Protokoll:
17137

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 137

  • date_rangeDatum: 28. Oktober 2011

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:44 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/137 Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Fraktion der SPD: Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung als Risiko für die Konjunktur (Drucksache 17/7461) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16314 D 16316 C 16318 A 16318 D 16319 C 16320 D 16322 A 16324 A 16330 C 16331 B 16332 C 16334 C 16337 A 16337 A 16337 B 16338 C 16340 C 16341 D Deutscher B Stenografisch 137. Sitz Berlin, Freitag, den 2 I n h a l Tagesordnungspunkt 29: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislauf- wirtschafts- und Abfallrechts (Drucksachen 17/6052, 17/6645, 17/7505 (neu)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Z A S A A S (D G D J 16303 A 16303 B 16305 B 16307 B 16310 B 16312 B in Verbindung mit undestag er Bericht ung 8. Oktober 2011 t : usatztagesordnungspunkt 7: ntrag der Abgeordneten Michael Schlecht, ahra Wagenknecht, Dr. Barbara Höll, weiterer bgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: ufbauprogramm gegen die Krise – chutzschirm für Arbeitsplätze rucksache 17/7338) . . . . . . . . . . . . . . . . . . arrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . utta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16324 A 16324 B 16325 C 16326 B 16327 D 16328 C 16329 C Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 16343 B 16344 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Tagesordnungspunkt 31: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Verbesse- rung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen (Einsatz- versorgungs-Verbesserungsgesetz – EinsatzVVerbG) (Drucksachen 17/7143, 17/7377, 17/7389) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/7542) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Koch, Kathrin Vogler, Jan van Aken, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Be- handlungs- und Betreuungsangebote für traumatisierte Soldatinnen und Sol- daten, zivile Kräfte und Angehörige ausbauen (Drucksachen 17/6342, 17/7389) . . . . . . . Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befugnis des Bundeskriminalamtes zur Online-Durchsuchung aufheben (Drucksachen 17/2423, 17/3633) . . . . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- b M E D K N T B te H F e P (D V G 16345 C 16345 C 16345 D 16346 A 16347 C 16349 D 16351 A 16352 A 16353 B 16354 C 16354 D 16356 A 16357 A 16358 B 16359 B 16360 C zes zur Änderung des Rechts der Ver- braucherinformation (Drucksache 17/7374) . . . . . . . . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Petra Crone, Petra Ernstberger, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Verbraucherinformationsgesetz zü- gig reformieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Karin Binder, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbrau- cherinformationsgesetz jetzt ver- braucherfreundlich ausgestalten – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Ulrike Höfken, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbraucherinformations- gesetz jetzt novellieren – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Bericht der Bundes- regierung über die Ergebnisse der Evaluation des Verbraucherinfor- mationsgesetzes (Drucksachen 17/2116, 17/1576, 17/1983, 17/1800, 17/3928) . . . . . . . . . . . . . . . . . . echthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . lvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . r. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . arin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . icole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 34: eratung der Großen Anfrage der Abgeordne- n Volker Beck (Köln), Kai Gehring, Ingrid önlinger, weiterer Abgeordneter und der raktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für ine an den Bürgerrechten ausgerichtete olizei rucksachen 17/4519, 17/6736) . . . . . . . . . . olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ünter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16362 A 16362 A 16362 C 16364 D 16365 D 16367 A 16367 C 16368 D 16369 D 16370 C 16370 D 16371 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 III Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16374 A 16375 A 16375 C 16376 D 16377 C 16379A 16380 C 16380 B 16381 A 16382 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16303 (A) ) )(B) 137. Sitz Berlin, Freitag, den 2 Beginn: 9.0
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    Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts – Drucksache 17/6052, 17/6645 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit (16. Ausschuss) – Drucksache 17/7505 (neu) – Berichterstattung: Abgeordnete Michael Brand Gerd Bollmann Horst Meierhofer Ralph Lenkert Dorothea Steiner Hierzu liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionel- ti s la ti p e te li 1 ti d h d G K G w W S ru Redet len Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält der Bun- desminister Dr. Norbert Röttgen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, man kann es nicht oft genug sagen, dass wir lernen müssen, mehr Wachstum mit weniger R zu erzeugen. Das ist das übergreifende ökonom ökologische Leitmotiv der Politik der Bundes Es war und ist eine tragende Säule unserer E (C (D ung 8. Oktober 2011 0 Uhr k, die wir vor wenigen Monaten debattiert und be- chlossen haben. Es ist nunmehr auch das Leitmotiv des neuen Kreis- ufwirtschafts- und Abfallgesetzes als eines ganz wich- gen und wesentlichen Bereiches, in dem Ressourcen- olitik konkret gestaltet wird. Zunächst benötigt man inen Kompass für die notwendigen Prinzipien und Wer- überzeugungen. Diese gilt es dann konkret zu verwirk- chen. Die Bundesregierung macht dies Stück für Stück. Das geltende Kreislaufwirtschaftsgesetz ist nunmehr 6 Jahre alt. Es war ein Meilenstein in der Umweltpoli- k. Das ist ein bleibendes Verdienst von Klaus Töpfer, er diesen Gedanken in die Umweltpolitik eingeführt at. Jetzt schaffen wir ein neues Gesetz zur Regelung es Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts, das die rundlage für eine echte Kreislaufwirtschaft bietet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In der neuen fünfstufigen Hierarchie werden drei erngebote der Kreislaufwirtschaft begründet: Erstes ebot: Abfallvermeidung. Zweites Gebot: Wiederver- ertung von Abfall. Drittes Gebot: Recycling. Auf dem eg dorthin haben wir bereits einige erfolgreiche chritte hinter uns. Anfang der 90er-Jahre wurden nur nd 30 Prozent der Siedlungsabfälle wiederverwertet ext oder recycelt. Jetzt nehmen wir uns vor, diesen Wert auf 65 Prozent zu erhöhen, das heißt, die vorgeschriebene Mindestgrenze umfasst zwei Drittel dieser Abfälle. Die Gesellschaft, die Unternehmen, die Kommunen können und werden immer noch besser sein; die Einhaltung die- ser Grenze ist aber das, was wir von ihnen verlangen. Für den Bauschutt soll die Grenze auf 70 Prozent erhöht werden. Ab 2015 werden Bioabfälle, Papier, Metalle, Kunst- stoffe und Glas getrennt gesammelt. Wir werden – das ist das nächste Projekt – eine Wertstofftonne einführen. Das wird dazu führen, dass noch einmal 7 Kilogramm Wertstoffe, Rohstoffe pro Einwohner und Jahr getrennt Wiederverwertung bzw. dem Recycling en. Ich sage hier ganz klar: Wir werden es zweite wichtige Projekt beraten und e Wertstofftonne per Gesetz einführen; essourcen ische und regierung. nergiepoli- erfasst und der zugeführt werd auch über dies eine einheitlich 16304 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Bundesminister Dr. Norbert Röttgen (A) ) )(B) denn wir wollen eine parlamentarische Debatte und Ent- scheidung. Das ist ganz wichtig; das ist die Politik der Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, dass unsere Bürgerinnen und Bürger, wir alle, ein Bewusstsein für die Bedeutung der Abfall- und Kreislaufwirtschaft haben; die Industrie hat es auch. Ich möchte gerne die wirtschaftliche, ressourcenpolitische Bedeutung der Abfallwirtschaft im Hinblick auf Roh- stoffe aufzeigen. Wir alle kennen die Probleme und Herausforderungen im Zusammenhang mit Rohstoffknappheit: endliche, im- mer teurer und in ihrer Preisgestaltung immer volatiler werdende Rohstoffe, auf die unsere Wirtschaft aber fußt und basiert. Darum geht es hier: um eine ökonomische Notwendigkeit, die mit einer ökologischen Notwendig- keit zusammenfällt. Insofern ist es ein enormer Erfolg – es zeigt die Bedeutung der Abfallwirtschaft –, dass be- reits heute schätzungsweise 13 Prozent der natürlichen Rohstoffe durch Abfallwertstoffe, Sekundärrohstoffe, er- setzt werden. Das ist eine enorme Substitution: 13 Pro- zent der Rohstoffe, die wir für die Produktion brauchen, müssen wir nicht mehr aus der Erde nehmen. Wir setzen die Rohstoffe also nicht nur ein einziges Mal ein. Denn wenn wir diese Stoffe endgültig verbraucht haben, sind sie unwiederbringlich verloren. Wir reden hier in diesem Haus die ganze Zeit völlig zu Recht über unverhältnismäßige, unvertretbare Fi- nanzschulden, über Staatsverschuldung, Fiskalschulden und Spekulation. Wir leben heute alles in allem ein Schuldenleben. Das bedeutet, dass die heutigen Genera- tionen auf Kosten der nächsten Generationen leben. Das Aufnehmen von Ökoschulden, meine Damen und Her- ren, ist im Prinzip nichts anderes als ein Leben auf Kos- ten der nächsten Generationen. Es ist noch viel schwieri- ger, sich aus dieser Situation zu retten: Wenn wir erst einmal die Ökokatastrophe vor Augen haben, dann wer- den selbst Rettungspakete in Billionen-Euro-Höhe nicht mehr reichen; dafür sind die Ökosysteme zu langsam. Darum müssen wir eine präventive, nachhaltige Politik, also eine Ressourcenpolitik, betreiben. Sie muss prinzi- piell gestaltet und konkret umgesetzt werden. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht es doch!) Das neue Abfallwirtschaftsrecht wird diesem Anspruch gerecht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Abfallwirtschaft macht einen Umsatz von 50 Mil- liarden Euro. Wir gestalten also heute die Rahmenbedin- gungen für eine bedeutende Wirtschaftsbranche, nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft und der Wiederver- wertung, unter Abkehr von einem alten Denken des Ver- brauchens, des Verbrennens und Verbuddelns. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie erleichtern doch ge- rade das Verbrennen!) Wir haben am Ende eine schwierige Frage intensiv diskutiert: Wie gehen wir mit zwei Aspekten um, die bei d s d s a w g h a b d is a B g ru u s tu S – E s M g D d li fe h D la b S g W k Ic s a m d E m c (C (D ieser Ordnungsgestaltung für Wirtschaft und Gesell- chaft auftreten, nämlich mit den durchaus konkurrieren- en Aspekten der Daseinsvorsorge und Sicherheit einer- eits und des privaten wirtschaftlichen Wettbewerbs ndererseits? Ich glaube – dafür bin ich dankbar –, dass ir in dem Spannungsfeld, das es bei diesem Thema ibt, einen wirklich guten, fairen Kompromiss gefunden aben, der sowohl eine ordnungspolitische Balance wie uch einen fairen Interessenausgleich gewährleistet. Ich in allen, die daran mitgewirkt haben, ausgesprochen ankbar dafür, dass dieses Ergebnis zustande gekommen t. Die Suche nach einer Balance und einem Interessen- usgleich ging von der Frage aus: Nach wem rufen die ürgerinnen und Bürger eigentlich, wenn etwas schief- eht, wenn der Müll auf der Straße liegen bleibt? Dann fen sie nicht: „Wo ist das private Unternehmen, das ns dieses Problem vom Halse schafft, das den Müll ammelt und entsorgt?“ In einer solchen kritischen Si- ation werden die Bürgerinnen und Bürger nach dem taat oder konkret nach ihrer Gemeinde rufen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das fällt Ihnen ja früh ein!) So haben wir es immer geregelt. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Deshalb sage ich es ja!) ine gewisse Sachkenntnis tut sogar manchem Zwi- chenruf gut. Von Anfang an haben wir festgelegt, dass üllentsorgung und Abfallwirtschaft kommunale Auf- abe, Pflicht und Daseinsvorsorge sind. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) as war von Anfang an so. Wenn Sie das richtig finden, ann ist es ja gut. Es freut mich, dass Sie dem ausdrück- ch zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein, Sie schaffen es ja in der Praxis wieder ab!) Genauso haben wir die Voraussetzung dafür geschaf- n, dass die Kommune, die diese Aufgabe optimal und ochwertig erfüllt, dies auch in Zukunft machen kann. ie Organisationshoheit und die wirtschaftlichen Be- nge der Kommunen werden geschützt; die Gebühren leiben verlässlich und stabil. Da sich die kommunalen pitzenverbände und der VKU gemeinsam mit denjeni- en, die diese Anliegen im Parlament in besonderer eise vertreten, konstruktiv eingebracht haben, sind die ommunalen Belange auch voll berücksichtigt worden. h danke ausdrücklich für die konstruktiv-kritische Zu- ammenarbeit und für die Zustimmung, die wir am Ende ls Ergebnis dieses Prozesses von der kommunalen Fa- ilie bekommen haben. Es freut mich außerordentlich, ass dies gelungen ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) s ist ein enormer Erfolg, mit der Zustimmung der Kom- unen eine Öffnung in Richtung Wettbewerb zu errei- hen. Das haben wir geschafft. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16305 Bundesminister Dr. Norbert Röttgen (A) ) )(B) Richtig ist aber auch: Dieser Schutz, von dem ich ge- rade gesprochen habe, gilt natürlich nur dann, wenn Wertstoff- und Reststoffsammlungen qualitativ optimal durchgeführt werden – heute und vor allem in Zukunft. Wenn eine Gemeinde das heute oder in Zukunft nicht kann oder nicht will, dann ist das selbstverständlich eine Chance und Gelegenheit für privatwirtschaftliche Unter- nehmen. Das ist auch richtig so. Das heißt, es gibt diese Balance: Auf der einen Seite steht die Gewährleistung der Erfüllung dieser Aufgabe durch die Kommunen zu stabilen Preisen; und auf der anderen Seite steht die Öffnung hin zu mehr Wettbe- werb, als wir jemals auf diesem Gebiet hatten. Dies wird auf Basis der geltenden Rechtslage geschehen, sodass ein fairer Wettbewerb sichergestellt ist. Das ist nicht nur europarechtlich vorgeschrieben, sondern das ist auch ordnungspolitisch richtig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, dass wir auf dieser Basis einen wirklich fairen Ausgleich haben, der ordnungspolitisch stimmt und der die Zustimmung der beteiligten Kreise hat. Des- halb ist dieses Gesetz ein ganz wichtiger Baustein in ei- ner Politik, die Ökonomie und Ökologie nicht mehr als Gegensätze versteht, sondern vom Gedanken der Nach- haltigkeit geprägt ist und darum Ökonomie und Ökolo- gie als die wahren Geschwister erkennt. Diese Politik setzt damit einen weiteren Baustein in die Realität um. Ich bin sehr froh darüber, dass heute die zweite und die dritte Lesung stattfinden, und danke noch einmal für die konstruktiv-positive Zusammenarbeit, ohne die die- ses Ergebnis nicht erreicht worden wäre. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Papier ist ja wohl echt geduldig!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Gerd Bollmann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Gerd Bollmann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Thema Abfallwirtschaft denke ich zunächst an ein Plakat aus den 80er-Jahren, auf dem eine ungeord- nete Mülldeponie zu sehen war. Darunter stand: Wenn wir weiter so auspacken, können wir bald einpacken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich denke, seit dieser Zeit hat sich – jenseits der politi- schen Farbenlehre; egal ob Töpfer, Trittin oder Gabriel die entsprechenden Minister waren – einiges positiv ent- wickelt und verändert. Ohne die Verdienste von Herrn Töpfer schmälern zu wollen, Herr Minister: Auch das gültige Kreislaufwirt- schaftsgesetz ist damals erst im Vermittlungsausschuss entstanden, und wie man mir sagte, ist es deutlich besser als der ursprüngliche Entwurf. Auch darauf darf man hinweisen. le ru d n b v la m s fu w e w W w 5 z s b w G e n g o D e u n W d – ti E in s w G q w a d 7 b (C (D (Beifall bei der SPD) Ich denke, die Gesetze und Regelungen, die in den tzten Jahren verabschiedet worden sind – Deponie- ngsverbot, Verpackungsverordnung mit den verschie- ensten Novellen, Elektro-Altgerätegesetze –, sind alle icht hundertprozentig perfekt, sondern sie sind alle ver- esserungswürdig. Aber wir haben auch einiges nach orne gebracht; und das war notwendig. Denn Deutsch- nd ist ein rohstoffarmes Land. Deutschland soll und uss Industriestandort bleiben. Wer, wenn nicht wir, ollte ein Interesse an einer wirklich überzeugenden, nktionierenden Kreislaufwirtschaft haben? Dies ist ichtig für unsere Gesellschaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bereits heute stammen beispielsweise 50 Prozent des ingesetzten Kupfers aus Abfallmaterial. Oder denken ir an die Aluminiumherstellung: Auf dem normalen ege müssten wir Bauxit aus Afrika einführen. Wenn ir beispielsweise Rezyklate nehmen, dann sparen wir 0 Prozent der eingesetzten Energie. Diese Beispiele eigen die dringende Notwendigkeit, die Kreislaufwirt- chaft weiterzuentwickeln. Wir können uns nicht erlau- en, stehen zu bleiben. Die Abfallrahmenrichtlinie, die ir heute in deutsches Recht umsetzen, gibt uns dazu elegenheit. Herr Minister, leider ist der heute vorgelegte Gesetz- ntwurf, mit dem die europäische Abfallrahmenrichtli- ie in nationales Recht umgesetzt werden soll, nicht der roße Wurf, wie das eben hier oder von einigen Abge- rdneten im Umweltausschuss dargestellt worden ist. ie großen Chancen für einen wirklichen Einstieg in ine Kreislaufwirtschaft, für stärkeren Ressourcenschutz nd für mehr Wiederverwendung und Recycling wurden icht genutzt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) er dieses Gesetz als großen Wurf feiert, leidet entwe- er unter Realitätsverlust (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja, genau!) man könnte sich angesichts des Zustandes der Koali- on schon denken, warum – oder muss unbedingt einen rfolg herbeireden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, der letzten Woche haben Sie in diesem Haus ver- tärkte Rohstoffsicherung und Ressourcenschutz als ichtige Zukunftsaufgaben dargestellt. Der vorliegende esetzentwurf sieht für das Jahr 2020 eine Recycling- uote für Siedlungsabfälle von 65 Prozent vor, dabei urden bereits im Jahr 2008 64 Prozent aller Siedlungs- bfälle recycelt. Bei Bau- und Abbruchabfällen soll nach em Willen der Regierung bis 2020 eine Quote von 0 Prozent erreicht werden, dabei betrug die Quote 2008 ereits 93,7 Prozent. (Zurufe von der SPD: Oh! – Bärbel Höhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Rückschritt!) 16306 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Gerd Bollmann (A) ) )(B) War im Arbeitsentwurf des BMU noch von einer Ver- pflichtung die Rede, wurde dies zu einer Sollvorgabe weichgespült. Glauben Sie wirklich, dass es ausreicht, in einem Ent- schließungsantrag anspruchsvolle Abfallvermeidungs- ziele und -programme zu fordern, im Gesetzentwurf aber den Begriff „Abfallvermeidung“ ohne jegliche Ausge- staltung aufzunehmen? Gleichzeitig lehnen Sie Ände- rungsanträge zur verbesserten Abfallvermeidung ab. Das reicht nicht. Dies ist keine Fortentwicklung der Kreis- laufwirtschaft. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) Wer es mit der stofflichen Verwertung ernst meint, der darf die Mitverbrennung in Kraftwerken nicht als stoffliche Verwertung zählen. Wer mehr recyceln will, darf mit einem allgemeinen Kriterium die energetische Verwertung nicht mit stofflicher Verwertung gleichset- zen. Mit einem Heizwertkriterium von 11 000 Kilojoule ist beispielsweise die Verbrennung von Altpapier mög- lich (Michael Brand [CDU/CSU]: Wer verbrennt denn Altpapier? Das ist doch viel zu teuer!) und einem Papierrecycling gleichwertig. So ist der Vor- rang der stofflichen Verwertung nicht umzusetzen. Das hat auch die EU-Kommission in ihrem Notifizierungs- schreiben ausdrücklich betont. All diese Punkte hätten in den letzten Monaten im Mit- telpunkt der Auseinandersetzungen über das Kreislauf- wirtschaftsgesetz stehen müssen. Aber die Diskussion wurde von der Frage über das Verhältnis von kommunaler und privater Zuständigkeit in der Abfallwirtschaft be- herrscht. Wir Sozialdemokraten haben von Anfang an klargemacht, dass wir weitere Privatisierung im Zustän- digkeitsbereich der kommunalen Entsorgungswirtschaft ablehnen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) Die Hausmüllentsorgung gehört für uns zur Daseins- vorsorge. Der Bürger muss sich darauf verlassen kön- nen, dass sein Abfall unabhängig vom Marktpreis jeder- zeit und zuverlässig abgeholt und nach ökologischen Standards entsorgt wird. Dies trauen wir nur den Kom- munen, die dazu verpflichtet sind, wirklich zu. Eine Si- tuation, wie wir sie vor Jahren im Bereich Altpapier hat- ten, lehnen wir ab. Als der Altpapierpreis spekulativ hoch war, wurden von privaten Entsorgern Papiertonnen aufgestellt. Als der Preis im Verlauf der Wirtschaftskrise zusammenbrach, wurde das Altpapier nicht nur nicht mehr abgeholt, nein, man ließ sogar die aufgestellten Tonnen einfach stehen. Die Kommunen mussten ein- springen. Eine solche Entsorgung nach Marktlage zulas- ten der Bürger lehnen wir ab. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) g w b d w n le p A g u g G B v d d D g E Ä n G p d U F d K m s Ic d p d Z s re V e fe d d a d h S s (C (D Von der Regierung, der FDP und der privaten Entsor- ungswirtschaft wird behauptet, dass verstärkter Wettbe- erb dem Umwelt- und Ressourcenschutz dient. Es wird ehauptet, dass nur durch private Entsorgungswirtschaft er derzeit hohe Standard im Bereich Recycling erreicht urde. Es steht der Vorwurf im Raum, dass die kommu- alen Entsorger nur ihre Müllverbrennungsanlagen fül- n wollen. Schauen wir uns doch die Realität an: Altpa- ier, Altbatterien, Bioabfälle, Sondermüll und andere bfallfraktionen werden von zahlreichen Kommunen etrennt gesammelt, (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!) nd das dauerhaft, unabhängig von der Marktlage, mit utem Service, guten Löhnen und oftmals ohne Gewinn. ut ausgebaute Wertstoffhöfe wurden zum Beispiel in ayern errichtet. Dies alles geschah, bevor es gesetzlich erlangt wurde oder wirtschaftlich rentabel war. Eines ist klar: Für einen zukunftsorientierten Ausbau er Kreislaufwirtschaft ist eine Politik nach Marktlage er falsche Weg. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) afür sind Vorschriften, Richtlinien und gesetzliche Vor- aben notwendig, und zwar für private und kommunale ntsorger. Wir Sozialdemokraten haben das in unseren nderungsanträgen deutlich gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Fragen in ei- em wegweisenden Urteil zum Thema Altpapier geklärt. ewerbliche Sammlungen wurden eingeschränkt. Kein rivater Entsorger musste deswegen Insolvenz anmel- en. Von interessierter Seite wurde sofort gegen dieses rteil geklagt. Die private Entsorgungsindustrie, die DP und einige aus dem Ministerium haben behauptet, ass dieses Urteil nicht europarechtskonform sei. Liebe olleginnen und Kollegen, ich bin kein Jurist, ich berufe ich auch nicht auf die zahlreichen Gutachten aus ange- ehenen Anwaltskanzleien oder den Länderministerien. h weise aber darauf hin, dass das höchste dafür zustän- ige deutsche Gericht die Europarechtskonformität ge- rüft hat. Einstimmig hat das Bundesverwaltungsgericht ie Übereinstimmung mit dem Europarecht festgestellt. weimal, zuletzt im Juli dieses Jahres, hat das Gericht eitdem diese Ansicht bekräftigt. Bezüglich der Europa- chtsfragen ist diese Aussage der höchsten deutschen erwaltungsrichter für uns ausschlaggebend. (Beifall bei der SPD – Michael Brand [CDU/ CSU]: Die Fachgerichte haben alle anders ent- schieden!) Unter dem Druck interessierter Kreise hat das BMU inen Entwurf vorgelegt, welcher den Bestand der öf- ntlich-rechtlichen Entsorger stark gefährdet. Gegen en Widerstand der Räte in einigen Hundert Kommunen, es Bundesrates, der Verbände, der Opposition, aber uch vieler Abgeordneter aus den eigenen Reihen war ieser Entwurf nicht durchsetzbar. Nur wegen des dro- enden Scheiterns ist das BMU auf die kommunalen pitzenverbänden zugegangen. In letzter Minute ist ein ogenannter Kompromiss erreicht worden. Tatsächlich Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16307 Gerd Bollmann (A) ) )(B) sind einige Verbesserungen enthalten: die Verlängerung der Anzeigepflicht, der Wegfall der neutralen Stelle, die Beteiligung der öffentlich-rechtlichen Entsorger, die Be- rücksichtigung der Stabilität des Gebührenhaushalts. All dies sind Verbesserungen. (Beifall des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]) Gleichzeitig bleibt es aber bei vielen ungeklärten Rechtsbegriffen, die die Gerichte beschäftigen werden. Schon jetzt ist abzusehen, dass dieses Gesetz viele Rechtsanwaltskanzleien wirklich gut verdienen lässt. Man kann sich auf spannende Auseinandersetzungen einrichten. Das Signal zeigt mir, dass ich leider schon zum Ende kommen muss. Ich kann nur sagen: Auch wir Sozialde- mokraten sind für eine Wertstofftonne, allerdings – das muss hier ganz klar gesagt werden – in Verantwortung der Kommunen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Durch dieses Gesetz wird eine Vorentscheidung getrof- fen. Den Kollegen aus Bayern kann ich nur sagen: Wenn demnächst das Wertstoffgesetz in Kraft getreten ist, dann können Sie Ihre Wertstoffhöfe vergessen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde lehnen wir dieses Urteil ab. (Michael Brand [CDU/CSU]: Welches Urteil denn?) Ich habe vorhin schon gesagt: Auch das gültige Ge- setz ist im Vermittlungsausschuss entstanden. Ich denke, wir sehen uns im Vermittlungsausschuss wieder. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Horst Meierhofer für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Begründen Sie einmal dieses Gebührenerhö- hungsgesetz!) Horst Meierhofer (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bollmann, es war spannend, dass Sie am Anfang Ihrer Rede darauf hingewiesen haben, dass es hier nur um den Verbraucher und um den Service geht. Es war Ihnen wichtig, das zu betonen. Sie haben behauptet, wir würden uns nur darüber streiten, wer ein größeres Stück vom Kuchen bekommen solle. Im nächsten Satz haben Sie aber gesagt: Das darf kein Privater machen, sondern das müssen immer die Kommunen machen. Ihnen geht es überhaupt nicht um das beste Ergebnis. Ihnen geht es um Besitzstandswahrung und sonst gar nichts. (Beifall bei der FDP) Ich habe mir alte Texte angeschaut. In den Freiburger Thesen von 1971 stand zum Beispiel: S p b h D n ic U fü le ß s G s d c u ti s w F h d n re m ru ru U A u w d n v w D n S (C (D Die Aufnahmefähigkeit der Natur für Abfälle und andere Umweltbelastungen ist begrenzt. eitdem hat sich Gott sei Dank sehr viel getan. Was De- onieverbot und Lösung der Müllprobleme betrifft, ha- en wir viel erreicht. Wie man am heutigen Tage sieht, aben wir aber auch noch viel vor. Es sind noch viele inge zu klären. Wir wollen es besser machen. Wir wollen es aber icht nur für den Verbraucher besser machen – das habe h schon gesagt –, sondern auch besser machen für die mwelt – es geht um Recycling –, für die Wirtschaft und r die Kommunen, Herr Bollmann. Der von uns vorge- gte Gesetzentwurf mit der dazugehörigen Entschlie- ung bringt, glaube ich, für alle Beteiligten eine Verbes- erung im Vergleich zum Status quo. Das ist bei der esetzgebung nur sehr selten der Fall. Deswegen bin ich ehr stolz auf das, was hier vorliegt. