Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich darf feststellen, daß das Hohe Haus gestern abend auf Vorschlag des amtierenden Präsidenten beschlossen hat, heute mit den Punkten 7 und 8 der vorliegenden Tagesordnung zu beginnen und dann mit der gestern abend abgebrochenen Beratung des Gesetzentwurfs unter Punkt 4 der vorliegenden Tagesordnung fortzufahren. Darauf folgen das Kartellgesetz und die wirtschaftspolitischen Gesetze. Ich schlage vor, daß die Fraktionen im Laufe des Tages die weitere Reihenfolge interfraktionell vereinbaren, sobald zu übersehen ist, ob wir zu weiteren Punkten heute überhaupt noch kommen.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 28. Juni 1957 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 158. Sitzung eine weitere Mitteilung über Länderzuweisungen zum Ausgleich finanziell untragbarer Einnahmeausfälle der Gemeinden durch die Gewerbesteuersenkung gegeben, die als Drucksache 3380 verteilt wird.
Ich rufe Punkt 7 der vorliegenden Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Achten Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Gesetz nach § 246 LAG — 8. ÄndG LAG) (Drucksache 3698);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (zu Drucksache 3698).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Kunze . Er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Ich erteile ihm zur Ergänzung das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schriftliche Bericht wird im Augenblick verteilt; ich kann mich auf ihn beziehen und darf Sie nur bitten, den einmütig gefaßten Beschluß des Vermittlungsausschusses anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr als zweiten Punkt den 8. Punkt der vorliegenden Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über allgemeine Höchstgeschwindigkeitsgrenzen für Kraftfahrzeuge (Drucksache 3699).
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Senator Dr. Klein.
Dr. Klein, Senator des Landes Berlin, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf über allgemeine Höchstgeschwindigkeitsgrenzen für Kraftfahrzeuge und die mit ihm zusammenhängenden Probleme sind Ihnen auf Grund wiederholter Beratungen so hinreichend bekannt, daß ich auf eingehende Ausführungen verzichten kann. Der Regierungsentwurf eines Gesetzes über allgemeine Höchstgeschwindigkeitsgrenzen bekam in den Ausschüssen des Bundestages ein völlig neues Gesicht, so daß er schon äußerlich dem Hohen Hause als ein Initiativgesetzentwurf — unter Ablehnung der von der Bundesregierung vertretenen Gedankengänge — unterbreitet wurde. Der Bundesrat hat dann den Vermittlungsausschuß angerufen mit dem Antrag, wieder zum Regierungsentwurf zurückzukehren. Nachdem der Bundestag sich nochmals für seinen Initiativgesetzentwurf ausgesprochen hatte, versagte der Bundesrat dem Gesetzentwurf die Zustimmung. Darauf hat die Bundesregierung erneut den Vermittlungsausschuß angerufen.
Das Ergebnis der eingehenden Beratungen des Vermittlungsausschusses mag äußerlich als eine nochmalige Bestätigung des Regierungsentwurfs angesehen werden, in der Sache aber ist der Vermittlungsausschuß dem Bundestag entgegengekommen. Der Streit um die Regelung der Höchstgeschwindigkeiten für die Kraftfahrzeuge geht im Grunde genommen um folgende Alternative: soll die Materie Höchstgeschwindigkeit für Kraftfahrzeuge durch Gesetz geregelt werden oder soll ein Gesetz der Bundesregierung die Ermächtigung geben, auf diesem Gebiet durch Verordnungen Recht zu schaffen? In dem Ihnen vorliegenden Vermittlungsvorschlag wird zum zweitenmal der zuletzt genannte Weg vorgeschlagen. Es soll durch Verordnungen auf den deutschen Straßen in bezug auf Höchstgeschwindigkeiten Ordnung geschaffen werden. Aber die Verordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
Der Vermittlungsausschuß ist der Ansicht, daß der Herr Bundesverkehrsminister vor dem Hohen Hause eine Erklärung abgeben soll, die seine Bereitwilligkeit ausdrückt, bei Verordnungen, die die Höchstgeschwindigkeit für Kraftfahrzeuge betreffen, dem Ausschuß für Verkehrswesen des Bundestages Gelegenheit zu einer Prüfung unid Stellungnahme zu geben, so daß hierdurch durch den Bundestag ein Einfluß auf die Verordnungsgebung ausgeübt werden kann. Wenn eine solche Erklärung des Herrn Bundesverkehrsministers abgegeben wird, dann glaubt der Vermittlungsausschuß, Ihnen die Annahme seines einstimmig gefaßten Beschlusses vom 28. Juni 1957 — Drucksache 3699 — empfehlen zu sollen.
Der Vermittlungsausschuß vertritt den Standpunkt, daß die Einführung von Höchstgeschwindigkeiten als ein Mittel der Verkehrsunfallbekämp-
Lung einen notwendigen Versuch darstellt, dessen Ergebnis heute niemand mit Sicherheit voraussehen kann. Die Tatsache jedoch, daß es sich hierbei um Leben und Gesundheit einer großen Zahl von Menschen handelt, zwingt dazu, diesen Versuch so zu gestalten, daß er, wenn es die Lage erfordert, mit geringstmöglicher Verzögerung geändert werden kann. Das aber ist nach Auffassung des Vermittlungsausschusses auf dem Wege der Rechtsverordnung besser zu erreichen, als wenn ein Gesetz im einzelnen schon alles regelt.
Namens des Vermittlungsausschusses darf ich Sie, meine Damen und Herren, bitten, Ihre Bedenken gegen den Vorschlag zurückzustellen und ihm zur Förderung des gemeinsamen Anliegens von 'Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung Ihre Zustimmung zu erteilen.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Herr Bundesminister Dr. Seebohm.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Herrn Berichterstatters Senator Dr. Klein, der für den Vermittlungsausschuß hier gesprochen hat, gebe ich folgende Erklärung ab:
Der Bundesminister für Verkehr ist bereit, bei Verordnungen über die Festsetzung von Höchstgeschwindigkeiten für Kraftfahrzeuge vor der Zuleitung an den Bundesrat dem Ausschuß für Verkehrswesen ides Bundestages Gelegenheit zur Prüfung und Stellungnahme zu geben. Ferner wird der Bundesminister für Verkehr eine von seinen Vorschlägen abweichende Stellungnahme dieses Ausschusses dem Bundesrat jeweils zur Kenntnis bringen.
Ich erteile weiter das Wort zur Abgabe von Erklärungen. Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der FDP halbe ich zu dem Antrag des Vermittlungsausschusses folgende Erklärung abzugeben.
Die Fraktion der FDP vermag dem Antrage des Vermittlungsausschusses nicht zuzustimmen, weil:
1. die Fraktion unverändert der Auffassung ist, daß die Festsetzung von Höchstgeschwindigkeitsgrenzen eine wichtige verkehrspolitische Maßnahme ist, bei welcher der Bundestag nicht ausgeschaltet werden darf,
2. die Zusicherung des Bundesverkehrsministers, vor Verabschiedung der betreffenden Bundesratsverordnung den Ausschuß für Verkehrswesen zu konsultieren bzw. dessen Mehrheitsauffassung durchzusetzen, weder indem Grundgesetz noch in der Geschäftsordnung des Bundestages eine rechtliche Stütze findet,
3. unabhängig vom Grundgesetz und von der Geschäftsordnung des Bundestages die Zusicherungen des Bundesverkehrsministers Herrn Dr. Seebohm das Vertrauen der FDP-Fraktion nicht genießen.
Beweis in der Vergangenheit: Verabschiedung der Bundesratsverordnung über Lkw-Maße und -Gewichte gegen den Mehrheitsbeschluß des Ausschusses für Verkehrswesen trotz gegenteiliger Zusicherung des Bundesverkehrsministers im Ausschuß.
Beweis in der Gegenwart: Erheblich abweichende Vorschläge der Bundesregierung — siehe Drucksache 3617 vom 14. Juni 1957 - gegen die Vorschläge ides Ausschusses für Verkehrswesen — Schriftlicher Bericht Drucksache 3294 vom 14. März 1957 — zu dem Gesetz über allgemeine Höchstgeschwindigkeitsgrenzen für Kraftfahrzeuge, das in diesem Augenblick erneuter Zusicherungen des Bundesverkehrsministers hier zur Entscheidung steht.
Das Wort hat 'der Abgeordneter Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen unid Herren! Zum Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur Geschwindigkeitsbegrenzung gebe ich — zugleich im Namen mehrerer Kollegen, unter ihnen des Vorsitzenden des Rechtsausschusses, des Abgeordneten Herrn Kollegen Hoogen — folgende Erklärung ab.
Wir lehnen den Vorschlag des Vermittlungsausschusses, daß die Materie entgegen der bisherigen Rechtslage auf dem Wege einer Rechtsverordnung geregelt wird, die Verordnung jedoch dem Verkehrsausschuß des Bundestages zur Kenntnis gebracht werden soll, ab, weil das eine verfassungspolitisch unzulässige Konstruktion ist. Der Vorschlag ist um so weniger vertretbar, als mit der Unterrichtung des Verkehrsausschusses des Bundestages nicht gemeint ist, daß seine Auffassung auch gehört und berücksichtigt werden muß. Wir halten es darüber hinaus für bedenklich, daß das Parlament auf ihm zustehende Rechte verzichtet.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens und im Auftrage der sozialdemokratischen Fraktion gebe ich zum Mündlichen Bericht Drucksache 3699 folgende Erklärung ab.
Zum wiederholten Male hat sich der Deutsche Bundestag mit der Frage beschäftigt, ob die Begrenzung der Geschwindigkeit für Kraftfahrzeuge durch Gesetz oder durch Verordnung zu regeln sei. Nahezu leinstimmig hat sich das Plenum ides Bundestages in den bisherigen Beschlußfassungen dafür entschieden, die Materie durch Gesetz zu regeln.
Maßgeblich für die Haltung 'der SPD-Fraktion war einmal der Gesichtspunkt, daß mit Geschwindigkeitsbegrenzungen erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen verbunden sein können, die der Erörterung in den Fachausschüssen bedürfen, zum anderen der Umstand, daß die SPD-Fraktion von einem großen Mißtrauen gegen die Person des amtierenden Herrn Bundesverkehrsministers erfüllt ist.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat soeben erklärt, daß Verordnungen zur Begrenzung der Geschwindigkeit der Kraftfahrzeuge vorher mit dem Verkehrsausschuß beraten 'werden sollen und eine abweichende Meinung des Ausschusses dem Kabinett und dem Bundesrat vorgetragen werden soll.
Diese Erklärung kann unsere Bedenken nicht ausräumen. Wir haben peinliche Überraschungen erlebt. Unser Mißtrauen gegen die Person des amtierenden Herrn Bundesverkehrsministers bleibt in vollem Umfang bestehen.
Wenn wir trotzdem den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses in Drucksache 3699 zustimmen, dann nur deshalb, weil bei der Vielzahl der zur Beratung anstehenden Gesetze und bei der Geschäftslage im Bundestag die ordnungsgemäße Verabschiedung eines neuen Initiativgesetzes in der 2. Legislaturperiode unmöglich erscheint und weil die weiter ansteigende Zahl der Verkehrsopfer die unverzügliche Einleitung von Maßnahmen zur Unfallbekämpfung dringend erforderlich macht. Die SPD-Fraktion behält sich vor, jederzeit erneut die Gesetzgebungsinitiative zu ergreifen, wenn die von der Bundesregierung gegebenen Zusicherungen nicht eingehalten werden sollten.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, daß der Vorschlag des Vermittlungsausschusses, der Ihnen vorliegt, einstimmig beschlossen worden ist. Dieser Beschluß ist so gefaßt worden, weil man die technischen Bedenken, die einer Regelung dieser Frage durch Gesetz entgegenstehen, nicht ignorieren konnte. Es gibt — das wissen wir aus der Praxis — manchmal die Notwendigkeit von Anpassungen, und dieser Notwendigkeit kann auf dem Wege von Verordnungen besser Rechnung getragen werden.
Sie haben gehört, daß nun die Einschaltung des Parlaments in :der Form vorgesehen ist, daß der Ausschuß für Verkehr gehört wird. Nach den Erklärungen, die der Bundesverkehrsminister im Vermittlungsausschuß und auch heute abgegeben hat, haben wir keine Bedenken, daß auf die Meinung ides Parlaments gebührend Rücksicht genommen wird.
Weiter wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen nicht begehrt.
Wir kommen zur Abstimmung, rund zwar muß über die Vorschläge des Vermittlungsausschusses gemeinsam abgestimmt werden. Wer den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 3699 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen bei Gegenstimmen angenommen.
Ich darf bekanntgeben, daß interfraktionell vereinbart ist, nach dem nächsten Tagesordnungspunkt, Punkt 4, zunächst den Punkt 5 a und b und dann das Kartellgesetz, Punkt 9, zu behandeln. —Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4:
Dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (Daucksachen 3118, 3707). (Erste Beratung: 190. Sitzung; zweite Beratung: 221. Sitzung.)
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt.
Meine Damen und Herren! Die zweite Lesung hat gezeigt, daß wir die Probleme, die mit diesem Gesetz verbunden sind, in den Ausschüssen nicht in der Weise beraten haben, wie es notwendig gewesen wäre. Für meine Fraktion besteht kein Zweifel an der Notwendigkeit einer solchen Regelung. Die Alterssicherung der Landwirte und Bauern, wie sie früher einmal gang und gäbe war, reicht heute nicht mehr aus. Diese Alterssicherung von einst funktioniert nicht mehr, und wenn man ganz ehrlich ist, muß man sagen, daß sie eigentlich auch früher nie recht funktioniert hat.
Ich gebe zu, daß der Betrieb in den meisten Fällen auch heute noch das Rückgrat der Altersversorgung ist. Aber wir müssen feststellen, daß der Bargeldbedarf im Anwachsen begriffen ist. Das hängt nicht nur damit zusammen, daß in den zwischenmenschlichen Beziehungen eine Wandlung eingetreten ist, sondern das hängt auch damit zusammen, daß die Konsumformen eine Wandlung erfahren haben. Die Untersuchungen, die die wissenschaftlichen Institute darüber angestellt haben, zeigen, daß die alte Form der Sicherung der Landwirte für das Alter immer mehr zurückgedrängt wird und daß die Sicherungsform der Sozialversicherung mehr in den Vordergrund getreten ist. Ich will mich darüber nicht näher verbreiten. Wer darüber mehr erfahren will, der möge die vielen Gutachten nachlesen, die die einzelnen Institute inzwischen angefertigt haben.
Meine Partei hat schon gleich nach dem Kriege, im Jahre 1946, in den ersten agrarpolitischen Verlautbarungen die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung der Alterssicherung für die Landwirte vorgetragen. Aber vor zehn Jahren wurde diese Forderung als marxistisches Gedankengut angeprangert und damit abgetan. Heute stehen wir in dieser Frage nicht mehr allein. Es gibt Dutzende von Ländern um uns herum und in Übersee, die solche Regelungen bereits seit vielen, vielen Jahren haben.
Vielleicht darf man einmal fragen, warum das in Deutschland bisher nicht möglich gewesen ist, obwohl wir immer behaupten, wir seien das sozialpolitisch fortschrittlichste Land. Das lag sicher daran, daß man bei uns in Deutschland das Eigentum an Grund und Boden überbewertet hat. Die Vorstellung vom „königgleichen Bauern" spukt auch heute noch — das haben wir gestern wieder gemerkt — in vielen Köpfen herum. Aber wenn man hinter die Kulissen schaut, stellt man fest, daß von diesem „königgleichen Bauern" nichts mehr übriggeblieben ist.
Ein zweiter Grund liegt darin, daß die Führungsschicht der deutschen Landwirtschaft an dieser Frage persönlich gar nicht interessiert ist. Ich sagte schon, heute ist es zum Teil anders. Heute wäre mancher Bauer, auch der Großbauer, froh, wenn er einen Anspruch auf Rente aus der Invalidenversicherung hätte.
Ich will nicht sagen, meine Damen und Herren, daß das das Ideal wäre. Vielleicht könnte man sich, wenn man rein individualistisch denkt, etwas anderes vorstellen. Aber wir müssen die Tatsache verzeichnen, daß das in der heutigen Welt nicht mehr möglich ist. Wir kommen einfach zwangsläufig zu der Lösung einer Pflichtversicherung.
Meine Partei und meine Fraktion hat im Rahmen des Landwirtschaftsgesetzes den ersten konkreten Versuch gemacht, für diese Frage eine Lösung mit einzubauen. Wir waren bestrebt, in den Katalog der Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Landwirtschaft in § 1 auch die Sozialpolitik einzubeziehen. Meine Herren von der CDU, Sie haben uns damals daran gehindert. Sie waren über einen kleinen Kompromiß froh. Heute, davon bin ich überzeugt, wären Sie froh, wenn Sie das damals mit uns beschlossen hätten. Dann hätten Sie es nämlich gegenüber dem Herrn Finanzminister leichter. Dann hätten Sie einen Anspruch darauf, daß auch seitens des Bundes Mittel dafür bereitgestellt werden. Aber damals war man eben noch der stolze Bauer, und die Sozialpolitik galt als etwas, was man nur den armen Leuten zuschreiben möchte. Wir sind froh, daß seit dieser Zeit eine Wandlung auch in Ihrer Gedankenwelt eingetreten ist.
Der erste Grüne Bericht machte einen guten Anfang. Der Ernährungsminister hatte den Mut — und wir müssen ihm heute sogar dankbar sein für diesen Mut —, in dem ersten Grünen Plan die Alterssicherung als einen Teil dessen zu bezeichnen, was eben zur Lösung der Agrarprobleme notwendig ist. Er hat zwar damals offengelassen, ob es eine Pflichtversicherung sein sollte; es war so eine eigenartige Formulierung, weder Fisch noch Fleisch. Aber immerhin, daß das Problem im ersten Grünen Plan verzeichnet war, das war eine Tat, wenn man bedenkt, daß sich zur damaligen Zeit die meisten Landwirtschaftsverbände gegen jede Pflichtversicherung gewandt haben.
Inzwischen hatte sich auch in der Regierung ein Fortschritt insofern bemerkbar gemacht, als der Arbeitsminister mit dem Ernährungsminister gemeinsam einen Referentenentwurf verkündet hat. Das war ein Fortschritt insoweit, als man auf die Pflichtversicherung entscheidenden Wert legte. Wir haben immer, auch damals schon, diesen Beitrag des Arbeitsministers als eine brauchbare Diskussionsgrundlage bezeichnet, die natürlich noch verbesserungsbedürftig sei; und wir hätten gehofft, daß die Regierung selber diesen Entwurf hier eingebracht hätte.
Eine Enttäuschung war für uns allerdings der zweite Grüne Bericht; das geht an die Adresse des Ernährungsministers. Im zweiten Bericht war nicht mehr zu finden als eine allgemeine Erklärung, wenn auch aus dem Bericht, den der Minister hier an diesem Pult erstattete, der Hoffnungsschimmer leuchtete, daß wenigstens das Anfangsgeld bereitstehen würde.
Gestatten Sie noch eine kurze Zwischenbemerkung über das Verhalten der landwirtschaftlichen Organisationen zu diesem Problem. Als der Arbeitsminister seinen Entwurf verkündete, da faßte das Plenum des Deutschen Bauernverbandes eine Entschließung, und ich gestatte mir, daraus zwei, drei Sätze vorzulesen. Es heißt da:
Der deutsche Bauer will, wie in der Vergangenheit, auch in der Zukunft ein freier Mann auf freier Scholle bleiben. Das gilt auch bezüglich der Altersversorgung der deutschen Bauern, die auf einer ausschließlich freiwilligen, individuellen Grundlage aufgebaut sein muß, jedoch keine gesetzliche Regelung erfordert.
Die Reaktion der Artikelschreiber in den Verbandsmitteilungen war entsprechend. In jedem Artikel wurde der Vorschlag des Arbeitsministers mit sehr eigenartigen Worten abgetan, Vokabeln wie Beschränkung des Eigentums, Untergang des Bauerntums und anderen mehr. Alle diese Schlagworte kamen aus romantischen Vorstellungen, und wir sind heute froh, daß sich diese romantischen Vorstellungen inzwischen in wenigstens annähernd realistische Vorstellungen gewandelt haben. Jedenfalls war das Verhalten dieser Organisationen damals kein Ruhmesblatt für die deutsche Landwirtschaft.
Inzwischen hat die CDU im Januar dieses Jahres einen Gesetzentwurf eingebracht, einen verschlechtorten Gesetzentwurf; es sollte ein Wahlschlager sein, und als Zeugin rufe ich eine sehr prominente, getreue Verbandszeitung auf. Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich daraus die Eingangsworte vorlese. Unter der Überschrift „Bäuerliche Altersversorgung im Wahlfieber" schrieb das Blatt damals:
Es ist eine Erfahrungstatsache, daß vor Wahlkämpfen die in der zu Ende gehenden Legislaturperiode verantwortliche Koalition bestrebt ist, eine Reihe von Gesetzen zu verabschieden, von denen sie annimmt, daß sie ein für sie günstiges Wahlklima schaffen. Die Überlegung, wie man der Opposition den Wind aus den Segeln nehmen kann, spielt dabei keine geringe Rolle.
— Und jetzt kommt's! —
Das Problem der Alterssicherung der bäuerlichen Bevölkerung ist dazu angetan, Wahlschlager ersten Ranges mindestens auf dem Lande zu werden.
Das war sehr deutlich gesprochen.
Die Beratungen in den Ausschüssen standen unter einem sehr schlechten Stern. Nehmen Sie es mir nicht übel, meine Kollegen von der CDU, ich stand nicht nur im Ernährungsausschuß, sondern auch im Sozialpolitischen Ausschuß unter dem Eindruck, daß Sie dachten: Was schert uns der Sachverhalt! Was richtig ist, das bestimmen wir. Das war wenigstens mein Eindruck; Sie werden es mir nicht übelnehmen. Unter dem Bruch aller Gepflogenheiten des Hauses haben Sie der Opposition die Erfüllung des Wunsches verweigert, Sachverständige zu hören. Ja, Sie haben nicht einmal die Sachverständigen der Organisationen gehört, die das Gesetz durchführen sollen, obwohl diese eine ganze Reihe von abweichenden Vorschlägen zur Durchführung gemacht haben. Sie sind keinesfalls berücksichtigt worden. Meine Damen und Herren, Sie haben nicht einmal den Versuch gemacht, diese Vorschläge im Sozialpolitischen Ausschuß zur Diskussion zu stellen.
— Auch nicht im Ernährungsausschuß. Im Ernährungsausschuß haben wir diesen Vertreter zwar gehört, aber da hat er etwas ganz anderes gesagt, sein Verband kam inzwischen zu einer ganz anderen Stellungnahme.
— Herr Kollege Pelster, Sie waren ja gar nicht im Ausschuß.
Im Ernährungsausschuß hat man uns nicht nur von der Regierungsseite, sondern auch von Ihren
Parteifreunden aus vertröstet, hier brauche man keine Sachverständigen mehr zu hören, das alles besorge der federführende Ausschuß. Diese Gewaltaktion trägt einfach den Stempel, daß Sie idas Gesetz im Hinblick auf den 15. September schnell durchsetzen wollten. Sie haben bis auf einen alle unsere Anträge abgelehnt.
Nach meinem Eindruck ist diese in der zweiten Lesung beschlossene Regelung unbefriedigend. Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, Herr Kollege Horn, die einfach den Tatbeständen nicht gerecht werden. Ich darf Ihnen einige dieser Tatbestände noch einmal vor Augen führen. Für uns ist das Problem des Personenkreises eines der wichtigsten. Die ständig mithelfenden Familienangehörigen sind von diesem Gesetz nicht erfaßt. Im Entwurf des Arbeitsministers haben sie noch einen Platz ,gefunden, aber nicht in dem letzten CDU-Entwurf. Sie haben die Hereinnahme der ständig mitarbeitenden Familienangehörigen mit der Begründung abgelehnt — und das muß ich Ihnen noch einmal sagen, weil es nicht den Tatsachen entspricht -, daß diese alten Onkel und Tanten in der Regel Vermögen und sonstigen Besitz hätten; sie hätten es gar nicht nötig, vom Staat Almosen zu empfangen.
Die Wahrheit ist ganz anders, und die will ich Ihnen jetzt vorhalten. Die Regel ist — Herr Kollege Klausner, auch das sollten Sie begreifen und lernen —, daß sie arme Leute sind. Sie 'gehören mit zu den Ärmsten in unseren Dörfern.
Ich will Ihnen einmal sagen, wie das Schicksal dieser alten Onkel und Tanten ist.
— Nein, nein, das ist gar kein Quatsch. Für mich ist es ein ernstes Problem.
Diese alten Onkel und Tanten können sich auf dem Hof abrackern. Sie sind die ersten, die am Morgen aufstehen, und die letzten, die schlafen gehen können. Sie genießen die Gnade, am Tisch des Hofherrn mitzuessen, die Gnade, in einem Kämmerlein zu schlafen, aber sie haben nicht das Recht auf einen Lohn. Sie erhalten wirklich keine Entlohnung. Und was ist dann, wenn sie alt sind und nicht mehr arbeiten können? Dann ist der junge Bauer froh, wenn sie nur schnell sterben. Das ist doch die Situation!
— Nein, das wollen Sie nicht hören? — Das müssen Sie hören!
Herr Kollege Horn hat gesagt, dieser Personenkreis gehöre doch in die Sozialversicherung hinein. Herr Kollege Horn, das wäre schön, wenn diese Personen seit eh und je in der Sozialversicherung wären. Aber das ist nicht so, und zwar deshalb, weil die Bauern einerseits diese finanziellen Opfer nicht tragen können und weil andererseits die, die es könnten, zu stolz waren, diese Personen zur Sozialversicherung anzumelden.
Ich meine, es muß uns die Schamröte ins Gesicht steigen, wenn man hier im Hause so tun will, als ob diese armen Onkel und Tanten nicht da wären.
Es könen nur sozial reaktionäre Kräfte sein, die das verneinen wollen.
— Es ist Ihnen sicher peinlich, aber es muß gesagt werden.
Das Nichteingestehen dieser Tatbestände führt eben zur Anklage, und, meine Damen und Herren vom Sozialpolitischen Ausschuß, ich bedaure, daß sich der Ausschuß nicht die Mühe gemacht hat, dieses Problem näher zu untersuchen.
Herr Horn und auch Herr Klausner haben uns gestern auf die neue Rentengesetzgebung verwiesen und gemeint, in Zukunft würden diese Personen automatisch pflichtversichert werden. Sie irren, Herr Kollege Horn. Die Vertreter des Arbeitsministers haben erklärt, daß es auch heute dafür noch keine Zwangsbestimmung gebe. Jedenfalls sind die Bestimmungen nicht klar, und sie müßten sie erst einmal klarstellen.
Das Problem ist für uns also so schwerwiegend, daß wir in der dritten Lesung noch einmal den Versuch machen, diesen Antrag durchzubringen. Ich sage noch einmal: Für uns ist das eine Kernfrage. Ich gebe zu, daß diese 60 Mark Altersgeld für manchen Unternehmer ein lächerlicher Betrag sind. Diesen alten Onkeln und Tanten aber würden diese 60 Mark zu einem menschenwürdigeren Dasein verhelfen.
Ich darf noch kurz über ein zweites Problem sprechen; es ist gestern in der Debatte nicht berührt worden. Ich habe mir erlaubt, es in beiden Ausschüssen zur Sprache zu bringen. Es ist das Problem der Höherversicherung. Auch hier sind Ihnen einige Tatbestände nicht bekannt, meine Damen und Herren. Es ist nämlich nicht so, daß nun jeder Unternehmer das Altenteil bekommt. Das aber ist praktisch die Grundlage des Gesetzes. Es gibt Tausende und aber Tausende von Unternehmern. die kein Altenteil bekommen, weil sie nämlich Pächter sind. Das gilt nicht nur für die alten einheimischen Pächter, es gilt auch für die vielen Vertriebenen, die inzwischen auf dem Weg über die Pacht zu einem Betrieb gekommen sind.
Diese Gruppe der Pächter ist nicht klein, sie ist ganz beachtlich. Wir hätten den Pächtern die Möglichkeit schaffen sollen, sich durch höhere Beiträge für eine spätere Zeit, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, einen Hof zu pachten, das Anrecht auf höhere Leistungen zu erwerben.
Ich deute dieses Problem nur an, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Es muß auf der Tagesordnung bleiben.
Ich komme nun zu einem dritten, einem sehr wichtigen Komplex, zu dem Komplex der Finanzierung. Ich habe den Eindruck, Herr Kollege Horn
— Sie gestatten mir, daß ich Sie darauf anspreche; Sie sind doch der federführende Politiker in Ihrer Fraktion und haben das Wort im Ausschuß geführt, also muß ich mich schon an Sie wenden —, daß auch diese Finanzierungsfragen nicht gründlich beraten worden sind.
Herr Kollege Klausner hat in seinem Bericht gesagt, es gebe für die Versicherung der Landwirte nur die eine Form, nämlich das Umlageverfahren. Ich habe einen Zwischenruf gemacht: „Wieso? Woher diese Weisheit?" Es gibt nicht nur diese eine Lösung. In ,der Begründung des Gesetzentwurfs sind die Länder aufgezählt, in denen eine solche gesetzliche Regelung, wenn auch verschieden, bereits besteht. Es wäre ,meines Erachtens von Nutzen für die Sache gewesen, wenn der Sozialpolitische Ausschuß sich durch einen Sachverständigen einmal hätte darüber unterrichten lassen, wie die Lösung in anderen Ländern aussieht.
Hinsichtlich der Beiträge haben wirr dm Grundsatz dem Vorschlag zugestimmt, gleiche Beiträge vorzusehen, einfach deshalb, weil das Prinzip etwas anderes nicht zuläßt. Ich mache aber schon heute darauf aufmerksam, daß das Problem der gestaffelten Beiträge noch nicht aus der Welt geschafft ist. Es gibt auch Landwirtschaftsverbände, große sogar — allerdings liegen die im Süden unseres Landes, wo es eben nur kleine Bauern gibt —, die der Meinung sind, daß eine Alterssicherung und ein Beitragssystem nur mit gestaffelten Beiträgen vernünftig sei. Ich will hierzu jedoch keine längeren Ausführungen mehr machen und nur andeuten, daß darüber in späterer Zeit noch einmal gesprochen werden muß.
Zur Frage der Bundesgarantie und der Bundeszuschösse haben wir gestern das Notwendige gesagt, ich will es nicht wiederholen. Ich will nur noch eine Bemerkung an die Adresse meiner Berufskollegen hier im Plenum dazu machen. Wir befinden uns mit unseren Anträgen in bester Gesellschaft. Ich habe es gestern schon betont und wiederhole es: Es gibt keinen Berufsverband, der nicht der Meinung ist, daß in der Frage der Alterssicherung der Landwirte das gleiche Recht gelten muß wie in allen übrigen Versicherungen.
Ich kann mir nicht versagen, noch einiges zu der gestrigen Erklärung dies Finanzministers zur Finanzierung zu sagen. Ich begreife die Erklärung des Finanzministers nicht ganz. Ich möchte nur feststellen, daß diese Erklärung eine Täuschung aller Mitglieder des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist.
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Diese Erklärung ist darüber hinaus eine Täuschung
der gesamten landwirtschaftlichen Öffentlichkeit.
Die CDU und Herr Lübke mögen es mit sich selber ausmachen, wie das zu bewerten ist.
Wir werden in der dritten Lesung auch diese Anträge wiederaufnehmen, damit der Start kein Fehlstart wird. Die CDU — zumindest meine Berufskollegen in der CDU — trägt allein die Verantwortung dafür, wenn es ein Fehlstart wird.
Aber ich habe kaum eine Hoffnung mehr, daß
meine Berufskollegen anders, d. h. mit uns stimmen werden; denn sie haben die Angst vor dem
Finanzminister schon so oft unter Beweis gestellt, daß sie von diesem Roß gar nicht mehr herunterkönnen!
Lassen Sie mich noch über die Leistungen sprechen. Auch diese Frage erscheint uns sehr wichtig, und einige Anträge dazu werden auch in der dritten Lesung noch einmal zur Abstimmung gestellt werden. Meine Damen und Herren von der CDU, Ihr Arbeitsminister hat anscheinend die Probleme etwas besser gekannt. Er hat in seinem Entwurf den Betrag für ,das Ehepaar mit 75 DM und für den einzelnen mit 50 DM vorgesehen. Ich weiß, Sie sind bescheiden, und gerade die Bauern machen bei Ihnen einen sehr bescheidenen Eindruck. Aber mit den Tatsachen draußen hat das nichts zu tun.
Ich darf Ihnen noch einmal sagen, daß das Altenteil ja auch für Sie die Grundlage für diese Altersversorgung ist. Aber müssen Sie nicht auch feststellen, daß dieses Altenteil im Rahmen der gesamten landwirtschaftlichen Betriebe sehr verschieden ist? In dem Kleinbetrieb von 10 oder 20 Morgen hat der Altenteiler nicht einanal, sagen wir, einen eigenen Tisch, da ißt er meistens bis zu seinem Lebensende am Tisch des jungen Bauern; Sie wissen selber, wie das Verhältnis zwischen Jung und Alt draußen ist; es ist doch unbefriedigend bis zum letzten. Also dieser Kleinbauer hat nicht einmal das Altenteil, von dem wir ausgehen. Auf der anderen Seite der große Landwirt, für den das kaum eine Rolle spielt.
Ich meine, schon aus diesen Gründen müßten wir die Leistungen ein bißchen nach oben schrauben; und Sie haben Gelegenheit, nachher unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Kollege Horn, Sie haben sich, und auch das muß ich Ihnen vorhalten, nicht der Mühe unterzogen, im federführenden Ausschuß das Problem des Altenteils, von dem Sie ausgehen, eingehend zu untersuchen. Wenn Sie das getan hätten, dann kämen Sie zu einer ganz anderen Lösung.
Ich will weitere Einzelfragen nicht berühren. Ich möchte zusammenfassend die Vorlage, so wie sie in der zweiten Lesung 'beschlossen worden ist, als eine sehr unvollkommene Vorlage bezeichnen. Wir hätten uns einen guten Beitrag zur Verbesserung der Lage der Landwirtschaft ,anders vorgestellt. Ein guter Beitrag dazu ist das Gesetz nicht. Gewiß, ich gebe zu, es ist ein erster Schritt. Aber die hektische Eile, mit der Sie das Gesetz in den Ausschüssen im Hinblick auf den 15. September durchgepaukt haben, wird sich eines schönen Tages als nicht gut erweisen. Ich bin kein Sozialpolitiker; aber ich habe den Eindruck, daß die sozialpolitischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in Deutschland wie in der Welt bei der Fertigstellung dieses Gesetzes übersehen worden sind.
Wir glauben uns dennoch in einem einig zu sein, nämlich darin, daß es ein Anfang ist, wenn auch ein primitiver Anfang. Wir von der sozialdemokratischen Fraktion werden dafür sorgen, daß es keine Dauerlösung bleiben wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich beabsichtigt, zu der Frage der Altershilfe nicht das Wort zu ergreifen. Aber nachdem Herr Dr. Schmidt mit seinen agrarpolitischen Ansichten vor die Öffentlichkeit getreten ist, halte ich mich innerlich für verpflichtet, auch meine agrarpolitischen Ansichten ,dagegenzustellen.
Zunächst wende ich mich gegen die Verzerrung des Bildes der bäuerlichen Familienwirtschaft.
Das, was hier geschildert worden ist, ist nicht das
normale Bild des Bauern und seiner Mitarbeiter.
Das normale Bild des Bauern und seiner Mitarbeiter ist ein ganz anderes; und unsere Aufgabe ist es, nachdem der Bauer in zwei Währungsänderungen die Spargelder seiner Kinder verloren hat, dem Bauern und seinen Leuten so weit, wie wir nur könen, zu Hilfe zu kommen.
Wir sind keine sozialreaktionäre Gesellschaft; ich weise das mit allem Nachdruck zurück.
— Ich weise auch den Eindruck zurück. Denn wir leben in der Gegenwart genauso, wie wir in der Vergangenheit gelebt haben, und wir sind auch wandlungsfähig und passen uns den Zeiten an. Es bleibt nicht alles so in den starren Begriffen, wie es ehedem war. Wir werden den Verhältnissen, wie sie sich ergeben, Rechnung tragen müssen. Aber wir werden dabei die guten Grundsätze aufrechterhalten müssen, die wir aus der Vergangenheit her übernommen haben. Einer dieser Grundsätze ist: Erhaltung und Kräftigung der bäuerlichen Familienwirtschaft, da diese einen wichtigen Grundstock der gesamten Landwirtschaft und für die gesamte Bevölkerung darstellt. An diesem Grundsatz wollen wir festhalten. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch das Gesetz entstanden.
Es gibt so manche Schwierigkeiten. Wir haben im Grünen Plan auch Ansätze der Hilfe. Nehmen wir z. B. einmal die Hilfe durch zinsverbilligte Gelder für Hofübergaben — „Besitzfestigung" heißt man das —, damit da, wo die Gelder fehlen, ein entsprechender Ersatz durch zinsverbilligte Mittel möglich ist. Dies ist für uns auch eine sehr ernste Frage. Denn die Gutsübergabe muß erleichtert werden. Wir haben ein Interesse daran, daß die Gutsübergabe nicht unnötig verzögert wird. Wir haben ein Interesse daran, daß der Fluß im Bauerntum, in der Ablösung zwischen jung und alt, aufrechterhalten wird,
so daß der Junge auch eine Aussicht hat, in absehbarer Zeit an den Besitz des Hofes zu gelangen. Wir haben aber auch ein Interesse daran, daß der Alte, der den Hof übergibt, entsprechend gesichert wird.
Wenn man sagt, die Altersversorgung der Landwirtschaft seien die Gutsübergabeverträge und die stimmten nicht mehr, dann muß ich mich auch dagegen wenden.
Denn unsere Bauern sind bestrebt, hier gerecht zu handeln, und unsere Bauernkinder, also die, die den Hof übernehmen, sind ebenfalls bestrebt, hier nach gerechten Maßstäben zu handeln; sie sind bereit, dem übergebenden Vater das zukommen zu lassen, was sie ihm nach menschlichem Ermessen zukommen lassen können. Ich wende mich auch hier dagegen, daß die Dinge verzerrt werden. Die Lage ist nur durch die Geldschwierigkeiten und die sonstigen Umstände, die sich da ergeben haben, erschwert worden. Also die Gutsübergabe funktioniert nach wie vor. Wir wollen sie aber erleichtern.
Ich bin ja jeden Sonn- und Feiertag draußen. Wenn einer behauptet, ich kenne die Seele des Landvolkes nicht, dann muß er sich geradezu in eine Irrenanstalt begeben.
Ich weiß, was da draußen los ist. Ich weiß auch, wie die Leute denken. Ich denke genauso wie die Leute, weil ich von ahnen herstamme. Also da kann gar nicht viel passieren. Und die Leute denken ganz vernünftig. Die sagen sich: die Grundlage ist der Altenteil, aber Bargeld wollen wir noch haben. Und an Bargeld fehlt's. Jetzt kommt ein Satz, den ich oft draußen predige und bei dem mir niemand widerspricht: eine Mark auf dem Dorf ist bedeutend wertvoller als eine Mark in der Stadt,
weil sie hier einen ganz ,anderen Kaufwert darstellt. Glauben Sie mir, wenn so ein alter Bauer eine monatliche Rente von 60 Mark hat, dann hat er eben 60 Mark und kann sich wieder rühren; er kannwieder auftreten und die dringendsten Bedürfnisse selber in Geld 'decken. Wir haben auch im Gesetz Vorsorge getroffen, daß ihm von den 60 Mark nicht viel genommen werden kann. Wenn die Altenteilverträge hier Geldleistungen vorsehen, bleiben die Altenteilverträge unter allen Umständen aufrechterhalten. Die Altershilfe trägt den Charakter einer zusätzlichen Geldversorgung, die der übergebende Bauer dringend nötig hat. Das ist der Tatbestand: keine eigentliche Gesamtversicherung, sondern ein Zusatz, der hinzukommt, um die Lage zu erleichtern. Dadurch werden die Dinge in ein ganz anderes Verhältnis gestellt.
Meine verehrten Herren, jetzt komme ich in die traurige Lage, den Herrn Bundesfinanzminister verteidigen zu müssen.
Also so weit geht's ja nicht, daß wir den Worten des Bundesfinanzministers keinen Glauben mehr schenken!
So vermessen sind wir nicht, daß wir auch nur zu behaupten wagten, der Herr Bundesfinanzminister könnte es fertigbringen, uns zu täuschen. Dafür sind wir mit viel zu großer Bauernschläue ausgestattet!
— Wir wissen genauso wie die anderen, daß dieses Gesetz verbesserungsbedürftig ist.
Wir wissen, daß es ausdehnungsfähig ist. Aber wie heißt es in der Geschichte: Fangen wir einmal an, eine gute Sache ins Rollen zu bringen! Wir haben hier einen guten Anfang gemacht, eine Sache, die der Landwirtschaft sehr am Herzen liegt, in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Wir wollen hier die Dinge in der Zukunft genau verfolgen. Wir wollen sehen, wie sich das auswirkt.
Zum Schluß habe ich noch eines zu sagen, was die Damen und Herren nicht wissen können. Ich habe seit längerer Zeit gerade in dieser Frage eine Korrespondenz mit dem Herrn Bundeskanzler gehabt, und ich muß hier folgendes konstatieren. Wenn in der Landwirtschaft schwierige Fragen aufgetaucht sind und man hat sich an den Herrn Bundeskanzler gewandt, dann haben wir von der Landwirtschaft immer ein offenes Ohr gefunden.
— Das werde ich besser wissen als Sie! Er hat sich auch in dieser Frage positiv eingeschaltet, so daß wir zu dem heute erzielten Endergebnis auch durch die Mitwirkung des 'Herrn Bundeskanzlers gekommen sind.
Ich habe nun nur den einen Wunsch: Reden Sie im Wahlkampf draußen nicht soviel über die Altershilfe; denn wenn Sie an die unrechten Plätze kommen, kommen Sie unter die Räder!
Sorgen Sie dafür, daß Sie mit uns das verteidigen, was für die Landwirtschaft wertvoll ist. Wir sind der Überzeugung, daß wir damit auf agrarpolitischem Gebiet im Interesse der alten Leute einen guten Anfang gemacht haben. Die übrigen Probleme wollen wir später einer Erörterung unterziehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Weber .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die Altershilfe für Landwirte entspricht im wesentlichen dem FDP-Antrag Drucksache 2318. Dieses Gesetz wird vor allem in den mittelbäuerlichen und kleinbäuerlichen Betrieben manche Not lindern und die Hofübergabe erleichtern. Es wird deshalb eine wichtige agrarpolitische Aufgabe erfüllen helfen. Meine politischen Freunde werden diesem Gesetz deswegen zustimmen.
Aber gleichzeitig muß ich auch unsere Bedenken zu dem Gesetz, weil es nur einen vorläufigen Rahmen absteckt, klarlegen. Denn dieser Gesetzesantrag der CDU wurde eingebracht, nachdem auf Grund der verabschiedeten Rentenreform eine veränderte Lage entstanden war.
Die §§ 1227 und 1228 der Reichsversicherungsordnung legen fest, daß die bäuerliche Jugend, der ganze Nachwuchs, in Zukunft in die allgemeine Sozialversicherung mit hineinwächst. Versicherungspflichtig sind alle diejenigen, die gegen Entgelt arbeiten oder in Berufsausbildung stehen. Versicherungsfrei ist nach § 1228 nur, wer bei seinem Ehegatten arbeitet oder nicht in Berufsausbildung steht und nur gegen Kost und Unterhalt arbeitet. Sie werden sehen, daß in Zukunft die ganze bäuerliche Jugend, der ganze Nachwuchs dieser Selbständigengruppe der Landwirte zwangsläufig in die allgemeine Sozialversicherung hineinwächst.
Nun haben wir ein Gesetz vor uns liegen, das ein Abschnittsdeckungsverfahren, ein Umlageverfahren beinhaltet. Die FDP hat in ihrem Antrag das Gesetz und 'die Regierung in dieser Hinsicht auch angesprochen. Das Umlageverfahren dieses Gesetzes stellt — was unserer Ansicht entspricht — eine Minimumsicherung dar. Hier unterscheiden wir uns im wesentlichen auch von dem Wollen der SPD, obwohl wir manche Gesichtspunkte — ich möchte noch darauf zurückkommen — unterstützen. Wir unterscheiden uns in dem einen Gesichtspunkt, den der Herr Kollege Schmidt soeben klargestellt hat. Wir wollen keine Höherschraubung von sozialen Ansprüchen, wir wollen eine Minimumsicherung. Als Grundlage hierfür dient uns das Umlageverfahren.
In dieser Hinsicht muß ich auch meine Bedenken anmelden gegenüber dem Verlangen, daß in dem ursprünglichen Antrag der FDP in Punkt 3 mit eingeschlossen war, daß die erforderlichen Anlaufmittel und Zuschüsse des Bundes entsprechend der Regelung bei der Sozialversicherung bereitgestellt werden. Unser Anliegen ist es, daß der Bundesfinanzminister dafür Sorge trägt — und wir bitten auch den Bundesernährungsminister, sein volles Gewicht mit in die Waagschale zu werfen —, daß die Anlaufmittel, die benötigt werden, in Zukunft nicht nur in Form von Darlehen gegeben werden, wie es vielleicht haushaltsmäßig vorübergehend nicht mehr anders möglich ist. Wir fürchten sowieso, daß der Staat — der Finanzminister — immer mehr der größte Darlehensgeber wird.
Deshalb ist unsere Bitte, daß die Mittel, die benötigt werden, um das Gesetz anlaufen zu lassen, in den nächsten Haushaltsjahren in einen Zuschuß umgewandelt werden. Das ist eine sehr berechtigte Forderung, das entspräche den übrigen Gepflogenheiten der Sozialversicherung. Wir haben in der Handwerkerversicherung die alten Ansprüche entsprechend aufgewertet; genauso ist es in der allgemeinen Rentenversicherung. Hier haben wir es mit einer Gruppe zu tun, die zweimal ihre Ersparnisse verloren und die immer freiwillig Eigenvorsorge betrieben hat. Es ist eine Notwendigkeit, daß dieser Gruppe in demselben Maße entgegengekommen wird und daß der § 28 wiederhergestellt wird.
Zusammenfassend möchte ich folgendes sagen. Dieses Gesetz entspricht — um den Gedanken des Leitbildes, den Frau Kalinke gestern angesprochen
hat, herauszustellen - im Grunde genommen einer Zwangsversicherung auf genossenschaftlicher Basis. Das Gesetz käme auf freiwilligem Wege nicht zum Tragen. Das alte Sprichtwort sagt schon: Man bringt keine drei Bauern unter einen Hut. Bei der heutigen Lage und der finanziellen Inanspruchnahme des einzelnen Betriebes würden alle Jungen, die die guten Risiken darstellten, ausscheren, auch wenn sie wüßten, daß sie die Leistungen einmal nötig brauchen könnten. Es würden nur diejenigen von dem freiwilligen Eintritt Gebrauch machen, die die schlechtesten Risiken darstellen, die am frühesten Leistungsansprüche auf Grund des Gesetzes stellen. Deshalb bleibt keine andere Möglichkeit, als die, diese berufsständische Zwangsversicherung, möchte ich einmal sagen, auf genossenschaftlicher Basis durchzuführen. Ich bitte das Hohe Haus, bei der Schlußabstimmung diesem Gesetz zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei hat zu Beginn und am Ende seiner Rede den Schwerpunkt darauf gelegt, daß er sagte: Wir tun heute den ersten Schritt. Ich stimme ihm darin zu. Weitere Schritte werden folgen, und die Zusammensetzung des nächsten Bundestages wird bestimmen, ob es langsame oder Laufschritte sein werden. Diese Debatte heute, ohne vorausgegangene Auseinandersetzung — weder im Ausschuß noch im Parlament — über die Grundsatz- und Kernfragen der Sozialreform, soweit die freien Berufe und die Selbständigen betroffen sind, stellt den ersten Schritt der in Richtung auf eine Verwischung einer bisher in diesem Hause zumindest von der Mehrheit und der Regierung betonten deutlichen Unterscheidung zwischen den Ansprüchen und Pflichten der Bürger im Staate und den Grenzen des staatlichen Zwanges zur Selbstvorsorge. Herr Horlacher hat sich im Tone der Wahlkampfversammlungen mit Recht gegen die Verzerrung des Bildes der bäuerlichen Familien gewandt. Ich möchte dem hinzufügen: in diese Diskussion um die Sozialreform als gesellschaftspolitische Aufgabe der Gegenwart gehört auch das Gespräch über den Standort, die Leistungskraft und die Erhaltung unserer bäuerlichen Familien. Das ist sicher nicht nur meine Auffassung als Sozialpolitikerin, sondern die Auffassung weiter Kreise unserer Bauernschaft, in der noch ein sehr gesundes Gefühl für die Selbsthilfe, die Selbstverantwortung, für die Pflichten im bäuerlichen Familienverband und ein sehr gesundes Gefühl dafür besteht, daß die Zwangsversorgung oder Zwangsversicherung der Landwirte nicht mit irgendeiner Zwangseinrichtung der Arbeitnehmer schlechthin gleichgesetzt werden darf.
Wir haben die Debatten um den so entscheidenden ersten Schritt, den Sie zweifelsohne mit großer Mehrheit, j a wahrscheinlich — bis auf meine Stimme — einstimmig tun werden, begonnen, ohne die großen verfassungsrechtlichen Bedenken, ohne die Gutachten und die Stellungnahmen zu diesem Problem auch nur in etwa zu diskutieren.
Die Mehrheit des Ausschusses hat sich mit der Annahme beruhigt, daß die Berufsgenossenschaften in der Lage sind, dieses Gesetz durchzuführen. Ich habe noch niemals eine Organisation der Sozialversicherung gesehen, die nicht in der Lage war, weitere Aufgaben zu übernehmen, wenn sie ihr angeboten wurden, weil damit auch eine weitere Vermehrung des Apparates und der Bedeutung der Organisation verbunden ist. Für die sozialpolitische Entscheidung hat das nur zweitrangige Bedeutung.
Der vorliegende Gesetzentwurf hat aber auch eine präjudizierende Wirkung — niemand kann sie bestreiten — auf die Behandlung all der Wünsche aus den Kreisen der Selbständigen und freien Berufe, die schon im 1. und 2. Bundestag lautgeworden sind und im 3. Bundestag im Hinblick auf die heutigen Beschlüsse wieder lautwerden dürften. Daß sich Deutschland im Laufe der letzten hundert Jahre vom Agrarstaat zum Industriestaat entwickelt hat, daß eine weitgehende Marktverflechtung des landwirtschaftlichen Betriebs ihn von der reinen Selbstversorgungswirtschaft auf die marktorientierte Produktion verweist, kann nicht zur Folge haben, daß wegen der sozialen Verschiebungen und wegen des Überholtseins gewisser alter Formen die bäuerliche Existenz auch in der Sozialpolitik den sozialpolitischen Formen der Arbeitnehmer angepaßt werden muß. Es ist gar kein Zweifel, daß in diesem Gesetzentwurf mit der Verweisung auf die RVO diese Anpassung schon weitgehend vorbereitet worden ist.
Die beginnende Sozialreform und die gerade erst abgeschlossene Reform der Rentenversicherung, für die wir noch in diesen Tagen wieder eine kleine Novelle schaffen werden, haben das Problem der Alterssicherung der freien Berufe nicht gelöst. Sie haben es nicht angesprochen. Die Zusicherung des Herrn Arbeitsministers, daß die Rentenversicherung eine reine Versicherung der Arbeitnehmer werden soll, ist keineswegs erfüllt. Die Weichen sind sehr seltsam gestellt. Man hat die Selbstversicherung beseitigt. Es geht um ein sehr großes Anliegen, zu dem auch ich mich in der Vergangenheit unter anderen Voraussetzungen bekannt habe. Aber wie kann man die Selbstversicherung der freien Berufe beseitigen, wenn man den anderen Gruppen auf dem Wege über Staatszuschüsse im Invaliditätsfall und über besondere Maßnahmen der Weiterversicherung Chancen eröffnet, die man den freien Berufen verwehrt! Es ist gar kein Zweifel, daß es eine sehr gefährliche Propaganda war, daß man in den Kreisen der freien Berufe an Stelle des Ideals der Freiheit und des Risikos den Sog und den Ruf nach immer mehr sozialer Sicherheit und immer mehr Staat gefördert hat. Herr Horlacher hat hier auf die Währungsreform hingewiesen. Die Währungsreform und ihre Probleme sind genausowenig wie die Probleme der alten Last gelöst worden. Das ist ja nicht nur ein Problem der Landwirtschaft. Es wird eine Aufgabe der fortschreitenden Sozialreform sein, immer wieder auf diese Fragen zurückzukommen.
Bei der Diskussion des Problems der Handwerkerversorgung haben sich hier weite Kreise, zum mindesten unsere Koalitionspartner, für die Beseitigung des Versicherungszwanges für den selbständigen Mittelstand, für das Handwerk ausgesprochen. Dieselben Kreise — ich habe das beobachtet — haben bei der zweiten Lesung der Einführung des Versicherungszwanges für die Bauern zugestimmt.
