nicht die Diskussion. Wenn ich ganz deutlich sage, daß ich dieser Meinung bin und in diesem Punkt mit Ihnen übereinstimme, weiß ich gar nicht, warum ich jetzt Kritik verdiene. Ich sage ganz deutlich: auch wir wünschen unter keinen Umständen ein Filibustern von der Regierungsbank her.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Wo ist die Regierungsbank? Das müssen Sie in der Fraktionssitzung auch noch sagen!)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2321
Rasner
— Ich werde dafür sorgen, daß die Herren das lesen.

(Abg. Wehner: Das haben Sie nicht gemacht!)

— Haben wir eingeführt! Nein, nein, haben wir eingeführt, Herr Kollege Wehner. Als die SPD die absolute Mehrheit bei uns im Lande hatte, hat sie
— da waren wir in der Opposition — diese Geschichte noch nicht eingeführt; da müssen Sie mal ein bissel in die schleswig-holsteinische Landtagsgeschichte hineingucken. Also, Herr Kollege Schäfer, in den Verdacht, nicht zu wissen, was die Rolle der Opposition bedeutet, kann ich nicht kommen und können wir alle nicht kommen.
Aber nun zu Ihrem kardinalen Irrtum. Sie gehen davon aus, daß das Pendant zum „Verfassungsorgan Regierung" — so haben Sie es soeben selbst bezeichnet — hier im Hause die Opposition sei. Davon gehen Sie aus; und das ist ein schlichter und einfacher Irrtum.

(Abg. Dr. Schäfer meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Das Pendant zur Regierung — ich bringe den Satz zu Ende, dann kommen Sie dran! — ist das Haus ,als Ganzes und nicht die Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504724400
Herr Kollege Rasner, ist Ihnen entgangen, daß ich unterschieden habe zwischen Verfassungsorgan — da sind sie getrennt — und ,der Erörterung und Auseinandersetzung in diesem Hause bis zum Punkt der Beschlußfassung? In ,dieser Erörterung, der öffentlichen Auseinandersetzung, haben wir Parlamentsmehrheit und Regierung einerseits und Opposition andererseits. Im Zustand der Erörterung, der politischen Auseinandersetzung, haben wir eine Zweiteilung.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0504724500
Ich komme auf das zurück, was ich soeben gesagt habe. Herr Kollege Schäfer, Sie diskreditieren nämlich durch das, was Sie behaupten, die Mehrheit in diesem Hause. Wissen Sie, was Sie mit Ihrer Forderung im Grunde behaupten? Sie behaupten, die Regierungsfraktionen seien weiter nichts als Erfüllungsgehilfen der Regierung.

(Zurufe von der SPD.)

Das ist das, was Sie behaupten.

(Abg. Wehner: Schöner Begriff! Gut gesagt! Nicht „Schleppenträger", sondern „Erfüllungsgehilfe"! Sehr aktiv!)

— Herr Kollege Wehner, das ist falsch,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und der Herr Kollege Schäfer weiß, daß das falsch ist; denn wir haben es ihm an einer Fülle von Beispielen schon dargelegt, wir haben es an einer Fülle von Beispielen besprochen. Sie haben oft erlebt, daß Gesetzentwürfe der Regierung nicht einmal auf die Tagesordnung des Hauses gekommen sind. Sie haben oft erlebt, daß Gesetzentwürfe der Regierung von der Mehrheit dieses Hauses gründlich umgekrempelt worden sind,

(Afbg. Dr. Schäfer: Aber ohne daß wir daran beteiligt waren!)

so daß schon vom Faktischen her von einer Position des „Erfüllungsgehilfen" mit keinem Wort gesprochen werden kann.
Und nun — bisher ging es gemütlich, Herr Kollege Schäfer — einmal ganz im Ernst. Diese Umstellung der gewollten Verfassungsordnung, der Ordnung, daß das Pendant zur Regierung das ganze Haus ist — Sie wollen, daß es die Opposition wird —, werden wir nicht mitmachen.
Ich wiederhole, daß wir das Ganze als den Versuch einer Diskreditierung der Mehrheit ansehen, als einen Versuch, — —

(Abg. Dr. Schäfer: Herr Rasner, es ist ein Geben und Nehmen, eine gemeinsame Arbeit!)

— Aber, Herr Kollege Schäfer, wie oft haben wir auf unser Recht verzichtet! Sie wollen uns etwas rechtlich streitig machen, worauf zu verzichten wir zur Förderung der Debatte oft genug gern bereit sind. Im Zuge der bisher bewährten Praxis lassen wir immer mit uns reden. Aber dieser Versuch der Umstellung dessen, was verfassungsmäßig richtig ist, auf dem Umwege über die Geschäftsordnung — nein!

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504724600
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0504724700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Den Ausführungen des Herrn Kollegen Rasner habe ich Wenig hinzuzufügen. In der Tat läuft Ihr Antrag, Herr Kollege Dr. Schäfer, darauf hinaus, daß wir dem verfassungsmäßigen Recht der Regierung ein Recht der Opposition entgegensetzen sollen; und ich glaube, 'das .ist nicht der Sinn des verfassungsmäßigen Rechtes der Regierung. In der Tat müssen wir als Gegenpol zur Regierung 'das ganze Haus ansehen. Es kann nicht aus der Tatsache, daß eine Partei oder mehrere Parteien oder einzelne Abgeordnete zur Regierung in gewissen Fragen im ganzen oder wie immer in Opposition stehen, ein besonderes Recht dieses Teiles ,des Hauses erwachsen.
Damit ich nicht mißverstanden werde: Auch die jetzige Geschäftsordnung gibt dem Präsidenten genügend Möglichkeiten, den Mißbrauch von Rechten zu inhibieren. Der Fall, ,daß — wie Sie meinten —
2322 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Busse (Herford)

sieben, acht, neun, zehn Minister hintereinander hier sprechen würden, ist doch nicht praktisch. Ich bin seit einer Reihe von Jahren hier und habe auch früher schon die Parlamentsarbeit sorgfältig verfolgt und muß sagen: aus solchen Gesichtspunkten heraus, die praktisch nicht zur Diskussion stehen, sollte man doch nicht solche Anträge stellen und solche Anregungen geben.

(Abg. Dr. Schäfer: Die Praxis ist aber schon so!)

— Aber zehn Minister?

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.)

Ich sprach von den Reden der Minister, der Regierung, denen gegenüber Sie ein besonderes Recht haben wollen. Das andere steht doch auf einem ganz anderen Blatt Papier. Dieses Recht hat der Präsident, wenn Mißbrauch getrieben wird — darüber bin ich mit Ihnen einig —, auch heute bereits, und ich habe das Vertrauen in die Präsidenten, daß sie, wenn ein solcher theoretisch von Ihnen erörterter Fall überhaupt einmal praktisch werden sollte, von ihrem Recht entsprechend Gebrauch machen werden. Ich habe häufiger erlebt, daß auch zu dieser Bank hin von jenem Stuhle aus kritische Bemerkungen gemacht worden sind.
Nun aber etwas anderes. Ihr Anliegen kann schon nach der bestehenden Geschäftsordnung erfüllt werden. Auch hier hat der Präsident die Möglichkeit, die Reihenfolge der Redner so zu regeln, wie es die Sache, wie es die Stärke der Fraktionen usw. gebieten. Wenn das bisher weitgehend im Einverständnis des ganzen Hauses durch gewisse Abreden geschah, dann wird sich darüber doch niemand beschweren können. Daß aber je nach der Entwicklung der Lage der Präsident regelnd eingreifen kann, darüber besteht, glaube ich, kein Streit unter uns. Ist das aber der Fall, dann frage ich mich vergeblich, warum wir hier eine Änderung der Geschäftsordnung vornehmen sollen. Daß das, was in der Geschäftsordnung steht, mit Fairneß und Lauterkeit gehandhabt wird, dazu werden Sie immer unsere Unterstützung finden, und ich glaube, Sie werden keine Veranlassung haben, uns gegenüber ähnliche Bemerkungen zu machen, wie Sie sie dem Kollegen Rasner gegenüber für nötig befanden. Da werden wir immer versuchen, mit Ihnen zu gehen. Einem Antrag aber, wie Sie ihn jetzt gestellt haben, glauben wir kaum unsere Zustimmung geben zu können. Dann ist es schon richtiger, man bespricht die Möglichkeit einer sachlichen Erledigung vorher im Ältestenrat und unter den Geschäftsführern der Fraktionen. Ich glaube, daß damit der Sache mehr gedient ist.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0504724800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0504724900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon so, Herr Rasner, daß gelegentlich die Mehrheit des Hauses nicht nur Stütze und Durchführungsgehilfe der Regierung ist, sondern daß sie auch Kritiker der Regierung ist. Wir haben es auch bei wichtigen Gesetzen erlebt, daß die
Mehrheit — und dann häufig zusammen mit der Opposition — Beschlüsse faßte, die von der Regierung nicht gewünscht wurden. Aber, Herr Rasner, wenn wir einmal eine Statistik aufmachen, wie das praktisch im Schnitte der Jahre aussieht, dann stellen wir fest, daß das nicht einmal in zehn Fällen vorkommt. Die Regel ist — und das ist auch richtig so —, daß diese Mehrheit die Regierung stützt und ihre Redner, wenn sie das Wort ergreifen, hier mit: Variationen das wiederholen, was Regierungsredner schon ausgeführt haben.
Unser Antrag ist ja aus einigen eklatanten Fällen, aus einer wirklichen Not dieses Hauses heraus geboren. Wir haben erleben müssen, daß sich drei Minister hintereinander — einschließlich des Bundeskanzlers — zum Wort meldeten und daß Sie dann kamen und sagten: nun steht aber noch einmal das ganze Haus der Regierung gegenüber, und dann geht es nach der Stärke der Fraktionen, und dann kam die vierte Wortmeldung aus derselben Couleur zustande. Und das Haus und die Zuhörer auf der Pressetribüne mußten sich wieder dasselbe Lied in Variationen anhören, sie fühlten sich gelangweilt, und die Sozialdemokraten waren in einigen Fällen empört darüber, daß sie, obschon sie 42 % der Mandate haben, erst an fünfter Stelle das Wort erhielten.
Das geht nicht, das werden wir in Zukunft nicht mehr so handhaben können. Wir sind weiß Gott vernünftige Leute und wissen, daß unsere Demokratie nur funktionieren kann, wenn hier die Volksvertretung gut funktioniert.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Dr. Probst.)

Deswegen muß man immer Kompromisse suchen.

(Abg. Rasner: Die Mehrheit anerkennen!)

— Die Mehrheit ist anerkannt. Die Mehrheit faßt ja die Gesetzesbeschlüsse. Darüber braucht man doch nicht zu reden. Aber hier muß berücksichtigt werden, daß wir eine starke Minderheit sind und daß dieses Haus nicht davon leben kann, daß hier Monologe aufgeführt werden, sondern es lebt davon, daß in Rede und Gegenrede die politischen Themen geklärt werden. Für die Zukunft würden wir mit Nachdruck darum bitten und auch Mittel und Wege finden, es durchzusetzen, daß sich das nicht wiederholt, was da geschehen ist.
Jawohl, Herr Rasner, auch der Mehrheit sind Grenzen gesetzt in der Festsetzung der Verfahrensweise in diesem Hause. Ich möchte Sie inständig bitten, daß wir uns im Geschäftsordnungsausschuß auf eine Auslegung des bestehenden § 33 oder auf eine Änderung dieses Paragraphen im Sinne unseres Antrags einigen, damit sichergestellt werde, daß auch in Zukunft hier in Frieden und demokratischer Zusammenarbeit gewirkt werden kann.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504725000
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Schluß der Debatte.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode - 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2323
Vizepräsident Frau Dr. Probst
Der Ältestenrat schlägt Ihnen die Überweisung des Antrags Drucksache V/396 an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vor. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Enthaltungen — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 e auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dichgans, Blank, Wagner, Ruf und Genossen betr. Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
— Drucksache V/509 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Bitte sehr, Herr Dichgans!

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0504725100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wie können wir die Plenardebatten fruchtbarer, lebhafter und anziehender gestalten? Dazu zunächst ein Blick auf unsere Praxis. Wir hatten im März eine große Plenardebatte, in der die ersten fünf Redner — nicht Minister, sondern Redner der Fraktionen — zusammen 280 Minuten gesprochen haben; also 56 Minuten je Person.
Reden dieser Länge sind natürlich, von wenigen hocherfreulichen Ausnahmen abgesehen, keine Reden, sondern verlesene Denkschriften, oft interessante Denkschriften, aber Denkschriften, die man schwer anhören kann. Und das Anhören wird um so schwieriger, je mehr Material und je mehr Zahlen sie enthalten.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Niemand ist in der Lage, fünf Stunden hintereinander die Verlesung von Denkschriften anzuhören. Wir sehen das Ergebnis: Das Haus leert sich.
Dann kommt die weitere Debatte. Dafür wieder ein Beispiel. Wir hatten hier eine Debatte über den Grünen Plan. Es meldete sich eine Kollegin in einem Augenblick zu Wort, in dem vor ihr nur zwei Namen auf der Rednerliste standen. Sie war also der Meinung, daß sie in etwa einer halben Stunde das Wort erhalten würde. Aber mitnichten! Sie erhielt es überhaupt nicht. Nach ihr meldeten sich nämlich weitere Landwirte zu Wort, und nach einem geheimnisvollen Gesetz dieses Hohen Hauses genießt in der Landwirtschaftsdebatte der Landwirt stets Priorität, wann auch immer er sich zu Wort meldet.

(Heiterkeit. — Abg. Jacobi [Köln] : Selbst wenn es um faule Eier geht! — Erneute Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, das gilt nicht nur für Landwirte, das gilt auch für andere Debatten. In der Debatte hat der Fachmann Priorität. Welche Folgen hat das? Es drückt die Präsenz weiter herunter. Sobald der Abgeordnete gelernt hat, daß er keine reale Chance hat, zu Wort zu kommen, daß sein Platz in diesem Hohen Hause eine Art besserer Tribünenplatz ist, stellt er sich die Frage, ob er nicht die Informationen, die er hier haben könnte, besser durch die Lektüre einer guten Tageszeitung bezieht. Die Antwort, die er gibt, drückt sich hier in den Präsenz aus.
Aber, meine Damen und Herren, diese Folge ist keineswegs die schlimmste, sondern es gibt andere, viel bedenklichere Folgen. Unser System züchtet nämlich ein Parlament von Spezialisten. Der Abgeordnete lernt es, daß er nur dann eine Chance hat, zu Wort zu kommen, wenn er sich für ein Fachgebiet entscheidet. Dann wird er von der Fraktion dafür herausgestellt. Es wird so die Vorstellung gezüchtet: Schuster, bleib bei Deinem Leisten!, und wenn jemand in einem fremden Gebiet reden will, hat er etwa die Stellung eines Wilderers.

(Heiterkeit und Beifall. — Zuruf aus der Mitte: Außenseiter wäre besser!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504725200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte sehr!

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0504725300
Wenn ich nicht völlig falsch im Bilde bin, Herr Kollege, fragt der Wilderer doch nicht, was andere davon halten, wenn er wildert. Wollen Sie einen lizensierten Wilderer haben?

(Heiterkeit.)


Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0504725400
Nein. Ich möchte nur sagen, daß hier Mut dazu gehört, die gezogenen Grenzen zu überschreiten. Aber da Sie mich darauf ansprechen, Herr Kollege Wehner, möchte ich ein Wort dazu sagen. Ich habe die Niederschriften ausgewertet und festgestellt, daß unsere Wilderer besonders oft Damen sind.

(Heiterkeit.)

Ich möchte deshalb hier ein Hoch auf unsere mutigen Damen ausbringen, aber ich fürchte, Frau Präsidentin, daß die Geschäftsordnung es nicht gestattet, so daß ich mich auf diese allgemeine Sympathiekundgebung beschränken muß.

(Abg. Dr. Schäfer: Was man belegen müßte, daß Damen wildern!)

Meine Damen und Herren, die dritte Folge ist, daß unsere Debatten oft nicht repräsentativ sind. Wenn Sie sich einmal eine Debatte eines Ihnen fremden Fachgebietes anhören, stellen Sie fest, daß in dieser Debatte zwar keine bindenden Versprechungen gegeben werden, aber eine Fülle von Ausführungen gemacht werden, die eine allgemeine höchst wohlwollende Zustimmung zu den Anliegen des betreffenden Zweigs ausdrücken, eine wohlwollende Stimmung, die bei den Rednern aller drei Fraktionen in gleicher Stärke zum Ausdruck kommt. Ich möchte dazu ein Thema aufgreifen, das Dr. Schmidt gestern angeschnitten hat. Es ist die Frage der Gefälligkeitsentschließungen. Wir sind nicht selten bereit, Entschließungen passieren zu lassen, die sehr sorgfältig formuliert sind, und zwar so, daß sie uns nicht binden, die aber bei den Leuten, die sie lesen, eine ganz andere Auffassung hervorrufen, die Auffassung nämlich, sie könnten mit Sicherheit mit bestimmten Maßnahmen rechnen.
2324 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Dichgans
Und, meine Damen und Herren, viertens und letztens: Wir machen ausgesprochen schlechte Gesetze auf diese Weise. Lassen Sie mich dafür ein praktisches Beispiel geben. Wir haben alljährlich eine Debatte über die Erhöhung der Sozialrenten in der Größenordnung von 6 bis 9 %, weil wir — und da stimme ich voll zu — der Meinung sind, daß auch unsere alten Leute an dem wachsenden Wohlstand teilnehmen sollen.

(Zuruf des Abg. Winkelheide.)

— In dieser Debatte, Herr Winkelheide, gibt es jeweils eine Aussprache über einen einzigen Punkt, nämlich die Frage, ob man die Rentner des letzten Jahrgangs sofort in die Erhöhung einbeziehen soll oder nicht. Ich habe diese Debatte bereits viermal erlebt. Das ist gewiß eine Ungerechtigkeit, mit der man sich beschäftigen muß, aber es gibt auf diesem Gebiet viel schreiendere Ungerechtigkeiten. Wir können die alljährliche Erhöhung der Renten nur vornehmen, indem wir erhebliche Bundeszuschüsse leisten. Ich frage Sie nun: Warum leisten wir Bundeszuschüsse nur für unsere alten Leute, die der Sozialversicherung angehören? Was tun wir eigentlich für unsere Arztwitwen, die von der Lebensversicherung oder einem Sparguthaben leben müssen? Das sind Gruppen der Bevölkerung, die von Jahr zu Jahr eine Verringerung ihrer realen Einkommen hinnehmen müssen. Warum werden sie eigentlich schlechter behandelt? Meine Damen und Herren, ich will keine Sachdebatte anspinnen, sondern möchte nur darauf hinweisen, daß diese Frage noch niemals angeschnitten worden ist, obwohl sie sehr nahe gelegen hätte; denn das Wachstum des Wohlstands war nur möglich durch eine große Spartätigkeit der Leute, die eine Lebensversicherung bezahlt und Geld zur Sparkasse gebracht haben. Es wäre sinnvoll, auch sie daran teilnehmen zu lassen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504725500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0504725600
Natürlich.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0504725700
Herr Kollege Dr. Dichgans, können Sie verstehen, daß ich es nicht begreifen kann, daß Sie jetzt den Rentner und die Rentnerwitwe mit der Witwe des Arztes vergleichen? Ist Ihnen nicht bekannt, daß die Rentenleistungen auf Grund jahrzehntelanger Beitragszahlung aufgebracht werden und daß dann Bundeszuschüsse aus Gründen gegeben werden müssen, die die Rentner nicht zu vertreten haben, wegen zweier Kriege, Inflationen usw.?

(Zurufe von der Mitte.)

Wie können Sie das in einem Zusammenhang bringen!

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0504725800
Meine Damen und Herren, 'das ist ein hochinteressanter Einwand. Er führt genau zu dem, was ich sagen wollte. Ich will gar keine Sachdebatte, ich möchte nur das Problem hier vorstellen.
Es ist so: Wir alle tragen doch die Kriegsfolgen. Wir alle, auch die alte Witwe des Arztes, haben früher einmal etwas geleistet. Die Witwe des Arztes kann ebensowenig dafür — —

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504725900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0504726000
Aber natürlich.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504726100
Herr Kollege, sind wir jetzt nicht auf dem besten Wege, ein Beispiel dafür zu geben, daß es sehr illusionär ist, was Sie vor fünf Minuten gesagt haben, und daß Sie jetzt selbst in die Situation kommen, sich sachlich auseinandersetzen zu müssen, weil Ihr Globalurteil, das Sie hier anscheinend ohne ausreichende Sachkenntnis abgeben, der Sache nichtdienlich ist?