Ich sage das nicht in dem Ton der Wahlkampfauseinandersetzung, ich will auch nicht auf die Ausführungen des Herrn Horlacher eingehen, sondern ich sage das aus der ernsten Sorge um den Bruch in einer Konzeption, der in dieser Diskussion
so deutlich geworden ist, daß man dazu nicht schweigen darf.
Wenn alle maßgeblichen Politiker, die Verantwortung in den großen Parteien tragen, in diesen Tagen so schöne Reden gehalten und auf den Parteitagen so vernünftige Einsichten betreffend die Grenzen des Versorgungsstaats und den endlich notwendigen Mut verkündet haben, nein zu sagen zu den organisierten Forderungen, insbesondere anläßlich bevorstehender Wahlen, wenn von allen Theoretikern und Praktikern Klage geführt wird, daß unsere Demokratie deshalb bedroht ist, weil die Staatsmänner und die Politiker nicht mehr führen und nicht mehr zur Verantwortung auffordern, sondern immer nur nachgeben, dann sind wir doch verpflichtet, hier noch einmal zu sagen, was die Aufgabe unserer Zeit ist, nämlich Sozialpolitik nicht etwa nach jenem Neidkomplex zu machen, jener Auffassung, daß sich der Bauer nicht das Glas Bier kaufen kann, welches sich der Rentenempfänger, der Arbeiter gewesen ist, kaufen kann. Was wäre das für ein bäuerlicher Familienverband, in dem man mit solchen Argumenten diskutiert! Was wäre das für ein Sohn, der auf einem gesunden Hof nicht in der Lage ist, seinem Vater das Glas Bier zu bezahlen! Dies ist nicht ein übertriebenes Außenseiterbild; idas ist 'das Beispiel, das mir in Hunderten von bäuerlichen Versammlungen und Diskussionen immer wieder von einzelnen Funktionären vorgehalten worden ist.
Wenn wir nun schon fragen —der Herr Arbeitsminister hat das erklärt —, müssen wir schon die Betroffenen selber fragen. Lassen Sie mich dazu ein Wort sagen. Wir stehen im Zeitalter der Überbewertung bestimmter öffentlicher Befragungen. Bei der Rentenreform hat das auch eine Rolle gespielt; im Augenblick spielt es wieder einmal eine sehr bedeutsame Rolle. Ich weiß nicht, wie die Urabstimmungen außer in Hessen ausgegangen sind. Ich weiß nur, welche Fragestellungen sie gehabt haben. Wenn Sie heute einen Bauern oder irgendwen fragen, ob er 60 oder 100 DM im Monat haben will, möchte ich denjenigen sehen, der nein sagt. Wenn Sie ihm aber gleichzeitig mit der Frage sagen, daß die Zahlung dieses Geldes von der Bedingung abhängig ist, daß er Monat für Monat und Jahr für Jahr steigende Beiträge leistet, wird die Antwort wahrscheinlich etwas anders ausfallen. Ich meine, daß zwischen den Funktionären der Organisationen — das gilt nicht nur für die Bauernverbände, sondern für alle Organisationen — und den Mitgliedern, die nicht nur die Wohltaten empfangen, sondern auch die Lasten tragen müssen, ein Unterschied in der Auffassung besteht.
Es ist gar 'kein Zweifel, daß die Probleme der Agrarreform auch Probleme der Sozialreform sind. Aber es ist totsicher so, daß man nicht mit sozialpolitischen Mitteln allein die Probleme der notwendigen und nicht ad hoc zu bewältigenden Agrarreform lösen kann.
Hinsichtlich der Einbeziehung der freien Berufe in ein System der Sozialversicherung ist folgendes zu sagen. Wenn wir Gelegenheit gehabt hätten, darüber wirklich zu diskutieren, hätten wir der Tatsache Rechnung tragen müssen, daß es in der Sozialversicherung Möglichkeiten gibt, die sogenannten kleinen Selbständigen mit Einkommen bis zu einer bestimmten Höhe einzubeziehen. Ich erinnere an den §§ 176 RVO über die Krankenversicherung.
Es ist tatsächlich so — das gebe ich denen zu, die das ausdrücklich betont haben —, daß man die Vollsicherung der Arbeitnehmer nicht mit dem Altenteil und dem dazugehörigen kleinen Betrag, der das Altenteil ergänzen soll, vergleichen kann. Aber der Umstand, daß der überwiegende Teil der landwirtschaftlichen Betriebe Westdeutschlands Familienbetriebe sind, erfordert nicht, daß die Alterssicherung für die selbständigen Bauern auf einer anderen Grundlage erfolgt als etwa die Sicherung der mithelfenden Familienangehörigen; das hat der Kollege Schmidt sehr deutlich gemacht. Daß bei der Struktur 'der Landwirtschaft die Bedürfnisse nach individueller Sicherung sehr unterschiedlich sind, brauche ich nicht zu betonen.
Es ist aber nicht allen Mitgliedern des Plenums und auch nicht allen Mitgliedern des Ausschusses offenbar, daß der große Prozentsatz der sogenannten Arbeiterbauern in der Sozialversicherung ist. Für den kleineren Kreis der Kleinbauern - der nahezu zwei Drittel der Betriebsinhaber ausmacht —, die nicht in der Sozialversicherung sind, hätte man sehr wohl Möglichkeiten finden können, die Versprechungen des Grünen Plans durch eine genossenschaftliche 'Selbsthilfe zu erfüllen.
Es ist soviel über 'den sozialen Notstand der kleinen Bauern gesprochen worden. Es gibt sehr viele Einzelfälle, wo ein echter sozialer Notstand gegegeben ist. Dafür gibt es in unserem Staat eine ganze Zahl ausreichender Hilfen. Hier sind die Gedanken des Grünen Plans 'eben nicht vollständig zu Ende gedacht worden. Hier hat er versagt; hier fehlt es an einer vernünftigen individuellen Lösung für die freien Berufe.
— Ich weiß, daß das alles Sie sehr aufregt. Sie möchten bei so großen Entscheidungen möglichst nur abstimmen und wollen nicht einmal in der dritten Lesung eine grundsätzliche Debatte anhören. Sie haben uns keine Gelegenheit gegeben, im Ausschuß über die Grundsatzfragen dieses Gesetzes zu diskutieren.
Hätten wir es erzwungen, hätten Sie gesagt, wir wollten das Gesetz verhindern. Deshalb müssen Sie uns Gelegenheit geben, wenigstens hier das auszusprechen, was in diesem Gesetz an Problemen enthalten ist.
Sie werden keinen kleinen Hof damit rentabel machen, daß Sie dem Altenteiler 60 DM oder seiner Witwe 40 DM geben. Die Zahl der kleinen Höfe ist rückläufig.
Es ist kein Zweifel, daß hier ganz große Aufgaben für die Agrarreform in den nächsten Jahren bestehen.
Die Höhe der Beiträge steht für keinen fest. Auch kein Bauernverbandspräsident in der CDU kann seiner Organisation sagen, wie hoch denn die Beiträge nach diesem Geesetz sein werden.
— Auf eine so dumme Frage kann ich überhaupt
nicht antworten. — Alle Erfahrungen mit der
Überalterung, die nicht nur ein Problem der Landwirtschaft ist, sprechen !dafür, daß die Beitragslast steigen wird. In den Unterlagen zur Finanzierung, die uns das Arbeitsministerium gegeben hat, ist zu lesen, daß aus diesem Grunde — so heißt es da wörtlich — die für die erste Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes errechnete Belastung voraussichtlich im Laufe der ferneren Zukunft sich erhöhen wird. Es ist dann begründet, warum sie sich erhöhen muß und erhöhen wird.
Sie haben unseren Antrag auf Wahlfreiheit für diejenigen Bauern, die sich individuell versichert haben oder versichern wollen, in der zweiten Lesung abgelehnt. Sie haben sich im Gegensatz zu allen Erklärungen Ihrer prominenten Parteivorsitzenden und ihrer Stellvertreter weder zu dem Grundsatz der Selbstverantwortung und ihrer Förderung bekannt noch sind Sie bereit, über die Grenzen nachzudenken, die Sie gelegentlich erfreulich deutlich machen, wenn es um Reden auf Parteitagen und im Wahlkampf geht.
Lassen Sie mich noch ein Wort zur vorzeitigen Hofübergabe sagen. Ich, die ich vielleicht im Gegensatz zu den Zwischenrufern sehr viele Bauernhöfe und sehr viele Bauern kenne, weiß, daß kein Bauer, weder im Norden noch im Süden, der ein wirklicher Bauer ist, seinen Hof deshalb abgibt, weil er 60 DM bekommen wird. Sie werden mir nicht den Beweis bringen, daß das anders ist. Im Landwirtschaftlichen Wochenblatt für Westfalen und Lippe war zu lesen — ich möchte das sehr unterstreichen, weil es mit einer Auffassung zusammenhängt, die mir aus bäuerlichen Kreisen immer wieder entgegenklang —, daß sich die Frage stellt, ob der Staat oder der Gesetzgeber das Recht hat, eine zusätzliche Bedingung für die Rentengewährung vorzuschreiben, wenn er, wie der Gesetzentwurf vorsieht, abgesehen von einer Übergangshilfe als Darlehen, nicht die Absicht hat, laufende Zuschüsse zu gewähren. Die Bauern selber haben diese laufenden Zuschüsse abgelehnt. Das ist ein erfreuliches Bekenntnis zur Bereitschaft zur Selbsthilfe. Wenn aber der Staat keinen Anteil an einer Einrichtung hat, darf er auch nicht Bedingungen stellen. Es wird die Juristen sicherlich noch beschäftigen, ob diese Bedingung der Hofübergabe tatsächlich tragbar ist. Mir scheint, daß diese Betrachtung in dem Landwirtschaftlichen Wochenblatt sehr vernünftig ist.
Lassen Sie mich nun noch ein Wort zur Gemeinlast sagen. Auch dieses Gesetz enthält ja die Gemeinlast. Die Gemeinlast hat in der deutschen Sozialpolitik seit ihrem Bestehen versagt. Zuletzt haben wir in diesem Hause bei der Krankenversicherung der Rentner sehr ausführlich über dieses Problem gesprochen. Zu welchen Schwierigkeiten sie beim Kindergeld geführt hat, wissen Sie alle aus den Debatten in diesem Hause. Und ich bin keine Prophetin, wenn ich Ihnen voraussage, daß das Thema der Gemeinlast bei steigenden Beiträgen bei den bäuerlichen Altershilfekassen der Brennpunkt 'der künftigen Auseinandersetzungen sein wird. Von der Bundesregierung, die diese Vorlage der CDU sicher befürwortet, weil sie ein Teil dessen ist, was der Herr Arbeitsminister in Zusammenarbeit mit dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 'vorgelegt hat, ist in einer Art Resümee zu den verabschiedeten Rentengesetzen gesagt worden: Wer ein Leben lang an seinem Platz und zu seinem Teil zum allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritt beigetragen hat, der soll künftig im Augenblick der vorzeitigen Berufs- und
Erwerbsunfähigkeit und im Alter nicht mehr abseits stehen von der großen Schar derer, die noch arbeiten und verdienen. Wenn das richtig ist —und es scheint mir richtig zu sein —, sollten wir uns doch Gedanken darüber machen, was mit den alten Bauern, den mithelfenden Familienangehörigen ist, die diese Möglichkeit der Hofübergabe nicht erreichen, sondern invalide geworden sind, die nicht in der Invalidenversicherung sind und die keine Möglichkeit haben, dieses Risiko abzudecken. Wenn wir von Sozialreform sprechen, dann ist dies ein sehr dürftiges Stückchen Sozialreform.
Ich will nicht auf das Problem eingehen, das ich Ihnen gestern in der zweiten Lesung deutlich gemacht habe. 99 % aller Arbeitnehmer haben Sie, gegen das Veto der Deutschen Partei, in die Sozialversicherung einbezogen und geben ihnen Staatszuschüsse für den Fall der Invalidität. Was wollen Sie für die freien Berufe tun für den Fall der Invalidität, wenn Sie nicht den Mut haben, die Grenzen der Versicherungspflicht für die Arbeitnehmer aufzuzeigen? Ich kann zu diesem Thema nur sagen — und ich wiederhole, was auf dem westfälisch-lippischen Bauernverbandstag gesagt wurde —, daß der Mittelstand jahrelang zurückgesetzt worden ist. Ich sage das denen, die so gern über Mittelstandspolitik sprechen. Gerade die Löhne, die Steuern und die Sozialpolitik haben dazu geführt, daß in den bäuerlichen Berufen die im freien Spiel der Sozialen Marktwirtschaft Tätigen zwar von Jahr zu Jahr steigende Abgaben und eine zunehmende Arbeitszeit auf sich nehmen mußten, die Menschen in den familieneigenen Betrieben, besonders die mitarbeitenden Bäuerinnen, Onkel, Tanten, Neffen und Nichten aber am Ende ihrer physischen und moralischen Kraft sind. Deshalb begrüße ich das, was der Kollege von der SPD als eine Lücke in diesem Gesetz besonders deutlich gemacht hat. Eine Sozialreform darf nicht versäumen, auf solche Dinge einzugehen.
Lassen Sie mich zum Schluß
über zwei Grundsatzdinge etwas sagen. — Ich weiß, daß Sie das Problem nicht so interessiert wie der Schluß der Debatte und die Abstimmung über eine so wichtige Frage; es bedurfte nicht dieses Zurufs.
Hier ist mit einem gewissen Pathos vom freien Mann auf freier Scholle gesprochen worden. Man sollte diese Dinge nicht so leicht nehmen. Es ist eine Lebensfrage für unsere Kultur, ob es diesen freien Mann auf freier Scholle noch gibt; es ist eine Lebensfrage für die Zukunft unseres Volkes, wie wir die Formen seiner Sicherung finden. Wenn hier der gute Grundsatz der Erhaltung und Kräftigung des bäuerlichen Familienverbandes und der bäuerlichen Wirtschaft von Herrn Horlacher gepriesen wurde — dem ich zustimme —, welch eine Kräftigung und welch eine Unterstützung der Selbsthilfe sehen Sie in dem Glauben, daß es gut ist, mit Mitteln des Staates oder einer Zwangsversicherung demjenigen zu helfen, der seinem alten Vater nicht das notwendige Taschengeld zum Deputat geben kann? Die Fragen scheinen auch im Kabinett durchaus nicht eindeutig von allen Vertretern derselben Partei innerhalb der Regierung beurteilt worden zu sein. Ich will auf diesen peinlichen Tatbestand der wohl nicht zu erreichenden absoluten Übereinstimmung zwischen Arbeits-, Finanz- und Wirtschaftsminister nicht noch besonders hinweisen. Der Sprecher der FDP hat die
Übereinstimmung mit seinem Antrag gerühmt, er hat aber zu gleicher Zeit die CDU-Vorlage kritisiert. Ich bin daraus nicht ganz klug geworden. Wenn man sagt: Das ist genau das, was wir wollen, und dann kritisiert, was die andern tun, so verstehe ich das nicht. Aber auch Sie, Herr Kollege Schmidt, haben gesagt: „Der CDU-Entwurf will das, was wir schon vor zehn Jahren gewollt haben; er will nur noch nicht alles, er ist nur der erste Schritt dazu." Aber immerhin haben Sie bestätigt, daß der CDU-Entwurf das ist, was auch die SPD will.
Die „Deutsche Bauernzeitung" hat im Juli 1956 geschrieben, der Segen, der von oben komme, müsse wahrgenommen werden. Aber schließlich stellt sie doch fest, daß es bei Abwägung aller Vorzüge und Nachteile wohl notwendig erscheint, eine gesetzliche Regelung anzunehmen, die die gesamte selbständige bäuerliche Bevölkerung von der Verpflichtung für die Altenlast befreit. Dies steht nicht mehr in dem Gesetzentwurf. In der „Deutschen Bauernzeitung" steht dann weiter — ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten jetzt wörtlich zitieren:
Hoffentlich ist das Tempo der Einführung dieser Zwangsversicherung nicht von den bevorstehenden Wahlen bestimmt.
Das wäre eine schlechte Kulisse. Wo dieser Weg der staatlichen Zwangsversicherung anfängt, wissen wir heute alle. Wohin er führt, wissen wir nicht.
Zu diesen Problemen wäre noch eine Fülle von sachlichen Argumenten zu bringen. Ich erkläre Ihnen, die wirtschaftliche Situation unserer Landwirtschaft sollte so gestaltet werden, daß sie nicht nach der Hilfe für ihre Altenteiler zu rufen braucht. Eine Agrarpolitik, die das nicht erfüllt, ist keine befriedigende Agrarpolitik. Ich kann hinzufügen, das Problem, das sich den Generationen stellt, die jetzt mit Steuern und Beiträgen für die Alten zu sorgen haben, ist nicht nur ein Problem der Landwirtschaft, es ist ein Problem aller Berufe und Stände, wie die Folgen der Währungsreform, einer falschen Währungsreform, ein Problem aller Berufe und Stände sind.
Ich weiß, daß die Entscheidung über dieses Gesetz jetzt wahrscheinlich in wenigen Minuten ohne große Auseinandersetzung fallen wird. Aber auch wenn ich hier ganz alleine stehe, werde ich wie in der zweiten Lesung ganz alleine vor einer Sozialpolitik warnen, die nicht der Freiheit dient und die auf die Dauer auch nicht der Sicherung dient.
Dias Wort hat der Herr Abgeordnete Hepp.
Hepp : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, ich werde wenigstens bei meinem ersten Satz die Zustimmung des ganzen Hauses finden, wenn ich sage, daß ich mich kurz fassen werde. Ob meine späteren Ausführungen Ihren Beifall finden, das bleibt dahingestellt.
Man kann dieses an und für sich recht schwierige Thema so und so behandeln. Die Art und Weise, eine so ernsthafte Angelegenheit mit Humor abzutun, wie es Herr Kollege Dr. Horlacher gemacht hat — wir haben das schon öfters bei ihm erlebt —, möchte ich jedenfalls im Hinblick auf die Tribüne doch nicht für ganz richtig halten.
Es ist schon eine ernsthafte Sache, die wir behandeln, und die Öffentlichkeit möge jedenfalls auch in diesem Sinne unterrichtet sein.
Daß wir uns heute über die Frage einer Altershilfe für die Landwirtschaft in der dritten Lesung dieses Gesetzes unterhalten, ist einmal dadurch veranlaßt, daß weite Teile der Landwirtschaft eine derartige Sicherung ihres Alters wünschen, nicht alle. Ich möchte betonen, daß die Auffassungen über diese Angelegenheit durchaus geteilt sind. Aber das Beispiel der Sicherung in anderen Erwerbsständen, in anderen Wirtschaftszweigen und Schichten unseres Volkes veranlaßt den kleinen Bauern selbstverständlich zu der Forderung, daß auch für sein Alter Sicherungen geschaffen werden.
Aber es liegt noch etwas anderes in der Einbringung dieses Gesetzes: das Eingeständnis, daß die Agrarpolitik nicht ganz gelungen ist. Denn wäre die Agrarpolitik so, wie sie eigentlich sein sollte, daß auch der letzte Bauer einen vollen Erfolg hätte, ich glaube, er hätte nicht das Bedürfnis, Sicherungen für sein Lebensalter in Form dieses oder ähnlicher Gesetze zu fordern.
— Ich weiß, meine Herren von der CDU, daß Sie meine Auffassung nicht ganz teilen, und ich weiß auch, daß ich mit meinen Ausführungen nicht Ihr Einverständnis finde. Wer aber ein Gesetz allein und mit einer derartigen Eile einbringt, ohne seine Koalitionspartner zu befragen, der muß nun auch zunächst einmal mit der Kritik seiner Freunde in der Koalition, die vorher nicht gefragt worden sind, rechnen. Das ist nun mal so.
Meine verehrten Koalitionsfreunde aus der CDU, ich habe vor kurzem in einer Bauernzeitung einen sehr interessanten Artikel gelesen, der die Überschrift „Gute und schlechte Erfahrungen" trug. Der Autor dieses Artikels wies darauf hin, daß die Erfahrungen, die man im 1. Bundestag mit der sogenannten Grünen Front gemacht habe, weit besser seien als die im 2. Bundestag gemachten. Allerdings sei damals die CDU nicht im Besitz von 51 0/o der Stimmen dieses Hauses gewesen, sondern sie sei doch mehr oder minder auf ihre Partner angewiesen, d. h. also auch verpflichtet gewesen, im Rahmen der Grünen Front gewisse agrarpolitische Gespräche zu führen, bevor Entscheidungen getroffen wurden.
Ich will Ihnen auch verraten, wer der Artikelschreiber ist: Es ist kein Geringerer als Herr Edmund Rehwinkel, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes und außerdem auch Präsident des niedersächsischen Landvolks.
Das vorweg. Sie haben Verständnis dafür, meine Freunde von der CDU, wenn wir uns zu der einen oder anderen Sache kritisch äußern müssen.
Wir haben uns in beiden Ausschüssen überhaupt weniger den Initiatoren dieses Gesetzes — d. h. also der CDU/CSU — als Gesprächspartner gegenübergesehen als vielmehr den Referenten des
Arbeitsministeriums. Ich habe auch den Eindruck gehabt, daß sich die Kollegen der CDU manche Belehrungen durch Befragung der Vertreter des Arbeitsministeriums holen mußten.
Wir wissen ja, der Gesetzentwurf brauchte nicht in den letzten vier Wochen eingebracht zu werden. Die Referentenentwürfe gehen auf das Frühjahr des vergangenen Jahres zurück. Wenn der Entwurf wirklich so dringend war, konnte er schon früher eingebracht werden.
Herr Kollege Dr. Schmidt, ich teile nicht Ihre Auffassung, daß es sich hier um Wahlpropaganda oder gar um einen Wahlschlager handele.
— Nein, meine Damen und Herren, selbst nach dem Eingeständnis der Antragsteller darf man das Gesetz in der vorliegenden Form kaum als einen voll wirksamen Wahlschlager ansehen.
— Ich spreche nur von dem Tatbestand. Es ist kein Wahlschlager, meine Herren.
Sie, meine Kollegen von der CDU, sagen so oft, das Gesetz solle ja noch verbessert, aber es solle wenigstens einmal ein Anfang gemacht werden. Ich möchte mich grundsätzlich gegen eine derartige Methodik bei der Gesetzgebung aussprechen, wo man von vornherein erklärt: Das Gesetz ist nicht sehr gut, aber wir werden es im Laufe der nächsten Jahre verbessern.
Nun, wir haben die Hoffnung, daß es gelingt, aus ) diesem Gesetz im Laufe der nächsten Jahre etwas wirklich Gutes zu machen.
Herr Kollege Dr. Horlacher, Sie haben sich mit Recht gegen die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Schmidt gewandt, die in gewissem Sinn eine Verzerrung des Bildes der bäuerlichen Familienwirtschaft bedeuten konnten.
Ich möchte nachher auch etwas dazu sagen, mich aber jetzt gegen die Stimmen wenden, die aus unserem eigenen Lager kommen und mehr oder minder aus unserem eigenen Lager auch noch gefördert werden.
Es ist ja heute Mode geworden, den Bauern auf den Seziertisch zu legen. Ich sehe, wie dann die Herren Professoren und Doktoranden in ihren weißen Kitteln unter der Jupiterlampe um den Kleinbauern herumstehen, um den Corpus bis zum letzten zu durchsuchen.
Es gibt allmählich reichlich viele Gesellschaften, die sich zur Aufgabe gesetzt haben, den bäuerlichen Stand bis zum letzten zu durchleuchten. Um nun einem „dringenden Bedürfnis" abzuhelfen, hat man im Frühjahr dieses Jahres die „Forschungsgesellschaft für bäuerliche Familienwirtschaft" gegründet.
Wenn ich an den Vorgang von damals denke, wo man ausgerechnet das modernste und luxuriöseste Bonner Hotel ausgesucht hat — ich will keine Hotelpropaganda für Bonn machen und darum den Namen verschweigen —, um in diesem sehr schönen Rahmen eine „Forschungsgesellschaft für bäuerliche Familienwirtschaft" zu gründen, wobei alle da waren: die Professoren, die Industrievertreter, schließlich die Bänker und natürlich auch alles, was Namen und Klang in der Landwirtschaft hat, — wenn ich daran denke, fällt mir ein Gedicht von Heine ein, das mit den Worten schließt: „Mein Liebchen, da fehlst nur Du"; nämlich derjenige, der eigentlich der Betroffene war, fehlte in diesem Kreis!
Ich bin trotz dringenden Anratens nicht Mitglied dieser Forschungsgesellschaft geworden und habe auch nicht die Absicht, es zu werden.
Ich habe Bedenken dagegen, daß sich insbesondere unsere jungen Professoren, die Doktoranden in der zweiten und dritten Linie dahinter aufgebaut, den Bauern ausgesucht haben, um ihn bis ins kleinste zu studieren. Da fallen solche Worte wie das von der „Romantik" in der Landwirtschaft. Meine Herren, der Bauer ist kein Romantiker. Das Wort von „Blut und Boden" ist damals überall, nur nicht in der Bauernschaft angekommen.
Der Bauer ist ein sehr realer Mensch, der sich die Dinge sehr nüchtern ansieht. Man braucht also vor romantischen Vorstellungen in der Landwirtschaft gar nicht zu warnen.
Es gibt aber gewisse Dinge — da gebe ich Herrn Horlacher recht —, bei denen der Bauer nicht mit sich spielen läßt. Der Hofgedanke in der bäuerlichen Wirtschaft ist etwas, was in seinem Wert über das rein Wirtschaftliche weit hinausgeht.
Herr Minister, wir haben uns bei einer Veranstaltung der gleichen Gesellschaft in Berlin einmal über dieses Thema unterhalten. Wenn man, wie Sie damals auch, vom Bauern nur als von dem Kleinstunternehmer spricht, wenn man vom Bauern immer nur als von einem gewissen Kleingewerbetreibenden in der bäuerlichen Wirtschaft spricht, kommt man nicht an die letzten Werte heran, die im Bauernstand ruhen. Gegen diese Auffassung möchten wir uns einmal ganz grundsätzlich aussprechen. Das hat nichts damit zu tun, daß die Wirtschaftsweise in der Landwirtschaft fortschrittlich werden muß. Das hat nichts damit zu tun, daß wir dafür sorgen müssen, daß sie einen wirklichen Konkurrenzkampf gegenüber dem ausländischen Wettbewerb auszuhalten vermag. In diesen Darstellungen schwingen Auffassungen über den bäuerlichen Berufsstand mit, die wir nur als eine Unterbewertung — vielleicht eine bewußte, jedenfalls aber eine leichtfertige Unterbewertung — dieses Berufsstandes ansehen können.
Nun darf ich noch etwas zu den einzelnen Punkten sagen, und damit komme ich zum Schluß. Wir bedauern, daß die finanzielle Sicherheit für die Vorlage nicht geschaffen worden ist. Ich habe gestern Sie, Herr Minister, darauf aufmerksam gemacht, daß Sie sich seinerzeit bei der Behandlung des Grünen Plans sehr viel positiver geäußert haben. Ich möchte hier das wiederholen, was Sie damals :ausgeführt haben. Herr Kollege Mauk von der FDP hatte einige kritische Ausführungen gemacht. Sie haben darauf geantwortet:
Dann hat Kollege Mauk gesagt, daß die Mittel für die Altersversicherung vom Finanzminister gerade in dem Augenblick gestrichen worden seien, als der Bundeskanzler in Paris für die überseeischen Gebiete Leistungen von 160
oder 170 Millionen DM zugesagt halbe. Nun, meine Damen und Herren, diese 70 Millionen DM
— haben Sie ausgeführt, Herr Minister —
sind gar nicht gestrichen. Sie können in der stenographischen Niederschrift meiner Ausführungen nachlesen, daß ich in meiner Rede am vergangenen Donnerstag genau das Gegenteil gesagt habe: die Bundesregierung ist bereit, dafür zu sorgen, daß die Termine für die Prämienentrichtung und für die Auszahlung des Altersgeldes auf einen Tag fallen. Das lautet anders, als daß die 70 Millionen gestrichen seien.
Meine Herren, sie sind gestrichen worden. Bitte sehen Sie sich doch den Gesetzentwurf an, wie er ,aus den Ausschußberatungen herausgekommen ist. Da steht § 28: „Die nach diesem Gesetz entstehenden Aufwendungen für die ersten sechs Monate trägt der Bund." Und auf der anderen Seite steht: „§ 28 entfällt", und dafür ist ein neuer Passus gefunden worden. Verzeihen Sie also: mein Untertanenverstand langt da offenbar nicht, um etwas anderes herauszulesen, als daß eben tatsächlich die Bundesregierung die klare Verpflichtung, die sie vorher eingegangen ist, nicht mehr aufrechterhält.
Ich glaube, das ist etwas sehr Wichtiges bei der Beurteilung dieses Gesetzes.
Meine Kollegin Frau Kalinke hat schon auf andere Mängel hingewiesen. Sie hat unterstrichen, daß es bedauerlicherweise nicht gelungen sei, auch mitarbeitende alte Familienangehörige einzubeziehen, soweit sie nicht im Genuß irgendeiner anderen Versorgung sind. Ich möchte dazu etwas sagen, und zwar möchte ich mich an die Adresse von Herrn Kollegen Horlacher wenden, der so nachdrücklich die Bedeutung der Familienwirtschaft und auch des Familiensinns in der bäuerlichen Familie unterstrichen hat. Bitte überlegen Sie einmal folgenden Fall. Es kommen die ersten Auszahlungen. Da ist der Bauer, der seinen Hof abgegeben hat, im Genuß von 60 Mark im Monat; und neben ihm sitzt noch eine alte Verwandte im Haushalt, die ihr ganzes Leben lang auf diesem Hof treu gearbeitet hat, aber nicht in 'den Genuß einer derartigen Rente kommt. Glauben Sie, daß das dazu angetan ist, den Familienfrieden unter alten Leuten irgendwie zu fördern?
Glauben Sie nicht vielmehr, daß das berechtigten Unwillen hervorruft, der hätte vermieden werden können, wenn man sich nicht, wie die Herren Antragsteller, auf den ,Standpunkt gestellt hätte: „Wir wollen das Gesetz erst einmal schnell fertigmachen; Fehler wollen wir dann im Laufe des nächsten Jahres verbessern."? Ich glaube, der Bundestag Nr. 3 wird andere große Sorgen haben, und ich möchte nur hoffen und wünschen, daß es .gelingen wird, aus dem Gesetz etwas wirklich Brauchbares zu machen.
Meine Damen und Herren, wir werden dem Gesetz zustimmen.
— Jawohl, meine Herren. Wir werden uns, soweit
wir ihm nicht zustimmen können, der Stimme enthalten. Wir werden aber heute schon die Erklärung abgeben, daß unsereAufgabe sein wird, im 3. Bundestag etwas Besseres daraus zu machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Elsner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, längere Ausführungen zu machen. Die Argumente dafür und dagegen sind ausreichend erörtert. Ich werde meine Ausführungen auf die Fragen beschränken, 'die heute in der Debatte nicht genügend oder gar nicht angesprochen worden sind.
Dazu ist es aber notwendig, daß Sie dieses Gesetz einmal im Blickfeld der sich vollziehenden Tragödie des heimatvertriebenen Bauerntums betrachten. Nach der statistischem Feststellung haben rund 827 000 Heimatvertriebene aus dem Bauerntum Entschädigungsanträge gestellt. Wenn Sie die Erbberechtigten abziehen, bleiben mindestens noch 600 000 Bauernfamilien, im Gegensatz zu der Auffassung, es seien 300 000, die hier in den Beratungen immer eine Rolle gespielt hat. Von diesen 600 000 Bauernfamilien sind auf Vollerwerbsstellen nur 16 000 auf dem Kauf- oder Pachtwege eingegliedert. Wenn wir unterstellen, daß nur etwa die Hälfte auf dem Kaufwege zum Zuge gekommen ist und in den Genuß der vollen Leistungen nach dem vorliegenden Gesetz käme, so bleibt immer noch die Hälfte übrig, die auf dem Pachtwege eingegliedert ist und eines Tages von dem Pachtbetrieb weichen muß. Für diese heimatvertriebenen Bauern entfallen dann die elementaren Grundlagen der Alterssicherung, die in der Wohnung und in der Naturalleistung liegen. Es verbleiben ihnen nur die spärlichen Barbeträge, die auf Grund dieses Gesetzes an sie geleistet werden. Wir sind der Meinung, daß dieser schwerwiegende Mangel behoben werden muß.
Wir müssen uns aber in diesem Zusammenhang auch einmal die Lage der übrigen heimatvertriebenen Bauern ansehen, die nicht eingegliedert sind, die heute als Arbeitnehmer tätig sind und die die Anwartschaft auf ihre Altersversorgung nicht erreichen. ,Gewiß, theoretisch ist für sie die Frage der Altersversorgung gelöst; denn das Rentengesetz sieht in § 51 die Möglichkeit der Nachversicherung vor, und nach der 8. Novelle dies Lastenausgleichsgesetzes werden nach § 252 Mittel aus der Hauptentschädigung hierfür bereitgestellt. Damit wäre auch für diesen Personenkreis alles in Ordnung, meine Damen und Herren, wenn die Feststellungsbehörden in der Lage wären, rechtzeitig die Voraussetzung für die Leistungen aus diesem Gesetz zu schaffen. Das ist .leider nicht der Fall. Deshalb möchte ich den Herrn Bundesernährungsminister Britten, beim Herrn Bundesfinanzminister als Anwalt der betroffenen Heimatvertriebenen aufzutreten und darauf hinzuwirken, daß hier eine Beschleunigung im Feststellungsverfahren Platz greift, damit die Altersversorgung auch für diese heimatvertriebenen Bauern, die nichteingegliedert sind, wirksam werden kann.
Wichtig dabei ist, daß nicht nur die Schadensfeststellung vorliegt, sondern auch die erforderlichen Mittel bereitstehen. Herr Bundesminister, auch da wird es notwendig sein, daß Sie dafür eintreten, daß die genannten Voraussetzungen geschaffen werden. Wir haben ernste Befürchtungen,
daß hier eine Entwicklung eintritt, bei der dieser Komplex sozialpolitisch vollkommnen offenbleibt.
Dieses ganze Gesetz ist — das ist wiederholt gesagt worden — eine Notlösung. Es läßt in vollem Umfang das Streben nach Parität vermissen.
— Ja, meine Damen unid Herren, wir haben die Paritätsforderung für die Landwirtschaft hier ja immer wieder erhoben, und ich bin der Meinung, daß die alten Bauern, die einer Altersversorgung bedürfen, auch paritätisch zu behandeln sind, zu behandeln sind wie die, deren Altersversorgung durch das Rentenversicherungsgesetz sichergestellt ist.
Dann möchte ich Ihnen nur noch sagen, daß dieses Gesetz, was seine Leistungen angeht, verglichen mit den Gesetzen der übrigen Länder in der Leistung bei weitem das schwächste ist. Z. B. werden in Holland, Dänemark, Neuseeland und Australien Leistungen von 100 bis 200 DM in bar ausgeschüttet, in Schweden 200 bis 300 DM und in Kanada rund 400 DM. Ich bin der Meinung, .diese Zahlen zeigen deutlich, wie das Gesetz zu bewerten ist.
Meine Fraktion ist deshalb nicht in der Lage, diesem Gesetz zuzustimmen. Wir wenden uns der Stimme enthalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Verabschiedung einer so schwierigen Materie ist es das gute Recht einer jeden Fraktion, durch ihre Sprecher noch einmal Lücken aufzuzeigen, .die hier und da in dem Gesetz erkennbar sind. Um so erfreulicher ist es, daß man im großen und :ganzen .doch der Gesamtkonzeption zugestimmt hat.
Meine Fraktion möchte durch mich vor allen Dingen den Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses und des mitberatenden Ernährungsausschusses danken, ,die es trotz der großen Fülle von Arbeit ermöglicht haben, daß dieses Gesetz heute hier verabschiedet werden kann.
Meine Fraktion weist alle Bemerkungen zurück, mit denen dieses Gesetz zu einem Wahlschlager abgestempelt werden soll.
Wer die Verhältnisse in unseren bäuerlichen Familien wirklich kennt, der kann, Frau Kalinke unid Herr Hepp, nicht von Wahlschlagern sprechen, sondern der .muß wissen, daß es das uralte Anliegen unserer kleinbäuerlichen Familien ist, gerade von dieser Sorge, die im Alter zwangsläufig verstärkt auf jede Familie zukommt, in irgendeiner Form befreit zu werden.
Es ist richtig, Herr Kollege Schmidt, von den großen Berufsvertretungen, sogar dem Deutschen Bauernverband und auch in den Gebieten mit ausgesprochen kleinbäuerlichen Betrieben wurde durchaus die Auffassung vertreten, der `Staat möge hier nicht eingreifen, er möge es ihnen überlassen, diese
Angelegenheit selber zu regeln. Es stimmt ferner, daß vor Jahren im Deutschen Bauernverband ein einstimmiger Beschluß in dieser Richtung zustande kam.
Sie dürfen aber nicht verschweigen, daß sich die Verhältnisse in den letzten Jahren gewandelt haben. Nicht der Währungsverfall, der Verfall der Ersparnisse — er hat alle Stände unid Schichten getroffen — ist hier die eigentliche Ursache. Für die bäuerliche Familie, für die deutsche Landwirtschaft kommt etwas hinzu — das hängt mit der Entstehungsgeschichte und Durchführung des Landwirtschaftsgesetzes und mit den Grünen Plänen zusammen und ist hier eingehend erörtert worden —: Die deutsche Landwirtschaft befindet sich in einem revolutionären Umbruch, wie ihn die Bauerngeschichte Deutschlands, ja vielleicht Europas, bisher nicht gekannt hat. Gerade in den kleinbäuerlichen Betrieben können Sie mit Technisierung und Rationalisierung längst nicht so viel erzielen wie etwa in größeren Betrieben oder gar in Großbetrieben.
Nun darf ich zu Ihrer Feststellung, Kollege Schmidt, zurückkommen. Das haben Sie vergessen: in Erkenntnis dieser Umwälzung, die auf uns zugekommen ist, haben dieselben Bauernverbände, kleine unid große, einmütig beschlossen, daß eine wirkliche Alterssicherung für 'die bäuerliche Familie geschaffen werden muß.
Man hat jahrelang um dieses Problem gerungen,
und, glauben Sie mir, Frau Kalinke, da ist die
„Freiheit", die „bäuerliche Fürsorge", die „bäuerliche Selbstverantwortung" nicht zu kurz gekommen. Dazu bedurfte es nicht langer Reden; die
konnte man sparen, weil das Gefühl für diese
Werte vorhanden sind. Darauf sind wir, .darauf ist
vor allen Dingen die CDU-Fraktion stolz; wir stellen 50 bäuerliche Abgeordnete, und wir wissen, daß
die bäuerliche Familie ein Gefühl dafür hat, wer
für ihre Interessen auch in dieser Richtung kämpft.
Wir weisen eine Vermischung von agrarwirtschaftlichen und sozialpolitischen Fragen entschieden zurück. Das Landwirtschaftsgesetz und die Grünen Pläne haben das wirtschaftliche Fundament für unsere bäuerliche Familie gegeben.
— Bevor Sie fragen, möchte ich noch etwas sagen. Sie meinen — in dieser Richtung äußerten Sie sich —, in dem kleinbäuerlichen Betrieb sei sowieso eine gewisse Auflösungstendenz vorhanden. Das ist grundfalsch. Das Landwirtschaftsgesetz spricht von dem bäuerlichen Familienbetrieb. Wir haben uns lange bei den Beratungen darüber unterhalten: Kann man hier überhaupt Betriebsgrößen angeben? Nein, das kann man nicht! Ein 1-haWeinbetrieb oder ein 2-ha-Gemüsebetrieb im Bonner Raum kann ebensogut die Grundlage für die bäuerliche Familie sein wie ein 20-ha-Betrieb in Bayern oder in Schleswig-Holstein. Grundlage muß eben der bäuerlichen Familienbetrieb sein und bleiben. Der Herr Kollege Horlacher sagte ein wahres Wort: Eine Mark ist in diesen Familien mehr als allgemein im städtischen Bereich.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Struve?
Bitte sehr!
Frau Kalinke : Herr Kollege Struve, Sie haben das, was Sie hier soeben gesagt haben, auch in der Öffentlichkeit verkündet. Meinen Sie nicht, daß die große Zahl der 50 bäuerlichen Abgeordneten in der CDU/CSU, die Sie hier rühmen., dazu hätte beitragen müssen, daß die Maßnahmen der Agrarpolitik und auch für die Alterssicherung der Bauern — wir wollen ja auch für die Sicherung der Bauern sorgen — bessere und andere sind? Meinen Sie nicht, daß angesichts der großen Zahl der Erfolg hätte größer sein müssen?
Frau Kalinke, ich möchte Ihnen dazu sagen, daß bei 'der Verabschiedung des zweiten Grünen Planes von meiner Fraktion ein Entschließungsantrag eingebracht worden ist, in dem eindeutig die heute noch bestehenden Lücken aufgezeigt sind. Sie haben mit dem ganzen Hause diesem Entschließungsantrag zugestimmt. Wir wissen wie Sie, daß unsere gesamte wirtschaftliche Entwicklung leider noch nicht ermöglicht hat, die letzte Lücke zu schließen. Es ist bis heute noch nicht gelungen, die deutsche Landwirtschaft in die Wettbewerbswirtschaft, in unsere übrige Wirtschaft hineinzustellen, sie völlig einzugliedern. Wir wehren uns aber dagegen, daß der Kollege und Minister Erhard mit seiner Politik angegriffen und er als der hingestellt wird, der allein es verhindert hat. Die Politik Erhards war die Vorbedingung für den wirtschaftlichen Aufstieg und ist zugleich die 1 Grundlage für den sozialen Frieden; daran gibt es nichts zu ändern.
Ich bin der Meinung, unter der Führung der CDU/ CSU war es möglich, diesen wirtschaftlichen Aufstieg zu erreichen. Es war möglich, auf dem sozialen Gebiet ungeheuere Leistungen zu vollbringen.
Es wird in den kommenden vier Jahren möglich sein, auch die letzten Lücken zu schließen, die sich hier noch zeigen.
Meine Damen und Herren; ich bitte Sie, den Redner aussprechen zu lassen. Das beschleunigt den Ablauf der Verhandlungen.
Der Zwischenruf „Wahlversammlung" zeigt, daß ich ins Schwarze getroffen habe.
Wir werden uns draußen über diese Dinge noch unterhalten.
Sie haben es eben nicht fertigbringen können, die Beratungen durch Geschäftsordnungsdebatten so lange hinauszuschieben, daß es unmöglich war, das Gesetz zu verabschieden.
Lassen Sie mich mit meinen Einleitungsworten auch wieder schließen. Meine Fraktion dankt den Mitgliedern des Hauses, vor allen Dingen aber den Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses, die diesen ersten Schritt ermöglicht haben. Meine Fraktion wird bei den kommenden Beratungen, bei eventuell notwendigen Novellen
ihre Mitarbeit nicht versagen. — Nein, wir werden hier genauso initiativ bleiben, wie wir es auch bei der Einbringung des Gesetzentwurfs waren.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht zum Wort gemeldet, wenn nicht Herr Struve hier so stolzgeschwellt von dem Stolz gesprochen hätte, den seine Fraktion angesichts dieses Gesetzes empfindet. Ich glaube, in der Sache ist von meinen Freunden gestern alles gesagt worden.
Gestatten Sie mir zunächst folgende Bemerkung. Ich halte es nicht für fair, zu sagen, daß die Sozialdemokraten durch Geschäftsordnungsdebatten versucht hätten, das Zustandekommen dieses Gesetzes zu verhindern.
— Wenn es danach ausgesehen hat, Herr Kollege Pelster, dann lag das vielleicht auch am Auge des Beschauers.
Die Sozialdemokraten haben versucht — nach Ihrem eigenen Zeugnis mit guten Gründen und aus gegebener Veranlassung —, in den Gesetzentwurf das hineinzubringen, was sogar nach Ihrer Ansicht fehlt. Sie haben hier schon verkündet, daß Sie nach dem bewährten Beispiel der CDU-Gesetzesmacherei Novellen machen wollen. Wir haben schon die vierte Kindergeldgesetznovelle, wir werden sehr bald auch die vierte Novelle zur Alterssicherung der Landwirte haben. Das ist auch ein Stil. Wir erlauben uns nur die Meinung, daß es ein sehr schlechter Stil ist.
Eine andere Bemerkung, Herr Struve. Sie haben mit dem Stolz des CDU-Politikers, des Agrarpolitikers in der CDU, von dem wirtschaftlichen Aufstieg gesprochen. Sie haben keine Veranlassung, das so nachdrücklich zu sagen, weil in allen landwirtschaftlichen Zeitungen und gerade in den letzten Tagen wieder in den Fachblättern, die im wesentlichen aus den Reihen Ihrer politischen Freunde redigiert werden, festgestellt wird, daß dieser wirtschaftliche Aufstieg zum großen Teil von der Landwirtschaft bezahlt worden ist.
.
— Oh, oh, meine Herren? Lesen Sie es selbst nach.
Mir kommt es eigentlich nur noch auf eine Feststellung an, weil Sie hier von so viel Stolz gesprochen haben. Wenn wir nicht in dieser Zeitnot wären, in der wir uns befinden, würde ich es einigen ehrenwerten Kollegen des Hauses auf der Rechten, die sich in der Agrarpolitik tummeln, nicht ersparen, ihnen die Fülle von Aufsätzen vorzulesen, die bis unmittelbar vor dem Erscheinen des Gesetzentwurfs in den Fachzeitungen zu lesen waren,
angefangen von dem Tag, an dem zum erstenmal Sozialdemokraten aus agrarpolitischen und sozialpolitischen Überlegungen eine Alterssicherung für die Landwirtschaft gefordert haben, Aufsätze, in denen expressis verbis davon gesprochen wurde, daß man damit nur die Absicht habe, die Bauern zu versklaven, ihnen ihre Freiheit wegzunehmen usw.
Erst als Sie wußten, daß es nicht mehr aufzuhalten war, haben Sie diese Notlösung getroffen, eine Notlösung, von der Sie wissen, daß es eine Notlösung ist, eine Notlösung, von der Sie wissen, daß sie der sozialen Lage der großen Masse der Landwirtschaft in keiner Weise gerecht wird.
Sie versuchen jetzt, über den 15. September hinwegzukommen, indem Sie großzügig nach altbewährtem Muster die Novellen anbieten. Aber, wenn Sie so stolz sind, Herr Struve, dann schlucken Sie auch das noch, daß ich, wenn wir hier mehr Zeit hätten, eine Reihe von Ihnen mit den Artikeln und mit den Ausführungen konfrontieren würde, die Sie vor der Einbringung des Gesetzes gegen ein solches Vorhaben an den Tag gelegt haben. Ob das Politik oder Propaganda ist, das zu beurteilen überlasse ich Ihnen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache zur dritten Lesung.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 1259 Ziffer '1 auf Einfügung eines § 1 a in das Gesetz auf. Das Wort hat der Abgeordnete Seither.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der Geschäftslage dieses Hauses werde ich nur wenige Worte sagen, zumal die Anträge gestern und heute begründet worden sind.
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache hierzu.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche .Abstimmung beantragt.
— Wünschen Sie das Wort zur Abstimmung?
— Zur Sache können Sie nicht mehr sprechen; die Aussprache ist bereits geschlossen.
Es ist also von der SPD namentliche Abstimmung beantragt. Es sind mehr als 50 Abgeordnete der SPD im Saal. Demgemäß ist die namentliche Abstimmung durchzuführen.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck 1259 Ziffer 1. Ichbitte die Schriftführer, die Abstimmungskarten einzusammeln.
Sind alle Stimmkarten abgegeben? — Die Abstimmung ist geschlossen.
Ich höre, daß über die Ziffer 2 des Änderungsantrages Umdruck 1259 weiterverhandelt werden kann, auch wenn wir noch nicht wissen, welches Ergebnis die namentliche Abstimmung über den Antrag Umdruck 1259 .(neu) Ziffer 1 hat.
Ich rufe daher auf den Änderungsantrag Umdruck 1259 Ziffer 2. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Seither.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht hier um die höhere Leistung. Wir beantragen, für Verheiratete anstatt 60 DM 90 DM zu gewähren, für Unverheiratete anstatt 40 DM 60 DM. Wir haben ausführlich begründet, daß in der Landwirtschaft der Bedarf an Bargeld absolut gestiegen ist.
Wir bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 1259 Ziffer 2. Wer ihm zustimmt, gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 1259 Ziffer 3 a zu § 7. Wird dazu das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe die Anträge Umdruck 1259 Ziffern 3 a und 3b. Wir beantragen hiermit, Bundeszuschüsse für die Altershilfe der Landwirte zu gewähren. Wir haben bereits gestern dargelegt, daß Bundeszuschüsse für die soziale Sicherung für Arbeiter, Angestellte und Handwerker gesetzlich festgelegt sind. Deshalb haben nach Auffassung der Sozialdemokraten alle Staatsbürger, für die der Gesetzgeber eine soziale Sicherung bieten will, den gleichen Anspruch auf die staatlichen Zuschüsse.
Wird dazu das Wort 'gewünscht? — Eis wind nicht gewünscht. Wirr stimmen ab über den Antrag 'Umdruck 1259 Ziffer 3. Ich unterstelle das Einverständnis des Hauses, daß wir über a und b zusammen abstimmen. Wer dem Antrag der SPD Umdruck 1259 Ziffer 3 zustimmen will, bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Dias ist die Mehrheit; die beiden Anträge sind abgelehnt.
Ich habe immer noch nicht die amtliche Meldung über die namentliche Abstimmung. Ich hoffe, daß 4r dennoch fortfahren können. Umdruck 1259 Ziffer 4, Einfügung eines § 19a. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Schellenberg.
Wir beantragen, einen § 19a mit einer Bundesgarantie einzuführen, und zwar einer Bundesgarantie zur Sicherung der Leistungen für drei Monate. Ohne eine solche Bundesgarantie bleibt nach unserer Auffassung die Zusicherung dieses Gesetzes ein Versprechen, für dessen Erfüllung keine ausreichende Gewähr gegeben ist. Bei der großen Bedeutung einer Sicherung der Leistungen, die wir beschließen wollen, beantragen wir hierüber namentliche Abstimmung.
Herr Abgeordneter Weber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen 'und Herren! Die SPD ist einem von mir gestern iahend gemachten Einwand gefolgt. Ich möchte dem ganzen Haus trotz der Eile, in der wir stehen, eindringlich ans Herz legen, sich mit diesem Problem genau zu befassen.
Meine politischen Freunde unterscheiden sich von der SPD, die erneut eine Schraube sozialpolitischer Forderungen und Leistungsverpflichtungen ansetzen will. Wir wollen eine glatte Grundlage, nämlich ein Umlageverfahren. Wenn die Währung und die Zahl der Betriebe brauchte man keine Bundesgarantie. In den agrarpolitischen Zielen der SPD wird das Wort Strukturwandlung großgeschrieben; wobei ich der SPD nicht in allen Dingen zustimme. Ich möchte diem Hause nahelegen, .dafür zu sorgen, daß bei einer strukturellen Wandlung, d. h. einer Verringerung der Betriebszahl, nachher nicht eine Umlegung auf die einzelnen Betriebe erfolgen kann. Dafür hat vielmehr meiner Ansicht nach eine Bundesgarantie einzusetzen. Ich möchte mich auf diesen Gesichtspunkt beschränken und nicht von der Höherschraubung sozialpolitischer Forderungen sprechen, die wir befürchten, mit sämtlichen Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik.
Ich stelle folgenden Antrag — und frage, ob Sie damit einverstanden sind —:
Reichen die Einnahmen
— das Wort „voraussichtlich" ist zu streichen —
nicht aus, um die Ausgaben für die Dauer der nächsten drei 'Monate zu decken, weil
— das ist neu —
durch strukturelle Veränderungen in der Landwirtschaft die Anzahl der Betriebe schrumpft, so sind die erforderlichen Mittel vorn Bund bereitzustellen.
Unter dieser Voraussetzung könnten wir einer Bundesgarantie zustimmen. Wir sehen in dieser Hinsicht eine Aufgabe, genauso wie wir — was vorhin in namentlicher Abstimmung abgelehnt wurde — eine sozialpolitische Aufgabe und Forderung darin sehen, den mithelfenden Fanailienangehörigen, den alten Onkeln und Tanten, zu helfen. Aber sie paßt in dien Rahmen des Gesetzes nicht hinein. Sie könnte nur als eine auslaufende Aufgabe — die sie ja tatsächlich darstellt — und als eine Verpflichtung des Bundes übernommen werden.
Das ist also ein Änderungsantrag zum Änderungsantrag. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weber hat einige Anregungen gegeben. Der ersten Anregung, daß man das Wort „voraussichtlich" streicht, uni die Garantie bestimmt und eng zu begrenzen, könnten wir zustimmen. Aber es ist nicht möglich, eine weitere Voraussetzung dadurch zu schaffen, daß strukturelle Veränderungen zur Voraussetzung der Garantie gemacht werden, und zwar aus einem ganz nüchternen Grunde. Wenn die Mittel für die nächsten drei Monate nicht vorhanden sind, dann ist höchste Gefahr im Verzuge, und man kann nicht erst Untersuchungen darüber anstellen, ob sich die Struktur der Landwirtschaft geändert hat, und feststellen, ob aus diesem Grunde die Mittel nicht zur Verfügung stehen.
Es muß ein sofort objektiv feststellbarer Tatbestand gegeben sein, nämlich der, daß die erforderlichen Mittel nicht vorhanden sind, um die Leistungen für die nächsten drei Monate zu gewährleisten.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Bitte schön.
Herr Kollege Schellenberg, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß so, wie das Gesetz jetzt schon ist, jederzeit festliegt, wieviel Betriebe wir haben, die zahlungspflichtig sind, und wieviel Berechtigte wir haben? Im Verlauf eines Geschäftsjahres ist festzustellen, wenn die Anzahl der Betriebe sinkt. Das dürfte eine gute Handhabe für jede Maßnahme sein.
Herr Kollege Weber, die Zahl der Betriebe steht zwar fest, aber leider steht nicht fest, ob alle Betriebe, die zahlungsverpflichtet sind, auch so pünktlich zahlen, daß immer die Mittel für die nächsten drei Monate vorhanden sind. Es ist unserer Auffassung nach völlig unmöglich, hier durch Gesetzeinen Anspruch auf Altershilfe festzulegen und nicht die Gewähr dafür zu bieten, daß diese Leistungen auch stets für die nächsten drei Monate durch eine staatliche Garantie gesichert sind.
Herr Abgeordneter Horlacher!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind an einem glücklichen Schluß, aber an einem unglücklichen Ende.
Mit dem Herrn Abgeordneten Schellenberg will ich nicht fechten. Das ist ein nach allen Seiten hin ausgeglichener Mann, vorsichtig ausgedrückt.
Aber er weiß ,ganz genau, daß das Gesetz, wenn wir einen solchen Paragraphen annehmen, nach § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zurück muß.
Das Gesetz ist dann nicht verabschiedet.
Außerdem möchte ich gegenüber dem Abgeordneten Weber folgendes konstatieren. In drei Monaten schrumpft nicht so viel zusammen. Es kommt darauf an, daß das Gesetz jetzt anläuft. Die Erklärung des Bundesfinanzministers, daß er für die Anlaufzeit die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt, ist uns vollständig rausreichend.
— Es ist ja wurscht, wo das Geld herkommt. Glauben Sie, daß der Bauer, der 60 DM kriegt, anschaut, ob es auf dem Darlehnsweg oder auf dem anderen Weg dahergekommen ist? Der ist froh, wenn er die 60 DM hat. Das übrige kann der Deutsche Bundestag in einer dritten Periode ausfechten; das ist eine Frage für sich.
Ich bin der Meinung, daß hier genügend Sicherungen getroffen sind, um das Gesetz anlaufen zu lassen. Wir haben in diesem Sinne allen Ernstes vollstes Zutrauen zum Herrn Bundesfinianzminister; da gibt es gar keinen Zweifel. Deswegen lehnen wir mit Begeisterung den § 19 a ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wollen, daß dieses Gesetz verabschiedet wird, und zwar möglichst noch heute. Aber man muß ein Gesetz verabschieden, bei dem die Leistungen wirklich gesichert sind. Darum ist die Frage der Garantie von entscheidender Bedeutung für den Inhalt des Gesetzes.
Herr Kollege Horlacher, Sie haben von einem Darlehen für die Anlaufzeit von sechs Monaten gesprochen. Aber es muß doch auch die unbedingte Garantie gegeben sein, daß nach dieser Anlaufzeit die Leistungen weiter gewährt werden können. Wir haben unsere Forderung von gestern, die den allgemeinen Grundsätzen der Rentenversicherung entspricht, eine Sicherung für ein Jahr zu gewährleisten, auf ein Minimum von drei Monaten beschränkt. Ohne eine Sicherung für drei Monate ist eine sinnvolle Altershilfe ein Phantom.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen über den Änderungsantrag zum Änderungsantrag des Abgeordneten Weber ab. Das Haus hat ihn gehört.
Wir sind mit der Streichung des Wortes „voraussichtlich" einverstanden.
Sie stellen also einen Änderungsantrag zum Änderungsantrag Weber, dem Änderungsantrag zu Ihrem Änderungsantrag.
Ich teile die Abstimmung. Erst wird über die Streichung des Wortes „voraussichtlich" abgestimmt. Wer dafür ist, daß in dem Antrag Umdruck 1259 Ziffer 4 das Wort „voraussichtlich" gestrichen wird, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Abstimmung muß wiederholt werden. Wer dafür ist, daß „voraussichtlich" gestrichen wird, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Das Wort „voraussichtlich" bleibt also stehen.
Nun folgt der andere Teil des Änderungsantrags Weber. Da wollen Sie nicht mitmachen?
Hier sollen die Worte „weil durch strukturelle Veränderungen in der Landwirtschaft die Anzahl der Betriebe schrumpft, ..." eingefügt werden. Wer diesem Änderungsantrag Weber zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt kommt die namentliche Abstimmung über die Ziffer 4 des Umdrucks 1.259 . Bevor die Stimmkarten eingesammelt werden, möchte ich das vorläufige Ergebnis*) unserer letzten namentlichen Abstimmung — über Ziffer 1 des Umdrucks 1259 (neu) — bekanntgeben. Das ist ganz interessant. Mit Ja haben 203, mit Nein ebenfalls 203 Mitglieder des Hauses gestimmt, enthalten haben sich 2. Könnten wir die Berliner Stimmen mitzählen, würde die Sache anders aussehen: Mit Ja haben 12 Berliner gestimmt, mit Nein 7.
Da ich die Berliner Stimmen leider nicht mitzählen kann, ist der Antrag abgelehnt.
Jetzt machen wir also das nächste Spiel, erneut eine namentliche Abstimmung, und zwar über Umdruck 1259 Ziffer 4, einen Änderungsantrag der SPD. —
Meine Damen und Herren, ich gebe idas vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 13238.
über den Änderungsantrag Umdruck 1259 Ziffer 4 bekannt. Mit Ja haben 186 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein 215 Mitglieder. Enthalten haben sich 4 Mitglieder des Hauses. 13 Berliner Abgeordnete haben mit Ja, 5 mit Nein gestimmt, 2 haben sich enthalten. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Das ist ein vorläufiges Ergebnis. Ich bitte das Haus, immer zu unterstellen, daß diese ersten Ergebnisse als vorläufige anzusehen sind. Ich höre soeben, daß bei der ersten namentlichen Abstimmung nachgezählt werden muß, weil eine Karte zweimal 'abgegeben worden ist; nur weiß noch niemand, ob sie für Ja oder für Nein gilt. An dieser Karte hängt das Schicksal des Antrags.
Ich kann deshalb auch nicht in die Schlußabstimmung über idas Gesetz eintreten, bevor diese Sache nicht nachgeholt ist. Ich bedaure, daß wir solche Mängel mit unserer Maschine haben. Meine Mitarbeiter sind zwar der Meinung, es liege nicht an der Maschine, sondern an den Mitgliedern des Hauses.
Nun kommt also die Ziffer 5 des Änderungsantrags Umdruck 1259. Wird begründet?
— Entschuldigung, Sie haben recht. Ich bedanke mich. Es kommt zuerst der Antrag auf Umdruck 1284, also der Antrag der Fraktion der SPD, den § 27 zu streichen. Begründung? — Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion bringt mit diesem Umdruck 1284 auch in der dritten Lesung noch einmal den Antrag ein, den sie schon in der zweiten Lesung gestellt hat und der dort von der Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt worden ist, den § 27 der Vorlage zu streichen. Dieser § 27 besagt, daß alle diejenigen, die private oder sonstige Rentenversicherungsverträge haben, auf Grund deren sie einen Anspruch auf Zahlung einer Rente für den Erlebensfall in Höhe von 50 DM und für den Todesfall für die Witwe in Höhe von 30 DM haben, auf Antrag von der Beitragspflicht zu der Altershilfe für die Landwirtschaft befreit werden können.
Nachdem nun alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten, wie der Bundeszuschuß, abgelehnt worden sind, nachdem auch die Bundesgarantie abgelehnt worden ist, hat dieser Antrag besondere Bedeutung. Wir sind fest davon überzeugt, daß es große Schwierigkeitenbereiten wird, die Beiträge rechtzeitig und in der richtigen Höhe hereinzubekommen. Die Finanzierung dieses Gesetzes ist jetzt ausschließlich auf diesen Monatsbeitrag von 10 DM abgestellt, der von allen hauptberuflich tätigen Landwirten erhoben werden soll. Ich bitte Sie dringend, das Risiko dieser Alterssicherung für die Landwirtschaft nicht zu verschlechtern, indem Sie es erlauben, daß die guten Risiken herausgenommen werden.
Während der dritten Lesung ist von einigen Rednern noch einmal die geschichtliche Entwicklung dieser Alterssicherung für die Landwirtschaft dargestellt worden. Mit Recht ist hier darauf hingewiesen worden, daß die Landwirtschaft aus Gedankengängen, wie sie insbesondere immer wieder Frau Kalinke hier vertritt, bis vor kurzem gegen eine Zwangsversicherung gewiesen ist. Insbesondere die Verbände der Landwirtschaft haben bis vor kurzem immer sehr viel Propaganda für diese Selbstvorsorge, für die Eigenhilfe auch in bezug auf die Alterssicherung gemacht. Der Bauernverband hat dazu eine eigene Alterssicherungsmöglichkeit über den Raiffeisendienst und das Altershilfswerk des deutschen Bauern geschaffen. Diese Versuche des Deutschen Bauernverbandes und damit der Bauern selbst, zu einer eigenen Alterssicherung auf genossenschaftlicher oder privatversicherungsrechtlicher Grundlage zu kommen, sind — das muß hier einmal in aller Klarheit festgestellt werden — gescheitert. Glücklicherweise hat der Deutsche Bauernverband daraus die Konsequenz gezogen und sich zu dieser Zwangsversicherung für die Landwirtschaft positiv gestellt. Somit ist die Änderung in der Auffassung des Deutschen Bauernverbandes eine ganz organische und durchaus verständliche.
— Ich trete Ihnen den Beweis dafür an. In meinem Landesbauernverband, Herr Frehsee, sind gerade die kleinen und mittleren Landwirte der Parole des Deutschen Bauernverbandes gefolgt und haben sich dort voll versichert. Nun wollen Sie, daß diese Leute auch hier noch weiter bezahlen. Das ist völlig unmöglich.
Das geht unter gar keinen Umständen. Die Leute bringen das Geld nicht auf. Wir können die Verantwortung dafür nicht übernehmen.
Herr Klausner, ich bedauere es sehr, daß Sie diesen Antrag der SPD befürwortet haben. Ich habe Ihnen im Ausschuß ganz deutlich gesagt, welche Folgen er hätte.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie dringendst: lehnen Sie den Antrag der SPD ab!
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann kommen wir zur Abstimmung über 'den Antrag der SPD Umdruck 1284. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Antrag Umdruck 1259 Ziffer 5 auf. Wird er begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Schmidt.
Meine Damen und Herren, wir beantragen die Wiederherstellung der Fassung ides § 28 nach der Vorlage der CDU. Danach soll der Bund für die ersten sechs Monate die Aufwendungen übernehmen. Ich habe bereits alles Nötige dazu in der 2. Lesung gesagt. Ich bitte um Annahme unseres Antrages.
Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Abstimmung über den Antrag Umdruck 1259 Ziffer 5. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind alle Einzelanträge behandelt und zur Abstimmung gestellt worden. Es steht noch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 1259 Ziffer 1 aus; ich habe noch kein endgültiges Ergebnis. Ich bitte das Haus, sich einen Augenblick zu gedulden; die Schriftführer sind unterwegs hierher.
— Nein, erst müssen wir dieses Gesetz verabschieden. Das Abstimmungsergebnis ist von größter
Wichtigkeit, denn je nachdem, was bei dieser Abstimmung herauskommt, wird der Gesetzentwurf zu einer Finanzvorlage.
Ich gebe nun das endgültige Ergebnis*) ,bekannt. Mit Ja haben 201 Mitglieder und 12 Berliner Abgeordnete, mit Nein 202 Mitglieder und 7 Berliner Abgeordnete gestimmt; enthalten haben sich 2 Abgeordnete. Damit bleibt es also bei der Ablehnung; das vorläufige Ergebnis ist bestätigt worden.
Zur Abgabe einer Erklärung zur Schlußabstimmung hat Herr Abgeordneter Schmidt das Wort.
: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion bedauert, daß die Beratungen des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte in den Ausschüssen wie im Plenum unter einem der Sache abträglichen Zeitdruck standen. Obwohl das Gesetz eine bisher noch nicht geregelte Materie umfaßt, mit ihm also in Deutschland Neuland betreten wind, hat die CDU im Sozialpolitischen Ausschuß den Fraktionen der Opposition die Erfüllung des Wunsches verweigert, Sachverständige zu hören.
Die Beratungen im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Ausschuß für Sozialpolitik haben keine Klarheit über verschiedene Grundsatzfragen gebracht. Insbesondere bestehen hinsichtlich der Finanzierung noch erhebliche Probleme. Es steht heute schon fest, daß der 3. Bundestag sich in Bälde erneut damit zu befassen haben wird. Die Leistungen nach dem vorliegenden Gesetz über die Altershilfe können nur ein Anfang sein.
Die CDU hat in den Ausschüssen wie im Plenum alle Verbesserungsanträge bis auf einen abgelehnt. Trotzdem wenden wir dem Gesetz der Sache wegen unsere Zustimmung geben. Wir behalten uns vor, im nächsten Bundestag alsbald entscheidende Änderungsanträige in bezug auf den Personenkreis, die Finanzierung und die Leistungen vorzulegen.
Zu einer Erklärung hat das Wort der Herr Abgeordnete Weber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP stimmt dem Gesetz zu. Es handelt sich ja um unseren eigenen, vor einem Jahr eingebrachten Gesetzesantrag. Wir möchten in diesem Zusammenhang gleich betonen, daß wegen der Änderung der Struktur in der Landwirtschaft die Aufgabe auf uns zukommen wird, die vorhin abgelehnte Bundesgarantie einzuführen. Eine weitere vordringliche Aufgabe wird es sein, eine Regelung für die alten Onkel und Tanten, d. h. die alten mithelfenden Familienangehörigen, zu treffen, die nicht von der Sozialversicherung und auch nicht von dem vorliegenden Gesetz erfaßt werden.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf über die Alterssicherung der Landwirte in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist dieses Gesetz mit großer Mehrheit angenommen.
*) Vgl. Seite 13238.
Sodann liegt ein Antrag des Ausschusses vor, den Antrag der Fraktion der FDP durch diese Beschlußfassung für erledigt zu erklären. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Jetzt kommt Punkt 5 a der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und des Angestelltenversicherungsgesetzes an Vorschriften des knappschaftlichen Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und des Soldatenversorgungsgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 3706).
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Besonderheiten der knappschaftlichen Rentenversicherung erfordern eine Berücksichtigung auch im Bereich des Rechts der Wanderversicherung. Bei der Beschlußfassung über die 5§ 1308 ff. der Reichsversicherungsordnung und der §§ 87 ff. des Angestelltenversicherungsgesetzes konnte nicht vorausgesehen werden, welche Besonderheiten die knappschaftliche Rentenversicherung im Verhältnis zu den beiden anderen Versicherungszweigen aufweisen wird. Die von der CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagenen Änderungen zu den Wanderversicherungsvorschriften der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten ziehen die Folgerungen, die sich nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion aus den Beschlüssen des Bundestages zur Neuregelung der knappschaftlichen Rentenversicherung ergeben. Der vorgelegte Gesetzentwurf Drucksache 3397 fand unter Berücksichtigung der dem Bundestag in der Drucksache 3706 unterbreiteten Änderungen die Zustimmung des Sozialpolitischen Ausschusses.
Ich bitte darum, die übrigen Begründungen dem Präsidenten zu Protokoll übergeben zu dürfen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zu § 1 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1254 Ziffer 1. vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Schellenberg.
Das Haus verabschiedet heute die erste Novelle zu den Rentenneuregelungsgesetzen. Die Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß bei dieser Gelegenheit wenigstens der schwerste Mißstand dieser neuen Gesetze, der inzwischen offenkundig geworden ist, beseitigt werden muß: die Anrechnung auf andere Sozialleistungen. Die nach den Rentenneuregelungsgesetzen eingetretenen Erhöhungen werden auf alle anderen Sozialleistungen voll angerechnet. Davon werden rund 2 Millionen Rentner betroffen. Diese Menschen müssen der Auffassung sein. daß sie vom Gesetzgeber irregeführt worden sind: ihre Renten sind ihnen durch die Rentenneuregelungsgesetze um mindestens 21 bzw. 14 DM erhöht worden, aber in der Praxis wird diese Mindesterhöhung auf andere Sozialleistungen angerechnet.
Da diese Mißstände durch die Novellen zum Bundesversorgungsgesetz und zum Lastenausgleichsgesetz nicht beseitigt worden sind, ist es unbedingt erforderlich, daß bei dieser Novelle eine Klärung erfolgt. Sie ist im Interesse von 2 Millionen Rentnern dringend erforderlich. Es geht darum, daß diesen Menschen wenigstens die Mindestzulagen gewährleistet werden.
Bei der hohen sozialpolitischen Bedeutung dieser Frage beantragen wir namentliche Abstimmung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf Drucksache 3397 konnte nicht eher eingebracht werden, weil die Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs, die sich im wesentlichen auf die Wanderversicherung beziehen, erst nach der Neuregelung der knappschaftlichen Rentenversicherung ausgearbeitet werden konnten. Daher ist uns dieser Gesetzentwurf erst so verhältnismäßig spät vorgelegt worden.
Der Herr Kollege Dr. Schellenberg hat von den Nichtanrechnungsbestimmungen der Rentengesetze gesprochen. Zu Ihrer Unterrichtung muß ich zunächst darauf verweisen, daß in den Rentengesetzen eine Bestimmung enthalten ist, die für eine gewisse Zeit die Nichtanrechenbarkeit der Mindestzulagen — bei Versicherten 21 DM, bei Hinterbliebenen 14 DM — vorsieht. Schon bei der Beratung der Rentengesetze ist von der sozialdemokratischen Opposition versucht worden, daraus eine Dauerregelung zu machen. Wir waren damals der Meinung, daß es nicht angängig ist, die Nichtanrechnungsbestimmrung zu einer Dauerregelung zu machen, im Gegenteil, daß es sich dabei um eine Übergangsregelung handeln muß. Diese Auffassung vertreten wir auch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf. Ich bitte Sie daher, den von Herrn Kollegen Dr. Schellenberg begründeten Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen.
Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir bereits heute die erste Novelle verabschieden müssen, so ist auch das ein Beweis für die mangelnde Vorbereitung der Rentenneuregelung. Denn selbstverständlich hätten von der Regierung die Gesetze über die Neuregelung auf dem Gebiete der Arbeiter-, der Angestellten- rund der knappschaftlichen Rentenversicherung aufeinander abgestimmt und gleichzeitig leingebracht werden müssen. Sie können nicht bestreiten, daß es eine sehr schlechte Sache ist, wenn man schon wenige Monate nach Verabschiedung der Gesetze die erste Novelle beschließen muß.
Nun zum Inhalt unseres Antrages! Wir haben seinerzeit gemeinsam eine Mindesterhöhung von 21 und 14 DM beschlossen. Es ist sinnwidrig, diese Mindesterhöhungen durch Anrechnungen wieder zu beschneiden. Es entspricht der beschlossenen
Mindestanhebung, diese Mindesterhöhung anrechnungsfrei zu lassen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt.
Meine Damen und Herren, ich bitte, darauf zu lachten daß keine Karten doppelt abgegeben werden.
Die Abstimmung ist geschlossen.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis *) der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 157 Mitglieder gestimmt, mit Nein 240, enthalten haben sich 5. 11 Berliner Abgeordnete haben mit Ja, 8 mit Nein gestimmt. Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 1254 Ziffer 1 ;abgelehnt.
Ich rufe § 1 in der Ausschußfassung auf. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich uni ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Anzahl Enthaltungen angenommen.
Wir kommen damit zu § 2. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 1254 Ziffer 2 vor. — Die Antragsteller verzichten auf eine Begründung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 1254 Ziffer 2. Wer dein zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wer § 2 in der Fassung ides Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
§§ 3, — 4, — 5, — 6, — Einleitung und Überschrift. — Keine Änderungsanträge. Dias Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dritte Lesung.
Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen, keine Änderungsanträge.
Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — ,Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, noch Punkt 5 b idler Tagesordnung zu erledigen und dann die Sitzung zu unterbrechen. Wir beginnen pünktlich um 14 Uhr 30 mit dem Kartellgesetz.
Ich rufe also auf:
Zweite Beratung des von der Fraktion der FDP 'eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des AngestelltenversicherungsNeuregelungsgesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 3705).
Ich erteile dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Varelmann, das Wort.
Der Bundestagsaüsschuß für Sozialpolitik hat beschlos-
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 13238.
sen, den Antrag der FDP Drucksache 3436 abzulehnen. Ich gebe kurz folgende Begründung.
Bei der Beratung der Erweiterung der Versicherungspflichtgrenze für die Angestellten auf Grund des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes befaßten sich der Sozialpolitische Ausschuß des Bundestages und das Plenum des Hauses bereits sehr eingehend mit der Frage, welche Regelung für die Angestellten mit einem Monatseinkommen von über 750 bis 1250 DM, die bereits eine Altersversorgung privatrechtlicher Art getätigt haben, getroffen werden soll. Die Mehrheit des Ausschusses und 'des Hauses war damals der Auffassung, daß den Angestellten mit einem Einkommen von 750 bis 1250 DM im Monat, die auf Grund des Gesetzes angestelltenversicherungspflichtig werden und bereits eine privatrechtliche Altersversorgung getroffen haben, nicht zuzumuten sei, sich auch noch zur Beitragsleistung zur Angestelltenversicherung zu verpflichten. Denjenigen Angestellten, die eine privatrechtliche Altersversorgung getätigt hatten, die jedoch in ihrem Beitragswert nicht der Angestelltenversicherung entsprach, sollte die Möglichkeit geboten bleiben, bis zum 31. Mai 1957 eine Aufstockung ihrer privatrechtlichen Altersversorgung vorzunehmen. Dem genannten Personenkreis ist die Möglichkeit geboten, bis zum 31. Dezember 1957 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung zu beantragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind jetzt schon in der Beratung der zweiten Novelle zu den Rentenneuregelungsgesetzen. Die erste haben wir vorhin verabschiedet. Jetzt beraten wir die zweite.
Herr Kollege Samwer, ich wollte Ihnen einen Rat geben. Das, was in der Fraktionssitzung der CDU an Streit erörtert wird, mag zwar für manch e Menschen interessant sein, aber ist doch nicht entscheidend für das, was wir hier beraten. Ihre Meinungsverschiedenheitentragen Sie bitte in der Fraktion aus,
aber verschonen Sie uns jetzt damit!
— Sicher, aber wir wollen hier schnell zu einer Entscheidung kommen. Wenn Sie unter Bezugnahme auf Beratungen in Ihrer Fraktion opponieren, so muß ich sagen, daß dies hier wenig interessiert.
Nun zur Sache! Für das Anliegen, das Sie mit diesem Gesetzentwurf verfolgen, spricht manches,
und zwar deshalb, weil die Rentenneuregelungsgesetze außerordentlich kompliziert sind und weil es angebracht gewesen wäre, dem in Frage kommenden Personenkreis die Möglichkeit zur genauen Prüfung zu geben.
Es spricht auch noch etwas anderes für dieses Anliegen. Wir haben schon bei der Beratung der Rentenneuregelungsgesetze darauf hingewiesen, daß nach diesem Gesetze für gewisse Personenkreise eine weitere Beitragsleistung nicht zu einer entsprechenden Rentengewährung führt. Daraus entstehen für viele ernsthafte Konflikte.
Aber diese Konflikte entstehen nicht nur für den Personenkreis mit Einkommen zwischen 750 und 1250 DM, sondern leider auch für diejenigen, die sich nicht durch einen ,Befreiungsantrag die günstigere Möglichkeit aussuchen können. Diese viel weitergehenden Probleme müssen geregelt werden. Aber sie können nicht dadurch geregelt werden, daß Fristen für irgendeinen Personenkreis verlängert werden; sie müssen vielmehr bei der fälligen Reform der sogenannten Rentenreform geregelt werden.
Es liegen noch mehrere Wortmeldungen vor. Ich appelliere an das Haus, sich so kurz zu fassen, daß wir mit dieser Sache heute vormittag fertig werden. Dias Haus muß heute nachmittag den Kartellgesetzentwurf beraten. Außerdem brauchen wir die Mittagspause. — Frau Abgeordnete Kalinke!
— Meine 'Damen und Herren, ich kann niemandem das Wort verbieten.
Frau Kalinke : Der Herr Kollege Schneider von der CDU hat mich in meiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der BfA angesprochen. Ich weiß nicht, woher der Herr Kollege Schneider das Recht nimmt, als Vorstandsmitglied der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hier von finanziellen Schwierigkeiten der Anstalt zu zu sprechen,
weil es eine Wahlfreiheit für leitende Angestellte ist. Ich frage den Herrn Minister, ob ihm, der ja Aufsichtsbehörde ist, solche Schwierigkeiten der Bundesversicherungsanstalt bekannt sind. Ich bitte die Kollegen von der CDU/CSU, anzuerkennen, wer es von den Ihren auch sein mag, daß wir hier weder als Vorstandsmitglieder von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden noch als Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane,
sondern nur als Abgeordnete ein wichtiges Problem der Sozialpolitik zu behandeln haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Beratung der Rentengesetze habe ich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Horn über die epochemachende Bedeutung der verabschiedeten Gesetze als Antwort sagt: ich gebe Brief und Siegel darauf, daß die Reform dieser reformbedürftigen Reform noch in diese Legislaturperiode fällt. Nicht mit einem Gefühl der Genugtuung, sondern mit dem Gefühl einer bitteren Enttäuschung muß ich feststellen, daß heute schon eine zweite Novelle zur Debatte steht, daß meine Befürchtungen also bestätigt worden sind. Ich hätte es lieber auf mich genommen, sie nicht bestätigt zu sehen. Aber davon will ich einmal absehen.
Der Komplex, den wir hier als Antrag vorgebracht haben, ist im Ausschuß hinreichend besprochen worden. Unsere Haltung im Ausschuß war klar und eindeutig. Wir haben sie ebenso bei der Beratung der Rentengesetze zum Ausdruck gebracht.
Herr Stingl, aus dem Kreise Ihnen sehr nahestehender Freunde ist vor ganz wenigen Tagen — Sie werden sich erinnern, wie es im Ausschuß war — an mich die Frage gerichtet worden, ob wir nicht bereit seien, eine gewisse Modifizierung unseres Antrags, den man als durchaus berechtigt ansehe, vorzunehmen. Es ist also in gar keiner Weise irgendwie schlüssig, daß Sie jetzt die Dinge derart kategorisch ablehnen, über die wir uns geeinigt hätten, wenn nicht manche anderen Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Beratung anderer Gesetze stehen, dazwischengekommen wären.
Herr Kollege Schellenberg, zu warten, bis eine Generalreform einsetzen kann, kann man, glaube ich, nicht verantworten. Man sollte jede Gelegenheit wahrnehmen, auf Teilgebieten, wo man etwas verändern kann, wo sich herausgestellt hat, daß eine Möglichkeit zur Abhilfe gegeben ist, eine Änderung zu beschließen.
Ich bitte Sie daher, nachdem Sie dem Grunde nach unser Anliegen gebilligt haben, daraus nun auch die Konsequenzen zu ziehen. Wir unterstützen den Antrag, den der Kollege Brand, mit den anderen Kollegen der CDU eingebracht hat. Wir wollen das tun, was wir tun können, um auf dem Teilgebiet, das reformbedürftig ist, wenigstens in einem gewissen Umfange eine Hilfe zu geben.
Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Kollege Jentzsch, das geht nicht. Die Frist ist am 31. Mai abgelaufen. Wenn man jetzt eine neue Frist in Gang setzt, schafft man nur Unruhe, und daran kann uns allen nicht liegen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Brand und Genossen Umdruck 1265 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Abstimmung über den so geänderten Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
— Das paßt gar nicht zusammen. Die Mehrheit hat soeben einen Änderungsantrag angenommen.
— Sie wollen den Änderungsantrag annehmen, aber — —
— Jedenfalls ist der Art. 1 durch die Annahme des Änderungsantrags entsprechend geändert. Wer diesem so geänderten Art. 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Jetzt kommt der Art. 2. Wer dem Art. 2 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Verzeihen Sie, es gibt keine Ausschußfassung. Wer dem Art. 2 in der Fassung der Drucksache 3436 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Angenommen.
Dritte Lesung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Entwurf zur Änderung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes in der in der zweiten Lesung veränderten Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Ich halte das erste für die Mehrheit, bin aber auch ,bereit, noch einen Hammelsprung zu machen. Wir wiederholen die Abstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist für heute vormittag Schluß. Ich berufe die Sitzung für heute nachmittag 14.30 Uhr ein.
— Ich habe jetzt unterbrochen; das kann man den Abgeordneten nicht mehr zumuten.
— Aber, Herr Kollege Arndgen, das ist einfach nicht zu machen. Dann müssen Sie eine neue Sache machen. Wir haben doch schon die Schlußabstimmung gehabt.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Drucksachen 3644, zu 3644).
Ich darf fragen, ob die Herren Berichterstatter bereit sind, mündlich zu berichten, oder ob sie auf ihren Schriftlichen Bericht verweisen.
— Der Generalberichterstatter verweist also auf den Schriftlichen Bericht. Herr Abgeordneter Kurlbaum? — Ebenso. Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann? — Ebenfalls. Herr Abgeordneter Illerhaus?
— Gleichfalls. Herr Abgeordneter Dr. Elbrächter?
— Auch. Herr Abgeordneter Dr. Wahl? — Ebenso. Herr Abgeordneter Lange? — Verzichtet ebenfalls. Dann können wir in die Einzelberatung eintreten.
— Zur Geschäftsordnung oder zur Sache?
— Gut, Herr Wittrock hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Einwand, es gehe nach der Geschäftsordnung nicht, darf ich darauf hinweisen, daß die Geschäftsordnung durch die Praxis des Hauses eine Interpretation erfährt. Es entspricht der Praxis des Hauses, anläßlich der Berichterstattung und zur Berichterstattung Feststellungen zu treffen. Von diesem also mindestens aus der Praxis des Hauses, die Bestandteil der Geschäftsordnung ist, sich ergebenden Recht mache ich namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Gebrauch.
Ich darf für die sozialdemokratischen Mitglieder des Rechtsausschusses mit Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion aus Anlaß der Berichterstattung hier folgendes feststellen. Aus den Berichten ergibt sich, daß sich der Bundestagsausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht in 13 Sitzungen mit dem Gesetzentwurf befaßt hat. In der Öffentlichkeit könnte der Eindruck entstehen, daß damit eine alle Probleme erschöpfende Beratung im Rechtsausschuß stattgefunden habe. Der Entwurf enthält jedoch auch nach Auffassung der Mitglieder des Rechtsausschusses, die Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, angehören, in der jetzigen Fassung eine Fülle von Mängeln und Unebenheiten. Das Haus wird sich darauf einzustellen haben, daß diese Mängel und Unebenheiten Gegenstand der verschiedensten Betrachtungen in den wissenschaftlichen Auseinandersetzungen sind. In welcher Richtung diese Mängel und Unebenheiten liegen, ist von einem Ihrer Herren im Rechtsausschuß in der Sitzung vom 27. Mai 1957 wie folgt zum Ausdruck gebracht worden — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren:
Es wird uns hier zugemutet, in Kürze eine Verfahrensordnung über ein völlig neues Rechtsgebiet zu machen. Das erfordert eine Arbeit von vier Wochen. Ich glaube,
— so hat der Kollege gesagt —
wenn wir das Kartellgesetz schaffen wollen, bleibt nichts anderes übrig, als das Gesetz mit gewissen Mängeln zu verabschieden. Ich glaube, wir müssen zu dem Entschluß kommen, trotz Unebenheiten bewußt Unzulänglichkeiten in Kauf zu nehmen und unsere Arbeit alsbald abzuschließen.
Die sozialdemokratische Fraktion hält es für wesentlich, dies hier ausdrücklich festzustellen, da in den Schriftlichen Berichten eben dieses aus der Situation heraus sich ergebende Inkaufnehmen von Mängeln und Unebenheiten nicht hinreichend zum Ausdruck kommt.
Weiterhin ist festzustellen, daß die Ursache dieser Mängel — das ergibt sich aus der Äußerung des Kollegen, die ich eben verlesen habe in der Zeitnot liegt, unter der wir die Beratungen durchgeführt haben, und die Ursache für die Zeitnot ist nicht zuletzt die absolute Bereitschaft der Mehrheit des Rechtsausschusses, ganz bestimmten Wünschen der Bundesregierung hinsichtlich der Gesetzgebungsaufgaben in diesem Hause Rechnung zu tragen. Das ist durch den Vorsitzenden des Rechtsausschusses in der Sitzung vom 16. Mai wie folgt zum Ausdruck gebracht worden:
Wenn der Rechtsausschuß erst jetzt bereit ist, Kartellgesetz und Kriegsfolgenschlußgesetz zu beraten, dann ist der Umstand verantwortlich, daß die Bundesregierung eine Reihe von anderen Gesetzen, insbesondere Wehrgesetze, als vordringlich bezeichnet hat.
Bei diesen Wehrgesetzen hat es sich um die Gesetze gehandelt, welche der strafrechtlichen Sicherung der Wiederaufrüstung in der Bundesrepublik dienen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, ich habe Ihnen gern die Gelegenheit gegeben, zu den Berichten Stellung zu nehmen. Ich sehe nur noch nicht, in welcher Weise sich Ihre Ausführungen spezifisch auf die Berichte, auf die Form der Berichterstattung oder °lie Art des Zustandekommens der Berichte, beziehen. Soweit es sich um die Klage über unsere Zeitnot handelt, wird in der allgemeinen Aussprache der dritten Lesung reichlich Gelegenheit sein, Äußerungen hierzu vorzutragen. Ich bitte also, daß Sie sich jetzt auf Ausführungen beschränken, die sich spezifisch auf die Berichterstattung und das Zustandekommen der Berichte beziehen.
Herr Präsident, die Berichterstattung hätte nach unserer Auffassung klar zum Ausdruck bringen müssen, welche Mängel und welche Unzulänglichkeiten von dem Bundestagsausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht bewußt in Kauf genommen worden sind. Darüber schweigt sich der Bericht in jeder Weise aus. Somit kann in der interessierten Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, der Rechtsausschuß habe auf diesem Gebiet eine in sich abgeschlossene, perfekte Arbeit geleistet. Es dürfte im Interesse des gesamten Hauses, auch der Mehrheit dieses Hauses, liegen, klar und eindeutig festzustellen, daß das nicht der Fall ist. Soviel zur Beantwortung der Frage.
Es ist natürlich eine Frage der Wertung, ob Sie diese Auffassung teilen. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses jedenfalls hielten es nicht nur für ihr Recht, sondern auch für ihre Pflicht, darauf hinzuweisen.
Sie halten es aber auch für notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Verantwortung hierfür eindeutig bei der Mehrheit liegt. Denn wir haben im Ausschuß bereits zu Beginn des Jahres verlangt, daß das Kartellgesetz und auch das Kriegsfolgenschlußgesetz mit Vorrang behandelt werden. Das haben Sie abgelehnt. Damit tragen Sie von der Mehrheit des Hauses auch vor der Öffentlichkeit klar die Verantwortung für alle Mängel, mit denen das Gesetz behaftet ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, ich habe aus Ihren Ausführungen als das einzige, was sich auf die Berichterstattung bezog, herausgelesen, daß Sie rügen wollen, im Bericht seien Bedenken des Rechtsausschusses nicht mit genügender Klarheit zum Ausdruck gekommen. Im übrigen lehne ich es ab, in diesem Augenblick eine Generaldebatte zuzulassen.
Wir kommen nunmehr zur zweiten Lesung in der von der Geschäftsordnung vorgeschriebenen Form. Ich rufe also auf den Ersten Teil, Erster Abschnitt, § 1 und § 1 a. Hierzu liegen Änderungsanträge nicht vor.
Ich darf vielleicht zwischendurch bemerken. Es liegen Änderungsanträge vor auf den Umdrucken 1248, 1261, 1269, 1271, 1272, 1273, 1277, 1281, 1282, 1283. Ich schlage Ihnen vor, so zu verfahren — und bitte um Ihre Äußerung dazu —, daß alle diejenigen Bestimmungen, zu denen Änderungsanträge nicht vorliegen, gemeinsam aufgerufen und verhandelt werden. Sollte aber ein entgegenstehender Wunsch bei dem einen oder dem anderen Paragraphen bestehen, dann bitte ich, es mir gegenüber durch Handzeichen oder in sonstiger Weise zu bekunden.
Zu den §§ 1 und 1 a liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Debatte hierzu. Wir kommen zur Abstimmung über § 1 und § 1 a in der Ausschußfassung.
— Gut. Wer dem § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dann ist der. § 1 angenommen.
Ich rufe den § 1 a zur Abstimmung auf. Wer diesem Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um ,die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe jetzt den § 1 b auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/ BHE auf Umdruck 1272 Ziffer 1 vor. Wird der Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege Kurlbaum!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung unseres Antrags, den § 1 b ersatzlos zu streichen, darf ich zunächst kurz auf die Geschichte dieses Paragraphen eingehen. Im Regierungsentwurf war das Rabattkartell bekanntlich überhaupt nicht enthalten. Im Wirtschaftsausschuß des 1. Bundestages ist eine Fassung eingefügt worden, die die Erteilung einer Genehmigung vorsieht, die jedoch zu versagen ist, wenn wesentliche Beschränkungen des Wettbewerbs vorliegen. Es ist klar, daß es sehr schwergefallen wäre, zu beweisen, daß mit einem Rabattkartell wesentliche Beschränkungen des Wettbewerbs nicht vorhanden sind.
Als totale Ausnahme von § 1 ist dann das Rabattkartell erstmalig in dem bekannten Vermittlungsvorschlag zwischen BDI und Bundeswirtschaftsministerium von 1954 in Erscheinung getreten. In dem heute vorliegenden Entwurf ist idas Rabattkartell grundsätzlich vom Verbot freigestellt worden, wenn nur der Rabatt ein echtes Leistungsentgelt darstellt und keine Diskriminierung mit ihm verbunden ist. Die Folge ist, daß nunmehr das Rabattkartell auch dann vom Verbotsgrundsatz ausgenommen ist, wenn es zu einer wesentlichen Beschränkung des Wettbewerbs führt. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, daß bei anderen gesetzlichen Ausnahmen, auch bei den genehmigungspflichtigen Ausnahmen, die Ausnahme abhängig gemacht ist z. B. von der Rücksicht auf die gesamtwirtschaftlichen Belange und .das Gemeinwohl, so beispielsweise beim Strukturkrisenkartell, ferner beim Rationalisierungskartell davon, daß der Rationalisierungserfolg in einem angemessenen Verhältnis zur Wettbewerbseinschränkung stehen muß. Bei § 1 b liegen solche Einschränkungen nicht vor. Dieser Paragraph stellt daher einen entscheidenden und willkürlichen Einbruch in den Verbotsgrundsatz dar.
Nun sieht der Paragraph allerdings auch ein Widerspruchsrecht der Kartellbehörde vor, das wir uns einmal etwas genauer ansehen müssen und das als sehr problematisch zu bezeichnen ist. Gemäß Nr. 1 Abs. 3 sind die Wirtschaftsstufen zu hören, für die die Rabatte gelten. Man kann sagen, n u r die Wirtschaftsstufen, für die die Rabatte gelten, werden gehört. Man muß sich fragen: Wo bleibt der Verbraucher? In Nr. 2 ist z. B. die Rede von einer angemessenen Versorgung des Verbrauchers. Die Kartellbehörde muß also nachweisen, daß die Versorgung angemessener möglich gewesen wäre. Auch das widerspricht dem Grundsatz, daß die Beweislast bei dem liegt, der den Wettbewerb zu seinen Gunsten einschränken will. Es ist also abschließend festzustellen, daß bei der Formulierung des § 1 b ausschließlich die Hersteller- und Händlerinteressen berücksichtigt worden sind.
13130 2. Deutscher Bundestag — 222. Satzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juli 1957
Was sind nun die Folgen für die Gesamtwirtschaft, insbesondere für den Verbraucher? Eine Anwendung des Rabattkartells ist auf Waren begrenzt, für die die Preise einem größeren Kreis vorher bekanntgemacht worden sind. Wenn das nicht der Fall wäre, dann fehlte es an einer Bezugsgröße für den Rabatt. Im allgemeinen werden solche Preise durch Preislisten, durch Aufdruck usw. bekanntgemacht. Es handelt sich hier also um eine völlig unberechtigte Privilegierung bestimmter Wirtschaftsbereiche, z. B. der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, des Maschinen- und Fahrzeugbaus, die mit solchen Preislisten zu arbeiten gewohnt sind. Unabhängig davon, ob der Hersteller den Preis seiner Ware in verbindlicher Form und nur empfehlend festsetzt oder ob er es verbindlich tut und durch Androhung von Sanktionen zu schützen versucht, nimmt das Rabattkartell dem Käufer die Möglichkeit, seinen Preis. im Einzelfall noch zu beeinflussen. Der Preis liegt durch die Bekanntmachung und durch den durch das Kartell festgesetzten Rabattsatz fest. Das Rabattkartell zementiert also den Preis zwischen Hersteller, Händler und sonstigen Abnehmern, solange der Hersteller nicht bereit ist, seinen Listenpreis zu ändern. Daß das möglich ist, wissen wir. Aber wir wissen auch, daß es in der Praxis nur in großen Zeitabständen möglich ist. Damit ist für weite Gebiete der Wirtschaft ohne überzeugende Notwendigkeit die Möglichkeit zur Ausschaltung des Preiswettbewerbs gegeben.
Das Rabattkartell hat aber noch weitergehende Wirkungen, wenn es mit einer Preisbindung der zweiten Hand kombiniert wird. Hier dient das Rabattkartell insbesondere der Eindämmung der Rabatte an den Handel, deren Erhöhung eben wegen der Preisbindung der zweiten Hand dem Endverbraucher überhaupt nicht zugute kommen darf und den einzudämmen die Hersteller sich daher moralisch berechtigt fühlen. Hier zeigt sich die Kettenreaktion, wie eine Wettbewerbsbeschränkung zwangsläufig die nächste nach sich zieht, z. B. wie die Preisbindung der zweiten Hand das Rabattkartell nach sich zieht, und zwar deshalb, weil der wesentlichste und wohl auch einzige Nachteil der Preisbindung der zweiten Hand für den Hersteller in der Gefahr der sogenannten Rabattschleuderei liegt. Wenn wir jetzt das Rabattkartell noch zusätzlich einräumen — und ausreichende Garantien, daß das nicht geschieht, sind leider im Gesetz nicht vorgesehen —, so wird dadurch die Preisbindung zweiter Hand nur noch vorteilhafter für den Hersteller.
Die Folge einer generellen Zulassung des Rabattkartells wird daher ein wahrer Ansturm auf die Preisbindung der zweiten Hand sein. Die Anwendung von Rabattkartellen und die Preisbindung der zweiten Hand werden sich also gegenseitig in nicht abschätzbarer Weise steigern. Darum stellt — das möchte ich abschließend noch einmal feststellen — das Rabattkartell einen außerordentlich gefährlichen Einbruch in das Kartellverbot dar. Es ist uns daher unverständlich, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister diesem weitgehenden Einbruch seine Zustimmung geben konnte. Wir möchten keinen Zweifel darüber lassen, daß die Frage des Rabattkartells für uns eine entscheidende Frage sein wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, .den Antrag des Herrn Abgeordneten Kurlbaum und seiner politischen Freunde abzulehnen, und zwar aus folgenden Gründen.
Ich darf gleich mit seinem letzten Argument beginnen. Er behauptet, in diesem Rabattkartell werde vorgesehen, daß sich eine Preisbindung zweiter Hand und diese Einschränkung miteinander verbinden könnten. Der Herr Abgeordnete Kurlbaum war der Berichterstatter für diesen Abschnitt, und er hat in seinem. Bericht als einheitliche Auffassung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses feststellen müssen, daß eine solche Kombination nicht Frage komme. Das ist auch in dem Material niedergelegt und wird der Kartellbehörde ausreichende Grundlage geben, solche unerwünschte Kombinationen zu verhindern.
— Ja, bitte, Herr Kurlbaum!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte schön!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Höcherl, ist Ihnen entgangen, daß ich in dem Bericht ausdrücklich gesagt habe, die Mehrheit des Ausschusses habe versucht, dieser Auffassung in der bestimmten Formulierung des Gesetzentwurfs Rechnung zu tragen? Damit habe ich bereits meine Zweifel, daß dieser Versuch gelungen ist, in der für einen Berichterstatter möglichen Form zum Ausdruck gebracht.
Ich erinnere mich, daß eine solche Meinung tatsächlich zustande gekommen ist. Im übrigen hätte die Kartellbehörde auch ohne eine solche Meinungsbildung nach der Fassung des § 1 b jederzeit die Möglichkeit, Kombinationen dieser Art aus anderen Gründen zu verhindern.
Was die übrige Argumentation des Herrn Kollegen Kurlbaum betrifft, so ist folgendes zu sagen. Der Komplex des Rabatts ist ein ungeheuer vielfältiger. Es ist nicht angängig, hier eine Konstruktion vorzutragen, aus dem großen Komplex etwas herauszunehmen, so sehr pessimistisch darzustellen und damit einen so wichtigen Tatbestand zu diskriminieren.
Es ist auch nicht vorgesehen, daß die Bildung von Rabattkartellen vollständig freigestellt ist. Wenn Sie den § 1 b genau lesen, finden Sie, daß eine ganze Reihe von Kautelen eingebaut sind, die der Kartellbehörde alle erdenklichen Möglichkeiten bieten, einen ordnungsgemäßen Ablauf zu sichern. Es fängt zwar in Abs. 1 zunächst damit an, daß grundsätzlich eine Freistellung erfolgt. Aber die Freistellung wird dann schon wieder beschränkt auf die Arten von Rabatten, die ein echtes Leistungsentgelt darstellen. Damit ist schon etwas Positives herausgeholt und eine Beschränkung ganz weitreichender Art niedergelegt. Außerdem muß verhindert werden, daß eine unterschiedliche Behandlung der Wirtschaftsstufen oder von Abnehmern der gleichen Wirtschaftsstufe eintritt. Damit ist ein ganz enger Rahmen gezogen, der es meiner Ansicht nach verbietet, andere Kombinationen vorzutragen und damit zu argumentieren. Ich muß von dem Absatz 1 ausgehen — da ist dieser Rahmen gezogen —, vom echten Leistungsrabatt, und der
echte Leistungsrabatt ist auch in der Wirtschaftsliteratur anerkannt.
Dann geht es aber weiter. Nach Absatz 2 sind die Voraussetzungen des Abs. 1 nachzuweisen. Bei der Anmeldung müssen alle diese Vereinbarungen an die Oberfläche treten. Sie müssen in schriftlicher Form erfolgen, wie es weitere Vorschriften besagen. Diese Vereinbarungen müssen niedergelegt werden, und zwar nicht etwa in Form einer einfachen Hinterlegung bei der Kartellbehörde. Vielmehr muß darüber hinaus noch nachgewiesen werden, daß die beteiligten Vor- und Nachstufen gehört worden sind. Ihre Stellungnahmen müssen beigefügt werden. Dann folgt die entscheidende Bestimmung: Die Kartellbehörde hat eine dreimonatige Überlegungsfrist. Wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann sie noch von sich aus während dieser drei Monate Erhebungen anstellen und prüfen. Das ist nur der erste Ablauf.
Herr Abgeordneter Kurlbaum hat weiter behauptet, daß der Verbraucher nicht geschützt sei. Ich ¡darf ihn doch einmal auf die Ziffer 2 des Absatzes 3 ides § 1 b verweisen, wo es heißt, daß die Kartellbehörde zu widersprechen hat, wenn der Vertrag oder 'Beschluß über ein solches Rabattkartell offensichtlich schädliche Wirkungen für den Ablauf von Erzeugung oder Handel oder für die angemessene Versorgung 'der Verbraucher hat. Dias ist ein verpflichtender Widerspruchsgrund, da die drei Ziffern des Absatzes 3 einer Muß-Vorschrift unterliegen. Diese Formulierung der Ziffer 2 ist die Wiedergabe der Havanna-Klausel und umfaßt den ganzen volkswirtschaftlichen Rahmen einschließlich der Interessen der Verbraucher, so daß auch dieser Gesichtspunkt ausreichend berücksichtigt ist.
In Ziffer 1 des Absatzes 3 ist ein weiterer zum Widerspruch verpflichtender Grund angeführt, und zwar hat ¡die Kartellbehörde zu widersprechen, wenn nicht nachgewiesen wird, daß die Wirtschaftsstufen gehört worden sind, und auf Grund der Ziffer 3 hat die Kartellbehörde zu widersprechen, wenn Marktbeteiligte innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der Anmeldung nachweisen, daß sie durch den Vertrag oder ¡Beschluß ungerechtfertigt unterschiedlich behandelt werden. Die individuelle Sicherung, die Sicherung der Beteiligten, die branchenmäßige Sicherung und ¡die volkswirtschaftliche Absicherung sind in einem Maße getroffen und unter die Widerspruchspflicht der Kartellbehörde gestellt, daß ich mir nicht vorstellen kann, wie für die Verbraucher — und das Gesetz gilt für den Verbraucher und ist zum Nutzen des Verbrauchers bestimmt — auch nur das geringste passieren könnte.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen — das war auch die Auffassung der Mehrheit des Wirtschaftspolitischen Ausschusses —, daß Vereinbarungen über Leistungsrabatte sehr wohl geeignet sind, die Durchsichtigkeit des Marktes zu fördern und vor allem etwas zu verhindern, was immer auf Kosten der kleinen und der mittleren Wirtschaft geht: nämlich die Rabattschleuderei, bei der die kleine und die mittlere Wirtschaft gar nicht zum Zuge kommen.
Ich bitte Sie aus all diesen Gründen, den Antrag zu § 1 b abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere es sehr, daß der Kollege Höcherl auf meine Argumentation gar nicht richtig eingegangen ist. Ich habe nämlich die Frage gestellt, warum sich unter den Gründen, wann zu widersprechen ist, überhaupt nicht „die Gesamtwirtschaft" und „das Gemeinwohl" findet. Das ist einer der entscheidenden Punkte.
Zweitens habe ich dann auch über die Beweislast gesprochen.
Drittens hätte ich doch noch die Bitte: Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Bundeswirtschaftsminister — ich kann ihn ja nicht zwingen — noch einmal von dieser Stelle aus seine Stellungnahme zum Rabattkartell bekanntgäbe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diesem soeben von Herrn Kurlbaum an den Herrn Bundeswirtschaftsminister gerichteten Wunsch kann ich mich nur anschließen. Auch ich wäre sehr interessiert, zu erfahren, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister jetzt über die Zulässigkeit des Rabattkartells denkt, das ohne jeden Zweifel der ursprünglichen Konzeption seines Gesetzentwurfs, die auf dem Verbotsprinzip beruhte, widerspricht.
Im übrigen nur noch wenige Sätze zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Höcherl. Herr Höcherl, Sie haben richtig aus dem Gesetz zitiert, daß darin einige Kautelen enthalten sind, die verhindern, daß ein Rabattkartell beliebigen Umfangs gebildet werden kann, und daß die Kartellbehörde die Möglichkeit hat, innerhalb von drei Monaten zu widersprechen. Das ist alles richtig. Aber Sie kommen doch an einem nicht vorbei — auch der Kollege Kurlbaum hat das ausgeführt—: die größte Gefahr des Rabattkartells liegt darin, daß es in Verbindung mit anderen wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen zwar vielleicht nicht zu einem Preiskartell, aber doch zu einer völligen Erstarrung der Preisbildung führt. Das ist unser größtes Bedenken. Sie wenden nun ein, daß man die Verbindung des hiernach an sich zugelassenen Rabattkartells mit der Preisbindung zweiter Hand unter bestimmten Voraussetzungen verhindern kann. Gewiß, wir haben das Vertrauen, daß die Kartellbehörde von dieser Möglichkeit hier und da einmal Gebrauch machen wird; aber bei ihr liegt dann die Beweislast. Es ist dann für die Kartellbehörde sehr viel schwieriger, festzustellen, ob die Voraussetzungen vorliegen, die es ihr ermöglichen, im Hinblick auf das gleichzeitige Bestehen eines Rabattkartells nun die Preisbindung zweiter Hand zu verbieten.
Ich halte diese Ihre Einwendungen gegen die Begründung unseres Antrags für reichlich formal.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fürchten Sie nicht, daß ich die lange und breite Aussprache im Ausschuß, die sich über Monate hingezogen hat, hier dem Plenum noch einmal in allen Einzelheiten wiederhole. Ich will nur noch auf zwei Fragen eingehen, die der Abgeordnete Kurlbaum bei der Begründung seines Antrags berührt hat `und von denen er glaubte, daß sie nicht zur Genüge beantwortet worden seien.