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)


Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0504726200
Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Ich freue mich über diese Einwendungen, weil sie nämlich genau das zeigen, was ich sagen will. Hier wird immer nur in Kästchen diskutiert, und was jenseits dieser Kästchen passiert, wird in diese Diskussion nicht einbezogen. Wir wollen diese Diskussion bei der nächsten Gelegenheit wiederholen. Mir liegt nur daran: Wir sollten in der Plenardebatte über die Rentenreform auch über diese Frage sprechen. Das ist mein einziges Anliegen.
Ich komme nun zu der Frage: Welche Folgerungen ziehen wir aus diesem Tatbestand? Dazu möchte ich folgendes sagen.
Wir müssen hier die fachlichen und die 'allgemeinen Gesichtspunkte gegeneinander abwägen. Wir müssen unseren Plenardebatten ein neues Ziel stellen. Ist die Plenardebatte nichts als die Fortsetzung der Fachdebatte im Ausschuß? Das ist zur Zeit unsere Praxis. Ich bin der Meinung, sie sollte im Gegenteil eine Anreicherung der fachlichen Gesichtspunkte durch die Gesichtspunkte der übrigen Abgeordneten sein.
Wir wissen aus der Schule, daß die Aufgabe schon von Kant im kategorischen Imperativ vorbildlich formuliert worden ist. Ein Gesetz ist nämlich nur dann gut, wenn der Grundgedanke des einzelnen Gesetzes zugleich der Grundgedanke einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnte.
Meine Damen und Herren, ganau das ist mein Anliegen. In diesem Hause sollten in dem Augenblick, in dem über die Sozialrentner diskutiert wird — wir sehen ja, welche Emotionen das gleich auslöst, wir haben es erlebt —, Leute aus einem ganz anderen Bereich das Wort ergreifen. Die Bauern sollten bei der Beamtenbesoldung mitreden und die Beamten bei Problemen der freien Berufe. Wir sollten also dafür sorgen, daß in der Plenardebatte die nichtfachlichen Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, d. h. die Diskussion darüber, welche Konsequenzen sich aus der speziellen Entscheidung auf dem Gesamtgebiet der Gesetzgebung ergeben. Das ist das Ziel.
Nun zu den Maßnahmen. Zu den Maßnahmen ist zweierlei gesagt worden. Es ist erstens gesagt worden: Wir brauchen gar keine Maßnahmen, das ist nur
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2325
Dichgans
eine Frage des Durchsetzungsvermögens des einzelnen Abgeordneten, der jederzeit das Wort erzwingen kann, wenn er auf seiner Wortmeldung besteht. Um Ihnen vorzuführen, was das in der Praxis heißt, habe ich hier am Tage vor Himmelfahrt um 18.30 Uhr noch das Wort erzwungen, nachdem auf allen Ihren Tischen ein Zettel lag, der besagte, daß die Debatte um 18 Uhr zu Ende gehen sollte, und Sie alle sich darauf eingestellt hatten. Meine Damen und Herren, Sie haben das ja erlebt, soweit Sie hier waren. Das Haus will dann den Redner mit Recht nicht mehr hören. Eine Debatte setzt aber voraus, daß der Partner bereit ist, sich die Argumente anzuhören. Das heißt, wenn Sie den Abgeordneten darauf verweisen, daß er jederzeit noch abends gegen 21 Uhr das Wort erzwingen kann, dann ist das in der Welt der Tatsachen das gleiche, wie wenn Sie ihm das Wort verweigern.
Das Zweite, meine Damen und Herren. Hier ist gesagt worden, die Fraktionen sollten das unter sich regeln. Ich kann nur sagen: Sie können das nicht, wenn wir den Fraktionen nicht weite Zwangsrechte geben, die wir ihnen, glaube ich, kaum geben wollen. Erlauben Sie mir einen kurzen Einschub. Gelegentlich wird die Kritik an diesen Zuständen in eine Kritik der Fraktionsgeschäftsführer formuliert. Ich halte das für abwegig. Ich bin der Meinung, daß die Fraktionsgeschäftsführer aller Fraktionen ausgezeichnete und sehr tüchtige Leute sind, die ihr Bestes tun. Es hat keinen Sinn, auf sie zu schießen.
Ich bin also der Meinung, daß wir Maßnahmen brauchen. Meine Freunde schlagen Ihnen vor, das bewährte System des Europäischen Parlaments zu übernehmen. Dieses System sieht vor, daß die Entscheidung über die Gestaltung des Plenums bei den Organen des Plenums liegt, also bei dem Präsidenten und bei dem Plenum selbst. Der Präsident hat die Aufgabe der Tatsachenfeststellung; unser Vorschlag geht dahin, daß er die Redner vorher fragt, wie lange sie vermutlich reden werden, daß er das Plenum darüber informiert, wie sich die angemeldeten Redezeiten zu der vernünftigerweise verfügbaren Redezeit, also bis 21 Uhr, verhalten, und dann einen Vorschlag für eine angemessene Verteilung macht.
Meine Damen und Herren, der Kern liegt in der angemessenen Verteilung. Ich halte nichts von einer rein mathematischen Aufteilung etwa in der Form, daß bei 10 Stunden angemeldeter Reden und 5 Stunden verfügbarer Zeit jeder 50 % bekommt. Das würde notwendigerweise zu Vorratsanmeldungen führen. Aber es sind doch ohne weiteres Lösungen denkbar, daß man z. B. in der ersten Runde 30 Minuten gibt — 20 Minuten würden in den meisten Fällen ausreichen — und in der zweiten 15 oder 10 Minuten. Jeder von Ihnen, der einmal im Fernsehen oder im Rundfunk geredet hat, weiß, daß man in 10 Minuten enorm viel sagen kann. Ich glaube also, daß wir zu unseren Präsidenten das Vertrauen haben sollten, daß sie mit dem Wort „angemessen" in einer angemessenen Form umgehen.
Es gibt nun mehrere Einwendungen. Der erste Einwand ist der, daß die Reden länger werden, weil die Abgeordneten vorsorglich überlange Redezeiten anmelden. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß die Reden kürzer werden. Sie wissen, daß Plato den Politiker als einen Mann definiert hat, der sich erst beim Aufstehen überlegt, was er sagen will. Das war meines Wissens schon 400 Jahre vor Christus eine ungerechte Übertreibung. Ich möchte sagen, daß es uns nicht trifft. Aber eine vorherige Überlegung über das, was man sagen will, kommt der Qualität der Rede zugute, auch eine Überlegung nur zu dem Zweck, festzustellen, wie lange man reden will. Ich will also die Prognose stellen: Die Reden werden kürzer.
Es ist weiter gesagt worden, daß es schwer zu übersehen sei, wie lange eine Debatte dauern werde, weil ständig Minister reden können und weil es in der Debatte Interventionen geben kann. Was die Minister und den Bundesrat angeht, so sind das normalerweise höfliche Leute. Wenn man sie vorher höflich fragt, ob und wie lange sie reden wollen, damit man sie einplant, werden sie das sagen.
Was die Debattenreden anlangt, werden sie, wenn sie spontan sind, fünf Minuten nicht überschreiten.

(Abg. Büttner: Das gilt dann für jeden!)

— Das gilt dann für jeden. Das würde ich begrüßen.
Es ist auch das Problem der Zwischenfragen angeschnitten worden. Erlauben Sie mir auch dazu eine Bemerkung. Nach meiner Erfahrung sind 90 % der Zwischenfragen, die hier gestellt werden, gar keine Zwischenfragen, sondern Debattenreden, die grammatisch in die Form einer Frage gekleidet sind, wobei die Mehrzahl nicht einmal wirkliche Fragen im grammatischen Sinne sind. Ich möchte also sagen, daß wir uns hier an den Präsidenten wenden sollten mit der Bitte, die Praxis zu ändern und nur solche Fragen zuzulassen, die effektiv der Klärung von Zweifeln dienen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504726300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Schäfer?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0504726400
Herr Kollege Dichgans! Ist Ihnen bekannt, daß Sie jetzt auch schon 15 Minuten sprechen?

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0504726500
Ja, ich habe gesagt, daß man in 20 Minuten sehr viel sagen kann; ich will 20 Minuten auch nicht überschreiten.

(Dr. Schäfer: Sie haben gesagt: In 10 Minuten!)

— Ja, man kann auch in 10 Minuten sehr viel sagen. Aber wir dürfen uns doch wohl nach so langer Wartezeit hier 20 Minuten über die Redezeit unterhalten, nachdem wir uns gestern fünfeinhalb Stunden über die Geheimnisse des Zuckerpreises unterhalten haben.
Ich werde energisch aufgefordert zu schließen; ich will das auch tun. Ich möchte nur abschließen mit dein Gedanken, daß unser Vorschlag natürlich nur eine Einleitung zur Diskussion ist. Wir brauchen bessere Vorschläge, und ich wende mich ins-
2326 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Dichgans
besondere an die jüngeren Kollegen dieses Hauses, denen die Initiative dienen soll. Ich möchte Sie bitten, Vorschläge vorzulegen und sich nicht etwa durch das Schreckwort „unrealistisch" zurückscheuchen zu lassen; denn unrealistisch ist im Sprachgebrauch des Hohen Hauses oft gleichbedeutend mit: von der Routine abzuweichen.
Um Ihnen Mut zu machen, möchte ich gleich einige weitere Vorschläge zur Diskussion stellen. Wir sollten uns erneut mit der Frage der Manuskripte !befassen. Wir können die Manuskripte nicht abschaffen . Das hat sich gezeigt. Aber wir könnten vielleicht eine Bestimmung einführen, daß die Manuskripte beim Präsidenten anzumelden sind mit der Folge, daß jemand, der ein vollständiges Manuskript mitbringt, an das Ende der Rednerliste kommt.

(Beifall in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, das ist keine effektive Verschlechterung des gegenwärtigen Zustandes. Wer ein Manuskript beibringt, kann es immer zu Protokoll abgeben; er kommt dann nicht zu Gehör. Aber kommt denn derjenige, der hier ein Manuskript vorliest, wirklich zu Gehör?

(Beifall.)

Ich bezweifle das. Deshalb ist vielleicht der Weg
vom Manuskript zur Druckerei der rationellere
Weg, der den Umweg über den Stenographen spart.
Einen weiteren Vorschlag! Ich begrüße sehr, was Herr Kollege Schäfer eben gesagt hat, daß ,sich die Präsidenten etwas mehr um eine ,sachliche Gestaltung der Debatte bemühen sollten, um eine Aufteilung der Redner. Dazu möchte ich einen Vorschlag machen: Im Rahmen einer vernünftigen Aufteilung von Rede und Gegenrede, die selbstverständlich im Vordergrund stehen muß, sollte man die Namen der Redner nach der angemeldeten Redezeit sortieren und demjenigen mit der angemeldeten kürzesten Redezeit die Spitze der Rednerliste einräumen. Wir sollten also jemand, der bereit ist, nur fünf Minuten zu reden, an den Anfang setzen

(Beifall bei den Regierungsparteien Lachen bei der SPD)

und dann die längeren Reden folgen lassen. — Herr Dr. Schäfer, ich sehe, Sie nehmen mich nicht ganz ernst.

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr originell! — Lachen bei der SPD.)

Ich bin das gewohnt, aber auf die Dauer hat sich doch der eine oder andere von meinen Vorschlägen, der anfänglich nicht ganz ernst genommen worden ,war, nach einiger Zeit durchgesetzt. Ich hoffe, daß das auch diesmal wieder der Fall ,sein wird.
Herr Dr. Schäfer, ich halte das sogar sachlich für zweckmäßig. Unser jetziges System geht dahin, daß die schwere Artillerie der Fraktionskanonen am Anfang redet und daß die Herren dann oft anschließend den Saal verlassen. Wäre es nicht viel besser, wenn zunächst die Einwendungen kämen, die meinetwegen originellen Beiträge, damit zum
Schluß die Fachleute der Fraktionen die Debatte noch einmal aufgreifen, sie zusammenfassen und die Stellungnahmen der Fraktionen vortragen? Ich glaube, wenn wir uns das alles einmal überlegen, werden unsere Debatten fruchtbarer, lebendiger und anziehender werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504726600
Herr Kollege Dichgans, ich hatte Ihnen das Wort zur Begründung gegeben. Sie haben aber bereits — in sicher anregender Weise — in die Debatte eingegriffen.

(Abg. Dichgans: Tut mir leid!)

Sie haben die Grenzen etwas verwischt. Die Grenzen zwischen „Fachmann" und „Wilderer" scheinen mitunter fließend zu sein.
Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen die Überweisung des Tagesordnungspunkts 4 e), Drucksache V/509, an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vor. — Widerspruch erhebt sich nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe jetzt Punkt 4 f) — Drucksache V/125 — auf :
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Mertes und Genossen
betr. Änderung und Ergänzung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
— Drucksache V/125 —
Wie mir gesagt wird, wird das Wort zur Begründung nicht gewünscht. Ist das Haus damit einverstanden? — Es erfolgt kein Widerspruch. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? — Das ist ebenfalls nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe als letzten Punkt der heutigen Tagesordnung Punkt 9 auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Behebung sozialer Notstände auf dem Gebiete des Mietrechtes
— Drucksache V/564 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Bitte sehr, Herr Jacobi!

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0504726700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vorlage, die ich zu begründen habe, ist von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion bereits Anfang Mai eingebracht worden. Sie kommt erst heute in die erste Lesung, weil wir Verständnis dafür hatten, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister an dieser Debatte teilnehmen wollte. Er war durch eine dienstliche Auslandsreise kurzzeitig verhindert. Wir haben darauf selbstverständlich Rücksicht genommen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2327
Jacobi (Köln)

Nun zu dem Entwurf selbst. Er zeigt schon in seiner Überschrift, daß er den Versuch machen will, Korrekturen vorzunehmen, und daß er sich bemüht, Mißständen und Notständen zu begegnen. Dabei werden drei Komplexe angesprochen. Es geht um die Bekämpfung des Mietwuchers, es geht um den Kündigungsschutz, und es geht um die Räumungsfristen.
Wir streben — das möchte ich schon am Anfang völlig eindeutig betonen — mit unseren Vorschlägen keineswegs eine Kehrtwendung in der Abbaugesetzgebung an. Wir streben nicht die Wiedereinführung einer Wohnungszwangswirtschaft an. Was wir wollen, ist — ich sagte es schon —, gewisse Korrekturen vorzunehmen, nämlich Korrekturen offenkundiger und in sozialer Hinsicht unvertretbarer Fehlentwicklungen.
Nun, es hat seit der Einbringung unseres Gesetzentwurfs bereits einige aufgeregte Reaktionen gegeben. So fand ich in einer Hausbesitzerzeitung, als Frage formuliert, die Überschrift: „Neue Knebelung des Hausbesitzes?" Im Text wird aus der Frage bereits die Behauptung, der Gesetzentwurf sei der Entwurf eines Knebelungsgesetzes. Eine nähere Begründung dieser Behauptung allerdings unterbleibt. Dafür wird bezweifelt, daß Mietwucher in einem solchen Umfang auftrete, daß es schärferer als der bisherigen Bestimmungen bedürfe. Natürlich fehlt auch nicht die so alte wie bösartige Behauptung, die SPD treibe dem Hausbesitz gegenüber eine bewußt eigentumsfeindliche Politik. Und am Schluß des Aufsatzes heißt es wörtlich:
Es ist unverantwortlich, mit den Millionen anständiger Hauseigentümer in der Weise umgehen zu wollen, wie dies die SPD lauthals ankündigt.
Da ist im übrigen von einer Pressekonferenz die Rede, die nie stattgefunden hat. Vermutlich ist eine Presseinformation gemeint.
Was da zum Ausdruck kommt, ist eine alte, längst abgeleierte Melodie, das sind Phrasen aus der Mottenkiste. Wir erklären, daß niemand von uns daran denkt, „eine neue Knebelung" des Hausbesitzes einzuführen, daß niemand an die Wiedereinführung zwangswirtschaftlicher Methoden denkt. Ich wiederhole nachdrücklich, was ich im Auftrage des sozialdemokratischen Parteivorstandes auf eine Anfrage des Verbandes schleswig-holsteinischer Haus- und Grundeigentümervereine am 3. Februar 1965 geantwortet habe:
Die Sozialdemokratische Partei schließt in ihren Überlegungen zu einer Politik der Mehrung des Wohlstandes und der sozialen Sicherheit keine Gruppe unserer pluralistischen Gesellschaft aus. Sie wird daher auch den Interessen des Hausund Grundeigentums gerecht zu werden bemüht sein. Dabei geht sie von der Erkenntnis aus, daß der Bau und die Erhaltung von Wohnungen sowohl allgemein gültigen betriebswirtschaftlichen als auch volkswirtschatlichen Erwägungen zu unterliegen haben. Wo immer soziale Ausgleiche erforderlich sind, können sie nicht dem Haus- und Grundbesitz auferlegt werden. Seine Wirtschaftlichkeit ist zu sichern. Das erfordert sowohl Maßnahmen für
die Erhaltung des Althausbesitzes, vor allem für eine dem Wettbewerb dienliche Modernisierung, als auch eine konsequente Fortsetzung des Neuwohnungsbaues, um eine Verbesserung der zur Zeit noch unzureichenden Marktversorgung zu erreichen.
Meine Damen und Herren, von dieser Erklärung wird kein Jota zurückgenommen; sie bleibt verbindlich.
Widerspricht ihr unser heute in erster Lesung anstehender Gesetzentwurf? Trifft er anständige Hausbesitzer - also fraglos die Mehrzahl der Hausund Grundeigentümer — überhaupt? Ich sage nein, und ich werde mich bemühen, dies nachzuweisen.
Zunächst: Ein anständiger Hausbesitzer wird niemals in Gefahr geraten, sich wegen Mietwuchers vor Gericht verantworten zu müssen; das dürfte unbestritten sein.
Einigkeit dürfte auch darüber bestehen, daß es niemanden im Hause gibt, der Mietwucherer in Schutz zu nehmen gewillt ist. Es bleibt also nur die Frage, wie man den Freibeutern der Marktwirtschaft, den gemeinschaftsfeindlichen, ja unsozialen Nutznießern eines nur sehr bedingt funktionierenden Wohnungsmarktes am besten beikommen kann. Hier helfen leider keine Appelle an die Moral. Für Spekulanten und Wucherer ist nun einmal typisch, daß sie fernab jeglicher moralischer Gesinnung und Gesittung handeln. Sie profitieren bewußt an der Mangellage, indem sie mit der Knappheit der Ware „Wohnung" ihr Geschäft machen. Diese Tatsache hat vor Jahren zu einer Änderung des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes geführt. Seitdem aber erleben wir nach wie vor, daß nur selten Verurteilungen wegen Mietwuchers erfolgen. Das hat seinen Grund nicht darin, daß es keine zahlreichen Fälle von Mietwucher gäbe.

(Abg. Mertes: Man kann ja nicht Herrn Jacobi zuliebe Fälle konstruieren!)

— Nein, aber man kann sie vertuschen, indem man dafür sorgt, daß keine Anzeigen erfolgen. Ich werde Ihnen gleich auch sagen, warum solche Verurteilungen so schwierig sind. Jedenfalls können wir, wenn wir in die Zeitungen schauen, die Feststellung treffen — und das ist doch sehr oft der Fall —, daß immer wieder über die Ausnutzung der Notlage geklagt wird und daß Mieten genannt werden, die nach der allgemeinen Auffassung wucherische sind.
Im übrigen klagen Richter und Staatsanwälte immer wieder über die Unzulänglichkeit der Strafvorschriften. Der § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes stellt unsubstantiiert nur die Unangemessenheit geforderter Entgelte unter Strafe. Ein Blick in veröffentlichte Gerichtsurteile zeigt, wie schwer es ist, angesichts eines immer noch unausgeglichenen Wohnungsmarktes ohne eine konkrete Ausgangsbasis zu einer gerechten Beurteilung des Sachverhaltes und schließlich zu einer Verurteilung zu kommen.
Ein Landgericht — nämlich das Landgericht in Köln — hat versucht, einen Leitsatz aufzustellen. Dieses Gericht geht in einem Urteil vom 12. Oktober 1964 davon aus, daß der Tatbestand des Mietwuchers in der Regel dann erfüllt ist, wenn die ver-
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Jacobi (Köln)

einbarte Miete die Kostenmiete um mehr als 50 % übersteigt. Demgegenüber hat der Oberstaatsanwalt in Frankfurt den Straftatbestand nach § 302 e des Strafgesetzbuches und § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes bei einer 365%igen Überschreitung des angemessenen Mietwerts abgelehnt. Das Urteil kann überall nachgelesen werden. — Sie wollen mich dazu fragen. Bitte sehr!

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0504726800
Gerade zu dem Punkt, Herr Kollege Jacobi: Ist Ihnen nicht die Notiz aus dem „Handelsblatt" in Düsseldorf bekannt, wo es gerade für diesen Fall hieß, daß sich bei der Nachprüfung herausgestellt habe, daß der Wohnungseigentümer in seinen Räumen ein flottes Bordell betrieb und der Vermieter, din Wirt, an den Umsätzen über höhere Mieten partizipieren wollte?