Zunächst die Frage der Beweislast. Es trifft nicht zu, Herr Kollege Kurlbaum, daß die Beweislast gegenüber denen, die eine Rabattvereinbarung wollen, in vollem Umfang bei der Kartellbehörde liegt; sie hat sie nämlich nur für den Fall des Widerspruchs. Richtig ist, daß die Antragsteller eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen müssen und daß sie für deren Vorliegen selber den Beweis anzutreten haben; sie haben nämlich nachzuweisen, daß die Rabatte, 'die 'in der Vereinbarung geregelt werden, tatsächlich nur Leistungsentgelte sind — also Mengenrabatte je nach der Abnahme — und daß diese Rabatte nicht zu einer ungerechtfertigt unterschiedlichen Behandlung von Wirtschaftsstufen oder Abnehmern 'der gleichen Wirtschaftsstufen führen. Für die Erfüllung dieser Voraussetzung liegt die Beweislast ganz klar bei den Antragstellern.
— Dazu komme ich gleich.
Nach Abs. 2 muß auch nachgewiesen werden, daß Vertreter der Wirtschaftsstufen gehört worden sind, für die die Rabattregelung gelten soll. Nun wissen wir, daß eine Wirtschaftsstufe innerhalb des Einzelhandels, eine erhebliche Gruppe von Einzelhandelsunternehmen, die in der Rechtsform der Konsumgenossenschaft geführt werden, Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rabattvereinbarung hat; sie sind hier ausdrücklich mitberechtigt, sie haben Anspruch darauf, gehört zu werden. Ohne daß die Stellungnahme der Wirtschaftsstufe vorliegt, für die diese Rabattregelung gilt, kann das Verfahren überhaupt nicht eingeleitet werden.
Zu Ihrer Frage nach der Wirkung auf den Verbraucher, Herr Kollege Kurlbaum, muß ich ganz besonders auf die Bestimmungen über die Kombination mit der Preisbindung der zweiten Hand hinweisen. Hier steht ausdrücklich drin, daß gerade gegenüber dieser Kombination die Kartellbehörde bei ungünstigen Wirkungen für den Verbraucher eingreifen kann. Es heißt nämlich in § 12, daß die Kartellbehörde gegen den Mißbrauch der Preisbindung der zweiten Hand eingreifen kann, wenn sie feststellt, daß
die Preisbindung oder ihre Verbindung mit anderen Wettbewerbsbeschränkungen
— darunter ist dann eben die Rabattvereinbarung zu verstehen —
geeignet ist, in einer durch die gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse nicht gerechtfertigten Weise die gebundenen Waren zu verteuern oder ein Sinken ihrer Preise zu verhindern oder ihre Erzeugung oder ihren Absatz zu beschränken.
Gegen Ihre Befürchtung, daß die Rabattvereinbarung in Verbindung mit der Preisbindung der zweiten Hand gefährliche Wirkungen für die Verbraucher haben könnte, ist zu sagen, daß an dieser Stelle, nämlich bei § 12, ausdrücklich die Ermächtigung für die Kartellbehörde zum Eingreifen bei Preisbindung der zweiten Hand gegeben worden ist.
Nun zu der Frage der tatsächlichen Wirkung auf den Verbraucher. Nur ein ganz kurzer Hinweis. Ich glaube, Herr Kollege Kurlbaum, es ist im Ausschuß klar genug geworden, daß die Ersetzung und Verdrängung des Preiswettbewerbs — mit gültigen und aufrechterhaltenen Preisen — durch den Rabattwettbewerb durchaus nicht im Interesse der Verbraucher zu liegen braucht, an vielen Stellen sogar gerade nicht im Interesse der Verbraucher erfolgt ist, sondern daß diese bestimmte Form des Rabattwettbewerbs zu einer wesentlichen Erhöhung der Handelsspannen, zu einer Zusatzrente für die Verteilerzweige geführt hat, der Rabatt aber nicht wirklich im Verbraucherpreis zum Ausdruck gekommen ist.
Das, was uns veranlaßte, die Rabattvereinbarung mit sehr vielen schweren Kautelen für zulässig zu erklären, war doch folgendes: daß eine nicht unerhebliche Störung des Wettbewerbs nicht nur von Anbietern und Fabrikanten, Erzeugern ausgeht, sondern auch von der Monopolisierung von Nachfrage, von Machtpositionen bei der Nachfrage. Also daß die Macht der Nachfrage vielfach unter Aufrechterhaltung einer nur scheinbar bestimmten Preisstellung sich in unsichtbaren Macht- und Beziehungsrabatten, die dann erkämpft werden, niederschlägt, Rabatte, die nicht unbedingt dem Verbraucher wirklich zugute kommen, das war doch die Veranlassung für uns, die Rabattvereinbarung als zulässig in das Gesetz aufzunehmen.
Die Kautelen gegen Rabattvereinbarungen sind stark. Sie sind auch, nachdem eine Rabattvereinbarung rechtswirksam geworden isst, noch wirksam; denn die Kartellbehörde kann auch dann auf Grund der Mißbrauchsklausel jederzeit noch wieder eingreifen, und sie kann den Mißbrauch abstellen lassen, sie kann die Vereinbarung für unwirksam erklären und weitere untersagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist 'abgelehnt.
Ich rufe den § 1 b in der Fassung des Ausschusses auf. Wer ihm in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
§ 2 entfällt.
Ich rufe den § 2 a auf. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen. Wer 2 a in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe den § 3 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 1272 Ziffer 2 vor. Wird dieser Antrag begründet? — Dias Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag auf Umdruck 1272 Ziffer 2 wollen wir im Grunde genommen das wiederherstellen, was praktisch bis zur letzten Minute vor der Verabschiedung des Entwurfs im Ausschuß beschlossen gewesen ist.
— „beschlossen gewiesen ist", Herr Hellwig, habe ich gesagt; ich habe nicht behauptet „einstimmig". Ich glaube, das ist nicht zu bestreiten.
Ich darf einige Bemerkungen anschließen, die .die Ausnahmen schlechthin betreffen. Es handelt sich um ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Es begründet in § 1 ein Kartellverbot. Nun hat es schon in der ersten Legislaturperiode bei der Behandlung des Entwurfs, der durch die Regierung vorgelegt worden ist, Auseinandersetzungen um ganz bestimmte, über den Regierungsvorschlag ausgehende Ausnahmen gegeben. Gleichzeitig hat aber auch eine Auseinandersetzung darüber stattgefunden, inwieweit Ausnahmen von der Kartellbehörde genehmigt, d. h. unter allgemeinen oder besonderen wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten gesehen werden sollten.
Wir — damit meine ich diejenigen, die im Hinblick auf die Ausnahmen weitgehend die Kartellbehörde in Funktion treten lassen wollten — wellten vermeiden, daß, wie es jetzt durch die Formulierung „erteilt auf Antrag usw. die Erlaubnis" der Fall ist, ein 'in bestimmtem Sinne einklagbarer Rechtsanspruch auf Zulassung von Wettbewerbsbeschränkungen gegeben wird. Wir sind der Meinung, daß es mit dem Wesen dieses Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht übereinstimmt, einen solchen, in einem bestimmten Sinne einklagbaren Anspruch festzulegen. Wenn man schon für den Wettbewerb als eines der entscheidenden Mittel der Leistungsförderung am Markte ist, wenn man weiterhin der Meinung ist, daß der Wettbewerb nicht zuletzt auch Ausdruck der Freiheit der Betätigung der einzelnen am Markte ist, dann muß man, so meine ich, in jedem Falle in erster Linie die Vermutung für die Freiheit sprechen lassen. Deshalb dürfte jemand, der — aus welchen Gründen immer — den Wettbewerb einschränken will, eigentlich keinen solchen Anspruch bekommen, wie er durch die Formulierung „erteilt" statt „kann erteilen" gegeben wird.
Im Gegensatz zu der in Abs. 1 des § 3 angesprochenen Form des Rationalisierungskartells, das im wesentlichen technischer Art ist, ist hier ein Rationalisierungskartell gemeint, das über eine rein technische Funktion weit hinausgeht. Im § 3 Abs. 2 heißt es:
...., wenn die Regelung der Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge dient und geeignet ist, die Leistungsfähigkeit oder Wirtschaftlichkeit der beteiligten Unternehmen in technischer, betriebswirtschaftlicher oder organisatorischer Beziehung wesentlich zu heben und dadurch die Befriedigung des Bedarfs zu verbessern.
Damit soll gewissermaßen ein Rechtsanspruch für jemanden garantiert werden, der — vielleicht gutgläubig — den Wettbewerb einschränken will. Dabei spielen so viele gesamtwirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle, daß ein Rechtsanspruch aus den soeben genannten Gründen — Freiheit und Wettbewerb — einfach nicht denkbar sein sollte.
Diese Erwägungen veranlassen uns, mit unserem Antrag darauf zu +drängen, daß der Änderungsantrag, der, wie ich eingangs sagte, in letzter Minute — ich könnte eigentlich sagen: in den letzten 30 Sekunden der Ausschußberatungen
— ich meine das jetzt nicht rein zeitlich, sondern im Verhältnis zu den Ausschußberatungen schlechthin — von einem Kollegen gestellt worden ist, wieder rückgängig gemacht und in der Tat verhindert wird, daß ein klagbarer Anspruch auf Zulassung einer Wettbewerbsbeschränkung im Gesetz festgelegt wird.
Ich glaube, Sie würden dem Gedanken des Wettbewerbs und der Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung einen wesentlichen Dienst erweisen, wenn Sie — und mit „Sie" meine ich jetzt die Fraktion der CDU/CSU und auch die Fraktion der DP
— diesem Antrag zustimmten. Es handelt sich ja um einen Antrag der übrigen drei Fraktionen, und es ist immer Ihr mindestens von dieser Tribüne erklärter Wille gewesen, daß diese Dinge unter allen Umständen gewährleistet sein müssen. Ich bitte deshalb, den Antrag anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Meinung, daß der Herr Kollege Lange bei der Erörterung dieser Frage auf eine falsche Scheibe geschossen hat. Sie meinen, Herr Lange, der Ausschuß hätte sich in den letzten 30 Sekunden zu dieser Fassung entschlossen. Nun, man soll immer dankbar sein, auch wenn ihm idas Richtige erst in den letzten 30 Sekunden einfällt.
Worum geht es? Es geht darum, daß die Vereinbarung von Rationalisierungskartellen erleichtert werden und unter Umständen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung gegeben werden soll. Sie wissen ganz genau, deshalb brauchte ich es Ihnen eigentlich nicht zu sagen, welche Bedeutung die Rationalisierung heute und vor allem in der Zukunft hat. Aber sie wird ja nicht in dieser nackten Form begünstigt, sondern es gibt bei dem wilden Perfektionismus, der sich hier ausgetobt hat, noch viele zusätzliche Kautelen: einmal die Rationalisierung, zweitens die absolute Eignung der Maßnahmen zur Rationalisierung, drittens den Nachweis dafür, daß der Bedarf besser befriedigt und also auch der Verbraucher entsprechend berücksichtigt wird, und so geht es weiter in einer Linie. Ich bin der Meinung, daß, wenn überhaupt irgendwo ein Rechtsanspruch gewährt wird, er bei den Einschränkungen der Rationalisierung am meisten angebracht ist. Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich nicht sehr ergiebig, wenn wir Mitglieder des Wirtschaftspolitischen Ausschusses hier vor dem Hause — wir sind ja alle in der ersten Reihe versammelt — alle die Erörterungen, die wir im Ausschuß gehabt haben, wiederholen.
Aber, Herr Höcherl, die Art Ihrer Einwendungen zwingt uns geradezu dazu; Sie antworten auf die Ausführungen, die wir zur Begründung eines Antrags machen, immer mit rein formalen Einwendungen. Es ist gar nicht strittig zwischen uns, daß es eine Möglichkeit gibt, der Kartellbehörde einen weiteren Ermessensspielraum einzuräumen — was wir wollen —, und daß es die Möglichkeit gibt, vorzuschreiben, unter welchen Voraussetzungen sie eine Genehmigung geben muß, — wie Sie es wollen. Daß beide Wege rechtlich gangbar sind, das ist gar nicht Gegenstand der Meinungsverschiedenheit, sondern Sie wollen das eine und wir wollen das genaue Gegenteil. Darum geht es doch. Es hat aber keinen Zweck, daß wir nun in minutiöser Weise die Rechtsausführungen, die im Verlauf der Ausschußsitzungen gemacht worden sind, hier wiederholen.
Wir wünschen eben, daß es einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Ausschaltung des Wettbewerbs auf irgendeinem Gebiet nicht geben soll. Einen Anspruch wollen wir nicht; wir wollen nur zulassen, daß die Kartellbehörde, wenn Ihrer Meinung nach bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, von sich aus eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Das ist die Meinungsverschiedenheit, die zwischen uns besteht. Ich meine, es müßte hier genügen, das noch einmal klar herauszustellen; man braucht dann nicht erneut auf juristische Definitionen einzugehen, über die gar keine Meinungsverschiedenheit besteht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Samwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben nun von den Minderheitenvertretern im Ausschuß für Wirtschaftspolitik das gehört, was sie für richtig halten; die Mehrheit dieses Ausschusses hatte eben eine andere Einstellung. Ich darf sie noch einmal ganz kurz darstellen.
Das Rationalisierungskartell ist an solche Voraussetzungen gebunden, daß es außerordentlich schwierig ist, überhaupt zu einem solchen Kartell zu kommen. Sie wissen, daß nicht nur die Anmeldung mit allen klärenden Unterlagen vorgesehen ist, sondern daß auch Lieferanten und Abnehmer gehört werden und daß Stellungnahmen von Rationalisierungsverbänden vorliegen müssen.
Ferner ist ein großer Ermessensspielraum für die Bundesoberbehörde — Abs. 2 — gegeben; sie soll nämlich die Genehmigung für ein solches Kartell nur dann erteilen, wenn die Regelung der Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge dient und geeignet ist, die Leistungsfähigkeit oder Wirtschaftlichkeit der beteiligten Unternehmen in technischer, betriebswirtschaftlicher oder organisatorischer Beziehung wesentlich zu heben oder dadurch die Befriedigung des Bedarfs zu verbessern. Der Rationalisierungserfolg soll in einem angemessenen Verhältnis zu der damit verbundenen Wettbewerbsbeschränkung stehen. Eine Erlaubnis für ein Rationalisierungskartell, wenn die Rationalisierung durch Spezialisierung erreicht werden soll, darf nur erteilt werden, wenn die Spezialisierung den Wettbewerb auf dem Markt nicht ausschließt.
Hier sind also so weitgehende Kautelen gegeben, daß wir der Ansicht sind: wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat die Kartellbehörde die Genehmigung für das Rationalisierungskartell zu geben; d. h. sie soll die Genehmigung erteilen, also nicht ein doppeltes Ermessen haben, ob sie es genehmigen will oder nicht. Wir wollen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht nur einseitig haben, sondern wir wollen, daß die Bundesoberbehörde da, wo wirklich die Voraussetzungen für eine vernünftige Regelung gegeben sind — das ist doch gerade beim Rationalisierungskartell in der Regel der Fall; das weiß jeder, der damit zu tun gehabt hat, aus Erfahrung —, da, wo diese Voraussetzungen erfüllt sind, die Genehmigung erteilt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich, Herr Kollege
Samwer, ist es jedem von uns unbenommen, die Meinung, die er in der Frage hat, zum besten zu geben. Aber sicher ist es auch jedem Kollegen unbenommen, Feststellungen, die unbestreitbar sind, zu treffen, und über das, was vernünftig ist, gibt es eben unterschiedliche Meinungen.
— Ja, da kann man „Gott sei Dank" sagen!
Es kommt in diesem Zusammenhang aber auch auf folgendes an. Wenn man sich zu einem Grundsatz bekennt — in diesem Falle zum Grundsatz der Freiheit — und wenn man sich weiterhin darum bemüht, die Freiheit nicht in Anarchie ausarten zu lassen, dann zeigt sich auch hier in der Beschränkung der Meister. Es kommt hierbei darauf an, daß die Beschränkungen — das Ganze soll sich im Rahmen der Wirtschaftspolitik vollziehen — so aussehen, daß sie auch gleichzeitig im Rahmen der Wirtschaftspolitik verantwortet werden können. Das heißt also mit anderen Worten — und darin liegt vielleicht, Herr Samwer, unsere grundsätzliche Meinungsverschiedenheit —: Wir wollen die Wirtschaftspolitik nicht von Leuten gemacht wissen, die vor diesem Hause keinerlei Verantwortung tragen. Deshalb auch unsere andersartige Auffassung im Hinblick auf die Ausnahmen und deren Regelung hier im Gesetz.
Die Kartellbehörde ist eine Bundesoberbehörde. Sie hat einen Bericht vorzulegen und untersteht dem Bundeswirtschaftsminister. Der Bundeswirtschaftsminister ist diesem Hause für seine Politik verantwortlich.
— Verzeihung, Herr Kollege Kunze, formal haben
Sie natürlich recht. Nach der Verfassung ist der Kanzler für die Richtlinien der Politik verantwortlich. Das gebe ich gern zu, und das ist auch gar nicht das Problem. Dann sagen wir es anders: Verantwortlich für die Politik vor diesem Hause ist die Bundesregierung. Insoweit muß auch die Bundesregierung die Politik vertreten, die ihre Oberbehörden machen, die sich dabei im Rahmen eines Gesetzes zu halten haben. Ich glaube, das ist eine völlig klare Sache.
Uns geht es jetzt einfach um folgendes, und das wiederhole ich noch einmal. Wir sehen die Mittel gegen Wettbewerbsbeschränkungen — in diesem Falle den Erlaubnisvorbehalt — als ein Instrument der Wirtschaftspolitik an. Deswegen muß dieser Erlaubnisvorbehalt auch allenthalben dort gewährleistet sein, wo über, sagen wir, harmlose technische Dinge hinaus — das ist nämlich das Rationalisierungskartell nach Abs. 1 — andere Wirkungen entstehen können. Insoweit sind wir der Meinung, daß die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik, auch für die Wirtschaftspolitik, die die Kartellbehörde als Kartell- oder Antikartell- und Antimonopolpolitik zu betreiben hat, hier vor diesem Hause zu tragen ist. Wenn wir nämlich mit dem Rechtsanspruch, den Herr Samwer noch einmal ausdrücklich begründet hat, argumentieren, dann nehmen wir dieses Mittel der Wirtschaftspolitik, hier insbesondere der Antikartell- und Antimonopolpolitik, aus den Händen der für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen heraus.
Das ist etwas, was wir nicht wollen.
Nun ein paar Worte zu den Ausführungen von Herrn Höcherl. Herr Höcherl, Sie haben mir soeben nachgesagt, daß ich die Debatte auf ein anderes Gleis geschoben habe als das, das nach Ihrer Meinung befahren werden sollte. Ich kann Ihnen sagen, Herr Höcherl, daß Sie in der Tat in Ihrer Replik ein anderes Gleis befahren haben. Sie haben sich nämlich im wesentlichen mit der Argumentation um das technische Rationalisierungkartell nach Abs. 1 auseinandergesetzt und nicht mit den Überlegungen, die im Hinblick auf weiterreichende Wirkungen bestimmter Tatbestände unserer Meinung nach eine andere Formulierung als die vorgeschlagene notwendig machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 1272 Ziffer 2. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe § 3 in der Ausschußfassung auf.
Ich rufe § 3 Abs. 1 auf. Wer Abs. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abs. 1 ist angenommen.
Ich rufe Abs. 2 in der Fassung des Ausschusses auf. Wer Abs. 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Die Absätze 3 und 4 kann ich wohl zusammen aufrufen. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
§ 4 entfällt.
Dann rufe ich § 5 auf. Hierzu liegt ein Antrag auf Umdruck 1272 Ziffer 3 vor. Wird dieser Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie brauchen jetzt keine ausführliche Begründung von mir mehr zu befürchten. Das, was ich eben schon zu unserem Antrag zu § 3 Abs. 2 im Grundsatz gesagt habe, gilt in gleichem Umfang selbstverständlich auch hier; denn hier besteht das gleiche Problem. Es ist aber vielleicht doch nützlich, ein paar Worte zu sagen, die darstellen, um was es sich hier im einzelnen handelt.
Wir sind im Ausschuß übereingekommen — ich will jetzt nicht die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuß untersuchen —, daß man im Hinblick auf das reine Exportkartell, das unseren Exporteuren in einer bestimmten Situation draußen ganz bestimmte Möglichkeiten geben soll, den Erfordernissen ohne Vorbehalt entsprechen müsse, wenn aus einem solchen außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes — sprich: außerhalb der Bundesrepublik — wirkenden Kartell keine Rückwirkungen auf die Bundesrepublik und auf den immerdeutschen Markt und keine Bindungen für diesen möglich sind. Dias ist der Inhalt des Abs. 1, der insoweit unbestritten gewesen ist.
Aber lin Abs. 2 dieses § 5 haben wir das Kartell, das in seinen Wirkungen auf den Inlandsmarkt ausstrahlt. Dia heißt es jetzt schilicht und einfach:
Die Kartellbehörde hat auf Antrag
— es ist also genauso wie vorher —
die Erlaubnis zu einem Vertrag oder Beschluß der in § 1 bezeichneten Art zu erteilen, wenn eine in Absatz 1 'bezeichnete Regelung auch den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes umfaßt, soweit diese Regelung notwendig ist, um die erstrebte Regelung des Wettbewerbs auf den Märkten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes sicherzustellen.
So weit dieses Zitat. Hier kommt also die Inlandswirkung hinzu. Und noch einmal stellt sich das Problem so: wir wollen nicht draußen irgendwelche Dinge tun lassen, deren Wirkung nach innen wir so ohne weiteres nicht abschätzen können. Wenn aber für draußen eine solche Regelung erforderlich
dann müssen wir wieder den Rechtsanspruch feststellen, wie das hier geschehen ist. Deshalb unser Antrag; das „hat" in ,,kann" zu ändern. Ich bitte, diesem Antrag aus den gleichen Erwägungen zuzustimmen. Oder soll ich sagen: Lehnen Sie ihn aus den gleichen Erwägungen ab? Das wäre allerdings ein Dokument im Hinblick auf Ihre Auffassungen über Wettbewerbsbeschränkungen.
Vizepräisdent Dr. Becker: Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Lange hat das Problem richtig herausgestellt. Da es sich im wesentlichen um die Einschränkung oder Ausdehnung des Ermessensspielraums handelt und wir gerade eine Debatte zu § 3 hinter uns haben, kann ich mich genauso kurz fassen wie er. Ich möchte nur eins hinzufügen.
Wenn man sagt, es widerspreche den Prinzipien, einen Anspruch an die Kartellbehörde zu stipulieren,
dann muß man aber auch den negativen Anspruch ablehnen. Man kann eben nur eines machen. Man kann alles ins Ermessen der Behörde stellen oder nichts, aber man kann nicht, wie im Regierungsentwurf an verschiedenen Stellen, einen negativen Anspruch stipulieren. Man kann auch nicht — mit Herrn Kollegen Hoffmann — davon ausgehen, daß im jetzigen Entwurf die negativen Ansprüche erhalten bleiben, die positiven aber ausgeschlossen werden. Das ist unlogisch, und das geht nicht.
Zusätzlich möchte ich darauf hinweisen, das in § 5 Abs. 2, also in jener Bestimmung, die die Exportkartelle mit Inlandswirkung zum Gegenstand hat, der Kartellbehörde für ihre Entscheidung dennoch ein gewisser Spielraum eingeräumt ist. Denn die Kartellbehörde muß zunächst einmal entscheiden, ob eine Inlandsregelung notwendig ist, um die erstrebte Regelung des Wettbewerbs auf den Exportmärkten herbeizuführen. Gerade darin liegt ein — tatbestandsmäßig klar umrissener, deshalb praktikabler — Ermessensspielraum. Es ist nicht unbillig, wenn man den Ermessensspielraum auf diese Feststellung beschränkt und gleichzeitig bestimmt: in den Fällen, in denen die Kartellbehörde dies feststellt, m u ß sie — und zwar nicht zuletzt im Interesse der Aufrechterhaltung und Förderung unseres Exports; darum geht es auch bei diesen Kartellen — die Erlaubnis erteilen.
Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Pohle hat festgestellt, daß ein gewisser Spielraum für die Kartellbehörde besteht, und zwar dadurch, daß es heißt: sie hat eine solche Erlaubnis zu erteilen, falls eine auf Auslandsmärkten erforderliche Regelung nur erreicht wird, wenn auch der Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes — sprich: Bundesgebiet, innerdeutscher Markt — umfaßt wird, „soweit diese Regelung notwendig ist, um die erstrebte Regelung des Wettbewerbs auf den Märkten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes sicherzustellen".
Das heißt doch, daß, um eine Regelung draußen zu erreichen, innerdeutsche Produzenten und Händler — von den Exporteuren ganz zu schweigen — gebunden werden können, daß unter Umständen im Interesse der Regelung auf dem Auslandsmarkt — also um einen ganz bestimmten Preis zu erzielen, der gestattet, Zollschranken ausländischer Wettbewerber zu überspringen — auf Grund einer solchen Regelung über den Inlandspreis, der dann ungebührlich hoch ist, die Finanzierung des Auslandspreises erfolgt. Das exportierte Gut oder Stück einer Serie wird also mit dem nichtexportierten Gut oder Stück derselben Serie bezahlt. Ich verweise als Beispiel auf die Automobilindustrie. Man muß sich dann noch fragen, inwieweit das mit den Bestimmungen des GATT vereinbar ist; aber das will ich jetzt nicht untersuchen.
Wir zahlen also auf dem Inlandsmarkt für etwas, von dem wir nicht wissen, ob es gesamtwirtschaftlich gerechtfertigt ist. Wir finanzieren damit Preise, die, da sie im Ausland erhoben werden, praktisch der Nachprüfung durch die für 'die Wirtschaftspolitik verantwortlichen Stellen entzogen sind. Denn wenn die betreffenden Firmen erklären, sie könnten sich auf andere Art draußen — etwa einem monopolistischen Nachfrager oder anderen Anbietern monopolistischer oder mehr oder minder stark kartellierter Art gegenüber — nicht durchsetzen, muß nach dem Wortlaut dieses Absatzes die Kartellbehörde die Genehmigung erteilen. Der Verbraucher hier im Inland zahlt drauf, soweit aus dieser Produktion Dinge für den Inlandsmarkt zur Verfügung stehen; ich habe eben das Beispiel der Automobilindustrie angeführt.
Herr Dr. Pohle, unter diesen Voraussetzungen ist dieser Rechtsanspruch in der Tat nicht gerechtfertigt. Sie sagen, wenn man auf den Rechtsanspruch abhebe, dürfe man nicht einmal so und einmal so verfahren, wie es die Regierung in ihrem ursprünglichen Entwurf getan habe. Sie wissen sehr wohl, Herr Dr. Pohle, welche Auffassung wir in diesem ganzen Zusammenhang immer wieder vertreten haben. Wir sind 'bei § 1 für ein ganz klares Verbot gewesen und sind darüber hinaus weitgehend — bei solchen Dinigen mit den entsprechenden gesamtwirtschaftlichen Folgen — für den Erlaubnisvorbehalt gewesen. Insoweit können Sie uns nicht irgendwelche Inkonsequenz oder Unlogik nachweisen.
Ich bitte also noch einmal, hier die Korrektur entsprechend unserem Antrage vorzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Klarstellung muß hier doch noch vorgenommen werden. Es ist nicht so, daß in diesem Paragraphen ein unbegrenzter Rechtsanspruch auf die Genehmigung eines Exportkartells mit Inlandswirkung begründet würde. Es gibt noch eine Begrenzung dieses Rechtsanspruchs, nämlich den Abs. 3 dieses Paragraphen. Darin heißt es ausdrücklich:
Die Kartellbehörde darf eine Erlaubnis ...
nicht erteilen, wenn der Vertrag oder Beschluß .. .
1. die von der Bundesrepublik ... in zwischenstaatlichen Abkommen anerkannten Grundsätze über den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen verletzt ...
Damit, Herr Lange, ist Ihr Bedenken ausgeräumt, daß unter Uniständen Exportkartelle zustande kämen, die den Bestimmungen des GATT oder anderer internationaler Abkommen zuwiderliefen.
Weiterhin darf die Kartellbehörde das Kartell nicht genehmigen, wenn der Vertrag
zu einer wesentlichen Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes führen kann und das Interesse an der Erhaltung des Wettbewerbs überwiegt.
Damit ist ganz klar der Vorrang der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs in der Bundesrepublik
vor einem Exportkartell zum Ausdruck gebracht.
Nun, lieber Kollege Lange, es ist ungut, wenn man einen bestimmten Fall oder mehrere bestimmte Fälle isoliert nur unter der Alternative „Verbot" oder „Ausnahme vom Verbot" behandelt. Es gibt keine Ausnahmen von den Verboten bei diesen Paragraphen, die nicht Gegenstand eines langwierigen Verfahrens sind und die nicht unter Beteiligung der breiten Öffentlichkeit, der betroffenen Lieferanten- und Abnehmerkreise zustande kommen. Das ist etwas, was mit gesehen werden muß. Die gesamte Verfahrenstechnik ist im Ausschuß auf eine andere Basis gestellt worden. Dabei erkenne ich Ihre Mitwirkung gerade für eine erhöhte Publizität dieser Verfahren bei der Kartellbehörde dankbar an. Es geht von der Publizierung eines Antrags im Bundesanzeiger bis zur öffentlichen Verhandlung und der Beiladung von in ihren Interessen betroffenen Kreisen in allen Instanzen, vor der Kartellbehörde und den Gerichten. Daher kann man nicht mehr die einzelnen Ausnahmen nur unter der Alternative „Verbot" oder „Ausnahme" sehen. Man muß sie in Zusammenhang mit einem sehr schwierigen Verfahren, welches sich weitgehend in der Öffentlichkeit unter Beteiligung auch betroffener Abnehmer und Lieferanten vollzieht, sehen. Ich darf daher bitten, diesen Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich, Herr Hellwig, sieht das Verfahren im Gesetz heute anders aus, als es ursprünglich im Regierungsentwurf ausgesehen hat. Aber das ist ja nicht das Entscheidende hierbei,
sondern die entscheidende Überlegung ist die, die ich vorhin schon einmal angeführt habe und die ich noch einmal wiederholen möchte, nämlich die, daß diejenigen, die für die Wirtschaftspolitik verantwortlich sind, auch tatsächlich in der Lage sein müssen, die Instrumente der Wirtschaftspolitik zu benutzen, und nicht, daß Wirtschaftspolitik von irgendwelchen Leuten gemacht wird, die sich der öffentlichen Verantwortung, insoweit sie auch eine parlamentarische Verantwortung ist, entziehen können.
Das ist doch die Überlegung.
— Verzeihung, Herr Hellwig, insoweit unterscheiden wir uns in der grundsätzlichen Auffassung. Das hat nicht verhindert, daß wir in einer ganzen Reihe von Paragraphen einen mehr oder minder tragbaren Kompromiß entwickelt haben. Aber hier sind wir der Auffassung, daß das über die Grenze dessen, was wir als tragbares Kompromiß ansehen, hinausgeht. Wenn Sie eben gesagt haben, man müsse das auch in diesem Zusammenhang sehen, dann muß ich Ihnen erwidern, daß wir das natürlich in diesem Zusammenhang sehen. Aber deshalb habe ich eben die vorausgegangenen Bemerkungen gemacht, die Sie vielleicht auch noch zur Kenntnis nehmen. Insoweit können wir also unsere Meinung in dieser Frage nicht ändern. Wir sind in der Tat der Auffassung, derjenige, der die Verantwortung hat, soll sie auch klar und eindeutig tragen können, und man muß ihm die Instrumente und Möglichkeiten dazu geben.
— Mit solchen Bestimmungen, die — das sage ich noch einmal — auch bei gewissen Einschränkungen
— auch das stelle ich ohne weiteres fest — trotzdem den Rechtsanspruch begründen, schafft man eben für die für die Wirtschaftspolitik verantwortlichen Stellen diese Instrumente nicht.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 1272 Ziffer 3. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 5 in der Ausschußfassung. Die Aussprache hierüber hat stattgefunden. Ich lasse absatzweise abstimmen. Wer § 5 Abs. 1 anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Angenommen.
Ich rufe auf § 5 Abs. 2. Wer diesem in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf § 5 Abs. 3. Wer diesem in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf § 5 Abs. 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe nunmehr auf die §§ 5 a, 5 b, 5 c, 5 d —§ 6 entfällt hier —, §§ 7, 7 a, 8 und 9. Ich darf annehmen, daß das Haus mit einer gemeinsamen Verabschiedung einverstanden ist. — Es ist so beschlossen. Ich stelle diese Paragraphen zur Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wird getrennte Abstimmung gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich die eben aufgerufenen Paragraphen gemeinsam zur Abstimmung. Wer diesen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf den Zweiten Abschnitt § 10. Anträge hierzu liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wer § 10 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf § 11. Hierzu liegt ein Antrag Umdruck 1273 Ziffer 1 vor. Ich bitte einen Druckfehler, falls er auch in Ihrem Exemplar vorhanden sein sollte, zu berichtigen. Es muß sinngemäß heißen: „§ 11 erhält folgende neue Fassung", und dann kommt der neue Text. Wird dieser Antrag begründet? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Preisbindung der zweiten Hand handelt es sich zweifellos um ein sehr kompliziertes Problem. Es gibt zwei leicht erkennbare Wirkungen der Preisbindung der zweiten Hand — ich meine dabei die verbindliche Preisprüfung der zweiten Hand —, über die man sich schon immer klar gewesen ist und die auch in den Ausschußdiskussionen darum eine entscheidende Rolle gespielt hat. Es ist völlig klar, daß die Preisbindung der zweiten Hand den Preiswettbewerb zwischen den gebundenen Wiederverkäufern, d. h. also in der Regel den Preiswettbewerb zwischen den einzelnen Händlern verhindert. Daher hat man die Preisbindung der zweiten Hand auch in gewissen Kreisen als mittelstandsfreundlich betrachtet. Heute allerdings melden sich dort sehr starke Zweifel an. Es ist heute klar und deutlich die Gefahr eines Zusamanenbruchs der Preisbindung der zweiten Hand auf breiter Linie erkennbar. Nun, was ist die Ursache dieses Zusammenbruchs der Preisbindung der zweiten Hand, dien wir nicht nur in den USA und Kanada, sondern nunmehr auch in der Bundesrepublik selbst feststellen? Eine entscheidende Ursache dieses Zusammenbruchs ist, daß sich der Verbraucher und die Öffentlichkeit überhaupt in der letzten Zeit der Problematik der Preisbindung der zweiten Hand weitgehend bewußt geworden sind.
Das hängt zweifellos mit den teilweise überhöhten Handelsspannen zusammen. Wenn wir z. B. hören, daß auf dem Waschgerätemarkt — was die deutschen Hausfrauen sicherlich lebhaft interessieren wird — große Geschäfte bis zu 53 % Wiederverkaufsrabatt erhalten, dann kann man wohl eindeutig von überhöhten Handelsspannen sprechen.
Etwas Ähnliches hat sich ja auch im richtigen Augenblick bei den Kühlschränken gezeigt.
Ein Zweites kommt noch dazu. Neben der öffentlichen Kritik an der Höhe dieser Handelsspannen wird sich der Verbraucher offensichtlich immer stärker der Tatsache bewußt, daß ihm durch die Preisbindung der zweiten Hand sozusagen ein Standardservice mit einer Standardhandelsspanne aufgezwungen wind. Er wird also gar nicht gefragt, ob er diesen Service haben will, ob er die Beratang, all die Vorführungen und den Luxus der Verkaufsräume — natürlich gegen Bezahlung einer entsprechenden Handelsspanne — haben will. Der Verbraucher verlangt nunmehr offensichtlich, daß er nicht nur ein vielgestaltiges Warensortiment angeboten erhält, sondern daß er auch die Möglichkeit hat, mit hohem Service oder — und ich glaube, das ist die Mehrheit — mit geringerem Service und geringerer Handelsspanne einzukaufen.
Darum melden sich nun auch im Handel selbst entscheidende Zweifel daran, ob denn das System der Preisbindung der zweiten Hand in seiner zementierten Form auf die Dauerwirklich den Bedürfnissen des mittelständischen Einzelhandels dienen kann. Diese Menschen fragen sich mit Recht, ob die alte Theorie richtig ist, daß, wenn irgend jemand sie Handelsspanne herabsetzt, also den Markenartikel mit einem Rabatt an den Letztverbraucher verkauft, das wirklich nur zu Lasten ides Umsatzes seines Nachbarn erfolgt, older ob nicht durch eine solche Herabsetzung der Handelsspanne erstmals ganz neue Käuferkreise erschlossen werden. Bei der Herabsetzung der Kühlschrankpreise in den letzten Wochen hat sich an einzelnen Stellen, wo die Preise für diese Verbrauchsgüter entscheidend herabgesetzt worden sind, gezeigt, daß der neue Bedarf, der dort schlagartig einsetzte, im Augenblick überhaupt nicht zu befriedigen war. Das zeigt, daß man hier wirklich eine Möglichkeit hätte, zu einem System der größeren Umsätze bei verringerter Spanne überzugehen.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte schön! Vizepräsident Dr. Becker: Bitte!
Herr Kollege Kurlbaum, glauben Sie nicht auch, daß die verstärkte Nachfrage nach Kühlschränken in den letzten Wachen auf das Wetter zurückzuführen ist und Ida die Aktion, die Sie hier anführen, mengenmäßig überhaupt keinen Einfluß gehabt hat?
Selbstverständlich hat das Wetter etwas damit zu tun, Herr Kollege Illerhaus. Aber hier handelt es sich darum, daß an den Stellen, wo die Preise herabgesetzt worden sind, ein besonders großer Ansturm auf diese Güter festzustellen war. Herr Illerhaus, ich hätte es sehr begrüßt, wenn sich der Ausschuß auch z. B. mit dem kanadischen Bericht befaßt hätte, mit diesem sehr sorgfältigen Bericht zur Untersuchung der Wirkungen des nunmehr seit 1951 in Kanada bestehenden Verbots einer Preisbindung zweiter Hand. Auch dort ist diese sehr sorgfältig arbeitende Kommission zu der Feststellung gelangt, daß dais Verbot der Preisbindung der zweiten Hand in Kanada
die Modernisierung der Vertriebsmethoden und den Übergang zu Umsatzsteigerungen wesentlich erleichtert hat. Das können Sie in diesem Bericht nachlesen.
Lassen Sie mich noch einen weiteren Hinweis geben! Der Einzelhandel ist durch die Direktverkäufe sehr beunruhigt. Es ist auch eine Feststellung gemacht worden, daß dort, wo die Preisbindung der zweiten Hand zusammengebrochen ist, die Direktverkäufe schlagartig aufgehört haben. Man kann daher folgendes sagen: Die Direktverkäufe sind sozusagen die !Sumpfblüten auf dem Teich der Preisbindung der zweiten Hand.
Nun ist noch ein zweites Argument zu erwähnen, dessen praktische Wirkung wir durchaus erkennen. Es hat bei den Diskussionen im Ausschuß eine entscheidende Rolle gespielt. Es ist sicherlich richtig, daß der einzelne Hersteller, der einzelne Fabrikant seine Konkurrenzlage gegenüber anderen Herstellern, die keine Preisbindung der zweiten Hand vornehmen, beim Einzelhandel wesentlich verbessern kann, indem er zur Preisbindung der zweiten Hand übergeht.
Das hat aber leider die unerwünschte Folge, daß, wenn erst einmal ein Hersteller in einem Wirtschaftsbereich den Übergang zur Preisbindung der zweiten Hand vollzogen that, dann die übrigen Hersteller der Branche gezwungen sind, denselben Übergang zu vollziehen. Das heißt also, daß das Phänomen der Preisbindung ,der zweiten Hand eine ganz starke Tendenz zur Ausdehnung in sich trägt.
Nun kommen wir wieder zurück zu dem Problem des Rabattkartells, das wir vorhin 'besprochen haben. Das Rabattkartell folgt nämlich der Preisbindung der zweiten Hand auf !dem Fuße, und zwar aus dem einfachen Grunde: Wenn erst einmal alle Hersteller in einem bestimmten Bereich gezwungen sind, die Preise zu binden — und wirksam zu binden —, dann vermögen sie sich gegen das, was man Rabattschleuderei nennt, nur noch durch ein Rabattkartell zu schützen, und auf das Rabattkartell folgen zwangsläufig all die bekannten weiteren einheitlichen Absatzbindungen, die dann notwendig sind, um die Preisbindung der zweiten Hand zu sichern. Diese Systeme der Absatzbindungen — :der Reverse — vereinheitlichen sich so stark, daß dann schließlich aus der Preisbindung der zweiten Hand, aus dem Rabattkartell, aus den Absatzbindungen ein völlig gefestigtes, zementiertes System der Verteilung in diesem Bereiche wird. Das wird ein so gefestigtes System, daß man in der Tat Modernisierungsbestrebungen mit einem solchen System zum Nachteil des Fortschritts in der Volkswirtschaft wirksam entgegentreten kann. Aber das ist ja gerade eine der entscheidenden Befürchtungen die wir haben.
Nun hat man aber, weil man zweifellos diese Tendenzen zur Ausdehnung der Preisbindung der zweiten Hand, diesen Druck auf den Hersteller und diesen Druck auf höhere Rabattspannen nicht leugnen kann, versucht, die Preisbindung der zweiten Hand mit anderen Argumenten zu begründen. Bei diesen Argumenten spielen die sogenannten Verlustverkäufe eine wichtige Rolle, die angeblichen Verlustverkäufe von bekannten Markenartikeln mit dem Ziel ver Vernichtung kleiner Einzelhändler.
Es ist auch sehr interessant, in dem kanadischen Bericht zu lesen, daß offenbar beim Einzelhandel weitgehend gar kein Unterscheidungsvermögen zwischen dem, was ein scharfer Preiswettbewerb ist, und einem wirklichen Verlustverkauf besteht. Interessanterweise sind wirkliche Verlustverkäufe — wie der Bericht der kanadischen Kommission angibt — in so geringem Umfang festgestellt worden, daß man es nicht für nötig gehalten hat, irgendwelche gesetzlichen Maßnahmen dagegen zu treffen. Gegen solche Verlustverkäufe muß zweifellos etwas geschehen. Wir haben im Ausschuß immer wieder unsere Bereitschaft erklärt, das im Rahmen einer Novelle zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu tun. Dahin gehört es, aber nicht in das Kartellgesetz.
Schließlich haben wir noch folgendes dazu zu sagen. Gerade in den letzten zwölf Monaten ist weiteres entscheidendes Material zu diesem ganzen Problem herausgekommen. Es ist nicht nur der kanadische Bericht, es sind auch deutsche Publikationen. Sowohl in der Zeitschrift „Wirtschaft und Wettbewerb" als auch im „Handelsblatt" — ich muß dieses Blatt hier nennen; Sie werden es bestimmt nicht als sozialistisch betrachten — sind eine ganze Reihe von entscheidenden neuen Argumenten vorgebracht worden. Diese Argumente konnte, wie ich zugebe, der Regierungsentwurf noch nicht berücksichtigen, weil sie zur Zeit der Ausarbeitung des Regierungsentwurfs in dieser Klarheit noch nicht vorhanden waren. Auch der Arbeitskreis „Markenartikel", der seine Arbeiten bekanntlich um diese Zeit vor einem Jahr bereits abgeschlossen hatte, konnte diese Erkenntnisse nicht berücksichtigen und hat sie auch nicht berücksichtigt. Es ist aber sehr bedauerlich, daß der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundestages sich geweigert hat, vor Verabschiedung dieses Gesetzes und vor allen Dingen dieser Paragraphen überhaupt noch in eine Diskussion dieses neuen Materials einzutreten.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor der entscheidenden Frage, ob wir es uns angesichts dieser ungeklärten Situation leisten können, nunmehr bezüglich der Preisbindung der zweiten Hand das Ruder um 180 Grad herumzudrehen. Welches sind denn die entscheidenden Tatsachen, die gerade in der letzten Zeit der Öffentlichkeit immer stärker zum Bewußtsein gekommen sind?
Die erste Tatsache ist: Nachdem in der Herstellung durch Rationalisierung, durch Umsatzsteigerung entscheidende Fortschritte in Richtung auf eine Verbilligung erzielt worden sind, steht die verteilende Wirtschaft zweifellos vor der gleichen Aufgabe. Es ist erfreulich, daß sich dafür schon Ansätze in den USA, in Kanada, auch in Europa und nunmehr auch in der Bundesrepublik zeigen. Wenn heute der deutschen Verteilungswirtschaft nicht ein kontinuierlicher Übergang zu neuen Vertriebsmethoden ermöglicht wird, wenn sozusagen der Kampf zwischen den reaktionären Kräften und den neuen Kräften auf die Spitze getrieben wird, dann wird dieser Kampf im Verteilungssektor der deutschen Wirtschaft eine solche Schärfe annehmen, daß dabei gerade der mittelständische Einzelhandel auf der Strecke bleiben wird. Das sage ich insbesondere den Herren von Ihnen, denen die Interessen des deutschen Mittelstandes im Einzelhandel am Herzen liegen. Der mittelständische Einzelhandel muß den Übergang zu diesen neuen Methoden finden. Wir wollen alles Erdenkliche tun, um das zu erleichtern. Es hat aber keinen Zweck, sich diesen Bestrebungen entgegenzustemmen, die von den Verbrauchern heute schon weitgehend richtig erkannt werden.
Nun noch eine zweite Wirkung der Preisbindung der zweiten Hand, die ebenfalls erst in letzter Zeit wiederholt hervorgehoben und damit auch klarer geworden ist. Ich meine die Tendenz, Kartelle durch die Preisbindung der zweiten Hand zu ersetzen. Zunächst zeigt sich, wie ich vorhin schon sagte, eine weitgehende Übereinstimmung der verschiedenen Herstellerfirmen bezüglich ihrer Geschäftsbedingungen, Reverse usw., mit denen sie ihre Absatzpreise sichern und ihre Absatzwege festigen. Schließlich erfolgte schrittweise auch eine Angleichung der Verbraucherpreise. Nunmehr stellt sich folgendes Ergebnis heraus. Auf den Hersteller, der seine Endverbraucherpreise gebunden hat, der die Rabatte gebunden hat, kann der Einzelhandel den Preisdruck überhaupt nicht mehr weitergeben. Darum steht am Ende dieser Entwicklung der Preisbindung der zweiten Hand kombiniert mit Rabattkartell und Zementierung der Absatzwege eine Zustand, der einem Preiskartell in der praktischen Auswirkung bis in alle Einzelheiten gleicht
— ich sage: in der praktischen Auswirkung, natürlich nicht in der rechtlichen —, und in einem, meine Damen und Herren, überbietet diese Durchzementierung mit der Preisbindung der zweiten Hand ein Preiskartell — das wir vielleicht unter gewissen volkswirtschaftlichen Bedingungen zulassen würden —: es ist nämlich ein Preis zwangs kartell, dem sich kein einziger Hersteller und kein einziger Einzelhändler in dieser Branche mehr entziehen kann.
Wie gesagt, es ist außerordentlich bedauerlich, daß alle diese Dinge keine Berücksichtigung und keinen Niederschlag mehr in der Diskussion im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gefunden haben.
Die SPD fühlt sich daher verpflichtet, eine Lösung vorzuschlagen, die den jetzigen Rechtszustand zunächst einmal über eine gewisse Spanne verlängert, die uns dann die Möglichkeit gibt, die Dinge so ausgiebig zu studieren, wie das Problem das dringend erfordert. Augenblicklich weiß bekanntlich niemand genau, ob eine Preisbindung der zweiten Hand überhaupt Rechtswirkung hat oder nicht. Es gibt Oberlandesgerichte, die diese Preise mit Ja, und Oberlandesgerichte, die sie mit Nein beantwortet haben. Mit Recht haben bestimmte Oberlandesgerichte gesagt, daß eine gesetzliche Vorschrift, wie sie in den von den Alliierten erlassenen Bestimmungen vorhanden war, ja wohl nicht durch den Brief eines Angestellten dieser Behörde rückgängig gemacht werden kann.
Unsere Lösung will also den jetzigen Zustand, der die Preisbindung der zweiten Hand unverbindlich macht, der sie aber in ihrem empfehlenden Charakter durchaus weiter gestattet, zunächst einmal aufrechterhalten, bis es möglich ist, das Problem eingehend zu studieren.
Ich babe vorhin schon gesagt: Hier sind wir wiederum zu einem entscheidenden Punkt gekommen, besonders entscheidend, weil dieses Problem im Ausschuß nur in einer völlig unzureichenden Weise und völlig ohne Berücksichtigung der neuesten Ergebnisse diskutiert worden ist.
Die SPD kann daher der Lösung, wie sie im Entwurf des Ausschusses vorliegt, unter keinen Umständen zustimmen, und wir bitten Sie sehr ernstlich, unseren Vorschlag zu prüfen, der darauf hinauskommt, den jetzigen Rechtszustand zu verlängern, bis wir Zeit gewonnen haben, das Problem wirklich zu untersuchen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Illerhaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube in der Tat, daß das Problem der Preisbindung zweiter Hand eines der Probleme ist, die uns im Wirtschaftspolitischen Ausschuß sehr, sehr lange beschäftigt haben, und, Herr Kollege Kurlbaum, ich muß Ihnen geradezu widersprechen, wenn Sie sagen, wir hätten die Probleme, die mit der Preisbindung der zweiten Hand zusammenhängen, nicht ordentlich genug und nicht ausgiebig genug diskutiert.
— Herr Kollege Kurlbaum, ich dad daran erinnern, daß wir im Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu diesem Zweck einen Unterausschuß gebildet haben — unter dem Vorsitz Ihres Fraktionskollegen Schöne — und in diesem Unterausschuß sehr lange und sehr ausgiebig über diese Frage und über die Probleme, die mit der Preisbindung zweiter Hand zusammenhängen, diskutiert haben.
Wir sind nun in diesem Unterausschuß zu der einstimmigen Annahme der dort formulierten Erklärung gekommen. Dieser Erklärung haben alle Fraktionen, die an den Beratungen in dem Unterausschuß beteiligt gewesen sind, zugestimmt.
Nun lassen Sie mich einiges zu den Argumenten sagen, die Sie hier vorgetragen haben. Sie haben zunächst festgestellt, daß durch die Preisbindung zweiter Hand die Preise erhöht bzw. überhöhte Handelsspannen zementiert werden.
— Verzeihung, Herr Kurlbaum, ich bin persönlich der Meinung, daß beispielsweise die Aktion der Konsumgenossenschaften bezüglich der Kühlschränke absichtlich acht Tage vor der Behandlung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Deutschen Bundestag gestartet worden ist und mit einem echten Wettbewerb absolut nichts mehr zu tun hat.
Dort sind Preissenkungen von 30 % bei Kühlschränken angekündigt worden, bei denen überhaupt keine Handelsspannen von 30 % vorhanden gewesen sind.
Meine Damen und Herren, da muß man doch schon bei der Sache bleiben. Ich glaube auch — ich muß das noch einmal sagen —, daß der sprunghafte Anstieg des Umsatzes in Kühlschränken mit dieser Aktion der Konsumgenossenschaften absolut nichts zu tun hat.
Ich weiß von einigen Kollegen, die lange vor den Konsumgenossenschaften solche Preisherabsetzungen vorgenommen haben, daß sie deswegen, ehe die Hitze gekommen ist, auch nicht einen Kühlschrank mehr verkauft haben.
Ich darf in diesem Zusammenhang aber auch daran erinnern, daß es in der Regierungsvorlage im § 12 heißt:
Die Kartellbehörde kann eine nach § 11 zulässige Preisbindung der Abnehmer oder weiterer Abnehmer von Amts wegen mit sofortiger Wirkung . . . für unwirksam erklären, wenn für den Absatz der gebundenen Waren Handelsspannen vereinbart werden, die durch die Marktverhältnisse, insbesondere im Vergleich zu Handelsspannen für gleichartige, nicht gebundene Waren, nicht gerechtfertigt sind.
Ich darf daran erinnern verehrter Herr Kuribaum, daß der Vertreter .des Bundeswirtschaftsministeriums -in den Ausschußberatungen erklärt hat, bei einer Nachprüfung sei festgestellt worden, daß die Handelsspannen bei preisgebundenen Waren zum Teil niedriger gewesen seien als bei den nicht preisgebundenen Waren. Eine Verallgemeinerung in dem Sinne, daß bei Preisbindung zweiter Hand die Preise in jedem Falle hochgehalten oder erhöht würden, ist nicht möglich. Diesen Nachweis, verehrter Herr Kurlbaum, können Sie, glaube ich, wirklich nicht antreten.
Wir halben in Deutschland seit Jahrzehnten diese Preisbindung zweiter Hand. Wir haben sie nicht etwa in Zeiten der Bewirtschaftung, sondern in Zeiten der vollkommen freien Wirtschaft eingeführt. Ich glaube, daß sie bisher auch den Bedürfnissen der Verbraucher entsprochen hat. Der Verbraucher steht heute durchaus nicht schlechthin auf dem Standpunkt, .daß die Preisbindung zweiter Hand beseitigt werden müsse, weil sie für ihn das Produkt verteuere. Vielmehr wird 'auch vielfach anerkannt, daß damit die Versorgung der Verbraucher am besten gewährleistet ist. Vergessen Sie doch nicht, meine Damen und Herren, daß die Firmen in einem echten Preiswettbewerb untereinander stehen.