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0504726900
Herr Kollege, ich habe diese Notiz im „Handelsblatt" gelesen. Der Fall, den ich nenne, ist ein ganz anderer. Da handelt es sich um einen jung verheirateten Mieter, der eine Wohnung brauchte, der ein Einkommen von 800 bis 900 DM hat und dem 300 DM Miete für eine primitive ZweiZimmer-Wohnung abverlangt wurden. Die preisrechtlich genehmigte Miete war 64,44 DM. Es gibt vielleicht nicht allzuviel solche Fälle. Aber daß es sie gibt und daß es so schwer ist, ihnen strafrechtlich beizukommen, ist doch das Entscheidende.
Ich könnte Ihnen ein Urteil aus Münster zitieren, bei dem das Gericht den Tatbestand des fortgesetzten Mietwuchers als erfüllt ansieht, wenn für eine nur 18 qm große primitive Behausung, für die etwa 30 DM als monatlicher Mietzins angemessen sind und für die der höchste zulässige Mietzins etwa 45 DM monatlich beträgt, ein Mietzins von mehr als 140 DM 'monatlich verlangt wird. Da handelt es sich um einen Fall, bei dem der Hausbesitzer vier Miethäuser besaß und für einen Wohnraum, einem ehemaligen Trockenboden im Dachgeschoß von 18 qm Größe und mit schräger Dachwand, 140 DM verlangte. Der Voreigentümer hatte diesen Raum für 35 DM vermietet. Natürlich sind das Ausnahmen, die man nicht den Hausbesitzern allgemein anlasten kann.
Weitere Fälle zeigen, wie unter Umständen auch mit Familienangehörigen der Stationierungsstreitkräfte umgesprungen wird. Ich habe in der „Frankfurter Rundschau" um Pfingsten eine Meldung „Amerikaner müssen Wuchermieten zahlen" gelesen, wo dargetan wird, daß die deutschen Gerichte gegen diesen Mietwucher praktisch machtlos sind. Es wurde eine exorbitant hohe Miete verlangt. Der Staatsanwalt konnte aber eine Verurteilung nicht durchsetzen und resignierte mit der Feststellung: „Die Mietwucherparagraphen unseres Strafgesetzbuches werden den sozialen Problemen auf dem Wohnungsmarkt in keiner Weise gerecht."
Das ist auch unsere Auffassung, und das ist der Grund, warum wir den Versuch machen, Staatsanwälten und Richtern mit unserem Gesetzesvorschlag eine konkrete Beurteilungsgrundlage an die Hand zu geben. — Bitte, Herr Kollege Mick!

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0504727000
Herr Kollege Jacobi, wenn ich recht gehört 'habe, halben Sie Köln zitiert und gesagt, da sei die Norm von 50 v. H. aufgestellt worden.

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0504727100
Ein Leitsatz!

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0504727200
Wenn dieser Leitsatz nach den geltenden Gesetzen in Köln möglich ist, dann müßte er ja wohl auch anderswo möglich sein. Dann kommt es doch wahl lediglich auf die Rechtsprechung selbst an. Ich verstehe Idas nicht.

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0504727300
Ich verstehe Sie nicht, Herr Kollege Mick. Auf dem Gebiete, über das wir reden, haben wir doch weitgehend keine einheitliche Rechtsprechung, weil die Instanzen abgeschnitten sind, weil es sich im wesentlichen um Urteile von Amtsgerichten handelt und weil wir keine Möglichkeit haben, hier eine einheitliche Rechtsfindung zu erreichen. So wird es immer unterschiedliche Beurteilungen geben. Es fehlen eben objektive Maßstäbe. Das ist die Crux.

(Beifall bei der SPD.)


Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0504727400
Herr Kollege Jacobi, da stimme ich mit Ihnen überein. Meine Frage geht nur dahin: Wenn es in Köln möglich ist, mit den jetzigen Mitteln der Gesetzgebung dem Mietwucher zu Leibe zu rücken, dann müßte es doch auch in anderen Gebieten möglich sein, ganz abgesehen davon, ob man dort subjektiv anders urteilt. Es muß aber möglich sein.

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0504727500
Aber Herr Kollege Mick, das gehört doch dem Gebiet der Spekulation an. Der Gesetzgeber ist doch verpflichtet, klare Bestimmungen zu schaffen, die den Richter nicht dazu zwingen, hin und her zu manipulieren und nach Möglichkeiten zu suchen, eventuell so und eventuell so zu entscheiden. Die Bestimmungen reichen nicht aus. Sie müssen geändert werden.

(Beifall bei der SPD.)

Wir wissen, daß das schwer ist. Wir haben das gemerkt, als wir uns darum bemühten, Formulierungen zu finden. Uns ist ebenfalls bekannt, daß ein Unterausschuß des Bundesrates sich seit einem Jahr bemüht, eine brauchbarere als die jetzige Strafregelung zu finden. Ein Ergebnis wurde bisher nicht erreicht.

(Zuruf von der Mitte: Quadratur des Zirkels!)

Wir müssen uns deshalb selbst bemühen, so schwierig das ist.
Gegenüber unserem Vorschlag zur Änderung des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes sind mir seit der Einbringung eine Reihe von Einwendungen bekanntgeworden. Sie sind jedoch, wie ich finde, recht widersprüchlich. Da gibt es den Einwand, es werde von uns durch die Hintertur der Preisstopp für die Wohnraummieten wieder eingeführt. Diese Behauptung geht in ihrem Kern dahin, der SPD-Vorschlag
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2329
Jacobi (Köln)

stehe einer elastischen Anpassung an die wirtschaftlichen Realitäten im Wege. Ein genau gegenteiliger Einwand lautet, Vermieter könnten verleitet werden, bis an die fixierte Strafgrenze zu gehen. Nun, das scheint mir ein völlig unüberlegter Einwand zu sein; denn wäre er lebensnah, so würde er bedeuten, daß man die Hauseigentümer im Zweifel als Leute kennzeichnen müßte, die jeweils bis an den Rand des Verbots zu gehen bereit sind. Davon kann doch wirklich keine Rede sein.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Wieso denn nicht?)

— Warum rufen Sie so aufgeregt, Herr Dr. Hauser, bei einer Feststellung, die Sie sicherlich billigen?

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504727600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Bitte!

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0504727700
Aber, Herr Jacobi, würden Sie nicht gerade solchen Vermietern mit der Möglichkeit, ohne jedes Risiko bis zu den 40 O/o zu gehen, gerade Tür und Tor öffnen?

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0504727800
Herr Kollege, ich will Ihnen einmal etwas sagen: wer rabiat ist, ist es mit oder ohne Hinweise oder Möglichkeiten. Ein anständiger Hausbesitzer wird sich fair verhalten; ein unanständiger Hausbesitzer wird jede Chance ausnutzen, das zu bekommen, was ihm im Grunde genommen gar nicht zusteht.

(Zurufe von der Mitte.)

Aber mir geht es darum, daß es sich hierbei um eine Minderheit handelt, um Ausnahmen, um Profiteure, ja um Halbkriminelle. Es kommt darauf an, ihnen, so gut es geht, 'den Garaus zu machen.
Die anfangs erwähnte Kritik an unseren Vorschlägen, wir würden eine Anpassung an wirtschaftliche Erfordernisse vereiteln, geht ebenfalls fehl; denn sie übersieht, daß wir bei unserem Wuchertatbestand ,die Worte „in der Regel" eingeführt haben. Auch muß berücksichtigt werden, daß wir Besonderheiten des Einzelfalls durchaus Rechnung tragen. Dies geschieht dadurch, daß wir unserem Mißbrauchskatalog den Nachsatz anfügen: „es sei denn, ,daß das Entgelt nach ,der besonderen Lage des Einzelfalles gerechtfertigt ist". Der Richter erhält also einen ausreichenden Ermessensspielraum, um zu einem Urteil zu gelangen, das den widerstreitenden Interessen in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht gerecht wird.
Ein weiterer Einwand, der lautgeworden ist, geht dahin, daß nach dem Wohngeldgesetz zum Teil höhere Mieten beihilfefähig seien, als die vom SPD-Entwurf mit seinen Aufschlägen zugrunde ,gelegte Angemessenheitsverordnung zulasse. Die Obergrenze nach § 43 des Wohngeldgesetzes betrage beispielsweise bei einer Altbauwohnung ohne Sammelheizung mit Bad bei der Ortsklasse S 2,60 DM, nach idem SPD-Entwurf aber nur 2,31 DM.
Mit diesem Einwand müssen wir uns auseinandersetzen. Wir wollen uns dazu gern im Ausschuß bereitfinden, wie uns überhaupt daran liegt, daß unsere Vorschläge in Ruhe, selbstverständlich auch kritisch, aber natürlich vor allem sachlich beraten werden. Es geht uns allein um die Sache, also darum, aufgetretene Miß- und Notstände beheben zu helfen. Diese Miß- und Notstände haben ihren Grund in der Entwicklung unserer Wohnversorgung, die leider nicht mit den Hoffnungen und Erwartungen übereinstimmt, denen sich die Mehrheit dieses Hauses bei der Verabschiedung der Abbaugesetzgebung hingab. Bei diesen Erwartungen ging man doch bekanntlich von der Annahme aus, daß die weitere Betreibung des Wohnungsbaus, vor allem des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, des sogenannten sozialen Wohnungsbaus, innerhalb kurzer Fristen den Übergang zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung voll und ganz rechtfertigen würde. Wir wissen, daß diese Erwartungen sich nur ,sehr bedingt erfüllt haben. Nach wie vor verfügen wir über keinen Markt. Die Ware „Wohnung" ist weitgehend noch eine Mangelware. Angebot und Nachfrage klaffen auseinander. Knappheitsmieten beherrschen weitgehend das Vertragsgeschehen. Die vielgerühmte Partnerschaft ist dabei mehr als fragwürdig. Denn der von Kündigungen überzogene oder bedrohte Mieter lebt ständig in der Furcht, die Wohnung zu verlieren und alsobald keine neue zu finden. Er akzeptiert, weil er konsumunfrei ist, weil er unfähig ist, auszuweichen, vielfach auch übersetzte Mieten.
Das alles ist jedermann so gut bekannt wie die Unruhe, die allüberall im Lande in den weißen Kreisen herrscht, eine Unruhe, die nicht mit Hinweisen auf unser angeblich soziales Mietrecht beschwichtigt werden kann. Immer noch aber finden Versuche zur Bagatellisieurng der wirklichen Sach-
und Rechtslage statt. Andererseits aber gibt es seit einiger Zeit doch hier und da auch bei bisher unkritisch gewesenen Geistern ein gewisses Einhalten. Ich denke an die nordrhein-westfälische Landesregierung, mit deren Schwarz-weiß-Puzzlespiel wir uns bereits wiederholt in Fragestunden beschäftigt haben.
Herr Bundeswohnungsbauminister, wir schreiben heute den 16. Juni. Damit sind etwas über vier Wochen nach einer Erklärung vergangen, die Sie in der 41. Sitzung dieses Hauses am 17. Mai 1966 abgegeben haben. Damals gaben Sie der Überzeugung Ausdruck, die nordrhein-westfälische Landesregierung werde auf Ihren mahnenden Brief zur Streitfrage über die weißen Kreise in etwa zwei Wochen antworten. Dürfen wir fragen, ob diese Ihre Erwartung eingetroffen ist und wie die Antwort aus Düsseldorf lautet? Oder müssen wir annehmen, daß weitere Wochen vergehen werden, bis die nordrhein-westfälische Landesregierung sich äußern wird? Ich möchte Ihnen, Herr Minister Bucher, eine Wette anbieten, ursprünglich wollte ich sagen: über einen Korb Sekt, aber ich schlage Ihnen vor, bei der heißen Witterung und mit Rücksicht darauf, daß sich das länger hält: über eine Kiste Tomatensaft.

(Zuruf von der SPD: Den trinkt er nicht! Heiterkeit.)

2330 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode - 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Jacobi (Köln)

Und zwar sollen Sie den dann von mir bekommen, wenn die nordrhein-westfälische Landesregierung die von Ihnen erhoffte Stellungnahme noch vor dem 10. Juli abgegeben hat und wenn es sich dabei um eine Sie zufriedenstellende Antwort handelt; das ist die Voraussetzung.
Nein, meine Damen und Herren, was sich da zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung seit einigen Wochen an angeblichen scharfen Auseinandersetzungen über die Deklarierung der Stadt- und Landkreise Düsseldorf, Mönchengladbach, Olpe, Wiedenbrück zu weißen Kreisen vollzieht, ist doch nichts anders als ein wahlpolitisches Scheinmanöver. Das pfeifen jedenfalls in Nordrhein-Westfalen alle Spatzen von den Dächern. Als es vor Jahren um andere Gebiete ging, so um die Ruhrgebietsstädte, da war die Landesregierung bei weitem nicht so bedenklich. Vielleicht sah sie damals zuviel rot, um das rechte Maß zwischen Schwarz und Weiß erkennen zu können.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Auch hat sie lange gebraucht, um sich die immer wieder, vor allem von den Gemeinden, vorgetragenen Klagen über Räumungsnotstände wenigstens teilweise zu eigen zu machen. Es ist nur merkwürdig, daß zumeist bevorstehende Wahlen derartige Akte tätiger Reue und Revidierungen auslösen. So war es mit der Verlängerung der Schlußtermine zur .Abbaugesetzgebung vor der Bundestagswahl, so ist das jetzt mit der Verlängerung der Räumungsfristen im Blick auf die Landtagswahlen und mit der Weiße-Kreise-Komödie, die uns da in Nordrhein-Westfalen vorexerziert wird. Bei dieser ist doch vor allem auffallend, daß einer der zunächst verschonten Kreise, nämlich Mönchengladbach, der Wahlkreis des Herrn Ministerpräsidenten selbst ist. Der Herr Landesvater denkt an sich selbst, wo immer das möglich erscheint, offenbar auch nicht zu allerletzt. Wir können ja jetzt überall auf den Plakattafeln lesen: „Meyers macht es".

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Man möchte hinzufügen: „auch Unbedachtes!". Ja: „Meyers macht es, auch Unbedachtes." Skrupel kennt der Mann nicht. Da wird der nordamerikanische Innenminister mißbraucht und als angeblicher Zeuge für das angeblich saubere Wasser der Flüsse im Lande zitiert, da läßt man es auf einen Protest der britischen Regierung wegen der Hineinzerrung Ihrer Majestät der britischen Königin in die MeyersWerbung ankommen, und da macht es den Herrschaften auch nicht das Geringste aus, bei dem Scheingefecht über die weißen Kreise ganz und gar zu vergessen, daß dieselbe Landesregierung ein Gesetz verletzt, dem sie selber im Bundesrat erst vor Jahren zur Verabschiedung verholfen hat.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Damals wäre die rechte Zeit gewesen, ebenso wie die Opposition Kritik an ,den statistischen Berechnungsmethoden zu üben und das Tempo der Abbaugesetzgebung nach realeren Maßstäben zu bestimmen, als dies geschehen ist. Statt dessen zieh man uns der Schwarzmalerei und wies unsere nüchteren Hinweise auf die wirkliche Wohnraumlage und die
Unzulänglichkeit der statistischen Ausgangsdaten besserwisserisch zurück.
Wir müssen befürchten, daß auch heute nur Teilzugeständnisse registriert werden können. Dazu gehört die Verordnung über Räumungsfristen, die vor einer Woche im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist. Vor einigen Wochen noch, als wir nach der Meinung der Bundesregierung zu einem solchen Vorhaben fragten, erhielten wir ausweichende Antworten. Nun, wir freuen uns, wie immer, auch jetzt über jeden reuigen Sünder.
Ein Teil unseres Gesetzentwurfs ist also mit der Verordnung im wesentlichen erfüllt. Was uns fragwürdig erscheint, ist die Begrenzung der Verordnung auf zwei Jahre. Denn wir können der damit wieder einmal erneut erkennbar werdenden Auffassung der Bundesregierung nicht zustimmen, es werde in einem solchen Zeitraum gelingen, die noch bestehende Wohnungsnot auch praktisch — nicht nur statistisch — zu beseitigen. Das scheint uns um so weniger möglich zu sein, ,als wir alle wissen, in welcher Weise der Wohnungsbau seit einigen Wochen und Monaten zusätzlich belastet wird, so daß günstige Prognosen für die nächsten Jahre kaum möglich sind. Damit aber mindern sich auch die Möglichkeiten, einen versorgten Markt zu garantieren.
Nach wie vor erreichen uns angsterfüllte Klagen, besonders kinderreicher Familien und alter Leute, die auf Wohnungssuche sind, weil sie die bisherige Bleibe verloren haben oder weil ihnen droht, daß sie sie verlieren. Vor wenigen Tagen lag in unseren Fächern hier im Hause eine neue Denkschrift an die Bundesregierung und an den Bundestag, in der der Zentralverband der Sozialrentner angesichts der steigenden Zahl alter Menschen ein Altenprogramm verlangt. Dabei wird besonders auf die Notwendigkeit sowohl erschwinglicher Mietpreise als auch des besonderen Schutzes der alten Leute bei Mietkündigungen und Mieterhöhungen in den weißen Kreisen hingewiesen. Dieser Schutz fehlt aber heute weitgehend. Es dürfte bezeichnend sein, wenn eine Zeitschrift wie die „Zeit" in ihrer Ausgabe vom 27. Mai 1966 in einer Reportage mit der Überschrift „Im weißen Teufelskreis" sich der besonderen Notlage der alten Menschen annimmt. Das Bundeswohnungsministerium dürfte auf Grund der Briefeingänge, die es von verzweifelten Menschen erhält, einigermaßen darüber im Bilde sein, daß hier noch vieles im argen liegt. Wir hatten allerdings vor einigen Wochen Veranlassung, einen Schemabrief zu rügen, mit dem einem Bittsteller geantwortet wurde. Da stand dem Sinne nach zu lesen, wenn so viele Kündigungen zu beklagen wären, dann würden ja auf der anderen Seite auch Wohnungen frei. Nun, derartige Briefe gehen möglicherweise nicht mehr hinaus. Aber nach wie vor wird „mit vorzüglicher Hochachtung" und „im Auftrage des Ministers" beschwichtigend geantwortet; etwa so: der Fall sei doch wohl ein Einzelfall, die Zahl der Kündigungen halte sich durchaus in normalen Grenzen, und dann heißt es wörtlich:

(u. a. verlängerte Kündigungsfristen, WiderDeutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2331 Jacobi spruchsrecht des Mieters, Räumungsfristen bis zu einem Jahr)

Ich muß hier einschalten: Der Brief, aus dem ich zitiere, stammt vom 16. Mai dieses Jahres: er ist an einen siebzigjährigen Rentner gerichtet, dem mit seiner ebenfalls im siebzigsten Lebensjahr stehenden Ehefrau die Wohnung trotz achtundzwanzigjähriger Mietdauer gekündigt wurde und der zur Räumung bereits rechtskräftig verurteilt worden ist. Das hat der Mann dem Minister mitgeteilt, und darauf kriegt er eine solche Antwort. Was um Himmels willen soll er mit einer solchen Mitteilung machen, was mit den nachstehenden Sätzen:
Insbesondere das Widerspruchsrecht des § 556 a BGB soll unter bestimmten Voraussetzungen unbillige Härten im Falle der Kündigung durch den Vermieter vermeiden. Weitere Hinweise zur Rechtslage in den weißen Kreisen wollen Sie bitte dem beigefügten Merkblatt entnehmen.
Der Mann liegt doch längst auf dem Rücken, er hat doch gar keine Möglichkeit mehr, sich der Rechtsmittel und der Merkblätter des Herrn Bundeswohnungsbauministers zu bedienen. Hier scheint ein neuer Schemabrief die Runde zu machen; denn sowohl die soeben zitierten wie die nachfolgenden Sätze, die ich Ihnen jetzt ersparen will, passen wie ,die Faust aufs Auge und tun genauso weh. Dem Briefempfänger ist mit derartigen allgemeinen Belehrungen nicht gedient. Er ist, wie ich schon sagte, längst ein Opfer der Rechtsregeln, auf die er hingewiesen wird. Ihm hat das soziale Mietrecht nicht geholfen. Im Gegenteil, er ist bei der Endstation angelangt, er ist Räumungsschuldner.
Ich wies darauf hin, daß mir der Vorgang erst vor wenigen Tagen bekanntwurde. Er deckt sich mit vielen Fällen, die mir aus dem Kreise der Betroffenen zugehen. Ich möchte Sie, Herr Bundeswohnungsbauminister, bitten, zu überlegen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, sicherzustellen, daß wenigstens solche Peinlichkeiten, solche Briefe vermieden werden. Besser keine Antwort als eine solche; denn wenn schon den Menschen durch Ihr Haus kein weiterführender Rat gegeben werden kann, so sollten doch unbedachte Schemabriefe unterbleiben. Sie sind, wie der erwähnte Fall zeigt, nicht nur unangebracht, sondern geradezu eine Verleitung zur Staatsverdrossenheit, und da sollten wir besonders vorsichtig sein.
Ich wiederhole, was meine Freunde und ich in all den Jahren immer wieder gesagt haben: Das vielgerühmte neue Mietrecht ist ebensowenig sozial, wie der Wohnungsmarkt einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage darbietet. Wer nicht von der Unterversorgung auf den Wohnungsteilmärkten aus eigener Kenntnis weiß, der kann sich von Zeit zu Zeit durch einen Blick in die Presse, vor allem in ihre lokalen und ihre Inseratenteile, von der rauhen Wirklichkeit überzeugen.
Ich glaube, viele von uns tun das regelmäßig, nicht zuletzt auch deshalb, um nicht nur auf Grund Ihnen persönlich zugegangener Informationen urteilen zu können. Da konnte man vor kurzem eine außerordentlich interessante, aufschlußreiche Feststellung treffen. Ich fand beispielsweise im allgemeinen Teil einer höchst angesehenen Zeitung einen Leitartikel, der sich nicht genug tun konnte, die Wohnungsmarktlage in den rosigsten Farben zu schildern. Einige Seiten weiter, im lokalen Teil aber fand ich eine dreispaltige Darstellung der Wirklichkeit mit der fragenden Überschrift: „Wohin nach dem 30. Juni?- Kündigungswelle wirkt sich aus". Die substantiierten Darlegungen berichten von den Schwierigkeiten einer südwestdeutschen Großstadt. Es ist Frankfurt, und die höchst angesehene Zeitung ist die FAZ mit dem Datum des 12. Mai 1966. Es wird das Bemühen von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen geschildert, besonders alten Leuten zu helfen. Gleichzeitig aber findet sich der Hinweis, daß die Zahl der Wohnungssuchenden die Zahl verfügbarer Wohnungen weit übersteigt, und wörtlich heißt es:
Für die alten Leute vor allem muß bald Hilfe kommen. Denn die Hoffnung, daß im Falle einer Räumungsklage der Richter menschlich zu ihren Gunsten entscheidet, ist gering. Er ist an das Gesetz gebunden.
Damit, meine Damen und Herren, wird zum Ausdruck gebracht, was sich aus der nun bereits jahrelangen Rechtsprechung auf der Grundlage des neuen, sogenannten sozialen Mietrechts ergibt: Das Widerspruchsrecht des Mieters kommt nur in besonders extremen Härtefällen zum Zuge. Der Hauptmangel der sogenannten Sozialklausel des § 556 a des Bürgerlichen Gesetzbuches besteht offensichtlich darin, daß nach der geltenden Fassung der Vorschrift nur solche Umstände erheblich sind und zu einer Verlängerung des Mietverhältnisses führen können, von denen feststeht, daß sie in nicht allzu ferner Zukunft entfallen. Es muß sich also um vorübergehende Umstände handeln.
In einem Urteil des Landgerichts Hagen lautet das so:
Schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift folgt, daß die durch die besonderen Umstände des Einzelfalls hervorgerufene Härte nicht darin liegen kann, daß ein Mieter überhaupt seine Wohnung räumen muß. Vielmehr können nach § 556 a BGB nur solche Umstände berücksichtigt werden, die eine Räumung gerade zu der Zeit, in welcher das Mietverhältnis abläuft, als eine ungerechtfertigte Härte erscheinen lassen. Denn die Verlängerung des Mietverhältnisses soll ja dazu dienen, diese Härte abzuwenden oder zu mildern. Die betreffenden Umstände müssen daher vorübergehender Natur sein, d. h., es muß sich um Umstände handeln, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes entfallen.
So urteilt ein Gericht, und wahrscheinlich kann es nicht anders judizieren; denn der § 556 a BGB ist einfach deshalb nicht sozial, weil er gerade in den wichtigsten Fällen eine ausreichende Verlängerung des Mietverhältnisses nicht sicherstellt. Ich nenne Ihnen hier nur beispielsweise Kinderreichtum verbunden mit geringem Einkommen, Berufsausbildung der Kinder auf bestimmten Schulen, länger dauernde Krankheit, vor allem aber hohes Alter.
2332 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Jacobi (Köln)

Die von uns vorgeschlagene Neufassung der Sozialklausel des BGB, das möchte ich ausdrücklich hervorheben, bedeutet keinesfalls, daß wir die Kündbarkeit vollständig abschaffen und die Mietaufhebungsklage mit ihrem geschlossenen Katalog von Mietaufhebungsgründen wieder einführen wollen. Es soll dabei bleiben, daß der Vermieter das Mietverhältnis durch Kündigung beenden kann, wobei die Kündigung allerdings dann unwirksam ist, wenn sie sozial nicht gerechtfertigt ist. Es geht uns einfach darum, einen Zustand zu ändern, den ein Gericht wie folgt kennzeichnet:
Aus dem Wortlaut und aus dem Sinn der sogenannten Sozialklausel ergibt sich eindeutig, daß gewisse soziale Härten, vielleicht sogar die menschlich bedauernswertesten, durch diese Vorschrift nicht gemildert werden sollen. Dieser Rechtszustand kann nicht auf Grund der programmatischen Tendenz der Vorschrift durch die Gerichte, sondern allein vom Gesetzgeber geändert werden.
Es gilt also, meine Damen und Herren — und damit komme ich zum Schluß —, das unzulängliche Mietrecht zu einem sozial vertretbaren umzugestalten. Die Praxis der Sozialklausel zeigt:
1. Ein Notzustand, der sich aus Mangel an angemessenem und finanziell erträglichem Ersatzraum ergibt, wird als normaler Regeltatbestand angesehen, der als Grund für die Anwendung der Sozialklausel unbeachtlich ist. Praktisch steht hinter jeder sozialen Härte in diesem Bereich die Tatsache, daß ,) es kein Angebot an Sozialwohnungen gibt.
2. Die sozial Schwachen, die Ärmsten der Armen, also vor allem Alte, Kranke, Witwen mit Kindern, bleiben ohne Schutz. Sie stehen außerhalb der Sozialklausel, weil ihre soziale Lage ein Dauerzustand ist, die Sozialklausel aber nur bei vorübergehenden Umständen mit absehbarem Endtermin zum Zuge kommt. Die Sozialklausel ist praktisch nur anwendbar bei Leuten, die sich noch selbst helfen können, etwa bei Eigenheimbauern und in ähnlichen Fällen.
3. Die Aufhebung des Mieterschutzes und das neue soziale Mietrecht sind eine Rückkehr zur Vertragsfreiheit im liberalen Sinne der Väter des BGB, also des 19. Jahrhunderts. Damit wird zurückgegangen hinter den sozialen Bestandsschutz der Wohnungsmieter in der Weimarer Zeit, obwohl das Grundgesetz das staatliche Wirken an den Grundsatz des sozialen Rechtsstaates und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums bindet.
Ergebnis: Die so oft gepriesene Partnerschaft zwischen Vermietern und Mietern und die Berücksichtigung der Familie sind leere Worte. Es gibt keinen Bestandsschutz der Wohnungsmieter mehr, nur die Hinauszögerung der Räumung in Härtefällen. Es gibt das ganz eindeutige Übergewicht des Vermieters. Zwar können mißbilligte Klauseln jetzt nicht mehr vertraglich abdingbar gemacht werden, aber der Mieter, der darauf pocht, muß damit rechnen, daß er die Kündigung erhält. Der Vermieter kann mit Druckmitteln der Kündigung jede Vertragsänderung zu seinen Gunsten durchsetzen. Der
Vermieter kommt mit jedem Interesse bei der Kündigung durch; der Mieter hat nur wenige ganz schwerwiegende Gründe, um eine kurzfristige Verlängerung zu erreichen.
Kurz und gut, das alles gilt es zu bedenken. Wir werden bei den Ausschußberatungen Ihnen entsprechende Fälle vortragen und bitten Sie, mitzuhelfen, die Verhältnisse zu ändern. Daß wir ein Recht dazu haben und daß es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gibt, wie gelegentlich behauptet worden ist, ist wohl heute unstreitig. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu vor einigen Jahren erklärt, die Schaffung eines sozialen Mietrechts lasse dem Gesetzgeber viele Möglichkeiten. Sache seines Ermessens sei es, in welcher Form und mit welcher Intensität er der Wohnungsmiete Bestandsschutz gewähren wolle.
Wir bitten Sie also, mitzuhelfen, den Übelständen zu steuern. Wir bitten Sie, mit uns eine sachliche Beratung anzustellen. Wir bieten Ihnen mit unserem Gesetzentwurf, auch in einigen Punkten, in denen Sie uns vielleicht widersprechen werden, zumindest eine Diskussionsgrundlage.
In einer Zeitschrift, der Korrespondenz der Verbraucherverbände, las ich vor drei Wochen folgendes, und zwar ist damit der sozialdemokratische Gesetzentwurf gemeint:
Über Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs kann man vielleicht geteilter Meinung sein. Das Grundanliegen aber, nämlich die Beseitigung der Unruhe und Unsicherheit der Mieter in den weißen Kreisen, verdient es sicherlich, die Zustimmung aller Parteien im Bundestag zu finden.
Wohlan, meine Damen und Herren, handeln Sie entsprechend!

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504727900
Wir treten in die Debatte ein. Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504728000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Opposition geht von einer Grundauffassung über die Gestaltung eines sozialen Mietrechts aus, die nach Ansicht der Bundesregierung verfehlt ist. Darüber ist in diesem Hause seit Erlaß des Abbaugesetzes schon so oft und so eingehend debattiert worden, daß ich es Ihnen und mir ersparen kann, die mehrfach vorgebrachten Argumente noch einmal zu wiederholen. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß durch den Gesetzentwurf der Opposition das Grundrecht des Eigentums in einer Weise beschränkt würde, die über den Rahmen der sozialen Verpflichtung des Eigentums weit hinausgeht. Sie ist außerdem davon überzeugt, daß die Regelung des Mietrechts, wie sie der Opposition vorschwebt, letztlich den Mietern mehr Schaden als nutzen würde.
Die Opposition geht bei ihrem Gesetzentwurf von Voraussetzungen auf dem Gebiet des Miet- und
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2333
Bundesminister Dr. Jaeger
Wohnrechts aus, die nun einmal tatsächlich nicht gegeben sind. Die Überschrift des Gesetzentwurfs lautet „Entwurf eines Gesetzes zur Behebung sozialer Notstände auf dem Gebiete des Mietrechts". Meine Damen und Herren! Daß der Abbau einer seit Jahrzehnten bestehenden Zwangswirtschaft, den die Opposition im Grundsatz ebenso will wie wir, nicht immer ohne Schwierigkeiten und gelegentlich auch nicht ohne bedauerliche Härten für die davon Betroffenen vor sich gehen kann, sollte klar sein. Eine perfekte Lösung gibt es nicht. Solchen Schwierigkeiten und Härten würden Sie mit Ihrem Gesetzentwurf keineswegs entgehen, im Gegenteil. Aber die Behauptung, daß auf dem Gebiet des Mietrechts soziale Notstände bestehen, ist ungerecht und unzutreffend.
Es hat keine Kündigungswelle — geschweige denn eine Kündigungslawine, wie gelegentlich gesagt wird — gegeben. Die Zahlen, die über das Ausmaß der Wohnungskündigungen aus einzelnen Städten berichtet werden, sind ohne Beweiswert, denn es fehlen in allen Fällen entsprechende Vergleichszahlen. Außerdem besagt die Zahl der Kündigungen, für sich betrachtet, noch nicht viel. Denn manche Kündigungen werden zurückgenommen, in anderen Fällen kommt es zur Fortsetzung des Mietverhältnisses unter geänderten Vertragsbedingungen. Zuverlässigere Schlüsse lassen sich dagegen aus der Anzahl der bei den Gerichten eingegangenen Räumungsklagen ziehen.

(Abg. Jacobi [Köln] : Eben nicht!)

Wir verfügen auf Grund einer Absprache mit den Landesjustizverwaltungen über entsprechende Zahlen. Sie geben ein erfreuliches Bild: Die Räumungsklagen haben zwar in der ersten Zeit nach der Aufhebung des Mieterschutzes zunächst im allgemeinen zugenommen, keineswegs aber in einem unvertretbaren Ausmaß.

(Abg. Frau Berger-Heise: Was heißt „unvertretbar"?)

Teilweise haben sie sogar abgenommen. Soweit die Zahl der Räumungsklagen zunächst anstieg, ist sie nach kurzer Zeit wieder auf den früheren Stand oder sogar noch weiter zurückgegangen. Diese Entwicklung hält offensichtlich an: In den am 1. Januar 1965 „weißen" Kreisen war im zweiten Halbjahr 1965 die Zahl der bei den Gerichten eingegangenen Räumungsklagen fast überall geringer als im ersten Halbjahr 1965. Darüber hinaus berichten übrigens die Gerichte, daß sich die Räumungsprozesse im allgemeinen viel rascher und einfacher erledigen lassen; die früher häufig notwendigen langen Beweisaufnahmen über angebliche erhebliche Belästigungen oder über behaupteten Eigenbedarf, die unter der Geltung des Mieterschutzgesetzes notwendig waren, sind heute meist entbehrlich. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD wäre wieder mit solchen langwierigen Mietprozessen zu rechnen, zum Nachteil für alle Beteiligten, auch für die Mieter. Denn was nützt einem Mieter ein gewonnerer Prozeß, wenn dadurch ,der Hausfrieden so gestört ist, daß deshalb die Verhältnisse im Hause für ihn unerträglich werden?!
Die Zahlen über die beantragten und die durchgeführten Zwangsräumungen, die uns ebenfalls seit dem 1. Januar 1965 aus den ,;weißen" Kreisen berichtet werden, sind nicht besorgniserregend. Die Zwangsräumungen nehmen überwiegend ab. Und was die hohe Zahl der Obdachlosen betrifft, so haben die statistischen Sondererhebungen in Nordrhein-Westfalen ergeben, daß die große Mehrzahl der Obdachlosen auf Grund von Räumungstiteln obdachlos geworden ist, die vor Aufhebung des Mieterschutzgesetzes ergangen sind. Also auch hierfür kann man die Aufhebung des Mieterschutzes nicht verantwortlich machen.
Schließlich rechtfertigt die Entwicklung der Mietpreise seit der Aufhebung der Mietpreisbindung in den „weißen" Kreisen es ebenfalls nicht, von einem „sozialen Notstand" zu sprechen. In den seit dem 1. November 1963 „weißen" Kreisen haben sich nach den Feststellungen der amtlichen Statistik die Mieten der Altbauwohnungen — diese interessieren in diesem Zusammenhang in erster Linie — um durchschnittlich 23 % erhöht.
Lassen Sie mich noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu den einzelnen Vorschriften des vorliegenden Gesetzentwurfs machen.
Art. I sieht eine Änderung des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes, des in der Öffentlichkeit leider irreführend so genannten Mietwucherparagraphen, vor. Würde der Antrag insoweit Gesetz werden, so würde der Gesetzgeber damit von einer der Grundsatzentscheidungen der Abbaugesetzgebung abweichen. Denn es würde praktisch auf dem Umweg über eine Bußgeld- oder Strafvorschrift wieder die Mietpreisbindung eingeführt. Nach Ansicht der Bundesregierung besteht kein Anlaß, die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers über den Abbau der Mietpreisbindung zu revidieren. Es besteht auch kein sonstiger Anlaß, die Vorschrift des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes zu ändern.
Wenn behauptet wird, diese Vorschrift sei nahezu wirkungslos, so ist das nicht gerechtfertigt. Soweit auf Fälle verwiesen wird, in denen erhebliche Mietpreiserhöhungen nicht geahndet worden seien, muß einmal berücksichtigt werden, daß es sich zum Teil um Fälle des echten Mietwuchers nach § 302 e des Strafgesetzbuches handelte. Zum anderen muß beachtet werden, daß eine erhebliche Mieterhöhung bei näherer Kenntnis der Umstände des Einzelfalls durchaus gerechtfertigt sein kann, z. B. wegen der Lage der Wohnung, ihrer Ausstattung oder ihres baulichen Zustandes oder wegen des besonderen Zweckes, dem sie zu dienen bestimmt ist; denken Sie nur an eine auf Dauer gemietete Ferienwohnung. Vor allem aber wird immer wieder übersehen, daß Verstöße gegen § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes regelmäßig Ordnungswidrigkeiten darstellen, die durch die zuständigen Verwaltungsbehörden geahndet werden und nur unter den Voraussetzungen des § 3 des Wirtschaftsstrafgesetzes als kriminelle Straftat durch die Strafgerichte verfolgt werden. Die Verfolgung von Mietpreiserhöhungen durch die Preisbehörden tritt aber im allgemeinen nicht an die Offentlichkeit. Dabei ist die stille Tätigkeit dieser Behörden regelmäßig bedeutsamer und wirkungs-
2334 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Bundesminister Dr. Jaeger
voller als einzelne Strafurteile. Denn anders als die Strafverfolgungsbehörden können die Preisbehörden vor Festsetzung einer Geldbuße mit dem Vermieter wegen einer Herabsetzung des Mietzinses verhandeln; wird so eine Herabsetzung erreicht, so wirkt sich dies bei weiter bestehendem Mietverhältnis psychologisch nicht so ungünstig aus wie eine Bestrafung. Die Behörden machen von dieser Möglichkeit, wie berichtet wird, weitgehend und mit Erfolg Gebrauch.
Gegen die von der Opposition vorgeschlagene Änderung des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes bestehen zudem erhebliche rechtliche Bedenken. Die Vorschrift enthält schon jetzt mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe, so daß eine Anreicherung durch weitere Begriffe dieser Art — „in der Regel" oder „nach der besonderen Lage des Einzelfalles" — mit dem Gebot der gesetzlichen Bestimmtheit des Tatbestandes — Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes — nicht vereinbar sein könnte.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Bei dieser Gelegenheit darf ich vorsorglich bemerken: Die Gestaltung des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes ist das Ergebnis jahrelanger Überlegungen, die auf den Erfahrungen aufbauten, die seit dem ersten Weltkriege mit Preistreibereivorschriften gemacht worden sind. Ich weiß, daß die Vorschrift nicht ideal ist, auch nicht ideal sein kann; schon 1962, als § 2 a ausdrücklich auch gegen Mietpreisüberhöhungen gerichtet werden sollte, sprach die Bundesregierung in der Begründung ihrer Vorlage von der „erfahrungsgemäß unvermeidbaren Unvollkommenheit" einer solchen Vorschrift. Eine bessere Lösung, als § 2 a sie darstellt, läßt sich nicht finden, wenn man die Wohnungswirtschaft nicht doch wieder in Fesseln legen will. Gerade die „unvermeidbare Unvollkommenheit" des § 2 a gibt Veranlassung zu einer elastischen Regelung, nämlich dazu, die meisten Fälle von Mietpreisüberhöhungen als Ordnungswidrigkeiten durch die Preisbehörden verfolgen zu lassen. Eine solche Regelung muß die SPD-Fraktion zumindest früher einmal als zweckmäßig angesehen haben; denn nach ihrem Antrag vom 16. September 1955 — Bundestagsdrucksache 1674 — sollten Preisüberhöhungen sogar ausnahmslos Ordnungswidrigkeiten darstellen.
Durch Art. II soll die sogenannte Sozialklausel geändert werden. Die Bundesregierung hält eine Änderung der Vorschriften der Sozialklausel nicht für erforderlich. Die geltenden Vorschriften haben sich bisher weder als zu eng erwiesen, noch werden sie von den Gerichten zu eng ausgelegt. Sie gewähren in Härtefällen einen ausreichenden Schutz, insbesondere auch den betagten und kranken Mietern und den kinderreichen Familien. Es wird häufig auf einzelne Urteile verwiesen, in denen Mietverhältnisse trotz solcher Voraussetzungen nicht verlängert worden sind.

(Zuruf von der SPD: Eben!)

Dabei werden fast immer nur einseitig die Verhältnisse auf seiten der Mieter geschildert, die besonderen Verhältnisse auf seiten der Vermieter aber nicht erwähnt. Da die Gerichte bei ihrer Entscheidung eine Abwägung zwischen den Interessen der Mieter und der Vermieter vorzunehmen haben, gibt das dann ein falsches Bild. Es trifft übrigens keineswegs zu, daß bei dieser Interessenabwägung die Gerichte den Interessen der Vermieter immer den Vorrang geben. Wir haben allerdings leider feststellen müssen, daß die Mieter offenbar häufig von ihren Rechten nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht Gebrauch machen und daß darauf manche Schwierigkeiten, in die die Mieter geraten sind, beruhen.

(Zuruf von der SPD: Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuld!)

Insoweit würde die Rechtsposition der Mieter durch den vorliegenden Gesetzentwurf der SPD erheblich verschlechtert: Während nach geltendem Recht der Widerspruch drei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses — bei vierteljährlicher Kündigungsfrist zwei Monate vorher — erklärt werden muß und diese Frist vom Gericht nur auf Einrede des Vermieters zu beachten ist, müßte der Mieter nach dem Gesetzentwurf der Opposition spätestens vier Wochen nach Zugang der Kündigung — also regelmäßig viel früher als nach geltendem Recht — widersprechen, und das Gericht müßte die Einhaltung der Frist von Amts wegen beachten.
Nach Art. III des vorliegenden Gesetzentwurfs soll die Höchstdauer der Räumungsfristen von einem Jahr auf zwei Jahre verlängert werden. Das ist bereits am 2. Juni durch Rechtsverordnung der Bundesregierung auf Grund einer entsprechenden Ermächtigung im zweiten Mietrechtsänderungsgesetz geschehen; die Verordnung ist vor einer Woche im Bundesgesetzblatt verkündet worden und in den weißen Kreisen bereits in Kraft getreten.