In die Formulierung des § 11, die Ihnen jetzt zur Annahme vorliegt, haben wir mit Zustimmung aller Fraktionen die notwendigen Bedingungen eingebaut, die überhaupt eine Einschränkung des Markenartikels zur Folge hat. Ich weiß — und da gebe ich Ihnen recht, verehrter Herr Kurlbaum —, daß angesichts der Existenz des § 1, des Verbots von Kartellen, natürlich hier und da versucht werden wird, auf den § 11 auszuweichen, um über diese Preisbindung zweiter Hand das zu erreichen, was man wegen § 1 nicht mehr erreichen kann. Ich glaube aber, daß wir bei der Formulierung des § 11 das Menschenmögliche getan haben, um das ebenso zu verhindern wie die Kombination zwischen Markenartikel, Preisbindung zweiter Hand und Rabattkartell. Meine Damen. und Herren, auch mir persönlich ist es ein echtes Anliegen, daß diese letztere Kombination unter keinen Umständen stattfinden soll. Deswegen habe ich auch dem § 1 b in der vorliegenden Form nicht zugestimmt. Aber es kommt doch im wesentlichen darauf an, wie das vorliegende Gesetz, wenn es akzeptiert worden ist, von der Kartellbehörde gehandhabt wird und wer die Kartellbehörde leitet. Ich bin der Meinung, daß dort ein Mann hingehört, icier hundertprozentig auf dem Boden der freien, sozial verpflichteten Marktwirtschaft steht und der lalle Entscheidungen von diesem Gesichtspunkt aus treffen wind.
Dabei ist natürlich noch ein anderes Problem zu sehen. Ich habe in den Ausschußberatungen sehr deutlich gesagt: wenn ein Artikel mit Preisbindung zweiter Hand, mit einem festgebundenen Endverbraucherpreis verkauft wird, dann übt das natürlich einen gewissen Druck .auf verschiedene Kaufleute aus, die sehr gern mit einem solchen Artikel, der beim Verbraucher bekannt ist, handeln. Der Verbraucher kennt den Preis genau, weil dieser überall gleich ist, und dann verkauft man diesen einen Artikel zum Einkaufspreis oder mit einigen Prozent Aufschlag, um damit beim Verbraucher den Eindruck zu erwecken, als ob, allgemein gesehen, das Preisniveau in dem betreffenden Geschäft einen niedrigen Stand hätte. Hier handelt es sich tatsächlich um ein echtes Anliegen des Mittelstandes, denn der mittelständische Unternehmer, dessen Sortiment zu einem großen Teil aus solchen Artikeln besteht, kann das natürlich nicht. Er kann das gesamte Sortiment wirklich nicht so billig verkaufen. Aber ein einzelner Kaufmann, der einen großen Umsatz hat, kann natürlich einen solchen Artikel zum Einkaufspreis ins Fenster stellen und ,damit beim Verbraucher den Eindruck eines niedrigen Preisniveaus erwecken. Ich sauge mir das nicht aus .den Fingern; ich könnte Ihnen dafür eine Reihe von Beweisen aus 'den letzten Jahren bringen.
Sie haben, verehrter Herr Kurlbaum, von dem kanadischen Bericht gesprochen. Sie haben bemängelt, daß dieser kanadische Bericht im Wirtschaftspolitischen Ausschuß nicht mehr genügend diskutiert worden sei.
Sie wissen aber genauso wie wir alle, daß wir diesen Bericht erst verhältnismäßig spät zu Gesicht bekommen haben und gar keine Möglichkeit mehr hatten, ihn eingehend zu studieren. Aber nun muß ich Sie eins fragen, verehrter Herr Kurlbaum: Wollen Sie deshalb das Gesetz bis zum nächsten Bundestag zurückstellen, oder ist es nicht besser, den Bericht nachträglich zur Kenntnis zu nehmen und dieses Gesetz erst einmal anlaufen zu lassen? Heute morgen ist gesagt worden: Wir haben Novellen gemacht. Alle großen Gesetzeswerke haben Novellen erfordert. Und auch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird zu seiner Zeit Novellen erfordern. Wir haben dann immer die Möglichkeit, die Erfahrungen in dem kanadischen Bericht oder Schweizer oder englischen Bericht und wie sie all e heißen, zu studieren und sie dann nutzbar zu machen. Ich glaube jedenfalls, daß wir in diesem Zeitpunkt keinen Grund haben, die Preisbindung zweiter Hand abzulehnen. Sie, verehrter Herr Kollege Kurlbaum, möchten die Preisbindung zweiter Hand fallenlassen und sie in die Möglichkeit der Preisempfehlungen umwandeln. Ja, das hat wirklich keinen Zweck, dann besser ersatzlose Streichung des § 11; denn ,das, was ich soeben als Möglichkeit des Mißbrauchs herausgestellt habe, können Sie dadurch unter gar keinen Umständen unterbinden. Wir kommen dann zu einer Inflation von Markenartikeln. Sie wissen genau, Herr Kurlbaum — und Herr Dr. Schöne, Sie werden mir recht geben müssen —, daß eine der Hauptbemühungen im Ausschuß der Frage gegolten hat: Wie können wir eine Inflation von Markenartikeln verhindern? Was können wir noch einbauen, um diesen unter Umständen unerträglichen Drang zur Preisbindung zweiter Hand einzudämmen? Ich glaube, wir haben Idas in sehr weitgehendem Maße getan und haben diese Dinge ausgestanden.
Ich glaube die wesentlichsten Dinge gesagt zu haben. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen,
daß der Wirtschaftspolitische Ausschuß gerade die Frage der Preisbindung zweiter Hand sehr, sehr eingehend diskutiert hat und daß alle Fraktionen und alle Meinungen sehr ausgiebig zum Wort gekommen sind, mit Ausnahme des kanadischen Berichts — das habe ich eben gesagt —; das müssen wir eben einmal nachholen.
Ich wäre dankbar, wenn Sie den Änderungsantrag der Fraktion der SPD ablehnten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Professor Baade.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist soeben eine gewisse Unzufriedenheit über die Tatsache geäußert worden, daß hier nur von den Herren der vorderen Bänke diskutiert wird, d. h. von den Mitgliedern der Ausschüsse, die diese Fragen monatelang untereinander ausdiskutiert haben, und daß diese Kollegen hier, ich möchte beinahe sagen, in einer Geheimsprache sprechen, die sie sich im Laufe der Beratungen angewöhnt haben.
Ich habe das Gefühl, daß es doch vielleicht der Sache dienen könnte, wenn einmal Lieschen Müller hier zu Worte kommt.
— Nein, Herr Kollege, Lieschen Müller bin ich vielleicht nicht, aber ich bin jemand, der mit diesen Dingen in diesem Hause offiziell nichts zu tun gehabt hat. Aber ich habe mich im Laufe meines Lebens immer bemüht, den Studenten komplizierte volkswirtschaftliche Zusammenhänge möglichst gemeinverständlich vorzutragen. Ich habe die Ehre gehabt, im Laufe meines Lebens neun Wirtschaftsminister in verschiedenen Kontinenten zu beraten. Dabei gewöhnt man sich nämlich eine recht vereinfachte und leicht verständliche Sprache an. — Ich bitte den anwesenden Wirtschaftsminister um Entschuldigung für diese Feststellung.
Worum handelt es sich hier eigentlich? Es handelt sich um die Abstellung eines der schlimmsten Mißbräuche, die es heute im System der Preisbildung in Westdeutschland gibt, um die Beseitigung eines der schlimmsten Kartellmißbräuche. Dieser besteht darin, daß die Herstellerfirmen — einzeln oder auch in mehr oder weniger verabredeter Zusammenarbeit — denjenigen, die ihre Produkte weiterverkaufen, die Preise vorschreiben, zu denen sie weiterverkaufen müssen. Dabei kommen dann Preise heraus, die weit über denen liegen, die sich bei freier Konkurrenz herausbilden würden.
Der Bereich der deutschen Wirtschaft, der von dieser Pest bisher infiziert ist, ist weit. Er reicht von der Schokolade bis zum Auto. Er umfaßt Gegenstände des täglichen und kurzfristigen Bedarfs wie Schokolade, Kathreiners Malzkaffee, Schönheitspflegemittel; er umfaßt insbesondere die außerordentlich wichtigen und von Jahr zu Jahr wichtiger werdenden Gegenstände des langfristigen Bedarfs wie Radioapparate, Fotoapparate, Uhrenarmbänder, Fernsehapparate und Kühlschränke. Es gibt keinen Zweifel daran, daß die Preise dieser Produkte, die der Verbraucher bezahlen muß, weit überhöht sind, und zwar wegen dieser Preisbindungen.
— Jawohl, den Beweis möchte ich für das Produkt antreten, von dem Sie selber gesprochen haben: für die Kühlschränke. Hier hat die Hamburger Konsumgenossenschaft „Produktion" und der Zentralverband Deutscher Konsumvereine vor einiger Zeit einen sehr erfreulichen Einbruch in das monopolistisch überhöhte Preisniveau erzielt. Der Siemens-100-Liter-Kompressor-Kühlschrank wurde vor dieser Aktion für 582 DM verkauft, d. h. er mußte so teuer verkauft werden, weil den Weiterverkäufern dieser Preis vorgeschrieben war. Der einzelne Großhändler und der einzelne Kleinhändler konnten sich dem nicht widersetzen, denn sie hätten sich dann einer Liefersperre seitens der Herstellerfirma ausgesetzt.
Nur ein sehr großer Einzelhändler konnte den Widerstand wagen. Dieser Einzelhändler, der es gewagt hat, ist ein stattlicher Einzelhändler, denn im Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e. V. sind fast neuntausend Verkaufsläden zusammengeschlossen, und dieser Zentralverband hat immerhin im letzten Jahr die Kleinigkeit von 2,4 Milliarden DM Umsätze erzielt. Ein solcher Zusammenschluß von Verkaufsläden ist ein Machtfaktor im Wirtschaftsleben. Er konnte es wagen, dieses Netz der monopolistischen Absprachen auf dem Gebiet der Preisbindung der zweiten Hand zu zerreißen. Er hat es sehr wirksam zerrissen und den Preis für den letzten Verbraucher von 582 DM auf 398 DM gesenkt. Das heißt, Lieschen Müller, die Hausfrau, spart, wenn sie ihren Kühlschrank bei der „Produktion" kauft, bare 184 DM. Herr Kollege, glauben Sie wirklich, daß die Hausfrauen, die den Kühlschrank für diesen Preis kaufen und jetzt eine überwältigend große Nachfrage danach entfalten, sich von . dem bißchen Sonne haben beeinflussen lassen oder von dem Preisunterschied von 184 DM? Ich glaube, das durchschlagende Argument sind die 184 DM.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
Bitte, gern.
Herr Professor, Sie sagten dieser 100-1-Siemens-Kühlschrank sei für 582 DM verkauft worden, die Konsumgenossenschaften hätten ihn nunmehr für 398 DM verkauft. Darf ich fragen, was dieser Kühlschrank im Einkauf kostet? Das werden Sie ja auch wissen.
Der Kühlschrank konnte von der „Produktion" so billig verkauft werden, weil sie sich unter Ausnützung der Prinzipien der freien Konkurrenz, für die Sie hier eintreten, als Großabnehmer von der Herstellerfirma einen Treue- und Mengenrabatt von 40 % verschafft hatte.
Eine Zusatzfrage! Dr. Baade .: Bitte schön.
Herr Professor Baade, nur damit kein Irrtum entsteht: Sie sagen, dieser 100-1-
Siemens-Kühlschrank, der 582 DM gekostet hat, ist von den Konsumgenossenschaften für 398 DM verkauft worden. Wollen Sie damit sagen, daß die Konsumgenossenschaften einen neuen, billigeren Einkaufspreis bekommen haben, um zu diesem Preis verkaufen zu können, oder ist der Einkaufspreis in beiden Fällen der gleiche gewesen?
Herr Kollege, die Konsumvereine haben das gemacht, was die CDU und ihr Minister Erhard als gute deutsche Wirtschaftspolitik empfehlen, nämlich Konkurrenzwirtschaft.
Sie haben nach beiden Seitenerfolgreich verhandelt. Sie haben dem Fabrikanten gesagt: Wenn du mir einen hohen Rabatt gibst, dann nehme ich dir große Quantitäten ab und erobere dir einen Markt, in den du bisher nicht hineingekommen bist. — Sie haben den Verbrauchern gesagt: Ihr könnt von uns den Kühlschrank kaufen mit einer Anzahlung von 50 DM und mit Abzahlungsraten, die nicht mehr betragen als den Gegenwert von 6 Zigaretten täglich. — Das ist das, was Sie, Herr Minister Erhard, der Wirtschaft als Wirtschaftsprinzip empfehlen — und ich stimme Ihnen dabei herzlich zu —, nämlich das Ausspielen der freien Konkurrenz nach beiden Seiten, gegenüber dem, der verkaufen will, und gegenüber dem, der kaufen möchte und kaufen soll. Dieses Vorgehen hatte einen großen Erfolg, nicht nur für die „Produktion" und die anderen Konsumvereine, sondern für den ganzen Bereich des Verkaufs von Kühlschränken. Denn bei diesem mutigen Vorgehen der Konsumvereine konnte man nicht wie sonst einem armen Einzelhändler einen Brief schreiben: „Wir sperren Ihnen die Lieferungen", sondern da mußten die konkurrierenden Firmen auch mit dem Preis heruntergehen.
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Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Kollege?
Bitte schön.
Herr Professor Baade, würden Sie es als richtig ansehen, daß durch die Zusammenfassung von Nachfrage, nämlich mehrerer tausend Einzelhandelsgeschäfte, wie Sie vorhin gesagt haben, hier erst eine Macht am Markt gebildet wird, mit der dann der Lieferant unter Rabattdruck gesetzt werden kann?
Würden Sie nicht .gerade auch das ais eine Machtbildung ansehen, die in bestimmten Grenzen .gehalten werden muß?
Herr Kollege Hellwig, ich bin Ihnen für diese Frage ungemein dankbar. Wenn Sie einmal mit den maßgebenden Herren von Siemens darüber sprechen, fragen Sie sie doch, ob sie sich durch diese Aktion der Konsumvereine ausgebeutet fühlen.
— In diesem Fall ist gar kein Zweifel, daß hiermit nicht nur den Interessen von Siemens, sondern auch — lassen Sie mich ein großes Wort gebrauchen —der ganzen elektrotechnischen Industrie in Deutschland gedient worden ist, indem ein tief eingefressener Mißstand endlich einmal beseitigt und eine Möglichkeit geschaffen worden ist, für einen Gegenstand des Massenkonsums, der in den nächsten Jahren ungeheure Absatzchancen hat, bei vernünftigen Preisen schlagartig Käuferkreise zu erschließen, an die man bisher mit den gebundenen hohen Preisen nicht herankommen konnte.
Wenn Sie, Herr Kollege Hellwig, die Frage in dieser allgemeinen Form stellen, so darf ich Ihnen sagen: ich habe mich auf meine Tätigkeit in Deutschland nach zwölf Jahren Tätigkeit in der Türkei dadurch vorbereitet, daß ich von meinem in der Türkei ersparten Geld zwei Jahre in Amerika gelebt habe, um die amerikanische Politik und insbesondere die amerikanische Wirtschaftspolitik an der Quelle zu studieren. In Amerika würde Sie doch jeder Mensch, jeder Journalist, jeder Wirtschaftler und jeder Politiker auslachen, wenn Sie die Behauptung aufstellten, daß die freie Konkurrenzwirtschaft dadurch bedroht wird, daß man die Preisbindung der zweiten Hand verbietet. In Amerika ist diese Preisbindung schon lange verboten.
Das ist doch die Wahrheit über diese Dinge.
Damit komme ich zum Schluß. Wir sind sehr enttäuscht, verehrter Herr Minister Erhard, daß Sie sich an der vorigen Abstimmung nicht in Ihrer Eigenschaft als Abgeordneter dort unten beteiligt I haben. Wir wissen, daß in dieser sehr entscheidenden Frage starke Meinungsverschiedenheiten innerhalb Ihrer Fraktion vorhanden sind. Wir fühlen uns herzlich verbunden mit denjenigen Ihrer Kollegen, die aus wirklich tiefer Kenntnis der Materie und einem hohen Maß von Idealismus in dieser Frage gegenüber den Interessenten immer wieder die Gesamtinteressen der deutschen Volkswirtschaft vertreten haben. Wir möchten Sie bei dieser Abstimmung gern als Abgeordneten sehen, damit Sie hier zeigen können, ob Sie für oder gegen die Erhard-Politik sind. Sonst müßte im deutschen Volk der Eindruck entstehen, als ob für das, was in allen Wahlen bisher als Erhard-Politik gepriesen wurde und was auch in der kommenden Wahl dem Volk als Erhard-Politik verkauft werden soll, nämlich die freie Konkurrenz, sich praktisch wieder nur die Sozialdemokraten und die Konsumvereine einsetzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Illerhaus, Sie haben vorhin meine Behauptungen angezweifelt, daß sich der Ausschuß nach Abschluß der Beratungen im Unterausschuß für Markenartikel nicht mehr eingehend mit der Frage befaßt hat. Ich habe mir inzwischen die Protokolle geben lassen und kann nur folgendes feststellen. Nachdem der Unterausschuß „Markenartikel" im Sommer vorigen Jahres seine Beratungen abgeschlossen hatte, hat der Hauptausschuß für Wirtschaftspolitik nur ein einziges
Mal, im Februar dieses Jahres, die Preisbindung der zweiten Hand behandelt. Da hat Herr Dr. Günther vom Bundeswirtschaftsministerium einen Bericht gegeben, dann habe ich gesprochen und versucht, die Diskussion in Gang zu bringen, und Ihre Kollegen haben eine weitere Diskussion darüber abgelehnt. So war die Behandlung im Ausschuß für Wirtschaftspolitik, die aktenkundig festliegt.
Nun zur Frage des Beweises von überhöhten Handelsspannen. Herr Illerhaus, Sie wissen genausogut wie ich, daß hier eine Verallgemeinerung überhaupt nicht am Platze ist. Ich habe auch gar nicht die verallgemeinernde Behauptung aufgestellt, daß bei allen preisgebundenen Markenartikeln die Spannen überhöht seien. Das ist durchaus nicht der Fall. Es gibt zwei charakteristische Musterfälle, die zeigen, wie sich idas abspielt. Bei der Preisbindung der zweiten Hand gibt es den charakteristischen Fall eines mächtigen Herstellers, der dem Verbraucher durch eine riesige Werbung seinen Artikel praktisch aufzwingt. Dieser marktbeherrschende Hersteller kann sogar dem Handel eine unterdurchschnittliche Spanne aufzwingen. Das wissen Sie genausogut wie ich. Aber damit ist noch lange nicht bewiesen, daß im Falle der Marktbeherrschung durch den Markenartikelhersteller der Endverbraucherpreis und die Gewinnspanne des Herstellers nicht weit überhöht sind.
Dann gibt es den anderen charakteristischen Fall, wo der Markenartikelhersteller sich einem Käufermarkt gegenüberbefindet, wo er mit anderen Markenartikelherstellern derselben Branche konkurrieren muß. Da kommt es zu überhöhten Handelsspannen. Die Beispiele für überhöhte Handelsspannen, die ich vorhin gebracht habe, stammen aus diesen Bereichen. Sie werden mir wohl zugeben, daß Handelsspannen, wie ich sie genannt habe — z. B. 53 % bei Waschmaschinen —, als überhöht anzusehen sind.
Sie können einer Feststellung nicht widersprechen, Herr Illerhaus: Wenn das Kartellgesetz in der von Ihnen vorgelegten Fassung heute schon in Kraft wäre, wäre der Vorgang bei den Kühlschränken, der einen allgemeinen Enthusiasmus bei den Verbrauchern hervorgerufen hat, einfach unmöglich gewesen, er wäre verhindert worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, es ist bei dieser Hitze sehr angenehm, wenn man so ausführlich von Kühlschränken hört.
Wir werden wohl noch öfter davon hören. Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin weder direkt noch indirekt an Kühlschränken interessiert noch bin ich ein Vertreter der Konsumgenossenschaften oder einer anderen Stelle.
Herr Kollege Illerhaus, Ihre Rede hätte großen Eindruck gemacht im Reichstag des Jahres 1914. Inzwischen ist die Zeit aber vorangeschritten.
Ich gebe zu, das Problem der Preisbindung der zweiten Hand ist etwas kompliziert, unid man muß schon selber mit dem Markenartikelmarkt zu tun haben, um die Dinge voll verstehen zu können. Es besteht gar kein Zweifel, daß bezüglich der hier zu behandelnden Frage ein großer Unterschied besteht, ob es sich um ein Auto oder eine Packung Persil handelt. Beides sind Markenartikel, aber der Markt ist jeweils ein völlig anderer. Es ist also wenig zweckmäßig, die Dinge so global zu sehen.
Herr Illerhaus, es unterliegt keinem Zweifel, daß der Markenartikel ein Kind der gesteigerten Technik ist. Daher war die Frage bis 1914 noch nicht so aktuell. Im Laufe der weiteren Entwicklung ist der Markenartikel marktbeherrschend geworden, und er wird es bleiben.
Um den Markenartikel zu forcieren, Herr Illerhaus, um ihm seine 'Stellung auf dem Markt zu verschaffen, war die Preisbindung der zweiten Hand notwendig, — bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Heute ist sie nicht mehr notwendig, sondern für den Markenartikel selber schädlich. Sie sehen es aus folgendem. Es gibt nicht nur den Druck der Hersteller auf der Preisseite, es gibt auch einen sehr starken Einfluß auf der Verteilungs- und Verbraucherseite. Wenn Sie vor Ihren Ausführungen einmal den Markt sehr genau studiert hätten, wüßten Sie, daß heute ein Großteil der verteilenden Wirtschaft aus der Preisbindung der zweiten Hand ausweicht. Ich darf Sie nur fragen: haben Sie schon einmal etwas von Versandgeschäften gehört, haben Sie schon einmal von Warenhäusern etwas gehört, haben Sie, Herr Dr. Hellwig, schon einmal etwas von Filialgeschäften mit Hunderten von Einzelhandelsgeschäften gehört? Die gibt es ja! Das alles stellt ein Ausweichen aus der Preisbindung der zweiten Hand dar.
— Lassen Sie mich erst einmal zu Ende reden; dann können wir uns darüber unterhalten.
Es geht bei der Preisbindung der zweiten Hand nicht nur um die Festlegung der Preise gegenüber dem Endverbraucher unid all das, was hier vorgetragen worden ist; es geht vor .allem auch um die unerträglichen Verhältnisse, die durch den Kontrahierungszwang entstehen. Da liegt heute das Entscheidende. Ich sage Ihnen: mit dem Kontrahierungszwang werden Sie die Entwicklung des Markenartikels nicht fördern, Sie werden sie schädigen, weil immer mehr sich dem Kontrahierungszwang zu entziehen versuchen unid sich entziehen werden.
Deswegen verstehe ich nicht, weshalb das Hohe Haus sich so sehr für die Preisbindung der zweiten Hand einsetzt. „Bindung" ist Überhaupt kein schönes Wort in diesem Zusammenhang. Setzen wir uns doch, Herr Illerhaus, ganz konsequent für die Preisempfehlung gegenüber der zweiten Hand ein, dann haben wir die Möglichkeit der Preisliste, dann haben wir die Möglichkeit des Endverbraucherpreises, aber wir haben nicht die Bindung, die durch den unerträglichen Kontrahierungszwang charakterisiert wird. Wir dienen damit sowohl dem Hersteller, dem Verteiler wie dem Verbraucher und sind elastisch genug, der modernen Entwicklung des Markenartikels Rechnung zu tragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war vorhin einigermaßen erstaunt, als ich vom Kollegen Illerhaus die Frage hören mußte, ob denn nicht der Preisabstieg bei den Kühlschränken auf die verstärkte Nachfrage infolge dieses sommerlichen Wetters zurückzuführen sei. Ich hoffe, man weiß immer noch, daß der Kühlschrank kein Ver-, sondern ein Gebrauchsgut ist, und ich hoffe außerdem, daß nicht die Hitze diese Frage ausgelöst hat.
Aber nun, Herr Illerhaus, ein anderes. Herr Kollege Stegner hat mit Recht auf bestimmte Zusammenhänge von Markenartikel, Preisbindung und Vertriebsformen hingewiesen. Professor Baade hat auch schon einiges in dieser Richtung angedeutet. Ich möchte diese ganze Preisbindung der zweiten Hand jetzt noch einmal von einer anderen Seite beleuchten. Preisbindung der zweiten Hand steht nicht umsonst in Zusammenhang mit den Vertikalverträgen, also den individuellen Verträgen, die die Bindung einer nachgeordneten Stufe erfassen. Sie nehmen für sich immer in Anspruch — und das haben Sie auch vorhin getan —, im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen Ihre Politik zu betreiben. Sie nennen das Mittelstandspolitik. Wir würden vielleicht sagen: Mittelschichtenpolitik.
Was wir wollen, auch an dieser Stelle, auch im Zusammenhang mit dem Problem der Preisbindung der zweiten Hand, ist, daß der einzelne am Marktgeschehen Beteiligte zuerst einmal nach seinen eigenen betrieblichen Voraussetzungen festzustellen versucht, welchen Preis er braucht. Mein Freund Kurlbaum hat vorhin gesagt, daß der kleine oder mittlere Betrieb der Absatzwirtschaft, der im Preise gebunden wird, dadurch nicht nur begünstigt, sondern auch benachteiligt werden kann hinsichtlich der Spanne, auch hinsichtlich seiner Kostengrundlage. Man sollte, wenn man überhaupt gleichwertige oder gleichartige Wettbewerbsvoraussetzungen und gleichartige Startbedingungen für alle am Marktgeschehen Beteiligten will, dem einzelnen nicht nur das Recht zugestehen, nach den Voraussetzungen seines eigenen Betriebes, also nach seiner eigenen Kostengrundlage den Preis am Markte zu fordern, den er glaubt fordern zu können. Man sollte ihn insoweit auch davor schützen, daß er durch andere .gezwungen wird, etwas zu tun, was er in seinem eigenen Interesse nicht zu tun brauchte oder nicht tun würde und wobei er unter Umständen auch noch wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen hat.
Wenn Sie aber die Preisbindung der zweiten Hand als eine mehr oder minder bequeme Sicherung der Lebensgrundlage eines kleinen oder mittleren Unternehmens wollen, dann erweisen Sie den kleinen und mittleren Selbständigen den allerschlechtesten Dienst, den Sie ihnen überhaupt erweisen können. Denn im Ernstfall sind diese Leute dann einfach nicht mehr imstande, zu rechnen und zu kalkulieren. Ich glaube, auch von hier muß man die Sache einmal sehen. Ich habe leider bei all Ihren Überlegungen, die äußerlich unter der Marke stehen: „Die kleinen und mittleren Betriebe müssen gleichartige Voraussetzungen erhalten", den Eindruck, daß Sie weniger an die gleichartigen Voraussetzungen der Betätigung im Hinblick auf den freien Entschluß des einzelnen 'denken, sondern vielmehr einem Schutzdenken verfallen sind, das mehr oder weniger Naturschutzparks in einem ganz bestimmten Umfang errichten will.
Im Zusammenhang mit der Preisbindung der zweiten Hand und dem Rabattkartell, das Sie vorhin ausdrücklich wieder zugelassen haben, bringen Sie die kleinen und mittleren Unternehmen in eine solche Abhängigkeit von den großen, die auf Grund ihrer Stellung am Markt die Preise binden wollen und auch binden können, daß Sie genau das Gegenteil von dem erreichen, was Sie erreichen wollen. Sie bringen sie in völlige Abhängigkeit, und Sie nehmen ihnen ihre freie eigene Entscheidung,
die sie nach ihren Erfahrungen, nach ihren Kennt, nissen im Grunde genommen nach der jeweils gegebenen Marktsituation treffen würden. Diese Entscheidung ist den preisgebundenen Beteiligten am Markt restlos genommen.
Deshalb also die Ablehnung dieser Preisbindung, die Umwandlung in die unverbindliche Empfehlung; denn dann bestehen im Hinblick auf die unverbindliche Empfehlung genügend Möglichkeiten, auch dafür zu sorgen, daß der Grundsatz der freien Entscheidung des einzelnen uneingeschränkt aufrechterhalten wird. Dann hat auch die Kartellbehörde entsprechende Möglichkeiten. Ich bitte also, insoweit dem Antrag der Fraktion der SPD zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Illerhaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich gezwungen, erst einmal eine Sache vollkommen klar- und richtig-zustellen, und zwar trotz der Hitze das Problem der Kühlschränke.
Die Situation ist so gewesen — davon habe ich bei den Konsumgenossenschaften und in unserem eigenen Kollegenkreis noch gar nichts gehört —: Wir hatten eine sehr große Produktion in Kühlschränken und keinen entsprechenden Absatz.
— Einen Augenblick! — Dann sind einige Kaufleute, um sich von den hohen Beständen zu trennen, bereits dazu übergegangen, die Kühlschränke zum Teil unter Preis zu verkaufen, und zwar ohne Verdienst, um ihr Kapital flüssig zu machen. Die Konsumgenossenschaften haben zu dieser Zeit mit der Firma 'Siemens & Halske verhandelt, sie haben auf Grund dieser 'Situation einen sehr hohen Rabatt erreicht und diesen Abschluß getätigt. Und dann trat etwas ein, was keiner geahnt hatte, nämlich die kolossale Nachfrage durch den Wetterumschlag, durch die Hitze.
Glauben Sie, meine Damen und Herren, die Firma Siemens & Halske hätte heute oder in der vorigen Woche den Konsumgenossenschaften diesen Rabatt eingeräumt? Keinesfalls! Glauben Sie, die Kollegen aus dem Einzelhandel hätten ihre Kühl-
schränke unter Preis verkauft, wenn sie gewußt hätten, daß diese Absatzmöglichkeit kommen würde? Das ist die Wahrheit. Hier wird aber die Sache so dargestellt, als habe der Kühlschrank, der für 582 DM verkauft worden ist, auch bei 398 DM noch einen Gewinn abgeworfen. Es muß eindeutig festgestellt werden, daß dem Verkaufspreis von 398 DM ein ganz anderer Einkaufspreis zugrunde lag als dem von 582 DM.
Herr Professor Baade sprach davon, daß die Konsumgenossenschaften durch ihr Potential dazu in der Lage gewesen wären, diesen hohen Rabattsatz bei der Firma Siemens & Halske herauszuholen. Ja, wenn auf der einen Seite die Produktion das marktbeherrschende Monopol hat und auf der anderen Seite die Marktbeherrschung durch die großen Konzerne und Unternehmungen besteht, dann geht allerdings der Mittelstand dazwischen kaputt.
Darüber gibt es keinen Zweifel.
Verehrter Herr Lange, Sie sagen, der Einzelhandel könne, wenn er die Markenartikel beibehalte, nicht kalkulieren; er würde also einfach alles das nicht durchführen können. Verehrter Herr Lange, der Anteil der Markenartikel am Gesamtsortiment eines Kaufmanns `beträgt allenfalls 20 %. Für die 80 % muß 'er schon seine unternehmerischen Qualitäten spielen lassen.
Herr Stegner, Sie haben es sich sehr billig gemacht. Ich hätte es lieber gesehen, wenn Sie im Wirtschaftspolitischen Ausschuß mitgearbeitet und das dort vorgetragen hätten und nicht hier oben so täten, als ob Sie allein den Markt ,beobachten könnten und kein anderer.
Verehrter Herr Kollege Kurlbaum, ich muß auch noch einmal darüber sprechen, in welchem Ausmaß wir uns über ,die Preisbindung der zweiten Hand unterhalten haben. Wir haben zuerst eine Generalaussprache gehabt. Wir haben dann die Einzelaussprache gehabt. Wir haben im Ausschuß abgestimmt, und dabei ist die Preisbindung der zweiten Hand mit 16 gegen 15 Stimmen gefallen. Dann ist der Unterausschuß gebildet worden, der noch und noch getagt hat. Dann ist ein Beschluß gefaßt worden, der dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß vorgetragen worden ist. Meine Damen und Herren, mehr als das, was wir getan haben, kann man wirklich nicht zumuten.
Nun ein letztes Wort. Verehrter Herr Lange, Sie sprachen von der Verkehrsgeltung. Selbstverständlich gibt es Unterschiede. Der eine Produzent von Markenartikeln, der finanziell stark ist, verschafft seinem Artikel Verkehrsgeltung durch den Betrag, den er in die Werbung steckt. Insofern hat der Einzelhandel keine erhöhten Werbungskosten mehr aufzubringen, er kommt also mit einer kleineren Spanne aus. Der andere, der dieses Kapital nicht zur Verfügung hat, muß seinem Artikel ebenfalls 'Geltung verschaffen. Er bietet eben dem Einzelhändler eine höhere Handelsspanne. Aber, verehrter Herr Kurlbaum, wir sind doch din Käufermarkt, und der Händler muß sich mit seinem Produkt bewähren. 'Glauben Sie, ein Verbraucher würde darauf hereinfallen, daß hier ein preisüberhöhtes Stück angeboten wird, wenn er es woanders billiger bekommt? Das ist wirklich nicht stichhaltig.
Wir sollten daher den Antrag der SPD ablehnen und es bei der Ausschußfassung belassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dias Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Antragstellern wird hier dauernd so diskutiert, als ob diejenigen, die den Beschluß des Ausschusses herbeigeführt haben
— es ist ja ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß dieser Beschluß auf das einmütige Ergebnis einer Unterkommission zurückgeht —, damit bestimmte Mißbräuche legalisieren wollten. Genau das wird nicht beabsichtigt, Herr Professor Baade.
— Dann empfehle ich Ihnen, einmal den Gesetzentwurf zu lesen. Glauben Sie wirklich, daß Unternehmen, die mit dieser Möglichkeit Mißbrauch treiben wollen, sich dem schwierigen Verfahren aussetzen, wonach sie die Preisbindung, die sie beabsichtigen, bei der Kartellbehörde zu ihrer Wirksamkeit anzumelden haben und wonach sie bei der Anmeldung vollständige Angaben über alle vom Hersteller oder Händler den nachfolgenden Stufen berechneten Abgabepreise sowie über die Handelsspannen zu machen haben? Wer in Zukunft nach diesem Gesetz die Preisbindung der zweiten Hand in Anspruch nehmen will, muß der Kartellbehörde die Preise einschließlich aller Spannen offenlegen.
Das ist der enorme Vorzug, den diese Formulierung vor der Formulierung hat, die die SPD und der GB/BHE vorschlagen, nämlich die Preisbindung in Form einer unverbindlichen Preisempfehlung zuzulassen. Die Preisempfehlung bringt der Kartellbehörde keinen Einblick in die Preis- und Handelsspannensituation bei den Markenartikeln. Weil wir aber wollen, daß die Kartellbehörde den Einblick in die Preis- und Handelsspannensituation bei Markenartikeln bekommt, kann ich Sie nur bitten, dem Ausschußbeschluß zuzustimmen.
Sehen Sie sich bitte den § 12 Abs. 1 Nr. 3 an! Danach hat die Kartellbehörde die Preisbindung dann zu verbieten, wenn sie feststellt, daß die Preisbindung oder ihre Verbindung mit anderen Wettbewerbsbeschränkungen — aber auch schon die Preisbindung für sich allein — zu ungerechtfertigter Preiserhöhung, Verteuerung oder zur Verhinderung von Preissenkungen führt. Aus diesem § 12 mit dem Eingreifen der Kartellbehörde in Verbindung mit der Pflicht zur Anmeldung, bei der Preise und Handelsspannen nachgewiesen werden müssen, ergibt sich zwingend, daß die Kartellbehörde bei einer Überhöhung von Handelsspannen, die durch die Anmeldung offenkundig wird, eingreift. Das ist der Weg, auf dem wir diesem sehr komplexen Problem mit seinen Mißbrauchsmöglichkeiten endlich auf den Leib rücken wollen.
Ich halte die Empfehlung nicht für einen Schritt, der uns weiterbringt. Ich halte die Aufrechterhaltung des jetzigen Zustands, der kein Rechtszustand, sondern ein Zustand der Rechtsunsicherheit ist, auf dessen Boden eine Menge von Mißbräuchen gedeihen kann, einfach nicht für gerechtfertigt. Ich glaube, jetzt werden klare Rechtsverhältnisse geschaffen, und andererseits wird der Kartellbehörde die Möglichkeit gegeben, an Mißstände mit überhöhten Spannen heranzukommen. Wenn dann weitere Erfahrungen des In- und Auslandes vorliegen, kann man sich nochmals darüber unterhalten.
Ich bin jedoch überzeugt davon, daß von dieser Anmeldemöglichkeit weit weniger Gebrauch für die Preisbindung gemacht wird, als bisher erwartet wird. Sehen Sie sich das Beispiel Österreich an! — Diese Erfahrung wird seltener gebracht; man empfiehlt uns immer Amerika und Kanada. Österreich liegt uns ein bißchen näher. — In Österreich ist auch unter der Voraussetzung eines solchen Anmeldeverfahrens die Preisbindung der zweiten Hand zugelassen worden. Was war die Folge? Die Zahl der Anmeldungen ist ganz minimal gewesen. Die Wirtschaft selbst hat von diesem Instrument nur noch in ganz wenigen Fällen Gebrauch gemacht. Lassen doch auch wir diesen Weg sich einmal entwickeln, und dafür gilt die Formulierung, die der Ausschuß gebracht hat.
Nun zu dem Thema Kühlschränke! Meine Damen und Herren, wer die letzten Hausratsmessen schon vor einem Jahr oder vor drei Vierteljahren besucht hat, der wußte, daß der Preiseinbruch auf dem Kühlschrankmarkt als Folge der noch immer wachsenden Kapazität und Zahl von Anbietern und Fabrikanten irgendwann kommen mußte. Aber daß dieser Preiseinbruch nicht mit dem Preis, sondern nur mit einem durch eine Marktmacht erkämpften Sonderrabatt gekommen ist, stimmt uns nachdenklich.
Herr Professor Baade, wir sind Ihnen dankbar, daß Sie das Beispiel so breit dargestellt haben; denn dieses Beispiel bestätigt völlig, was sich über die Wirkungen des Verbots von vertikalen Preisbindungen in Kanada herausgestellt hat — ich erinnere 'an die Berichterstattung darüber — und dem bisher noch nicht widersprochen worden ist, daß nämlich die Großunternehmen, insbesondere die Warenhäuser und die Kettenläden, an der Abschaffung der Preisbindung vorzüglich interessiert sind, daß sich aber für kleinere Spezialgeschäfte und Einzelhandelsgeschäfte Schwierigkeiten ergeben haben.
Weil wir diese Entwicklung befürchten, möchten wir kein generelles Verbot vorsehen, sondern zunächst auf dem Wege über die Anmeldung bei der Kartellbehörde mit der Möglichkeit der Untersuchung überhöhter Handelsspannen behutsam vorgehen und eine vorsichtige Regelung treffen, die einstweilen noch keine wirklich schädlichen Tendenzen etwa in Richtung auf Konzentration auf Kosten der mittleren und kleineren Handelsbetriebe verursacht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Dr. Hellwig, wären Sie nicht bereit, mir zuzugeben, daß, wenn eine Macht im Wirtschaftsleben im Sinne einer freien Konkurrenzwirtschaft erwünscht ist, es die Macht der organisierten Verbaucher ist?
Herr Professor Baade, die Macht der organisierten Verbraucher — ja, nicht aber die Macht organisierter Geschäftsunternehmen, als welche man auch hier im Sinne des Wettbewerbs Konsumgenossenschaften im Verhältnis zum Einzelhandelsgeschäft sehen muß. Die Konsumgenossenschaft steht als eine Geschäftsform in Wettbewerb mit anderen Geschäftsformen. Das muß gesehen werden, und daher darf man sie nicht einfach mit den Verbrauchern gleichsetzen, und man darf vor allen Dingen nicht so tun, Herr Professor Baade, als wenn alles das, was in der Gemeinwirtschaft geschieht, gut ist, und das, was von der privatwirtschaftlichen Seite vertreten wird, von vornherein anrüchig ist.
Die geschäftliche Expansion, von der Sie soeben gesprochen haben, ist ja schließlich auch dort nicht aus der Luft gekommen, oder ist sie nur fremdfinanziert worden? Herr Professor Baade, darüber sollten wir doch ganz offen sein und uns hier von Werturteilen fernhalten, die die andere Seite, die sich für den privaten Geschäftsstand der Mittel- und Kleinbetriebe des Einzelhandels einsetzt, von vornherein mit einer schlechten Zensur versehen.
Ich darf also wiederholen: Die Wirkungen eines Verbotes der Preisbindung zweiter Hand sind auch in den Auslandserfahrungen noch absolut nicht eindeutig belegt. Wir haben Veranlassung, hier mit äußerster Vorsicht vorzugehen. Daher haben wir zunächst ein Anmeldeverfahren eingeschaltet, welches der Kartellbehörde jede erwünschte Möglichkeit gibt, Überhöhungen von Preisen und Handelsspannen in Grenzen zu halten.
Wir bitten Sie daher, diesen Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Hellwig, Sie wissen doch genausogut wie ich, daß der Vorschlag, den wir machen, überhaupt keine Rechtsunsicherheit bringt. Mir ist bekannt, daß der jetzige Zustand auf Grund der alliierten Gesetze durch den Willner-Brief eine gewisse Rechtsunsicherheit darstellt. Aber unser Vorschlag beinhaltet keinerlei Rechtsunsicherheit, weil eindeutig festgestellt wird, daß Preisbindungen der zweiten Hand keinen Rechtsschutz mehr genießen. Das ist eine ganz klare Feststellung ohne irgendwelche Unsicherheit.
Herr Dr. Hellwig, es geht doch einfach um folgendes entscheidendes Problem. Sie wollen die Preisbindung der zweiten Hand in weitem Umfang der Mißbrauchsaufsicht unterstellen mit all den Belastungen für die Kartellbehörde. Sie wollen damit den Bereich der Mißbrauchsaufsicht ausdehnen und den Bereich des allgemeinen klaren Rechtsschutzentzuges verkleinern.
Ich bedaure, daß die Herren von der Koalition nicht mit einem Wort auf das entscheidende Problem eingegangen sind, das z. B. auch Herr Dr. Herbert Groß vom „Handelsblatt" mit Recht angeschnitten hat, nämlich die Frage, ob die Aufrechterhaltung der Preisbindung der zweiten Hand geeignet ist, den Durchbruch zu fortschrittlichen Verteilungsmethoden zu erleichtern oder nicht. Herr Dr. Groß hat die Frage eindeutig verneint; er hat erklärt, daß ,die Preisbindung der zweiten Hand sich als ein Hindernis auf dem Wege zu fortschrittlichen Methoden erweisen werde.
Das ist die Frage, um die es geht. Wir sind auch hier, wie überall sonst, für einen Durchbruch zu neuen Methoden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 1273 Ziffer 1, der nicht von Kühlschränken, sondern von Verlagsunternehmungen handelt.
— Darf ich erst einmal aufrufen. — Nur indirekt bedeutet er die Aufhebung ides § 11.
Das Wort zur Abstimmung hat Herr Kurlbaum.
Die sozialdemokratische Fraktion beantragt namentliche Abstimmung zu unserem Antrag.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stelle fest, daß der Antrag auf namentliche Abstimmung genügend unterstützt ist. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich frage: Müssen noch Stimmkarten abgegeben werden? — Dann bitte ich, das gleich zu tun. — Ich frage zum letztenmal, ob noch Stimmkarten für die namentliche Abstimmung abgegeben werden müssen. — Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 1273 Ziffer 1 bekannt. Abgestimmt haben 393 stimmberechtigte Abgeordnete und 19 Berliner Abgeordnete. Davon haben mit Ja 156, mit Nein 232 Abgeordnete gestimmt, 5 haben sich enthalten. Berliner Abgeordnete: 13 mit Ja, 6 mit Nein. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 1273 Ziffer 1 abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den § 11 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen viele Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe nunmehr § 12 und dazu den Antrag auf Umdruck 1273 Ziffer 2 auf.
-- Wird zurückgezogen.
Ich eröffne die Aussprache zu § 12. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache und lasse abstimmen.
Wer dem aufgerufenen § 12 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 13 und dazu die inhaltlich gleichen Änderungsanträge Umdruck 1261 und Umdruck 1272 Ziffer 4. Wer begründet den Änderungsantrag 1261? — Herr Abgeordneter Dr. Schild!
*) Vgl. endgültiges Ergebnis Seile 13238.
Dr. Schild (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen auf Umdruck 1261, daß in § 13 Abs. 1 nach der Nr. 4 hinter den Worten „unbillig einschränken" das Wort „und" durch das Wort „oder" ersetzt wird. Trotz der Änderung nur dieses einen Wortes erhält der Paragraph dadurch eine wesentlich andere Bedeutung. Zwar ist die Materie, die in diesem Paragraphen behandelt wird, nicht ganz so bedeutsam wie die Materie des § 11 hinsichtlich der Markenartikel. Aber immerhin liegen auch hier entscheidende" wirtschaftliche, markteinschränkende und wettbewerbsbeschränkende Vorgänge vor, die nach § 13 durch die Kartellaufsichtsbehörde kontrolliert, geändert und abgeschafft werden können.
Es handelt sich um drei Arten von Verträgen unter wirtschaftlichen Unternehmungen. Es können normale Verträge — Lieferungsverträge und Leistungsverträge — sein, bei denen sich Leistung und Gegenleistung absolut auf normaler Ebene abspielen. Es können aber auch Verträge mit Ausschließlichkeitsklauseln sein, bei denen das Geschäftsgebaren noch als „sittlich" anerkannt werden kann. Aber es können auch Knebelungsverträge sein, bei denen die Frage, ob das Geschäftsgebaren sittlich ist, strittig geworden ist.
Nun kann man mit Recht einwenden, bei derartigen Verträgen, Knebelungsverträgen und Ausschließlichkeitsverträgen mit einem bestimmten unsittlichen Geschäftsgebaren, genüge die Anrufung des Zivilgerichts, um sie zu annullieren. Typisch für diese Verträge sind drei Branchen, bei denen wir es in unserer Wirtschaft mit diesen drei Vertragsarten zu tun haben. Das eine sind die Verträge zwischen Brauereien und Gaststätten, die sogenannten Bierlieferungsverträge, die zum Teil auch noch mit Darlehensverträgen gekoppelt sind. Die andere Branche sind die Mineralölgesellschaften mit ihrem Monopol und den Verträgen mit den Tankstellen, sei es daß die Tankstellenbesitzer Selbständige bleiben oder sei es daß sie Pächter sind. Die dritte Gruppe solcher Verträge sind die Verträge zwischen der Automobilindustrie und ihren Spezialreparaturwerkstätten, die in der Hauptsache von Handwerksbetrieben geführt werden. Ich glaube, das sind die drei typischen Verträge: die Brauereiverträge, die Reparaturleistungsverträge der Automobilindustrie — Spezialwerkstättenverträge — und die Verträge der Tankstellen.
Bei allen diesen Verträgen ist die Situation in jedem einzelnen Falle, sowohl von Branche zu Branche gesehen als auch hinsichtlich des einzelnen abgeschlossenen Vertrages, verschieden. Aber die mittelständischen selbständigen Gewerbebetriebe, die in der Hauptsache als Vertragskontrahenten der Großunternehmungen, der marktbeherrschenden Unternehmungen in Betracht kommen, empfinden doch. daß sie gerade infolge der Marktbeherrschung dieser Unternehmungen in ihrem gesamten geschäftlichen Dasein mehr oder weniger in eine gewisse Abhängigkeit gezwungen werden.
Man kann dem entgegenhalten, sie brauchten solche Verträge ja nicht abzuschließen. Aber der Markt der selbständigen Betätigung ist auf diesen Gebieten nicht ohne weiteres offen und wählbar, sondern wir haben es hier mit bestimmten Marktbegrenzungen zu tun. Deshalb ist es im Interesse dieser selbständigen Gewerbebetriebe erforderlich, daß solche Verträge, die abgeschlossen sind
oder in Zukunft abgeschlossen werden, wenn von seiten des Mächtigeren die entsprechenden Gegenleistungen nicht mehr erbracht werden oder nicht mehr erbracht werden sollen, von der Kartellbehörde und notfalls vom Kartellgericht beseitigt werden können.
Das setzt aber voraus, daß bezüglich der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Vertragsbeteiligten die Verträge nachgeprüft und geändert werden können und daß darüber hinaus — unabhängig von der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Beteiligten — auch das Ausmaß der Beschränkungen des Wettbewerbs auf dem Markte einen Tatbestand darstellt, der die Verträge unter Umständen annullierungsreif macht.
In § 13 sind beide Tatbestandsmerkmale gekoppelt, d. h. das eine nicht ohne das andere. Nach unserer Auffassung müssen beide Tatbestandsmerkmale unabhängig voneinander zu einer Annullierung derartiger Verträge durch die Kartellbehörde führen können. Deshalb beantragt meine Fraktion, daß statt des Wortes „und" das Wort „oder" gesetzt wird, so daß sowohl der Tatbestand der Einengung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit unter den Vertragskontrahenten als auch die Auswirkungen auf den Markt und den Wettbewerb durch das Gesetz erfaßt werden. Dann können derartige Verträge durch die Kartellbehörde überprüft und unter Umständen annulliert werden.
Ich bitte ganz besonders die für diese mittelständischen Fragen sich interessierenden Kollegen aus der CDU/CSU, sich reiflich zu überlegen,
ob sie in diesem Falle dem Ausschußbeschluß zustimmen wollen oder ob die von uns vorgeschlagene Lösung besser ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 1272 Ziffer 4.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich feststellen, daß der soeben begründete und der von mir zu begründende Antrag inhaltsgleich sind. Beide wollen an derselben Stelle das Wort „und" durch „oder" ersetzen. Nach den Ausführungen meines Herrn Vorredners kann ich mich kurz fassen. Er hat dargelegt, aus welchen Gründen es notwendig ist, alternativ beide Voraussetzungen für ein Eingreifen der Kartellbehörde nebeneinander gelten zu lassen.
Ich möchte nur in einem Punkt widersprechen. Herr Kollege Dr. Schild, Sie meinten, ganz so wichtig wie die vorher erörterte Frage der Preisbindung der zweiten Hand sei diese Sache doch wohl nicht. Ich bin eher geneigt zu sagen, daß die Art von Bindungen, die im § 13 behandelt werden, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des Wettbewerbs unerfreulichsten Bindungen überhaupt sind.
Nun kann man aber nicht gut diese Bindungen schlechthin durch das Gesetz verbieten. Sie sind auch nicht verboten. Es ist nicht verboten, den Vertragspartner in der Freiheit der Verwendung der gelieferten Ware zu beschränken und ihn zu zwingen, die Ware nicht von Dritten zu beziehen oder an Dritte abzugeben. Es ist an sich sogar nicht verboten, Koppelgeschäfte durch diese Verträge zu erzwingen. Es ist der Kartellbehörde nur das Recht gegeben, Verträge für unwirksam zu erklären und entsprechende neue Verträge zu verbieten, wenn — nun kommen die beiden Voraussetzungen — erstens die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des einen Vertragsbeteiligten unbillig eingeschränkt wird u n d wenn zweitens durch das Ausmaß der Beschränkung der Wettbewerb auf dem Markt wesentlich beeinträchtigt ist. Beide Voraussetzungen kumulativ ermöglichen erst das Eingreifen der Kartellbehörde.
Wir sind der Meinung, daß das eine unerträgliche Beschränkung des Eingriffsrechts der Kartellbehörde ist. Wenn von der Kartellbehörde schon festgestellt ist, daß die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit eines Vertragsbeteiligten unbillig eingeschränkt ist, daß er durch diesen Vertrag geknebelt wird, dann soll die Kartellbehörde immer noch nicht eingreifen, diese Bindung für unwirksam erklären und eine entsprechende neue künftige Bindung verbieten können. Die Kartellbehörde müßte dann außerdem noch nachprüfen, ob durch diese Bindung auch der Wettbewerb auf dem Markt wesentlich beeinträchtigt wird. Ich glaube, damit ist die Kartellbehörde entweder völlig überfordert, oder sie wird nur in ganz seltenen Fällen imstande sein, von diesem so erschwerten Eingriffsrecht Gebrauch zu machen.
Deshalb unser Antrag, die ursprüngliche Fassung wiederherzustellen. Es ist im Verlauf der Ausschußberatungen schon einmal so gewesen, daß hier das Wort „oder" statt „und" gestanden hat. Erst später hat sich eine Mehrheit dafür ergeben, das Wort „oder" durch „und" zu ersetzen. Wir beantragen also eine Änderung der Fassung so, daß an Stelle der Kumulation alternativ beide Voraussetzungen für ein Eingreifen der Kartellbehörde ausreichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Unertl.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wir sind mit der Beratung des § 13 bei einem Thema angelangt, bei dem ich als Gastwirt gezwungen bin, mich zu äußern. Im übrigen hat mir die vorhergehende Debatte über den Kühlschrank ins Gedächtnis gerufen, was in einem Kühlschrank drin ist. Bei der heute herrschenden Temperatur von 40 Grad am Eingang I ist eisgekühltes Bier ein sehr ,erquickendes Getränk.