(Abg. Frau Berger-Heise: Befristet!)

— Ich komme darauf. Der vorliegende Gesetzentwurf scheint allerdings diese Fristen nicht nur für eine begrenzte Übergangszeit, sondern für immer auf zwei Jahre verlängern zu wollen. Das ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht vertretbar, denn es hätte zur Folge, daß auch in Zeiten, in denen keine Schwierigkeiten bei der Ersatzraumbeschaffung mehr bestehen, aus Räumungsurteilen und Räumungsvergleichen — aus vollstreckbaren Titeln, wohlgemerkt! — oft jahrelang nicht vollstreckt werden kann.
Aus allen diesen Gründen bedauere ich feststellen zu müssen, daß die Bundesregierung den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD nicht befürworten kann.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504728100
Das Wort hat Herr Minister Bucher.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504728200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe, wenn ich unmittelbar nach dem Herrn Bundesminister der Justiz das Wort ergreife, eingedenk der vorhergehenden Debatte zur Geschäftsordnung, ein etwas schlechtes Gewissen. Aber ich glaube Ihnen in Aussicht stellen
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2335
Bundesminister Dr. Bucher
zu können, daß nicht weitere sechs Regierungsmitglieder noch folgen werden, und zum anderen glaube ich, daß es wirklich zweckmäßig ist, den Standpunkt der Bundesregierung von der rechtlichen und von der wohnungspolitischen Seite her geschlossen vorzutragen.
Zu Beginn darf ich auf die Anfrage antworten, die mir Herr Kollege Jacobi zum Problem der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gestellt hat. Ich bedauere, auf die Wette schon deshalb nicht eingehen zu können, weil ich kein passionierter Tomatensaft-Trinker bin und auch bezüglich der Haltbarkeit dieses Getränks Zweifel habe.

(Abg. Jacobi [Köln] : Ich biete Ihnen Rotwein an; wir können uns noch darüber unterhalten!)

— Mit Rotwein kommen wir der Sache schon näher. Aber dann muß ich Ihnen gestehen, daß ich die Wette nicht annehmen kann, weil die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen inzwischen geantwortet hat. Der Brief ist mir ,gestern zugegangen. Die Antwort erfüllt aber nicht die zweite Bedingung Ihrer Wette, sie ist nicht befriedigend; jedenfalls befriedigt sie mich nicht, soweit ich das bis jetzt bei einmaligem Durchlesen feststellen konnte.
Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß dann, wenn in der Sache keine Einigung möglich ist, der Weg beschritten werden muß, den das Grundgesetz für solche Fälle mit seinem Art. 84 vorsieht.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Minister, der Briefwechsel könnte sich bis zum 10. Juli so hinziehen! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Der Briefwechsel ist abgeschlossen. Ich werde die Sache dem Kabinett vortragen müssen. Im übrigen handeln wir ohne Ansehung der Partei und der Person. Wir haben eine ähnliche Auseinandersetzung mit dem Senat von Berlin, und dabei geht es sicherlich nicht um Wahlgesichtspunkte.
Nun aber zu Ihrem Antrag! Herr Kollege Jacobi hat zu Beginn der Begründung gesagt, es gehe nicht darum, etwa den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft rückgängig zu machen. Ich begrüße das. Aber ich meine, der Antrag entspricht nicht unseren Vorstellungen vom Eigentum und ist auch nicht praktikabel. Der Vermieter ist ja zunächst einmal Eigentümer, und es lohnt sich immer wieder, sich folgenden Passus des Grundgesetzes zu vergegenwärtigen:
Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden ,durch die Gesetze bestimmt.
Eigentum verpflichtet.

(Zuruf von der SPD: Eben!)

Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Nun ist die Anwendung dieser Verpflichtungsklausel, um die es hier geht, unterschiedlich nach dem Objekt des Eigentums und nach dem Zeitpunkt sowie nach der politischen Situation. Nach dem Objekt: Sicher werden Perserteppiche nie interessant sein für diese soziale Verpflichtungsklausel, wohl aber zweifellos Grund und Boden sowie Gebäude, weil sie nun einmal nur begrenzt vorhanden sind.
Zeit und Situation: Natürlich sind Bewirtschaftung, Mietstopp, Kündigungsschutz notwendig, wenn, wie nach dem Kriege, 50 % des Wohnungsbestands zerstört sind, wenn dazu der vorhandene Bestand noch für die Vertriebenen in Anspruch genommen werden muß. Aber es wäre falsch, an der Idee des Mieterschutzes unbegrenzt festzuhalten. Ich kann mir nicht helfen, im Ergebnis, wenn auch nicht in der Formulierung, kommt Ihr § 556 a wieder auf den Mieterschutz mit den drei bestimmten Gründen, die es hierfür gibt, hinaus.
Wir müssen doch für die heutige Zeit unseren Versorgungsgrad an Wohnraum berücksichtigen, der wie folgt aussieht. Für 1000 Einwohner gab es im Gebiete der Bundesrepublik vor dem Kriege — 1939 — 275 Wohnungen, dagegen 1964 315 und 1965 320 Wohnungen, also mehr Wohnungen als vor dem Kriege, Ich betone, bei dieser Statistik sind unter den Einwohnern selbstverständlich alle Einwohner inbegriffen, z. B. auch Ordensangehörige, unter den Wohnungen sind andererseits z. B. die Notwohnungen nicht aufgeführt. Es ist also eine Statistik, die eindeutig ergibt, daß der Versorgungsgrad heute gleich wie vor dem Kriege ist, selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Haushaltungen kleiner geworden sind und der Wohnungsbedarf damit größer.
Noch eine Zahl, die, glaube ich, auch von Bedeutung ist, wenn man die Situation beleuchten will: Der Anteil der Ausgaben für Miete am Einkommen liegt bei uns heute nach wie vor bei durchschnittlich 10 bis 11 %. Es ist also kein übermäßig hoher Anteil.
Wenn wir uns auf Grund dieser Situation die soziologische Figur des Vermieters und des Mieters ansehen, ist es natürlich sehr schwierig, mit Einzelfällen zu operieren und selbst Urteile zu zitieren; denn es stellt sich dann immer wieder heraus — siehe die vorhergehende Zwischenfrage des Herrn Kollegen Hauser —, daß hinter dem Leitsatz eines Urteils dann doch noch Tatbestände versteckt sind, die ein ganz anderes Bild ergeben, als man es dem Leitsatz entnehmen möchte.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Die SPD hat in ihren Reihen erfreulicherweise eine stattliche Anzahl prominenter Kommunalpolitiker. Einer dieser sozialdemokratischen Kommunalpolitiker — ich nenne den Namen deshalb nicht, weil es sich dort, was ich zugeben muß, um einen etwas speziellen Fall handelt — sagte mir neulich, wenn bei ihm in der Altstadt der Haus- und Grundbesitzerverein zusammentrete, sei das eine höchst unansehnliche Veranstaltung armer Leute, während es beim Mieterbund durchaus gutbürgerlich zugehe.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

2336 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Bundesminister Dr. Bucher
Ich will nur sagen, solche Möglichkeiten gibt es also durchaus auch.

(Abg. Dr. Schäfer: Das sind eben anscheinend gesittete Menschen!)

— Wer?

(Abg. Dr. Schäfer: Die, auf die sich das zweite bezog! — Zuruf von der SPD: Was soll damit bewiesen werden?)

— Damit will ich sagen, daß es eine Vergröberung und Verallgemeinerung ist, wenn man immer davon spricht: die Vermieter haben die stärkere Stellung; die Mieter sind ihnen ausgeliefert.

(Abg. Dr. Schäfer: Aber, Herr Minister! — Abg. Jacobi [Köln] : Das muß man doch so ausdrücken; das ist doch keine Verallgemeinerung!)

Genauso ist es mit den Einzelfällen. An mein Haus werden natürlich — da haben Sie recht, Herr Jacobi — eine ganze Menge Beschwerden herangetragen. Ich bedaure es sicher, wenn eine solche Panne passiert wie die mit dem von Ihnen geschilderten Schemabrief. Aber — um darauf kurz einzugehen — es ist natürlich für uns fast unmöglich, einen Brief zu beantworten, in dem jemand sagt: Auf Grund der bestehenden Gesetzgebung bin ich nun nach einem Räumungsprozeß zum Auszug aus meiner Wohnung verurteilt worden; hilf mir! — Eigentlich kann man darauf gar nichts schreiben. Nun bemüht man sich, dem Mann einiges zu sagen. Allerdings sollte das auf andere Weise geschehen; das ist zuzugeben.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504728300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504728400
Ja, bitte!

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0504728500
Herr Minister, wäre es nicht besser, Ihr Haus sagte den Leuten klipp und klar: auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen kann Ihnen nicht geholfen werden, statt daß man auf einer rechtlichen Basis herumtrampelt, die nicht mehr da ist?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504728600
Man kann tatsächlich darüber streiten, ob das nicht zweckmäßiger wäre. Das Bemühen bei diesem Brief war offenbar, dem betreffenden Einsender klarzumachen, daß nun nicht etwa die Bundesregierung oder der Bundestag — die Mehrheit des Bundestages, wenn Sie so wollen — ein völlig unsozialer Verein ist, der sich der Schwierigkeiten der Mieter gar nicht bewußt ist, sondern daß man sich bemüht hat, durch Kündigungsfristen usw. usw. auch zu helfen.

(Abg. Jacobi [Köln] : Der Mann war schon parterre!)

Nun, die vielen Zuschriften. Ich bin neulich einmal — ich tue das öfter; es ist nicht so, daß bei uns nur Schemabriefe geschrieben werden; ich beantworte viele solcher Zuschriften auch persönlich — einer
Zuschrift nachgegangen, wo eine mir aus der Presse bekannte angesehene Dame, die sich auf religiösem und schriftstellerischem Gebiet betätigt, mir in bewegten Worten das Schicksal einer 88jährigen Dame geschildert hatte, die bei einem rücksichtslosen Vermieter wohne, welcher sie heraussetzen wolle. Ich habe gedacht, es ist zwar nicht meines Amtes, aber ich versuche doch einmal, auf den Mann einzuwirken und mit ihm zu reden. Ich habe ihm geschrieben. Die Antwort, durchaus ebenso glaubhaft, war, daß er sehr dringend diesen Raum braucht, seit Jahren schon, daß er für die alte Dame etwas wirklich passendes anderes gefunden hat, daß er auch bereit ist — so hat er erklärt —, mit mir und der Mieterin zusammenzukommen und Rede und Antwort zu stehen, daß aber, wie es bei alten Leuten manchmal so ist, diese etwas bockig ist und da bleiben will, wo sie seit vielen Jahren ist.
Sie sehen, mit solchen Einzelfällen kann man schlecht operieren, und wenn man die beiden Seiten hört, sieht's dann oft nachher ganz anders aus.
Es steht doch hier im Hause nicht im entfernten Hintergrund die Vorstellung, Eigentum sei Diebstahl, sondern das ist doch in den allermeisten Fällen erarbeitet, sauer erarbeitet. Die Leute, die heute für ein Haus sparen, müssen ja 25 bis 30 % ihres Einkommens dafür aufwenden. Es gibt auch nur einen kleinen Prozentsatz von Hauseigentümern, die entweder als Glücksritter oder sonst auf nicht gerade seriöse Weise ihr Eigentum erworben haben. Wir bemühen uns ja, mehr Eigentum zu schaffen, und dem würde es doch entgegenstehen, wenn wir von vornherein dem Vermieter unterstellen, daß er in unnötiger Weise oder aus Rücksichtslosigkeit dem Mieter kündigt.
Wir wollen neues Eigentum schaffen, vor allem auch in der Form der Eigentumswohnung. Nebenbei gesagt, gerade diese Institution scheint mir als Brücke zwischen den sozialen Figuren der Vermieter und der Mieter besonders geeignet zu sein. Sie scheint mir gerade besonders dazu geeignet zu sein, das Denken in starren Kategorien — hie Vermieter, hie Mieter — abzuschaffen. Je mehr Eigentum an Wohnungen geschaffen wird, desto mehr muß der Vermieter daran interessiert sein, seine Mieter zu halten; denn — nun beschuldigen Sie mich nicht eines ganz übertriebenen Optimismus — ich kann mir vorstellen, daß in nicht allzu ferner Zeit, trotz der heutigen Situation, Schilder „Zu vermieten" an Häusern zu sehen sein werden.

(Abg. Jacobi: [Köln]: Das ist leider noch weitgehend Zukunftsmusik! — Abg. Frau Berger-Heise: Herr Minister, das haben wir von Ihrem Vorgänger schon so oft gehört!)

— Ich glaube es trotzdem! — Dieses Interesse, seine Mieter zu halten, hat der Vermieter doch auch natürlicherweise. Jeder Vermieter muß doch froh sein, wenn er einen soliden Mieter hat, der bei ihm bleibt. Er hat doch kein Interesse, dauernd zu wechseln.
Selbstverständlich gibt es Konflikte. Ich bin nicht so optimistisch wie Othello bei Shakespeare: „Pfui,
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2337
Bundesminister Dr. Bucher
solche Menschen gibt's nicht, 's ist unmöglich!" Natürlich gibt es solche Menschen. Aber wenn das Verhältnis nun einmal schlecht ist, dann hilft auch die beste staatliche Schutzgesetzgebung nichts, die dann ein Zusammenleben von Vermieter und Mieter ermöglicht. Deshalb halte ich das soziale Mietrecht, so wie wir es jetzt haben — das im übrigen, was damals eine Novität war, auch für die Neubauwohnungen eingeführt worden ist, die vorher völlig frei von solchen Bindungen waren und ich bejahe es, daß diese Bindungen auch für sie gelten —, für richtig. Es sollte von Anfang an kein Ersatz für einen Mieterschutz sein, sondern sollte dem Befehl des Art. 14 des Grundgesetzes „Eigentum verpflichtet" entsprechen. Die Rechtsprechung hat es auch im allgemeinen so ausgelegt. Herr Kollege Jacobi, ich habe hier eine ganze Reihe von Urteilen, vorn Justizministerium zusammengestellt, in denen durchaus auch die Sozialklausel angewendet worden ist, gerade im Falle von Alter, Krankheit usw.

(Abg. Jacobi [Köln] : Alter und Krankheit!)

Sicher, die Rechtsprechung ist noch -sehr widerspruchsvoll. Mir fällt vor allem in dieser Zusammenstellung auf, daß es häufig Urteile von Amtsgerichten sind. Da sie in Fachzeitschriften veröffentlicht sind, muß ich annehmen, es sind rechtskräftige Urteile. Mir fällt auf, daß man nicht wenigstens von der Möglichkeit der Berufung an die Landgerichte Gebrauch gemacht hat; denn das ist zuzugegeben, wir kommen kaum je zu einer einheitlichen Rechtsprechung auf diesem Gebiet. Ich habe mir deshalb auch die Anregung an den Herrn Bundesjustizminister erlaubt, die 'bei ihm noch geprüft wird, ob man nicht die Möglichkeit einer Sprungrevision statt der Berufung schaffen könnte, damit wir dann wenigstens oberlandesgerichtliche Urteile bekommen könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das würde natürlich in jedem Falle Einverständnis der beiden Prozeßparteien voraussetzen. Sie werden vielleicht sagen: Das. gibt Steine statt Brot. Aber ich würde es doch für sehr wichtig halten, daß wir auf diese Weise zu einer einheitlichen Rechtsprechung kommen und dieses etwas unklare Bild dann aufhört.
Meine Damen und Herren, wenige Worte noch zum speziellen Inhalt Ihrer Anträge. Daß nach Ihrem § 556 a der Vermieter die Kündigung mit Gründen versehen muß, dürfte doch dem Grundsatz des Eigentums widersprechen. Logischer ist doch, daß der Mieter, wenn er sagt, die Kündigung sei — in Ihrem Sinne — sozial nicht gerechtfertigt, vorträgt, warum sie sozial nicht gerechtfertigt ist. Man kann doch nicht generell davon ausgehen, daß jede Kündigung irgendwie fragwürdig ist und deshalb begründet werden muß. Es ist im Arbeitsrecht nicht anders. Im Arbeitsrecht kündigt ja auch der Arbeitgeber ohne Gründe, von Ausnahmen abgesehen: Betriebsratsmitgliedern usw. Es ist dem Arbeitnehmer überlassen — und er hat das Recht —, die Sozialwidrigkeit dieser 'Kündigung geltend zu machen. Wenn es um die Arbeitsstelle geht, geht es doch oft um die Existenz des Arbeiters, also umeine Frage, die mindestens so wichtig ist wie hier die Wohnung.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504728700
Zwischenfrage!

Margarete Heise (SPD):
Rede ID: ID0504728800
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, ,daß ein Teil der Kündigungen, die lediglich aus persönlichen Reibungen, aus Verärgerungen ausgesprochen werden, unterbleiben würden, wenn der Vermieter gehalten wäre, einen Kündigungsgrund anzugeben?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504728900
Ich glaube, gerade umgekehrt, gnädige Frau. Denn wenn der Vermieter einen Grund angeben muß, dann wird er ja suchen, daß, wie wir auf schwäbisch sagen, möglichst viel Heu herunterkommt. Dann muß seine Begründung Hand und Fuß haben, und dann ist umgekehrt der Mieter gezwungen, dagegen anzugehen und dagegen zu protestieren. Ich glaube, das verhindert eine Einigung; denn der Mieter würde sich dann sagen: Das kann idh mir doch nicht nachsagen lassen, was hier steht. Wenn dagegen kein Grund angegeben wird, dann ist es eher möglich, sich gütlich zu einigen. Das hat jedenfalls zwei Seiten.
Zu dem anderen Antrag zu § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes will ich mir weitere Ausführungen sparen, da der Herr Bundesminister der Justiz bereits dazu Stellung genommen hat.
Die Bundesregierung hat sich — Herr Jacobi hat das schon ausgeführt — für eine Verlängerung der Räumungsfristen von einem auf zwei Jahre entschieden. Das ist nun keine tätige Reue. Es ist auch nicht so, daß die Bundesregierung das vor kurzem noch abgelehnt hätte. Ich glaube, Sie spielen hier auf eine Antwort in der Fragestunde an, die Herr Kollege Jaeger gegeben hat.

(Abg. Jacobi [Köln] : Ja!)

Ich bitte Sie, das genau nachzulesen. Herr Kollege Jaeger hat ausdrücklich gesagt, die Bundesregierung denke nicht an eine Änderung auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts, also etwa der Sozialklausel. Ich hatte mich schon vorher mit ihm über die Möglichkeit einer Verlängerung dieser Räumungsfrist unterhalten. Sie ist lange vor Ihrem Antrag und auch etwa vor der Auseinandersetzung in Nordrhein-Westfalen in der Debatte. Das werden Sie zugeben. Wir haben uns schon lange darüber unterhalten und das von vornherein schon einmal nicht abgelehnt. Es handelt sich nicht um eine tätige Reue, sondern es ist einzusehen und zuzugeben —daraus habe ich nie ein Hehl gemacht —, daß es Fälle gibt, wo die einjährige Frist zu kurz war, wo die Gerichte dann auf das sehr unschöne Ausweichmittel des § 765 a ZPO zurückgreifen mußten, also das Vollstreckungsgericht erklären mußte, die Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils würde gegen die guten Sitten verstoßen — das ist nicht gerade schön —, und wo die bekannte Einweisung durch die Obdachlosenpolizei stattfand. Aber wir haben uns in der Bundesregierung gesagt: das sind aus-
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Bundesminister Dr. Bucher
gesprochene einzelne Härtefälle, und diesen Härtefällen kann man dadurch gerecht werden, daß man die Möglichkeit .gibt, die Räumungsfrist zu verlängern. Das ist eine Möglichkeit. Das muß nicht generell geschehen. Wir halten es aber nicht für notwendig, generelle Maßnahmen zu treffen, wie sie in Ihrem Antrag vorgeschlagen sind.
Da aber Herr Kollege Jacobi mit Recht auch auf die allgemeine wohnungspolitische Situation eingegangen ist, lassen Sie mich doch noch einiges über die Situation im sozialen Wohnungsbau sagen. Wie in der Regierungserklärung vom November vergangenen Jahres verkündet worden ist, wird der soziale Wohnungsbau fortgeführt. Hierbei müssen freilich zur Zeit sehr viele Schwierigkeiten überwunden werden. Ich möchte hier ein ganz ungeschminktes, objektives Bild geben. Sie alle wissen, welche Opfer mit den unvermeidbaren Einschränkungen im Bundeshaushalt 1966 auch der soziale Wohnungsbau bringen mußte. Unter anderem sind sogar laufende Rückflüsse früher gewährter Wohnungsbaudarlehen entgegen der sogenannten Lex Lipinski für allgemeine Haushaltszwecke abgezweigt worden. Die Beengung in den meisten Landeshaushalten ist ebenfalls sehr groß, und die Schwierigkeiten am Kapitalmarkt, die zu einer wesentlichen Erhöhung des Zinses geführt haben, sind Ihnen gleichfalls bekannt. Die Auswirkungen des Rückgangs der öffentlichen Mittel für den sozialen Wohnungsbau in den letzten Jahren und die Auswirkungen der Kapitalverteuerung sind sehr deutlich. Im Jahre 1960 — ich muß nun einige Zahlen nennen — wurden 325 000 Sozialwohnungen im Bundesgebiet gefördert. Im Jahre 1964 waren es schon nur noch 260 000 infolge der damals bestehenden Degression, im Jahre 1965 waren es 209 000. Der Wohnungsbau ist also allein im letzten Jahr weiter um 20 v. H. zurückgegangen, und auch im ersten Drittel dieses Jahres setzt sich diese Entwicklung fort.
Angesichts der drastischen Etatkürzungen und der Kapitalmarktlage kann diese Entwicklung nicht überraschen. Aber sie bedrückt mich. Natürlich muß man zugeben, daß der soziale Wohnungsbau heute nicht mehr der Schwerpunkt katexochen im Bundeshaushalt ist. Man kann hier nicht aus einem Ressortdenken heraus daran festhalten, daß das immer so weitergehen müßte. Natürlich gibt es heute andere Schwerpunkte. Aber auch wenn eine normale Entwicklung darin besteht, daß der soziale Wohnungsbau zurückgeht, muß sich doch dieser Rückgang in gesunden wirtschaftlichen Grenzen halten. Freilich steckt in dem hohen Überhang an genehmigten, aber noch nicht bezugsfertigen Wohnungen zu Beginn dieses Jahres in Höhe von annähernd 800 000 auch ein erheblicher Teil von Sozialwohnungen, wahrscheinlich 300 000. Sie werden in diesem und im kommenden Jahr bezugsfertig werden. Aber auch die Fertigstellungen im sozialen Wohnungsbau haben in den letzten sechs Jahren von über 300 000 im Jahre 1959 auf 225 000 im letzten Jahr abgenommen, selbstverständlich parallel zur Förderung. Der Anteil des sozialen Wohnungsbaus an sämtlichen Wohnungen ist 1965 auf 38 % gesunken und wird im laufenden Jahr erneut geringer sein. Je stärker die Bauprogramme 1966 eingeschränkt werden, um so größer muß die Abnahme bei den Fertigstellungen in den kommenden Jahren sein. Eine solche Entwicklung kann und darf aber nach der Zielsetzung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und auch nach unserer Regierungserklärung nicht eintreten. Sie würde den sozial- und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung zuwiderlaufen.
Nun ist im Haushalt für 1966 eine Bindungsermächtigung in Höhe von 210 Millionen DM für die in § 19 a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vorgesehenen Bindungszwecke eingebracht. Diese Bindungsermächtigung, zu der dann die 70 Millionen DM hinzukommen, die immerhin noch im Haushalt dieses Jahres enthalten sind, wird im Laufe des Sommers an die Länder verteilt werden.