— Ich mache Ihnen nicht den Mund wäßrig, Herr Kollege Hellwig. Es liegt uns in Bayern sehr fern. Wie Ihnen sicher (bekannt ist, haben wir in Bayern das Reinheitsgesetz. weswegen Bier vor allen anderen Getränken den Vorzug genießt. Ich bitte, dafür Verständnis zu haben.
— Ich weiß, daß im Deutschen Bundestag keine Reklame gemacht werden darf. Ich bin auch kein Vertreter der bayerischen Brauereien, sondern ich bin Gastwirt; ,das ist ja hier bekannt. Ich glaube, daß gerade die Bierlieferverträge Gegenstand des § 13 sind. Es liegt mir ein Schreiben des DEHOGA
vor, worin gewünscht wird, daß die Ausschußfassung geändert und das Wort „und" durch „oder" ersetzt wird.
Ich habe mir vor einigen Tagen in diesem Hohen Hause etwas aus eimer Rede des Herrn Staatssekretärs des Finanzministeriums, Herrn Hartmann, gemerkt. Er hat gesagt, wenn die Abgeordneten ihre Drucksachen nicht richtig lesen, können sie später der Regierung keinen Vorwurf machen. Ich habe mich jetzt x-mal bemüht, die Drucksache richtig zu lesen. Ich bin zwar kein Jurist, habe mich aber erkundigt. Ich stehe danach auf dem Standpunkt: die Praxis hat doch erwiesen, daß sehr viele kleine Gastwirte — in Bayern haben wir rein Verhältnis von 20 % Besitzern zu 80 % Pächtern —, die klein- und mittelständischen Betriebe — bisher gezwungen waren, Bierlieferverträge mit den Brauereien abzuschließen. Schon bisher hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, daß hier eingegriffen werden kann, wenn Leistung und Gegenleistung nicht .auf normaler Ebene stehen, wie Herr Kollege Schild sagte.
Wenn wir jetzt die Fassung, die 'der Ausschuß beschlossen hat, belassen, kommt eine noch größere Schärfe in § 13 hinein. Ich ,befürchte; wenn die Kartellbehörde es ermöglicht, daß Dritte in zwischen Brauereien und Gastwirten bestehende Verträge eingreifen können, also Dritte, die mit den beiden Vertragspartnern nichts zu tun haben, weil die beiden, der Brauer und der Gastwirt, sich bei Abschluß des Vertrages einig waren —, wenn also Dritte ohne weiteres da hineinreden können, so ist das eine Benachteiligung gerade der kleinen und mittleren Gaststättenbetriebe.
Im übrigen stehe ich nicht an zu erklären, daß dieser Betriebszweig besonders in Bayern einen schweren Existenzkampf führt. Auf der anderen Seite wissen wir, wie es zu diesen Bierlieferverträgen kommt. Es kommt doch dazu, weil einmal die bankmäßigen Zinsen auf Grund des Schanknutzens, der uns in Bayern zugestanden wird, nicht zu tragen sind, der 'Gastwirt gezwungen wird, Bierverträge und auch Gegenleistungsverträge mit den Brauereien abzuschließen.
Es ist auch nicht uninteressant, einmal etwas über die Größenordnung der Darlehen zu sagen. Es ist bekannt, daß mindestens 400 Millionen DM Kredite von den Brauereien an die Gastwirte gegeben worden sind. Kommt nun auf Grund des § 13 des Kartellgesetzes ein solcher Vertrag zur Auflösung, so besteht die Gefahr, daß die Rückzahlung dieser Darlehen größte Schwierigkeiten macht. Es ist nicht möglich, die Gelder auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Deswegen bin ich der Meinung, daß man sich hier mit dem Ergebnis, das im Ausschuß zustande gekommen ist, begnügen sollte. Auswüchsen, wie sie sich in Knebelungsverträgen finden, sind die Gerichte, wie ich eingangs erwähnte, bisher schon entgegengetreten, indem sie solche Verträge für nichtig erklärt haben. Der Rechtsschutz hat also bisher ausgereicht. In einer jahrelangen Übung haben sich die Verträge so eingespielt. In Bayern jedenfalls war eine erhebliche Benachteiligung der Gruppe der kleineren Gastwirte nie zu verzeichnen. Die größeren Gastwirte helfen sich selber; sie kommen ohne Bierlieferungsvertrag aus. Ich möchte also aus der Praxis sagen, daß wir die Gesetzesvorlage nicht mehr als nötig verschärfen sollten.
Ich bin weiterhin der Meinung, daß dieses Gesetz - wie mehrere andere Gesetze, die wir beschlossen halben — wahrscheinlich noch den 3.
Deutschen Bundestag beschäftigen wird. Ich messe der Entscheidung des Parlaments, ob es in § 13 „und" oder „oder" heißt, auch keine allzu große Wichtigkeit bei. Bereits in der Regierungsvorlage war das Wort „oder" an der fraglichen Satzstelle enthalten, aber im Ausschuß hat man sich darüber auseinandergesetzt und die Ersetzung durch „und" beschlossen. Wir tun sicher gut daran, der Ausschußvorlage zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was zur fachlichen Seite des Geltungsbereichs des § 13 zu sagen war, hat ein Praktiker gesagt, der von 'diesen Dingen wohl am meisten versteht, weil er wahrscheinlich schon wiederholt an solchen Verträgen beteiligt 'gewesen ist.
Was ich Ihnen sagen will, ist etwas anderes, etwas Grundsätzliches, etwas Rechtliches. Mit den beiden Anträgen würden wir die rechtliche Systematik des ganzen Gesetzes verlassen. Von Herrn Dr. Schild wurden zutreffend die drei großen Bereiche genannt, für die dieser § 13 Bedeutung hat. Es sind einmal die Bierlieferungsverträge, zweitens die Tankstellenverträge und drittens die Reparaturverträge. Solche . Verträge existieren zu Hunderttausenden. Allein im Bereich der Bierlieferungsverträge rechnet man mit mehreren hunderttausend Verträgen und miteiner Darlehens- und Kreditsumme von 600 Millionen DM. Diese Zahl dürfte Ihnen einen 'Begriff von der volkswirtschaftlichen Bedeutung solcher Verträge vermitteln. Von dem harten Wettbewerb, der unabhängig davon bei 2600 Brauereien mit ineinandergreifenden Einzugs- und Ausstoßgebieten besteht, kann sich jeder selbst überzeugen. Über 50 % des Biers wird auf dem Wege des Flaschenbierhandels abgesetzt, der solchen Bindungen gar nicht unterliegt. Im übrigen werden sich leistungsfähige Wirte niemals in solche Bindungen bringen lassen.
Zurück zur Ausgangsfrage! Wir verlassen das Prinzip 'und die Systematik des Gesetzes, wenn wir eine 'Bestimmung schaffen, nach der die Kartellbehörde bei diesen speziellen, individuellen, nach Hunderttausenden zählenden Verträgen schon eingreifen kann, wenn eine 'der drei Voraussetzungen erfüllt ist, vor allen Dingen auch, wenn Leistung durch Gegenleistung nicht angemessen ausgeglichen wird. Das würde heißen, 'daß wir die bisherige Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte beschränken, die hier nach dem Gesichtspunkt des § 138 BGB oder nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb bisher Recht gesprochen haben, und zwar durchaus zufriedenstellend. Gerade Bierlieferungsverträge sind vom Bundesgerichtshof in den letzten Jahren sowohl unter dem Gesichtspunkt der Knebelung wie auch nach den Bestimmungen des .alliierten Kartellverbots geprüft und für in Ordnung befunden worden.
Das vorliegende Gesetz kann und darf nicht der Erledigung persönlicher Angelegenheiten dienen, so daß die Kartellbehörde praktisch „Säuglingsschwester für individuelle Betreuung" wird. Es sind ausreichende Rechtsgrundlagen gegeben, auf denen solche Angelegenheiten privatrechtlich erledigt werden können, und die dabei entstehenden Kosten sind durchaus tragbar.
Wir haben auf der Fassung mit „und" bestanden, weil die Zuständigkeit der Kartellbehörde und all der Behörden, die sich anschließen, nur dort beginnen kann, wo Wettbewerbsgesichtspunkte von erheblicher Bedeutung zur Debatte stehen. Deswegen die Voraussetzung der „wesentlichen" Wettbewerbsbeschränkung als ,kumulatives Moment für das Eingreifen der Behörde. Die Kartellbehörde hat sich nicht mit Privatangelegenheiten, sondern mit Wettbewerbsangelegenheiten zu befassen. Deswegen ist die Kumulation dieser drei Momente — bzw. zusätzlich des einen weiteren — überhaupt nicht zu trennen.
Denken Sie nur einmal an die wirtschaftlichen Auswirkungen. Sie müssen sich vorstellen, daß dem Gastwirt, da Sicherheiten fehlen, der normale Bankkredit nicht zugänglich ist. Diese 600 Millionen DM, die 80- bis 100 000 Existenzen mit erhalten helfen, würden überhaupt nicht gegeben. Wenn nur der geringste Zweifel entsteht, daß hier Privatangelegenheiten durch eine Kartellbehörde geregelt werden, dann wird die Folge sein, daß diese Kredite aufhören zu fließen und daß wir vom Eigentümer zum Pächter oder zum Angestellten kommen. Das wäre eine Entwicklung, die wir nicht haben wollen, weder hier noch im Tankstellenvesen, weil uns der Eigentümer interessiert und nicht der Abhängige. Hier ist eine vorübergehende Abhängigkeit. Ist sie zu stark ausgebaut, kann sie mit Hilfe der Vorschriften gegen „Knebelungsverträge" beseitigt werden.
Dazu kommt noch, daß wir mit § 13 Abs. 2 eine zusätzliche Auslegung für den § 138 BGB eingeführt haben, daß als unbillig im Sinne des Abs. 1 auch eine solche Einschränkung anzusehen ist, der keine angemessene Gegenleistung gegenübersteht. An Hand dieser Auslegungsbestimmung können die Gerichte weit über die bisherige Auslegung des § 138 des DGB hinaus operieren und all diese Dinge ins Lot bringen, die ins Lot gebracht werden müssen. Aber an dem Vorschlag von Herrn Dr. Schild — praktisch ist der Vorschlag ein Bärendienst an den Leuten, die er zu vertreten behauptet — festzuhalten, würde die Vernichtung der Eigentümer, der selbständigen Existenzen und den Zwang zum Pächter und zur Abhängigkeit bedeuten. Deshalb bitten wir, diesen Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.
Dr. Elbrächter : Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte dem Hohen Hause nur mitteilen, daß ein Teil meiner Freunde dem Änderungsantrag meines lieben Freundes und Kollegen Dr. Schild nicht zustimmen wird. Zur Begründung darf ich auf das zurückgreifen, was sowohl Herr Kollege Unertl als vor allen Dingen auch Herr Kollege Höcherl an rechtssystematischen Gründen soeben ausgeführt haben. Aus eben diesen Gründen habe ich mich damals im Ausschuß für die jetzige Ausschußfassung eingesetzt.
Man kann sich natürlich darüber unterhalten, ob es wünschenswert ist, daß den Brauereien heute Funktionen auferlegt werden — nämlich Bankfunktionen —, die ihnen nicht zukommen. Es ist ihnen im Grunde genommen eine sehr unwillkommene Aufgabe. Aber faktisch wird ein großer Teil von Wirten erst durch diese Kredite in die Lage versetzt, Gastwirtschaften einzurichten. Es ist selbstverständlich, daß derjenige, der Geld gibt, auch Leistungen fordern darf, soweit diese Forderungen billig sind. Dasselbe gilt für die Tankstellen. Dieses Kapitel ist vielleicht noch unsympathischer; das wissen wir alles. Aber solange die Frage der Kreditbeschaffung auf anderen Wegen nicht gelöst ist, müssen wir das als kleineres Übel hinnehmen.
Ich bitte daher, es bei der jetzigen Ausschußfassung zu belassen und die Änderungsanträge abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bei früherer Gelegenheit in dieser Debatte heute schon von Freiheit und Wettbewerb gesprochen.
— Nicht „Ja, ja!", Herr Samwer; das ist so wichtig, daß man es gar nicht häufig genug sagen kann. — Ich habe gesagt, keiner von uns wolle, daß Freiheit in Anarchie ausartet. Umgekehrt muß ich allerdings jetzt auch sagen, daß Wettbewerb nicht in Anarchie ausarten darf.
Herr Kollege Höcherl hat gesagt: Entscheidend ist, daß Wettbewerbsgrundsätze aufrechterhalten werden. Natürlich; also ich kann den einzelnen lustig knebeln, und der Wettbewerb am Markt in dem besonderen Wirtschaftszweig kann trotzdem funktionieren. Ja, soll ich Ihnen das Beispiel von den Tankstellen sagen? Sie haben immer nur von den Bierverträgen geredet. Auch uns erschienen bei den Beratungen im Ausschuß und auch bei sonstigen Gelegenheiten die Bierlieferungsverträge gegenüber gewissen anderen Arten von Verträgen noch verhältnismäßig harmlos. Sie können die Formulierung des § 13, der unter der unsichtbaren Überschrift „Knebelungsverträge" steht, nicht einfach auf eine milde Form solcher Verträge abstellen und damit andere Verträge, die unserer Meinung nach in der bestehenden Form einfach unmöglich sind, laufen lassen, ohne daß sie beanstandet werden können.
— Entschuldigen Sie, solange der Nachweis der Unsittlichkeit bei einem solchen Vertrag nicht erbracht werden kann,
kann auch das BGB nicht herangezogen werden.
— Nein, das ist noch lange nicht in Ordnung; es kann gleichwohl eine Knebelung gegeben sein, und ein einzelner kann damit sich einverstanden erklärt haben.
— Freiwillige Vergewaltigung nennen Sie das, Herr Stücklen.
Wenn einmal ein solches Präjudiz geschaffen ist, haben wir gegen ähnliche Knebelungsverträge keine rechtlichen Möglichkeiten mehr. Wir sind also der Meinung, daß die Freiheit des einzelnen hinsichtlich seiner Entscheidung zwar gesichert sein soll, daß aber nicht durch seine — wie sagten Sie? — „freiwillige Vergewaltigung", also in diesem Falle im Grunde genommen „Knebelung" andere, weil hier präjudiziert worden ist, auch geknebelt werden können.
Wie sieht es bei den Tankstellen aus? Die Gesellschaften haben weitgehend Einblick in die gesamte Kundenkartei des Tankstellenbesitzers oder -pächters oder wer es immer sein mag. Die Gesellschaften machen sich selbst sogar gegenüber diesen Besitzern oder Pächtern Konkurrenz dergestalt, daß sie den Großkunden eines solchen Tankstellenbesitzers empfehlen: „Kinder, von uns könnt ihr den Sprit viel billiger bekommen, wenn ihr euch auf dem Hof eurer Betriebe eine entsprechende Anlage aufbauen laßt." Das ist eine lustige Konkurrenz, die sich die Mineralölgesellschaften selbst machen. Aber den Profit stecken sie mit dieser Art Konkurrenz doch ein. Und der Tankstellenbesitzer ist der Benachteiligte.
Solche Verträge sind nach meiner Überzeugung — das sage ich als Laie, als Nichtjurist — unsittlich. Vielleicht sagt ein Jurist, sie sind nicht unsittlich. Aber ich halte sie jedenfalls mit den in diesem Gesetz verankerten Grundsätzen nicht für vereinbar. Wenn der einzelne so gebunden ist, kann die andere Seite darauf hinweisen: „Wir, die großen Gesellschaften, stehen ja immer noch untereinander in heftigem Wettbewerb", auch wenn dann per Zufall innerhalb 24 oder 48 Stunden immer wieder gleiche Preise an den Zapfsäulen erscheinen. So machen sie den Wettbewerb, und die Kartellbehörde steht einem solchen Tatbestand praktisch machtlos gegenüber. Der einzelne muß aber bei seiner Entscheidung frei sein, er darf nicht geknebelt werden — hinzu kommt möglicherweise auch noch der ganze Zubehörhandel an den Tankstellen —, auch dann nicht, wenn zufälligerweise bei einem solchen Vertrag der Wettbewerb nicht eingeschränkt ist.
Durch diese Kumulierung verschärfen Sie im Grunde genommen diese Art der vertikalen Verträge. Weil wir diese Verschärfung der vertikalen Verträge nicht wollen, sondern weil wir die Voraussetzung dafür schaffen wollen, daß die Kartellbehörde schon dann eingreifen kann, wenn der Wettbewerb nicht gestört ist, wohl aber die Bewegungsfreiheit — nicht Entscheidungsfreiheit; denn er hat sich ja auf dem erstem Schritt der Knebelung unterworfen, dann war er nicht mehr frei — des einzelnen am Marktgeschehen weitgehend eingeengt oder gar beseitigt wird, sind wir der Meinung wie Herr Schild, wie Herr Hoffmann, wie auch die Kollegen vom BHE, daß in diesem Zusammenhang nicht die Kumulierung, die Häufung dieser Tatbestände stehen darf. Vielmehr müssen die beiden Tatbestände unabhängig voneinander der Prüfung durch die Kartellbehörde unterzogen werden können. Deshalb also dieses „oder". Vielleicht, Herr Höcherl, und auch die anderen, die immer so warm auf Grund der Bierlieferungsverträge dieses „und" befürwortet haben, versuchen Sie sich das auch einmal von der schärferen Form möglicher und auch vorhandener Verträge anzuschauen. Vielleicht kommen Sie dann zu dem Ergebnis, daß man dieses „und" in der Tat in „oder" verwandeln muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme den Ausführungen meines Herrn Vorredners zu und möchte nur noch in Erwiderung auf die Ausführungen von Herrn Höcherl einige Worte sagen. Sie begründen die Ablehnung unseres Antrages damit, daß das, was wir wollen, in diesem Gesetz rechtssystematisch nicht angebracht sei. Ich bin der Meinung, daß, rechtssystematisch gesehen, in dieses Gesetz alle Tatbestände einer Beschränkung des Wettbewerbs hineingehören.
Wenn wir auch auf das Verhältnis zwischen dem bindenden und dem gebundenen Partner abheben, so an dieser Stelle doch nicht deswegen, weil uns das zivilrechtliche Verhältnis interessiert. Da haben Sie recht. Insoweit ist das eine Angelegenheit, die unter dem Gesichtspunkt des Knebelvertrages in erster Linie von den Zivilgerichten zu beurteilen ist. Hier interessiert uns diese Bindung doch nur deshalb, weil sie auch eine Einschränkung des Wettbewerbs darstellt. Insofern gehört diese Koppelung der individuellen Bindung und ihrer Auswirkung auf den Markt in diesen Paragraphen hinein. Wir möchten eben nicht die Erschwerung für die Kartellbehörde haben, daß sie das Vorliegen beider Voraussetzungen nachweisen muß, ehe sie die Möglichkeit hat, einzugreifen; es muß genügen, daß alternativ eine dieser beiden Voraussetzungen gegeben ist, damit die Kartellbehörde eingreifen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 1261. Gleichzeitig wird über den Änderungsantrag Umdruck 1272 Ziffer 4 abgestimmt. Wer den aufgerufenen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Beide Anträge sind abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den § 13 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf § 14, § 15 und § 16 in der Ausschußfassung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann komme ich zur Abstimmung.
Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 17 auf, dazu den Änderungsantrag Umdruck 1272 Ziffer 5. Wer begründet? — Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir treten bei dem § 17 in einen weiteren entscheidenden Abschnitt dieses Gesetzes ein. Es handelt sich hier um die sogenannten
marktbeherrschenden Unternehmen, und zwar sowohl Einzelunternehmen, sogenannte Monopole, wie auch mehrere Unternehmen, die sich am Markt als sogenannte Oligopole tatsächlich gleichartig verhalten und die — auf Grund ihrer starken Stellung am Markt — der Versuchung ausgesetzt sind, diese Stellung zu mißbrauchen. Dieser dritte Abschnitt wendet sich also im Grunde genommen gegen die mißbräuchliche Ausnutzung der Stellung am Markt.
In § 17 Abs. 3 geht es um zwei Tatbestände: Danach hat die Kartellbehörde ganz bestimmte Befugnisse gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen, soweit diese Unternehmen erstens bei Abschluß von Verträgen über bestimmte Waren oder gewerbliche Leistungen ihre Marktstellung beim Fordern oder Anbieten von Preisen oder bei der Gestaltung von Geschäftsbedingungen mißbräuchlich ausnutzen oder zweitens durch mißbräuchliche Ausnutzung ihrer Marktstellung den Abschluß von Verträgen über diese Waren oder gewerblichen Leistungen davon abhängig machen, daß der Vertragsgegner sachlich oder handelsüblich nicht zugehörige Waren oder Leistungen abnimmt.
Nun sind wir in bezug auf die Befugnisse der Kartellbehörde bei diesen beiden Tatbeständen der Meinung, daß nicht jede mögliche Form des Mißbrauchs erfaßt wird. Ich will mich jetzt nicht auf weitläufige Darstellungen einlassen — auch wegen des Fortgangs der Verhandlungen —, sondern möchte einfach feststellen, daß neben diesen beiden Formen durchaus eine andere Form des Mißbrauchs der Marktstellung denkbar ist, und weil andere als die hier in der kasuistischen Form aufgezählten mißbräuchlichen Ausnutzungen denkbar sind, soll eine Art Generalklausel eingeführt werden. Es ist denkbar, daß unter Umständen auch dann, wenn diese beiden Merkmale des Mißbrauchs nicht vorliegen, völlig außerhalb des normalen geschäftlichen Verkehrs mißbräuchlich auf eine andere als die soeben beschriebene Weise Druck auf einen Geschäftspartner ausgeübt werden kann. Dieser Druck kann allgemeiner wirtschaftlicher Art, er kann gegebenenfalls aber auch gesellschaftlicher Art sein.
Sie können mir natürlich jetzt sagen: Auch das unterliegt nach den weiteren Vorschriften des Gesetzes der Nachprüfung durch die Behörde. — Die Nachprüfung ist aber auf ganz bestimmte Fälle beschränkt. Insoweit also gilt das nur für solche Unternehmen, die Beschlüsse gefaßt haben, die nicht gültig geworden sind, die aber auf andere Art und Weise versuchen, ihre Beschlüsse durch gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Druck durchzusetzen.
Eine ähnliche Ausnutzung der Marktstellung wäre bei marktbeherrschenden Unternehmungen denkbar. Deshalb schlagen wir die Einfügung folgender neuen Nr. 3 in § 17 Absatz 3 vor: „oder 3. in sonstiger Weise ihre Marktstellung mißbrauchen". Dann kann alles, was nach Mißbrauch der Machtstellung am Markte aussieht, auch die soeben genannte Art des Mißbrauchs, von der Kartellbehörde unter die Lupe genommen werden. Diese Befugnis soll der Kartellbehörde gegeben werden, damit monopolistische oder oligopolistische Unternehmungen oder Marktbeteiligte nicht ausweichen können.
Wir bitten um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Samwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich bitten, Iden Antrag unter Ziffer 5 des Umdrucks 1272 abzulehnen. Die Bundesregierung und der Bundesrat haben von vorherein in ihren Vorlagen und Beschlüssen ganz klare Tatbestände für das Eingreifen der Kartellbehörde gegenüber marktbeherrschenden Unternehmungen festgelegt, und sie haben gut daran getan.
Hier wird Neuland beschritten. Sie wissen, daß z. B. die Oligopole miteinbezogen sind. Es ist also eine gewisse Vorsicht am Platze, damit die Dinge nicht überspitzt werden, sondern wirklich auf Grund klarer Tatbestände Mißbräuche erkannt und abgestellt werden.
Im Gesetz sind aber auch noch andere Bestimmungen gegen Mißbräuche vorgesehen — Herr Kollege Lange hat ja darauf hingewiesen —, so z. B. in § 22 a „kein Druck bei Zusammenschlüssen" oder in § 23 Absatz 2 „Diskriminierung". In diesen Paragraphen sind gerade die marktbeherrschenden Unternehmen besonders aufgeführt.
Nach unserer Überzeugung reichen die Regierungsvorlage und die Stellungnahme des Bundesrates aus; denn alle wesentlichen Tatbestände, die sich überhaupt ergeben können, sind hi diesen beiden Nummern des Abs. 3 aufgeführt. Im übrigen heißt es auch noch am Ende des Abs. 3:
Bei ,der Beurteilung, ob die Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt ist, sind alle Umstände zu berücksichtigen.
Es ist also eine sehr weitgehende Mißbrauchsaufsicht sichergestellt.
Wenn man hier im Sinne. der sozialdemokratischen Fraktion noch hereinnehmen wollte: „in sonstiger Weise ihre Marktstellung mißbrauchen", so wäre das nichts anderes als ein Kautschukparagraph, durch den völlige Unklarheit geschaffen würde. Nach unserer Ansicht müssen ganz klare gesetzliche Bestimmungen geschaffen werden, damit gegebenenfalls richtig eingegriffen werden kann. Offensichtlich hatten 'aber die Herren Antragsteller keine ganz klaren Vorstellungen, sondern wollten nur eine globale Generalklausel einfügen. Diese ist aber abzulehnen, gerade wenn es sich um solche wichtigen Entscheidungen handelt, wie sie hier der Kartellbehörde gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen in die Hand gegeben sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichwundere mich eigentlich, daß ausgerechnet Herr Samwer glaubt, hier sagen zu müssen, wir hätten keine ganz klaren Vorstellungen, und weil wir so nebulöse Vorstellungen hätten, wollten wir solch eine Generalklausel. Weil wir nämlich genau wissen, daß es neben diesen beiden Tatbeständen andersgeartete Mittel wirtschaftlichen Drucks gibt, die ich hier gar nicht im einzelnen aufzuführen brauche, wollen wir diese Bestimmung hineinbringen, Herr Samwer.
— Natürlich kann ich Idas, wenn ich will. Soll ich Ihnen alles sagen?
— Ich will Ihnen folgendes sagen. Sie wissen sehr genau, daß ein marktbeherrschendes Unternehmen dieser Art auch im Hinblick auf die Durchsetzung seiner Wünsche gegenüber seinen schwächeren Geschäftspartnern durchaus die Möglichkeiten hat, die Sie soeben selber unter Zitierung von §§ 22 ff.
— die ich vorhin angedeutet habe, ohne sie zu zitieren — angeführt haben. Diese Möglichkeiten werden aber durch die §§ 22 ff. nicht erfaßt, wenn hier nicht in § 17 ausdrücklich „in sonstiger Weise ihre Marktstellung mißbrauchen" steht.
— Die Vorstellungen, verehrter Herr Kollege Samwer — und auch die anderen Kollegen, die meinen, sie würden erfaßt —, die wir bei den §§ 22 ff. gehabt haben, wo wir eben den gesellschaftlichen und den wirtschaftlichen Druck nicht ausüben lassen wollen, verbinden wir mit der hier vorgeschlagenen Formulierung „in sonstiger Weise ihre Marktstellung mißbrauchen".
— Nein!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein ganz kurzes Wort zu den letzten Ausführungen des Kollegen Lange. Gerade hierüber ist im Ausschuß sehr lange gesprochen worden. Herr Lange und seine Freunde 'haben den Standpunkt vertreten, daß durch die Nrn. 1 und 2 in § 17 Abs. 3 der Mißbrauch einer Marktstellung nicht gedeckt sei. Gleichzeitig ist aber sehr ausführlich das gesagt worden, was mein Freund Samwer hier ausgeführt hat: daß nämlich im gegenwärtigen Zeitpunkt kein Mißbrauch einer Marktstellung denkbar sei, der nicht durch die Nrn. 1 und 2 gedeckt sei. Damals sind einzelne Beispiele gebildet worden. Man hat von der Möglichkeit einer Produktionseinschränkung, sogar von einer bewußten Produktionseinschränkung gesprochen und gesagt, daß sie unter eine der Nummern fallen müsse. Man hat ferner von mengenmäßigen Beschränkungen gesprochen. Dabei ist darauf hingewiesen worden, daß diese Frage durch das Diskriminierungsverbot der späteren Paragraphen gedeckt sei. Gleichzeitig ist aber zum Ausdruck gekommen, man solle nicht immer fingieren, daß alle Bestrebungen auf eine gewisse Erweiterung derartiger Unternehmen von Hause aus böse seien, sondern sie beruhten eben auf wirtschaftlichen Erwägungen, nicht nur auf der bloßen Lust, sich nun so oder so in irgendeiner Form auszuweiten. Manchmal sind es steuerliche, meistens aber wirtschaftliche Erwägungen der Produktionsabrundung oder der Angliederung eines Unternehmens, von dem das Vormaterial kommt. Das sind alles vernünftige Gründe, und ich glaube, daß wirklich eine mißbräuchliche Ausnutzung der Marktstellung, die die Kartellbehörde zum Eingreifen berechtigen soll, in den Ziffern 1 und 2 erschöpfend erfaßt ist.
Wir bleiben deshalb dabei, daß wir den Antrag ablehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordnete Dr. 'Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch ein kurzes Wort an Herrn Kollegen Samwer. Sie haben eben davon gesprochen, daß wir mit diesem Gesetz Neuland betreten.
Das ist natürlich absolut richtig; darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheiten. Nur habe ich immer den Eindruck, daß wir uns diesem Neuland gegenüber unterschiedlich zu verhalten gedenken. Mitten in 'das Neuland hineingestellt wird doch nun zum erstenmal ein Bundeskartellamt. Wenn ich Sie richtig verstehe, so möchten 'Sie das Bundeskartellamt davor bewahren, daß es sich in diesem Neuland verläuft, und möchten es durch Fesseln irgendwie binden, während wir die Absicht haben, dem Bundeskartellamt alle Möglichkeiten zu geben, dieses Neuland zu durchforsten. Das Bundeskartellamt soll uns ja auch Jahr für Jahr über die Ergebnisse Bericht erstatten. Sie gehen bei allen diesen Dingen von der Voraussetzung aus, daß das zu schützende Rechtsgut die Vertragsfreiheit sei; wir stellen dem das Prinzip gegenüber — und das ist die Meinungsverschiedenheit bei all diesen Anträgen, über die wir bisher diskutiert haben —, daß das zu schützende Rechtsgut der Wettbewerb ist, daß also nur bei Vorliegen ganz 'bestimmter von der Kartellbehörde geprüfter Voraussetzungen Abweichungen vom Wettbewerbsprinzip im Wege der Genehmigung zugelassen werden sollen. Sie verlangen, daß die Kartellbehörde in jedem Falle erst nach Prüfung sehr komplizierter Tatbestände in die Lage versetzt wird, zu gestatten, daß im Interesse des Wettbewerbs in die Vertragsfreiheit eingegriffen wird. Das ist der Unterschied, und man soll doch vielleicht im Rahmen 'dieser Aussprache einmal sagen, daß letzten Endes alle unsere Meinungsverschiedenheiten, die wir 'aus Anlaß der verschiedensten Anträge hier diskutieren, immer wieder auf diesen prinzipiellen 'Gegensatz in unseren Auffassungen zurückgehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 'Ich möchte das unterstreichen, was Herr Hoffmann gesagt hat. Ich hatte das bei den anderen Paragraphen auch gesagt, daß wir ja grundsätzliche unterschiedliche 'Auffassungen über die Art und Weise haben, wie ein Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen auszusehen hat. Herr Pohle 'hat eben etliche Beispiele genannt, die im Hinblick auf § 17 und § 22 a ff. im Ausschuß erörtert worden sind. Ich will das hier nicht noch einmal breittreten, Will nicht die ganze Ausschußdebatte noch einmal bringen; ich möchte nur folgendes sagen. Sie wissen, Herr Pohle, und auch die anderen Herren —auch Professor Böhm —, die der Meinung waren, das, was in § 22 ff. und was in § 17 gesagt ist, reiche aus, wissen, daß wir der Auffassung Ausdruck gegeben haben, daß es nicht ausreicht. Wir wollten aus den auch von Herrn
Hoffmann genannten Gründen in § 17 diese Sache noch einmal sicherstellen.
— Nein, keinen Kautschuk. Den haben Sie sowieso in dem ganzen Gesetz geschaffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl. Ich bin ,der Meinung, daß wir dann über diesen Änderungsantrag lange genug :debattiert hätten.
Ich will mich auf Grund dieser Mahnung ganz kurz fassen. — Herr Kollege Lange, Sie haben sich bei den Ausschußberatungen als sehr erfindungsreicher Kollege erwiesen. Wenn Ihnen noch ein tatsächliches Moment eingefallen wäre, das in § 17 eingebaut werden könnte, wäre es von Ihnen zweifelsohne vorgeschlagen worden. Aber Sie müssen auch an eines denken: wir haben hier eine wichtige Aufgabe in einem Rechtsstaat. Mit Recht haben wir scharfe Sanktionen, sowohl im Ordnungsstrafverfahren wie auch solche zivilrechtlicher Art, bei Zuwiderhandlungen vorgesehen und sind deshalb :aus rechtsstaatlichen Gründen verpflichtet, ganz genaue Tatbestände zu liefern. Ich kann mich gut an viele andere Gelegenheitenerinnern, bei denen ich andere Tatbestände vorgeschlagen habe, die Ihnen nicht klar und präzise genug waren und die Sie mit der Begründung abgelehnt haben, .das sei nicht judikabel. Heute kommen Sie selber mit einer Generalklausel, die leider, muß ich sagen, einen diskriminatorischen Effekt zum Nachteil einer gewissen Gruppe hat.
Deswegen bitte ich, diesen Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 1272 Ziffer 5. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme dann zur Abstimmung über den § 17 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 18, — § 19, — die §§ 20, 21 und 22 entfallen, — § 22a, — § 23 in der Ausschußfassung. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den § 24. Hier liegen ein Änderungsantrag auf Umdruck 1282 Ziffer 1 und ein Änderungsantrag auf Umdruck 1273 Ziffer 3 vor. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, daß der letztere Antrag sich durch die Abstimmung zu § 11 erledigt hat. Sind :die Antragsteller der gleichen Meinung?
— Dann bleibt also nur der Antrag auf Umdruck 1282 Ziffer 1. Herr Abgeordneter Dr. Hellwig zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag, :den die Fraktionen der CDU/CSU und der DP auf Umdruck 1282 stellen, wind nicht nur die Streichung des § 24 verlangt. Der Antrag sollte daher auch nicht nur isoliert mit Bezug ,auf § 24 gesehen werden. Vielmehr soll für den gestrichenen § 24 ein neuer Absatz in § 31 eingefügt werden. Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung darf ich vielleicht den ganzen Antrag im Zusammenhang behandeln; denn die Streichung des § 24 kann nur sinnvoll begründet werden, wenn man gleichzeitig sagt, was an dessen Stelle vorgeschlagen wird.
Mit dem § 24 hat man 'den Versuch gemacht, Empfehlungen, die für ein bestimmtes Verhalten gegeben werden; unter 'ein Verbot zu stellen, weil durch derartige Empfehlungen die Umgehung von Verboten, die in .diesem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgesprochen sind, oder von Verbotsverfügungen, die :die Kartellbehörde auf Grund dieses Gesetzes ausspricht, veranlaßt werden könnte. Es handelt sich hier um ein recht schwieriges Gebiet, weil sich ein wesentlicher Teil von Gesprächen, von Verbandstätigkeit, von freiberuflicher oder organisierter Wirtschaftsberatung ständig in der Form von Empfehlungen vollzieht. Daher geht sicher zunächst der allgemeine Begriff der Empfehlung 'erheblich weiter als eine Empfehlung, die im Sinne dieses Gesetzes bedenklich sein würde und daher hier unter eine bestimmte Sanktion gestellt werden sollte, Weil man von ihr die Umgehung des Gesetzes befürchtet.
Der Regierungsentwurf hat :das Verbot der Empfehlung zunächst beschränkt auf die gesetzlichen Vertreter, Geschäftsführer und sonstigen Beauftragten eines Kartells und 'auf die gleichen Vertreter und Beauftragten einer Wirtschafts- oder Berufsvereinigung. Nach dem Regierungsentwurf sollten aber auch nur jene Arten von Empfehlungen verboten werden, die öffentlich oder gegenüber einem größeren Personenkreis ausgesprochen würden. Die Empfehlungen, die in kleinem Kreise oder in einem individuellen Gespräch zwischen einem Wirtschafts- oder Betriebsberater und dem Betrieb ausgesprochen würden, sollten also keinesfalls unter dieses Verbot fallen.
Der Ausschuß war nun der Meinung, daß eine Umgehung dieses Verbots, Empfehlungen auszusprechen, außerhalb der hier angesprochenen Organisationen möglich ist, und hatte daher zunächst beschlossen, Empfehlungen überhaupt unter Verbot zu stellen. Es sollte aber der Kreis der verbotenen Empfehlungen eingeengt werden. Empfehlungen sollten verboten sein, wenn sie ein Verhalten nahelegen, das nach diesem Gesetz oder nach einer auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verfügung der Kartellbehörde nicht zum Gegenstand einer vertraglichen Bindung gemacht werden darf. Außerdem sollten die Empfehlungen nicht öffentlich, nicht gegenüber einem größeren Personenkreis oder nicht gegenüber sogenannten oligopolen Unternehmen, also Unternehmen, zwischen denen aus tatsächlichen Gründen im Sinne des § 17 Abs. 2 kein Wettbewerb besteht, ausgesprochen werden dürfen.
Diese sehr 'allgemeine Formulierung, die ganz auf die Umgehung .des Gesetzes durch Empfehlungen abstellte, hatte inzwischen eine erhebliche Kritik erfahren. Das gute Wollen, das dahintersteckte, wurde zwar 'anerkannt, 'aber ebenso klar wurde die praktisch uferlose Anwendungsmöglichkeit die-
ses Verbots von der Kritik herausgestellt. Es ergab sich beispielsweise, daß auch die volkswirtschaftlich vernünftige, erwünschte Empfehlung nach dem § 24 Abs. 1 förmlich verboten ist. Wenn z. B. nicht nur der Bundeswirtschaftsminister, sondern auch Vertreter des öffentlichen Lebens und Vertreter der Wirtschaft innerhalb und außerhalb der Wirtschaft Empfehlungen aussprechen, die Preise zu senken oder stabil zu halten, dann sind das öffentlich ausgesprochene Empfehlungen zu einem gemeinsamen Verhalten der Preisbildung und der Preispolitik, und ein solches Verhalten darf nach dem Gesetz nicht Gegenstand eines Vertrages sein. Wir haben diese Frage mit einer Reihe von Juristen geprüft, hatten im Ausschuß auch selbst noch bei der dritten Lesung verschiedene Bedenken, haben aber mit Rücksicht auf den Zeitdruck — es war gegen 2 Uhr nachmittags der letztmöglichen Ausschußsitzung — darauf verzichtet, im Ausschuß noch eine Änderung zu beschließen. Wir haben im Ausschuß lediglich den Beschluß der zweiten Lesung bestätigt, und meine politischen Freunde haben angekündigt, daß wir von der Koalition einen Änderungsantrag vorlegen würden.
Dieser Änderungsantrag liegt nun auf Umdruck 1282 vor. Bei der Nachprüfung der Möglichkeiten nach § 24 Abs. 1 machte uns vor sehr stutzig, daß hier ein :generelles Verbot ausgesprochen wird, dessen Befolgung höchst problematisch ist, daß also hier unter Umständen ein so weitgehendes Verbot angestrebt wird, daß es weder beachtet noch seine Befolgung kontrolliert werden kann und zur Umgehung förmlich herausfordert. Daß der Technik der Umgehung gerade bei dem sehr umstrittenen Begriff der Empfehlung eine sehr breite Skala von Möglichkeiten geboten wird, versteht sich von selbst und braucht hier nicht erörtert zu werden. Wir haben uns daher, auch auf Grund der Überlegungen über dieses Thema, die im Entwurf des Kollegen Professor Böhm zum Ausdruck kommen, zu einer vorsichtigeren Formulierung entschlossen und sinngemäß beantragt, die Empfehlungen, die eine Anstiftung zu einer Verletzung dieses Gesetzes oder zu einem Verstoß gegen Verfügungen der Kartellbehörde darstellen, unter den strafbaren Ordnungswidrigkeiten aufzuführen.
Der § 31 bringt den Katalog der Ordnungswidrigkeiten, also aller jener Verstöße gegen das Gesetz oder gegen Verfügungen der Kartellbehörde, die als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen belegt werden können. Daher verlangt unser Antrag unter Ziffer 1 die Streichung des § 24 und zugleich — Ziffer 2 —die Streichung der nicht ausreichenden Formulierung bezüglich der Empfehlungen in § 31 Abs. 1 Nr. 9 und an deren Stelle die Einfügung eines neuen Abs. 1 a in § 31, durch die klargestellt wird, daß eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn vorsätzlich durch Empfehlungen an dem Zustandekommen von Ordnungswidrigkeiten im Sinne dieses Paragraphen mitgewirkt wird.
Nun gibt es verschiedene Formen der Umgehung des Kartellgesetzes — etwa durch ein gleichförmiges Verhalten, ohne daß eine Vertrag überhaupt zustande kommt oder beabsichtigt ist —, die nicht sofort als Ordnungswidrigkeit erkennbar und greifbar sind und somit nicht als solche geahndet werden können. Auch eine Empfehlung, die zu einer Umgehung durch gleichförmiges Verhalten führt, soll als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Wir sind uns darüber klar, daß die Neubehandlung der Empfehlung gemäß unserem Antrag bedeutet, daß die Kartellbehörde die Beweislast hat, wenn sie gegen irgend jemanden wegen unerlaubter Empfehlungen einschreiten will. Aber ich glaube, trotzdem ist das, was in dieser Formulielierung geboten wird, praktikabler. Derjenige, der eine Empfehlung ausspricht, gleichgültig in welcher Weise er sie ausspricht, muß zunächst sehr genau prüfen, ob er nicht später, wenn sich im Gefolge dieser Empfehlung irgendwo eine Ordnungswidrigkeit ergeben oder eine Umgehung durch gleichförmiges Verhalten erkennbar werden sollte, plötzlich noch belangt und genau wie die Beteiligten einer Geldbuße unterworfen werden kann. Weil gerade das Thema Empfehlungen so ungeheuer kompliziert ist, glauben wir, daß es praktikabler ist, die ganz klare Behandlung der Empfehlung als Anstiftung zu einer Ordnungswidrigkeit und zu einer Umgehung durch gleichförmiges Verhalten in das Gesetz hineinzubringen. Damit kann — auch im Sinne der in einem Rechtsstaat gebotenen Ökonomie hinsichtlich gesetzlicher Verbote — mehr erreicht werden als mit § 24 Abs. 1.
§ 24 Abs. 2 braucht hier nicht besonders behandelt zu werden. Er steht vollinhaltlich als zweiter Teil in dem Antrag zu § 31; es heißt dort:
Dies gilt nicht für Empfehlungen, bestimmte Preise zu fordern oder anzubieten . . .
Hier wird dann die Formulierung des Abs. 2 von § 24 übernommen. Dies ist eine Ausnahme, nach der im Sinne einer Abwehr der Mittel- und Kleinbetriebe gegenüber Großbetrieben und großbetrieblichen Unternehmungsformen die unverbindliche Preisempfehlung zulässig sein soll. Das ist vom Ausschuß übereinstimmend als ein Element zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Mittel- und Kleinbetrieben gegenüber großbetrieblichen Macht- und Marktpositionen gewünscht worden. Diese Frage bedarf wohl insofern keiner Erörterung mehr, gleichgültig ob die Formulierung in § 24 als Abs. 2 oder in § 31 als Abs. 1 a steht.
Ich darf Sie namens der Fraktion der Regierungskoalition bitten, dem Änderungsantrag zuzustimmen, der sich — es sei nochmals betont — auf Streichung des § 24, Streichung des § 31 Abs. 1 Nr. 9 und Einfügung des neuen Abs. 1 a in § 31 erstreckt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es kurz und knapp zu machen: dieser Änderungsantrag bezweckt eine weitere Abschwächung des Zweckes dieses Gesetzes.
Wenn dieses Gesetz ein wirkliches Verbotsgesetz geworden wäre, wäre wahrscheinlich eine solche Diskussion über das Problem der Empfehlungen gar nicht nötig gewesen; dann würde das Problem keine so große Bedeutung gewinnen. Aber nachdem Sie nun alle diese Abschwächungen beschlossen haben und auch das Rabattkartell heute noch einmal bestätigt haben, und wenn Sie nun auch noch in der Frage der Empfehlungen von dem abweichen wollen, was in § 24 des Ausschußentwurfs
vorgesehen ist, sind wir der Meinung, daß auf dem Umweg über Empfehlungen praktisch alles das veranlaßt werden kann, was im Gesetz verboten oder für unwirksam erklärt ist.
Der § 24 ist im Ausschuß schon sehr gemildert worden. Er enthält zwar das Verbot, Empfehlungen zu einem Verhalten, das nach dem Gesetz unzulässig ist, auszusprechen. Zugleich wird aber in Abs. 2 das Verbot zugunsten von Vereinigungen von Unternehmen gemildert, die unter Beschränkung auf den Kreis der Beteiligten Empfehlungen aussprechen, die lediglich dem Zweck dienen, wettbewerbsfördernde Bedingungen gegenüber Großbetrieben zu schaffen. Wenn solche Empfehlungen ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet werden, können sie ausgesprochen werden.
Damit ist, glaube ich, dem Bedürfnis der mittleren und kleineren Betriebe nach Schutz gegen überragende Wirtschaftsmacht von Großbetrieben Rechnung getragen worden. Wenn Sie nun aber so weit gehen wollen, wie es dieser Antrag tut, Ordnungswidrigkeiten nur in solchen Empfehlungen zu sehen, die zu einem Erfolg geführt haben, wenn sie etwa dazu geführt haben, daß andere, gestützt auf diese Empfehlung, durch marktkonformes Verhalten Vorschriften des Gesetzes oder Anordnungen des Kartellamtes verletzt haben, dann wird das Empfehlungsverbot weitgehend aufgelockert. Einer solchen Abschwächung können wir nicht zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann dem Herrn Kollegen Hoffmann darin recht geben, daß es sich bei diesem auch von mir unterzeichneten Antrag um eine Abschwächung der bisherigen Bestimmung handelt, die viel weiter ging. Der Herr Abgeordnete Hoffmann meint, daß im Laufe der Ausschußberatungen viele Abschwächungen dessen, was wir, Sie, Herr Kollege Hoffmann, und auch ich, uns gemeinsam gewünscht haben, erfolgt seien und daß eine weitere Abschwächung besonders zu beklagen sei. Ich möchte aber glauben, daß gerade diejenigen, die lieber ein wirksameres und strengeres Gesetz gesehen haben würden, in diesem Punkte die Abschwächung betreiben sollten, und zwar weil dem Gedanken eines wirksamen Wettbewerbsschutzes und einer wirksamen Beschränkung der wirtschaftlichen Macht kein größerer Abbruch getan werden kann als durch Gesetzesbestimmungen, mit denen man sich blamiert, weil sie nicht durchführbar sind. Ich habe es bei der ersten Lesung schon gesagt. Wir dürfen nicht in die Situation von Friedrich Wilhelm I. kommen, der mit erhobenem Krückstock hinter seinen Berliner Landeskindern, die vor ihm flüchteten, herrief: „Lieben sollt ihr mich!"
Ich habe während meiner Zugehörigkeit zum Kartellreferat im Reichswirtschaftsministerium in der Weimarer Zeit Gelegenheit gehabt, festzustellen, wie viele unerwünschte Wirkungen durch Empfehlungen hervorgerufen werden. Man darf die Empfehlungen nicht auf die leichte Achsel nehmen. Man darf sie namentlich dann nicht auf die leichte Achsel nehmen, wenn in eine Nation hineinempfohlen wird, für die die Kartelle eine sehr honorige und nützliche Sache waren und der Wettbewerb ein abzulehnender Libertinismus war. Die Kindlein hören gern, was da empfohlen wird, und sie richten sich auch gern danach. Aber eine ganz andere Frage ist, ob wir mit Geldstrafen, mit einem Ordnungsstrafverfahren mit heraushängender Zunge hinter Leuten herhetzen sollen, die Empfehlungen aller Art ausstreuen. Manchmal richten ja auch wir Empfehlungen an die Adresse der Wirtschaft und sogar Empfehlungen zu marktinkonformem Verhalten. In Hochkonjunkturzeiten empfehlen wir unseren Unternehmern, die Preise nicht zu erhöhen, sondern unter dein Marktpreis zu bleiben, also sozusagen ein Kartell nach unten, ein Gentleman's Agreement nach unten zu machen.
Es gibt natürlich viele Arten von Empfehlungen. Ich will einmal die Empfehlungen, die etwa wünschenswert sein könnten, ganz beiseite lassen. Ich will nur von den Hunderten und Tausenden von Empfehlungen sprechen, die unerwünscht im Sinne des Gesetzes sind, die wir aber nicht erfassen können. Wir können es den Leuten nicht nachweisen. Unsere Kartellbehörde, die wir ohnehin mit Aufgaben überlasten, würde weiterhin mit einer unabsehbaren Zahl von Bagatellfällen behelligt sein, mit den vielen Denunziationen, z. B.: Auf dem Wochenmarkt Soundso ist einer aufgetreten und hat die und die Empfehlung abgegeben usw. Aus diesem Grunde habe ich schon in meinem ersten Gesetzentwurf die Strafverhängungen gegen die Empfehlungen, ich möchte sagen, stark institutionalisiert. Erstens einmal habe ich mich nicht gegen alle jene gerichtet, die eine Empfehlung geben, mit den Preisen nicht herunterzugehen oder die und die Konditionen anzuwenden, sondern nur gegen die sozusagen gewerbsmäßigen Kartellempfehler, also gegen Leute, die in Wirtschaftszweigen, in denen sich ein richtiges Kartell schwer herstellen läßt, herumreisen und Empfehlungen, namentlich schriftliche und gedruckte Empfehlungen, geben. Zweitens habe ich in dem Paragraphen vorgesehen, daß die Kartellbehörde einem solchen Mann untersagen kann, die Empfehlungen fortzusetzen, und daß er aus praktischen Gründen erst bestraft werden soll, wenn er gegen diese Untersagung verstößt.
Adam Smith hat an einer berühmten Stelle seines Werks gesagt: Kaufleute kommen nicht einmal zum gesellschaftlichen Vergnügen zusammen, ohne daß ihre Zusammenkunft mit einer Verschwörung gegen das Publikum und einer Heraufsetzung der Preise endet. Aber er hat dazu gesagt: Diese Zusammenkünfte darf man in einem freien Staat nicht verhindern. Fortfahrend hat er geschrieben: Man sollte diese Zusammenkünfte aber auch vom Gesetzgeber her nicht anregen. Deswegen war er z. B. gegen die Übertragung von Lehrlingskassen an kaufmännische und unternehmerische Vereinigungen. Adam Smith sagte nämlich: Dann kommen die Herren zusammen, sprechen 10 Minuten über die Lehrlingskassen und drei Stunden über Preiserhöhungen; deswegen soll man ihnen diese Möglichkeit nicht geben.
Aber hier bei den Empfehlungen greifen wir in einen Bereich der Freiheit ein, wo wir ins Leere stoßen, wo wir auch zu stark in die Gefahr kommen, Freiheiten einzuschränken, wo wir erleben können, daß die gewissenhaften Leute, etwa Wirtschaftsjournalisten, sich besorgt sagen: Wir müssen uns in acht nehmen, dürfen etwas Derartiges nicht mehr schreiben, sonst bekommen wir eine Ordnungsstrafe von der Kartellbehörde. Die Leute,
denen das nichts ausmacht, die gelegentlich auch eine Ordnungsstrafe hinnehmen und nachher um Stundung bitten, fassen wir doch nicht.
Aus diesem Grunde sollten wir uns hier beschränken. Wie gesagt, ich fürchte nichts mehr als solche Gesetzesbestimmungen, die zwar den Wettbewerb schützen und die Machtbildungen beschränken sollen, mit denen wir uns aber lächerlich machen. Diesem Fiasko möchte ich unser Gesetz nicht aussetzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Argument, das Herr Professor Böhm hier vorgebracht hat, wir sollten in Gesetzen keine Bestimmungen festlegen, mit denen wir uns unter Umständen blamieren, weil sie nicht durchführbar sind, ist sicherlich als ganz allgemeine Richtlinie berechtigt. Ich respektiere auch, Herr Professor Böhm, daß Sie auf Grund Ihrer Erfahrungen im Reichswirtschaftsministerium mit der Kartellverordnung manchen von uns eine Menge voraus haben. Aber da wir, wie Sie selber gesagt haben und wie auch Herr Hoffmann und wohl auch Herr Hellwig festgestellt haben, mit dieser Bestimmung über Empfehlungen Neuland betreten, ist es für uns alle eine Frage, welche Wirkungen wir uns von einer solchen Bestimmung versprechen dürfen. Dabei ist es vielleicht weniger entscheidend, welche Erfahrungen der eine oder andere mit früheren gesetzlichen Bestimmungen, die von anderen Voraussetzungen getragen waren — wie die alte Kartellverordnung —, gemacht hat, welche Wirkungen er hat feststellen können. Wir wissen alle noch nicht, wie sich eine solche Bestimmung auswirken wird. Wir wissen nicht, wie sich der § 24 in seiner gegenwärtigen Fassung auswirkt; aber, verehrte Herren Kollegen Antragsteller, Sie wissen genausowenig, wie sich der neue § 31 auswirken wird. Wir können auf beiden Seiten, wenn wir wollen, Vermutungen darüber anstellen. Herr Kollege Hoffmann hat noch einmal erklärt, daß uns vermutlich immer wieder die grundsätzliche Beurteilung des Gesamtproblems zu diesen Meinungsverschiedenheiten führt.