(Zuruf von der Mitte: Bravo!)

Das gleiche gilt für die rund 160 Millionen DM, die im Haushalt 1966 als Bindungsermächtigung für die Fortführung des SBZ-Wohnungsbaus vorgesehen sind, wobei damit gerechnet werden kann, daß auf Grund der Verhandlungen, die noch bevorstehen, sogar eine gewisse Erhöhung eintritt.
Schon in den letzten Jahren hat sich mit den wachsenden Schwierigkeiten in der Baulandversorgung neben der klassischen Form des Familienheims vor allem in den größeren Städten die Eigentumswohnung stärker entwickelt. Von den Sozialwohnungen in Mehrfamilienhäusern, die 1965 gefördert wurden, waren bereits 5 % Eigentumswohnungen. Drei Jahre vorher waren es erst 2 %.
In diesem Zusammenhang möchte ich besonders hervorheben, daß das Bundeskabinett im Hinblick auf die notwendige Fortführung des sozialen Wohnungsbaus seinerzeit ausdrücklich beschlossen hat, daß eine Inanspruchnahme von Rückflüssen und die vorübergehende Suspendierung des § 19 a — also mit der Aufstockung der Degression — auf das Haushaltsjahr 1966. beschränkt bleibt.
Ich muß auch darauf hinweisen, daß dem sozialen Wohnungsbau für die breiten Schichten der Bevölkerung vor allem im laufenden und im kommenden Jahr eine außerordentliche Bedeutung zukommt. Das gilt insbesondere für die Schlußphase des Abbaus wohnungszwangswirtschaftlicher Bindungen.
Es wird, das darf ich zum Schluß noch sagen, der allgemeinen Wohnungsversorgung zugute kommen, daß der steuerbegünstigte und frei finanzierte Wohnungsbau jedenfalls bisher trotz der Schwierigkeiten und der Verteuerung der erststelligen Finanzierung auf hohem Niveau weitergeht, so daß — und das ist nun ein gewisser Trost gegenüber dem zunächst etwas betrüblichen Bild, das ich vom sozialen Wohnungsbau zeichnen mußte — in diesem Jahr wiederum mit einem Zugang von annähernd 600 000 bezugsfertigen Wohnungen und im nächsten Jahr mit etwa 550 000 Wohnungen insgesamt gerechnet werden kann.
Auch an dieser Stelle muß ich wiederholen, daß die vielfältigen Behauptungen über Wuchermieten, über ein sozial unvertretbares Maß der Kündigungen, Räumungsklagen und Vollstreckungen nicht
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2339
Bundesminister Dr. Bucher
den Tatsachen entsprechen. So hat sich — ich kann natürlich nur Durchschnittsziffern nennen — das Mietniveau der Altbauwohnungen in den Kreisen, die seit Herbst 1963 weiß sind, im Durchschnitt um 23 v. H. gehoben. Bei 22 % der Wohnungen war überhaupt keine Steigerung zu verzeichnen, und nur bei 17 % eine Steigerung über 50 %. Das ergibt sich aus den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes, das ja immer die Verhältnisse von vierköpfigen Arbeitnehmerhaushalten untersucht und beim Preisindex für die Lebenshaltung für den Teilindex Miete verwendet.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504729000
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jacobi.

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0504729100
Herr Bundesminister, darf ich mir die Frage erlauben, ob Ihnen bekannt ist, daß bei den Durchschnittszahlen, die die Statistik mitteilt, das Gefälle von Stadt und Land und die mannigfachen Differenzierungen natürlich nicht in Erscheinung treten, so daß man immer nur Durchschnittswerte bekommt, die zum Teil den Realitäten nicht entsprechen können?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504729200
Selbstverständlich ist das bekannt. Deshalb sagte ich ja auch, daß ich nur Durchschnittswerte nennen könnte. Die Problematik der Statistik ist ja uns allen bekannt. Dieser Tatsache können wir nur dadurch Rechnung tragen, daß wir unsere Baumaßnahmen besonders auf solche Gegenden wie Ballungsgebiete usw. konzentrieren, um hier abzuhelfen. Trotzdem ist es doch wesentlich, solche Zahlen zu nennen. Die Feststellung etwa, daß bei 22 °/o der frei gewordenen Wohnungen überhaupt keine Mietsteigerung stattfand, sagt doch schon etwas aus; das gilt ja dann für alle Gebiete.
Ich wollte diese kurzen Bemerkungen über die wohnungspolitische Situation, wenn sie auch nicht direkt zur Sache gehören, nur deshalb machen, um einen gewissen Hintergrund für die Frage zu geben, ob es notwendig ist, so wie es die Fraktion der SPD vorschlägt, aufs neue die Bindungen des Vermieters zu verstärken. Ich meine, daß es nicht notwendig ist, schließe mich hier voll und ganz den Darlegungen des Herrn Bundesminister der Justiz an und betone allerdings, daß wir vor der Notwendigkeit stehen, den sozialen Wohnungsbau und die damit gestellten sozial- und gesellschaftspolitischen Aufgaben für die Unterbringung unserer Bürger weiterhin fortzuführen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504729300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hauser.

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0504729400
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Herr Kollege Jacobi er ist im Augenblick nicht da —

(Abg. Jacobi [Köln] : Doch! Er ist da! Er hört zu)

- entschuldigen Sie, ich habe nicht nach drüben
gesehen — vorhin mit Recht zur Begründung des Initiativantrags der SPD gegen überhöhte Mietpreise und gegen unbefriedigende sonstige Situationen auf dem Wohnungsmarkt Stellung genommen hat, so kann ich nur versichern, daß meine Freunde und ich mit Ihnen, meine Damen und Herren aus der Opposition, völlig einer Meinung sind, daß jeder Mietwucher die Einführung des sozialen Mietrechts stört und deswegen schon im Interesse des Gelingens dieses großen Werkes unterbunden werden muß, und daß jede unbefriedigende Lösung eines Räumungsverfahrens wenig dazu beiträgt, das soziale Mietrecht in unserem Volke heimisch zu machen. Wir müssen es beklagen, daß es solche Fälle gibt. Wir können aber immerhin auch sagen, daß es — Gott sei Dank — nur Ausnahmefälle sind, wirklich nur Einzelfälle. Sie haben das selber vorhin, Herr Jacobi, so dargestellt.
Wenn in den über 500 weißen Kreisen der Übergang der Wohnungswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft so reibungslos, so lautlos vonstatten gehen konnte, so war dies der Einsicht und der Verständnisbereitschaft unseres gesamten Volkes, der Mieter wie der Vermieter zu verdanken, die einer Angstpsychose, wie sie von seiten der professionellen Miesmacher in diesem Augenblick immer wieder geschürt worden war, wirklich nicht erlegen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es war natürlich vorauszusehen, daß manches Problem, das bis dahin nicht gelöst werden konnte, einer Lösung zugeführt werden mußte. Es war klar, daß die Einführung der weißen Kreise einige Bewegung in den Wohnungsmarkt bringen würde.
Darf ich in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren von der Opposition, nur an das Fiasko erinnern, das der SPD-Oberbürgermeister von Karlsruhe mit seiner Fragebogenaktion über die Wohnungssituation seiner Stadt erlebt hat, kurz nachdem Karlsruhe im letzten Jahr aus der Zahl der schwarzen Kreise ausgeklammert worden war? Diese kleine Wahlhilfe für die SDP zu den Bundestagswahlen im vergangenen Jahr ist tatsächlich fehlgeschlagen. In dem Auswertungsbericht, den der Bürgermeister Wäldele von Karlsruhe im Amtsblatt der Stadt unter dem 31. Januar dieses Jahres veröffentlicht hat, ließ er leider unerwähnt, daß man sage und schreibe 50 000 derartige Fragebogen gedruckt hatte, von denen aber nur knapp 15 % überhaupt abgeholt worden sind.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Dies war schon die erste Enttäuschung, nachdem man sich dort auf eine Großaktion eingestellt hatte. Von den 7000 bis 8000 Fragebogen, die abgeholt wurden, kamen ganze 1187 ausgefüllt zurück. Dabei ergaben sich 447 vorgesehene Kündigungen, von denen sogar der SPD-Bürgermeister Wäldele aus Karlsruhe in dem genannten Bericht schreibt; zweifellos konnte die Mehrzahl zwischenzeitlich gütlich unter den Parteien geregelt werden. Die Kündigungswelle, die vorher als großes Gespenst an die Wand gemalt worden war, ist ausgeblieben, und ich bin der festen Überzeugung, daß auch künftig bei
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Dr. Hauser (Sasbach)

Freigabe in den noch restlich bewirtschafteten Kreisen ebenfalls keine Kündigungswelle eintreten wird. Dies erweist die Übersicht, die das Justizministerium dankenswerterweise seit dem letzten Jahr führt und von der der Herr Minister vorhin gesprochen hat; ich brauche es deswegen nicht näher zu erläutern. Aber um wirklich ein objektives Bild zu bekommen, müßte man selbst bei diesen absoluten Zahlen erst einmal die Relation zur Gesamtzahl der bestehenden Mietverhältnisse in den betreffenden Bezirken haben. Wie das dann aussieht, darf ich Ihnen an folgendem Beispiel erläutern.
Im Bezirk des Amtsgerichts Essen ist die Zahl der Räumungsklagen von 692 im zweiten Halbjahr 1964 auf 473 im zweiten Halbjahr 1965, also um 20 %, zurückgegangen. Bei insgesamt etwa 240 000 Mietverhältnissen in diesem Amtsgerichtsbezirk machen also die Räumungsklagen auf das Jahr gerechnet nur knapp 0,4 % aus. In dieser Relation liegen aber unweigerlich im gesamten Bundesgebiet weithin die Räumungsverfahren vor Gericht. Ist das eine so entsetzliche Zahl, daß man hier immer nur von Notständen sprechen dürfte? Und was die Urteile in Räumungsverfahren betrifft: sind sie wirklich so „überwiegend unbefriedigend", wie Sie, meine Damen und Herren, laut einem Zitat in der „Stuttgarter Zeitung" behaupten?
Ich habe mir die Zeit genommen, eine ganze Reihe von Urteilen in Räumungssachen zu studieren, vor allem solche Urteile, die in den letzten Wochen und Monaten in der Offentlichkeit sehr ausgiebig erörtert worden sind. Etwa jenes Urteil des Landgerichts Karlsruhe, das im Berufungsverfahren auf ein Urteil des Amtsgerichts Ettlingen ergangen war. Hier wurde eine 75jährige Mieterin, zugegebenermaßen pflegebedürftig, die mit ihrer als Schneiderin tätigen Tochter zusammenwohnte, zur Räumung verurteilt. Dieser Mieterin stand aber auf klägerischer Seite ein noch älteres Ehepaar im Alter von 81 und 82 Jahren gegenüber, von dem die alte Frau an deformierenden Gelenkveränderungen litt und deshalb zur Haushaltsführung völlig außerstande war. Sie brauchte notwendigerweise auch ihrerseits eine dauernde Pflege, die aber der ältere Ehemann nicht geben konnte. Um hier die Möglichkeit zur Unterbringung einer Pflegeperson zu geben, wurde halt der Mieterin gekündigt.
Oder jenes andere Urteil des Amtsgerichts Amberg, in dem sich leider die wenig glückliche und durch die Presse gegangene Wendung befindet, daß ein Wohnungswechsel für den betagten Mieter — er war auch schon 80 Jahre alt — sicherlich eine gewisse Beschwernis bedeute, die aber bei zunehmendem Alter eher zunehme, als erträglicher werde. Aber auch hier ergibt sich folgender Tatbestand: Diesem 80jährigen Mieter steht immerhin eine kinderreiche Familie gegenüber, die für ihre vier Kinder im Alter von 9 bis 15 Jahren mehr Wohnraum benötigte und gleichzeitig eine pflegebedürftig gewordene, ebenfalls alte Mutter bei sich aufnehmen wollte. In den Urteilsgründen wird hier ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich das Gericht darum bemüht habe, wenigstens für eine Übergangszeit eine gütliche Regelung zu erreichen, gegebenenfalls durch eine Teilung der Wohnung, daß dies aber — so heißt in den Urteilsgründen — an der deutlich gewordenen Mentalität aller Beteiligten gescheitert sei.
Mit diesen beiden Beispielen, die, wie gesagt, recht bekannt und kritisch bewertet worden sind, möchte ich allein dartun, daß es immer ratsam bleibt, sich zunächst einen Sachverhalt genau anzusehen, ehe man ihn beurteilt, vor allem ehe man eine Pauschalwertung trifft, wie ich sie mit ihren Worten vorhin zitierte, mit den Worten von den „überwiegend unbefriedigenden" Gerichtsurteilen. In diesen beiden Fällen, die ich Ihnen soeben darstellte, bin is sogar der Meinung, daß sie genauso noch unter der Herrschaft des Mieterschutzrechts mit der Eigenbedarfsklage zum Erfolg hätten kommen müssen.

(Abg. Hauffe: Gegen solche Urteile hat ja auch niemand etwas!)

— Aber sie wurden immer zitiert und negativ beurteilt.

(Abg. Hauffe: Die Urteile hat niemand negativ beurteilt!)

— Doch, das Amberger Urteil genauso wie das Karlsruher! Insgesamt darf ich erfreut feststellen, daß sich die Rechtsprechung sehr um eine Interessenabwägung bemüht und in den zwei Jahren seit Abschluß der ganzen Mietnovelle weithin zu einer einheitlichen Gesetzesinterpretation gefunden hat. Sie macht sich je länger, je mehr die Erwägungen zu eigen, die dem Deutschen Bundestag als Gesetzgeber bei Verabschiedung der Novelle für eine berechtigte Anwendung der Sozialklausel vorgeschwebt haben, daß also hohes Alter, Krankheit, lange Mietdauer, Kinderreichtum — um nur diese Beispiele anzuführen — als besondere Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind und gegen die Interessen des Vermieters abzuwägen bleiben.
Aber vielleicht darf ich den Gedanken, den der Herr Minister Bucher vorhin hier zur Sprache brachte, doch auch meinerseits in die Debatte werfen. Er hat angeregt, sich doch in den kommenden Ausschußberatungen darüber Gedanken zu machen, ob man nicht, um Leitsätze auch im Mietrecht zu bekommen, an die Möglichkeit einer Sprungrevision denken könnte.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

— Ich weiß, daß dies einer Ihrer Gedanken ist. Ich gebe es nur zu überlegen und zu erwägen, stelle es zur Debatte, mehr nicht.

(Zuruf von der SPD: Die Einsicht wächst!) — Hoffentlich dann auch bei Ihnen!


(Zuruf von der SPD: Sie waren aber zuerst dran!)

Es ist aber auch nicht so, wie Sie, sehr geehrte Frau Kollegin Berger-Heise, unter dem 6. Mai im SPD-Presesdienst geschrieben haben, daß z. B. im Bezirk Neumünster keinem von 134 Widerspruchsfällen stattgegeben worden sei. Ich darf Ihnen versichern, daß beim Amtsgericht Neumünster lediglich 19 Fälle anhängig geworden waren, von denen in
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Dr. Hauser (Sasbach)

9 Verfahren dem Widerspruch entsprochen worden ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Ich will der Objektivität wegen gern erwähnen, daß Sie in dem Artikel auf die Mitteilung des Mietervereins Neumünster Bezug genommen haben. Ich will weiter erwähnen, daß natürlich unerörtert bleibt, welches Einzugsgebiet der Mieterverein Neumünster über den Amtsgerichtsbezirk Neumünster hinaus hat.
Insgesamt gesehen hat sich der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und die Einführung eines neuen Mietrechts in der Tat gut in unserem Volk eingeführt. Ich bin der festen Überzeugung, daß sich je länger, je mehr die Richtigkeit unserer Konzeption über ein soziales Mietrecht vollauf bestätigen wird und daß dabei auch der Gedanke der Partnerschaft realisiert wird. Dies zeigt sich nicht nur an den Zahlen von Kündigungen und Räumungen, sondern ebenso auch bei der Mietpreisgestaltung.
Ich darf hierzu als Beispiel erwähnen, daß etwa die Nassauische Heimstätte innerhalb ihres Wirkungsbereiches feststellte, daß nun häufiger Umzüge stattfänden als je zuvor, und zwar in 38,4 % der Fälle in größere und bessere Wohnungen, in 10,3 % der Fälle in Eigenheime, die erstellt worden sind. Unter diesen Umständen fragt sich wirklich, ob sich der Titel Ihres Gesetzentwurfes in dieser allgemeinen Form rechtfertigen läßt, worin Sie von der „Behebung sozialer Notstände" reden. Wie ich schon eingangs einräumte, beklagen wir mit Ihnen manchen schwierigen Fall. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren von der SPD: Wenn hier ein so entscheidender Schritt gewagt wird, wie der aus einer 40jährigen Zwangswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft hinein, sind dann jegliche Schwierigkeiten von vornherein auszuräumen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Auch Sie hätten ein solches Kunstwerk nicht fertiggebracht, ganz abgesehen davon, daß Sie bei Ihren museumsreifen Vorstellungen über ein soziales Mietrecht diesen Schritt gar nicht gewagt hätten.

(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun zu den einzelnen Bestimmungen! Sie führen Klage, daß § 2 a des Wirtschaftsstrafrechts nicht genügend durchgreife, und lassen dabei außer acht, daß die Verstöße gegen diese Vorschrift in der Regel und in den weitaus meisten Fällen Ordnungswidrigkeiten sind und nur in seltenen Fällen Strafcharakter haben. Wenn dann oftmals, meine Damen und Herren, sehr spektakulär bei den Staatsanwaltschaften Anzeige erstattet wird und die Staatsanwaltschaft nach entsprechenden Erhebungen 'das Verfahren einstellt, kommt dies natürlich in dicken Schlagzeilen in die Presse. Kaum 'erwähnt oder höchstenfalls im Nebensatz erwähnt wird dabei, daß das Verfahren an die Verwaltungsbehörde zur Ahndung 'der Ordnungswidrigkeit weitergeleitet worden ist. Erlangt Ihr Antrag zu § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes Gesetzeskraft, dann, meine Damen und Herren, wäre wahrhaftig der Bock zum Gärtner gemacht; denn über die Strafvorschriften kämen wir über kurz oder lang zur Wiedereinführung von Preisvorschriften. Legte nämlich der Gesetzgeber zahlenmäßig fest, bis zu welcher Grenze ,der Vermieter mit seiner Mietpreisforderung gehen kann, ohne ein Strafverfahren zu riskieren, so läge die nicht geringe Gefahr vor, diese Grenze zur Norm zu machen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Sie würden damit eine Preissteigerung heraufbeschwören, die Sie 'bestimmt nicht wollen. Ihnen ist doch bekannt, daß die Mietpreissteigerung im Bundesdurchschnitt 'bei 23 % liegt. Wenn Sie aber eine Mietpreisobergrenze von 40 % über der sogenannten Angemessenheitsmiete als noch akzeptabel gesetzlich verankern, ohne daß dies als Wucher anzusehen ist, würden Sie gerade solchen unverantwortlichen Vermietern — ich habe es Ihnen vorhin schon entgegengehalten, Herr Jacobi —, die Sie geißeln, den Freibrief ausstellen, ihren Mietpreis anzuheben, dies um so mehr, als Sie „bei besonderer Lage des Einzelfalles" — so heißt es in Ihrem Text — gar noch ein höheres Entgelt für möglich halten. Das scheint mir das schwerwiegendste Argument gegen Ihren Antrag zu sein. Ich will gar nicht weiter darauf eingehen, wie Sie etwa beim freifinanzierten Wohnungsbau eine Kostenmiete festlegen wollen. Ich will auch nicht näher dartun — der Herr Minister hat es vorhin schon gesagt —, daß Sie noch mehr generalisierende und daher unbestimmte Tatbestandsmerkmale einzuführen vorschlagen und damit erst recht die Richter überfordern.
Sie dürfen es mir nicht übelnehmen, wenn ich auf das, was Sie selbst angeführt haben, Herr Jacobi — entschuldigen Sie, das gebührt mir als Kritiker Ihres Antrags —, bewußt den Finger lege. Ich will Ihnen das an dem Beispiel, das Sie vorhin nannten, zeigen: Die im Wohngeldgesetz genannte Obergrenze der beihilfefähigen Miete läge zum Teil über den Mieten, die Ihr Entwurf bereits als unangemessene Mieten bezeichnet. Ich darf das Beispiel noch einmal unterstreichen, das Sie selbst genannt haben: Für eine Altbauwohnung ohne Sammelheizung mit Bad, Sonderklasse S, beträgt die Obergrenze nach § 43 des Wohngeldgesetzes 2,60 DM. Nach Ihrem Entwurf beträgt diese Obergrenze 1,65 DM plus den 40 %, also 2,31 DM. Es könnten also nach Ihrer Meinung wucherische Mieten beihilfefähig gemacht werden. Und wenn gar die Obergrenzen beim Wohngeld erhöht würden, wofür Sie ja eintreten, würde dieser Widerspruch noch viel größer werden. Hier besteht wirklich eine Ungereimtheit, die Sie selbst klarstellen müssen; es ist ja Ihr Antrag, nicht der unsrige. Wir tragen unseren Teil bei den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen sicherlich dazu bei. Ich darf nochmals unterstreichen: Wir sind gegen jeden Wucher und wollen alles dafür einsetzen, daß jeder Wucher auf dem Mietsektor unterbunden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bei Art. 2 gießen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wirklich Öl in alte Lampen. Dabei handelt es sich doch um die fast unveränderte Neuauflage Ihres Antrags aus dem Jahre 1963. Durch die Wiederholung werden Inhalt und Tendenz wahrhaftig nicht gerechtfertigter. Handelt es sich um die Sehnsucht nach dem alten Mieterschutzrecht, wie es vor dem Abbaugesetz bestanden hat,
2342 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Dr. Hauser (Sasbach)

wenn Sie uns heute diesen Antrag wieder präsentieren?
Nach unserer Vorstellung, wie wir sie stets und unbeirrt vertreten haben, sollte mit dem neuen Mietrecht zwischen den Mietparteien ein partnerschaftliches Verhältnis geschaffen werden. So allein läßt sich der sozialstaatliche Gedanke unseres Verfassungsrechts in die Wirklichkeit umsetzen, daß nämlich allen Kreisen gegenüber, die von der Rechtsetzung betroffen werden, die Gewichte gerecht verteilt werden. An diesem Ziel halten wir fest. Es läßt sich aber nicht erreichen, wenn man einem Teil eine bevorzugte Stellung einräumt, wie Sie es etwa mit Abs. 2 Ihres Vorschlages zu § 556 a wohl vor Augen haben.
Ich will wirklich nicht alles wiederholen, was ich Ihnen zum gleichen Vorschlag schon vor zwei Jahren sagen mußte: daß er mir nicht mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 unseres Grundgesetzes konform zu gehen scheint. Auch das Sozialstaatsprinzip rechtfertigt diesen Vorschlag nicht. Es kann wahrhaftig nicht unterschieden werden zwischen entziehbarem und nicht entziehbarem, zwischen einschränkbarem und nicht einschränkbarem Eigentum. Denn, meine Damen und Herren von der Opposition, Rechtsprinzipien haben nun einmal ihre Grenzen in inhaltlich genau festgelegten Rechtsinstituten.
So hat auch das BGB einen klaren Begriff vom Eigentum mit dem Recht auf freie Verfügung. Diese freie Verfügung würde aber eingeschränkt, wenn § 556 a Ihres Entwurfs in das BGB käme, und zwar für alle künftigen Zeiten, auch für die Zeit eines vollständig ausgeglichenen Wohnungsmarkts, nicht nur für eine begrenzte Notzeit, für die ich eine solche Einengung ohne weiteres für möglich halte, wie es ja auch während der Zeit des Mieterschutzgesetzes der Fall war. Die Sozialklausel fordert dagegen — ich muß Ihnen auch das nochmals darlegen — vorn Vermieter berichtigterweise eine Rücksichtnahme, wo auf seiten des Mieters außerordentliche Umstände vorliegen, die eine Kündigung zu dieser Zeit nicht rechtfertigen, selbst unter Würdigung der Belange der Gegenseite.
Mit Satz 2 des Abs. 1 stellen Sie diesmal die Gleichstellung des Bestandsschutzes eines Mietverhältnisses über Wohnraum mit dem Bestandsschutz heraus, wie er im Arbeitsrecht für den Arbeitsplatz gesetzlich verankert ist.
Aber um eine Antwort bäte ich sie zusätzlich, Herr Reischl, wenn Sie nachher noch sprechen werden: Was verstehen Sie denn eigentlich unter einem „Wohnverhältnis"? Ich begreife, es gibt ein Autoritätsverhältnis, man kann sich auch etwas unter einem Liebesverhältnis vorstellen. Aber von einem „Wohnverhältnis", wie es im Gesetzentwurf genannt wird, habe ich bis dahin wahrhaftig noch nichts gehört.
Zugegeben — um nun wieder ernst zu sein —, zwischen Arbeitsrecht und Mietrecht besteht eine gewisse Parallelität. Sie fordern aber für den Bestandschutz im Wohnrecht mehr, als im Arbeitsrecht bei der Kündigung verlangt wird. Dort wird nämlich allein vorausgesetzt, daß die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Es gibt keine Vorschrift über die Form der Erklärung, es gibt keine Vorschrift darüber, daß die Gründe angegeben werden müssen; sie müssen in einem möglicherweise nachfolgenden Kündigungsschutzverfahren nachgewiesen werden, und dort muß die soziale Rechtfertigung dargetan werden. Hier im Mietrecht aber sollen nach Ihren Vorstellungen die Kündigungsqründe gleich auf den Tisch gelegt werden. Haben Sie, meine Damen und Herren, die psychologischen — nur die psychologischen — Wirkungen bedacht, daß nämlich eine begründete Kündigung oft erst den Widerspruch des Mieters herausfordert, weil er die nun schriftlich niedergelegten Gründe nicht hinnehmen will, obwohl er sonst mit der Aufgabe der Wohnung an sich völlia einverstanden wäre? Kommen wir dann nicht wieder dazu, daß praktisch alle Kündigungsverfahren vor dem Richter abgewicktelt werden und daß die Gerichte — wie es in einer Pressenotiz heißt — neu zu Regulatoren bestellt werden?
Wenn Sie den Vergleich mit dem Arbeitsrecht schon so sichtbar ziehen, haben Sie dann auch bedacht, daß das soziale Band zwischen Mieter und Vermieter nicht derart gegenseitige Treue- und Fürsorgepflichten wie zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fordert? Die Fürsorge der Vermieter beschränkt sich eindeutig auf die rechtliche Garantie gesunder Wohnverhältnisse und auf einen ungestörten vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache. Warum soll dann aber im Mietrecht auf einmal mehr gefordert werden als im Kündigungsschutzverfahren des Arbeitsrechts, selbst wenn wir ohne Einschränkung bejahen, daß die Wohnung der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Mieters und sein Heim ist, in dem seine Familie ihr Eigenleben in gesunder Weise entfalten kann? Diese Frage, meine Herren, die ich schon vor zwei Jahren an Sie gerichtet habe, haben Sie mir bis heute noch nicht beantwortet.
Ich darf hier nochmals unterstreichen, daß wir vollauf und uneingeschränkt für eine soziale Verantwortung des Eigentums eintreten. Wir haben dies auch hier bei der Gestaltung des Mietrechts zum Ausdruck gebracht. Wir wollen aber — um meinen Kollegen Mick in seiner Prägnanz zu zitieren — kein Dauermietrecht schaffen.
Lassen Sie mich nun zum Letzten kommen, was in Ihrem Vorschlag zu finden ist. Dieser Vorschlag ist durch die Verordnung über die Räumungsfristen vom 2. Juni dieses Jahres überholt. Aber hier möchte ich Ihnen wenigstens für ein anderes Mal, wenn Sie in zwei Jahren die gleiche Anregung auf den Tisch des Hauses bringen, doch mit auf den Weg geben, gleichzeitig auch eine Änderung des § 794 a ZPO vorzusehen; denn alle Räumungsschuldner sollen doch wohl auch nach Ihrer Meinung gleichbehandelt werden, unabhängig davon, ob die Räumung nun auf Grund eines Urteils oder auf Grund eines Vergleichs durchgeführt werden soll. Den letzten Tatbestand haben Sie in Ihrem Entwurf ganz offensichtlich übersehen.
Meine Damen und Herren, dies läßt in der Tat den Verdacht aufkommen, daß Sie sich auf diesen
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2343
Dr. Hauser (Sasbach)

Initiativantrag mit sehr sehr leichter Hand vorbereitet haben. Sollte dies - gestatten Sie mir diese Boshaftigkeit — nur ein Feuerwerk für die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen sein,

(Zuruf von der SPD: Du lieber Gott!)

um vielleicht dem Herrn Ministerpräsidenten noch einiges in der Schau abzugewinnen?

(Abg. Jacobi [Köln] : Das hat Moby Dick längst getan!)

Mir fällt dabei nur das geflügelte Wort ein, das mein alter juristischer Pauker in Heidelberg zu meiner Studienzeit in den dreißiger Jahren uns Studenten als Rat für das Examen mitgegeben hat: viel Heidelberger Schloßbeleuchtung, große Fassade vorn, viel Schutt dahinter.

(Heiterkeit in der Mitte.)

Gestatten Sie es mir: Es kommt mir fast so vor, als ob Ihr heutiger Antrag hiervon etwas hat. Es war dann aber eine recht spärliche Heidelberger-SchloßBeleuchtung.
Aber ungeachtet dieser kleinen boshaften Andeutung wollen wir Ihren Antrag in den zuständigen Ausschüssen mit Ihnen diskutieren. Die Lebensinteressen vieler Menschen werden von den angeschnittenen Problemen berührt. Frau Präsidentin, ich darf deshalb im Namen meiner Fraktion um Überweisung der Vorlage an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Wohnungsausschuß oder, wie er nunmehr heißt, an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen — mitberatend — bitten, wobei ich unterstelle, daß sich die alte Erfahrung mit dem früheren Antrag nicht wiederholt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504729500
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Bemerkung zur Geschäftslage! Morgen ist der 17. Juni. Eine große Anzahl von Mitgliedern dieses Hauses hat sich verpflichtet, an Kundgebungen in ihren Wahlkreisen teilzunehmen.
Darüber hinaus haben 10 Ausschüsse für heute nachmittag Sitzungen anberaumt, darunter der Auswärtige Ausschuß, der Ausschuß für Verteidigung, der Ausschuß für Inneres und der Ausschuß für Finanzen, letzterer mit öffentlichen Anhörungen. Diese Ausschüsse beginnen zum Teil eine Viertelstunde nach Schluß des Plenums oder um 14 Uhr bzw. um 14.30 oder um 15 Uhr. Jetzt ist es 13.20 Uhr. Ich habe noch fünf Wortmeldungen vorliegen. Nehmen sie die gleiche Redezeit wie bisher in Anspruch, dann können Sie sich selber ausrechnen, wieviel Zeit wir dafür noch benötigen.
Ich bin der Meinung, daß man der Gesundheit der Mitglieder dieses Hauses Rechnung tragen muß. Ich möchte also um sehr große Straffung bitten und, wenn es möglich wäre, um Streichung der sogenannten zweiten Runde der Wortmeldungen.

(Frau Abg. Berger-Heise: Ich verzichte! — Beifall bei den Regierungsparteien.)

— Ich danke Ihnen sehr. Vielleicht folgen noch weitere heroische Verzichte. Der nächste Redner ist Herr Wurbs von der FDP. Ich bitte, wenn möglich, um Kurzfassung.

(Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Ich verzichte auch! — Beifall.)

— Dann frage ich Herrn Baier, ob er auch verzichtet.

(Abg. Baier: Abwarten!)

— Wir hoffen, daß die Erkenntnis noch kommt. Ich bitte sehr, Herr Wurbs!

(Abg. Jacobi [Köln]: Sie können ja in der Zeitung schreiben, Sie hätten reden wollen!)

— Es können ja auch Reden zu Protokoll gegeben werden. Ich mache darauf aufmerksam.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0504729600
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Bevor ich zu dem Entwurf der SPD im einzelnen Stellung nehme, gestatten Sie mir, die Auffassung und den Standpunkt der FDP-Fraktion zu den von der SPD angeschnittenen Fragen darzulegen. Dies erscheint mir um so notwendiger, als einige Punkte, wie mir scheint, etwas einseitig und überbetont dargestellt wurden. So wurde u. a. die Unzulänglichkeit des Abbaugeseizes erneut in die Diskussion gezogen.

(Abg. Jacobi [Köln] : Die Statistik!)

Sie alle wissen, daß sich der Abbau der überholten zwangswirtschaftlichen Bindungen in der Wohnungwirtschaft bereits seit dem Jahre 1960 vollzieht, also seit sechs Jahren, und zwar auf Grund des rechnerischen Defizits, wie es im Gesetz im einzelnen festgelegt ist. Hierfür ist vom Gesetzgeber die Gegenüberstellung der Zahl der vorhandenen Wohnungen einerseits mit der Zahl der vorhandenen Wohnparteien andererseits gewählt worden. Überschreitet die Zahl der Wohnparteien die Zahl der Wohneinheiten in bestimmten Kreisen zum Ende eines Jahres um weniger als 3 %, so kann daraus geschlossen werden, daß nach Ablauf eines halben Jahres, nämlich dann, wenn die Freigabe erfolgt, das rechnerische Wohnungsdefizit in den genannten Kreisen um kaum mehr als 1 % überstiegen wird, allerdings bei ständigem Fortgang des Wohnungsbaus. Damit wäre ein Grad der allgemeinen Wohnungsversorgung erreicht, der es vertretbar erscheinen ließe, die zwangswirtschaftlichen Bindungen unter Berücksichtigung der gegebenen sozialen Absicherung aufzuheben.
Das rechnerische Wohnungsdefizit wird einheitlich für alle 565 Kreise berechnet, und zwar ausschließlich auf Grund von Daten der amtlichen Statistik,

(Zuruf von der SPD: Stimmt nicht!)

wobei selbstverständlich nur Mittelwerte berücksichtigt werden können und gewisse Toleranzen mit eingeschlossen werden müssen. So hat sich auf dieser Grundlage der Abbau der Zwangswirtschaft bereits bei 535 Kreisen vollzogen, wenn man die Kreise mit einbezieht, die sich noch im Laufe des Jahres aus der Bindung lösen werden. In nahezu 400 Kreisen hat die Mietpreisbindung bereits vor
2344 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Wurbs
mehr als anderthalb Jahren aufgehört. Der bisherige starre Mieterschutz ist durch das neue soziale Miet- und Wohnrecht ersetzt worden. Ich will nicht bestreiten, daß es Einzelfälle unsozialen Verhaltens gegeben hat. Die wird es immer geben. Im ganzen gesehen aber hat sich der Abbau der Bindungen ohne soziale Härten vollzogen. Es erscheint daher unverständlich, daß man für die restlichen 30 „schwarzen Kreise" eine andere Regelung durchführen will.
Und noch ein Weiteres. Es wird bei all diesen kritischen Äußerungen und Bemerkungen nie berücksichtigt, daß der Wohnungsbau ständig und bisher — ich betone, bisher — in unverminderter Höhe weitergeht, vor allem in den weißen Kreisen. Hierdurch wird die Wohnungsversorgung in allen Teilen der Bundesrepublik ständig weiter verbessert. Wir Freien Demokraten sehen daher keine Veranlassung, von der seit 1960 bewährten marktwirtschaftlichen Regelung abzugehen.
Es wurde weiter die Entwicklung der Räumungsklagen und Vollstreckungen in den weißen Kreisen in düsteren Farben geschildert. Dies kann nicht unwidersprochen bleiben. Die Herren Bundesminister haben bereits einige Zahlen genannt; ich darf mir erlauben, sie zu ergänzen. Nach den Erhebungen der Landesjustizverwaltungen sind vor Wegfall der zwangswirtschaftlichen Bindungen im Zeitraum vom 1. November 1962 bis zum 30. April 1963 rund 16 400 Räumungsklagen erhoben worden.

(Zuruf von der SPD: Die kommen erst noch, wenn die Kündigungsfristen abgelaufen sind!)

— Lassen Sie mich bitte zuerst einmal fortfahren; wir können uns darüber nachher noch unterhalten. — Das waren, gemessen am Gesamtbestand der Mietwohnungen in diesen Kreisen, 0,37 %. Sie können hieraus ersehen, daß bereits vor Wegfall der Bindungen in bestimmtem Umfang Mietaufhebungs-
und Räumungsklagen wegen Zahlungsverzugs, wegen Eigenbedarfs, wegen erheblicher Belästigung oder sonstiger Fälle erfolgt sind.
Erhebungen nach Aufhebung der Zwangswirtschaft für den Halbjahreszeitraum vom 1. November 1964 bis zum 30. April 1965 ergaben für die gleichen Kreise rund 18 900 Räumungsklagen. Das sind 0,43 v. H. des Bestandes an Mietwohnungen. Die Zunahme der Klagen beträgt also rund 2500 oder rund 0,06 %. Von den Landesjustizverwaltungen werden ab 1. Januar 1965 laufend halbjährliche Erhebungen über die Räumungsprozesse durchgeführt. Die Gegenüberstellung der Ergebnisse dieser Erhebungen aus dem ersten und zweiten Halbjahr 1965 zeigt, daß die Zahl der Räumungsklagen in allen Bundesländern mit Ausnahme von Niedersachsen abgenommen hat.
Die Zahl der Urteile, die das Räumungsbegehren des Vermieters abgewiesen halben, ist gering. Sie betrug im ersten Halbjahr 1965 1,6 % und im zweiten Halbjahr 1965 1,8 %. In diesen Zahlen sind auch die Urteile enthalten, die neben der Klageabweisung die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 556 a BGB bestimmt haben. Von einer Flut von Prozessen kann also keineswegs gesprochen werden.
Infolge der Kürze der Zeit darf ich nunmehr auf den Entwurf der SPD zu sprechen kommen.

(Zurufe von der SPD: Wir bitten darum! — Es wird auch Zeit! — Wegen der Kürze der Zeit, das ist eine Logik!)

— Noch kürzer? Aber Sie gestatten mir doch, daß ich einige Ausführungen mache, Herr Bäuerle. Ich habe die anderen ja auch nicht unterbrochen.
Die Annahme der beantragten Änderung des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes würde eine Abkehr von den getroffenen grundsätzlichen Entscheidungen des Gesetzgebers des Jahres 1960 bedeuten, auch die Wohnraummieten in die 'soziale Marktwirtschaft miteinzubeziehen. Schreibt man dem Vermieter auch nur für den Regelfall zahlenmäßig vor, welches Entgelt er nicht mehr nehmen darf, wenn er nicht eine Geldbuße oder 'gar eine Kriminalstrafe in Kauf nehmen will, so führt man — ich gebrauche Ihren Ausdruck, Herr Kollege Jacobi — durch die Hintertür den Preisstopp wieder ein, und dies wollen wir eben nicht. Daran ändert auch nichts, daß die im Entwurf vorgesehene Regelung gemäß Ziffer 1 das Entgelt nach der besonderen Lage des Einzelfalles rechtfertigt. Mir scheint darüber hinaus die Fassung des § 2 a sehr problematisch zu sein. Die hier genannte Zahl von mehr als 50 v. H. sollte tunlichst aus der gesamten Diskussion herausgehalten werden, da sie möglicherweise geradezu idas Gegenteil dessen bewirken könnte, was Sie wollen. Sie könnte nämlich dazu führen — das wurde vorher schon ausgeführt —, daß der Vermieter angereizt würde, bis an die Grenze von 40 % seine Miete anzuheben. Ihre Begründung, Herr Kollege Jacobi, die Sie vorher gaben — wenn ich Sie richtig verstanden habe —, scheint mir nicht ganz stichhaltig zu sein. Sie sagten — wenn ich Sie richtig verstanden habe , nur rabiate Vermieter — also nur eine Minderzahl — würden von dieser Möglichkeit, an die untere Grenze heranzugehen, Gebrauch machen.