In dem § 31 Abs. 1 a, den Sie an Stelle des § 24 haben wollen, steckt die wesentliche Veränderung, daß nur derjenige zur Verantwortung gezogen wird, dessen Empfehlung den Erfolg gehabt hat, daß sich die Aufgeforderten tatsächlich gleichförmig am Markte verhalten haben. Wer also erfolglos eine Empfehlung ausgesprochen hat, geht frei aus.
Ich habe den Eindruck, daß man hier Narrenfreiheit für alle möglichen Leute gewährt, die sich in wüstesten Propagandareden unter den verschiedensten Umständen ergehen wollen. Denken Sie an zeitweilig schwierige Verhältnisse auf dem Lande bei den Bauern, beim Handwerk, beim Einzelhandel oder auch beim übrigen kleinen oder mittleren Gewerbe. Sie wissen sehr wohl, daß viele unserer lieben Mitbürger, auch wenn man von ihnen nüchterne betriebswirtschaftliche oder wirtschaftliche Überlegungen erwarten sollte, nicht immer so nüchtern sind, sondern sehr vieles, gerade auch, was die Betätigung am Markte anbetrifft, unter Gefühlseindrücken und im Zusammenhang mit Gefühlsausbrüchen betrachten. Es kann also nach diesen Empfehlungen jeder kreuz und quer durch die Lande reisen und bestimmte Dinge in wüstester Form aussprechen und kann das dümmste Zeug draußen erzählen, vielleicht in der Annahme, die anderen Kollegen sind so vernünftig — —
— Nein, Dummheit kann man nicht verbieten; das ist völlig richtig, Herr Hellwig. Sie sollen aber auch nicht ein grünes Licht dafür hinstellen. Das tun Sie doch in Wirklichkeit.
Wir wollen uns nicht über Fragen unterhalten
— das gehört an sich in ein anderes Thema hinein; mein Freund Kriedemann machte soeben einen solchen Zwischenruf; wir hätten im Grunde Gelegenheit, uns im Zusammenhang mit dem Punkt darüber zu unterhalten —, die das Untersuchungsergebnis des 3. Untersuchungsausschusses — Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette — betreffen.
— Herr Horlacher, Sie sagen jetzt lieber nichts. Ich sage jetzt auch nichts; aber wir werden noch etwas dazu sagen. Wir könnten uns über andere Dinge auf diesem Sektor unterhalten. Wir könnten über Geschehnisse im gewerblichen Sektor reden.
Aber, meine Damen und Herren, wir sind uns doch darüber klar gewesen, daß unter den Abs. 1 des § 24, der da lautet:
Empfehlungen zu einem Verhalten, das nach diesem Gesetz oder nach einer auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verfügung der Kartellbehörde nicht zum Gegenstand einer vertraglichen Bindung gemacht werden darf, dürfen nicht öffentlich, gegenüber einem größeren Personenkreis oder gegenüber Unternehmen im Sinne des § 17 Abs. 2
— das sind also die Oligopole —
ausgesprochen werden . . .
kein Wirtschaftsminister fällt, der Wirtschaftspolitik machen will und machen muß. Hierunter fallen auch keine Wissenschaftler, die sich, so vermute ich, auch objektiv wissenschaftlich äußern. Hierunter fallen im Grunde genommen auch nicht Journalisten. Das alles, verehrter Herr Kollege Hellwig, haben wir im Ausschuß als unseren Willen eindeutig festgestellt. Ich glaube auch nicht, daß die Juristen, wenn sie sich die Formulierung und Motive einmal im Zusammenhang ansehen, diesem § 24 Abs. 1, den ich soeben zitiert habe, eine solche Auslegung geben können, wie Sie sie für die Begründung Ihres Antrags auf Streichung des § 24 und Einfügung eines neuen Abs. 1 a in § 31 gebraucht haben.
Wir sind also der Meinung, daß mit dieser neuen Formulierung in der Tat eine Aufweichung des alten § 24 Abs. 1 dadurch erfolgt, daß auf den Erfolg einer Empfehlung abgestellt wird. Hier ist von vornherein derjenige gebunden, der Empfehlungen ausspricht, die im Sinne dieses Gesetzes nicht zum Gegenstand von vertraglichen Bindungen gemacht werden dürfen. Insoweit, glaube ich, ist das eine klare Sache. Zu dem Abs. 2 und zu
dem, was Sie in Ihrem dritten Satz angehängt haben, ist nichts zu sagen. Dazu gibt es keine Meinungsverschiedenheit. Entscheidend ist, daß Sie hier grünes Licht für Narrenfreiheit geben
dergestalt, daß wir draußen unter Umständen die wüstesten Empfehlungen serviert bekommen, ohne daß auch nur in. irgendeiner Form einem von diesen Leuten die Verantwortung, die er trägt, bewußt gemacht wird. Ich hin also der Meinung, verehrte Kollegen, daß Sie auf diese Aufweichung und damit auf die weitere Aufweichung des im Grunde in § 1 festgestellten Verbots mit entsprechendem Erlaubnisvorbehalt und Mißbrauchsaufsicht — § 17 und folgende — verzichten und es bei dem gegenwärtigen § 24 belassen sollten.
Noch einmal: Wir betreten Neuland. Wir müssen Erfahrungen sammeln; darüber sind wir uns völlig klar. Ich kann für meine politischen Freunde und für mich — unid ich vermute auch für die anderen, die sich hier geäußert haben — erklären: sollten sich Ihre Befürchtungen in der Tat als berechtigt erweisen, stehen wir nicht an, umgehend zu ändern, was hier falsch gemacht ist.
Sie haben von sich aus doch keine Veranlassung, im Augenblick auf die praktische Erprobung des § 24 Abs. 1, so wie hier beschlossen, zu verzichten. Ich bitte die Kollegen des Hauses ¡dringend, den Antrag, den Herr Kollege Hellwig begründet hat, abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine ganz kurze Bemerkung. Wenn Neuland betreten wird und wir bereit sind, die Formulierungen nach Erfahrungen, die wir in einer bestimmten Zeit sammeln, wieder zu ändern, Herr Lange, dann wählt man zunächst nicht die schärfste Formulierung, sondern man geht vorsichtig unid behutsam vor. Dann verbietet man nicht in Bausch und Bogen und sagt nicht: Wir ändern es nachher, wenn wir uns, wie Kollege Böhm gesagt hat, schon mit einer nicht durchführbaren Bestimmung blamiert haben. Ich möchte Ihnen für meine politischen Freunde sagen, wenn der § 31, wie wir ihn jetzt beantragt haben, nicht ausreichen sollte, sind auch wir bereit, diesem Thema noch einmal näherzutreten, Herr Kollege Lange. Ich glaube aber, es ist richtiger, mit dem kleineren Mittel anzufangen — die Proportionalität der Mittel ist nun mail ein Grundsatz von Gesetzgebung und Rechtsprechung — nicht gleich mit dem schärfsten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Lage, in der sich in unserer Wirtschaft und in unserer Wirtschaftspolitik der Wettbewerb befindet — es wird davon sehr viel geredet und sehr wenig gehalten, wie wir aus Hunderten von Beispielen wissen —, haben wir gar keine Veranlassung, mit den kleineren Mitteln anzufangen, wenn wir den Wettbewerb gegenüber denjenigen sichern wollen, die ständig dabei sind, ihn sich vom Leibe zu halten, weil sie herausbekommen haben, daß sie auf andere Weise sehr viel bequemer leben. Es wäre sehr viel nötiger, bei § 24 zu bleiben und erst später, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, was Sie befürchten, ein anderes Verfahren zu wählen. Weil Herr Kollege Samwer soeben verneinend mit dem Kopf genickt hat, als mein Freund Lange sagte, es sei eine Aufweichung, möchte ich mich auf das Urteil des sehr verehrten Herrn Professor Böhm aus Ihrer Fraktion beziehen, der — als er hier oben stand — ausdrücklich gesagt hat: Das ist eine Aufweichung. Es ist natürlich eine Aufweichung, wenn nicht in anderer Weise, dann in der Form, daß die-j enigen — hier ist von Narrenfreiheit geredet worden —, die wild und demagogisch daherreden und sich darauf verlassen, daß ihnen niemand folgt, machen können, was sie wollen. Sie können sogar zu einem Verhalten aufrufen, daß die Kartellbehörde ausdrücklich schon verboten hat. Sie brauchen sich nur darauf zu verlassen, daß die Gefolgschaft dankbar für große Worte, aber nicht bereit ist, einem solchen Redner zu folgen. Was wird der Erfolg davon sein? Es werden hemmungslose Reden gehalten werden, es wird Schlagzeilen in die Zeitungen und höchst unerfreuliche Auseinandersetzungen bringen. Wenn man in dem Bereich, in dem ich mich meistens umzutun habe — für den einen oder anderen besteht die Agrarpolitik sowieso nur mehr aus Propaganda als aus ernsthaftem, sachlichem Nachdenken —, das ,aus der Überzeugung tut: Die Leute freuen sich, und sie tun es nachher doch nicht, vielleicht, weil es der Markt -gar nicht erlaubt —, dann werden solche Schlagzeilen, wie gesagt, gar nichts anderes als den Arger oder die Empörung einer anderen Bevölkerungsgruppe hervorrufen. Dieser Arger und diese Empörung richtet sich gegen diejenigen, in deren Namen so dumme Redereien gehalten werden. Der §. 24 erlaubt allen verantwortungsbewußten Leuten, gegenüber dem Personenkreis, der einen solchen Anspruch an diese Leute stellen kann, alles das zu sagen, was notwendig ist, mit dem gebührenden Respekt vor dem, was geltendes Recht ist. Das wird aufgeweicht — Aufweichen ist viel zu wenig gesagt —, das wird abgeschafft und ersetzt durch eine Formulierung, die geradezu eine Prämie für diejenigen ist, die so demagogisch sind, daß ihnen ihre eigenen Zuhörer nicht glauben. Ob uns damit gedient ist, ist fraglich. Das haben jedenfalls Sie zu verantworten.
— Das ist genauso, wie ich es Ihnen gesagt habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1282 Ziffer 1 auf Streichung des § 24 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dias erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Damit ist der § 24 gestrichen.
Ich rufe auf die §§ 26, 26 a, 26 b, 26 c, 26 d, 26 e, 26 f, 27, 28, 29 und 30 in der Ausschußfassung. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegen-
probe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nunmehr § 31 auf, dazu den Antrag auf Umdruck 1282 Ziffer 2, unid zwar die Buchstaben a und b. Dieser Antrag war schon begründet, ich muß aber formell noch einmal die Aussprache eröffnen. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache und komme zur Albstimmung.
Wer dem Antrag Umdruck 1282 Ziffer 2 Buchstabe a zustimmen will — Absatz 1 Nr. 9 soll danach gestrichen werden —, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Nun lasse ich über den Antrag Umdruck 1282 Ziffer 2 Buchstabe b abstimmen. Danach soll ein Absatz 1 a bestimmten Wortlauts eingefügt werden. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wer dem so geänderten § 31 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Nunmehr rufe ich die §§ 32, — 33, — 33 a, — 34 entfällt, — 35 und 35 a in der Ausschußfassung auf. Wird das Wort gewünscht? — Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Lange, bitte!
Ich bitte, über die §§ 32 und 33 zusammen und dann über die restlichen aufgerufenen Paragraphen abzustimmen, weil in den beiden ersten Paragraphen die Höhe des Bußgeldes usw. festgelegt ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe also die §§ 32 und 33 auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen §§ 32 und 33 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte .das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung und vielen Gegenstimmen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr §§ 33 a, — 34 entfällt, — 35 und 35a zusammen auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Nunmehr rufe ich § 36 auf, dazu den Antrag Umdruck 1269 Ziffer 1 und den Antrag auf Umdruck 1277. Sie sind, wenn ich es richtig übersehe, inhaltsgleich. — Herr Abgeordneter Dr. Hellwig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier eigentlich nur um die Korrektur einer Unterlassung. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik war sich darüber klar, daß die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes bei Wettbewerbsfragen gegenüber der Bundesbahn und der Bundespost festgelegt werden solle. Wenn das nicht ausdrücklich gesagt wird, würde sich hier eine Zuständigkeit von Landeskartellbehörden ergeben, die gegenüber diesen bundesumfassenden Unternehmungen natürlich höchst umpraktikabel wäre. Daher haben sich Kollegen mehrerer Fraktionen entschlossen, Ihnen mit einem Änderungsantrag die Einfügung eines Buchstabens e in § 36 vorzuschlagen, worin klargestellt wird, daß das Bundeskartellamt als Kartellbehörde gegenüber der Deutschen Bundespost und der Deutschen Bundesbahn verstanden wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Dr. Hellwig, damit ist 'auch gleichzeitig der Umdruck 1269 Ziffer 1 'begründet — er ist ja mit dem Antrag Umdruck 1277 inhaltsgleich —, unid wir brauchen keine weitere Begründung.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1269 Ziffer 1 — ist gleich Umdruck 1277 — zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wer dem nunmehr so geänderten §§ 36 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe 'auf § 37. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem § 37 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe auf § 38, dazu den Änderungsantrag Umdruck 1269 Ziffer 2. — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage der Unterzeichner des Antrags Umdruck 1269 — es sind Kollegen aus verschiedenen Fraktionen — darf ich den Antrag unter Ziffer 2 kurz wie folgt begründen.
§ 38 Abs. 1 Nr. 2 sieht vor, daß die Kartellbehörde
bei Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen innerhalb der üblichen Geschäftszeiten die geschäftlichen Unterlagen einsehen und prüfen
kann. Eine solche Prüfungsbefugnis ist erforderlich — darüber sind wir uns alle einig —, damit man sich in privaten und öffentlichen Unternehmungen eine Übersicht über betriebliche Vorgänge verschaffen kann.
Die Antragsteller sind aber der Auffassung, daß von einer solchen generellen Regelung die Bundesbahn und die Bundespost als Sondervermögen des Bundes ausgenommen werden sollten. Bundesbahn und Bundespost werden in bundeseigener Verwaltung geführt. Die Bundespost ist unmittelbar einem Bundesminister unterstellt; sie wird unmittelbar von ihm geleitet. Bei der Bundesbahn werden die Betriebsvorgänge im einzelnen zweistufig geprüft, erstens von dem Hauptprüfungsamt der Bundesbahn und zweitens vom Bundesrechnungshof. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß alle wesentlichen Geschäftsvorgänge der Überwachung durch den Verwaltungsrat der Bundesbahn unterliegen. Darüber hinaus hat der Bundesverkehrsminister kraft Gesetzes eine Aufsichtspflicht und die Berechtigung, über alle Betriebsvorgänge Auskunft zu verlangen. Der Bundesbahn ist also jetzt schon ein vierstufiges Kontrollsystem mit einer erheblichen Bürokratie aufgepfropft worden. Ich bin der Meinung, daß diese vielfache Kontrolle genügen sollte und daß bei einer so vielseitigen Kontrolle die Gefahr eines unlauteren oder ungesetzlichen Verhaltens wohl kaum gegeben ist.
Der 3. Bundestag wird sich vordringlich mit der Sanierung der Bundesbahn beschäftigen müssen. Wir erschweren aber die vordringliche und notwendige Sanierung, wenn wir die Verwaltungsarbeit der Bundesbahn weiter vermehren, anstatt sie abzubauen. Aus der Drucksache ist ersichtlich, daß dem Anliegen der Antragsteller in der ursprünglichen Form der Regierungsvorlage Rechnung getragen worden ist. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hat den bisherigen Abs. 2 gestrichen. Mit dem Antrag Umdruck 1269 wird bezweckt, die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Ich bitte Sie, aus den dargelegten Gründen dem Antrag unter Ziffer 2 zuzustimmen. um eine wirklich unnütze Bürokratie zu vermeiden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Hause braucht eigentlich nicht darüber diskutiert zu werden, daß eine obere Bundesbehörde bei öffentlichen Unternehmen, die gleichfalls der Aufsicht des Bundes unterliegen, nun nicht etwa mit Haussuchungen und Prüfungen im Betrieb vorgeht. Die Bereinigung derartiger Fragen, also etwa einer Beschwerde rüber wettbewerbsschädliches Verhalten der Bundesbahn, wird doch dann innerhalb der Ressorts versucht und mit Sicherheit auch erreicht werden.
Ich glaube, es macht einen schlechten Eindruck, wenn hier ausdrücklich die Streichung einer Bestimmung, die die Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten der Kartellbehörde betrifft, ausgerechnet zugunsten der Bundesbahn und der Bundespost — aber die Sache ist ja wohl von der Bundesbahn gekommen — beantragt wird.
Man muß es im Zusammenhang mit der vorhin erfolgten Änderung des § 36 sehen. Wir haben, gerade um sicherzustellen, daß Fragen, die die Bundesbahn betreffen, in der Bundeszuständigkeit geregelt werden, ausschließlich das Bundeskartellamt in diesen Fragen gegenüber Bundesbahn und Bundespost zuständig gemacht, damit nicht etwa, wenn es sich um örtliche oder regionale Dinge handelt, eine Landeskartellbehörde innerhalb ihres Bezirks auf Grund dieser Nr. 2 Prüfungen bei einer Bundesbahn- oder Bundespoststelle vornimmt. Das wollten auch wir nicht. Aber nachdem nunmehr die Zuständigkeit auf Bundesebene liegt, sollte auch jederzeit erwartet werden, daß eine Inanspruchnahme dieser Ziffer durch das Bundeskartellamt vermieden wird. Es würde einen schlechten Eindruck machen und nur Mißtrauen hervorrufen, wenn hier eine Ausnahme für Bundesbahn und Bundespost gemacht würde. Andere öffentliche Wirtschaftsbereiche oder Unternehmungen würden für sich etwas Ähnliches beanspruchen; ich erwähne etwa Fragen der Forstverwaltung, die uns ja auch sehr bewegt haben.
Vielleicht spielt bei der ziemlich geschlossenen Meinung, die der Ausschuß für Wirtschaftspolitik in dieser Frage hatte, auch mit, daß wir eigentlich etwas unzufrieden sind mit der sehr zurückhaltenden Publizität der Bundesbahn gerade auf den Gebieten, wo das Parlament in den letzten Jahren Wünsche hatte. Ich erwähne: Gutachten zur Rationalisierung der Bundesbahn; ich erwähne die von diesem Hause angenommene Entschließung, in der in Verbindung mit dem Bundeshaushalt und dem Vermögensnachweis des Bundes verlangt wurde, daß auch die Bundesbahn ihre Wirtschaftsbeteiligungen im Vermögensnachweis des Bundes bekanntzugeben habe. Die Art, wie man dieses Publizitätsbegehren des Bundestages bisher behandelt hat, hat jedenfalls den Ausschuß bewogen, an dieser Stelle keine besondere Ausnahme zu machen. Wir haben nicht den Eindruck — nachdem die Zuständigkeit der Wettbewerbsaufsicht hier auf Bundesebene liegt —, daß es etwa zu einem Konflikt zwischen Ressorts kommen könnte, der dann zu einer Prüfung und Durchsuchung der. Geschäftsräume der Bundesbahn oder der Bundespost durch das Bundeskartellamt führen könnte. Das ist, glaube ich, nur ein theoretisches Gespenst.
Man sollte daher auf diesen Antrag verzichten.
Herr Abgeordneter Bleiß, es ist zur Frage zu spät. Aber ich bin gern bereit, Ihnen das Wort zu erteilen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich wollte den Herrn Kollegen Hellwig nur fragen, ob er der Meinung ist, daß es der Herr Bundesverkehrsminister unterlassen könnte, darauf zu achten, daß sich die Bundesbahn gesetzmäßig verhält.
Meine Damen und Herren, wird zum § 38 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache hierzu. Wir kommen zur Abstimmung über Umdruck 1269 — den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Wellhausen, Rümmele, Dr. Bleiß, Jahn , Rademacher, Schneider (Bremerhaven) und Genossen — Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 38 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 38 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe auf § 38 a. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 38 a ist angenommen.
§ 39 entfällt.
Ich rufe auf § 40, dazu die Änderungsanträge Umdrucke 1248, 1271, 1281 und 1283.
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1271 hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich mitteilen, daß Herr Professor Carlo Schmid, der den Antrag auf Umdruck 1248 als erster unterzeichnet hat, diesen
Antrag zurückgezogen hat, Der Antrag stammte vom Oktober 1956
und ist jetzt hier in Druck gekommen.
Bei dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 1271 handelt es sich also darum, als Sitz des Bundeskartellamtes Berlin zu bestimmen:
Meine Damen und Herren, darf ich an das erinnern, was in diesem Hause in acht Jahren über die Verpflichtung gegenüber Berlin gesagt worden ist. Es klingt Ihnen allen im Ohr, und ich brauche keine großen Ausführungen zu machen. Die Fraktionen haben sich in Bekenntnissen zu Berlin und in Plänen für Berlin gegenseitig überboten. Wir haben um die Jahreswende 1956/57 eine sehr ausgedehnte Diskussion in der Öffentlichkeit und im Anschluß daran auch hier im Hause um die Hauptstadt Berlin gehabt. Ich darf an den Vorschlag unseres Kollegen Bucerius erinnern, daß nach der kommenden Neuwahl des Bundestages die Gesamtheit der Bundesregierung oder wenigstens ein überwiegender Teil von hier den Umzug nach Berlin antreten solle.
Der Bundestag hat am 6. Februar dieses Jahres auf Grund eines interfraktionellen Antrages und eines einstimmig gebilligten Ausschußberichts einen Antrag angenommen, in dem folgendes steht:
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands.
Das ist eine Proklamation. Aber unter Ziffer 3 heißt es:
Der Bundesregierung wird empfohlen, — und dann unter e —
bei neu zu errichtenden Bundesbehörden von
vornherein Berlin ,als Sitz zu bestimmen.
Dieser Antrag ist vom Hause bei vier Gegenstimmen, im übrigen einmütig angenommen worden. Mit diesem Antrag hatten wir wieder einmal Bekenntnisse abgelegt. Heute kommt es darauf an, bei der ersten gegebenen Gelegenheit zu den Bekenntnissen zu stehen. Hier ist eine neue Bundesbehörde zu errichten. In dem von uns allen gebilligten Antrag heißt es, daß solche Behörden ihren Sitz in Berlin haben sollen. Und was geschieht dann? Nun, dann schieben sich zwischen die guten Bekenntnisse und die Realisierung all die Bedenken und die kleinen, kleinlichen Gegenargumente.
— Nein, nicht von allen Parteien, das ist nicht richtig. Die sozialdemokratische Fraktion beantragt einstimmig, daß der Sitz dieser Behörde in Berlin sein soll.
— Ich habe Ihnen gesagt: der Antrag Mannheim stammt aus dem Oktober des vorigen Jahres, lange bevor der Antrag „Hauptstadt Berlin" hier einstimmig gebilligt wurde, auf den ich mich eben bezogen habe. Der Antrag Mannheim ist von den Antragstellern, soweit sie Sozialdemokraten sind, zurückgezogen worden. Ich möchte das ganz klar machen. Alle Sozialdemokraten setzen sich dafür ein, daß der Sitz des Bundeskartellamtes in Berlin sein soll. Ich denke, das ist klar, und wir brauchen darüber nicht mehr zu streiten.
Jetzt kommen die kleinlichen Bedenken. Der Herr Bundeswirtschaftsminister möchte natürlich sein Kartellamt gegenüber haben und leicht, ganz leicht mit ihm verkehren können. Aber die Teilung Deutschlands und die Isolierung Berlins bringen Unbequemlichkeiten mit sich, die wir in Kauf nehmen müssen. Wenn wir solche Bekenntnisse ablegen, wie wir es damals getan haben, müssen wir uns diese 'Bekenntnisse auch etwas kosten lassen wollen
und auch gewisse Unbequemlichkeiten in Kauf
nehmen, die die Entscheidung dann mit sich bringt.
Es werden sogar sonderbare Argumente angeführt, nämlich daß Berlin für das Publikum, das da verkehren muß, zu weit entfernt sei. Ich kann mir übrigens nicht vorstellen, daß das ein gewaltiger Publikumsverkehr sein wird, vielleicht ein beachtlicher, aber nicht ein gewaltiger. Stellen Sie sich vor, die Hauptstadt wäre schon wieder Berlin und das Kartellamt wäre in Berlin! Dann wäre Köln noch genauso weit von Berlin entfernt, wie es jetzt entfernt ist. Die Reise nach Berlin ist also gar nichts Ungewöhnliches. Man hat sie früher, als Berlin die Hauptstadt Deutschlands war, auch von München, von Köln und von Hamburg aus antreten müssen. Man komme also doch nicht mit solchen Argumenten!
Ich darf auch daran erinnern, daß dieser Bundestag dem 'Herrn Präsidenten gegenüber den Wunsch ausgesprochen hat, die erste Sitzung des 3. Deutschen Bundestages in 'Berlin abzuhalten. Dann werden wir wieder bei den Bekenntnissen. zu Berlin sein, aber ich glaube nicht, daß wir einen großen Eindruck auf die Berliner und die Menschen in der Zone machen werden, wenn wir nur wegen der Bekenntnisse und einiger Tagungen nach Berlin kommen. Aber dann, wenn es um Taten geht —und eine sehr große Tat ist das hier gar nicht — sind wir nicht dabei. Es wäre ein schlechter Abschluß unserer Arbeit in diesem Bundestag in bezug auf Berlin und die Wiedervereinigung, wenn wir hier unseren, ich wiederhole, nur gegen vier Stimmen gefaßten Beschluß revozierten. Für Berlin und die Wiedervereinigung, meine Damen und Herren, zählen nicht die Beteuerungen, Ida zählen die Taten, und da zählen, wenn es nötig ist, die Opfer.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht der Ort und nicht die Stunde, hier eine neue hitzige Berlin-Debatte zu entfachen. Ich glaube auch, wir dienen der Sache am besten, wenn wir diesen Punkt ganz nüchtern und sachlich überlegen.
Wir haben bei der großen Berlin-Debatte — und ich hatte den Eindruck: mit Zustimmung aller Seiten — den Grundsatz ,aufgestellt, daß alles nach Berlin gelegt werden soll, was der zukünftigen und bisherigen Hauptstadteigenschaft Berlins entspricht und was nicht aus zwingenden politischen oder technischen Gründen derzeit nicht nach Berlin gelegt wenden kann. Ich selber habe mich damals entschlossen — ich muß sagen: nicht ganz leichten Herzens, und ich weiß von einer Reihe meiner Freunde, daß es auch ihnen nicht ganz leicht ge-
fallen ist —, gegen die etwas weitergehenden Anträge aus einigen Gruppen unseres Hauses zu stimmen. Wir haben damals geglaubt, es bei der derzeitigen politischen und verkehrsmäßigen Situation unserer Hauptstadt noch nicht verantworten zu können, wesentliche Regierungsfunktionen nach Berlin zu verlegen. Aber diese Zurückhaltung, diese meiner Ansicht nach sehr gewissenhafte Zurückhaltung können wir nur verantworten, wenn nun das Gegenstück auch wirklich honoriert wird, d. h., wenn wir dort, wo es die technischen, verkehrsmäßigen und politischen Umstände gestatten, an der Hauptstadt nicht vorübergehen. Irgendwelche ernsthaften technischen Erwägungen, die für einen anderen Standort des Kartellamtes sprechen, kann ich nicht anerkennen.
Ich verstehe den Wunsch des Herrn Bundeswirtschaftsministers, das Kartellamt etwas in der Nähe zu haben. Ich frage mich, ob das sachlich so zwingend ist. Aber, Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn etwa der Standort Berlin den derzeitigen Bundeswirtschaftsminister veranlassen sollte, etwas häufiger nach Berlin zu kommen, so würde ich darin eine gewiß nicht unangenehme Nebenwirkung dieser Bestimmung sehen;
denn der Herr ,Bundeswirtschaftsminister kann sich darauf verlassen, daß es wenige Besucher gibt, die in Berlin so willkommen sind wie er.
Jedenfalls glaube ich auch nicht, daß es der Stellung einer selbständigen oberen Bundesbehörde entspricht, wenn sie in unmittelbarer Reichweite des Ministeriums liegt. Das haben wir auch sonst nicht anerkannt, und ich sehe hier irgendeinen zwingenden Grund ebensowenig
Daß das Kartellamt keinen großen Publikumsverkehr haben wird, versteht sich von selbst.
— Na schön! Dann sollten sich die Leute aber auch ruhig die Mühe machen, die ich jede Woche einmal, manchmal ein paarmal in derselben Woche, auf mich nehmen muß, und sollen in Gottes Namen nach Berlin kommen.
Es ist natürlich so — !insofern möchte ich der etwas pathetischen Formulierung meines Kollegen Mommer doch zustimmen —, daß dieser Fall von einem großen Teil unserer Bevölkerung als ein gewisser Testfall aufgefaßt wird. Nachdem wir im Winter verantwortungsbewußt und aus wohlerwogenen Gründen geglaubt haben, die weitergehenden Anträge nicht annehmen zu können, ist jetzt der Testfall gegeben, ob wir dort, wo wenigstens diese Umstände nicht mehr bestehen, die Hauptstadtfunktion Berlins anerkennen, wenn es ohne größeren Schaden möglich ist.
Deshalb möchte ich Sie bitten — ich glaube, daß das eine Bitte ist, die, wie aus dem Antrag zu ersehen ist, von sehr vielen Mitgliedern des Hauses getragen wird —, die Berliner nicht zu enttäuschen und auch unser Land daran zu gewöhnen, daß der Mittelpunkt von Regierung und Verwaltung künftig die Hauptstadt Berlin sein wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich zur Begründung des Antrags Umdruck 1281 zum Wort gemeldet. Die Argumente, die Herr Kollege Mommer für den Antrag der SPD vorgetragen hat, und die Gründe, die Herr Kollege Dr. Friedensburg hier allgemein vorgebracht hat, gelten selbstverständlich auch für den gemeinsamen Antrag der drei im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen. Das Haus hat also vorliegen: einen Antrag der SPD und einen Antrag der drei im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen mit Unterschriften von Berliner und nichtberliner Mitgliedern dieses Hauses aller drei Parteien.
Es ist also eine Frage, ob es sich empfiehlt, nun den Antrag einer Partei oder den gemeinsamen Antrag von drei Parteien anzunehmen. Das ist die eine Frage, die das Haus zu entscheiden hat. Die andere, rein technische Frage, die wir klären müssen, ist die, ab eine solche Entscheidung in der zweiten Lesung oder, wie es bisher üblich war, in der dritten Lesung gefällt wird. Auch darüber muß sich das Haus klarwerden.
Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, daß über den Inhalt dieses Antrags eigentlich schon entschieden ist. Das Haus hat am 6. Februar dieses Jahres einstimmig — bis auf vier Stimmen — beschlossen, daß künftige Bundesbehörden in Berlin errichtet werden. Das Haus hat also im Grunde weiter keine Entscheidung zu fällen, sondern sich an die damals bereits gefällte Entscheidung zu halten. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß es jetzt das erste Mal ist, daß das Haus auf die Probe gestellt wird, ob es sich an die Entscheidung vom 6. Februar hält oder nicht. Für eine solche Entscheidung gilt bekanntlich das Wort, daß man sie sehr ernst nehmen sollte.
Ich glaube, in der Sache ist die Entscheidung schon gefallen. Aber ich möchte wiederholen: in der Form müssen wir überlegen, ob wir in der dritten oder in der zweiten Lesung entscheiden. Wir müssen ferner überlegen, ob wir den gemeinsamen Antrag oder den Antrag der SPD zur Grundlage der Entscheidung machen wollen. Ich glaube, wir sollten uns drittens darüber klarwerden, nach welchem Verfahren wir abstimmen, da der alte Antrag Mannheim noch vorliegt. Wir haben meines Wissens bei einer solchen Gelegenheit einmal eine geheime Zettelwahl durchgeführt. Ich glaube, es wäre zu empfehlen, auch in diesem Falle dieses Verfahren anzuwenden.
Das Wort hat der Abgeordnete Maier .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin verwundert über die Erklärung des Herrn Kollegen der SPD. Er hat gesagt, Herr Professor Carlo Schmid habe seine Unterschrift zu diesem Antrag zurückgezogen. Gestern abend und heute morgen habe ich noch mit ihm darüber gesprochen, und wir haben uns darüber unterhalten, was wir angesichts der eingebrachten Anträge nun tun sollten. Er war mit mir und dem Kollegen Margulies, der bei den Mitunterzeichnern dieses Antrags in der ersten Reihe aufgeführt ist, der Auffassung, daß wir ungeachtet der eingegangenen Anträge für Berlin auf unserem Standpunkt beharren sollten,
aber daß wir uns hier nicht ereifern möchten und nicht dazu reden sollten. Ich war damit einverstanden. Auch der Kollege Margulies hat dem zugestimmt.
Ich hätte also nicht das Wort ergriffen, wenn nicht soeben für Berlin diese besondere Lanze gebrochen worden wäre. Zweifellos wird die Mehrheit dieses Hauses dem Antrag „Berlin" zustimmen. Aber lassen Sie mich nun doch noch einiges dazu sagen. Die Anträge, Berlin als Sitz zu bestimmen, sind gestern oder heute eingebracht worden. Wir Antragsteller haben vor Jahr und Tag — nicht erst im Oktober 1956, sondern bereits im Oktober 1955 — um diesen Antrag hier gerungen und haben Freunde im ganzen Haus gebeten, unseren Antrag zu unterstützen. Wir haben seit dieser Zeit auch mit Herrn Bundeswirtschaftsminister Erhard korrespondiert, haben ihn gebeten, auch seinerseits dazu beizutragen, daß dem Wunsch der Stadt Mannheim entsprochen wird.
— So lange ist das schon her, und manche der Damen und Herren haben schon längst vergessen, daß ihre Unterschrift unter dem Antrag steht. Es ist wirklich passiert: auf den Anträgen für Berlin sind die gleichen Unterschriften zu finden!
Wir bedauern, daß wir hier mit unserer uns allen lieb gewordenen Hauptstadt Berlin in Konkurrenz treten müssen. Ich bin allerdings der Meinung, daß die Regierung nach der Wiedervereinigung so schnell wie möglich nach Berlin gehört, daß aber nicht unter allen Umständen jede Behörde in Berlin sein muß, sondern daß eine Dezentralisation durchaus gerechtfertigt wäre.
Dann darf ich noch folgendes sagen, um mich eines Auftrags zu entledigen. Ich darf darauf hinweisen, daß 'das Land Baden-Württemberg seinerzeit durch entsprechende Intervention beim Herrn Bundeswirtschaftsminister das Anliegen der Freunde aus Mannheim unterstützt hat und auch darum bemüht war, daß dieses Kartellamt, wenn es einmal realisiert werden soll, nach Mannheim kommt.
Nun lassen Sie mich sachlich noch ganz kurz folgendes sagen. Die Stadt Mannheim hat eine Wirtschaftshochschule. 17 km weiter auf der Autobahn liegt die Stadt Heidelberg mit ihrer Universität. Es stehen dadurch beste Bibliotheken zur Verfügung, die das Kartellamt nötigenfalls zum Studium der konkreten Fragen braucht. Dann ist Mannheim der Schnittpunkt von drei Bundesländern: Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Diese Lage läßt die Stadt Mannheim besonders prädestiniert erscheinen. Deshalb brechen wir mit gutem Grund für Mannheim eine Lanze.
Ich bitte das Hohe Haus darum, für unseren Antrag einzutreten. Ich danke Ihnen im voraus.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke dem lieben Gott und dann selbstverständlich auch der CDU, daß ich einen Wahlkreis habe, der für die Einrichtung einer obersten Bundesbehörde oder eines Bundesgerichts absolut nicht in Frage kommt.
Aber, meine Damen und Herren, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Namhaftmachung des Sitzes einer obersten Bundesbehörde oder eines Bundesgerichts nicht zu den Aufgaben der Legislative, sondern zur Organisationsgewalt der Bundesregierung, d. h. der Exekutive, gehört. Ich bin mir allerdings bewußt, daß das Hohe Haus von Anfang an von Bonn über Karlsruhe, Nürnberg usw. gegen diesen Grundsatz gehörig gesündigt hat.
Das nahm im 1. Bundestag manchmal lächerliche Formen an. Ich entsinne mich noch, daß Kassel als Sitz für die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung damit begründet wurde, daß es dort noch sehr viel Arbeitslose gebe.
Ich sage nochmals, meines Erachtens gehört die Namhaftmachung des Sitzes einer obersten Bundesbehörde oder eines Bundesgerichts nicht zu den Aufgaben der Legislative, sondern zur Organisationsgewalt der Exekutive, d. h. der Bundesregierung. Aber wenn das Hohe Haus diese Entscheidung trotzdem an sich ziehen will, stimme ich für Berlin.
Herr Abgeordneter Dr. Dresbach, gestatten Sie dem Abgeordneten Dr. Bucerius eine Zwischenfrage? — Es ist zu spät für die Frage des Abgeordneten Dr. Bucerius. Wollen Sie das Wort haben, Herr Abgeordneter Bucerius? — Nach dieser Wendung der Dinge nicht mehr.
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE unterbreitet Ihnen auf Umdruck 1283 den Antrag, als Sitz des Bundeskartellamtes Berlin vorzusehen. Ich darf auf die Feststellung der Herren Vorredner verweisen, daß der Bundestag am 6. Februar 1957 fast einstimmig beschlossen hat, der Bundesregierung zu empfehlen, für jede neue 'Behörde als Sitz die Stadt Berlin vorzusehen. Nun, Empfehlungen nützen hier wenig; die Taten sind alles. Heute haben wir es selber in der Hand, den Sitz des neuen Kartellamts zu bestimmen. Wenn es schon schwer ist, bestehende Behörden nach Berlin zu verlegen, weil dabei gewisse Widerstände zu überwinden sind, dann sollten wir jedenfalls für neue Bundesbehörden von vornherein Berlin als Sitz festlegen. Die bestehenden Behörden, die bis jetzt nach Berlin verlegt worden sind, haben sich im Anfang sehr gesträubt, weil sie meinten, das Arbeiten in Berlin sei unter den gegebenen Verhältnissen sehr schwierig. Aber im Endeffekt hat sich doch herausgestellt — so sagt der Senat der Stadt Berlin —, daß alle, die heute dienstlich in Berlin sind, sehr froh sind, daß sie dort arbeiten können. Wir sollten also als Sitz der neuen Behörde Berlin festlegen.
Es wäre gar nicht zu verantworten, im Bonner Raum oder in Mannheim neue Gebäude zu erstellen, die in Berlin schon heute für diese Aufgabe zur Verfügung stehen oder zumindest im Rahmen seiner Neuplanung sehr schnell erstellt werden können. Die Bundesregierung hat dann zwar vorläufig das 'Bundeskartellamt nicht an ihrem Sitz; ,aber da sie sehr flugfreudig ist, wird es ihr nicht schwer-
fallen, bei den Verhandlungen immer vertreten zu sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat zu dieser Frage nicht Stellung genommen. Er hat sich dem Vorschlag des Bundesrats zu § 40 Abs. 1 angeschlossen und damit darauf verzichtet, daß eine Bestimmung über den Sitz des Bundeskartellamts in das Gesetz aufgenommen wird. Er hat dadurch zum Ausdruck gebracht, daß es in die Organisationsgewalt der Bundesregierung gehört, den Sitz zu bestimmen.
Vom wirtschaftspolitischen Standpunkt, d. h. unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit des Bundeskartellamts wurde aber doch sehr stark die Meinung vertreten, daß zumindest für die Anlaufzeit eine enge räumliche Verbindung mit dem Bundeswirtschaftsminister notwendig sei, schon deswegen, weil nunmehr ein Übergang der Kompetenzen vom Bundeswirtschaftsminister auf das Bundeskartellamt stattzufinden hat und in der Übergangszeit eine ganze Reihe van Maßnahmen zu treffen sind. Daher behalte ich mir mit einigen Freunden der CDU/CSU vor, für den Fall, daß entgegen der Formulierung, die der Wirtschaftspolitische Ausschuß in § 40 Abs. 1 beschlossen hat, das Plenum in zweiter Lesung für den Sitz des Bundeskartellamts in Berlin stimmen sollte, Ihnen in ,dritter Lesung eine Übergangsregelung vorzuschlagen, die es ermöglicht, daß die 'Bundesregierung für die Überleitung der Kompetenzen auf das Bundeskartellamt zunächst abweichend von § 40 für eine befristete Zeit den Sitz des Bundeskartellamts bestimmt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Meine Damen und Herren! Ich habe den größeren Teil meines Lebens als Mitglied der praktischen Staatsverwaltung zugebracht und möchte dem Antrag meines Freundes Hellwig auf Grund meiner Erfahrungen auf das entschiedenste widersprechen. Wenn ein solches Provisorium erst einmal eingerichtet ist, wird es niemals wieder revidiert.
Mir täte eine Wirtschaftsverwaltung leid, die nicht das bißchen an Aufgaben zu bewältigen vermag, welches etwa aus der Überleitung von Bann nach Berlin entsteht. Es ware doch ein Armutszeugnis für unsere Verwaltung, wenn wir ihr das nicht zutrauten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Hellwig?
Bitte!
Herr Dr. Friedensburg, ich habe nach keinen Antrag gestellt. Ich habe nur angekündigt, daß wir uns vorbehalten, in dritter Lesung einen Antrag zu stellen. Da dieser Antrag noch nicht eingebracht und nicht begründet ist — —
Herr Abgeordneter Dr. Hellwig, das ist aber keine Frage!
Verzeihung! — Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen das entgangen ist.
Das ist mir nicht entgangen. Aber mein Freund Hellwig wird mir gestatten, 'daß ich auf diesen einstweilen theoretischen Antrag in theoretischer Form antworte, wenn dieser theoretische Antrag meiner Meinung nach etwas Ungereimtes enthält.
Ich wiederhole zur Zerstreuung der Bedenken, daß die Überleitung von Befugnissen des Bundeswirtschaftsministeriums auf ein in Berlin errichtetes Bundeskartellamt doch nicht ein Hexenkunststück ist, zu dessen Ausführung es 'besonderer Voraussetzungen bedürfte. Wir sollten unserer Verwaltung nicht ein solches Armutszeugnis ausstellen.
Ich möchte dringend bitten, von solchen Maßnahmen, wie sie der von Herrn Kollegen Hellwig angekündigte Antrag bezweckt, Abstand zu nehmen; sie lassen sich niemals wieder korrigieren.
Meine Damen und Herren, wird zu § 40 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann kann ich die Sachaussprache schließen.
Ich darf nun zur Geschäftsordnung feststellen: Es liegt ein Antrag vor, Mannheim als Sitz des Kartellamts zu bestimmen, und drei Anträge, Berlin zu nehmen. Diese drei Anträge sind nicht nur sinn-, sondern auch wortgleich. Die Frage des Abgeordneten Friedensburg, über welchen Antrag abzustimmen ist, erledigt sich nach dem Brauch dieses Hauses dadurch, daß über die drei gemeinsam abgestimmt wird. Sie werden behandelt, als ob es ein Antrag wäre.
Nun zuerst zu der Frage, wann abgestimmt wird. § 55 sieht nur vor, daß dann schriftlich in dritter Lesung mit Namensstimmzetteln abgestimmt wird, wenn es sich um mehr als zwei. Vorschläge handelt. Es sind jedoch nur zwei Vorschläge.
— Der Ausschuß hat überhaupt keinen Ort vorgeschlagen. Es handelt sich also nur um zwei Orte. Demgemäß müssen wir sofort und in der üblichen Weise, also ohne Zettel, abstimmen. Es könnte auch —um das rein geschäftsordnungsmäßig klarzulegen .— in dritter Lesung wieder ein Änderungsantrag gestellt werden.
Nun kommt die Reihenfolge. Man kann nicht behaupten, daß einer der beiden Anträge weiter geht als der andere, sondern man muß nach der Reihenfolge vorgehen, in der sie eingebracht worden sind. Der erste Antrag ist zweifellos nach der Nummer und nach dem Datum, nämlich um einen Tag früher als der andere, der Antrag Mannheim. Ich sehe keine andere Lösung dieser Frage. Dann dürfen wir abstimmen.
Vorweg habe ich noch folgendes zu bemerken. Der Abgeordnete Lahr legt Wert auf die Feststellung, daß nicht er den Antrag Umdruck 1281 unterschrieben hat, sondern der Abgeordnete Blöcker. Die Unterschriften der SPD-Abgeordneten auf dem Umdruck 1248 sind nach der Erklärung, die wir vorhin gehört haben, zurückgezogen.
Nachdem das klar ist, stimmen wir nunmehr ab über den Umdruck 1248, der Mannheim betrifft. Wer für Mannheim ist, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der .Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über die drei Anträge, die Berlin wünschen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; Berlin ist als Sitz bestimmt.
Ich lasse abstimmen über § 40 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um idas Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 40 a. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 41 zusammen mit dem Antrag Umdruck 1272 Ziffer 6. Wird dazu das Wort gewünscht?
Das Wort wird nicht gewünscht. — Meine Damen und Herren, mit etwas mehr Ruhe werden Sie mir das Reden und sich selbst die Abstimmung erleichtern. — Ich lasse also abstimmen über den Antrag der SPD, FDP, GB/BHE Umdruck 1272 Ziffer 6, dem § 41 einen Abs. 2 anzufügen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich lasse abstimmen über § 41 mit, der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf §§ 42, — 43, — 44, — 45, —46, — 47, — 47 a, — 48, — 48 a, — 48 b, — 48 c, — 49, — 50, — 51, — 52, — 53, — 54, — 55 und 56. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 57 zusammen mit dem Antrag Umdruck 1272 Ziffer 7. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Umdruck enthält zwei Änderungsanträge. Der eine Änderungsantrag befaßt sich mit dem Abs. 1 ides § 57. Wenn Sie den Ausschußbericht zur Hand nehmen, dann werden Sie daraus erkennen können, daß der Ausschuß eine Änderung der ursprünglich vorgeschlagenen
Fassung vorgenommen hat. Der erste Änderungsantrag zielt dahin, diese Vorschrift von Regelungen zu befreien, die als eine Selbstverständlichkeit anzusehen sind. Der Abs. 1 des § 57 soll nämlich folgende Fassung erhalten:
Das Beschwerdegericht entscheidet auf Beschluß.
Wir sind der Auffassung, daß es gefährlich wäre, in einem Gesetz Dinge auszusprechen, die selbstverständlich sind. Der letzte Satz — wenn ich den zunächst nehmen darf — lautet:
Der Beschluß darf nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
In diesem letzten Satz ist etwas enthalten, was verfassungsrechtlich allen Staatsbürgern in Art. 103 GG garantiert ist. Nach diesem Artikel hat jedermann einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Das rechtspolitische Anliegen des Antrags, diesen Satz zu streichen, ist folgendes: Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, als sei der Art. 103 GG etwa auslegungsfähig. Wenn der Gesetzgeber hier in besonderer Weise den Anspruch auf das rechtliche Gehör normiert, dann könnte man bei der Auslegung zu der Auffassung kommen, daß trotz der Venfassungsbestimmung dieser Anspruch nicht in jeder Weise, in jeder Lage und in jedem Verfahren als zweifelsfrei anzusehen sei. Es könnte der Eindruck entstehen, daß der Art. 103 GG eben .auslegungsfähig und damit letzten Endes einschränkbar sei. Um dem zu begegnen — und um nichts anderes handelt es sich —, zielt der erste Antrag darauf hin, diesen Satz zu streichen.
Aber es soll nicht nur dieser Satz gestrichen werden, sondern es soll auch der letzte Teil des zuvor angeführten Satzes gestrichen werden, der nichts anderes besagt, als daß das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden soll. Das heißt, es wird auch hier etwas Selbstverständliches normiert, nämlich die Unabhängigkeit der Gerichte in der Rechtsfindung. Wenn der Gesetzgeber glaubt, bei der Beratung und Behandlung eines solchen Gesetzes diese Unabhängigkeit der Rechtsfindung besonders normieren zu müssen, dann könnte hieraus der Eindruck entstehen, der Gesetzgeber habe hierzu eine Veranlassung. Ich glaube nicht, daß das Haus diesen Eindruck erwecken sollte, so daß es dem Anliegen dieses Antrags auf Streichung dieser Formulierungen zustimmen sollte. Das ist der erste der beiden Änderungsanträge zu § 57.
Der wesentlich bedeutsamere Antrag ist der zweite, der darauf hinzielt, den Abs. 4 des § 57 zu streichen. Dieser Abs. 4 befaßt sich mit einem Problem, das im Rechtsausschuß Anlaß zu eingehenden Erörterungen gegeben hat. Sie wissen, daß sich diese Erörterungen nicht nur auf den Rechtsausschuß beschränkt haben, sondern daß auch in der interessierten Öffentlichkeit die Frage, die der Abs. 4 des § 57 behandelt, sehr erhebliche Aufmerksamkeit gefunden hat. Dabei geht es darum, in welchem Umfange ein richterliches Prüfungsrecht bestehen soll. Meine Damen und Herren. die Ihnen vorliegende Formulierung über den Umfang des richterlichen Prüfungsrechtes — das ist § 57 Abs. 4 — ist nach unserer Auffassung in doppelter Hinsicht als mangelhaft anzusehen, bietet deshalb in doppelter Hinsicht Anlaß zu Beanstan-
dangen und gibt somit Veranlassung, den Ihnen vorliegenden Streichungsantrag zu stellen. Im ersten Teil der Ihnen vorliegenden Ausschußformulierung wird das richterliche Prüfungsrecht erweitert. Das ist daraus zu entnehmen, daß die Regelfälle eines richterlichen Prüfungsrechtes bei fehlerhaften Verwaltungsakten hier nur als Beispiele angeführt sind, nämlich durch die Einleitung, durch das Wörtchen „insbesondere", das ja nichts anderes als „zum Beispiel" heißt. Damit ist gesagt — und das ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, d. h. aus den Erörterungen, die im Ausschuß geführt worden sind —, daß man an eine weiteres Prüfungsrecht gedacht hat. Man hat nicht nur an die Prüfung der gesetzmäßigen Ermessensausübung gedacht, sondern man will eben eine weitergehende Überprüfung durch die Gerichte hier gesetzlich normieren.
Dabei erhebt sich die Frage, lauf was sich diese weitergehende, über die normale gesetzmäßige Ermetssensausübung hinausgehende Prüfung erstrekken soll. Da bleibt nichts anderes übrig — und das ergibt sich auch aus den ganzen Erörterungen, die geführt worden sind, wie aus dem vorliegenden Ausschußbericht —, als die Zweckmäßigkeit der Ermessensausübung zu überprüfen. Daran ist auch gedacht. Die Überprüfung der Zweckmäßigkeit heißt in diesem Zusammenhang nichts anderes und kann nichts anderes heißen, als daß die wirtschaftspolitische Zweckmäßigkeit überprüft werden soll. Nach Auffassung derer, die diese Ausschußvorlage insoweit beschlossen haben, kann das Gericht also sein wirtschaftspolitisches Ermessen an die Stelle des wirtchaftspolitichen Ermessens der Kartellbehörde setzen. Über diese Konsequenz, die sich aus der Formulierung des ersten Teils des vorliegenden Abs. 4 ergibt, muß man sich im klaren sein.
Wir sind der Auffassung, daß es einmal für die Gerichte unzumutbar ist, ihr wirtschaftspolitisches Ermessen an die Stelle des wirtschaftspolitischen Ermessens der Kartellbehörde zu setzen. Die Organe der Rechtspflege sind auf eine derartige wirtschaftspolitische — dabei unterstreiche ich das Wort „politische" — Überprüfung nicht eingestellt. Somit glauben wir, daß eine solche Regelung unzumutbar ist.
Aber sie ist nicht nur unzumutbar, sondern es wäre nach unserer Auffassung auch unerwünscht, ein derartiges Überprüfungsrecht, das ja auch gleichzeitig eine Überprüfungspflicht wäre, in wirtschaftspolitischer Hinsicht den Gerichten zu übertragen. Die Ausübung eines wirtschaftspolitischen Ermessens und wirtschaftspolitische Entscheidungen müssen Sache der politischen Organe sein, der Organe, die einer politischen Kontrolle unterworfen sind, der Kontrolle des verantwortlichen Ministers, der seinerseits der parlamentarischen Kontrolle unterworfen ist. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt. Wir wollen eben nicht, daß Aufgaben der Wirtschaftspolitik den Gerichten übertragen werden, und das ist der eine Gesichtspunkt, weshalb wir die Streichung für erforderlich halten.
Aber auch der zweite Gesichtspunkt ist wesentlich. Ich habe ausgeführt, daß sich aus dem ersten Teil der vorliegenden Formulierung eine Erweiterung ergibt. Aus dem letzten Satz des Absatzes 4 ergibt sich nun aber wieder eine Einengung. — Herr Kollege Pferdmenges, Sie schütteln mit dem
Kopf. Bitte, sehen Sie sich die Formulierung an. Danach soll die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung der Nachprüfung des Gerichts entzogen werden.
Wir glauben jedoch, daß es den Gerichten nur möglich ist, Entscheidungen — beispielsweise Entscheidungen auf Grund des § 7 Abs. 4 Ziffer 1 oder Entscheidungen, die wegen Verfügungen erforderlich sind, die nach § 12 des Kartellgesetzes ergehen — zu treffen, wenn gesamtwirtschaftliche Tatbestände bei der Überprüfung gewürdigt werden. Es kann klare gesamtwirtschaftliche Tatbestände geben, deren Beurteilung für die Überprüfung der gesetzmäßigen Ermessensausübung unerläßlich ist.
Weil das so ist, bedeutet dieser letzte Satz eine Einengung des Prüfungsrechtes. Er hat damit zur Folge, daß auch ganz bestimmte Einzelfälle — also etwa Fälle des § 12 - wegen der notwendigen Würdigung klarer gesamtwirtschaftlicher Tatbestände eben nicht überprüft werden können und auf Grund dieser gesetzlichen Formulierung auch nicht überprüft werden dürfen.
Diese Tatsache führt doch zu der Konsequenz — und es ist jetzt eine verfassungsrechtliche Konsequenz, die zu ziehen ist —, daß eben in ganz bestimmten Fällen ein Rechtsschutz nicht möglich ist.
Damit wird die Frage berührt, ob diese Formulierung nicht im Widerspruch zu Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes steht. Ich darf dem Hause mitteilen, daß in der Sitzung, in der der Rechtsausschuß die abschließende Entscheidung über diese Frage getroffen hat, gerade von seiten der Vertreter des Bundesjustizministeriums eingehend auf die verfassungsrechtliche Problematik einer solchen Einengung der Beurteilungsmöglichkeiten hingewiesen worden ist. In diesem Zusammenhang sind eben verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden.
Ich stelle fest, daß der Staatssekretär des Bundesministeriums der Justiz zur Zeit nicht mehr anwesend ist. Ich hätte ihn sonst ausdrücklich darum gebeten, zu dieser verfassungsrechtlichen Frage einer Einengung der gesamtwirtschaftlichen Beurteilungsmöglichkeiten Ausführungen zu machen. Es gibt eben Einzeltatbestände in diesem Gesetz, die auf Grund ihrer Formulierung nur beurteilt werden können, wenn klare gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zur Beurteilung dieser Einzelfälle berücksichtigt werden. Aus diesen verfassungsrechtlichen 'Bedenken glauben wir zusätzlich zu den zuvor angeführten Gründen Veranlassung zu dem Streichungsantrag zu haben.
Meine Damen und Herren, Sie werden vielleicht die Frage stellen: weshalb ein Streichungsantrag und weshalb nicht ein Antrag auf Änderung der Formulierung? Das hat einen guten Grund. Es gibt nichts Schwierigeres als die gesetzliche Normierung des Überprüfungsrechts von Verwaltungsakten. Herr Kollege Dr. Kopf, Sie haben an den Erörterungen im Ausschuß teilgenommen, und Sie werden bestätigen, daß sich hier ganz bestimmte Zweifelsfragen ergeben haben, die Beispiele dafür sind, wie schwierig es ist, hier eine klare Normierung durchzuführen. Wir halten es im Hinblick auf diese Schwierigkeiten für unschädlich, den Abs. 4 ersatzlos wegfallen zu lassen. Der generelle Umfang eines richterlichen Überprüfungsrechts, soweit es sich um die Überprüfung von Verwaltungsakten handelt, ist durch eine jahrzehntelange Rechtspre-
chung entwickelt worden. Wir sollten den Gerichten die Möglichkeit geben, sich auf der bisher bestehenden Basis einer Überprüfungsmöglichkeit mit den konkreten Fällen und den konkreten Aufgaben, die dieser Gesetzentwurf stellt, auseinanderzusetzen.
Aus diesen klaren Grundsätzen — zur Vermeidung der verfassungsrechtlichen Problematik und zur Vermeidung einer Entwicklung, in der wirtschaftspolitische Entscheidungen auf die Gerichte übertragen werden — halten wir es für unumgänglich, den Abs. 4 des § 57 zu streichen. Wir bitten um die Zustimmung zu diesem Antrag.
Das Wort hat !der Abgeordnete Dr. Wahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt mir nicht leicht, bei unserer übersetzten Tagesordnung das Hohe Haus mit einer längeren Darlegung über das Schicksal der Vorlage im Rechtsausschuß in Anspruch zu nehmen. Aber die Resonanz unserer Beschlüsse in der Öffentlichkeit zwingt mich dazu, etwas weiter auszuholen.
Als ich im Rechtsausschuß im Februar dieses Jahres zum erstenmal eine stärkere Einschaltung der Gerichte in das Verfahren zur Bekämpfung der Kartelle vorschlug, fand die Opposition noch verständnisvolle Worte für meinen Vorschlag, auch wenn sie ihn im ganzen ablehnte.
Meine Damen und Herren, worum geht es? Das audiatur et altera pars — auch die andere Seite möge gehört werden — liegt dem Juristen auf Grund seiner Ausbildung und besonders dem Richter im Blut. Eine Verwaltungsbehörde, die etwas Bestimmtes erreichen will, neigt dazu, den, der ihrer Zielsetzung im Wege steht, als lästigen Opponenten beiseite zu schieben. Je stärker der Elan ist, der hinter dem Ziel der Verwaltungsbehörde steht, um so größer ist diese Gefahr. Wir alle haben unsere Erfahrungen mit der Bürokratie. Vielleicht liegt es an der heutigen Massierung der Lebensvorgänge, die zu einer Schematisierung der verwaltungsmäßigen Behandlung drängt, und an der Rechtsverwilderung in den letzten Jahrzehnten. Oft spielt auch die mangelnde Verantwortungsfreudigkeit der Behörden eine Rolle, die sich nicht selten auf den Standpunkt stellen: Lieber lassen wir uns von den Gerichten verurteilen und zu der beantragten Maßnahme zwingen, als daß wir selber eine Entscheidung treffen, die wir im Grunde nicht für falsch halten; denn nur auf diese Weise können wir den politischen Angriffen der Öffentlichkeit und der politischen Kontrollinstanzen entgehen.
Wir stehen auf dem Standpunkt, daß deshalb die rechtsstaatlichen Errungenschaften der Nachkriegszeit einfach unentbehrlich sind und daß diese Grundsätze nicht teilbar sind, d. h. daß alle Bürger der Verwaltung gegenüber das Recht auf staatlichen Rechtsschutz haben. Daraus ergibt sich zunächst einmal die Tendenz meiner Vorschläge und auch der Vorschläge des Wirtschaftspolitischen Ausschusses, den Anteil der Gerichte an den Kartellverfahren gegenüber der Regierungsvorlage zu vergrößern.
Es kommt aber ein Weiteres hinzu. Wenn eine Rechtsmaterie Neuland ist, das der Gesetzgeber zum erstenmal in seinen Vorschriften bearbeitet, liegt es in der Natur der Sache, daß die Vorschriften zweideutig, unbestimmt sind, und erst eine gerichtliche Praxis ist imstande, die Grenze zwischen dem Erlaubten und Unerlaubten zu ziehen, die Zweifel über den Sinn des Gesetzes allmählich zu überwinden und die Generalklauseln juristisch faßbar zu machen, das heißt, aus ihnen gewohnheitsrechtliche Sätze bestimmten Inhalts zu entwickeln.
Wenn man demgegenüber die Nichtüberprüfbarkeit des Verwaltungsermessens betont, wenn man gar so weit geht, wie es ein Regierungsvertreter vom Justizministerium tat, die wirtschaftlichen Begriffe, mit denen das Gesetz dauernd operiert, als nur durch das Verwaltungsermessen ausfüllbar hinzustellen und ihnen die juristischen Begriffe entgegenzustellen, die allein vom Gericht ausgelegt werden könnten, dann entsteht eine undurchdringliche Nebelwand, die die für alle Beteiligten so notwendigen klaren Konturen des Reformwerkes für immer dem Auge entzieht. Dann besteht eben nicht die Chance, daß das Kartellrecht in seinen Prinzipien zum Bestandteil, zum bewußt ergriffenen und begriffenen Bestandteil unserer Rechtsordnung wird. Erst wenn dieser Entwicklungsstand erreicht wird, daß der Schutz der Wettbewerbsfreiheit von unseren Richtern ausgedeutet wird und dann auch in den Entscheidungssammlungen seinen Niederschlag findet, hat das Reformwerk gesiegt, während die Verlagerung der gesamten Verantwortung auf die Verwaltung und die Proklamation, daß es sich hier um eine der Verwaltung vorbehaltene Materie handle, durch das allgemeine Mißtrauen gegen den bürokratischen Staatsinterventionismus das Zusammenwachsen der deutschen Rechtswelt mit dem .neuen Kartellrecht verhindert.
Nun sagen die Antragsteller, die Überprüfung der Zweckmäßigkeit sei den Gerichten schon immer verwehrt, nur die Rechtsprüfung sei ihnen gestattet. Meine Damen und Herren: wenn sich die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts immer daran gehalten hätte, daß sie die Zweckmäßigkeit der Polizeimaßnahmen nicht zu überprüfen habe, hätte die großartige Rechtsprechung zu § 10 Teil II Abschnitt 17 des Preußischen Allgemeinen Landrechts sich niemals die geschichtlichen Verdienste um die rechtsstaatliche Ausgestaltung des preußischen Polizeirechts erwerben können. Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit gehen bei der Verwaltung ineinander über. Und wenn die Juristen der Opposition bei den Beratungen des Rechtsausschusses einerseits Jherings „Zweck im Recht" zitierten und andererseits aus einem deutschen Land berichteten, daß dort eine Verwaltungsentscheidung erst dann als gut gilt, wenn sie den Betroffenen nicht erkennen läßt, aus welchen Gründen sie getroffen worden ist. dann zeigt das, daß man bei dem Versuch, den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit zum Siege zu verhelfen, nicht damit beginnen sollte. die Nichtnachprüfbarkeit der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde an den Anfang zu stellen. Zum mindesten sollte auf diesem neuen Gebiet, auf dem Verwaltungsakte einmaliger Art in unser Rechtssystem eingeführt werden, den Gerichten der Beschwerdeinstanz Mut gemacht werden, wirklich in die zur Entscheidung stehenden Fälle einzudringen, damit sie versuchen, zu begreifen, was die Kartellbehörde zu ihren Maßnahmen bewogen hat.
Freilich, wenn es so ist, daß die Verwaltungsbehörde gleichwertige Maßnahmen zur Auswahl zur Verfügung hat, wenn also wirklich gesagt werden kann, daß die eine Entscheidung ebenso gut und richtig ist wie eine andere, dann wird das Gericht einen Ermessensfehler der Verwaltungsbehörde nicht feststellen können, wenn sie eine dieser Möglichkeiten ergriffen hat.
Man kann auch nicht sagen, daß die Gerichte überfordert würden, da unser Wirtschaftsstrafrecht schon jetzt die gleichen wirtschaftlichen Tatbestände, wie sie hier zur Debatte stehen, zu strafbaren Handlungen gemacht hat, deren Feststellung allein den Gerichten zusteht.
Auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte vermögen gegen den Vorschlag des Wirtschaftspolitischen Ausschusses nicht ins Feld geführt zu werden. Eines muß doch zu denken geben: daß in den Vereinigten Staaten die gesamte Entscheidung der Verwaltungsbehörde durch die Gerichte nachgeprüft werden kann, auch soweit sie Ermessenselemente enthält. Auch kann darauf hingewiesen werden, daß die Verwaltungsgerichtsordnungen der amerikanischen Zone, in denen man zuerst die Generalklausel in den Verwaltungsrechtsschutz eingebaut hat, einen Fall kennen, in dem das Ermessen in seinem gesamten Umfang für gerichtlich nachprüfbar erklärt ist. Die Formulierung stammte von dem langjährigen Vorsitzenden des Rechtsausschusses des 1. Bundestages, Herrn Laforet, und meinem inzwischen verstorbenen Kollegen, dem bekannten Verwaltungsrechtslehrer Walter Jellinek.
Auch im Flurbereinigungsgesetz wurde der gleiche Weg — vom Bundestag selbst — in diesen Monaten beschritten.
Nun sagt der Antragsteller, dadurch werde die politische Verantwortung des Ministers beeinträchtigt. Das ist offenbar unrichtig. Die Tatsache, daß ein Polizeibeamter geschossen hat, aber von den Gerichten freigesprochen worden ist, hat noch nie die Verantwortung des Polizeipräsidenten oder des Innenministers für das Schießen beeinträchtigen können.
Es ist zweierlei, die rechtlichen Konsequenzen für den Betroffenen aus den Maßnahmen der Verwaltung zu ziehen und die politische Verantwortung der Verwaltungsbehörde für diese Maßnahme zur Debatte zu stellen. Das System der Gewaltenteilung fordert eben, daß die Ermittlungsbehörde nicht allein über die Folgerungen aus dem ermittelten Tabestand entscheidet. Mindestens muß, wenn die Verwaltungsbehörde entscheidet, die gerichtliche Nachprüfung in weitem Umfang zugelassen werden. Gerade das amerikanische Vorbild, für dessen Entstehung vielleicht die „security of contracts clause" eine Rolle gespielt hat, zeigt, daß man im Kartellrecht diese weite Nachprüfung des Ermessens durch die Gerichte für notwendig gehalten hat.
Denn neben dem Kartellrecht gibt es in Amerika eine Überprüfung der Verwaltungsakte ohne Überprüfung der Zweckmäßigkeit. Aber gerade diese beschränkte Nachprüfung ist im Kartellrecht nicht zum Zuge gekommen.
In der Tat gibt es im gesamten Recht unseres Staates keinen Verwaltungsakt, der so weittragende Wirkungen für die Betroffenen und sonstigen Beteiligten hat wie die Maßnahme der Kartellbehörde.
Nun wird gesagt, in Amerika könnten sich die Gerichte eher einschalten als bei uns.
Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Wittrock?
Bitte!
Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Kollege Wahl, halten Sie es, unabhängig von allen rechtlichen Überlegungen, nicht gerade im Hinblick auf die von Ihnen soeben betonte besonders weittragende Bedeutung der Fragen, um die es hier geht, für unbedingt erforderlich, die politische und parlamentarische Verantwortlichkeit dies zuständigen Ministers so uneingeschränkt wie möglich zu wahren, und glauben Sie nicht, daß diese soweit wie möglich uneingeschränkte Wahrung der politischen Verantwortlichkeit des zuständigen Ministers durch das von Ihnen gewählte und bejahte Prinzip beeinträchtigt würde?
Das glaube ich gar nicht. Ich habe ja gerade gesagt, das ist zweierlei, und ich wollte mit meinen Ausführungen darauf hinaus, daß die rechtlichen Konsequenzen, die die Gerichte ziehen, auf einem ganz anderen Gebiet
gen als die politische Verantwortung. Das wollte ich gerade mit dem Beispiel des Polizeipräsidenten darlegen.
Nun wird gesagt, in Amerika könne man die Gerichte eher in das Verfahren einschalten als bei uns, weil das amerikanische Kartellrecht das Verbotsprinzip wirklich durchführe, während wir es vielfach durchbrächen. Aber auch in Amerika gilt die rule of reason, und in England hat nach dem Gesetz von 1956 das Gericht gerade die Abwägung der Vorteile für die Allgemeinheit gegenüber den Nachteilen für den einzelnen vorzunehmen.
Zu dem letzten Punkt, daß wir die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung bei der Ermessensüberprüfung dem Bundeswirtschaftsminister bzw. der Kartellbehörde vorbehalten wollten, darf ich aus dem 'Bericht Seite 13 mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einige Sätze vorlesen:
Man war sich 'darüber klar,
— heißt es hier —
daß die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung der Nachprüfung der Gerichte entzogen bleiben müsse, da die Verwaltungsgerichte häufig schon eine solche Würdigung — etwa in Verkehrssachen die Würdigung der Verkehrslage des Rundes — den politisch verantwortlichen Stellen überlassen haben. Es soll eben nicht so sein, daß das Gericht an Stelle des Bundeswirtschaftsministers die für die Kartellmaßnahmen entscheidende Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage vornimmt. Eine ähnliche, wenn auch in den Einzelheiten verschiedene Unterscheidung findet sich in dem Vertrag über die Montan-Union, der die Würdigung der Gesamtlage der Hohen Behörde vorbehält.
Ich glaube nicht, daß ausdieser Einschränkung der Nachprüfung des Verwaltungsermessens rechtliche Bedenken hergeleitet werden können. Ich habe je gesagt, daß diese Einschränkung bei den Verkehrssachen sowieso schon der Praxis der Gerichte entspricht.
Herr Abgeordneter Dr. Wahl, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Wittrock?
Ja!
Es tut mir außerordentlich leid, daß ich erneut eine Zwischenfrage stellen muß.
Herr Professor, wie stellen Sie sich die Beurteilung von Verfügungen nach § 7 und ,auch nach § 12 des Kartellgesetzes vor, etwa Verfügungen, die sich darauf stützen, daß eine Preisbindung mißbräuchlich oder in einer durch die gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse nichtgerechtfertigten Weise gehandhabt wird? Wie stellen Sie sich die Überprüfung einer solchen Verfügung vor, wenn dem Gericht die Beurteilung einer klaren gesamtwirtschaftlichen Lage verboten wird, — so wie idas durch den letzten Satz des Abs. 4 geschieht!? Wie soll das Gericht hier vorgehen?
Also zunächst die Frage des Mißbrauchs. Wir haben ja zwei Tatbestandsmerkmale, einmal den Mißbrauch und zum anderen die gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse. Die Feststellung des Mißbrauchs ist zu allen Zeiten eine Aufgabe gewesen, die die Gerichte zu leisten vermochten. Ich gebe Ihnen ohne weiteres zu, daß der Begriff des Rechtsmißbrauchs ein allgemeiner Rechtsbegriff ist; aber natürlich ist es ein Rechtsbegriff, mit dem sich die Gerichte auseinandersetzen werden.
Was nun zweitens die gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse angeht, so ist meines Erachtens die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse auf Grund unserer Bestimmung der Bundeskartellbehörde vorbehalten, weil wir in dieser Würdigung den entscheidenden wirtschaftspolitischen Akt sehen, den wir eben dem Minister vorbehalten müssen.
Wenn Sie diesen Satz streichen, Herr Wittrock. überhaupt alles streichen, fällt die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage sowieso unter das nicht nachprüfbare Verwaltungsermessen.
Ich darf am Schluß folgende Bemerkung machen. Herr Wittrock hat zu Beginn der Sitzung gesagt. im Rechtsausschuß sei die große Eile bedauert worden, mit der die Vorlage habe fertiggemacht werden müssen, und es seien auch gewisse Unvollkommenheiten der Ausschußvorlage beklagt worden. Wir haben uns dann dahin schlüssig gemacht, die im Ausschuß erarbeitete Vorlage an den zuständigen Wirtschaftspolitischen Ausschuß weiterzugeben, und haben es ihm überlassen — unter Hinweis auf die Unvollkommenheiten, die wir festgestellt haben —, diese Unvollkommenheiten, soweit es möglich war, noch zu beseitigen. Herr Kollege Wittrock, in den ganzen Pfingstferien wurde hier an der Beseitigung dieser Mängel noch gearbeitet. Wenn Sie meinen, es hätte in den Bericht hineingehört, daß da noch Mängel sind, dann muß ich dazu sagen: es ist ja jetzt der Bericht des Wirtschaftspolitischen Ausschusses und nicht der des Rechtsausschusses. Das ist natürlich eine Veränderung der Situation.
Trotzdem sind natürlich gewisse Spuren der Eile geblieben. Ich muß meinen Teilbericht auf Seite 35 der Drucksache auch noch berichtigen. Der § 44 hat in letzter Minute noch eine Änderung durch die Streichung des Abs. 3 erfahren, der inhaltlich im Sinne meines Berichts durch den § 5 d neuer Fassung ersetzt worden ist. Deswegen ist in meinem Bericht hinter der Überschrift „Zu § 44" einzufügen: „in Verbindung mit § 5 d". Wir sind der Meinung, daß ein tragbarer Ausgleich zwischen den widerstrebenden Tendenzen des Hohen Hauses in unserer Vorlage gefunden worden ist. Der Herr Wirtschaftsminister selbst hat dem Kompromiß zugestimmt. Ich bitte Sie, sich dessen bewußt zu sein, daß der Kompromiß das Lebenselement der Demokratie ist.
Deswegen bitte ich Sie, den Streichungsantrag abzulehnen, und beantrage namens meiner Freunde zugleich die namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu meinem Bedauern befinde ich mich in rechtspolitischer Beziehung nicht in Übereinstimmung mit meinem sehr verehrten Fraktionskollegen und auch Berufskollegen Professor Wahl. Ich habe aber beim Anhören seiner Rede soeben den Eindruck gehabt, daß Herr Kollege Wahl den Inhalt des Antrages. der hier gestellt worden ist, gar nicht richtig gewürdigt hat.
— Verzeihung, ich stelle fest, daß sämtliche Juristen in diesem Saale um so eifriger in anderen Gesprächen befangen sind, je mehr sie Juristen sind.
Wenn der Antrag angenommen wird, wird das richterliche Nachprüfungsrecht genau den Umfang haben, den es nach unserem allgemeinen Recht und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen hat. Wenn es richtig ist — und das ist richtig —, was Herr Kollege Wahl gesagt hat, daß bei den Gerichten die Tendenz besteht, das richterliche Nachprüfungsrecht im Sinne des Rechtsstaates zu erweitern, so würde, wenn dieser Antrag Gesetz würde, dieser Tendenz gar nichts im Wege stehen. Im Gegenteil, wenn nach drei Jahren das richterliche Nachprüfungsrecht durch richterlichen Gebrauch weiter sein sollte als heute, wird auch das richterliche Nachprüfungsrecht für dieses Gesetz entsprechend weiter sein, und zwar einfach deshalb, weil der Antrag, der hier gestellt wird, sich gar nicht anmaßt. in diesem Spezialgesetz die Grenze des richterlichen Nachprüfungsrechtes anders zu ziehen.
Sie sollte auch nicht in Spezialgesetzen gezogen
werden, sondern sie sollte von ihnen so hingenom-
men werden, wie sie ist. Wenn sich der Gesetzgeber schon einmischt, dann sollte es mit einem Gesetz geschehen, das diese feierliche rechtsstaatliche Aufgabe zu seinem Hauptinhalt macht, also etwa mit einem Verwaltungsgerichtsgesetz, aber nicht mit einem Gesetz, bei dem ad usum delphini die Abgrenzung zwischen Behördenaufgabe und Gerichtsaufgabe anders gezogen ist als nach dem allgemeinen Recht und das mit einer gewissen wirtschaftspolitischen Spekulation gemacht wird.
Der § 57 hat eine gewisse wirtschaftspolitische Bedeutung. Ich bin allerdings der Meinung, daß sie gering ist. Ich bin vor allen Dingen der Meinung, daß niemand in diesem Saale ist, der sagen kann, worin sie besteht, nämlich einfach deswegen, weil wir nicht wissen, wie diese Paragraphen durch die Gerichte ausgelegt werden. Vorschriften, die sich darauf beschränken, den Aufgabenkreis der Verwaltung und der Gerichte anders abzugrenzen, als er herkömmlicherweise abgegrenzt ist, die also entweder der Verwaltung oder den Gerichten mehr Rechte geben wollen, beruhen fast immer auf der Spekulation, daß die Gerichte anders entscheiden werden als die Verwaltungsbehörden und die Verwaltungsbehörden anders als die Gerichte. Ob das aber zutrifft, ist ganz ungewiß. Man kann einfach nicht im voraus wissen, was sich durch eine solche Änderung in der Kompetenz materiell ändern wird. Wer mit der einen oder anderen materiellen Regelung des Gesetzes nicht zufrieden ist, sollte versuchen, eine Änderung dieser Regelung in seinem Sinne zu erreichen. Wenn er statt dessen die Regelung hinnimmt, wie sie ist, dafür aber die Aufgaben der Verwaltung und der Gerichte anders regelt in der Erwartung, daß diejenige Instanz, der er den Vorzug gibt, die ihn störende materielle Re) gelung in seinem eigenen Sinn auslegen oder handhaben wird, so ist dies einfach eine falsche Gesetzgebungstechnik. Laß dich nicht gelüsten der Behörden und der Gerichte deiner Mitbürger, auf daß sie deinen Willen tun und die Absichten des Bundeswirtschaftsministers zunichte machen! Sondern deine Rede sei: Das will ich haben, und das will ich nicht haben! Und diese deine Rede gehört in den materiellen Teil des Gesetzes und nicht in den § 57.
Die eigentliche Bedeutung dieser Vorschrift liegt im Rechtspolitischen; deshalb will ich über sie sprechen. Hier liegen die Dinge so. Das vorliegende Gesetz hat sich nicht damit begnügt, die überkommene rechtsstaatliche Aufgabenverteilung zwischen Behörde und Gericht hinzunehmen, sondern hat sie in § 57 ändern wollen. Dieser Paragraph enthält eingehende Vorschriften über die Pflichten und Kompetenzen des Gerichts.
So heißt es z. B. im Abs. 1, daß das Beschwerdegericht „nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung" zu entscheiden hat. Oh, meine Damen und Herren, wie wird der Richter staunen, wenn er diese Weisheit in dem Gesetz liest! Er wird denken: Will mich der Gesetzgeber frozzeln, will mir der Gesetzgeber die Pflichten, die ich sowieso habe, und die Grundsätze, die ich auswendig gelernt habe, noch einmal einbläuen; warum will er das tun, warum wird er hier so blumenreich?
Es heißt ferner, daß der Beschluß „nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden kann, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten". Das heißt, daß ein Beweismittel, zu dem auch nur einer von zwanzig oder dreißig Beteiligten nicht die Gelegenheit gehabt hat, sich zu äußern, auch wenn der Betreffende gar nichts dagegen gehabt hätte, vom Gericht nicht berücksichtigt werden darf.
Dann kommt der Abs. 4. Er bestimmt, daß die angefochtene Verfügung auch dann unzulässig und unbegründet ist, „wenn die Kartellbehörde von ihrem Ermessen fehlsamen Gebrauch gemacht hat, insbesondere wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder durch die Ermessensentscheidung Sinn und Zweck dieses Gesetzes verletzt hat." In einem letzten Satz dieses Absatzes wird dann noch ausgesprochen, daß „die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung der Nachprüfung des Gerichts entzogen" ist.
Wenn man diese Sätze genau analysiert, so fällt es ungemein schwer, festzustellen, inwieweit hier etwas ausgesprochen wird, was bisher schon ohnehin Rechtens war, und ob und inwiefern hier neues Recht gesetzt wird. Die Deutung wird noch schwieriger, wenn man berücksichtigt, daß der Abs. 4 in der Fassung, in der er vom Rechtsausschuß an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß gelangt ist, anders gelautet hat. Hier war nämlich nicht nur die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung, sondern auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Folgen der Nachprüfung des Gerichts entzogen. Diese letztere Bestimmung ist dann im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gestrichen worden. Ein Gericht, das sämtliche Ausschuß materialien beizieht, könnte also zu dem Ergebnis gelangen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die wirtschaftlichen Folgen der Verfügung der Kartellbehörde von ihm berücksichtigt werden sollen, daß es also etwa die Zurücknahme einer Kartellerlaubnis aufheben muß, wenn nach seiner Überzeugung die Folgen für die Mitglieder des Kartells zu hart sein sollten. Umgekehrt würde das Gericht berechtigt sein, eine Kartellerlaubnis rückgängig zu machen, wenn es der Ansicht ist, daß dadurch die Abnehmer des Kartells allzusehr benachteiligt werden.
Nun, das würde dann eine Abgrenzung sein, die über das hinausgeht, was bisher Rechtens ist. Das Gericht würde in den bisher legitimen Ermessensspielraum der Behörde eingreifen dürfen und würde etwas tun dürfen, was sonst kein Verwaltungsgericht darf. Die Grenze würde also verschoben werden. Ich will jetzt gar nichts dagegen sagen, daß sie verschoben wird; aber ob die Gerichte den letzten Satz des Abs. 4 so auslegen werden, ist durchaus ungewiß. Der jetzige Wortlaut zwingt sie nicht zu einer solchen Auslegung.
Entscheiden aber die Gerichte anders, respektieren sie die überkommene Aufgabenteilung, besagen diese ganzen Sätze nichts anderes als das, was ohnehin Rechtens ist. Dann würde nur der zweite Satz des Abs. 1 eine gewisse Änderung mit sich bringen.
Wir müssen hier auch die Entstehungsgeschichte berücksichtigen. Bekanntlich hat der Rechtsausschuß ursprünglich beschlossen, daß eine ganze Gruppe von Verwaltungsbefugnissen, die der Regierungsentwurf der Kartellbehörde überträgt, voll auf die Gerichte übergehen sollten. Da nun dieser Beschluß nach Auffassung der Bundesregierung die ganze Konzeption des Gesetzes durchbrochen haben würde, wurde er später wieder geändert. Die Mehrheit des Rechtsausschusses hat aber nunmehr eine Teilung der Aufgaben zwischen Gericht und Behörde angestrebt, die von der herkömmlichen abweichen und den Gerichten ein das übliche Maß überschrei-
tendes Nachprüfungsrecht zusprechen sollte. Es wurden mehrere Formulierungen gesucht. Die erste, mit der sich auch der Herr Bundeswirtschaftsminister Professor Erhard einverstanden erklärt hatte, fiel so aus, daß einige Mitglieder des Rechtsausschusses — wahrscheinlich mit Recht — feststellten, sie besagte gar nichts anderes als das, was ohnehin Rechtens sei. Da aber die Mehrheit des Rechtsausschusses eine vom bisherigen Recht abweichende Regelung anstrebte, die den Spielraum der Kartellbehörde einengen und den der Gerichte erweitern sollte, kam es zu neuen Formulierungen. Hier zeigte sich, daß der juristischen Formulierungskunst off en-bar immanente Grenzen gesetzt sind. Kaum war nämlich eine neue Fassung beschlossen, entstand schon wieder der Verdacht, daß auch diese Neufassung im Grunde nichts anderes ausdrückt als das, was schon bisher Rechtens war. So stark haben wir Juristen von Jugend auf an der Muttermilch der Rechtsstaatsidee gesogen, daß es uns offenbar ebenso schwer fällt, hinter dieser Idee zurückzubleiben, als sie zu übertreiben. Unsere Zunge ist hier offenbar klüger und außerdem auch einflußreicher als der Wille, der sie in Bewegung setzt. Nicht nur die Sprache scheint die Eigenschaft zu haben, daß sie für uns dichtet und denkt, sondern auch das Recht, das wir vorfinden.
So kam der Gesetzentwurf vom Rechtsausschuß an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß mit einem § 57 zurück, der immer noch nicht ausdrückte, was der Rechtsausschuß eigentlich gewollt hatte. Aber noch immer gab sich der Rechtsausschuß nicht geschlagen. Im Wirtschaftspolitischen Ausschuß selbst wurde dann noch ein letzter Versuch gemacht, einen Teil der politischen Verantwortlichkeit der Verwaltungsbehörde in eine rechtliche Verantwortlichkeit umzugießen. Es geschah dies, wie gesagt, in der Form, daß der Passus, der die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Folgen einer Verfügung den Gerichten entzog, gestrichen wurde. Aber auch von diesem letzten Versuch ist mehr als zweifelhaft, ob er das Gewollte auch wirklich erreicht und eine positive Ermächtigung für die Gerichte enthält, eine Verfügung der Kartellbehörde aufzuheben, wenn sie die vermutlichen wirtschaftlichen Folgen dieser Verfügung anders beurteilen als die Kartellbehörde. Was wirklich erreicht wurde, war nur ein seltsamer Wortreichtum zweier Absätze in Verbindung mit einer orakelhaften Dunkelheit ihres Inhalts. Beides, überflüssiger Wortreichtum und Dunkelheit, sind nun aber Dinge, die ein Jurist' kraft Erziehung und Berufsethos aufs lebhafteste verabscheuen sollte. Es ist eine sonderbare Fügung, daß die dunkelsten und am schwersten auszulegenden Bestimmungen des ganzen Gesetzes juristischen, nicht wirtschaftspolitischen Überlegungen ihr Dasein verdanken.
Wenigstens bestreiten die Befürworter dieser Bestimmung ganz entschieden, daß in ihrem Denken wirtschaftspolitische Überlegungen eine Rolle gespielt hätten.
Das ist noch nicht die einzige Seltsamkeit. Die fraglichen Bestimmungen lassen vielmehr, wie schon bemerkt, mehrere Deutungen und Auslegungen zu, die sich zwischen zwei Extremen bewegen. Das eine Extrem ist die völlig harmlose Auslegung im Sinne des bisher geltenden Rechts, das andere eine ganz und gar nicht harmlose Auslegung im Sinne eines neuen, vom geltenden entschieden abweichenden Rechts. Dringt die harmlose Auslegung durch, hätten wir uns den ganzen Wortreichtum und die ganze Dunkelheit sparen können. Dann würde das Gesetz so zu lesen sein, als wenn in Absatz 1 nur stände: „Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß", basta, Punkt, Schluß, und als wenn der Abs. 4 überhaupt nicht vorhanden wäre. Aus diesem Grunde empfiehlt der Antrag die Streichung dieser ganzen 15 Zeilen, dieses Ergebnisses zahlloser Sitzungen, unendlichen Scharfsinns und durchwachter Nächte. Bricht sich aber die nicht harmlose Auslegung Bahn, dann rückt eine andere, rein juristische Gefahr nahe, nämlich die Gefahr, daß die so ausgelegte Bestimmung mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, und zwar auch deshalb, weil diese Formulierung Einengungen und Begrenzungen nicht nur der Kartellbehörde, sondern auch der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis bringt, und zwar in sehr dunklen Ausdrücken.
Ich will jetzt keine Vermutungen darüber anstellen, wie hoch die Gefahr zu veranschlagen ist, daß der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung oder gar wegen dieser Bestimmung das ganze Gesetz für grundgesetzwidrig erklärt. Ich könnte mir denken, daß er erklärt: „Was ihr da gemacht habt, ist zwar alles andere als schön, aber es ist nicht geradezu verfassungswidrig."
Immerhin haben wir dann hier einen Paragraphen, auf den sich eine Verfassungsklage stützen könnte. Ich möchte fragen: Lohnt es sich, um des Zieles willen, das mit diesen wortreichen und dunklen Sätzen im äußersten Falle erreicht werden kann, diese Gefahr einer Verfassungsklage herauszufordern, ja ihr auch nur nahezukommen?
Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, daß Gesetze mit speziellem Inhalt, die ein begrenztes wirtschaftspolitisches oder rechtspolitisches Problem, und sei es auch ein Problem wirtschaftsverfassungsrechtlichen Ranges erster Ordnung, lösen wollen, die allgemeingültige Abgrenzung zwischen den Funktionen der Exekutive und der Justiz hinnehmen sollten, wie sie ist, und daß wir eine neuartige gesetzliche Absteckung dieser Rechte einem Gesetz vorbehalten sollten, das eben diese Aufgabe zu seiner Hauptaufgabe macht und den Ehrgeiz hat, die Übereinstimmung dieser Grenze mit einer verfeinerten Rechtsstaatsidee auf lange Zeiträume hinaus allgemeinverbindlich zu sichern. Das Herumhantieren aber an dieser Grenze von Fall zu Fall im Rahmen vereinzelter Gesetze und in der Absicht, die Auslegung der materiellen Bestimmungen des Gesetzes dadurch zu steuern, halte ich für eine beklagenswerte Unsitte, die ganz gewiß Schule machen wird, wenn wir damit erst anfangen. Gewiß, der Gesetzgeber ist auch Herr der Gerichte; er kann die Aufgaben der Gerichte im Verhältnis zu den Aufgaben der Verwaltung innerhalb gewisser Grenzen vermehren und vermindern. Wenn er das aber nicht generell tut, sondern immer nur von Fall zu Fall, für jede Verwaltungsaufgabe anders, je nachdem, ob ihm die Verwaltungsaufgabe, die er bestimmten Behörden zuweist, sympathisch ist oder nicht, mißachtet er die Grenze, die in einem Rechtsstaat zwischen der gesetzgebenden, der rechtsprechenden und der exekutiven Gewalt bestehen sollte.
Es muß Institutionen geben, die gegen den Spezialgesetzgeber kugelfest sind, die nur vom Generalgesetzgeber angetastet werden sollten, und auch von
diesem nur bei dringenden, sozusagen feierlichen Anlässen, mit größter denkerischer Behutsamkeit und mit dem Willen, für lange Zeit klares Recht zu schaffen. Die Autorität des Gesetzes beginnt mit dem Enkel, hat Rudolf von Ihering einmal gesagt. Was aber sollen unsere Söhne und Enkel von diesem Bundestag denken, wenn wir uns heute, ausgerechnet beim Anlaß des Kartellgesetzes, dem Geschäft der Grenzpfahlverrückung aus Gründen einer speziellen Spekulation hingeben, ohne ausreichende politische und juristische Vorbereitung, ohne genügende Durchdenkung im Zusammenhang mit der Zurücknahme eines andersartigen Beschlusses, der zurückgenommen werden mußte, geleitet von dem Bestreben, nicht den vollen Rückzug anzutreten, sondern wenigstens noch einen bescheidenen Teilerfolg nach Hause zu bringen, und das alles im allerletzten Augenblick, nicht unbeeinflußt von taktischen Überlegungen, in flüchtig gezimmerter Improvisation, unter dem Druck einer gesetzgeberischen Torschlußpanik und in einer abscheulichen Sprache. Und zu welchem Ende? Was kann als optimaler Erfolg dabei herausspringen? Wird unser rechtsstaatliches Gefüge dadurch klarer? Wird die Lösung irgendeiner Sachaufgabe dadurch gefördert? Und welcher? Und wird auch nur irgendeine Schutzfunktion für irgendwen erreicht? Worin besteht sie? Für wen?
Es gab einmal einen alten Volksglauben, der besagte, daß Menschen, die nächtlicherweile Grenzpfähle verrücken, verdammt seien, nach ihrem Tod mit dem Kopf unter dem Arm herumzugeistern.
Nun, diese Köpfe wußten voreinst, als sie noch lebendig waren, sehr genau, warum sie die Grenzpfähle verrückten. Auch ich fürchte fast, daß unsere
eigenen Köpfe überfragt sind, wenn sie sagen sollen, was sie sich eigentlich bei dem Versuch der Grenzpfahlverrückung in § 57 Abs. 1 und 4 gedacht haben.
Die meisten von Ihnen, meine Damen und Herren, wissen, daß ich große Bedenken gegen eine-Reihe von materiellen Bestimmungen dieses Gesetzes habe. Trotzdem habe ich keinen der Anträge unterschrieben, die diese Bestimmungen abändern wollten, sosehr ich mit ihnen sympathisierte und obwohl ich auch für sie gestimmt habe, und habe auch zu keinem dieser Anträge gesprochen. Ich bin bereit, das Gesetz so hinzunehmen, wie es ist.
Zu diesem einen Antrag aber habe ich gesprochen, nicht wegen der etwaigen wirtschaftspolitischen und materiellen Folgen des § 57, sondern wegen der rechtspolitischen Gefahren und Unschönheiten, die ihm anhaften. Er ist von Juristen ersonnen; ich kann ihn als Jurist nicht akzeptieren.
Wir sollten auf ihn verzichten; denn er ist nichts anderes als allenfalls und letztenfalls — sonst ist er überhaupt nichts — eine Handvoll Sand in dem Räderwerk dieses Gesetzes. Wir können auf ihn auch verzichten; denn er bewirkt nicht, daß die Räder dieses Gesetzes anders laufen, sondern im schlimmsten Falle bloß, daß sie langsamer, schwerer, ächzender laufen.
Daß dieser Paragraph kein Mehrer des Wettbewerbs und kein Schutz gegen den Mißbrauch der
Macht ist, sei ihm verziehen; denn das ist nicht seine Aufgabe. Er ist aber auch kein Mehrer der Einigkeit, kein Mehrer des Rechts und kein Mehrer der Freiheit, was er nach der Absicht seiner Befürworter sein sollte.
Ich werde diesem Antrag deshalb zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Meine Damen und Herren! Ist es richtig, daß Dunkelheit und Wortreichtum den Abs. 4 des § 57 beherrschen? Ist es richtig, daß hier versucht wird, die Grenzpfähle des der Jurisdiktion unterstehenden Gebietes vorwärtszutreiben auf Kosten des Bereichs der Exekutive? Wir besitzen eine Regelung der Gerichtsbarkeit auf dem Kartellgebiet in Art. 33 des Montanunionvertrags. An diesem Vertrag haben die ersten Juristen von sechs Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl mitgearbeitet. Es dient als eine Bestätigung der Ausführungen meines verehrten Kollegen Wahl, daß alle die Elemente, die in § 57 Abs. 4 unseres Gesetzes enthalten sind, bereits in Art. 33 des Montanunionvertrages vorgebildet sind.
Auch die Montanunion trifft Kartellentscheidungen. Die Hohe Behörde genehmigt oder untersagt Kartelle, und sie trifft diese Entscheidungen vorbehaltlich der Entscheidungen des Gerichtshofs der Montanunion. Hierbei hat dieser Gerichtshof die Frage der Unzuständigkeit, die Frage der Verletzung wesentlicher Formvorschriften, aber auch die Frage des Ermessensmißbrauchs nachzuprüfen. Worin kann dieser Ermessensmißbrauch bestehen? Es können einmal die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sein, es kann aber zweitens im Bereich des Ermessensspielraums eine sachfremde Entscheidung getroffen sein. Hier stoßen wir auf eine Formulierung des Montanunionvertrags, die an unsere Formulierung erinnert. Der Gerichtshof kann nämlich nachprüfen, ob die Hohe Behörde die Bestimmungen des Vertrags oder irgendeiner bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm offensichtlich verkannt hat. Diese Bestimmung enthält nichts anderes als die in § 57 Abs. 4 enthaltene Möglichkeit der Nachprüfung, ob die Verfügung Sinn und Zweck dieses Gesetzes verletzt hat.
Im Rahmen des Ermessensbereichs gibt es Gesichtspunkte, die sich nicht nachprüfen lassen. Aber die Geschichte der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit zeigt, daß es im Laufe des letzten Jahrhunderts und der letzten Jahrzehnte gelungen ist — und hier hat Herr Böhm recht —, die Grenzpfähle der Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen vorwärtszutreiben. Wir haben hierüber eine sehr große Judikatur, und es gibt eine Reihe von Fällen, in denen nicht nur die Überschreitung des Ermessens nachgeprüft worden ist, sondern auch die Frage, ob eine sachgemäße Entscheidung erfolgt ist oder ob sachfremde Gesichtspunkte mitgewirkt haben, ob eine Kongruenz zwischen Tatbestand und der rechtlichen Beurteilung, die auf ihn Anwendung findet, besteht. Das ist das Ergebnis der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, und das sind auch die Gesichtspunkte des Montanunionvertrags, der übrigens auch die Würdigung der wirtschaftlichen Gesamtlage nicht der Nachprüfung durch den Gerichtshof unterstellt.
Bringen wir das Vertrauen, das wir seinerzeit bei der Annahme des Montanunionvertrags dieser seiner Bestimmung entgegengebracht haben, auch einer ähnlich aufgebauten Bestimmung entgegen, die nunmehr in § 57 Abs. 4 unseres Gesetzes ihre juristische Formulierung gefunden hat!
Das Wort hat der Abgeordnete Haasler.
— Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache.
Ich habe nunmehr an den Abgeordneten Wittrock die Frage, ob über die Buchstaben a und b der Ziffer 7 getrennt oder gemeinsam abgestimmt werden soll.
— Dann wird gemeinsam abgestimmt. Der Abgeordnete Wahl hat namentliche Abstimmung namens seiner Freunde beantragt. Da ich nicht weiß, wie groß die Zahl seiner Freunde in diesem Falle ist, bitte ich diejenigen, die den Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützen, um das Handzeichen. —Niemand unterstützt diesen Antrag.
Damit ist er hinfällig.
Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 7 des Antrags Umdruck 1272, der von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE vorgelegt worden ist. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich muß leider die Abstimmung wiederholen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, es läßt sich von hier aus doch besser überblicken als von unten, und der Sitzungsvorstand ist sich einig.
Ich lasse nunmehr über den § 57 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; § 57 ist angenommen.
Ich rufe auf §§ 57 a, — 58, — 59, — 59 a, — 60, —60 a,-60 b,-60 c,-60 d,-61,-61 a,-61 b,61 c,-62,-62 a,-62 b,-63,-63 a,-64,-65, —66,-67,-68,-69,-70,-71,-72,-73,74. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe § 75 zugleich mit dem Antrag Umdruck 1273 Ziffer 4 auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mit dem anfangen, was Sie sagen wollten, Herr Kollege Horlacher. Ich habe sehr gute Ohren. Ich höre bis hier oben herauf, was Sie da flüstern.
Ich bin in der angenehmen Lage, den letzten Änderungsantrag zu begründen, und bin weiter in der angenehmen Lage, das kurz machen zu können. In § 75 ist eine Reihe von Ausnahmebestimmungen für den Bereich der Landwirtschaft vorgesehen worden. Es darf mit gutem Gewissen gesagt werden, daß dieser schwierige Komplex vom Ausschuß mit großem Ernst und mit großer Geduld sehr gründlich erarbeitet und durchgearbeitet worden ist. Diejenigen, die ihre Erwartungen nicht in vollem Umfang erfüllt sehen, mögen sich mit der Feststellung bescheiden — ich kann mich hier auf das Zeugnis der großen Selbsthilfeorganisation der deutschen Landwirtschaft, der Raiffeisen-Genossenschaft, berufen —, wenn ich sage, daß die Landwirtschaft mit diesen Ausnahmebestimmungen genau das bekommen hat, dessen sie bedarf, um in dieser besonderen Situation ihrer Aufgabe gerecht zu werden, und nicht mehr, und daß ihr nichts gegeben worden ist, durch das sich irgendwer anders beschwert fühlen könnte.
Ich sage das einleitend mit so viel Nachdruck, weil es leider auch sehr viel törichte Kritik zum Beschluß des wirtschaftspolitischen Ausschusses zu § 75 gegeben hat. Da hat man von einem Torso und ähnlichen Dingen gesprochen, offenbar völlig befangen in der Vorstellung, daß da immer zuwenig geschieht und daß da immer nach mehr geschrieen werden muß. Dem landwirtschaftlichen Anliegen dient das in keiner Weise. Ich sage noch einmal: das, was den Hundertausenden kleiner und kleinster landwirtschaftlicher Betriebe gegeben werden muß, damit sie ihre schwache Stellung im Markt und insbesondere ihre schwache Stellung auch gegenüber der ausländischen Konkurrenz, die in dieser Beziehung schon sehr viel weiter ist als unsere Landwirtschaft — ich meine hier in der Organisation ihrer Selbsthilfeeinrichtungen —, entsprechend verbessern kann, — das und nicht mehr ist ihr gegeben worden. Es ist allerdings in den Abs. 3 etwas hineingekommen, was nach unserer Ansicht dort wieder herausgebracht werden sollte. Lassen Sie mich das kurz begründen.
Im Zusammenhang mit dem, was mein Freund Kurlbaum hier vorhin über die Preisbindung zweiter Hand gesagt hat, beantragen wir, den Abs. 3, der die Preisbindung für Saatgut vorsieht, zu streichen.
Es wird auch in den Kreisen der sogenannten Grünen Front leider immer übersehen, daß es in Deutschland nur ganz, ganz wenige Leute gibt, die vom Verkauf und von der Produktion von Saatgut profitieren, und daß für die überwältigende Masse der Landwirtschaft Saatgut ein Produktionsmittel ist. Wir halten es einfach für unsinnig, dieses Produktionsmittel zu verteuern in einer Zeit, in der wir dauernd davon reden, daß die landwirtschaftlichen Produktionskosten steigen und die landwirtschaftlichen Produktionsmittel teurer werden. Daß diese Verteuerung durch die Preisbindung zweiter Hand auch bei dem Saatgut bewirkt werden wird, haben wir erst vor ganz kurzem am Beispiel der Preisbindung zweiter Hand für Schlepper gesehen, so daß wir darüber im Bilde sind.
Hier ist argumentiert worden, die Preisbindung zweiter Hand sei notwendig, um die Landwirtschaft mit gutem Saatgut zu versorgen. Ich halte das für eine Irreführung. Wir haben der deutschen Landwirtschaft und ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch das Saatgutgesetz ohnehin schon manches Handicap aufgedrückt und haben sie bezüglich dieses Produkttionsmittels mit Vorschriften belastet, die es in anderen Ländern, in denen es der Landwirtschaft viel
besser geht, nicht gibt. Hier kommt kein Körnchen in die Erde, hier wächst nichts auf, hier wird nichts geerntet, hier wird nichts als Saatgut in den Verkehr gebracht, das nicht mindestens zwei oder drei Beamte zwei- oder dreimal angesehen haben. Wenn das immer noch nicht ausreichen sollte, um die Landwirtschaft mit einwandfreiem Saatgut zu versorgen, wenn man zur Komplettierung dieses Systems nun auch die Preisbindung mit Rabatten und ähnlichen Scherzen haben muß, dann weiß ich nicht, was denn nun eine vollständige Ordnung sein soll.
Wir sehen in dieser Angelegenheit nur eine Einschränkung des Wettbewerbs auf diesem Gebiet und eine angesichts der Vorschriften über den Verkehr mit einwandfreiem Saatgut völlig überflüssige Verteuerung des landwirtschaftlichen Produktionsmittels Saatgut. Deshalb bitten wir Sie, diesen Absatz zu streichen.
Meine Damen und Herren, da es soeben 9 Uhr geworden ist, darf ich dem Hause mitteilen, daß die Fraktionsgeschäftsführer sich geeinigt haben, heute bis zum Ende der zweiten Beratung weiterzutagen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. — Das ist der Fall.
— Verzeihen Sie, mir ist diese Mitteilung von den Fraktionsgeschäftsführern gemacht worden. Da das Haus souverän ist, kann ich darüber auch abstimmen lassen. Wer dafür ist, daß wir bis zum Abschluß der zweiten Beratung weitertagen — ich bemerke, daß dies der letzte Punkt ist, zu dem ein Änderungsantrag gestellt ist —, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lücker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß der Begründung, die Herr Kollege Kriedemann hier für den Antrag seiner Fraktion auf Streichung des Absatzes 3 in § 75 vorgetragen hat, widersprechen. Ich will aber keine neue Agrardebatte entfachen, sondern an das anknüpfen, was Kollege Kriedemann hier selber gesagt hat. Wir haben diese Frage im Ausschuß sehr ernst und ausführlich debattiert. Die ursprüngliche Fassung, die uns auch vom Ernährungsausschuß vorgeschlagen war, ging weiter. Das weiß auch Herr Kollege Kriedemann. Wir haben den Vorschlag des Ernährungsausschusses reduziert und haben in der Ausschußfassung, die Ihnen vorliegt, lediglich eine vertikale Bindung für Saatgut behalten. Jeder, der mit den Verhältnissen vertraut ist, weiß, daß das eine Angelegenheit ist, die in einer sehr gesunden Ordnung in der Vergangenheit gewachsen ist. So verlockend die Begründung von Herrn Kollegen Kriedemann auf den ersten Blick erscheint, so ist doch dazu zu sagen: So einseitig darf man die Dinge nicht sehen.
Es könnte auch so sein, wenn wir Ihren Gedanken und Ihrer Forderung, Herr Kollege Kriedemann, folgten, daß wir in der Versorgung der deutschen Landwirtschaft mit hochwertigem und in der Qualität einwandfreiem Saatgut dadurch in eine sehr mißliche Situation geraten.
— Das läßt sich beweisen;
aber ich will das hier heute abend nicht tun. Es läßt sich mindestens genauso beweisen wir Ihre These. Dann steht These gegen Antithese.
Meine Damen und Herren, ich bitte, in der vorschrittenen Zeit möglichst die Ruhe zu bewahren.
Nachdem hier bekannt wurde — auch von den Sprechern der Opposition —, daß der Ausschuß sich ernsthaft und sehr ausführlich damit befaßt hat, bitte ich Sie im Namen meiner politischen Freunde, es bei der Ausschußfassung zu belassen und den Antrag der SPD abzulehnen.
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und des GB/BHE auf Urn-druck 1273 Ziffer 4, § 75 Abs. 3 zu streichen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Streichungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 75 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 75 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe auf §§ 76, — 76a, — 77, — 77a, — 77b, —78, — § 79 entfällt hier —, 79 a, — 79 b, — 80, Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Damit stehen wir am Ende der zweiten Beratung.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen noch folgendes mitzuteilen.
Die Sitzung morgen beginnt erst um 9.30 Uhr, also eine halbe Stunde später als vorgesehen.
Die Fraktion der SPD tagt um 9 Uhr in einer Fraktionssitzung.
Es wird morgen begonnen — wenn Sie damit einverstanden sind — mit der dritten Lesung dieses Gesetzes, das wir in zweiter Lesung soeben beschlossen haben. Dann folgt das Getreidepreisgesetz. — Widerspruch erfolgt nicht; dann ist dies für morgen so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung auf morgen vormittag 9.30 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.