(Zuruf von der SPD: An die obere! — Abg. Jacobi [Köln] : Weil wir eben an den anständigen Hausbesitzer glauben!)

— Lassen Sie mich bitte ausreden. Wir sind der gleichen Meinung. Warum dann also diese Regelung?

(Abg. Frau Berger-Heise: Welche denn?)

Sollte die von Ihnen erstrebte Regelung jedoch wirksam werden, ist nicht einzusehen, warum die Vermieter nicht von der Möglichkeit sollen Gebrauch machen können, an diese Grenze heranzugehen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504729700
Eine Zwischenfrage.

Margarete Heise (SPD):
Rede ID: ID0504729800
Herr Kollege Wurbs, ist Ihnen bekannt, daß der Hessische Landesverband der FDP die in Bonn zur Bekämpfung des Mietwuchers verabschiedeten Gesetze für unzureichend erklärt hat, und stimmt es, daß er Ihrer Bundes-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2345
Frau Berger-Heise
tagsfraktion die Auflage oder den Antrag zugestellt hat, Sie möchte für eine Änderung sorgen?

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0504729900
Aber nicht in dieser Form, gnädige Frau.

(Abg. Frau Berger-Heise: Aber in welcher dann, bitte?)

— Das kann ich Ihnen vielleicht morgen auseinandersetzen. Es würde zu weit führen, darauf hier jetzt noch einzugehen.

(Zuruf von der SPD: Morgen ist Feiertag!)

Bei der vorgeschlagenen Neufassung ist außerdem noch folgendes übersehen worden. Herr Kollege Hauser hat auch auf diesen Punkt hingewiesen. Ich darf aber vielleicht nochmals kurz darauf zurückkommen. Die für den Regelfall maßgebende Grenze bei den Altbauwohnungen würde in den weitaus meisten Fällen unter den oberen Grenzen für Mietbeihilfen liegen. Es würden also Mieten nach dem Wohngeldgesetz beihilfefähig, die nach dem SPD-Entwurf zu bekämpfende unangemessene Mieten sind. Dieser Widerspruch würde sich noch vergrößern, wenn die Obergrenzen im Wohngeldgesetz erhöht würden, wofür sich die SPD bisher einsetzte.
Ganz abwegig erscheint mir auch die Formulierung des § 556 a, wonach bei einer Kündigung ausdrücklich die Gründe angeführt werden müssen.
Zu den Rechtsfragen dieses Entwurfs wird meine Kollegin Frau Diemer-Nicolaus gegebenenfalls einiges nachzutragen haben.

(Zurufe von der SPD: Sie hat verzichtet!)

— Das braucht ja nicht heute zu sein.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einige Anmerkungen über die Freigabe von Sozialwohnungen machen, ein Problem, das uns alle gleichermaßen beschäftigt. Es ist bekannt, daß ein großer Teil der Inhaber von Sozialwohnungen die seinerzeitigen Auflagen heute nicht mehr erfüllt. Meine Anregung wäre, dieses Problem einer Teillösung zuzuführen, zumindest aber einen Ansatz in dieser Richtung zu unternehmen. Ich denke an den Versuch, den Hamburg unternommen hat — ich glaube, mit einigem Erfolg —, Mietern, die Sozialwohnungen bereit sind aufzugeben, um in frei finanzierte Wohnungen überzusiedeln, ein Darlehen in Höhe von etwa 6000 DM zu gewähren. Die so frei werdenden Sozialwohnungen könnten für junge Familien und echte Härtefälle zur Verfügung stehen und diesen vorbehalten bleiben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504730000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Reischl. Ich bitte aber, auf die Uhr zu blicken, Herr Dr. Reischl.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0504730100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst muß ich vorausschicken, daß ich mich leider und zu meinem eigenen Bedauern der allgemeinen Verzichtwelle nicht anschließen konnte. Das hat zwei Gründe, einmal den, daß Herr Dr. Hauser mich schon mit Einzelfragen angekündigt hat, die ich ihm ja nun wohl oder übel schon aus Höflichkeit beantworten muß, zweitens den, daß der Herr Bundesminister der Justiz meines Erachtens genau das getan hat, was der Herr Kollege Hauser uns vorgeworfen hat. Er hat nämlich mit etwas zu leichter Hand seine Antwort formuliert und sich mit einigen Zahlen und einigen allgemeinen Begründungen mit dem Entwurf auseinandergesetzt, obwohl ich gerade aus diesem Hause eine eingehendere Auseinandersetzung mit der juristischen Seite unseres Entwurfs erwartet hätte.
Ich werde mich aber bemühen, mich ganz kurz zu fassen und alle die Dinge aus meiner Antwort auszuschalten, die sich mit rein juristischen Fragen befassen, weil ich glaube, daß das eine Sache der Auseinandersetzung im Ausschuß ist und wir es uns ersparen können, hier im Plenum und noch dazu unter Zeitdruck diese Fragen zu erörtern.
Der Anregung der Frau Präsidentin, meine Ausführungen zu Protokoll zu geben, konnte ich auch nicht Folge leisten, weil ich aus grundsätzlichen Erwägungen nicht mit schriftlich vorbereiteten Reden hier heraufgehe, sondern in freier Rede aus dem Stegreif antworten will, wie es die Geschäftsordnung wünscht.
Nun zu den Einwendungen, die erhoben worden sind: Zunächst die Frage des Eigentums. Meine Damen und Herren, ich will es nicht noch einmal bis ins letzte breittreten. Wir sind eben der Auffassung, daß das Mietverhältnis — ich will jetzt einmal den Ausdruck gebrauchen, den Herr Hauser so nett apostrophiert hat, obwohl darunter selbstverständlich der Mietvertrag über Wohnraum gemeint ist — im Grunde dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist. Ich glaube, das ist auch berechtigt. Man hat damals in den 20er Jahren als richtig erkannt, daß der Arbeitsvertrag, den man ursprünglich nur als rein bürgerlich-rechtlichen Vertrag aufgefaßt hatte, eben nicht nur das ist, sondern daß er die Grundlage des Lebens nicht nur für den Arbeiter, sondern auch für seine Familie gibt, daß dieser Vertrag infolgedessen nicht nur nach rein bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten aufgelöst werden kann und daß es keinen Eingriff in das Eigentumsrecht des Arbeitgebers an den Produktionsmitteln usw. darstellt, wenn man dem Arbeitnehmer einen Kündigungsschutz gewährt und verlangt, daß die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, um wirksam zu sein.
Genau die gleiche Entwicklung muß meines Erachtens und nach der Auffassung meiner Fraktion in der Regelung des Mietverhältnisses kommen. Auch hier hat die Entwicklung gezeigt, daß es nicht nur ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag ist, sondern daß das Mietverhältnis für die Masse der Bevölkerung, die eben nicht selbst Eigentümer eines Hauses oder einer Wohnung ist, die Lebensgrundlage darstellt und daß auch hier die gleichen Grundsätze wie beim Arbeitsverhältnis gelten müssen. Wie man das juristisch im einzelnen ausgestaltet — Herr Hauser, das möchte ich zu Ihrer Beruhigung sagen —, diese Frage muß im Ausschuß geklärt werden; das ist ja gerade Aufgabe der Ausschußberatung. Hier soll unser Entwurf die Anregung geben, bestimmte
2346 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Dr. Reischl
Dinge, vor allem den Begriff der sozial gerechtfertigten Kündigung einzuführen. Was in Abs. 2 steht, sollen nur Beispiele sein. Sinn der Bestimmung ist, daß die sozial gerechtfertigte Kündigung, daß das Abwägen, wann eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist, durch die Gerichte im Streitfall erfolgen soll, und zwar unter gleichberechtigter Wahrung der Interessen sowohl des Mieters als auch des Vermieters, was bei der gegenwärtigen Sozialklausel leider nicht der Fall ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Die Beispiele, die Sie, Herr Hauser, angeführt haben, würden schon nach dem Mieterschutzgesetz zu einer Mietaufhebung geführt haben und auch unter der jetzigen Sozialklausel bei jedem vernünftigen Gericht zu einer Aufhebung führen. Eine Kündigung würde übrigens in diesen Fällen auch nach unserer Regelung als sozial gerechtfertigt angesehen werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Darüber brauchen wir uns gar nicht zu streiten. Diese von Ihnen, ich möchte fast sagen, mit etwas Pathos vorgetragenen Beispiele sind doch kein Beweis dafür, daß die jetzige Sozialklausel richtig ist, daß sie die Gerichte nicht überfordert.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504730200
Es gibt ja keine Kündigungswelle. Und dann kommt immer die Durchschnittszahl. Aber darum geht es ja gar nicht. Wenn man draußen im Lande nachschaut, so ist da z. B. ein Landkreis, der „weiß" geworden ist, wie man so schön sagt, und da ist ein einziger Ort der Schwerpunkt des Wohnungsbedarfs. Das ist auch nicht der Ort mit den meisten Einwohnern und mit den meisten Mietverhältnissen. Wenn Sie da jetzt mit Durchschnittszahlen kommen, dann können Sie immer beweisen, daß man mit den gegenwärtigen Regelungen auskommt. Es kommt ja gerade darauf an, die Verhältnisse in den Orten zu prüfen, die Schwerpunkte sind, und da kann ich Ihnen nur sagen: wenn Sie sich einmal bei den Gemeinden erkundigen, werden Sie erfahren, daß in einem kleinen Ort mit 4- oder 5000 Einwohnern eine Welle von hundert Kündigungen schon recht saftig ist. Da kann man schon von einer Kündigungswelle sprechen.
Der Herr Bundesjustizminister sagt: Die Leute haben die Mietverhältnisse wohlweislich unter anderen Bedingungen fortgesetzt. Ja, Herr Minister, aber unter welchen Bedingungen haben sie sie denn fortgesetzt? Wie ist es denn in Wirklichkeit, wenn einem Mieter gekündigt wird? Wenn jetzt von ihm eine ziemlich hohe Miete verlangt wird, dann wird er unter Abwägung aller Möglichkeiten an dem Ort am Schluß die, wenn auch maßlos überhöhte Miete zahlen, nur um in der Wohnung bleiben zu können. Ich will keinen harten Ausdruck gebrauchen. Aber jedenfalls ist, wenn der Mann sich arrangiert, das noch lange kein Beweis dafür, daß unser Mietrecht in Ordnung ist,

(Beifall bei der SPD)

sondern der gibt einfach nach und arrangiert sich mit dem Vermieter, um in der Wohnung bleiben zu können. Aufgabe des Gesetzgebers ist es aber, eine Regelung zu schaffen, die dem Mann die Sicherheit gibt, daß er sich auch auf einen Streit einlassen kann, daß er sich notfalls eben dagegen wehren kann, eine überhöhte Miete zu zahlen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504730300
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0504730400
Bitte!

Dr. Carl Hesberg (CDU):
Rede ID: ID0504730500
Herr Kollege Reischl, übersehen Sie nicht,, daß, wenn diese Überhöhungen vorliegen und die Zahl der Kündigungen so groß ist, sich solche Überhöhungen der Mieten auch in den Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes niederschlagen müssen? Dann wäre es nicht möglich, daß der gesamte Mietindex nur um 23 % gestiegen wäre; dann müßte die Zahl wesentlich höher sein.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0504730600
Herr Kollege, gerade das halte ich für einen Fehlschluß. Die 23 % sind der Bundesdurchschnitt in den Kreisen, die weiß geworden sind. Ich sage Ihnen: von 100 weiß gewordenen Kreisen sind es oft — ich möchte jetzt ganz großzügig sein — 80, die ganz gut weiß werden konnten. Die restlichen 20 und die einzelnen Gemeinden in den Kreisen, die ich meine, durften nicht weiß werden, und wenn Sie nur die zusammennehmen, kommen Sie nicht auf 23 %, sondern auf wesentlich höhere Zahlen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504730700
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0504730800
Bitte!

Dr. Carl Hesberg (CDU):
Rede ID: ID0504730900
Herr Kollege Reischl, ist Ihnen nicht bekannt, daß diese Untersuchungen sich auf alle Kreise, schwarze und weiße Kreise, beziehen, daß sie sowohl Altbauten als auch Neubauten erfassen und daß der Rahmen nach der Angemessenheitsverordnung eine Erhöhung um 25 bis 30 % vorsieht? Dann ist 23 % wenig im Hinblick darauf, daß bei Neubauten im Hinblick auf die Kostenmiete doch wesentlich mehr herauskommt.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0504731000
Herr Kollege, entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche. Aber Sie fangen jetzt langsam an, ein Korreferat zu halten.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504731100
Nur kurze Fragen sind zugelassen.

Dr. Carl Hesberg (CDU):
Rede ID: ID0504731200
Ich komme jetzt zu der Frage: Müssen Sie nicht zugeben, daß unter Berücksichtigung aller dieser Faktoren bei einer Zahl von 23 % diese Überhöhungen nur Einzelfälle sein können und nicht so maßlos übertrieben werden dürfen?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode - 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966 2347

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0504731300
Das gebe ich nicht zu, weil das eine Gesamtsumme ist

(Abg. Dr. Hesberg: Das ist Rechthaberei!)

und weil man nur die Schwerpunkte des Wohnungsbedarfs herausziehen darf. Ich will wegen der Kürze der Zeit jetzt nicht noch Einzelheiten erörtern. Aber wir können das im Ausschuß tun. Dann werden Sie sehen, daß die Erhöhung an einzelnen Orten doch wesentlich größer ist. Außerdem ist der Gesetzgeber ja dazu da, zu verhindern, daß das auch in Einzelfällen passiert.

(Zustimmung bei der SPD.)

Er muß sich ja bemühen, eine gerechte Regelung zu finden. Mich hält das nicht davon ab, eine bessere Regelung als die geltende zu suchen, selbst wenn ich zu dem Ergebnis käme, daß es sich, gemessen an der Gesamtzahl aller Mietverhältnisse, nur um Einzelfälle handelte.
Jedenfalls glaube ich — das möchte ich dem Herrn Bundesminister der Justiz erwidern —, daß der § 556 a in der gegenwärtigen Fassung eben keinen ausreichenden Schutz bietet. Wie käme sonst ein maßgebender Kenner des Wohnungsrechts, Herr Ministerialdirigent Pergande vom Bundeswohnungsbauministerium, dazu, die Gerichte anzugreifen und zu sagen: Die Gerichte legen diese Klausel nicht richtig aus. Das hat er getan.

(Zustimmung bei der SPD.)

Er hat gesagt: Die Gerichte haben die Klausel nicht so ausgelegt wie wir und wie der Gesetzgeber sie gedacht hat. Ich muß hier die Gerichte in aller Form gegen diesen Angriff in Schutz nehmen. Die Gerichte können den gegenwärtigen Wortlaut des § 556 a gar nicht anders auslegen, als sie es tun, ohne das Recht zu beugen. Es ist Sache des Gesetzgebers, hier eben eine bessere Regelung zu suchen, wenn sich zeigt, daß die richtige Auslegung der geltenden Bestimmung nicht zu dem gewünschten Erfolg führt. Das aber ist das Ziel unseres Entwurfes. Über Einzelheiten bei § 556 a — das möchte ich mit aller Klarheit sagen — lassen wir gern mit uns reden. Darüber soll im Ausschuß beraten werden. Wenn einer einen besseren Weg weiß, wie wir die Sozialklausel verbessern können, sind wir die letzten, die dem nicht zustimmen werden. Ich freue mich jedenfalls, daß Herr Kollege Hauser wenigstens angekündigt hat, daß tatkräftig daran mitgearbeitet wird, etwas Besseres zu finden. Uns soll es recht sein. Unser Entwurf soll ja der Anstoß sein, um endlich einmal zu einer solchen Regelung zu kommen.
Ich komme nun auf das, was alles zu den Mietwuchervorschriften gesagt worden ist. Uns ist die Problematik dieser Frage sehr wohl klar. Mir ist auch klar, daß man darüber streiten kann, wie hoch man die Grenzen festsetzen will. Aber eines darf ich für unsere Fraktion mit allem Nachdruck erklären: wir wollen unter gar keinen Umständen mit dieser Vorschrift durch die Hintertüre eine Preisbewirtschaftung oder so etwas Ähnliches, eine Mietpreisbindung einführen. Wir wollen hier lediglich das tun, wofür das Ordnungswidrigkeiten- und
Strafrecht da ist: nämlich allen Auswüchsen, die über ein gerade noch erträgliches Maß hinausgehen, zu steuern. Wenn wir einen besseren Weg finden sollten, wie man diese Grenze festlegen und wie man die gegenwärtige Vorschrift konkretisieren kann, sind wir gerne dazu bereit. Ich weiß aus den langen Verhandlungen in unserer Fraktion, daß das außerordentlich schwierig ist. Es war nämlich nicht so, wie der Herr Kollege Hauser sagte, daß wir es uns leicht gemacht hätten und daß wir ein Wahlfeuerwerk abbrennen wollten. Denn die Verhandlungen haben schon im Oktober begonnen — zu Ihrer Beruhigung, Herr Kollege Hauser — und sind erst jetzt mit der Einbringung des Entwurfs zum Abschluß gekommen. Das ist bestimmt eine lange Zeit, um so mehr, als man uns als Opposition eines nämlich noch zugute halten muß — und das bitte ich bei aller Kritik an den Formulierungen auch einmal zu berücksichtigen -: wir haben nicht den großen Apparat der Ministerien zur Verfügung, die uns die Entwürfe machen könnten, sondern wir müssen uns das alles selber machen, müssen uns das selber erarbeiten und müssen uns die Zahlen selber zusammenholen. Das ist nicht immer so einfach, als wenn man nur anzuklingeln braucht und über den Minister den zuständigen Referenten beauftragen kann.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach]: Haben Sie nicht den Mieterbund dazu genommen? — Weiterer Zuruf von der Mitte: Und die Länder haben nicht mehr Erfahrungen?)

— Die Länder haben in dieser Frage nicht immer mehr Erfahrungen. Ich nehme jedenfalls mit Genugtuung für unsere Fraktion die Erklärung des Herrn Kollegen Hauser zur Kenntnis, daß auch die Regierungsparteien gegen den Mietwucher sind und daß sie uns helfen wollen, hier eine bessere Bestimmung zu finden. Wir wollen sehen, ob wir im Ausschuß zu einer solchen besseren Bestimmung kommen. Eins steht jedenfalls fest: die gegenwärtige Bestimmung ist unzulänglich. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß es wenige Strafverfahren sind. Uns geht es ja nicht darum, die Zahl der Strafverfahren zu vermehren, sondern darum, mit den Mitteln des geltenden Rechts, also z. B. mit den Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts, des behördlichen Aktes, hier gegen Auswüchse vorzugehen. Wir legen gar keinen Wert darauf, daß jetzt viele Leute wegen Mietwucher ins Gefängnis wandern; wir wollen lediglich, daß gegen den Mietwucher wirksamer mit den Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts vorgegangen werden kann, und darum schlagen wir eine Konkretisierung dieser Bestimmung vor.
Damit glaube ich auf die' wesentlichsten Dinge eingegangen zu sein. Ich will mein Versprechen halten, es so kurz wie möglich zu machen, um möglichst schnell das Ende der Sitzung herbeizuführen. Ich darf abschließend noch einmal sagen: Unser Entwurf sollte eine echte Reform der von uns als unzulänglich angesehenen Sozialklausel und der ebenfalls von uns als unzulänglich angesehenen Mietwuchervorschriften anstoßen. Wenn wir das erreichen sollten, dann soll es uns freuen,
2348 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 47. und 48. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1966
Dr. Reichl
auch wenn das Ergebnis vielleicht ganz anders aussieht als unser Entwurf.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504731400
Ich freue mich, daß die Zeit eingehalten worden ist. Ich frage nun Herrn Abgeordneten Baier, ob er noch das Wort wünscht.

(Abg. Baier: Ich will mich zwar nicht unter die Verzichtler begeben, will aber im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit und auf Ihre Mahnungen nicht mehr das Wort nehmen! — Heiterkeit.)

— Ich danke Herrn Abgeordneten Baier im Namen des Hauses.
Wir kommen nun zur Ausschußüberweisung. Es liegt der Vorschlag vor, den von der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Behebung sozialer Notstände auf dem Gebiete des Mietrechtes, Drucksache V/564, dem Rechtsausschuß — federführend — und dem Ausschuß für Kommunalpolitik sowie dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Mittwoch, den 22. Juni 1966, 14.30 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.