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Wir haben etwas für die Umwelt erreicht, indem wir ie Wiederverwendung stärken. Wir wollen, dass man- he Dinge gar nicht erst auf dem Müll landen. Wir haben ns darauf verständigt, dafür zu sorgen, dass soziale Ini- ativen, die zum Beispiel alte Möbel und andere Gegen- tände wiederaufbereiten und verkaufen, unterstützt erden. Davon hält die SPD nichts. Das ist eine soziale rage, reduziert aber auch das Müllaufkommen. Dazu aben Sie nichts gesagt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir wollen durch Wertstofftonnen erreichen, dass – ie Zahl stammt vom Umweltbundesamt – 600 000 Ton- en weniger verbrannt werden; dies betrifft öffentlich- chtliche und private Anlagen. Diese 600 000 Tonnen ehr sollen recycelt werden. Das wollen Sie nicht. Wa- m, das weiß ich nicht. Dies wird zu weiteren Verbesse- ngen führen; das ist entscheidend. Vor allem für die mwelt ist dies gut. (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Aber nicht über Ihr Gesetz!) lle Umweltverbände und Experten sind sich einig, dass ns dies nach vorne bringt. Sie sagen: Nein, das wollen ir nicht, wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist; enn alles ist ganz hervorragend. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir wollen den Grundsatz Recycling vor Verbren- ung umsetzen. Diesen klaren Vorrang übertragen wir on europäischer Ebene auf deutsches Recht. Dadurch erden wir mehr Recycling haben als bisher. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) ennoch werden wir die Strukturen, die Müllverbren- ungsanlagen, die Müllheizkraftwerke, aus denen wir trom und Wärme erzeugen, erhalten. Herr Bollmann, 16308 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Horst Meierhofer (A) ) )(B) diese sind zu 50 Prozent in privater und zu 50 Prozent in öffentlicher Hand. Frau Steiner, die Grünen wollen das Heizwertkriterium komplett abschaffen; dies hat auch Herr Bollmann gerade durch die Blume gesagt. Es wäre gut, wenn Sie darauf hinweisen, (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir reden über die Höhe und nicht über das Abschaffen!) dass wir dann alle Anlagen schließen müssten; denn es würde sich für die Kommunen nicht mehr lohnen. Auch wenn Sie den Kommunen alles andere zuschustern wür- den, würde es sich für sie nicht mehr lohnen. Im Ergeb- nis würden die Kommunen, die weiterhin an Müllheiz- kraftwerken beteiligt sind, die Gebühren erhöhen. Dann würde es teurer für den Verbraucher werden. Wir wollen genau das Gegenteil. Wir wollen es besser und günstiger. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]) – Wenn die nicht ausgelastet sind, dann muss es mehr kosten, Herr Kelber, das ist doch logisch. Wer bezahlt das dann? Natürlich der Verbraucher und der, der den Müll anliefert. (Ulrich Kelber [SPD]: Wenn Sie das einzig Lukrative herausnehmen, dann steigen die Ge- bühren! Reden Sie einmal mit einem Prakti- ker! Das ist ein Gebührenerhöhungsgesetz, das Sie da machen! – Zuruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deswegen müssen wir das Heizwertkriterium beibehal- ten. Es kann gar nicht anders funktionieren. Wir wollen gleichzeitig dafür sorgen, dass wir durch eine Kaskadennutzung – diese haben wir vorgesehen – möglichst wenig verbrennen müssen. (Ulrich Kelber [SPD]: Selbst Altpapier darf man in Zukunft verbrennen!) Wir wollen möglichst viel recyceln und schrittweise im- mer weniger verbrennen. Dieser Übergang ist einerseits eine Garantie für Investitionen und führt andererseits langfristig zu deutlich mehr Recycling. Wahrscheinlich haben Sie sich inhaltlich nicht damit beschäftigt, deswe- gen müssen Sie jetzt bei Ihrer tumben Antihaltung blei- ben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Das ist unerträglich!) Was bedeutet das für die Wirtschaft? Die Wirtschaft hat dadurch große Vorteile. Wir haben in den letzten Ta- gen gehört, dass auch Teile der Wirtschaft mit dem Ge- setz nicht ganz glücklich sind. Hier heißt es ja immer, nur die Kommunen hätten damit Probleme. Herr Bollmann, dies ist ein Kompromiss; das muss man offen sagen. Alle müssen ein Stück beigeben, vielleicht nicht die Opposition. Aber später im Bundesrat muss man et- was verantwortungsvoller handeln als Sie gerade hier. D g te re w d g s d D s s fe g Ic a w c w h d n u A E n b s b s m ü P b n d k v D s (C (D (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie eben nicht gesagt, dass alle profitie- ren? Das passt doch nicht zusammen!) Jetzt sage ich Ihnen, warum die Wirtschaft profitiert. ie Wirtschaft profitiert, weil es Investitionssicherheit ibt; dies gilt für die Kommunen, und beim Heizwertkri- rium gilt es natürlich genauso für die privaten Investo- n. Wir haben durch die neutrale Stelle, die geschaffen ird, klare Wettbewerbsverhältnisse. Davon profitieren ie Kommunen, aber auch die Privaten. Jeder weiß: Es ibt keine Eigeninteressen bei der Wertstofferfassung, ondern das macht jemand, der das beste Ergebnis für en Bürger erzielen möchte. Das ist ein echter Vorteil. as war bisher nicht so. Für Verpackungen war aus- chließlich das Duale System und für den Restmüll aus- chließlich die Kommune zuständig. Wenn bei Wertstof- n nun eine neutrale Stelle zuständig ist, ist das ein roßer Vorteil. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) h erwarte, dass Wertstoffe sowohl von den Kommunen ls auch von den Privaten sinnvoller und besser recycelt erden. Wir werden dafür sorgen, dass sich bei der gewerbli- hen Sammlung einiges entwickelt. Es hieß immer, dort ürde Rosinenpickerei betrieben. Herr Bollmann, das aben wir doch dadurch verhindert, dass wir die Frist für ie Anzeigepflicht auf drei Monate – natürlich geht dies icht von einem Tag auf den nächsten – festgelegt haben nd den Mindestsammelzeitraum auf drei Jahre – am nfang war ein Jahr im Gespräch – erhöht haben. (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Ja und?) s ist nicht so, dass ein Privater hier schnell Geld verdie- en kann, und kurz darauf, wenn die Wertstoffe wieder illiger geworden sind, erneut die Kommune dafür zu- tändig ist. Zu Ihrer Information: Kein Mensch ver- rennt Papier; denn dafür gibt es Geld. Wie erklären Sie ich sonst, dass alle so scharf darauf sind, Papier zu sam- eln? Herr Bollmann, daher war Ihr Beispiel nicht ganz berzeugend. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Wenn es kein Geld gibt, dann verbrennen wir es! Das ist FDP-Umweltpolitik!) Es gibt nun einmal leider auch Kommunen, die die robleme bei der Wertstofferfassung, vor allen Dingen ei der Papiererfassung, nicht optimal lösen. Die, die es icht optimal lösen, wollen Sie trotzdem schützen, in- em Sie, SPD und Grüne, ihnen die Möglichkeit geben, omplett zu verhindern, dass Private einen besseren Ser- ice anbieten. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie reden wider besseres Wissen, Herr Meierhofer! – Gegenruf des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]: Lesen Sie doch einmal den Gesetzentwurf, Frau Steiner!) as ist nicht nur aus Sicht des Verbrauchers eine Unver- chämtheit, sondern auch ökologisch irrsinnig. In eini- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16309 Horst Meierhofer (A) ) )(B) gen Gemeinden gibt es keine Papiertonnen. In solchen Gemeinden sollen Private die Möglichkeit haben, diesen Service anzubieten. Dies ist aus Sicht des Recyclings und des Bürgers besser. Mir ist vollkommen unverständ- lich, was man dagegen haben kann. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie bekommen Unterstützung von Ihrem Kollegen Ude aus München, der für den Deutschen Städtetag spricht und der für die Kommunen in die Bresche springt. (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Zu Recht!) München hat aber in Deutschland die niedrigste Recy- clingquote: 5 Kilogramm im Vergleich zu knapp 30 Kilo- gramm. Der Mann hat von Recycling keine Ahnung; das weiß ich. Was den Rest angeht, hoffe ich, dass es nicht so ist. Von Recycling hat er aber keine Ahnung. (Heiterkeit und Beifall bei der FDP) Trotzdem erklärt er uns allen, wie man es besser machen muss. Dann sind wir nämlich bei den Wertstoffhöfen. Da hat er den Beweis noch nicht erbracht, Herr Bollmann. Der Beweis wird erst noch zu erbringen sein. (Gerd Bollmann [SPD]: Das können Sie ihm in Bayern gut erklären!) Wenn es nicht funktioniert, möchte ich ein besseres Er- gebnis haben. Dieses Gesetz ist für die Kommunen besser, weil sie Planungssicherheit haben. Es ist für die Kommunen gut, weil jetzt endlich klar ist, was man darf und was nicht. Wenn die Gebühren gefährdet sind, können die Kom- munen den Wettbewerb ganz leicht mehr oder weniger verhindern. Das ist etwas, worüber sich die Privaten be- schwert haben. Wenn für den Verbraucher ein optimales System bereitgestellt wird, kann ein Privater nicht in die- sen Markt hinein. Die Kommunen haben Sicherheit ohne Ende. Es wird keine Rosinenpickerei geben. Die Kom- munen haben Möglichkeiten, über die die Privatwirt- schaft ächzt. Man sollte einmal zugeben, dass hier wirklich ein Ausgleich gefunden wurde, den die Hauptgeschäftsfüh- rer aller kommunalen Spitzenverbände unterschrieben haben. (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Weil unter Schwarz- Gelb nicht mehr rauszuholen war!) Wenn die alle damit leben können, dann würde es mich doch sehr wundern, wenn nicht auch die SPD in der Lage wäre, zuzustimmen – es sei denn, wegen Scheu- klappen und um einfach Nein zu sagen. (Ulrich Kelber [SPD]: Herr Meierhofer, zitie- ren Sie doch einmal aus deren Reden!) – Die haben gesagt, sie seien einverstanden. (Michael Brand [CDU/CSU]: Die SPD vertritt Maximalpositionen!) Z k p a z c s – n B u W c h s W h re e D g im n m u h S e B v le h K a d d e d s R S n d (C (D itieren Sie einmal, was der BDE gesagt hat. Er hat er- lärt, es sei unzumutbar. Das Entscheidende ist doch, dass man in einem Kom- romiss zwei verschiedene Seiten zusammenbringt und m Schluss jeder sagt: Unter Bauchschmerzen kann ich ustimmen. – Das ist der Status quo, den wir hier errei- hen müssen. Sie können sich natürlich auf eine Seite tellen. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind ein Gebühren- erhöher! – Gegenruf des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]. Sie sind ein Schwätzer!) Im Gegenteil: Es wird günstiger. Das werden Sie auch och sehen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind persönlich für die Gebührenerhöhung verantwortlich!) Die Frage der Wertstoffhöfe ist gerade für uns in ayern entscheidend. Bei uns gibt es viele Kommunen nd Landkreise, die überhaupt kein Holsystem haben. ir hatten natürlich auch in der Koalition unterschiedli- he Meinungen und haben uns verständigt, wie wir es inbekommen. Wir haben gesagt: Wir wollen die Wert- toffhöfe nicht zerschlagen, sondern wir wollen, dass die ertstoffhöfe es auch weiterhin machen können. Uns geht es darum, eine Wertstofferfassung von öchster Qualität zu erreichen. Deswegen steht in unse- m Gesetzentwurf auch: Wertstoffhöfe oder Wertstoff- rfassung vergleichbarer Qualität. – Das fordere ich ein. ie Qualität muss vergleichbar sein. Einfach nur zu sa- en: „Wir wollen ein System beibehalten“ – es führt, wie Fall des geschätzten Oberbürgermeisters Ude, zu ei- em Sechstel der Sammelmengen –, reicht uns nicht. Es uss nachgewiesen werden, dass die gleichen Mengen nd die gleiche Qualität erreicht werden. Von der Rein- eit her ist es meist sogar ein bisschen besser. Zum chluss müssen wir es bewerten. Dann kommen wir zu inem Ergebnis. Wir machen nichts kaputt, sondern versuchen, das este für den Verbraucher herauszuholen. Das lassen Sie öllig unberücksichtigt bei Ihren tumben Vorwürfen, die ider nichts mit der Realität zu tun haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Einen letzten Punkt will ich noch ansprechen. Ich abe gesagt, dass dies alles gut für die Wirtschaft, die ommunen und vor allem die Umwelt ist. Man sollte ber vielleicht nicht ganz außer Acht lassen, dass es für en Verbraucher besser ist. Für den Verbraucher ist es ann am besten, wenn ein höchst qualitatives Recycling rreicht wird und er es möglichst bequem hat, damit er as Angebot auch nutzt. Das ist nämlich der Unter- chied. Dort, wo es ein gutes Angebot gibt, ist auch die ecyclingquote höher. Das Ganze muss auch verständlich sein. An dieser telle muss man selbstkritisch anmerken, dass es bisher icht verständlich war, wenn zwar eine Plastiktüte, in er ein Legostein verpackt war, recycelt wurde, der Le- 16310 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Horst Meierhofer (A) ) )(B) gostein aber in den Restmüll geworfen wurde. Das ist der Status quo bei der momentanen Verpackungssamm- lung. Es muss in Zukunft so sein, dass wir uns daran orientieren, was ein Wertstoff ist. Wenn es ein Wertstoff ist, müssen wir ihn möglichst gut recyceln. Eine solche Verbesserung gegenüber dem Status quo haben Sie in den sieben Jahren Verantwortung von Rot- Grün und auch später nicht hinbekommen. Deswegen sind wir auch besonders stolz; denn wir holen ökolo- gisch mehr heraus, als Sie sich jemals zugetraut hätten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es muss ein einfaches System sein, es muss ein klares System sein. Es muss auch so sein, dass derjenige, der sich nicht an die Spielregeln hält, stark bestraft wird. Wir haben für die schwarzen Schafe die Strafsätze deutlich erhöht. Wir schaffen mehr Bürger- und Informationsrechte – dies gilt auch für die kleinen und mittleren Unterneh- men –, indem wir die Kommunen dazu auffordern, ihre Beratungstätigkeiten in Bezug auf Müll deutlich nach vorne zu bringen. Alles in allem ist das für alle Beteilig- ten deutlich besser. Das Letzte, was mir von Rot-Grün in Erinnerung ge- blieben ist – das ist auch das Einzige im Bereich Abfall und Wertstoffe, woran ich mich erinnere –, war der Ver- such des Dosenpfandes. Die Situation ist im Endeffekt deutlich schlechter geworden als vorher. Man wollte die Mehrwegquote stärken. Erreicht hat man eine Mehrweg- quote, die so niedrig ist wie nie. Erreicht hat man ein Re- vival der Dose. Erreicht hat man Einweg ohne Ende. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woran lag es wohl? An der CDU und der FDP in den Ländern! Das ist es doch! Sie haben das verhindert, Herr Meierhofer!) Das ist Ihr Erfolg gewesen. Wir werden vergleichen, was unser Erfolg ist. Das, was Sie gemacht haben, wäre etwas für die Tonne gewe- sen. Mit dem, was wir machen, tun wir etwas für die Wertstoffe. Sie haben bis jetzt nichts nachgewiesen – au- ßer dagegen zu sein. Ich bin gespannt auf Ihre Debatten- beiträge. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Ihren Erfolg werden wir an den Gebührenerhöhungen genau messen können!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Ralph Lenkert für die Frak- tion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Überarbeitung des Kreislaufwirt- s w B D te a S d S s d s E d n D w K e s w d S te b d tu E V s w te V g H P u v V d B ru M (C (D chafts- und Abfallgesetzes, die wir heute beschließen, ird von der Regierungskoalition als Kompromiss aller eteiligten verkauft. Lassen Sie mich eines klarstellen: as ist Müll. (Beifall bei der LINKEN) In Wirklichkeit wollten Sie mit Ihrem Entwurf priva- n Abfallfirmen das lukrative Geschäft mit Wertstoffen us dem Hausmüll zuschanzen. Das hat aber zu viel taub in den Kommunen aufgewirbelt, weil diese da- urch Einnahmen verlieren würden. Deshalb mussten ie auf diesen Druck mit Änderungen reagieren. Wahr- cheinlich war den zuständigen Ministerien bewusst, ass auch die Bürgermeister der Union nicht einfach zu- ehen, wenn man ihren kommunalen Eigenbetrieben innahmen in Höhe von rund 800 Millionen Euro aus em Verkauf von Altpapier und Metallschrott weg- immt. (Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Im Gegensatz zu Ihnen sind wir eine Kommunalpartei!) enn etwa 10 Prozent der Kosten der Abfallbeseitigung urden und werden durch diese Einnahmen gedeckt. ein Bürgermeister erhöht gern die Müllgebühren, aber ine Erhöhung wäre unumgänglich gewesen. Darum hat die Regierung bis kurz vor Ladenschluss o getan, als ob das Abschaffen der kommunalen Abfall- irtschaft zugunsten der Privatwirtschaft eine unverän- erliche europäische Vorgabe ohne Wenn und Aber ist. o eine plumpe Privatisierungsmasche ist mir selten un- rgekommen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]) Für die EU ist die Abfallhierarchie entscheidend. Da- ei steht die Abfallvermeidung über der Wiederverwen- ung. Diese steht wiederum über der stofflichen Verwer- ng. Erst dann kommen die Verbrennung und zuletzt die ntsorgung des Abfalls. Warum nur erzählen deutsche ertreter in Brüssel, dass die Abfallhierarchie im Ge- etzentwurf wegen der kommunalen Entsorger verletzt erde? Weil sie ihre Müllverbrennungsanlagen auslas- n wollen. Völlig überraschend wird dann von diesen ertretern eine Privatisierung der Abfallwirtschaft vor- eschlagen. So macht man keine Gesetze. (Beifall bei der LINKEN) ier sollten die Bürgerinnen und Bürger für zusätzliche rofite der gewerblichen Müllindustrie zahlen. Nicht mit ns! Wer wie ich die Themen Abfall und Wertstofftonne erfolgt, dem blieb nicht verborgen: In den Augen der erantwortlichen der privaten Abfallindustrie blinken ank Schwarz-Gelb die Dollarzeichen. Liebe Chefs von anken, Hotels und privaten Entsorgern: Diese Regie- ng steht fest an Ihrer Seite. Ich sage: Diese Politik ist üll. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16311 Ralph Lenkert (A) ) )(B) (Beifall bei der LINKEN – Ulrich Kelber [SPD]: Wir recyceln den Müll!) Die Linke kämpfte, zusammen mit anderen Opposi- tionsparteien, mit Hunderten Kommunalvertretungen, Kreistagungen und Stadträten, für eine kommunale Ab- fallentsorgung. Diese Entsorgung beinhaltet alle wert- vollen Abfallbestandteile wie Papier, Glas und Metalle. Der Kampf hat sich gelohnt. Denn die Koalitionsfraktio- nen stärkten in letzter Minute die Position der öffentli- chen Entsorger. Dafür danke. Warum aber konnten Sie sich nicht vollständig zu den Kommunen bekennen? Die eingeführten Wirtschaftlich- keitskriterien bei der Wertstofferfassung öffnen eine Hintertür für die privaten Entsorger. Wer billig ist, ge- winnt die Wertstofferfassung. Seien Sie offen: Sie spie- len den tariflich bezahlten Angestellten, den öffentlichen Müllmann, gegen den Leiharbeiter beim privaten Ent- sorger aus. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit Preisvorteilen durch Lohndumping ermöglichen Sie Konzernen wie Veolia und ALBA erneut den Zugriff auf die Wertstoffentsorgung. Das muss die Linke einfach verhindern. (Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist doch einfach unwahr! Sie wissen es doch besser, oder doch nicht?) Mal ganz nebenbei: Viele meiner heimatlichen Thü- ringer Kommunen werden diese Hintertürenteignung nicht dulden und sich gerichtlich wehren. Dieses zusam- mengeschusterte Gesetz wird eine teure Arbeitsbeschaf- fungsmaßnahme für Anwälte und Richter. Das lehnen wir ab. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD) Auch im Hinblick auf den Umweltschutz ergibt dieses Gesetz ein differenziertes Bild. Positivem, wie dem Ver- mischungs- sowie Verdünnungsverbot für gefährliche Abfälle, steht die Nichteinhaltung der Abfallhierarchie gegenüber. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das scheint mir auch sehr dünn zu sein!) Die Koalitionsfraktionen haben Etliches am Entwurf der Regierung verbessert, aber zu einem zukunftsweisenden Gesetz fehlte der Mut. (Michael Brand [CDU/CSU]: Von Ihnen ist das ein Lob! Das ist schon mal viel!) Wir wollen ein anderes Abfall- und Kreislaufwirt- schaftssystem. Deshalb bringen wir unseren Entschlie- ßungsantrag ein. Darin fordern wir ein System, das eine bestmögliche Übereinstimmung zwischen den Lebens- verhältnissen der Bevölkerung, den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und den Erfordernissen der Umwelt ermöglicht. Das bedeutet, die Abfallwirtschaft für Sied- lungsabfälle unter kommunaler Hoheit zu organisieren, u g s b A A fi a n le P fo h M k li w ru e a O A fa n le u v e D u le V p P a d u te n n L g s c e (C (D nd zwar mit fairen Löhnen bei guten Arbeitsbedingun- en. (Beifall bei der LINKEN) Einer konsequenten Einhaltung der Abfallhierarchie tehen reine Profitinteressen im Weg. Der private Betrei- er einer Müllverbrennungsanlage verdient mit dem uslastungsgrad seiner Anlage mehr oder weniger Geld. n Müllvermeidung, an stofflichem Verwerten ist er de- nitiv nicht interessiert. Die beste Möglichkeit zur Einhaltung der Abfallhier- rchie liegt aus unserer Sicht in der Hoheit der Kommu- en. Aber auch diese müssen auf die tatsächlich anfal- nden Abfallmengen eingestellt werden. Das ergibt robleme, weil bei steigendem stofflichen Recycling, er- lgreicher Abfallvermeidung und den schon jetzt beste- enden privaten und öffentlichen Überkapazitäten in üllverbrennungsanlagen und Restbrennstoffkraftwer- en die zu verbrennenden Abfallmengen zukünftig deut- ch zurückgehen. Deshalb müssen ab sofort der Neubau eiterer Verbrennungskapazitäten und die Mitverfeue- ng, zum Beispiel in Stahlwerken und Zementfabriken, ingestellt werden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gerd Bollmann [SPD]) Jetzt können Sie, meine Damen und Herren von den nderen Fraktionen, schon einmal zum Protest ausholen: hne langfristige Planung der Kapazitäten geht es in der bfallwirtschaft nicht. Sonst laufen die Kommunen Ge- hr, durch mangelnde Abstimmung in überdimensio- ierte Kapazitäten zu investieren. Die Abfallvermeidung muss eine zentrale Rolle spie- n. Dies lässt sich durch Ressourcenverbrauchsabgaben nd durch Bonussysteme bei der Wiederverwendung on Altprodukten erreichen. Das Duale System, bekannt als der Grüne Punkt, ist ine unbeherrschbare Krake und gehört abgeschafft. (Beifall bei der LINKEN) as Duale System organisiert Sammlung, Sortierung nd Verwertung von Abfällen. Dafür kaufen die Herstel- r von Verpackungen Lizenzen für das Vertreiben von erpackungen entsprechend der Art und Menge der Ver- ackungen. Nach dem Kauf der Lizenz darf der Grüne unkt auf die Verpackung. Betrüger drucken den Punkt auch ohne Bezahlung uf. Seit Jahren ist das Duale System nicht in der Lage, en Missbrauch des Systems durch unehrliche Firmen zu nterbinden. Für etwa die Hälfte der in Verkehr gebrach- n Verpackungen wurde der aufgedruckte Grüne Punkt icht bezahlt. Bis jetzt gehen weder die Dualen Systeme och die Behörden ernsthaft gegen die Betrüger vor. Damit Ehrlichkeit nicht länger bestraft wird, setzt die inke auf eine Verpackungsabgabe. Diese muss zweck- ebunden zur Finanzierung einer kommunalen Erfas- ung und der anschließenden Verwertung der Verpa- kungen eingesetzt werden und wird wie eine Steuer ingetrieben. (Beifall bei der LINKEN) 16312 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Ralph Lenkert (A) ) )(B) Damit wird das Duale System mit seiner bürokratischen Lizenzierung überflüssig. Diese betrügerische Profit- quelle gehört abgeschafft. (Beifall bei der LINKEN) In 1 Tonne alter Mobiltelefone stecken fast 70 Kilo- gramm Kupfer. Das sind 20 Kilogramm mehr als in 1 Tonne Kupfererz. Zusammen mit Gold, Silber, Nickel, Aluminium und Eisen haben diese sogenannten Sekun- därrohstoffe deutschlandweit einen jährlichen Wert von über 6 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Die Einrich- tung von Pfandsystemen für technische Geräte würde eine saubere Erfassung von Altgeräten wie Handys so- wie die Möglichkeit der Wiederverwendung und die Nutzung der enthaltenen Wertstoffe ermöglichen. Auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen Gesell- schaft sind Pfandsysteme Teil einer ressourcenschonen- den Wirtschaftsweise. Übrigens: In diesem Bereich war der VEB SERO, was seine Quoten betrifft, deutlich wei- ter als Sie mit dem, was Sie hier anstreben. (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Hoffentlich wol- len Sie nicht auch noch die Mauer wieder auf- bauen!) Unser Entschließungsantrag stärkt die kommunalen Abfallbetriebe, reduziert den Ressourcenverbrauch und schafft gute Arbeitsplätze in der regionalen Kreislauf- wirtschaft. (Michael Brand [CDU/CSU]: Occupy VEB!) Der Entwurf der Koalition jedoch sichert die Profite der Entsorgungskonzerne zulasten der Kommunen und Bür- ger. Alles in allem muss die Linke Ihren Entwurf eines Kreislaufwirtschaftsgesetzes trotz der Verbesserungen in letzter Minute ablehnen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD – Rainer Brüderle [FDP]: Da- mit müssen wir leben!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Dorothea Steiner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ha- ben den Umweltminister gehört: Mehr Wachstum mit weniger Ressourcen erzeugen, das ist der progressive Ansatz in der Abfallpolitik. Das teilen wir und stellen an die Abfallgesetzgebung einen hohen Anspruch. Wir wol- len uns von der Wegwerfgesellschaft zur Recycling- gesellschaft entwickeln; denn Abfälle sind Ressourcen, die wir wieder nutzen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das betrifft uns alle: Politik, Industrie, Handel, Ver- braucherinnen und Verbraucher. Wir alle müssen einen Beitrag zu mehr Kreislaufwirtschaft leisten, indem wir Abfälle vermeiden, Abfälle, die sich nicht vermeiden lassen, konsequenter getrennt sammeln und mit hoher Qualität recyceln, Produkte, die noch funktionsfähig s w n w Z R P Ic s fo n R s d h d E le ri G R ri T H im p e p B T V k E (C (D ind, nicht auf Nimmerwiedersehen entsorgen und alle ertvollen Rohstoffe zurückgewinnen und sie wieder utzen. Nur dann, wenn wir das alles beachten, kommen ir eines Tages zu einer echten Kreislaufwirtschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) Das neue Abfallgesetz könnte dazu ambitionierte iele vorgeben und einen wirksamen Impuls für mehr ecycling setzen. Das hat uns auch Herr Röttgen fast im redigerstil vorgetragen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen Prediger?) h sage Ihnen: Diese Chance haben Sie mit diesem Ge- etzentwurf vertan. Diesen Anforderungen, die Sie selbst rmuliert haben, werden Sie mit diesem Gesetzentwurf icht gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Brand [CDU/CSU]: Ich habe doch gesagt, Sie müssen den Gesetzentwurf lesen!) Eine zukunftsfähige Abfallwirtschaft muss nämlich essourceneffizienz, Umweltverträglichkeit und Klima- chutz zum Ziel haben. Zu Klimaschutz findet sich in em gesamten Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb über- aupt nichts. Zwar weiß das Bundesumweltministerium, ass die Abfallwirtschaft einen erheblichen Beitrag zum rreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung isten muss. Aber wie sollen das bitte auch die Bürge- nnen und Bürger erfahren, wenn das nicht einmal im esetz steht? (Michael Brand [CDU/CSU]: Was für eine Lo- gik! Für wie dumm halten Sie die Leute ei- gentlich?) eicht es Ihnen vielleicht aus, dass das Umweltministe- um eine Broschüre mit dem Titel Recycling stoppt reibhausgase herausgibt? Ich finde, das reicht nicht. ier muss mehr aufgeklärt und diskutiert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will Ihnen kurz zwei Beispiele für Klimaschutz Abfallbereich nennen: Erstens. Wenn wir das heute mehrfach erwähnte Alt- apier richtig recyceln, werden unsere Treibhausgas- missionen um 5,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ro Jahr gesenkt. (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Deshalb machen wir das auch richtig!) is 2020 kann man das ohne Probleme auf 8,2 Millionen onnen pro Jahr steigern. Zweitens. Durch eine einfache Wertstofftonne – nur für erpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen – ann man im Vergleich zum gelben Sack 92 Prozent mehr missionen pro Jahr einsparen – von aktuell 2,3 Millionen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16313 Dorothea Steiner (A) ) )(B) Tonnen CO2-Äquivalente auf über 4,3 Millionen Tonnen in 2020. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das wird doch gemacht! – Horst Meierhofer [FDP]: Das ma- chen wir doch sowieso!) Ich sage Ihnen: Wir sind kein Gegner der Wertstoff- tonne – mitnichten. Wir fordern sie auch und begrüßen sie, aber erwecken Sie hier doch nicht den Eindruck, wir würden heute – das lese und höre ich die ganze Zeit; Sie sagen es auch – eine gesetzliche Regelung für die Wert- stofftonne verabschieden. (Michael Brand [CDU/CSU]: Nein, das haben wir doch gar nicht gesagt!) Wenn sie Ihnen wirklich so wichtig wäre, dann hätten Sie es nach den zwei Jahren, in denen Sie sich mit der Wertstofftonne beschäftigt haben, bis heute zu einem Konzept gebracht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Brand [CDU/CSU]: Wir rütteln nicht an der Tonne!) Aber nein, erst im nächsten Jahr soll sie mit dem Wert- stoffgesetz endlich kommen. Viel Vergnügen! Bis dahin werden wir uns über die Zusammensetzung noch ordent- lich unterhalten müssen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Stimmt!) Meine Damen und Herren, auch der Umweltschutz kommt im Gesetzentwurf zu kurz, weil die Abfallver- meidung gering geachtet wird. Sie alle wissen: Der beste Abfall ist der, der gar nicht erst anfällt. Ich sage Ihnen: Wir müssen unsere Wegwerfgesellschaft gründlich um- krempeln, die sinnlose Verpackungsflut eindämmen und ein abfallarmes Produktdesign durchsetzen. Hier müssen alle an einem Strang ziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. René Röspel [SPD] – Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist wirklich arm, was Sie hier erzählen!) Ich frage Sie: Wann erhöhen wir endlich die Repara- turfähigkeit und die Langlebigkeit von Produkten? Es gibt bereits jetzt genügend Beispiele dafür – aber eben punktuell –, wie soziale Betriebe aus Alt wieder Neu machen: Möbel aufarbeiten, Fahrräder aufarbeiten, PCs reparieren. Dabei schaffen sie ganz nebenbei die drin- gend benötigten Arbeitsplätze für auf dem Arbeitsmarkt Benachteiligte und sichern bereits vorhandene. Das muss man ausweiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) Wir haben Ihnen zu einem anderen Punkt einen kon- kreten Vorschlag gemacht, nämlich zur Reduzierung der Plastiktüten auf Erdölbasis – immer unter dem Gesichts- punkt „Wegwerfgesellschaft“. Eine Umweltabgabe auf diese Plastiktüten hat zum Beispiel in Irland innerhalb v te s u w ö F N w fü Ic P E n la is k c u w te s h p d tü S P h R a z M s d S c s n d s (C (D on fünf Jahren zu einem Rückgang der Zahl dieser Tü- n von über 90 Prozent geführt. Ohne Probleme sind iri- che Bürger auf wiederverwendbare Einkaufstaschen mgestiegen. Wir ziehen daraus die Konsequenz, dass ir eine solche Umweltabgabe auf Plastiktüten auf Erd- lbasis auch als Instrument für Deutschland vorschlagen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Bei uns werden Tüten wiederverwertet und recycelt!) ür die Plastikfetischisten in der FDP: (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und bei der SPD – Michael Kauch (FDP): Was wissen Sie denn, was wir für einen Fetisch haben? iemand würde dazu gezwungen, Plastiktüten mit Um- eltabgabe zu kaufen, da es ja genügend Alternativen r Umsteiger gibt. (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem: Gelber Sack!) h muss sie hier nicht alle aufzählen. Das geht von der apiertasche über die Stofftasche bis hin zum einfachen inkaufskorb, den man auch einmal zum Einkaufen mit- ehmen kann. Deswegen brauchen Sie hier gar nicht nge über Zwangsabgaben herzuziehen. Wir denken, die Einnahmen aus dieser Abgabe – das t der Vorteil, wenn eine Abgabe zweckgebunden ist – ann man für die Förderung umweltverträglicher Verpa- kungen, für Öffentlichkeitsarbeit, für Abfallvermeidung nd für die höhere Qualität des Kunststoffrecyclings ver- enden. Ich sage Ihnen eines: Wer heute seine Plastiktüten gu- n Gewissens in den gelben Sack steckt, der sollte wis- en, dass große Teile davon verbrannt werden – auch ier sind es weit über 50 Prozent –, dass viele Ballen ge- resster Plastikmüll in Osteuropa oder China landen und ass in den Müllteppichen auf den Meeren auch Plastik- ten aus Deutschland herumtreiben. Damit muss chluss sein, wenn wir nicht tatsächlich zu einem Plastic lanet werden wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) Beim Ressourcenschutz produziert die Regierung viel eiße Luft. Umweltminister Röttgen hat sich vorhin über essourcenschutz in dem Sinne geäußert, wie wir das uch tun, und betont, wie sehr ihm das Thema am Her- en liegt. Da sage ich nur: Dann machen Sie doch mal! it diesem Gesetz könnten Sie viel für den Ressourcen- chutz tun, aber Sie tun es nicht. Stattdessen gibt es wie- er heiße Luft, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. ie öffnen nämlich der Verbrennung wertvoller Ressour- en Tür und Tor, indem Sie als Grenzen für die energeti- che Verwertung 11 000 Kilojoule festlegen. Dabei kön- en theoretisch Altpapier, Altöl und Plastik einfach in en Ofen; all dies sind Stoffe, die sich gut recyceln las- en. Das ist ein schwerer Fehler. Ich hoffe, dass Ihnen 16314 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Dorothea Steiner (A) ) )(B) die EU bei diesem Vorhaben ordentlich auf die Finger klopfen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zu den Reyclingquoten möchte ich nicht mehr sehr viel sagen, weil dies vom Kollegen Bollmann von der SPD schon deutlich benannt worden ist. Eine Steigerung um 1 Prozentpunkt in zwölf Jahren ist wirklich kein am- bitioniertes Ziel. Zurzeit liegt die Quote bei 64 Prozent. Sie wollen eine Quote von 65 Prozent erreichen, verteilt auf zwölf Jahre. Was soll daran ein großer Wurf sein? (Michael Brand [CDU/CSU]: Deswegen gibt es eine Wertstofftonne! Wer ist denn Re- cyclingweltmeister? Ist das vielleicht Deutsch- land?) Auch stellen Sie keinerlei Anforderungen an die Qua- lität des Recyclings. So ist Ressourcenschutz bei Ihnen nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Damit, Herr Minis- ter Röttgen, machen Sie sich unglaubwürdig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Letztes Thema, um das viel gestritten wurde und – das prophezeie ich Ihnen – noch weiter gestritten wer- den wird: Wer hat Zugriff auf den wertvollen Abfall? Meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP, mit den Regelungen in Ihrem Entwurf wird eine Bresche für den Vormarsch großer privater Entsorgungsunternehmen unter dem Deckmantel des freien Wettbewerbs geschla- gen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Gut, wenn man seine Ideologie hat!) Was bedeutet das in der Realität? Die Kommunen müssen sich um den ganzen Abfall kümmern, die Ton- nen müssen geleert werden, illegale Müllhalden müssen beseitigt werden, und auch nach Großveranstaltungen müssen die Kommunen den Müll entsorgen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Seltsam, dass die Kommunen diesen Kompromiss begrü- ßen!) – Sie sind doch gleich an der Reihe, Herr Brand. Sie müssen doch nicht dauernd ein Koreferat halten, wäh- rend ich rede. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! – Michael Brand [CDU/CSU]: Wenn es aber falsch ist!) Nach dem Entwurf der Regierung soll es den gewinn- orientierten, privaten Unternehmen de facto freigestellt werden, alle profitablen Abfälle aus dem Abfall heraus- zunehmen, und zwar über Sammlungen parallel zu denen der Kommunen, um die Rohstoffe, die etwas ein- bringen, herauszuholen und wiederzuverkaufen. Die Un- ternehmen müssen es nur noch anzeigen. Das hebelt so- gar die bisherige eher restriktive Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, in der zum Beispiel beim Altpapier festgelegt war, dass – wenigstens bisher – paral- lele Sammlungen von Genehmigungen abhängig sind. Ic G m d w g u U D Z F d d V B e D M U C K S W g w ru h B (C (D h sage Ihnen: Dieser Pseudokompromiss ist eine „Lex elbe Tonne plus“ für DSD und andere große Unterneh- en. Das gibt es mit uns nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Kommunen – das wissen wir – wären dann für ie Reste zuständig, für das, was nichts wert ist. Ge- inne aus werthaltigem Abfall fallen weg. Damit stei- en zwangsläufig die Müllgebühren für alle Bürgerinnen nd Bürger – für die Gewinne einiger weniger großer nternehmen. Darauf wird es hinauslaufen. Das, meine amen und Herren von der FDP, nenne ich eine wangsabgabe, die vor allem die Wettbewerbspartei DP Bürgerinnen und Bürgern verordnet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) Wir haben feststellen können, dass sich auch im Bun- esrat eine Mehrheit vehement gegen diesen Vorschlag er Regierung ausspricht. Wir warten gespannt auf die erhandlungen über dieses Gesetz und wünschen den undesländern dabei viel Erfolg. Ich kann dazu nur kurz und schmerzlos sagen – das rgibt sich logisch aus dem, was ich ausgeführt habe –: iesen Gesetzentwurf müssen wir als Grüne ablehnen. it unseren Vorschlägen kämen wir sehr viel weiter. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat nun der Kollege Michael Brand für die nionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Michael Brand (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! hristian Ude lobte die Koalition, und recht hat er. Liebe olleginnen und Kollegen der SPD, ich weiß nicht, ob ie die Botschaft der Kommunen und der Länder bis ins illy-Brandt-Haus gehört haben: Die Kommunen be- rüßen diesen Kompromiss. (Ulrich Kelber [SPD]: „Unter Rückstellung schwerer Bedenken“ – wörtliches Zitat!) Liebe Frau Steiner, wenn das für die Kommunen irklich alles so schlimm wäre, dann frage ich mich, wa- m die Kommunen diesem Kompromiss zugestimmt aben. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wann haben die Kommunen zuge- stimmt?) ei Ihrer Rede fällt mir nur Wilhelm Busch ein: Wer durch des Argwohns Brille schaut, sieht Raupen selbst im Sauerkraut. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16315 Michael Brand (A) ) )(B) Das Kreislaufwirtschaftsgesetz war eine schwere Ge- burt mit viel Lobbyismus, der uns Abgeordneten und der Bundesregierung über Monate um die Ohren flog. Nun können wir sagen: Ein gutes Gesetz hat das Licht der Welt erblickt. Die Umsetzung des europäischen Abfall- rechts ist auf typisch deutsche Weise gut gelungen: Wir reden von Kreislaufwirtschaft, nicht von Abfall. Wir set- zen hohe Umweltstandards und bauen sie aus. Wir steu- ern mit dem Wertstoffgesetz, das wir als nächstes großes Projekt im nächsten Jahr beraten und beschließen wer- den, eine weitere qualitative Stufe an. Das Thema Abfall betrifft Millionen von Menschen, jeden Haushalt und jedes Unternehmen. Die Bedeutung des schonungsvollen Umgangs mit natürlichen Ressour- cen kennt in Deutschland schon jedes Kind. Bei der ers- ten Stufe, der Vermeidung von Abfall, haben wir noch aufzuholen. Auch das kann man mit dem neuen Kreis- laufwirtschaftsgesetz leisten. Wir setzen die neue fünfstufige Abfallhierarchie der EU konsequent und auf hohem Niveau um. Es sind Grundprinzipien des deutschen Umweltansatzes, die un- ter den deutschen Umweltministern – der frühere Um- weltminister Klaus Töpfer wurde ja bereits genannt – in diese europäische Gesetzgebung stark eingeflossen sind. Bei der Umsetzung des EU-Rechts in deutsches Recht sind wir umso mehr gehalten, das EU-Recht zu achten und nicht zu missachten. Dies hat die Koalition insbe- sondere bei dem fairen Ausgleich zwischen kommunaler Daseinsvorsorge und privatwirtschaftlichem Engage- ment zu beachten gehabt. Sicher, es gab, weil es beiden Seiten neben und manchmal auch vor der Umwelt ums liebe Geld geht, Maximalpositionen, die nicht gangbar sind. Umso mehr ist dem Bundesumweltminister dafür zu danken, dass er in seiner typischen Art Ruhe und Übersicht bewahrt und sich die Argumente offen ange- hört hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Gerd Bollmann [SPD]: Schöngere- det hat! – Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das nenne ich stur!) – Das ist die Realität, Frau Steiner. Sie müssen den Ge- setzentwurf lesen: 48 Änderungen seit der Anhörung. Dass seitdem nichts passiert ist, wie Sie behauptet ha- ben, ist schlicht falsch. Wir haben insbesondere als Union immer wieder so- wohl den Kommunen als auch den Privaten gesagt, dass wir einen fairen Ausgleich und Rechtssicherheit für alle Beteiligten anstreben. Wir haben zur Kompromissfähig- keit gemahnt und öffentlich wie nichtöffentlich dafür viel Zeit und Mühe in viele Gespräche und auch Papiere investiert. Heute können wir sagen: Es hat sich gelohnt. Der Konsens mit den Kommunen war der Union als größter Kommunalpartei in Deutschland immer wichtig. Wir ha- ben ihn erreicht, und darauf sind wir stolz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) D ti F E B R d A w b d fa m D v g k b V G ti w m w te D w A E e h s v R H b d D v B ti d g ti G M d w (C (D ass die kommunalen Spitzenverbände gestern den heu- gen Beschluss begrüßt haben und sich die kommunale amilie hinter den Kompromiss stellt, ist ein großartiger rfolg nach intensiven Gesprächen mit allen Beteiligten. Manche wollten Vollkommunalisierung – Herr ollmann hat dies heute wieder gefordert – statt EU- echt. Dies hätte nicht nur niemandem geholfen, son- ern auch große Risiken für die Kommunen gebracht. ls Union sehen wir natürlich, dass sich jede Seite be- egen musste, soweit das EU-Recht dies zulässt. Gerade ei dem umstrittenen Thema gewerbliche Sammlung ist er Wurf gelungen, nämlich private Sammlungen und iren Wettbewerb zu ermöglichen, und dabei die kom- unale Selbstverwaltung und die Daseinsvorsorge auf auer rechtssicher zu gestalten. Dass wir bei vielen Einzelfragen wie der Verwendung on Wirtschaftsdünger, Biogasanlagen und anderen Fra- en nicht allen Wünschen aller Betroffenen entgegen- ommen konnten, liegt in der Natur der Sache. Dabei ha- en wir großen Wert darauf gelegt, dass bei neuen orgaben der bürokratische Aufwand in minimalen renzen bleibt und dass die Länder im Vollzug die nö- ge Flexibilität erhalten. Insgesamt – das ist sicher Konsens hier im Hause – ollen wir eine neue Qualität erreichen: Wir wollen im- er weiter weg von der Wegwerfgesellschaft, und wir ollen den Weg in die Recyclinggesellschaft zügig wei- rgehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) azu zählt auch, dass wir den Weg zu hochwertiger Ver- ertung stärken, die Kaskadennutzung fördern und die bfallvermeidung umsetzen werden, um nur wenige lemente herauszugreifen. Die flächendeckende Einführung der Biotonne wird benso ein wesentlicher Markstein werden wie die ein- eitliche Wertstofftonne, die wir in einem eigenen Wert- toffgesetz verankern werden, das die Verpackungs- erordnung ablöst. Dadurch werden wir wertvolle ohstoffe aus Kunststoff und Metall aus den privaten aushalten zurückgewinnen, statt sie zu verbrennen. In einem Einzelfall haben wir als Abgeordnete aus esonderem Grund eine besondere Freude darüber, dass as Umweltministerium unseren Argumenten gefolgt ist: ie gemeinnützige Sammlung, zum Beispiel von Sport- ereinen, Jugendgruppen, kirchlichen Gruppen wie zum eispiel Kolping und anderen ehrenamtlichen Organisa- onen, konnten wir dauerhaft absichern. Uns war das eshalb sehr wichtig, weil wir das ehrenamtliche Enga- ement gerade im Bereich Umwelt nicht durch bürokra- sche Auflagen erstickt sehen wollen. Es ist eine gute este der Regierung, hier dem Ehrenamt vor Ort die öglichkeiten für die Zukunft gesichert zu haben. Auch afür ein herzlicher Dank! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich weiß sehr wohl, dass manche enttäuscht sind. Das urde in der Debatte bei allen Rednern der Opposition 16316 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Michael Brand (A) ) )(B) deutlich. Sie lassen die Ohren hängen, weil der Kompro- miss geschafft worden ist und Sie mehr auf den Konflikt der Kommunen mit der Regierung als auf Konsens ge- setzt haben. Wer das erwartet hat, muss aber wissen: Die Union ist auch beim Schutz der Umwelt die Partei des Mittelstandes und des fairen Wettbewerbs, der die wich- tigen Innovationen bringt. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott! Was ist das für eine Rede, Herr Brand? Das ist ja furchtbar! – Gegenruf des Abg. Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Eine sehr gute Rede! – Gegenruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kann er zu jedem Thema halten!) Schließlich sind wir die Partei der sozialen Marktwirt- schaft. Aber die Union hat auch – das ist ebenso wichtig – ein kommunales Herz und eine kommunale Seele. Das sage ich als Kreistagsabgeordneter in Fulda, der auch dort mit Abfallpolitik befasst ist. Wir waren immer gegen die Extreme. Das unterschei- det uns von Ihnen, Frau Steiner. Wir wollen bei der Ab- fallwirtschaft weder die Vollprivatisierung noch die Vollkommunalisierung, weil diese Vorstellungen der Umwelt, der Wirtschaft und den Gebührenzahlern nicht helfen. Heute geht mein Appell an die andere große Kommunalpartei, die SPD, dem Ansinnen der Kommu- nen Rechnung zu tragen (Lachen bei Abgeordneten der SPD) und sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat den Weg freizumachen für eine qualitativ hochwertige Um- setzung der Abfallrahmenrichtlinie. Wir haben den Kon- sens mit den Kommunen, (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wo denn?) und die SPD darf den Kommunen jetzt nicht in den Rü- cken fallen. Die SPD-geführten Länder haben sich hier als Anwalt der Kommunen präsentiert. Jetzt muss das Wort der SPD auch gelten. Wenn Sie nicht auf mich hö- ren wollen, dann hören Sie auf Herrn Ude – er ist be- kanntlich Oberbürgermeister in München und der SPD angehörig – und viele andere Sozialdemokraten. Wir sind bis an die Grenzen des EU-Rechts gegangen. Jetzt muss die SPD einen wichtigen Schritt tun; denn Kom- munen und Mittelstand wollen diesen Kompromiss. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deutschland wird mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz einen großen Schritt auf dem Weg in die Recyclinggesell- schaft machen. Wir haben bei schwerer Geburt ein gutes Gesetz aus der Taufe gehoben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es wird Zeit, dass die Botschaft, die Ihnen die Kommu- nen gesendet haben, bei Ihnen endlich ankommt. Legen Sie die Ideologie beiseite, und gehen Sie zur Sache über! (René Röspel [SPD]: Jetzt wird es schizo- phren!) Vielen Dank. d L m W g d V e w n A d g D D D S la D d W R d is g Ö fe d d d (C (D (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Miersch für ie SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ieber Herr Brand, ich kann Sie beruhigen: Die Kom- unen werden sich auf die Sozialdemokratie verlassen. ir werden die Bedenken, die die vier Spitzenvertreter eäußert haben, sehr ernst nehmen und gerade deswegen em vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der SPD – Ingbert Liebing [CDU/ CSU]: Aber die erwarten doch Zustimmung! – Michael Brand [CDU/CSU]: Sie setzen sich doch ein für den Kompromiss!) Sie haben dargelegt, dass fairer Wettbewerb zu einer erbesserung führt. Ich glaube, dass es sich auch hier um inen ideologischen Punkt handelt. Wir haben erst vor enigen Stunden hier festgestellt, dass der Markt eben icht alles regelt. (Michael Brand [CDU/CSU]: Wer hat denn das behauptet?) ngesichts einer der entscheidenden Zukunftsherausfor- erungen sagen der Bundesumweltminister, die FDP, roße Teile der CDU und einige Abgeordnete der CSU: er faire Wettbewerb soll es regeln. – Ich sage Ihnen: er faire Wettbewerb wird es nicht regeln. Er wird die aseinsvorsorge nicht sicherstellen. Deswegen schlagen ie mit Ihrem Gesetz einen falschen Weg ein. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Die Kommunen sind doch viel weiter als Sie! Die wollen doch den Kom- promiss!) Die Rosinenpickerei, die wir in den letzten Jahren ndauf, landab erlebt haben, beenden Sie nicht. Auf ruck der Kommunalverbände legen Sie ein Netz über ie Rosinen. Aber dieses Netz hat große Löcher. (Michael Brand [CDU/CSU]: Wie kann man so verbohrt sein?) ir werden in den nächsten Monaten erleben: Es wird echtsstreitigkeiten ohne Ende geben. Sie schaffen mit iesem Gesetz alles andere als Planungssicherheit. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da Sie sich hinter dem Europarecht verstecken – so t es meistens, Herr Liebing –, kann ich Ihnen nur sa- en: Schauen Sie sich einmal an, wie beispielsweise sterreich die Abfallhierarchie organisiert. Sie werden ststellen, dass es da nicht um Wettbewerb, sondern um ie Daseinsvorsorge geht. Die Kommission prangert das ort geltende Gesetz nicht an. Daran hätte sich die Bun- esregierung orientieren sollen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16317 Dr. Matthias Miersch (A) ) )(B) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Die Kommunen werden sich über Ihre Rede wundern!) Ich weiß nicht, ob so etwas schon einmal in der Bun- desrepublik Deutschland passiert ist, aber das, was Sie hier machen, ist in der Tat ein Paradigmenwechsel. Ich hätte mich gerne mit dem Bundesumweltminister – weil Herr Röttgen auch Jurist ist; er ist aber nicht mehr da – darüber gestritten (Michael Brand [CDU/CSU]: Doch! Der sitzt doch da! Das ist genauso falsch wie Ihre Rede!) – Entschuldigung, er ist da und hört auch zu –, was es ei- gentlich mit dem neuen § 17 KrWG auf sich hat; denn hier passiert etwas, was ich jedenfalls in dieser Form noch nicht erlebt habe. In den ersten Absätzen wird die Daseinsvorsorge gelobt und werden die öffentlichen In- teressen hervorgehoben. Aber in Abs. 3 heißt es plötz- lich – das wird entscheidend sein –, dass Gebührenstabi- lität und überwiegende öffentliche Interessen nicht mehr gelten sollen, wenn die Kommune nicht in der Lage ist, eine höherwertige Leistung zu erbringen. Was kann ei- gentlich öffentliche Interessen infrage stellen? Das ist die Grundfrage, die wir uns in diesem Hause stellen müssen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das steht im Gesetz!) Wir müssen uns fragen, Herr Döring, was „höherwer- tig“ eigentlich heißt, wenn wir sehen, dass gerade in der Privatwirtschaft Unternehmen mit Dumpinglöhnen ar- beiten, die öffentlichen Entsorgungsträger aber – zu Recht und zum Glück – an Tarife gebunden sind. Das ist kein fairer Wettbewerb. Dafür müssten Sie ganz andere Kriterien in diesem Gesetz zugrunde legen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – René Röspel [SPD]: Das ist nicht höherwertig, das ist nie- derträchtig!) Wie ist zu beurteilen, dass die Kommunen, wie Herr Röttgen zu Recht gesagt hat, die ersten Ansprechpartner sind, wenn etwas schiefgeht? Wo spielt dieses Kriterium eigentlich eine Rolle? Sie haben in § 17 Abs. 3 weitere unbestimmte Rechtsbegriffe zulasten der Kommunen aufgenommen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. (Beifall bei der SPD) Stattdessen wäre es angezeigt gewesen, zu überlegen, wie wir den Herausforderungen, die Sie durchaus richtig angesprochen haben, eigentlich gerecht werden. Wie schaffen wir es, beispielsweise Abfallvermeidung durch- zusetzen? Davon steht in Ihrem Gesetz fast nichts. (Horst Meierhofer [FDP]: Das, was drinsteht, haben Sie abgelehnt im Ausschuss!) Anstatt sich über diese Fragen zu verständigen, erzeugen Sie auf diesem Feld eine große Rechtsunsicherheit und tragen dazu bei, dass wir endlose rechtliche Auseinan- d w m w s z g S n W n v S 1 fe D k a k d o J s d Ih s fa In F (C (D ersetzungen in diesem Bereich erleben werden. Die ahren Handlungsfelder, die hätten bearbeitet werden üssen, lassen Sie leider außen vor. (Beifall bei der SPD) Herr Döring, Sie sind in Hannover – daher kommen ir ja beide – von einem Journalisten gefragt worden, ob ich vielleicht etwas an den Gebühren ändere. Die Presse itiert Sie mit den Worten: Das kann man noch nicht sa- en. Wenn sich etwas ändert, dann ändert sich etwas. – o geht man nicht in eine Gesetzesberatung. Mir ist icht egal, ob sich Gebühren erhöhen oder nicht. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das machen wir doch nicht! Deshalb haben wir das Gesetz!) ir wollen Ihnen dieses Gebührenerhöhungsgesetz icht durchgehen lassen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sie haben eben gesagt – vielleicht ist das nicht überall erstanden worden –: Sie kennen die Kalkulation des aftladens doch auch. – Dazu sage ich Ihnen: Da sitzen 600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die hof- ntlich alles, was Sie hier gesagt haben, gehört haben. as sind Leute, die sich im Dienst an der Allgemeinheit rummmachen, und Sie bezeichnen dieses Unternehmen ls Saftladen. Das kann doch wohl nicht wahr sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich weiß nicht, ob Sie in der Region Hannover herum- ommen, ob Sie sich die Wertstoffhöfe anschauen und ie Recyclingquoten kennen. Die Haltung, die Sie hier ffenbaren, hat zu dem geführt, was wir in den letzten ahren gesehen haben. Der Wettbewerb und der Markt ollen es richten. Das Gegenteil ist der Fall. Sie müssen as neue Denken noch lernen. Ich weiß nicht, ob es bei nen zu spät ist. Wir jedenfalls sagen: Gerade bei einem olchen Gesetz wäre das neue Denken wichtig; es wäre lsch, alles dem Markt zu überlassen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Es wird doch gar nicht dem Markt überlassen! So ein Quatsch!) sofern freuen wir uns auf das Vermittlungsverfahren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Warum stimmen die Kommunen denn zu, wenn das alles so schlimm ist für die Kommunen?) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Michael Kauch für die DP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) 16318 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 (A) ) )(B) Michael Kauch (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Debatte zeigt wieder eines: Während wir vor vielen Jah- ren damit begonnen haben, den Kampf gegen den Müll aufzunehmen, herrscht inzwischen der Kampf um den Müll. Das ist die Wahrheit, die sich hinter ganz vielen Äußerungen verbirgt. Wenn Herr Bollmann und Herr Miersch den Kompromiss, den die Bundesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden und den kommuna- len Unternehmen geschlossen hat, wieder aufbohren wollen, dann ist das nicht nur ein Beitrag dazu, dass Kompromissfähigkeit in diesem Land beschädigt wird, sondern man stellt sich auch die Frage, ob Sie hier eine Bewerbungsrede für künftige hochbezahlte Posten in der kommunalen Entsorgungswirtschaft halten wollen. (Widerspruch bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Klientelpolitik FDP!) Wenn nicht für Sie, dann vielleicht für Ihre Partei- freunde, die diese Unternehmen beherrschen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Getroffene Hunde bellen. Ihre Reaktion zeigt, dass ich nicht ganz falsch lag. Meine Damen und Herren, die Ehrlichkeit gebietet es, festzustellen, dass es vielen hier offensichtlich nicht um die Umwelt geht und nicht um die Verbraucher. Der Kampf um den Müll ist dann richtig, wenn wir Müll des- wegen zum Wertstoff machen, weil er etwas wert ist. Es ist richtig, wenn es mehr Wettbewerb gibt und die Ver- braucher damit einen besseren Service vor der Haustür bekommen, und es ist richtig, wenn die Unternehmen sich dadurch bemühen, Innovationen für bessere Um- welttechnologien zu schaffen. 25 Prozent der weltweiten Patente für bessere Mülltrennung, für besseres Recy- cling stammen aus Deutschland. Es sind private Unter- nehmen, die diese Patente entwickelt haben. (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU]) Es ist eben nicht so, dass Privatwirtschaft dazu führt, dass es der Umwelt schlechter geht. Nein, durch private Unternehmen haben wir bessere Umwelttechnologien bekommen, (Zuruf von der FDP: Genau so ist es!) eine bessere Entsorgung und eine bessere Wertstoffnut- zung des Abfalls. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die FDP steht nicht für die Privaten, und sie steht nicht für die Kommunalen, sondern wir stehen dafür, dass es einen fairen Wettbewerb gibt, damit sich alle an- strengen. Es gibt gute Kommunale, und es gibt schlechte Kommunale. Es gibt Schnarchnasenvereine, und es gibt kommunale Unternehmen, die richtig gut sind. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt gute Parteien, und es gibt schlechte Parteien! Das sieht man an den Umfragen!) D g n M z w W d a z b m G b S w b m U d s m M c e S V z K G e R w g d te d d fr a B s m (C (D er Wettbewerb soll dafür sorgen, dass sie sich anstren- en, und zwar im Interesse der Bürger, die am Schluss ämlich gezwungen werden, diesen Unternehmen die üllgebühren zu zahlen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieses Gesetz ist ein Fortschritt für die Umwelt. Das eigt sich zum Beispiel daran, dass wir die Wiederver- endung, nicht nur die Wiederverwertung voranbringen. as zum Beispiel den Altmöbelbereich angeht, nützt ies gerade den Sozialkaufhäusern. Unser Gesetz ist also uch sozial ausgerichtet. Es reicht eben nicht, Strukturen u erhalten, auch auf die Gefahr hin, dass man Müllver- rennungsanlagen schlechter auslastet. Vereinzelt kom- en kommunale Unternehmen zu mir und sagen: Dieses esetz ist schlecht, weil die Auslastung meiner Müllver- rennungsanlage schlechter wird. – Wenn Sie von der PD das unterstützen, dann haben Sie nicht verstanden, as Umweltschutz eigentlich bedeutet. Umweltschutz edeutet auch, die Recyclingquoten zu erhöhen, und das acht diese Bundesregierung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Johannes Röring für die nionsfraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Johannes Röring (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit em Vorliegen der ersten Entwürfe zum Kreislaufwirt- chaftsgesetz im Frühjahr 2010 haben wir uns als Parla- ent in der Diskussion mit den Bundesländern, den inisterien, aber auch allen betroffenen gesellschaftli- hen Gruppen intensiv mit diesem Gesetzentwurf aus- inandergesetzt. Im Kern ging es darum, die bewährten trukturen des Gesetzes fortzuentwickeln, die neuen orgaben der europäischen Abfallrahmenrichtlinie eins u eins zu integrieren und die Ressourceneffizienz der reislaufwirtschaft zu verbessern. Zum Abschluss des esetzgebungsverfahrens am heutigen Tage kann man ine durchweg positive Bilanz ziehen. Ein Kernpunkt der Diskussion, die Ausgestaltung der egelungen für die Abfall- und Entsorgungswirtschaft, urde aus meiner Sicht sehr gut geregelt. Es wurden Re- elungen zugunsten kommunaler Interessen gefunden, ie gleichzeitig den Wettbewerb zulassen. Die berechtig- n Interessen der Kommunen wurden berücksichtigt; enn die Kommunen sind es, die lokal und regional in er Verantwortung für eine flächendeckende, bürger- eundliche und preiswerte Abfallentsorgung stehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Grundsätzlich haben wir uns darum bemüht, dass alle nstehenden gesetzlichen Regelungen keine zusätzliche ürokratie bedeuten, auch wenn durch das Gesetz, bei- pielsweise bei der immissionsschutzrechtlichen Geneh- igung von Biogasanlagen, Rahmenbedingungen ver- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16319 Johannes Röring (A) ) )(B) schärft wurden. In unserem Entschließungsantrag machen wir deutlich, dass ein praxisgerechter Vollzug der Vorschriften sicherzustellen ist. Ich bedanke mich bei unserem Minister für die Zusage, dies auch so umzu- setzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wichtig war für uns aber auch, das Thema Ressour- ceneffizienz, Ressourcenmanagement und Kreislaufwirt- schaft verstärkt in die politische Diskussion zu bringen. Nicht nur in diesem Gesetz spielt das Thema eine ent- scheidende Rolle. Ich erinnere beispielsweise an die klimaschutzfreundlichen Regelungen im neuen Erneuer- bare-Energien-Gesetz. Die Förderung der Reststoffnut- zung bei der Erzeugung von klimafreundlicher Energie wurde hier stark angereizt. An dieser Stelle möchte ich genau diesen Aspekt ver- tiefen. Die Endlichkeit fossiler Ressourcen ist stets im Fokus der öffentlichen und gesellschaftlichen Diskus- sion. Meist spricht man dann über Öl, Kohle oder diverse Seltene Erden. Keine bis wenig Beachtung erhalten in dieser Debatte lebenswichtige Stoffe wie Phosphat, Ka- lium, Magnesium und Calcium. Das alles sind Grund- nährstoffe für den Pflanzenbau. Exemplarisch ist hier Phosphor hervorzuheben, für den man die Endlichkeit der fossilen Vorräte in etwa 100 Jahren prognostiziert. Zwischen 2007 und 2008 stieg der Weltmarktpreis für Phosphat um 100 Prozent. China hat den Export seiner Phosphate im letzten Jahr wegen des erhöhten Eigenverbrauchs gestoppt. Deutschland – das ist wichtig, meine Damen und Her- ren – hat keine eigenen Phosphatvorkommen, sodass man extrem importabhängig ist. Phosphat ist in der Dün- gerproduktion ein nicht austauschbarer Stoff. Es ist für das Wachstum unserer Pflanzen unabdingbar und somit Grundlage unseres Lebens. (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Genau!) Folglich gilt es, das vorhandene Phosphat im Kreislauf zu bewirtschaften. Sehr häufig stehen Tierhaltungsregionen in Deutsch- land wegen der hohen Konzentration von Nährstoffen, unter anderem Phosphat, stark in der Kritik. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese Nährstoff- konzentration auch in der Zusammenballung von mensch- licher Ansiedlung zu finden ist, das heißt in Großstädten. Auch hier gibt es Überschüsse von Stickstoff und Phos- phat. Wir brauchen grundsätzliche Strategien für eine Rückgewinnung, in diesem Fall von Phosphat aus Klär- schlamm, tierischen Exkrementen und weiteren Abfäl- len. Das größte Potenzial im Stoffstrommanagement liegt im Recycling dieser Stoffe. Recycling steht hier nicht nur für ökologische, sondern insbesondere auch für langfristig ökonomische Vernunft; denn dies verringert unsere Abhängigkeit von Importen. Folglich ist es die Aufgabe der Politik, das Thema „Ressourceneffizienz und -management“ mit Verab- schiedung dieses Gesetzes nicht zur Seite zu legen. Wir m W E b v u te W S W m s T n p Ic ri s In s d u D je Z h R d d k In Ic (C (D üssen uns weiter intensiv mit dem Thema befassen. ir brauchen Rahmenbedingungen für Forschung und ntwicklung in diesem Fachgebiet. Sie müssen ausge- aut werden. Wir müssen Strategien entwickeln, die, wie on uns formuliert, mit weniger Ressourcenverbrauch nseren Wohlstand erhalten. Mit dem vorliegenden Gesetz machen wir einen wei- ren Schritt in die richtige Richtung. Wir werden den eg konsequent weitergehen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Kirsten Lühmann für die PD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Kirsten Lühmann (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! ir haben heute schon sehr viel gehört. Ich beschränke ich daher auf drei Aspekte. Erstens. Herr Kollege Brand, ich finde es schon selt- am, wie Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen seit agen versuchen, uns weiszumachen, dass die kommu- alen Spitzenverbände über den ausgehandelten Kom- romiss jubeln und Ihnen dafür Beifall geben. (Michael Kauch [FDP]: Sie haben unterschrieben!) h glaube, Sie haben den Begriff Kompromiss nicht chtig verstanden. Wahrscheinlich beziehen Sie sich auf das schon ange- prochene Schreiben der kommunalen Spitzenverbände. dem steht zwar, dass sie dem Gesetzentwurf jetzt zu- timmen; (Horst Meierhofer [FDP]: Das ist doch super! – Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist das, was ich gesagt habe!) arin findet sich aber auch die Aussage, dass sie es nur nter Zurückstellung schwerster Bedenken tun. (Beifall bei der SPD – Michael Brand [CDU/ CSU]: Das ist ja das Wesen eines Kompromis- ses! Aber sie unterstützen ihn!) iese Bedenken teilt die SPD. Damit komme ich zum nächsten Punkt. Sie sagen, tzt endlich bestehe Rechtssicherheit bei der Frage der ulassung bzw. Nichtzulassung privater Anbieter. Wie eißt es so schön: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die echtsfindung. Zumindest sollte das so sein. Wenn ich mir aber Ihren Gesetzentwurf anschaue, ann finde ich nur unbestimmte Rechtsbegriffe, die zwar ie Kassen der Juristen zum Klingeln bringen, aber eine Sicherheit für die Kommunen schaffen. Auch der halt des Kompromisses hilft uns nicht wirklich weiter. h gebe allerdings zu, dass der Begriff der Beitragssta- 16320 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Kirsten Lühmann (A) ) )(B) bilität ein wichtiges neues Kriterium sein könnte, um die Privatisierung im Müllsektor einzudämmen. Die Müllentsorgung ist bis heute eine Aufgabe der Daseinsvorsorge und daher dem privaten Wettbewerb weitgehend entzogen. Dazu gibt es sogar eine höchstrich- terliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die – in Klammern: eigentlich – bindend für alle deut- schen Gerichte sein sollte. Worauf läuft nun Ihr Gesetzentwurf hinaus? Er schreibt vor, dass ein Privatanbieter sehr wohl Müll sam- meln darf, wenn er damit das überwiegende öffentliche Interesse nicht beeinträchtigt – ich frage Sie, was das heißt –, indem er zum Beispiel die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Entsorgungsträger nicht behindert – noch so ein schöner unbestimmter Rechtsbegriff –, (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das definieren wir im Gesetz! Schauen Sie ins Gesetz! Da steht drin, was das heißt!) und der kommunale Abfallentsorger die Leistung nicht zumindest gleichwertig erbringt. Was ist gleichwertig? Im Gesetzentwurf steht, dass unter anderem Qualität und Umfang entscheidend seien. Was aber beinhaltet der Begriff Qualität? Und was ist der Umfang einer Sammlung? (Michael Brand [CDU/CSU]: Sind wir jetzt in einer Philosophiestunde?) Wird der Umfang schon erhöht, wenn die Privaten ein- mal pro Woche öfter einsammeln oder einmal im Mo- nat? (Michael Brand [CDU/CSU]: Was ist Leben?) Eindeutige Regelungen sehen wirklich anders aus. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was ist mit dem neuen Begriff der Gebührenstabili- tät? Ist nicht alles gerettet, wenn es heißt, dass durch pri- vate Sammlungen die Gebühren nicht erhöht werden dürfen? Das wäre es, wenn Sie von der Regierung sich nicht noch ein kleines Schlupfloch offen gelassen hätten: Die Gebührenstabilität sei dann kein Kriterium, wenn die private Sammlung höherwertig sei. Da haben wir ihn wieder, diesen schwammigen Begriff, aus dem jeder das herausliest, was er gerne hören möchte. (Michael Brand [CDU/CSU]: Ich frage mich, warum die Kommunen diesen Kompromiss ei- gentlich unterstützen!) Damit erzeugen Sie genau das Gegenteil von Rechts- sicherheit. Sie treiben die Kommunen vor die Gerichte, die sie anrufen müssen, damit sie den Menschen in ihrer Region weiterhin gute und bezahlbare Leistungen anbie- ten können. Das ist unlauter, meine Herren und Damen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) d d S b te a d g a c d a a D m is tr v k d g c in D h U L m 1 (C (D Die Gebührenstabilität wird auch dadurch gefährdet, ass durch die zunehmenden gewerblichen Sammlungen ie Müllentsorgung zumindest in Teilbereichen ihren tatus als eigentümliche und der öffentlichen Hand vor- ehaltene Leistung verlieren könnte. Das würde bedeu- n, dass sie der Umsatzsteuerpflicht unterliegt. Da hilft uch nicht das Schreiben des Bundesfinanzministeriums, as diese Kritik als unbegründet verwirft, ohne ein einzi- es Argument dafür anzuführen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Es ist doch offensichtlich, dass eine Leistung, die uch von Privaten erbracht wird, nicht mehr der öffentli- hen Hand vorbehalten ist. Das beinhaltet im Übrigen er Begriff „vorbehalten“. Das bedeutet, dass niemand nderes diese Leistung erbringt. Wenn wir uns den Koalitionsvertrag dieser Regierung nschauen, verwundert uns diese Regelung jedoch nicht. ort steht – ich zitiere –: Mit Blick auf die Abfallwirtschaft befürworten wir die grundsätzliche steuerliche Gleichstellung von öffentlichen und privaten Unternehmen. (Beifall des Abg. Dr. Lutz Knopek [FDP]) Auf einmal erschließt sich, warum die Steuerproble- atik ungelöst bleibt; denn die Gleichwertigkeitsklausel t nichts anderes als die Hintertür zum Koalitionsver- ag, eine Hintertür, die wir wahrscheinlich der FDP zu erdanken haben, die sich einfach nicht damit abfinden onnte, dass ihre Privatisierungsträume auf dem Altar es Konsenses mit den kommunalen Spitzenverbänden eopfert werden sollten. (Beifall bei der SPD) Mit diesem Gesetzentwurf riskieren Sie eine deutli- he Gebührenerhöhung für die Bürgerinnen und Bürger vielen Regionen. Das ist für uns nicht akzeptabel. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) arum gibt es nur einen Ort, wo dieses Gesetz hinge- ört, nämlich den Vermittlungsausschuss. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Die Kommunen werden sich schämen für diese Rede!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Franz Obermeier für die nionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Franz Obermeier (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frau ühmann, an Ihrem Redebeitrag hat man ganz genau ge- erkt, dass Sie abfallwirtschaftlich noch in der Zeit vor 990 leben. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16321 Franz Obermeier (A) ) )(B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ihre Wortwahl – speziell indem Sie von „Müll“ gespro- chen haben – ist der Beweis dafür, dass Sie sich mit dem Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Kreislauf- wirtschafts- und Abfallrechts überhaupt nicht auseinan- dergesetzt haben. Wir sind uns in diesem Hause darüber einig, dass wir in der Abfallwirtschaft einen Pfad hin zur Kreislaufwirt- schaft beschreiten wollen. Das ist in unserem schönen Land auch notwendig; denn wir sind ein extrem rohstoff- armes Land und sollten alles daransetzen, die benutzten Produkte, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, so zu zerlegen, dass alle verwertbaren Stoffe in den Stoffkreis- lauf zurückgeführt werden können. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das Ziel stimmt, aber Sie setzen es nicht um!) Ich bin jemand, der sich seit Jahrzehnten auf den ver- schiedensten Ebenen mit diesen Themen auseinanderge- setzt hat: zunächst in der kommunalen Wirtschaft über dreimal sechs Jahre als Bürgermeister und als Mitglied des Kreistags, dann in der privaten Abfallwirtschaft und jetzt in der Legislative. Daher kann ich sagen: In Deutsch- land befinden wir uns auf einem extrem guten Weg – was sich mit Zahlen ohne Weiteres belegen lässt –, (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU]) weil wir ein gemischtes System haben. Zwischen den Kommunen und der gewerblichen Abfallwirtschaft be- steht eine Kooperative. Herr Bollmann, Ihre Diskreditie- rung der privaten Abfallwirtschaft war unqualifiziert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Man muss deutlich herausstellen, dass die Erfolge der zurückliegenden Jahre – im Grunde genommen seit den 90er-Jahren –, die wir in Bezug auf die Rückführung in die Stoffkreisläufe erreicht haben, das Ergebnis dieser hervorragenden Zusammenarbeit zwischen den Kommu- nen und der privaten Wirtschaft sind. Lassen Sie mich noch kurz erklären, wie das Ganze funktioniert, weil Herr Dr. Miersch in dem Gesetzent- wurf einen deutlichen Hinweis auf eine Vermeidungs- strategie vermisst. Herr Dr. Miersch, das funktioniert folgendermaßen: Der große Erfolg in der Abfallwirt- schaft, den wir in der Vergangenheit erzielen konnten, basiert auf dem Lizenzierungssystem. Das heißt: Jeder, der ein Produkt in den Verkehr bringt, muss vor dem In- Verkehr-Bringen eine bestimmte Gebühr für die Rück- führung der Verpackungsmaterialien in den Stoffkreis- lauf entrichten. Dieses System führt automatisch dazu, dass der Her- steller dieser Produkte allergrößtes Interesse daran hat, die Produkte so in den Verkehr zu bringen, dass sie rela- tiv kostengünstig – sprich: massearm – wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können. Das konn- ten wir in der Vergangenheit lernen – bei all den Proble- men, die in dem Zusammenhang noch bestehen. re b d s in – D k n d z to d S b g d s e s W c a w m d s d D V E re v c M D le re z te e z s (C (D Lassen Sie mich noch über die Frage nach öffentlich- chtlicher oder privater Durchführung reden. In Bayern etreiben wir seit vielen Jahren die Wertstoffhöfe. Mit em System, das wir jetzt kreieren – auch mit der Wert- tofftonne –, sehe ich die Wertstoffhöfe in keiner Weise Gefahr. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Gerd Bollmann [SPD]: Das kommt aber noch!) Nein, das kommt nicht. (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Ach so! Sagt Herr Meierhofer!) as, was wir derzeit in den Wertstoffhöfen sammeln, ann auch weiterhin gesammelt werden; denn wir kön- en und werden genau regeln, was flächendeckend über ie Wertstofftonne gesammelt werden soll. Dieses gemischte System ist der eigentliche Schlüssel um Erfolg. Ich will nicht, dass wir in der Wertstoff- nne alle sogenannten Wertstoffe ablagern, die wir in en Stoffkreislauf zurückführen. Ich will auf der anderen eite nicht, dass alle Wertstoffe zum Wertstoffhof ge- racht werden müssen, denn wir wissen ganz genau – da ibt es Lehrbeispiele; München wurde schon genannt –, ass die Recyclingquote in einem reinen Wertstoffhof- ystem bei nur einem Drittel dessen liegt, was man mit iner Wertstofftonne am Haus sammeln könnte. Be- timmte Materialien können wir trotzdem, wie bisher, im ertstoffhof sammeln. Hier meine ich die sehr erfolgrei- he Sammlung von Papier – wir können dort weiterhin lle Papierarten sehr erfolgreich sammeln – und Altholz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das große Geld ird weder beim Papier noch beim Altholz verdient; das uss man doch laut sagen. Ich glaube also nicht, dass ie reine Ökonomie, die Aussicht auf Erträge – einer prach von „Dollarzeichen in den Augen“ –, das Motiv er Kommunen in dem Kampf ist, den sie hier führen. as Motiv ist vielmehr, den guten Weg, den wir in der ergangenheit beschritten haben, weiter zu gehen, eine rhöhung der Recyclingquote zu erreichen und Gebüh- nerhöhungen zu vermeiden. Da müssen wir gegenüber allen Betreibern von Müll- erbrennungsanlagen ehrlich sein: Wenn wir die Recy- lingquote erhöhen, dann verbleibt weniger Masse in der üllverbrennung. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Richtig! – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Das hat auch kei- ner bestritten!) iese Ehrlichkeit sollte auch die Opposition an den Tag gen. Es ist unfair, wie Sie hier über das Ganze diskutie- n. Es wäre wesentlich besser, wenn wir allen am Pro- ess des Recyclings und der Wiederverwertung Beteilig- n reinen Wein einschenken und sagen würden: „Wir rhöhen den Anteil der Stoffe, die in den Stoffkreislauf urückgeführt werden.“ Das bedeutet: weniger energeti- che Verwertung in der Müllverbrennung. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 16322 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 (A) ) )(B) Vizepräsidentin Petra Pau: Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege Ingbert Liebing für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Ingbert Liebing (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den ver- gangenen Monaten ist in Deutschland ein heftiger Kon- flikt geführt worden, bei dem insbesondere über die Be- sorgnisse in den Kommunen diskutiert wurde, über die Frage, ob ihrer Verantwortung als entsorgungspflichtige Körperschaften ausreichend Rechnung getragen wird. Dies zog sich wie ein roter Faden auch durch die heutige Debatte. Ich möchte diesen Punkt in den Mittelpunkt meiner Betrachtung zum Abschluss dieser Debatte stel- len, um mit einigen Irrtümern und Fehldarstellungen aus der Opposition aufzuräumen. Es wurde über Europarecht gestritten und Rosinen- pickerei befürchtet. All dies hat jetzt ein gutes Ende, denn es ist uns, der Koalition, und der Bundesregierung gelungen, einen Kompromiss zu finden, den wir ins Ge- setz aufnehmen. (Beifall bei der CDU/CSU) Dabei liegt es bei einem Kompromiss in der Natur der Sache, dass alle Beteiligten nicht zu 100 Prozent zufrie- den sind. Uns liegen unterschiedlichste Stellungnahmen vor, auch aus der privaten Entsorgungswirtschaft: Die ei- nen betonen eher ihre Kritik und Unzufriedenheit, an- dere aber sagen: „Jawohl, das ist ein Ergebnis, mit dem auch wir leben können.“ Für mich ist es entscheidend – das ist ein Wert, den wir schätzen sollten –, dass sich die vier kommunalen Spitzenverbände ausdrücklich zu diesem Kompromiss bekennen. Das ist ein Fakt, den auch die Opposition zur Kenntnis nehmen sollte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir tragen dem Europarecht Rechnung. Gewerbliche Sammlungen bleiben grundsätzlich möglich. Es gibt kein generelles Verbot gewerblicher Sammlungen, was manche von uns erwartet hatten. Wir müssen zugleich feststellen, dass der bisherige Zustand unbefriedigend war: Über die Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen wurde trefflich vor Gericht gestritten; es gab unter- schiedlichste Gerichtsurteile quer durch die Republik. Da war es unsere Aufgabe und unser Ziel, Rechtssicher- heit herzustellen. (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Da warten wir mal ab! Da wollen wir mal gucken!) Das haben wir jetzt mit dem Kompromiss erreicht. Jetzt gibt es klare Regelungen, wann gewerbliche Sammlun- gen zugelassen werden können. Rosinenpickerei wird rechtssicher ausgeschlossen. Die kommunale Verant- wortung bleibt gesichert. Das, meine Damen und Her- ren, nenne ich einen fairen Interessenausgleich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) w – g c te w k s D k L s te S w ß z G F te fu n lä d A e g h fi G m a e is g s Im s h a s s s W d g (C (D Gewerbliche Sammlungen können untersagt werden, enn zum Beispiel die Gebührenstabilität gefährdet ist ein wichtiges Kriterium – und die kommunalen entsor- ungspflichtigen Körperschaften bereits ein flächende- kendes, hochwertiges, haushaltsnahes Sammlungssys- m gewährleisten. Sie können auch dann untersagt erden – das ist mir wichtig –, wenn Kommunen kon- ret in die Planungen für ein hochwertiges Sammlungs- ystem eingetreten sind. (Bettina Hagedorn [SPD]: Da freuen sich die Rechtsanwälte! – Gegenruf von der CDU/ CSU: Jetzt freuen Sie sich doch mal!) enn wenn wir das nicht mit aufgenommen hätten, dann önnte ja der Fall eintreten, dass eine Kommune oder ein andkreis gerade Beschlüsse gefasst hat und in ein Aus- chreibungsverfahren eingetreten ist und dann ein Priva- r kommt und versucht, in attraktiven Einzelregionen onderverträge mit Großkunden abzuschließen. Dann ürde die Kalkulationsbasis gefährdet. Auch dies schlie- en wir aus. Meine Damen und Herren, wir bleiben bei dem An- eigeverfahren und gehen nicht zu einem aufwendigeren enehmigungsverfahren über. Aber wir erweitern die rist von vier Wochen auf drei Monate. Das gewährleis- t den notwendigen Spielraum für eine sorgfältige Prü- ng. Wir verzichten auf die Einrichtung einer sogenannten eutralen Stelle. Wir vertrauen darauf, dass die Bundes- nder am ehesten entscheiden können, welche zustän- ige Behörde nach Landesrecht die Beurteilungen im nzeigeverfahren vornehmen kann. Da hier wieder einmal das Gespenst der Gebühren- rhöhung aufgrund der Umsatzsteuerpflicht an die Wand emalt wurde, möchte ich ausdrücklich auf Folgendes inweisen: Uns liegt die Stellungnahme des Bundes- nanzministeriums vor. Diese ist für uns eine wichtige rundlage, die zeigt, dass es mit dieser Entscheidung, it diesem Kompromiss, mit diesem Gesetz keine Ver- nlassung dafür gibt, jetzt in eine Umsatzsteuerpflicht inzusteigen. Wenn Sie etwas anderes behaupten, dann t das nichts anderes als eine gezielte Verunsicherung erade der Kommunen. Meine Damen und Herren, das ollten Sie einmal sein lassen! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Die Verunsicherung ma- chen Sie!) Wir reden heute über das Kreislaufwirtschaftsgesetz. nächsten Jahr werden wir über die Wertstofftonne prechen. Wir sind offen für gleichwertige Systeme. Wir aben über die bayerischen Wertstoffhöfe gesprochen, ber es gibt auch andere innovative Ansätze, zum Bei- piel in der Region Trier. Dann werden wir die Diskus- ion über kommunale Verantwortung und privatwirt- chaftlichen Wettbewerb noch einmal führen. (Ulrich Kelber [SPD]: So, so!) ir wollen dies in einem Gesetz regeln, da sind wir wie- er mit im Boot. Weil wir es beim Kreislaufwirtschafts- esetz geschafft haben, in diesem Bereich einen guten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16323 Ingbert Liebing (A) ) )(B) Interessenausgleich und Kompromiss zu finden, bin ich sehr zuversichtlich, dass uns dies im nächsten Jahr auch bei der Wertstofftonne gelingen wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Das Gesetz wird nach dem Bundesrat dann schon ganz anders ausse- hen!) Ich möchte einen persönlichen Rat anfügen: Das Thema eignet sich meiner Auffassung nach nicht für ei- nen Grundsatzstreit, Kollege Miersch sprach hier von ei- ner ideologischen Auseinandersetzung zwischen Privat und Staat. Ich selbst komme aus einem Landkreis, der auf der Basis einer kommunalen Ausschreibung die Hausmüll- entsorgung privatwirtschaftlich organisiert. Dies ist im vergangenen Jahr nach der ersten Erfahrungsperiode wieder bestätigt worden. Auch diese privaten Unterneh- men, die Dienstleister für die Kommunen sind, die be- auftragten Dritten, brauchen einen gewissen Schutz in einem fairen Wettbewerb. Die Regelungen, die wir im Rahmen unseres Kompromisses getroffen haben, dienen also nicht nur den Kommunen, sondern auch den priva- ten Unternehmen, die im Auftrag von Kommunen tätig sind und handeln. Denn es kann auch nicht sein, dass eine Kommune Leistungen ausschreibt und nachträglich die Kalkulationsgrundlagen verändert. Wir schützen auch diese, oft genug mittelständischen, Unternehmen. Auch deshalb ist dies ein guter und sinnvoller Kompro- miss. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hatte einen guten Gesetzentwurf vorgelegt. Aber kein Gesetz- entwurf ist so gut, dass er im Parlament nicht noch ver- bessert werden könnte. Dies haben wir mit der Unter- stützung des Umweltministeriums in der vergangenen Woche erreicht. Ich möchte Minister Norbert Röttgen ausdrücklich Lob und Anerkennung aussprechen; denn ich weiß aus vielen Gesprächen, dass es auch ihm per- sönlich ein Herzensanliegen gewesen ist, hier zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Herzlichen Dank da- für! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Unser Gesetz schafft die Voraussetzung für eine bür- gerfreundliche, ökologisch hochwertige und kostengüns- tige Abfallentsorgung. Unser Gesetz sichert kommunale Interessen, schafft einen fairen Wettbewerb dort, wo er möglich ist, und bietet Rechtssicherheit. Dies ist ein gu- ter Gesetzentwurf, dem wir mit gutem Gewissen zustim- men können – auch Sie als Opposition. Herzlich will- kommen! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Mit gutem Gewissen, das glaube ich Ihnen nicht!) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. d n A h fe w u b fa s w U m F u G W e F F G – d lu a e A s g is ß tr s d a F L B ti W s ß d B ti (C (D Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuord- ung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts. Der usschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- eit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussemp- hlung auf Drucksache 17/7505 (neu), den Gesetzent- urf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/6052 nd 17/6645 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich itte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschuss- ssung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzent- urf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der nionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stim- en der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der raktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz- ntwurf ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der DP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der raktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die rünen angenommen. (Frank Schwabe [SPD]: Wer hatte die Mehrheit?) Soweit ich das überblicke, besteht bei der Feststellung ieses Abstimmungsergebnisses im Präsidium Einigkeit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was? Die Opposition war in der Mehr- heit!) Wir setzen die Abstimmung zur Beschlussempfeh- ng des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Re- ktorsicherheit fort. Unter Buchstabe b seiner Beschluss- mpfehlung auf Drucksache 17/7505 (neu) empfiehlt der usschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer timmt für die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt da- egen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung t angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschlie- ungsanträge. Abstimmung über den Entschließungsan- ag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/7509. Wer timmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt agegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungs- ntrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der DP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die inke bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion ündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak- on Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/7510. er stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschlie- ungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und er FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion ündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Frak- on und der Fraktion Die Linke abgelehnt. 16324 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Vizepräsidentin Petra Pau (A) ) ) Ich rufe die Zusatzpunkte 6 und 7 auf: ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundes- regierung als Risiko für die Konjunktur – Drucksache 17/7461 – ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Schlecht, Sahra Wagenknecht, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Aufbauprogramm gegen die Krise – Schutz- schirm für Arbeitsplätze – Drucksache 17/7338 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Finanzausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte, die notwendigen Umgruppierungen zügig vorzu- nehmen, damit ich die Aussprache eröffnen kann. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Garrelt Duin für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Garrelt Duin (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! „Aufschwung XXL“, (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Gut er- kannt!) hieß es einmal. Die Zeiten sind leider vorbei. Ich will Ih- nen ganz deutlich sagen, dass wir diesen Antrag einge- bracht haben, weil wir das Herbstgutachten und die Pro- gnosen für das kommende Jahr sehr ernst nehmen und weil wir der Meinung sind, dass wir in Deutschland und in Europa jetzt an einem Punkt angekommen sind, an dem die Politik handeln muss. Die Politik darf nicht län- ger nur abwarten. Wir brauchen Tatkraft und Mut in der Politik. Die Zeit des Abwartens und Teetrinkens muss endlich vorbei sein. Wir brauchen eine Wirtschaftspoli- tik, die anpackt und nicht tatenlos zusieht. Das ist der Grund für unseren Antrag. (Beifall bei der SPD) Deutschland braucht eine vorausschauende Politik. Schauen wir uns einmal verschiedene Meldungen an, zum Beispiel über die DIHK-Umfrage. Das Resümee des DIHK zur aktuellen Lage ist ein Alarmsignal. Der Tenor der DIHK-Umfrage lautet: Wirtschaftspolitik ist ein Risikofaktor. Damit ist die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung gemeint, sofern man überhaupt eine feststellen kann. Im weiteren Verlauf heißt es: Die Kri- senpolitik der Bundesregierung verunsichert die Unter- nehmen. Der angeführte Prozentsatz ist so hoch wie nie. Das ist ein besorgniserregender Wert. Das hat sehr viel damit zu tun, dass es einen Vertrauensverlust gibt, der a g z u h E g b W s e d re s a D w k T d s E d R W A h A fr p n d n v re b k s g d s e d z 7 w v (C (D us Unterlassungen, aufgeschobenem Handeln und man- elndem Mut in der Wirtschaftspolitik resultiert. Ein paar Fakten dazu: Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist um vierten Mal in Folge gefallen. Die Verbraucherpreise nd damit die Inflationsrate erklimmen ein Dreijahres- och, nicht zuletzt wegen steigender Energiepreise. Die xportzahlen gehen deutlich zurück. Am besorgniserre- endsten ist, dass wir deutlich weniger Investitionen ha- en. Das sind nicht irgendwelche theoretischen Werte. enn Sie in diesen Tagen mit Unternehmensvertretern prechen – die Größenordnung des Unternehmens ist gal; es ist gleich, ob Sie mit einem Mittelständler oder em Vertreter eines Dax-Unternehmens sprechen –, hö- n Sie überall die gleichen Botschaften: Investitionsent- cheidungen werden zurzeit nicht getroffen. Sie werden uf die lange Bank geschoben, zumindest auf die mittlere. as bedeutet für den Standort Deutschland und für die irtschaftliche Entwicklung eine große Gefahr. Im IMK-Report steht – Zitat –: Alles in allem werden sich die Perspektiven für die deutsche Exportwirtschaft stark eintrüben. Dies wird wiederum die Investitionstätigkeit deutscher Unternehmen spürbar belasten, sodass deren Zu- nahme deutlich schwächer sein wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungs- oalition, nehmen Sie diese Warnsignale endlich ernst. un Sie nicht so, als ob man sich ausruhen könnte auf em Aufschwung, der hinter uns liegt. Dieser Auf- chwung war im Übrigen nicht Ihr Erfolg, sondern der rfolg der Maßnahmen, die von der Vorgängerregierung urchgeführt worden sind. (Beifall bei der SPD) uhen Sie sich darauf nicht aus. Fangen Sie jetzt an, die eichen richtig zu stellen. Was wir brauchen – das machen wir in unserem ntrag deutlich –, ist eine Investitionsstrategie zur nach- altigen Stabilisierung der Konjunktur. Wir brauchen nreize für Investitionen und eine stärkere Binnennach- age, gerade mit Blick auf den Rückgang bei den Ex- orten. Weder von verstärkten Investitionen noch von ei- er Strategie kann bei dieser Bundesregierung zurzeit ie Rede sein. Hier und da gibt es ein paar Einzelmaß- ahmen – gestern haben wir im Rahmen der TKG-No- elle über den Breitbandausbau gesprochen –, aber das icht nicht. Das ist keine Gesamtstrategie, die wir rauchten. Stattdessen gibt es wieder einmal Steuersen- ungspläne, auch wenn klar ist – denn darüber reden Sie eit Jahren –, dass davon bei den Bürgerinnen und Bür- ern nichts ankommt. Sie wollen aber immer noch eins raufsetzen. Selbst Norbert Barthle, der haushaltspoliti- che Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, sagt: Statt Steu- rsenkungen brauchen wir mehr Investitionen. Das ist er entscheidende Punkt. Hören Sie endlich auf, den Leuten Sand in die Augen u streuen. Mit Steuersenkungen in Höhe von 6 oder Milliarden Euro können Sie nicht das erreichen, was ir in Deutschland brauchen. Damit lösen Sie keine In- estitionen aus. Das wäre ein Tropfen auf den heißen (B) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16325 Garrelt Duin (A) ) )(B) Stein. Es ist völlig unzulässig, in dieser Zeit weiter über Steuersenkungen nachzudenken. Nach der Konsolidie- rung brauchen wir jetzt Investitionen in die Infrastruktur und in die Bildung. (Beifall bei der SPD) Wir brauchen ein Impulsprogramm für Investitionen zur Modernisierung der Verkehrs-, Energie- und Telekom- munikationsinfrastruktur. Wir brauchen Investitionen in Bildung und Qualifizierung. Seit Monaten, schon fast seit Jahren sprechen wir über das Thema Fachkräfte. Der Wirtschaftsminister stellt sich hier immer wieder hin, positioniert sich und sagt, was man alles machen könnte. Aber konkret ist bis- her überhaupt nichts passiert. Bei diesem Thema herrscht Stillstand, auch bei diesem Thema gibt es Streit in der Regierungskoalition. Nehmen wir als Beispiel die Förderung von Unter- nehmen im Bereich der Energie- und Ressourceneffi- zienz. Wir werden im Laufe der Debatte auf dieses Thema noch näher eingehen. Wir haben in der letzten Sitzungswoche im Wirtschaftsausschuss mit Herrn Dr. Schröder von der KfW gesprochen. Er hat uns noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt, dass es diese Bundesregierung ist, die es gerade großen Mittelständ- lern nicht ermöglicht, die Programme der KfW zu nut- zen. Das ist ein Versagen dieser Bundesregierung. Sie behindert die notwendigen Investitionen im Bereich von Energie- und Ressourceneffizienz. (Beifall bei der SPD) Lassen Sie mich noch auf einen Punkt unseres An- trags ausdrücklich hinweisen. Das Institut für Arbeits- markt- und Berufsforschung – es hat auch für das Herbstgutachten Zahlen vorgelegt – geht davon aus, dass die Unternehmen, wenn sich die wirtschaftliche Ent- wicklung eintrübt und nicht mehr so ist wie im ersten Quartal 2011, auf ein Instrument wie die Kurzarbeit wie- der werden zurückgreifen müssen. Deswegen schlagen wir vor, die Regierung zu ermächtigen, die auslaufenden Sonderregeln für die Kurzarbeit, also das Kurzarbeiter- geld plus, im Falle eines Abschwungs wieder in Kraft setzen zu können. Das deckt sich mit der Forderung des DGB. Wenn Sie dem DGB und der Sozialdemokratie nicht glauben, dann sprechen Sie einmal mit Ihrem ehemali- gen Kollegen Göhner; er ist jetzt Hauptgeschäftsführer der BDA. Er sagt: Wir brauchen dieses Instrument über das Jahresende hinaus. Für den Fall der Fälle müssen wir gewappnet sein. – Deswegen sagen wir: Ermächtigen Sie die Regierung, damit das Kurzarbeitergeld plus auch im Jahre 2012 möglich ist. Verschließen Sie doch da nicht die Augen. (Beifall bei der SPD) Ein letzter Punkt. Auf diesen haben Sie sicherlich schon gewartet. Man muss es gerade in Zeiten wie die- sen – Sie haben es in der Presse verfolgen können – er- wähnen: Diese Bundesregierung hat sechs Institute da- mit beauftragt, die Auswirkungen eines Mindestlohns auf die Wirtschaft zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser U Z d M n d 7 s g n M b S li U H K n im W h A D w h re d Im s n b g S s n b A (C (D ntersuchung sickern bereits durch – man konnte in den eitungen darüber lesen –: 1,3 Millionen Menschen ver- ienen weniger als 5 Euro die Stunde, 2,2 Millionen enschen weniger als 6 Euro die Stunde und 3,3 Millio- en Menschen weniger als 7 Euro die Stunde. Wenn wir ieses Problem endlich einmal beheben würden, würden Milliarden Euro zusätzlich im Haushalt zur Verfügung tehen. Das wäre nicht nur ein haushaltspolitisches Si- nal – dieses Geld könnten wir zusätzlich für Investitio- en ausgeben –, sondern es hat auch mit der Würde der enschen zu tun, diesen unhaltbaren Zustand endlich zu eenden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Stimmen Sie unserem Antrag zu, und verschließen ie nicht länger die Augen vor der drohenden wirtschaft- chen Entwicklung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD – Dr. Michael Fuchs [CDU/ CSU]: Sie waren schon einmal besser!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Fuchs für die nionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber ollege Duin, auch ostfriesische Unkenrufe ändern es icht: Die Konjunktur läuft. Sie läuft sehr gut. Wir haben letzten Jahr 3,6 Prozent Wachstum verzeichnet. (Garrelt Duin [SPD]: Im letzten Jahr!) ir werden dieses Jahr annähernd 3 Prozent Wachstum aben. (Garrelt Duin [SPD]: Wegen des ersten Quar- tals!) uch im nächsten Jahr werden wir Wachstum haben. ie Beschlüsse, die vor zwei Tagen in Brüssel gefasst urden, werden das Wachstum stabilisieren. Davon ge- en wir aus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Bruttoinlandsprodukt hat das Vorkrisenniveau be- its überschritten. Das zeigt sich vor allen Dingen auf em Arbeitsmarkt. Das macht mir die allermeiste Freude. letzten Monat waren nur noch 2,79 Millionen Men- chen arbeitslos. Von dieser Zahl hat Gerhard Schröder ur geträumt. In der Zeit, in der Rot-Grün regiert hat, ha- en Sie solche Zahlen nicht erreicht. Erst als wir angefan- en haben, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, hat sich die ituation verbessert. Sie werden es erleben: Auch in die- em Monat sinkt die Arbeitslosigkeit. Erste Informatio- en zeigen, dass es in diesem Monat erneut weniger Ar- eitslose gibt. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 6,6 Prozent. m allermeisten freut mich – dies freut mich auch ganz 16326 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Dr. Michael Fuchs (A) ) )(B) persönlich, weil ich mich als Arbeitgeber und Unterneh- mer immer dafür eingesetzt habe –, dass die Jugendar- beitslosigkeit in Deutschland de facto kein Problem mehr ist. In meinem Wahlkreis gibt es zurzeit 300 offene Azubi-Stellen und keinen einzigen Bewerber mehr, der nicht vermittelt ist. Darüber müssen wir allerdings einmal sehr intensiv nachdenken; denn wenn wir nicht mehr genügend Aus- zubildende haben, kann das zu einem Flaschenhals, ei- nem Bottleneck, für unsere Wirtschaft werden. Wir müs- sen uns gemeinsam intelligente Ideen einfallen lassen. Ich würde mir wünschen, dass die Goethe-Institute in Spanien oder in Portugal vielleicht ein bisschen mehr Deutschunterricht erteilen, damit wir unter Umständen jungen Leuten aus diesen Ländern helfen können. Spa- nien hat eine Jugendarbeitslosigkeit von 42 Prozent. Hier wäre europäische Solidarität durchaus angebracht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn wir uns ansehen, wie sich die Beschäftigung insgesamt entwickelt hat, können wir feststellen: Wir werden auch im Jahresdurchschnitt weniger als 3 Millio- nen Arbeitslose haben. Das sind ausgesprochen positive Entwicklungen. Das Ganze hat natürlich auch in allen anderen Berei- chen Effekte. So werden wir im nächsten Jahr die Ren- ten endlich wieder vernünftig erhöhen können. Die Zah- len sind seit heute bekannt: 2,3 Prozent im Westen und 3,2 Prozent im Osten. Das ist ja wirklich schon einmal ein Schluck aus der Pulle. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auch darüber können wir froh sein. Das sollten wir alle sein; denn die Rentner haben in den letzten Jahren keine besonders gute Zeit gehabt. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Fuchs, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- kung des Kollegen Lindner? Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Gerne. Das gibt mir zusätzliche Redezeit. Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Kollege Fuchs, Sie sprachen gerade von der Jugendar- beitslosigkeit, die in ganz Deutschland meiner Kenntnis nach auf etwas über 8 Prozent gesunken ist und damit etwa gleichauf mit der Gesamtarbeitslosigkeit liegt. Ist Ihnen bekannt, dass in Berlin, wo die SPD jetzt seit über zehn Jahren in der Regierungsverantwortung steht und auch zusammen mit der Linken regiert hat, die Jugendar- beitslosigkeit, also die Arbeitslosigkeit der 18-Jährigen und Jüngeren, bei über 23 Prozent liegt? (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist mehr als die FDP! Sie hatte 1,8 Prozent!) Obwohl Berlin auf Kosten anderer Länder wie beispiels- weise Hessen pro Kopf die höchsten Ausgaben für Bil- dung hat, gibt es dort die höchste Jugendarbeitslosigkeit im ganzen Land. Halten Sie das für die richtige Exper- ti T D C C C e h c k s W im d w P g a R R N b L s n n la m H J v S s n v e 2 w a s w z is n d (C (D se dieser Partei, um sich hier in die Debatte zu diesem hema einzubringen? Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Lieber Herr Kollege Lindner, ich kann Sie trösten. as dauert nicht mehr lange; denn demnächst regiert die DU in Berlin mit. Dann wird es besser. Das ist die hance, die Berlin hat. Gott sei Dank hat Berlin diese hance auch ergriffen. Herr Wowereit hat gemerkt, dass r mit den Grünen nicht weiterkommt. Mit den Linken at er gar nicht erst angefangen, irgendetwas zu errei- hen. Es wird jetzt besser. Warten wir es ab. Darüber önnen wir uns gemeinsam freuen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wo die Linke regiert, sind die Zahlen nun einmal chlechter. Herr Lindner, das können wir nicht ändern. ir sind aber auf einem guten Weg dahin, dass sich das mer mehr reduziert. Deswegen finde ich es auch gut, ass es in Berlin zu einer Großen Koalition kommen ird. Berlin hat das verdient. Berlin hat eine bessere olitik verdient als die der letzten zehn Jahre. Das ist anz sicher. Die Bürgerinnen und Bürger haben dies uch gewollt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Um auf die Rente zurückzukommen: Nicht nur die entner selber haben etwas von der Erhöhung. Auch die entenbeiträge können demnächst sinken. Weil die achhaltigkeitsrücklage die Höhe von 1,5 Monatsausga- en erreicht, ja sogar überschritten hat, dürften wir in der age sein, in Bälde den Rentenversicherungsbeitrag zu enken. Das Geld geht direkt in die Taschen der Arbeit- ehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist für die Unter- ehmen und für die Arbeitnehmer gut. Meine Damen und Herren, das ist eine positive Bi- nz. Diese positive Bilanz lassen wir uns auch von nie- andem kaputtreden. Gleichzeitig ist es dieser Regierung gelungen, die aushaltssituation zu stabilisieren. Wir haben im letzten ahr 44,3 Milliarden Euro Schulden gemacht – viel zu iel. Allerdings darf ich daran erinnern, dass der Kollege teinbrück – Ihr Wundermann, der von Schmidt Ge- albte – (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nur kein Neid!) och 86 Milliarden Euro geplant hatte, also doppelt so iel, wie wir erreicht haben. Das zeigt doch, dass wir auf inem guten Wege sind. Im letzten Jahr haben wir für 011 dann 30 Milliarden Euro angesetzt. Diesen Betrag erden wir unterschreiten. Für nächstes Jahr sieht es so us, dass wir auf dem Weg zu unter 25 Milliarden Euro ind; denn die Steuereinnahmen sind deutlich besser, als ir alle gemeinsam erwartet haben. Das ist positiv. Dies eigt, dass diese Bundesregierung auf einem guten Weg t und dass der Konsolidierungskurs weitergeht. Das ist otwendig. Wir wollen es auch so haben. Wir haben als eines von wenigen Ländern in Europa ie Maastricht-Kriterien eingehalten. Jetzt liegen wir bei Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16327 Dr. Michael Fuchs (A) ) )(B) 1,1 Prozent. 3 Prozent dürften wir, wollen wir aber nicht haben. Wir arbeiten gemeinsam daran, das weiter zu un- terschreiten. Wir müssen auch zusammen mit allen Kol- legen in den europäischen Ländern auf diesem Weg wei- tergehen. Deswegen bin ich sehr froh über die Beschlüsse von Mittwochabend. Sie werden dazu beitra- gen, dass Europa auf Stabilitätskurs geht. Nur wenn alle Länder, nicht nur Deutschland, diesen Stabilitätskurs verfolgen, ist der Euro sicher. Wir brauchen ihn; er ist gerade für Deutschland ein ausgesprochen gutes Instru- ment. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Was die weiteren Beschlüsse angeht, so freue ich mich darüber, dass die Eigenkapitalbasis der Banken ge- stärkt wird, dass 9 Prozent Kernkapital in Zukunft die Vorgabe ist und dass dies bis Mai nächsten Jahres zu er- reichen ist. Da, wo es nicht erreicht wird, haben wir die EFSF und sind somit in der Lage, den Banken zu helfen, die dieses Ziel nicht erreichen können. Gott sei Dank werden wir wohl in Deutschland nicht auf die EFSF zu- rückgreifen müssen, aber in anderen europäischen Län- dern dürfte das mit Sicherheit der Fall sein. Ferner haben wir Brandschutzmauern um diejenigen herum errichtet, die in Schwierigkeiten geraten, weil Griechenland eben ein solch starkes Problem darstellt. Wir verlangen, in Zukunft alle systemrelevanten Banken zur Aufstockung ihres Kernkapitals zu verpflichten. Das ist notwendig. Denn wir wollen nicht, dass Staaten in eine Krise geraten, weil die Banken zu hohe Schulden gemacht haben. Wir werden auch Griechenland helfen. Ein 50-pro- zentiger Haircut ist enorm. Dazu darf es aber nur kom- men, wenn die Griechen ihre Hausaufgaben auch wirk- lich machen. Deswegen finde ich es richtig und wichtig, dass wir in Athen einen Sparkommissar installieren, der überwacht, ob die Hausaufgaben wirklich gemacht wer- den. Nur so kann die Party endlich beendet werden. Denn nur wenn die Griechen auf den Pfad der Tugend zurückkehren, wird das Ganze funktionieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Lieber Herr Kollege Duin, es wäre gut, wenn Sie sich die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen an- sehen, bevor Sie einen Antrag einbringen. Natürlich werden wir den Ausbau der Bundesfernstraßen, der Bun- deswasserstraßen und der Schienenwege intensivieren. Am 6. November 2011 tagt der Koalitionssausschuss zum nächsten Mal. Da werden die Zahlen sowie erneut spürbare Erhöhungen festgelegt. Das muss schon allein deswegen geschehen, weil wir wissen, dass ein vernünf- tiges Schienennetz und ein vernünftiges Straßennetz, eine vernünftige Infrastruktur, für Deutschland extrem wichtig sind. Wir haben bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen. Zum Beispiel werden im Rahmen des TKG die LTE-Frequenzen und die Funknetze gestärkt. Das ist notwendig, damit wir einen möglichst flächendeckenden Internetzugang haben. Dies wird durch die Maßnahmen, die wir in diesem Bereich getroffen haben, verbessert. g R n ru b u S u P d le a e s k k e a D L te fu w d D b re h c v B s w K g D (C (D (Klaus Barthel [SPD]: Nonsens!) Ich finde es gut, dass Sie sagen, wir sollen die Ener- ie- und Rohstoffeffizienz, also die Nutzung unserer essourcen, verbessern und dafür zusätzliche Investitio- en machen. Jetzt erklären Sie mir aber bitte einmal, wa- m Sie dann unsere Maßnahmen zur energetischen Ge- äudesanierung im Bundesrat blockieren. Das ist doch nlauter, was Sie machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ie müssten das doch unterstützen. Hier fordern Sie es, nd im Bundesrat blockieren Sie es. Das ist Ihre typische olitik. Denn Sie sind nicht bereit, anzuerkennen, dass as notwendig ist. Sie wollen im Bundesrat alle sinnvol- n Maßnahmen, die wir ergreifen und die auch Sie hier ls sinnvoll anerkennen, blockieren. Das finde ich schon in bisschen schäbig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da haben Sie doch erst gekürzt, Herr Fuchs!) Wir haben uns sehr intensiv mit dem Thema Roh- toffe beschäftigt. Ich finde es richtig, dass die Bundes- anzlerin in der Mongolei war und dort ein Rohstoffab- ommen für Deutschland geschlossen hat. Ich finde es benfalls richtig, dass wir die entsprechende Zusammen- rbeit mit Kasachstan und Aserbaidschan ausweiten. as ist notwendig. Deutschland ist ein rohstoffarmes and. Auch um dieses Problem müssen wir uns sehr in- nsiv kümmern. Denn die Gefahr, dass wir von der Zu- hr von Ressourcen abgeschnitten werden – beispiels- eise im Falle einer Blockadepolitik der Chinesen oder er Erhebung von Exportzöllen auf Rohstoffe –, ist für eutschland groß. Deswegen müssen wir uns im Hin- lick auf Rohstoffe breiter aufstellen. Recycling gehört genauso dazu. Auch in diesem Be- ich ist die deutsche Wirtschaft sehr erfolgreich. Wir aben zum Beispiel bei Kupfer mittlerweile eine Recy- lingquote – das dürfte insbesondere die Grünen freuen – on 54 Prozent, bei Aluminium eine von 35 Prozent, bei lei von 59 Prozent und bei Stahl von 90 Prozent. Das ind alles positive Zahlen. Wir brauchen diese Erfolge, eil wir unsere Rohstoffvorkommen schonen müssen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der ollegin Enkelmann? Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Natürlich. – Sie waren schließlich dabei und haben esehen, wie wichtig dieses Abkommen ist. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Sie auch, Herr Kollege Fuchs. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Na, Donner- wetter!) eswegen: Sind wir beide uns an dieser Stelle einig, (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Nein! Wir wol- len keinen demokratischen Zentralismus!) 16328 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Dr. Dagmar Enkelmann (A) ) )(B) dass es sich bei der Zusammenarbeit, zum Beispiel mit der Mongolei, tatsächlich um eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe handelt und dass es nicht nur darum gehen kann, die Rohstoffe aus dem Land herauszuholen, sondern dass es natürlich auch darum gehen muss, dafür zu sorgen, dass dort nachhaltig gewirtschaftet wird und beispielsweise auch so etwas wie ein Technologietrans- fer stattfindet? Handelt es sich also wirklich um eine Zu- sammenarbeit auf gleicher Augenhöhe? (Beifall bei der LINKEN) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Verehrte Frau Kollegin Enkelmann, Sie haben auf der Reise gut aufgepasst. Genau das wollen wir. (Heiterkeit bei der FDP – Fritz Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Geht doch mal zu- sammen einen Kaffee trinken!) Wir wollen den Ländern helfen, ihre Rohstoffe auszu- beuten. Bei der Erarbeitung und Verbesserung der ent- sprechenden Möglichkeiten wollen wir dabei sein. Wir wollen selbstverständlich auch die dafür erforderlichen Maschinen liefern. Wir wollen die Wertschöpfung in diesen Ländern erhöhen. Auch darüber haben wir in der Mongolei gesprochen. Ich nehme an, Sie haben gut auf- gepasst. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Jetzt haben wir es im Protokoll! Danke!) Verehrte Kollegen, wir haben das Kreislaufwirt- schaftsgesetz gerade novelliert. Auch das ist richtig und wird uns beim Recycling, das ich eben angesprochen habe, weiterhelfen. Alles in allem kann man also sagen: Die Wachstums- prognosen sind positiv. Das Krisenmanagement dieser Regierung funktioniert. Ich mache mir da nicht so viele Sorgen wie Sie, Herr Duin. Ich bin zum Beispiel dage- gen, dass wir die jetzigen Regelungen zur Kurzarbeit, die zu Mitnahmeeffekten führen können, prolongieren. Wenn es wirklich zu einer Krise kommen sollte (Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – jetzt ist Schluss, Herr Heil –, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein! Noch lange nicht!) dann werden wir diese Maßnahmen selbstverständlich erneut ergreifen. Das können wir mit einem Gesetz ganz kurzfristig machen. Da brauchen wir jetzt keine Verord- nungsermächtigungen zu schaffen. Ich halte das für nicht notwendig, weil ich der Meinung bin, dass wir der deutschen Wirtschaft genügend Möglichkeiten zur Ver- fügung gestellt und genügend Hilfen gegeben haben. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie holen so selten Luft; ich komme kaum dazwischen. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Er hat nun einmal so viel Richtiges zu erzählen!) G d d E p u la Im re 1 v g G D p d s e a w g c z g b n m (C (D estatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heil? Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Wenn es denn unbedingt sein muss. (Bernd Scheelen [SPD]: Das dient der Wahr- heitsfindung! – Peter Hintze, Parl. Staatssekre- tär: Denkt daran: Es ist Freitag!) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Kollege Fuchs, da meine Frage der Wahrheitsfindung ient, sollten Sie sie an dieser Stelle zulassen. Dass Sie as tun, finde ich sehr gut. Ich will Sie nur auf Folgendes hinweisen: Nach allen xpertenmeinungen wurden durch das Kurzarbeitergeld lus, das Olaf Scholz eingeführt hat, in den Jahren 2008 nd 2009 Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Deutsch- nd gerettet. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: 1,3 Millionen so- gar! – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Mit der Zustimmung der Gewerkschaften! – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Aber das kann doch keine Dauerlösung sein!) Übrigen hat Ihre Ministerin diese Regelung auf unse- n Druck verlängert. Jetzt verkürzt sie das Ganze zum . Januar nächsten Jahres. Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Nein. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Doch. Im Rahmen der Instrumentenreform wird das erkürzt. Es war ursprünglich auf eine längere Dauer an- elegt; auch Sie wissen, dass das stimmt. Nun wird das anze von März auf Januar nächsten Jahres vorgezogen. Wir schlagen nicht vor – da haben Sie den Kollegen uin bewusst missverstanden –, das Kurzarbeitergeld lus einfach weiterlaufen zu lassen; das bezieht sich auf ie Laufzeit und die Sozialversicherungsbeiträge. Wir agen lediglich: Schreiben Sie es so ins Gesetz, dass wir s im Fall der Fälle, dass die Wirtschaft stärker einbricht ls prognostiziert – was wir nicht wollen –, schneller ieder scharf schalten können, als wenn wir erst ein lan- es Gesetzgebungsverfahren anleiern müssten. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das kann man in einer Woche machen!) Herr Fuchs, ich sage Ihnen an dieser Stelle: Sie ma- hen in Ihrer Denke einen Fehler. Sie ruhen sich seit wei Jahren auf Wachstumszahlen und Erfolgen der Vor- ängerregierung aus, (Beifall des Abg. Bernd Scheelen [SPD] – La- chen bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das glau- ben Sie doch wohl selber nicht!) etreiben keine Prävention und nehmen nicht zur Kennt- is, dass man Vorsorge für den Fall der Fälle treffen uss. Die Arbeitszeitkonten bei den Unternehmen sind Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16329 Hubertus Heil (Peine) (A) ) )(B) im Moment leerer als 2008. Sie werden erleben, dass wir die Kurzarbeit wieder brauchen werden. Meine Bitte ist: Unterstellen Sie uns nicht, dass wir diese Regelung einfach verlängern wollen. Wir wollen die Regierung lediglich ermächtigen, sie schnell wieder scharf zu schalten. Ich weiß gar nicht, was Sie dagegen haben, der Regierung ein Instrument an die Hand zu ge- ben, das wir gut gebrauchen könnten. Reden Sie einmal mit Ihrem Kollegen Göhner. Sie kennen ihn ja noch. Er war Bundestagsabgeordneter und ist jetzt bei der BDA. Dort kennt man sich mit der Situation in den Unterneh- men aus. Meine Frage ist, warum Sie Ihr Vorhaben stur durchziehen und einen konstruktiven Vorschlag, den wir gemacht haben, nicht aufgreifen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Verehrter Herr Kollege Heil, um das ganz klar zu sa- gen: Wir haben dieses Gesetz damals gemeinsam (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es! Ge- meinsam haben wir das gemacht!) auf den Weg gebracht. (Beifall des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU]) Wir haben das in relativ kurzer Zeit gemacht. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Gegen die FDP!) Wir brauchen dieses Gesetz nicht weiterlaufen zu lassen. Wir können das alte Gesetz jederzeit aus der Schublade ziehen und sagen: Jetzt ist es wieder notwendig. Jetzt verlängern wir es. Jetzt machen wir ein neues Gesetz und sehen uns das Ganze noch einmal genau an. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ja!) Ich möchte aber nicht, dass man an die Kassen der Bundesagentur für Arbeit geht, (Rolf Hempelmann [SPD]: Die haben Sie doch schon geplündert! Die können Sie ja nicht zweimal plündern! – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Aber an die Steuerzahler schon!) weil ich befürchte, dass sie zurzeit zu leer sind, um ein solches Maßnahmenpaket finanzieren zu können. Ich halte es für notwendig, dass wir jetzt erst einmal über- prüfen, ob es eventuell Mitnahmeeffekte gibt. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gut! Sehr richtig!) Wenn es sie nicht gibt und wenn es notwendig wäre, könnten wir ein solches Gesetz jederzeit innerhalb von einer Woche – Ihre Unterstützung haben Sie uns ja jetzt schon zugesagt – auf den Weg bringen. Das werden wir auch tun, wenn es notwendig ist. Insofern rege ich mich in dieser Stelle gar nicht auf. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich kann nur sa- gen, dass wir in gutem Fahrwasser sind. Eines möchte ich aber nicht: dass die gute Situation, in der wir uns be- fi k B Ih L n te E D K in s g S 1 c B u Z K w s h B a B H K a n b A w d te (C (D nden, schlechtgeredet wird und dass ostfriesische Un- enrufe zu hören sind. Das hilft uns nicht weiter. Die deutsche Wirtschaft ist in guter Verfassung. Die eschlüsse, die in dieser Woche Gott sei Dank auch mit rer Zustimmung getroffen wurden – das war in dieser egislaturperiode bei den Beschlüssen zu Europa ja icht immer so –, waren richtig. Wir sind auf einem gu- n Weg, und ich gehe davon aus, dass sich das in uropa sehr schnell zeigen wird. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Jutta Krellmann für die Fraktion ie Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jutta Krellmann (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Am Donnerstag, dem 11. Oktober 2011, stand der Süddeutschen Zeitung ein Artikel mit der Über- chrift: „Rettungsschirm Kurzarbeit“. Darunter stand: Arbeitgeberpräsident Hundt und DGB-Chef Sommer drängen die Bundesregierung zur Vorsorge – falls ein Abschwung kommt. Die Linke im Bundestag will ein Aufbauprogramm egen die Krise: einen Schutzschirm für Arbeitsplätze, ofortmaßnahmen, um das Kurzarbeitergeld ab dem . Januar 2012 zu verlängern, die Einführung eines flä- hendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, damit die innennachfrage gestärkt wird, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) nd die gemeinsame Entwicklung eines Aufbau- und ukunftsinvestitionsprogramms mit den Ländern und ommunen, das durch eine Millionärssteuer finanziert erden soll. (Beifall bei der LINKEN) Und täglich grüßt das Murmeltier: Das sind Diskus- ionen, die wir teilweise schon vor zwei Jahren geführt aben, als ich ganz neu hier in den Bundestag kam. Die undesregierung spannt einen Rettungsschirm nach dem nderen, allerdings nicht für Arbeitsplätze, sondern für anken. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist mehr als billig!) insichtlich der Arbeitsplätze wird die Regelung zur urzarbeit, die bis Ende März 2012 gelten sollte, sogar uf Ende 2011 verkürzt. Die Sorgen der Sozialpartner werden nicht ernst ge- ommen. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften ge- en doch nicht leichtfertig gemeinsame Erklärungen ab – rbeitgeber aus Sorge um ihre Gewinne nicht und Ge- erkschaften aus Sorge um die Arbeitsplätze nicht. Und ie Bundesregierung? Sie schläft den Schlaf der Gerech- n. 16330 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Jutta Krellmann (A) ) )(B) Ich habe zu diesem Thema am 11. Oktober 2011 eine Frage an die Bundesregierung gestellt. Die Antwort war: Wegen der im Allgemeinen nach wie vor guten ar- beitsmarktlichen Entwicklung ist ein vorzeitiges Auslaufen der während der Wirtschaftskrise einge- führten Sonderregelungen zur Kurzarbeit bereits Ende dieses Jahres gerechtfertigt. (Jens Ackermann [FDP]: Gute Antwort!) Weiter hieß es: Wegen der erheblichen finanziellen Auswirkungen und hohen politischen Bedeutung der angesproche- nen Regelungen wäre es nicht angemessen, etwaige künftige Entscheidungen von derartiger Reichweite lediglich durch Verordnung ohne Zustimmung des Parlaments … zu treffen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da ist was dran! Das sehe ich genauso!) Bei Milliarden für die Banken müssen wir um Beteili- gung kämpfen, bei Millionen aus selbst erbrachten Bei- tragsmitteln wird nichts gemacht, außer dass gesagt wird, es geschehe nichts ohne die Zustimmung des Par- laments. Wie leichtfertig die Koalitionsparteien mit den Men- schen und ihren Schicksalen umgehen, wird für mich durch folgendes Beispiel gezeigt, das gerade auch schon wieder eine Rolle gespielt hat, als es um die Ju- gendarbeitslosigkeit ging – auch gestern haben wir da- rüber geredet, als es um die Kündigungsfristen für unter 25-Jährige gegangen ist –: Frau Connemann, die jetzt lei- der nicht hier ist – ich kann sie zumindest nicht sehen –, hat davon gesprochen, dass Deutschland nur 8 Prozent jugendliche Arbeitslose hat. Das sei ganz toll in Deutschland und in Europa. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Spitzen- position!) Sie sagte aber nicht dazu, was diese 8 Prozent eigentlich bedeuten. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: 8 Prozent sind 8 von 100!) Von daher will ich das noch einmal ganz deutlich ma- chen; ich habe mich vor der Debatte extra danach erkun- digt. Zunächst einmal sind zum aktuellen Zeitpunkt 9,1 Prozent der 15- bis 24-Jährigen arbeitslos. Das sind sage und schreibe 430 000 junge Menschen. Das ist ein- fach unerträglich. Was wird hier gemacht? (Beifall bei der LINKEN – Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Sofort. – Ich habe manchmal das Gefühl, Ihre Schön- schwätzerei ist ein Teil Ihrer Wahrnehmung; das ist so. Menschen außerhalb dieses Bundestages haben aber eine ganz andere Wahrnehmung. Arbeitgeber und Arbeitneh- mer machen sich an dieser Stelle sehr große Sorgen, und diese Bundesregierung tut nichts. – Ich habe mitbekom- men, dass jemand eine Zwischenfrage stellen wollte. te z S In F H g E fi li A v M s E 1 D n z D ü p d L E (C (D (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Die Frage ist zurückgezogen! – Ernst Hinsken [CDU/ CSU]: Herr Präsident, ich habe tief Luft geholt und auf die Frage verzichtet!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Reden Sie weiter, sonst geht Ihre Redezeit verloren. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Okay. – Verlängern Sie die Regelung zum Kurzarbei- rgeld, und führen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn ur Stärkung der Binnennachfrage ein! (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wie hoch ist er denn heute bei Ihnen? Sind Sie schon bei 11 Euro?) pannen Sie einen Schutzschirm für die Arbeitsplätze im teresse der Menschen hier im Land! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Hermann Otto Solms für die FDP- raktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Der XXL-Aufschwung hat sich bis heute verlän- ert, Herr Duin. (Thomas Oppermann [SPD]: Gegen den Wil- len der FDP! Sie haben das Konjunkturpro- gramm abgelehnt!) r findet immer noch statt. Was im nächsten Jahr statt- ndet, wollen wir einmal abwarten. Dass es eine Norma- sierung des Wachstums geben wird, ist zu erwarten. ber die Wachstumsentwicklung bleibt positiv. Das Entscheidende ist: Nach den Entscheidungen om Mittwoch zum Euro wird eine Beruhigung auf den ärkten und allgemein mehr Zuversicht eintreten. Das ehen Sie schon jetzt an der Börsenentwicklung und der ntwicklung des Euros, dessen Kurs wieder auf ,40 Dollar gestiegen ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) eswegen wird die wirtschaftliche Entwicklung im ächsten Jahr besser ausfallen, als es heute prognosti- iert wird. (Beifall des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU]) a bin ich sehr zuversichtlich. Deswegen gibt es jetzt berhaupt keinen Grund für ein übereiltes Konjunktur- rogramm, in welchem Umfang auch immer. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir sind in einer gesunden Entwicklung. Wir haben ie richtige Politik gemacht. Wir haben am Anfang der egislaturperiode die Nachfragekräfte mit 24 Milliarden uro unterstützt. Wir haben viele Entlastungsmaßnah- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16331 Dr. Hermann Otto Solms (A) ) )(B) men getroffen. Auch Sie können stolz sein, weil die Ar- beitsmarktreformen aus der rot-grünen Regierungszeit dazu einen wichtigen Beitrag geleistet haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie bekennen sich doch heute gar nicht mehr dazu!) Ich wundere mich darüber, dass bei Ihnen Stimmen lau- ter werden, die eine Rückabwicklung fordern. Da ist völ- lig unsinnig. (Beifall des Abg. Dr. Daniel Volk [FDP]) Das war eine erfolgreiche Politik. Wir haben sie unter- stützt. Wir sagen Ihnen auch heute noch: Das war eine gute Sache. (Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) So gut, wie die Entwicklung jetzt ist, haben auch wir sie nicht vorausgesehen. Dass wir in diesem Jahr über 500 000 Erwerbstätige mehr (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr wahr!) als im letzten Jahr haben – der aktuelle Stand liegt bei 41,2 Millionen Erwerbstätigen –, war doch nicht vorher- zusehen. Genauso war nicht vorherzusehen, dass die Renten im nächsten Jahr stärker steigen – 3,2 Prozent im Osten, 2,3 Prozent im Westen –, dass die Rentenbeiträge um 0,3 Prozent gesenkt werden können, dass die Steuer- einnahmen über alle Erwartungen hinaus steigen. Im Handelsblatt ist heute zu lesen, dass die neue Steuer- schätzung wahrscheinlich von einem Steuermehrauf- kommen von 40 Milliarden Euro bis 2015 ausgehen wird. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Birkwald von der Linksfraktion? Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Ja, wenn ich den Gedanken zu Ende geführt habe. – Das gibt uns den Spielraum, die Haushaltskonsolidie- rung noch mehr zu beschleunigen (Garrelt Duin [SPD]: Steuersenkung ist doch keine Haushaltskonsolidierung!) und gleichzeitig die krasse Steuerungerechtigkeit der kalten Progression zu beseitigen. Das haben übrigens auch Sie von der SPD in Ihrem Wahlprogramm gefor- dert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jetzt bitte der Kollege Birkwald. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Birkwald, bitte. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Herr Kollege Dr. Solms, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Es gab neulich eine Um- fr a n D tr s z z 3 s a u R g te E e D n D a v W W lä – le w z d a E rü fe s e tu li k (C (D age von Forsa dahin gehend, ob die Menschen lieber uf die Rente erst ab 67 Jahren verzichten und dafür ei- en höheren Beitrag von 6 Euro im Monat für einen urchschnittsverdiener zahlen würden oder ob die Bei- äge gesenkt werden sollten. 79 Prozent der Befragten agen: Wir möchten auf die Beitragssatzsenkung ver- ichten und dafür dann die Rente erst ab 67 abschaffen. Die vorgesehene Beitragssatzsenkung von 0,3 Pro- entpunkten macht bei durchschnittlich Verdienenden ,80 Euro im Monat aus. Halten Sie es nicht für viel achgerechter und vor allen Dingen für sozial gerechter, uf die Beitragssatzsenkung in der Rente zu verzichten nd dafür den Menschen die Rentenkürzung durch die ente erst ab 67 Jahren zu ersparen? (Beifall bei der LINKEN) Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Das Ergebnis ist nicht verwunderlich, wenn Fragen so estellt werden, dass man dann entsprechende Antwor- n bekommt. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war eine sehr manipulative Fragestellung!) s ist die Kunst der Umfrageinstitute, die Antworten zu rhalten, die sie von vornherein haben wollten. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber es war eine sehr klare Frage!) Angesichts der demografischen Entwicklung in eutschland – wie sie weiter verläuft, kann man berech- en – müssen wir Vorsorge für die Zukunft betreiben. eswegen gibt es keinen Grund, die Rente mit 67 rück- bzuwickeln. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ganz im Gegenteil!) Wir als FDP sind allerdings der Meinung, dass wir ein öllig anderes Verfahren des Renteneintritts brauchen. ir brauchen sehr viel mehr Freiwilligkeit. (Beifall bei der FDP) ir brauchen kein Fallbeilsystem, sondern Anreize zur ngeren Arbeit. Es gibt viele tüchtige Leute, die bis 70 auch ich bin 70 – oder länger arbeiten können und wol- n. Diese Menschen brauchen wir, und auf sie sollten ir zurückgreifen, statt weiterhin auf das Fallbeilsystem u setzen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich sehe gerade nach der Entscheidung von Mittwoch ie Situation günstiger als die Forschungsinstitute und uch die Bundesregierung. Deswegen möchte ich auf die ntscheidung etwas näher eingehen: Das ist der Weg zu- ck zur Stabilitätsunion, die allerdings jetzt mit schar- n Instrumenten und automatischen Sanktionen ausge- tattet ist. Es gibt keine Hilfe ohne Auflagen. Deswegen ntgegne ich den Pessimisten, die da sagen: „Das Haf- ngsvolumen würde auch mit dem Hebel bei 211 Mil- arden Euro bleiben, aber die Eintrittswahrscheinlich- eit der Haftung der Steuerzahler würde dadurch 16332 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Dr. Hermann Otto Solms (A) ) )(B) erhöht“: Genau das Gegenteil ist der Fall. Denn bei jeder Hilfsmaßnahme wird ein Paket von Auflagen verbind- lich festgelegt, die die Schuldnerländer erfüllen müssen. Der erweiterte Rettungsschirm hilft, die Implosion der Märkte zu verhindern, und die Hilfsmaßnahmen füh- ren dazu, dass die Haushaltssituation auch in den hoch- verschuldeten Ländern Jahr für Jahr besser wird. Deswe- gen wird im Zeitablauf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Haftung des deutschen Steuerzahlers sinken. Das ist ein wichtiges Argument, weil die Öffentlichkeit immer weiter verunsichert wird. Natürlich ist nichts sicher. Aber die Hilfsmaßnahmen sind so ausgestaltet, dass jede Hilfsmaßnahme mit einem Memorandum of Understanding verbunden sein muss, in dem die Bedingungen und damit diese scharfen Aufla- gen festgelegt werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist für die Regierungen der betroffenen Länder nicht angenehm, aber sie werden sich dem nicht entzie- hen können, weil sie sonst kein Geld kriegen. Deswegen bin ich sehr froh, dass es gelungen ist, diese Strategie ge- gen die Mehrheit der Schuldnerländer durchzusetzen, und dass nun die Währungsunion auf den Stabilitätskurs zurückgeführt wird. Das wird die wirtschaftlichen Aus- sichten in Deutschland und in ganz Europa auf Dauer deutlich verbessern und dazu führen, dass der Wohlstand in der Breite deutlich wachsen wird. Aktuell notwendig sind keine neuen Ausgabenpro- gramme, sondern weitere Erleichterungen, vielleicht in begrenztem Umfang im steuerlichen Bereich. Aber die Steuerforderungen, die Sie von SPD und Grünen uns an- drohen, sind eine Bedrohung für die weitere wirtschaftli- che Entwicklung. Denn damit würgen Sie den Auf- schwung, dessen wir uns heute erfreuen können, wieder ab. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Deswegen ist es besser, dass diese Regierung an der Macht bleibt, von der solche Maßnahmen nicht zu er- warten sind. Sie sorgt, weil die FDP beteiligt ist, viel- mehr dafür, dass wir statt einer solchen Politik der Steuer- erhöhungen eine Politik der sozialen Marktwirtschaft bekommen, (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Lobbyisten- partei!) die die Marktkräfte stärkt. Die Marktkräfte lösen Investi- tionen und Wachstum aus, deren wir uns heute erfreuen können. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Fritz Kuhn für die Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen. s K a S S Ih g k n g D k ra P w w s G fü n k in k n la Ir n s d M m d M d s z A s w R H is V b s (C (D Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die chwarz-gelbe Regierung ist immer ein Risiko für die onjunktur, und zwar nicht nur im Abschwung, sondern uch im Aufschwung. Denn Sie senden keine klaren ignale an die Unternehmer und die Bevölkerung. chauen Sie sich doch einmal den Murks und den Mist rer Steuerpolitik an! Bei Regierungsantritt haben Sie roße Steuersenkungsversprechen gemacht. Steuersen- ungen gab es aber nur für die Hoteliers. Ansonsten kön- en Sie gar keine Steuersenkungen vornehmen. Dann ing es hin und her. Es war die langweiligste Soap, die in eutschland überhaupt geboten wurde. Am Schluss ommt Herr Rösler zusammen mit Herrn Schäuble he- us und sagt: Jetzt machen wir etwas gegen die kalte rogression. – Die Herzen in der Bevölkerung gehen auf, eil Sie jetzt etwas gegen die kalte Progression machen ollen. Eine Viertelstunde später kommt die CSU und agt: Ätschibätsch, das machen wir überhaupt nicht! – lauben Sie, dass mit einer solchen Politik irgendetwas r die Konjunktur getan wird? Die Menschen merken ur: Sie haben es nicht im Griff. Laut Tickermeldungen hat Herr Brüderle heute er- lärt, dass der Solidaritätszuschlag reduziert werden soll, dem der Freibetrag von 15 000 Euro bis zu dem man einen Soli zahlen muss, erhöht wird. Die FDP hat aber och vor zwei Wochen gesagt: Wir ändern den Tarifver- uf wegen der kalten Progression. – Das alles ist doch rsinn! So werden Sie auch wahrgenommen. Sie wissen icht, was Sie tun und wie es geht. Das ist das Gesetz der chwarz-gelben Wirtschaftspolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sagen Sie mal, was Sie wollen!) Ordnungspolitisch ist nicht viel los mit euch. Ihr redet avon – genauso wie Herr Solms gerade –, dass ihr die arktkräfte stärken wollt. In Baden-Württemberg hat an einen Energiekonzern verstaatlicht. Das haben nicht ie Grünen und die SPD gemacht, sondern das war die appus-Gefolgschaft, also die CDU und die FDP. Jetzt istanzierten Sie sich davon, weil es in der Union inzwi- chen gefährlich ist, mit einer solchen Politik identifi- iert zu werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) ber klar ist: Eure energiepolitische Konsequenz ist Ver- taatlichung. Hier wird nicht viel geboten. Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, der für die irtschaftliche Entwicklung wichtig ist. Wie sehen die ahmenbedingungen in der Sozialgesetzgebung aus? err Bahr hat das Jahr der Pflege verkündet. Aber was t dabei herausgekommen? – Null! Fünf verschiedene orschläge von Union und FDP oszillieren freischwe- end im Raum. Aber eine Konzeption für die Pflegever- icherung habt ihr nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16333 Fritz Kuhn (A) ) )(B) Ihr macht des Weiteren in der Rentenpolitik nichts für die Bezieher von Kleinstrenten. Zuerst wurde die Ein- führung einer Garantierente verkündet. Wenn man sich aber anschaut, was gemacht wurde, stellt man fest: „Bonsai“ ist noch ein euphemistischer Begriff für das, was Sie dort veranstalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie reden nur, machen aber nichts. So kommt es auch bei den Industrieverbänden, zum Beispiel beim BDI, an. Diese Regierung ist nicht auf der Höhe der Zeit. Alle wissen: In einer Marktwirtschaft, wo es auf die Verbraucher ankommt – insbesondere beim Binnen- markt –, ist die Psychologie, für die auch Sie mit verant- wortlich sind, elementar. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie sich die Marktakteure aufstellen. Wer eine so miese Performance hat wie Sie, schadet der Psychologie, insbesondere auf dem Binnenmarkt. Beim Binnenmarkt kommt noch etwas anderes hinzu: Ihre hartnäckige Wei- gerung, einen allgemeinen Mindestlohn einzuführen, führt dazu, dass wir auf dem Binnenmarkt schwächer aufgestellt sind, als es sein müsste. Sie bauen hier ein gi- gantisches Konjunkturrisiko auf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) Jeder, der die empirischen Daten zum Mindestlohn kennt, weiß, dass es klug gewesen wäre, einen allgemei- nen Mindestlohn während eines konjunkturellen Höhe- punkts einzuführen. Dann sind nämlich die Folgewir- kungen leichter und besser zu handhaben. Das kann man in England sehr schön sehen. Aber Sie wollen einfach nicht oder bekommen es nicht hin. Deswegen sind wir auf dem Binnenmarkt schwächer aufgestellt, als es sein müsste. (Beifall des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]) Gerade wenn die Konjunktur fragil ist – das ist ein Kern- punkt der Konjunkturforschung –, wäre eine bessere Entwicklung des Binnenmarktes von Vorteil. Man darf nicht allein auf den Export setzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ein Konjunkturrisiko stellt natürlich auch das dar, was Sie auf EU-Ebene veranstaltet haben. Jetzt kommen Sie und sagen: Alles toll. – Aber entscheidend für die konjunkturelle Entwicklung wird sein, ob wir es schaf- fen, die Euro-Krise, die Währungskrise und die Banken- krise so schnell wie möglich zu beenden. Wenn wir es schaffen, wird sich die Konjunktur eher positiv entwi- ckeln. Wenn wir es nicht schaffen, wird es schwieriger werden. Aber auch nach dem vergangenen Mittwoch muss man sagen: Sie haben zu lange gezögert. Wir könn- ten an einer ganz anderen Stelle stehen als da, wo wir jetzt stehen. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das hat die Merkel glänzend gemacht! Da gibt es kein Wenn und Aber!) – ti w w u H P a s g n – s C h z z s n w tr W v o D is a L s s h Ü g n (C (D Herr Hinsken, dieses Parlament hat Frau Merkel mäch- g geschoben. Ich bin der Meinung, dass das, was jetzt beschlossen orden ist, schon vor fünf Monaten hätte beschlossen erden können. Dann hätte man sich fünf Monate Ver- nsicherung der Märkte erspart. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Michael Fuchs [CDU/ CSU]: Nie im Leben! Die anderen wären nicht dabei gewesen!) err Schäuble war vor einem guten Jahr bereits an dem unkt, (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Aber die an- deren Länder nicht! – Gegenruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ihre Koalition nicht! Das ist die Wahrheit!) ls er davon gesprochen hat, schneller einen europäi- chen Währungsfonds einzuführen. Das wäre möglich ewesen. Dann hätten wir diese Spekulationen jedenfalls icht gehabt. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Mit wem denn?) Deutschland hätte in die Richtung marschieren müs- en. – Das Problem war doch ein ganz anderes. Die DU-geführte Regierung – die FDP hat dabei assistiert – at zuerst immer gesagt, dass sie es nicht mache, nach wei Monaten hat sie es dann aber doch getan. Das hat u Verzögerungen geführt. Das steht in jeder Wirt- chaftszeitung. Darüber brauchen wir in diesem Haus icht zu debattieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Man drückt auf den Knopf, und alles läuft von selbst!) Wir sehen es nicht als Aufgabe der Opposition – des- egen sind wir auch angesichts des Tenors des SPD-An- ags skeptisch –, die Konjunktur schlechtzureden. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das geht auch nicht!) enn man genau hinschaut, dann stellt man fest, dass es öllig offen ist, ob wir in eine Wirtschaftskrise geraten der nicht. (Garrelt Duin [SPD]: Dafür muss man sich aber wappnen!) eswegen muss man sich auf die Frage, was jetzt zu tun t, konzentrieren; das haben Sie in Ihrem Antrag auch n einigen Stellen getan. Was ist jetzt zu tun, falls die age schwieriger wird, damit die Konjunktur nicht so tark einbricht? Sie haben zum Teil ein verheerendes Erbe hinterlas- en. Ich will eine Zahl nennen. Vor der letzten Krise atte die Bundesagentur für Arbeit 18 Milliarden Euro berschuss in ihren Kassen. Jetzt haben Sie die Kassen eplündert, weil Sie sonst die Haushaltskonsolidierung icht erreicht hätten. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das ist doch das Kurzarbeitergeld!) 16334 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Fritz Kuhn (A) ) )(B) Jeder muss wissen, dass beim nächsten Abschwung diese 18 Milliarden Euro fehlen werden und es viel schwieriger wird, die Arbeitsmarktprobleme auf eine vernünftige Art und Weise anzugehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn man an die Substanz geht – Herr Fuchs, Sie als Unternehmer wissen das –, ist das immer schlecht. Ich möchte noch einen Punkt zum Abschluss erwäh- nen. Sie sagen, es sei noch etwas Luft im Haushalt, und plädieren für eine Steuersenkung. Man spricht von 6 Milliarden Euro, manchmal von 4 Milliarden Euro; aber eigentlich geht es nur darum, dass Sie das Wort – das Label – „Steuersenkung“ irgendwie über die Run- den kriegen. Ich finde, dass eine FDP, die bei 3 Prozent steht, auch mit diesem Label nicht wiederbelebt wird. Herr Solms, diese Hoffnung können Sie sich sparen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie nähern sich mit großen Schritten an! Sie haben heute 3 Prozent in der Freitagsfrage!) Das Entscheidende ist, dass Sie gar nicht auf das ach- ten, was der Staat machen müsste, aber gegenwärtig nicht tut. Ein Beispiel: Sie haben den Atomausstieg beschlossen, aber die Mittel für den Einstieg in die Ener- giewende – Stichworte: Energieeinsparfonds und Ge- bäudesanierung – sind nicht ausreichend. Das heißt, der Weg, wie wir ohne Atomkraft auskommen können, schlägt sich nicht in haushaltspolitischen Entscheidun- gen nieder. Mir hat der Vorstandsvorsitzende eines Ener- gieunternehmens in diesen Tagen gesagt: Röttgen findet gegenwärtig in der Energiepolitik nicht statt. – Rösler findet sowieso nicht statt. Gar nichts. Sie nehmen die Sa- che nicht in die Hand. Wenn wir 2 Milliarden, 3 Milliar- den oder 4 Milliarden Euro übrighätten und uns noch im Rahmen der Schuldenbremse bewegen würden, dann müsste dieses Geld investiert werden, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: In Bildung!) und zwar in die Zukunft, in Klimaschutz und in For- schung und Bildung; denn das sind die Investitionen, die Deutschland voranbringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Was Sie mit der Steuersenkung machen, ist nichts an- deres als das Vervespern der Steuermehreinnahmen, die uns der Aufschwung gebracht hat. Sie stehen dann ziem- lich schlecht da, wenn die wirtschaftlichen Zeiten wieder schwerer werden. Deswegen gilt die Überschrift im SPD-Antrag zu Recht, in der Schwarz-Gelb als Risiko für unsere Wirtschaft bezeichnet wird. Ich füge hinzu: ganz egal, ob im Aufschwung oder im Abschwung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU- Fraktion. re 2 E Z R d p te a g n u E s in in u w le z d b – d d fa P tu g la fa D n li u v n N g s d s a G s h g re tu (C (D Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- n! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland steht 011 besser da als die meisten anderen Länder in uropa. Deutschland steht 2011 auch besser da als in der eit der rot-grünen Regierung und der schwarz-roten egierung. Das sind die Fakten. Wir sind besser durch die Krise gekommen als die an- eren Länder in Europa. Auch wir haben nicht hundert- rozentig gewusst, ob wir den richtigen Weg beschrei- n. Erinnern wir uns: Auch 2008 wurden Schirme ufgespannt. Es wurden 480 Milliarden Euro zur Verfü- ung gestellt für Garantien, Bürgschaften für die natio- alen Bank- und Finanzsysteme, Konjunkturprogramme nd anderes. Jetzt wissen wir: Unser Weg hat sich in uropa und in der Welt als der richtige Weg herausge- tellt. Das war nicht von Anfang an klar. Das haben viele Europa und in der Welt noch im letzten Jahr und auch diesem Jahr bestritten. Ich verweise auf die Zahlen, die wir im letzten Jahr nd in diesem Jahr vorlegen konnten: Das Wirtschafts- achstum – es ist angesprochen worden – betrug im tzten Jahr 3,6 Prozent und wird in diesem Jahr 2,9 Pro- ent betragen. Das ist das höchste Wirtschaftswachstum, as wir in diesem Land seit der Wiedervereinigung ha- en. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wir hatten ja auch vorher den größten Einbruch!) Sie wissen doch, dass wir, was das Bruttoinlandspro- ukt, also die absoluten Zahlen, anbelangt, heute besser astehen als vor der Krise. Das sind die Fakten. Sie sind nicht vom Himmel ge- llen, sondern sind das Ergebnis wachstumsorientierter olitik. Wir haben unter dieser Regierung ein Wachs- msbeschleunigungsgesetz und ein Bürgerentlastungs- esetz beschlossen, was im letzten Jahr die größte Ent- stung gebracht hat, die es jemals in Deutschland gab: st 23 Milliarden Euro. (Beifall bei der CDU/CSU) as schlägt sich jetzt im Aufschwung natürlich positiv ieder: in Investitionen im privaten, aber auch im öffent- chen Sektor. Dadurch wird das Wachstum verstetigt nd weiter ausgebaut. Dies ist auch das Ergebnis von Konsolidierung, von erantwortlichem Handeln in der Krise und jetzt auch ach der Krise. In der Krise wurden Impulse gesetzt. ach der Krise ist man sehr schnell und deutlich zurück- egangen und hat gesagt: Jawohl, wir müssen die Ver- chuldung zurückführen. Schließlich ist die Verschul- ung in der Tat eine der Hauptgeißeln, die wir uns alle elber auferlegt haben. Warum sind wir denn heute so bhängig von Finanzsystemen, von internationalen eldgebern? Weil auch wir in Deutschland eine Ver- chuldung von 85 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aben. Auch wir brauchen in diesem Jahr Refinanzierun- en von über 300 Milliarden Euro, um unsere Kredite zu volvieren und entsprechende Zins- und Tilgungsleis- ngen zu tätigen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16335 Dr. Joachim Pfeiffer (A) ) )(B) Dass wir in Europa den richtigen Weg eingeschlagen haben, zeigt sich jetzt. Wir hatten Anfang, Mitte des Jah- res eine Verschuldung von 85 Prozent des Bruttoinlands- produktes. Ende des Jahres wird dieser Wert in Richtung 80 Prozent gesunken sein. Unser Staat wird einer der wenigen, wenn nicht der einzige in Europa sein, der in diesem Jahr, relativ gesehen, Schulden abbaut. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Jawohl!) Dies ist das Ergebnis einer Politik des Konsolidierens und des Wachsens gleichermaßen. Wir zeigen, dass so etwas geht. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bauen wir denn Schulden ab?) – Wir bauen, relativ gesehen, also am Bruttoinlandspro- dukt gemessen, Schulden ab. Wenn unsere Verschuldung Ende des Jahres 80 oder 81 Prozent, vielleicht sogar un- ter 80 Prozent des BIP ausmacht, dann ist das ein relati- ver Rückgang. (Beifall des Abg. Patrick Schnieder [CDU/ CSU]) Das ist uns noch nicht genug. Wir wollen in Zeiten guter Konjunktur überhaupt keine Schulden mehr aufnehmen, und wir wollen die Schuldenaufnahme, so wie es die Schuldenbremse vorsieht, auf eine strukturelle Kompo- nente beschränken, die möglichst nicht zum Einsatz kommt. Unsere Politik geht auf, weil wir wahrscheinlich im nächsten Jahr – wie 2007 und 2008 – einen ausgegli- chenen Haushalt vorlegen können. Sie schreiben in Ihrem Antrag, die Bundesregierung habe zu den Finanzproblemen in Europa durch ihre „Politik des Zögerns und Zauderns“ beigetragen. Jetzt sind wir noch nicht am Ende der Krise, sondern noch mittendrin. Aber von Zögern und Zaudern kann nicht die Rede sein. Ich würde das eher eine Politik des Überle- gens und des Überzeugens nennen. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Jawohl!) Wir sind nämlich nicht im demokratischen Sozialismus, wie es von Ihnen gestern veranstaltet wurde. (Garrelt Duin [SPD]: Das haben Sie veranstal- tet! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das war Ihr Antrag!) Im Übrigen hat auch der Kollege Bartels für die SPD die Deutungshoheit über den Begriff „demokratischer So- zialismus“ angemeldet; auch da weiß man nicht so recht, was man davon halten soll. Wir sind vielmehr in einem Europa der Demokratien. Es sind 27 Staaten, die gleich- berechtigt sind. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Enkelmann? Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Nein. Ich habe heute keine Zeit dafür; ein anderes Mal wieder. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP) g g E la G K v m tr s n d E s B Ü w re s g R fü E u rü s m n d a n h te S e a w a 2 ru c m In D in ri n 1 d s e u o (C (D Da können wir nicht nach Brüssel fahren und dort sa- en, wo es langgeht. Die anderen Staaten haben ihre ei- enen Vorstellungen. Das war im letzten Jahr zu sehen. rinnern wir uns einmal: Im letzten Jahr war Deutsch- nd mit seiner Linie bei den Weltgipfeln und bei den ipfeln in Europa ganz allein. Alle haben noch mehr onjunkturprogramme und noch mehr Verschuldung on Deutschland gefordert. Wir haben gesagt: Nein, das achen wir nicht; wir konsolidieren, und wir wachsen otzdem. Jetzt, nach einem Jahr, sind diese Stimmen fast ver- tummt. Man folgt uns in Europa, nicht deshalb, weil wir ach Brüssel gefahren sind, dort gepoltert haben und an er einen oder anderen Ecke vielleicht einen marginalen rfolg erzielt haben – wie früher Gerhard Schröder –, ondern deshalb, weil wir – die Bundeskanzlerin und der undesfinanzminister vorneweg – über ein Jahr lang berzeugungsarbeit geleistet und gezeigt haben, dass ir in Deutschland auf dem richtigen Weg sind. Das stliche Europa folgt uns jetzt, weil man sieht, dass un- er Weg der richtige ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wohin wären wir denn gekommen, wenn wir vor eini- en Monaten der SPD mit ihrem „Hurra!“-Patriotismus ichtung Europa gefolgt wären und Euro-Bonds einge- hrt hätten? Sie standen an dieser Stelle und haben die inführung von Euro-Bonds gefordert, am Anfang sogar nkonditioniert. Erst am Ende ist Herr Steinmeier zu- ckgerudert und hat gesagt: Natürlich müssen auch ent- prechende Fortschritte bei der Integration und anderem ehr erreicht werden. – Anfangs waren Sie der Mei- ung, man brauche nur die Euro-Bonds einzuführen und ann würde alles gut. Andere sind der Meinung, man müsse die Griechen us der Euro-Zone werfen und Sonstiges mehr. Das ist icht unsere Politik. Wir wollen einen anderen Weg ge- en. Es gilt, die Balance zu finden zwischen glaubhaf- m, dauerhaftem Konsolidieren in jedem einzelnen taat in Europa und in der Europäischen Union auf der inen Seite und der Organisation von Wachstum auf der nderen Seite. Wenn wir das deutlich machen, können ir Vertrauen zurückgewinnen und haben die Chance, us dieser Situation herauszukommen. Blicken wir einmal darauf zurück, wie es vor rund 0 Jahren vor der Einführung der gemeinsamen Wäh- ng war. Da haben alle gesagt: Der Euro wird eine wei- he Währung. Die Spanier und die Italiener werden nie- als die Stabilitätskriterien einhalten. Die haben höhere flationsraten. – Heute ist der Euro stabiler, als es die -Mark je war, nach innen und nach außen. Der Weg ist Europa akzeptiert, aus Einsicht, weil es nämlich der chtige Weg ist, und nicht deshalb, weil wir polternd ach Brüssel gefahren sind. Ich erhoffe mir, dass wir in 0 oder 15 Jahren rückblickend sagen können: Das war amals die Erkenntnis, dass wir nicht dauerhaft über un- ere Verhältnisse leben können, sondern dass wir auf der inen Seite sorgsam und nachhaltig mit den Finanzen mgehen müssen und auf der anderen Seite Wachstum rganisieren müssen. 16336 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Dr. Joachim Pfeiffer (A) ) )(B) Ich will jetzt ein paar Punkte zum Arbeitsmarkt an- sprechen. Die Arbeitslosenzahlen sind schon genannt worden. Die sind aber nur ein Aspekt. Viel entscheiden- der ist, dass wir noch nie in der Geschichte der Bundes- republik Deutschland so viele Beschäftigte hatten wie in diesem Jahr. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wie viele Vollzeit- beschäftigte denn?) Es sind über 41 Millionen Beschäftigte. Der Zuwachs bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist höher als bei den anderen Beschäftigten. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Prekäre Beschäftigung!) – Von wegen „prekär“! Sie tun immer so, als wären wir hier das Land der Lohndumper und was weiß ich. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Das Gegenteil ist der Fall! (Beifall bei der CDU/CSU) Sie behaupten die Unwahrheit, und zwar wider besseres Wissen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben noch nie so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gehabt wie in diesem Jahr, (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Aber nicht in Vollzeit!) nicht in Teilzeit und nicht in prekären Arbeitsverhältnis- sen. Was Sie sagen, ist völlig abwegig. (Widerspruch bei der LINKEN) Die Binnenkonjunktur ist auch schon angesprochen worden. Es wurde gesagt, sie sei schwach. Das stimmt nicht. Herr Duin, in diesem Jahr ist die Binnenkonjunk- tur ein größerer Wachstumsträger als der Export. Durch die private Binnennachfrage haben wir einen Wachs- tumsbeitrag von 0,7 Prozentpunkten und durch den staatlichen Konsum einen von 0,2 Prozentpunkten, wäh- rend wir vom Export nur einen Wachstumsbeitrag von 0,4 Prozentpunkten haben. Insofern ist die Behauptung falsch, die Binnenkonjunktur laufe nicht. Im Gegenteil, sie läuft besser denn je. Im Übrigen sind mit dieser Entwicklung der Binnen- konjunktur direkte positive Auswirkungen für die Ar- beitnehmer verbunden. Die niedrigeren Beiträge zur Rentenversicherung sind vorhin schon angesprochen worden. Es ist doch das Beste, was man den Arbeitneh- mern bieten kann, wenn sie weniger Abgaben zahlen müssen, weil sie dann mehr im Geldbeutel haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Darüber hinaus gibt es in diesem Jahr und im nächsten Jahr kräftige Reallohnzuwächse, die den Arbeitnehmern zugutekommen. Aber nicht nur die Arbeitnehmer, son- dern auch die Rentner profitieren von dieser Lösung. ic ti b In e R w s fö D 1 1 tu ti d d D a ü Ic g lu w d F S s d F m ri Ic k W w W g u b p la d (C (D Sie fordern mehr Investitionen. An dieser Stelle muss h Sie fragen, in welchen Bereichen Sie mehr Investi- onen fordern. Ich gehe davon aus, dass Sie diese nicht ezogen auf den privaten Bereich fordern, weil wir vestitionen im privaten Bereich nur eingeschränkt be- influssen können, zum Beispiel über die steuerlichen ahmenbedingungen. Das haben wir gemacht, und wir ollen sie weiter optimieren. Zudem wollen wir in die- er Legislaturperiode noch eine steuerliche Forschungs- rderung auf den Weg bringen und anderes mehr. (Garrelt Duin [SPD]: Da sind wir sehr ge- spannt!) ie privaten Investitionen machen in diesem Jahr ,3 Prozent des Wachstumsbeitrags aus. Von diesen ,3 Prozent entfallen 0,7 Prozentpunkte auf Ausrüs- ngsinvestitionen und 0,2 Prozentpunkte auf Bauinves- tionen. Die Investitionen sind also weitaus höher als in er Vergangenheit. (Garrelt Duin [SPD]: Das stimmt nicht!) Wenn Sie nun mehr öffentliche Investitionen fordern, ann muss ich Sie fragen, welche. Wir machen zwei inge, und dazu stehen wir. Zum einen investieren wir uf hohem Niveau in die Infrastruktur. Wir investieren ber 10 Milliarden Euro. (Garrelt Duin [SPD]: Die Bauinvestitionen sind so niedrig wie nie!) h gehe davon aus, dass wir sogar noch etwas draufle- en werden. In den weiteren Gesprächen und Verhand- ngen der nächsten Wochen wird sich das zeigen. Das erden Sie sehen. Es wird mehr investiert, als man in er Vergangenheit investiert hat. Zum anderen investieren wir so viel wie nie zuvor in orschung und Entwicklung. 2004 – im letzten Jahr vor chwarz-Rot – wurden 8,8 Milliarden Euro in For- chung und Entwicklung in Deutschland investiert. In iesem Jahr investieren wir knapp 13 Milliarden Euro in orschung und Entwicklung. Das sind gut 40 Prozent ehr als zu rot-grünen Zeiten. Wir ergreifen also die chtigen Maßnahmen, um das Land voranzubringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) h kann das ZIM nur erwähnen – Herr Präsident, ich omme zum Schluss –, das den Mittelstand in das achstum mit einbezieht. Wir sind auf dem richtigen Weg. Konsolidieren und achsen, das ist der Weg für Deutschland, das ist der eg für Europa. Diesen müssen wir konsequent weiter- ehen. Wir sind aber noch nicht aus der Krise heraus, nd es gibt Gefahren. Wir müssen gemeinsam daran ar- eiten, dass sich diese nicht realisieren, sondern dass es ositiv weitergeht. Dann besteht nicht nur für Deutsch- nd, sondern auch für Europa die Chance, gestärkt aus er Krise hervorzugehen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16337 (A) ) )(B) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Eine Kurzintervention von Dagmar Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Kollege Pfeiffer, Sie haben vorhin behauptet, dass die Linke gestern eine Debatte über den demokrati- schen Sozialismus angezettelt habe. Darf ich Sie daran erinnern, dass es ganz offenkundig Ihr Bedürfnis war, über das neue Parteiprogramm der Linken zu diskutie- ren? Sie haben diese Aktuelle Stunde beantragt. Übri- gens kann man ab der nächsten Woche alles auf der Seite www.die-linke.de nachlesen. Sie wollten also darüber reden. Sie hatten offenkun- dig großes Interesse daran. Diesem Interesse sind wir sehr gerne nachgekommen. Wenn es weiteres Interesse an einer Diskussion über unser Parteiprogramm gibt, sind wir gern bereit, diese Debatte im Bundestag weiter zu führen. Ganz herzlichen Dank für Ihr Interesse. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Pfeiffer, wenn Sie Lust haben. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Das ist in der Tat gestern diskutiert worden. Dass das ein neues Programm gewesen sei, ist aber falsch. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann lesen Sie es mal nach!) Vielmehr wollen Sie den demokratischen Sozialismus wiederbeleben. Dieser ist jedoch aus dem 19. Jahrhun- dert. Das wollten wir deutlich machen, und das haben wir deutlich gemacht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Lothar Binding für die SPD-Frak- tion. (Beifall bei der SPD – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Endlich mal zur Sache!) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass sich Herr Pfeiffer nach dem Desaster mit der Mövenpick-Hotelsteuer überhaupt ge- traut hat, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz noch einmal anzuführen. Man muss einmal zurückschauen – Garrelt Duin hat schon darauf hingewiesen –: Wir haben die Konjunkturprogramme I und II sowie das Programm Kurzarbeitergeld plus gehabt. Das war die Basis für ei- nen langanhaltenden Wachstumspfad – übrigens als Kri- senbewältigungsprogramm – und hat auch zum Abbau der Arbeitslosigkeit geführt. Was können wir daraus ler- nen? Investitionen sind gut. Sich um Arbeitsplätze zu kümmern, ist gut. Beides schafft Wachstum. Und wo- rüber reden wir heute? Von einer kleinen Steuersenkung, von der alle behaupten, dadurch solle Wachstum erzeugt w s ru v u m w k ru s G k s A A S w ru h S b le d a fü m u u d le le tu D d tr v u k P d e g d S s b (C (D erden. Jeder weiß, dass die anderen Methoden viel bes- er und erfolgversprechender waren. (Beifall bei der SPD) Werfen wir einmal einen Blick darauf, was die Regie- ng nach dem Status quo, den sie vorgefunden hat – In- estitionen, Programme zum Anstieg der Beschäftigung sw. –, gemacht hat: Phase 1: der Holperstart – „Gurkentruppe“, „spätrö- ische Dekadenz“. Phase 2: Phase der Ruhe – Europa artet auf Deutschland, Deutschland fürchtet Steuersen- ungen. Phase 3: Herbst der Entscheidungen – Verlänge- ng der AKW-Laufzeiten, Desaster in der Gewerbe- teuerreform. Phase 4: Die eiserne Kanzlerin – kein Geld für die riechen. Der eiserne Finanzminister – keine Steuersen- ungen. Ich zitiere die Kanzlerin: Niemand hat die Ab- icht, Atomkraftwerke abzuschalten. Niemand hat die bsicht, die Wehrpflicht abzuschaffen. Niemand hat die bsicht, Griechenland umzuschulden. Ich werde es immer für unsinnig halten, technisch sichere Kernkraftwerke abzuschalten. Sie werden sehen: Eines Tages werden auch die Sozialdemo- kraten das einsehen. o viel zur Stabilität Ihrer Ankündigungen und der Art, ie Sie Politik machen. Es geht mir übrigens nicht da- m, zu sagen, dass die Regierung einen Fehler gemacht at – oder zwei oder drei –; es geht mir darum, dass das ystem, wie Sie Politik machen, falsch angelegt ist. Sie etreiben eine systemische Hinwendung zu einem into- ranten System. Das führt permanent zu Fehlern; das ist as große Problem. Phase 5: Korrekturen und Kehrtwende – AKW doch bschalten, Wehrpflicht doch abschaffen und doch Geld r die Griechen. Phase 6 – das ist der Punkt, der uns wirklich Sorgen acht –: Mitten in der größten Krise – wir müssen uns m eine Bankenkrise kümmern, um eine Marktkrise und m eine Staatsverschuldungskrise – kommen Sie und iskutieren über eine Steuersenkung, die von allem ab- nkt, was wirklich wichtig ist, und die überdies keiner- i positive Wirkung für Arbeit, Wirtschaft und Wachs- m zeitigt. (Beifall bei der SPD) ie FDP hat sich dafür einen Moment ausgesucht, in em der Finanzminister und auch die Kanzlerin unter ex- emem Druck stehen. Beide mussten in Europa tagelang erhandeln, mussten sich in neue Konzepte einarbeiten nd müssen Maßnahmen ergreifen, deren Wirkung heute einer übersehen kann. Das Haus brennt, und in dieser hase kommen Sie und wollen über Steuersenkungen re- en. Ich nehme an, Herr Schäuble hat gesagt: Was kostet ure Steuersenkung? 6 oder 7 Milliarden Euro? Ich habe erade ein richtig dickes Problem. Ihr bekommt sie, aber ann lasst mich in Ruhe. – Das Problem ist, dass Sie mit teuersenkungen daherkommen, obwohl Sie genau wis- en, dass das zu nichts anderem führt als zu neuen Pro- lemen im eigenen Land. Denn die Steuersenkungen 16338 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Lothar Binding (Heidelberg) (A) ) )(B) – das wissen wir ja – werden letztlich nichts weiter be- wirken, als die Staatsverschuldung zu erhöhen. Wenn Sie Steuersenkungen damit begründen, dass es der Konjunktur gut gehe, dann liegt darin ein systemi- scher Fehler; denn die Konjunktur geht auf und ab, aber die Steuersenkungen sind von Dauer. Wenn Sie konstant auf Steuereinnahmen verzichten, werden Sie spätestens in der nächsten Rezession ein Riesenproblem bekom- men. Das ist ein systemischer Fehler, den wir unbedingt vermeiden müssen. Ich hoffe sehr, dass sich in diesem Fall die CSU durchsetzt; denn die CSU trägt das nicht mit. (Beifall bei der SPD) Worüber wir ernsthaft nachdenken müssen, ist die Frage, wie wir Europa retten. Vielleicht sollten wir doch noch einmal über ein Trennbankensystem nachdenken; denn heute haftet der Sparer für die Zocker. Es wird im- mer gesagt, der Zocker sei der Investmentbanker. Das er- innert ein wenig an Investitionen; dabei will der Banker gar nicht investieren. Wir wissen ja: Das Bruttoinlands- produkt weltweit bewegt sich in der Größenordnung von 60 Billionen Euro. Die Banker aber handeln in einem Finanzraum von etwa 700 Billionen Euro. Daran erkennt man sofort: Die Arbeit der Banker findet in einem vir- tuellen Raum statt. Sie hat mit dem realen Wachstum, ei- ner realen Investition, einem realen Arbeitsplatz über- haupt nichts zu tun. Deshalb ist es so gefährlich, sich auf diesen finanzpolitischen Irrweg zu begeben. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Wir müssen sicher einmal über unsere Maßstäbe nachdenken; denn Ratingagenturen haben sich maßlos geirrt. Wir haben das überhaupt nicht reflektiert. Wir müssen überlegen, ob wir uns überhaupt noch von denen beurteilen lassen. Wahrscheinlich müssen wir etwas ganz anderes machen und, ganz konkret auf die EFSF bezogen, sagen: „Wir verzichten auf das Triple-A-Rating – die Ratingagenturen sind ohnehin nicht seriös – und nehmen den Betrag, für den wir haften, also 780 Milliar- den Euro“. Das wäre schon etwas ganz anderes; es wäre nicht so mühsam wie das, was wir über die Hebelwir- kung erreichen wollen. Ich glaube, wir brauchen ganz neue Ideen: Wir müssen den Versuch unternehmen, uns als Staat auf soziale Weise auf diesem Markt durchzuset- zen und uns den Leuten, denen es überhaupt nicht auf die Gemeinschaft ankommt, in den Weg zu stellen. Es darf keine Denkverbote geben. Wir haben schon wieder gehört, dass der Ankauf bestimmter Staatsanlei- hen und Gemeinschaftsanleihen problematisch sei. Wir alle warten natürlich darauf, dass Sie es doch beschlie- ßen. Die Frage ist: Warum ist es eigentlich grundsätzlich verkehrt, wenn man das, was ohnehin schon passiert, systematisch organisiert? Auch die Staatsfinanzierung über die EZB wird verteufelt, findet aber statt. Ich glaube, wenn man in solchen Widersprüchen lebt, kann man keine kluge Politik entwickeln. Deshalb glaube ich, dass all die Dinge, die Sie heute noch ausschließen, mor- gen kommen werden. Die Frage ist, ob FDP und CDU/CSU die Entwick- lung eines völlig neuen Regelungsbegriffs überdenken, der im Spannungsverhältnis zum Liberalismus steht, um d M g n a d s W m ü G ti D ti N je g p D h ti b d te in D li b c E B k m is L b d g lo d v (C (D as, was gegenwärtig passiert und uns jenseits aller öglichkeiten, die wir als Politiker haben, in den Ab- rund reißen könnte, neu zu organisieren. Denn es kann icht sein, dass die Politik letztendlich die Getriebene uf einem High-Frequency-Markt ist, der nicht nur an er Börse stattfindet – 20 Millionen Kontrakte am Tag –, ondern überall. Wir sind permanent die Getriebenen. ir müssen uns aber an die Spitze stellen. Die Politik uss so langsam verfahren dürfen, dass sie gut und berlegt entscheiden kann. Ich glaube, dass uns dieses rundverfahren verloren gegangen ist. Da wäre es wich- g, dass die Regierung über Veränderungen nachdenkt. ann können wir auf einen guten Weg kommen. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Martin Lindner für die FDP-Frak- on. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! ach diesem aufgeregten Politpotpourri kommen wir tzt wieder zurück zu dem, um was es hier eigentlich eht: Was sind Risiken für die Wirtschafts- und Finanz- olitik dieses Landes? Die Kollegen Dr. Solms, r. Pfeiffer und andere haben dargestellt, was wir getan aben, um in die exzellente wirtschafts- und finanzpoli- sche Situation zu kommen, in der wir uns im Moment efinden. Ich sage Ihnen, was tatsächlich die Risiken für ie Konjunktur und die deutsche Wirtschaft sind: Erstens: eine grassierende Infrastrukturmüdigkeit und ilweise -feindlichkeit. Da schaue ich nicht zu Unrecht die mittleren Reihen, zu den Grünen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Totaler Quatsch!) as, was in diesem Land teilweise aus purem Linkspopu- smus aufgeführt wird – zum Beispiel bei Stuttgart 21, eim Netzausbau, bei Nachtflugverboten und Ähnli- hem –, gefährdet den Industriestandort Deutschland. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) s ist eines der zentralen Risiken, dass Sie sich an jede ürgerinitiative klemmen, die selbstsüchtig alles be- ämpft, was dieses Land braucht, um Punkte zu sam- eln. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das ist ja lachhaft! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Nacht- flugverbot war ein Versprechen der hessischen Landesregierung!) Zweitens. Der einheitliche gesetzliche Mindestlohn t ein weiteres Risiko für die Wirtschaft und für dieses and. Ich diskutiere mit Ihnen jederzeit über branchen-, ezirks- und regionalbezogene Mindestlöhne, die mit er Wirtschaft ausgehandelt werden; darüber können wir erne reden. Aber ein einheitlicher gesetzlicher Mindest- hn in Höhe von 8,50 Euro, wie Sie, Herr Duin, ihn for- ern, geht doch in der Metallindustrie und den meisten erarbeitenden Industrien völlig ins Leere. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16339 Dr. Martin Lindner (Berlin) (A) ) )(B) (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Die brauchen das doch nicht! Die verarbeitende Industrie braucht doch keinen Mindestlohn! Das ist doch Blödsinn!) Beim Friseurhandwerk in Mecklenburg-Vorpommern und in anderen Bereichen würde er dazu führen, dass die Leute, die im Moment in Lohn und Brot sind, wieder auf der Straße landen. (Garrelt Duin [SPD]: Herr Kollege, lesen Sie doch mal die Untersuchungen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ein Ammen- märchen!) Solch einen Unsinn machen wir nicht mit; es wäre ein Risiko für die Wirtschaft. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Drittens. Wir sind mit der Energiewende an das äu- ßerste Limit dessen gegangen, was unsere Industrie an Ökostandards – Ökologie versus Ökonomie – vertragen kann. Es ist richtig und wichtig, was wir getan haben; aber es geht nicht, dass wir in dieser Legislaturperiode und darüber hinaus die Standards im ökologischen Be- reich weiter erhöhen. Wir brauchen die Industrie, um das zu finanzieren, was wir an anderer Stelle für richtig hal- ten, um die Ökologie zu stärken. Man kann das aber auch überziehen. Wir sind hier an der äußersten Grenze. Das müssen wir jederzeit berücksichtigen. (Beifall bei der FDP) Viertes Risiko: sinnlose Regulierung der Wirtschaft. Ein Beispiel dafür war diese abwegige Quotendiskus- sion: einheitliche Frauenquoten in der deutschen Wirt- schaft. (Garrelt Duin [SPD]: Fragen Sie mal Ihre Ministerin!) Als hätte dieses Land keine anderen Probleme, als über so etwas zu diskutieren! (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Das muss man sich einmal vorstellen: In manchen Indus- trieunternehmen liegt der prozentuale Anteil von Frauen an der Gesamtbeschäftigtenzahl gerade einmal bei 6 bis 7 Prozent. Und da wollen Sie eine Quote von 30 Prozent einführen. Das ist völliger Unsinn! (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bei der Män- nerpartei FDP ja klar, dass sie von Quoten keine Ahnung hat! – Zuruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]) Wir haben wirklich andere Sorgen, als hier Quotendis- kussionen zu führen. Ein weiteres Thema sind Exportbeschränkungen für die deutsche Wirtschaft. Das ist ja auch immer herrlich; da sind Sie immer ganz vorne dabei. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Exportüber- schüsse werden reduziert!) Ich habe jetzt wieder gelesen, dass alle Ihre Wirtschafts- experten, die Sie von der Linken hier heute aufgefahren h s n E is d g te in s ru la b u d ro T e A w fe d S n te w s u s S k E W S g A (C (D aben, IG-Metall-Mitglieder oder NABU-Mitglieder ind – alles, was man auf der linken Seite als Auszeich- ung für Wirtschaftskompetenz gebrauchen kann. Das Interessante mit Blick auf die Diskussion über xporte – zum Beispiel im wehrtechnischen Bereich – t, dass wir immer Beschwerdebriefe der Betriebsräte ieser Unternehmen bekommen, die alle IG-Metall-Mit- lieder sind. Die leite ich beim nächsten Mal an Sie wei- r. Sollen Sie sich doch einmal darum kümmern, die Sie diesem Bereich jederzeit gegen die deutsche Wirt- chaft agieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Garrelt Duin [SPD]: Sie kriegen bestimmt ganz viele Briefe von der IG-Metall! – Zuruf von der LINKEN: Gern! Da bin ich gespannt!) Fünftes Risiko: Missbrauch von Finanzmarktregulie- ng zum Plattmachen des Finanzstandortes Deutsch- nd. Ich bekenne an dieser Stelle ausdrücklich: Wir rauchen eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Neue Platte!) m das, was man Realwirtschaft nennt, mit den notwen- igen Finanzmitteln zu versorgen. Das, was Sie in Ihrer t-grünen Regierungszeit eingeführt haben, muss zum eil wieder rückgängig gemacht werden. Wir brauchen inen funktionierenden Finanzmarkt. Das Thema Bankenregulierung ist ein ernstes Thema. ber Teile von Ihnen benutzen es, um gezielt gegen die enigen funktionierenden Großbanken dieses Landes zu uern. Das ist auch ein Risiko. Eine der größten und be- eutendsten Industrienationen wird man nicht nur über parkassen mit Geld versorgen können. Das kann ich Ih- en an dieser Stelle ganz klar sagen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sechstes Risiko: ein weiterer Ausbau des Sozialstaa- s. Ich habe wieder mit großem Interesse gehört, mit elcher Verve, mit welchem Genuss Sie gegen Steuer- enkungen, gegen minimale Anpassungen im unteren nd mittleren Bereich, um die kalte Progression zu be- eitigen, diskutieren. Ich bin sehr gespannt darauf, ob ie die Argumente, die Sie hier angeführt haben – das önnen wir uns nicht leisten –, beim Thema Hartz-IV- rhöhung auch wieder anführen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir noch sehen, wer davon profitiert! Sie haben über- haupt kein Konzept dafür! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Völlig andere Bau- stelle!) enn es um die Versorgung Ihrer Klientel oder um die ubventionen für die Ökologie geht, dann kann es nicht enug Geld sein, dann kommen Sie nicht mit solchen rgumenten daher. (Beifall des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/ CSU] – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 43 Prozent Staatsverschuldung! Sie machen doch über- haupt nichts!) 16340 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Dr. Martin Lindner (Berlin) (A) ) )(B) Aber wenn es einmal darum geht, die Facharbeiter, die einfachen Leute, die Angestellten zu entlasten, dann sind Sie natürlich immer dagegen. Dafür ist nie Geld da. Das ist bei uns anders, und dazu bekennen wir uns auch. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Zusätzliche Subven- tionen für Hotels und andere!) Es ist ja völlig lächerlich, dass ausgerechnet von mei- nem Vorredner die Mehrwertsteuersenkung für das Ho- telgewerbe angeführt worden ist. Ihr Herr Beck, mit dem Sie eine Koalition bilden, setzt sich gerade dafür ein, dass die von uns abgeschaffte Mehrwertsteuer für die Flusswirtschaft wieder eingeführt wird. Das ist Ihre Klientelpolitik. Das ist doch lächerlich! Sie dürften doch die Worte „Mehrwertsteuersenkung für die Hotellerie“ nicht mehr in den Mund nehmen, seitdem Sie hier so ei- nen kleinlichen Lobbyismus machen. Das muss man auch einmal sagen. (Beifall bei der FDP – Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: War das ein Fehler oder war das kein Fehler? – Garrelt Duin [SPD]: Ihr Staatssekretär sagt, es war ein Fehler! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Der eine Lindner sagt so, der andere Lindner sagt so! Christian Lindner so und Martin Lindner so!) Es ist eine schizophrene Vorgehensweise, ausgerechnet hier in dieser Weise noch einmal so die Backen aufzu- blasen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Der doppelte Lindner! – Garrelt Duin [SPD]: Zusammen 3 Prozent!) Um es kurz zusammenzufassen: Alles, was Sie hier vorgeschlagen haben, ist ein Risiko für die deutsche Wirtschaft. Alles, was Sie hier vorschlagen, wäre risiko- reich. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: 1,8 Prozent!) Wir führen unseren Kurs fort und bekennen uns zum In- frastruktur- und Industriestandort Deutschland, zu einem aktivierenden Sozialstaat, der differenziert, ob jemand arbeitet oder Geld vom Staat bekommt, zu einer maßvol- len Steuer- und Abgabenpolitik, zu einer vernünftigen Regulierung der Finanzmärkte, zu einer Intensivierung der Forschungsförderung, zur Rohstoffversorgung und zur Fachkräftepolitik. Das ist unser Programm. Das Ein- zige, was Sie dem entgegengesetzt haben, war: ein paar mehr Konjunkturprogramme, Kurzarbeit und Mindest- lohn. – Es ist doch lächerlich, dass Sie uns heute kurz vor dem Ende der Woche noch mit diesem läppischen Programm belästigen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie wollen wohl schon Feierabend ma- chen!) L c re B n ic d g Z d k A D m d A fa K p G s ti v D re d Ih m z S c re w in G u d (C (D Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Axel Troost für die Fraktion Die inke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Si- herlich haben die Kolleginnen und Kollegen der SPD cht, wenn sie die Wirtschafts- und Finanzpolitik der undesregierung als Risiko für die Konjunktur bezeich- en und staatliche Investitionen fordern. Dennoch will h nicht verschweigen, liebe Kollegen von der SPD, ass Ihr Antrag – sicherlich nicht nur bei mir – auch ein ewisses Befremden auslöst. Sie haben vorgestern Ihre ustimmung zu einem Euro-Rettungsschirm bekräftigt, er Ländern nur dann hilft, wenn sie sich hemmungslos aputtsparen und damit ihre eigene Wirtschaft in eine bwärtsspirale stürzen. (Zuruf von der SPD: Das ist doch Unsinn!) Man darf den bevorstehenden Konjunktureinbruch in eutschland sicher nicht auf die leichte Schulter neh- en. Eine verantwortungsvolle Politik muss ihm unbe- ingt entgegenwirken. (Beifall bei der LINKEN) ber im Vergleich zu der Tiefe der wirtschaftlichen Tal- hrt in Griechenland und Portugal ist der zu erwartende onjunktureinbruch in Deutschland geradezu eine Lap- alie. (Klaus Barthel [SPD]: Warten wir es ab!) riechenland und Portugal haben sozusagen eine chwere Lungenentzündung, liegen auf der Intensivsta- on und bekommen jetzt noch heftige Abführmittel zur ölligen Austrocknung ihres Wirtschaftskörpers. Wenn eutschland aus ökonomischer Vernunft eine konjunktu- lle Stimulierung vertragen kann, wie viel mehr muss as erst für Griechenland und Portugal gelten? (Beifall bei der LINKEN) nen sprechen Sie aber das Recht auf ökonomische Sti- ulierung ab. Wie geht das zusammen? (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!) Wenn auch die Forderungen in Ihrem Antrag im Ein- elnen nicht falsch sind, so greifen Sie doch aus unserer icht bei Ihrer Analyse der Mängel zu kurz. Wir brau- hen nicht nur eine kurze Intervention oder konjunktu- lle Stimulierung gegen den Kriseneinbruch, sondern ir brauchen einen grundlegenden Paradigmenwechsel der Wirtschaftspolitik. (Beifall bei der SPD) lauben Sie wirklich, dass wir Investitionen in Bildung nd Qualifizierung nur aus konjunkturpolitischen Grün- en brauchen? Das kann doch nicht ihr Ernst sein! (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das behauptet doch keiner!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16341 Dr. Axel Troost (A) ) )(B) In unseren Schulen und Hochschulen fällt der Putz von der Wand. Auch ohne konjunkturellen Einbruch müsste etwas getan werden. Es ist doch eine Schande, dass mir letztes Jahr eine Schulleiterin berichtet hat: „Gott sei Dank gibt es die Weltwirtschaftskrise; denn jetzt wird endlich mein Turnhallendach repariert.“ (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Wo Sie regieren! Nicht in Bayern!) Die steuerliche Förderung von Energie- und Ressourcen- effizienz sollte auch keine Frage der Konjunktur sein. Was ich damit sagen will: Die deutsche Wirtschaftspoli- tik ist bereits seit langem, auch unter Rot-Grün und Schwarz-Rot, nicht nur ein Risiko, sondern auch eine Bremse für binnenwirtschaftliches Wachstum und Be- schäftigung, und zwar jenseits der jeweiligen aktuellen Konjunktur. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!) Ich will daher ein paar Eckpunkte eines alternativen Aufbauprogramms skizzieren. Wir hatten einige Punkte schon angesprochen: die Bezugsdauer des Kurzarbeiter- geldes muss verlängert werden, die Einführung eines ge- setzlichen Mindestlohns, die Erhöhung des Arbeitslosen- geldes II und die Einführung einer Grundsicherung. Aber wir brauchen auch ein langfristig angelegtes Zukunfts- programm. Dazu gehört eine vernünftig geförderte öf- fentliche Beschäftigung. Wir haben über 880 000 Lang- zeitarbeitslose, von denen die Bundesagentur für Arbeit ausgeht, dass sie nicht mehr in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren sind. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Nicht ohne Weiteres!) Wir brauchen langfristig angelegte Investitionen. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen. Das Deutsche Insti- tut für Urbanistik hat errechnet, dass wir allein im kom- munalen Bereich bis zum Jahr 2020 einen Investitions- bedarf von über 700 Milliarden Euro haben. Es gibt eine neue Studie, die nächste Woche durch den Hauptvor- stand der GEW, der Gewerkschaft Erziehung und Wis- senschaft, vorgestellt wird, die den Finanzierungbedarf für den Bildungsbereich nach Bundesländern aufschlüs- selt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein zusätzlicher jährlicher Bedarf an Mitteln von über 50 Milliarden Euro besteht und dass allein zur Auflösung des Investitions- staus noch einmal 45 Milliarden Euro benötigt werden. Wir haben große Bedarfe an Investitionen im Bereich des ökologischen Umbaus. Das gilt nicht nur für den ge- samten Energiebereich, für den Bereich Wärmedäm- mung und viele andere mehr, sondern auch für den ge- samten Verkehrsbereich mit dem Ausbau des Nah- und Fernverkehrs. Es gibt in der Tat große Bedarfe, die zwar auch konjunkturpolitisch notwendig sind, die aber lang- fristig angelegt werden müssen. Sie sollen kein Stroh- feuer sein, sondern die Beschäftigung in den Kommunen langfristig sichern. (Beifall bei der LINKEN) Zum Schluss nur so viel: Ja, wir Linke haben für diese Ausgaben ein seriöses Finanzierungskonzept. Die SPD bleibt das in ihrem Antrag schuldig. Sie sind zusammen m ru z li s g s le k H V b A re h W le n F g le F h m – W n D S s – n h K d F m (C (D it CDU/CSU und FDP verantwortlich für die Veranke- ng der Schuldenbremse im Grundgesetz. Wie passt das u ihrem Antrag, zur Stimulierung der Konjunktur öffent- che Investitionen auszuweiten und private Investitionen teuerlich zu fördern? Wer soll das bezahlen, wenn leichzeitig die Staatsschulden nicht steigen sollen? Wer wie wir eine grundlegend andere Form von Wirt- chafts- und Strukturpolitik will, muss auch eine grund- gend andere Steuerpolitik wollen. Eine deutlich stär- ere Belastung von Menschen, die im Jahr etliche underttausend Euro verdienen oder Millionen Euro an ermögen besitzen oder erben, finden wir völlig ange- racht und wünschenswert. (Beifall bei der LINKEN) uch die großen Konzerne müssen endlich wieder in levantem Maße zur Finanzierung des Gemeinwesens erangezogen werden. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ihr wollt die Industrie plattmachen! Das ist es!) enn wir uns diesbezüglich einigen können, liebe Kol- ginnen und Kollegen von der SPD, werden wir Ihrem ächsten Antrag zum Thema Konjunktur zustimmen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Georg Nüßlein für die CDU/CSU- raktion. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Eine rundlegend andere Wirtschaftspolitik fordert der Kol- ge Troost hier. Im Zusammenhang mit der derzeitigen inanzkrise treibt mich die Tatsache, dass sich einige ier einen systemischen Wandel zum Ziel gesetzt haben, assiv um. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das mache ich seit 30 Jahren!) Ja, aber Sie versuchen, ein Einfallstor zu finden. – enn das von den Linken kommt, belastet mich das icht so sehr. Wir haben gestern in einer spannenden ebatte darüber diskutiert, was mit „demokratischem ozialismus“ gemeint sein könnte. Wir haben festge- tellt, dass sich diese Themen widersprechen. (Zurufe von der LINKEN) Ich komme gleich von den Linken ab, weil es sich icht lohnt, sich mit ihnen zu beschäftigen. Etwas anderes belastet mich in diesem Zusammen- ang mehr. Ich habe nicht so ganz verstanden, was der ollege Binding mit dem Begriff „systemischer Wan- el“ gemeint hat. Dass die SPD sich nicht klar von den orderungen der Linken abgrenzt, finde ich beschä- end. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da klatscht noch nicht einmal Ihre eigene Frak- tion, Herr Kollege!) 16342 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Dr. Georg Nüßlein (A) ) )(B) Wenn man mit Blick auf unsere Konjunktur über Risi- ken spricht, muss man feststellen: Auch Anträge wie der, den Sie, meine Damen und Herren von der SPD, heute vorlegen, sind ein besonderes Risiko. Sie schämen sich nicht, aus parteitaktischem Kalkül einen Zusammenhang zu konstruieren, den es aus meiner Sicht so nicht gibt. (Klaus Barthel [SPD]: Wir haben die Gutach- ten gelesen, Herr Nüßlein! – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sagen Sie doch einmal etwas zur gesellschaftlichen Debatte, zur Bildung zum Beispiel!) Sie stellen die konjunkturelle Entwicklung schon jetzt infrage und tun so, als würde die Finanzkrise zwangsläu- fig in eine realwirtschaftliche Krise führen. Das ist zur- zeit nicht geboten. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was macht ei- gentlich Ihr Universaldienst, Herr Nüßlein?) Noch mehr ärgert mich, dass Sie so tun, als sei die positive Entwicklung in diesem Land ausschließlich auf die Vorgängerregierungen zurückzuführen. Sie haben sich nicht nur auf die Große Koalition bezogen, sondern auch auf Rot-Grün. Ich möchte Ihnen sagen, was seiner- zeit Kollege Schröder in diesem Zusammenhang verkün- det hat. Er hat das ähnlich gemacht wie Sie heute. Er hat den Aufschwung, der schon vor der Tür stand, bevor er Kanzler war, für sich reklamiert. Das scheint typisch zu sein. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nennen Sie den Bundeskanzler Schröder nicht Kollege!) – Er war Bundestagskollege, mit Verlaub. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich dachte Verdi-Kollege!) – Verdi-Kollege war er auch, aber nicht von mir. – Ich zitiere: Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit si- gnifikant zu senken, dann haben wir es nicht ver- dient, wiedergewählt zu werden. Das hat Bundeskanzler Schröder am 21. September 1998 verkündet. Bis 2002 wollte die SPD die Zahl der Arbeitslosen unter die 3,5-Millionen-Marke drücken. Das Versprechen wurde von Fachleuten damals ange- sichts der Entwicklungen im Bereich der New Economy und angesichts der demografischen Entwicklung als zu- rückhaltend und nicht sonderlich ambitioniert betrachtet. Trotzdem war man Anfang 2002 bei 4,2 Millionen Ar- beitslosen. Das waren 324 000 Arbeitslose mehr als zum Zeitpunkt von Schröders Regierungsantritt. Wir wissen, dass das nicht das Ende der Fahnenstange war: Mit mehr als 5 Millionen Arbeitslosen wurde die Regierung Schröder im Jahr 2005 aus dem Amt gejagt. Ich meine, daher sollten Sie ein bisschen kleinlauter sein, wenn es um die Frage geht, wer für den Aufschwung, den wir in den letzten Monaten erlebt haben, letztendlich verant- wortlich ist. Sie machen etwas anderes. Sie stellen das alles jetzt plötzlich infrage, weil Sie versuchen, uns die Problema- tik in die Schuhe zu schieben. Die Problematik basiert a s W m m u s K S Ü d n m a m g g v a n s Ih s n s ra u m s n w d g d w u s R m a n d d e c g s (C (D uf einer Euro-Krise, die eigentlich keine Euro-Krise ist, ondern eine staatliche Schuldenkrise. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Lehman Brothers war keine staatliche Schuldenkrise!) enn ich das Lamento auf der linken Seite höre, wie an jetzt mit Portugal und Griechenland umgehe, dann öchte ich noch einmal deutlich unsere Sicht der Dinge nterstreichen. Es gibt nur eine Chance, aus dieser Mi- ere herauszukommen: Die Staaten müssen sich auf eine onsolidierung ihrer Haushalte besinnen und dafür orge tragen, dass ihr Haus in Ordnung ist. Dies gilt im brigen auch für unser Land; da sollten wir nicht nur auf ie anderen zeigen. Deshalb ist Konsolidierung eine vor- ehme Pflicht. Mich hat in der Diskussion auch überrascht, dass nie- and von der SPD die Schuldenbremse im Grundgesetz ngesprochen hat. Das war eine der zentralen gemeinsa- en Leistungen der Großen Koalition, etwas, das wir emeinsam beschlossen haben, bei dem wir unsere rundgesetzändernde Mehrheit zielorientiert und sinn- oll genutzt haben. Auch da drängt sich mir der Verdacht uf, den Kollege Solms heute schon einmal geäußert hat, ämlich dass Sie auch zu dieser Thematik nicht mehr tehen. Viele von Ihnen hatten schon damals Sorge, dass re Art von Wirtschaftspolitik, Keynes, letztlich nicht o funktioniert, wie viele glauben. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das wurde er- folgreich gemacht bei den Konjunkturpro- grammen!) Zunächst zu Griechenland. Ich glaube, dass wir in den ächsten Wochen und Monaten den Unterschied zwi- chen Spanien, Portugal und Griechenland deutlicher he- usarbeiten müssen. Bei Griechenland handelt es sich m einen postsozialistischen Lotterstaat. Die Unterschiede üssen wir mit Blick auf die immer noch bestehenden Ri- iken, dass ein Schuldenschnitt für Griechenland eventuell icht zu vermeiden ist, deutlich herausarbeiten. Ich eiß, dass Sie nicht geneigt sind, das zu tun. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Reden Sie ein- mal mit der Bayerischen Landesbank!) Außerdem ärgert mich, dass Sie immer versuchen, arzustellen, wir würden nicht konsequent und schnell enug handeln. Ich weiß nicht, wie dieses schnelle Han- eln, das Sie immer einfordern, erreicht werden soll und ohin es führen soll. Letztendlich geht es, glaube ich, m Fragen, über die man hier im Deutschen Bundestag eriös diskutieren muss. Wir haben klargestellt, wie die echte des Deutschen Bundestages in diesem Zusam- enhang aussehen müssen. Die Maßnahmen sind wohl- bgewogen, und man sollte den Druck auf die Staaten icht abschwächen. Bezüglich der Haushalte, der Schul- ensituation muss sich etwas ändern. Ich habe den Ver- acht, dass Sie versuchen, mit Ihren Forderungen das igene Verschulden an dieser aktuellen Krise zu überde- ken. Ich will es noch einmal deutlich machen, weil ich laube, dass wir Sie so nicht einfach davonkommen las- en dürfen. Die Aufnahme Griechenlands in den Euro- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16343 Dr. Georg Nüßlein (A) ) )(B) Raum war falsch. Sie wurde von der Regierung Schröder seinerzeit betrieben, und zwar wider besseres Wissen; (Garrelt Duin [SPD]: Sie vermissen den Schröder wohl echt! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mit Schröder haben Sie es gerade! Was ist mit Stoiber und der Landesbank?) ich unterstreiche das ganz deutlich. Der Kollege Gerd Müller (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich kenne nur einen Fußballer Gerd Müller!) hat bei einer Debatte im Jahr 2000, als Eichel die Auf- nahme Griechenlands in den Euro-Raum feierte, zwei Dinge ganz klar formuliert: Erstens ist das ein schwerer Fehler, und zweitens sind die Zahlen manipuliert. Da stellt sich mir die Frage: Wenn Kollege Müller als einfa- cher Abgeordneter das damals gewusst hat, warum konnten Sie als Regierung das nicht wissen? Sie haben gewusst, dass Griechenland bei den Zahlen trickst. Das halte ich zumindest für blamabel. (Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU] – Garrelt Duin [SPD]: Sehr vereinzelter Beifall! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: La Ola!) Zweitens. Sie haben den Stabilitätspakt aufgeweicht. Auch das wollen Sie nicht mehr hören. Es ist aber eben- falls in Ihre damalige Regierungszeit und damit in Ihre Verantwortung gefallen. Rot-Grün hat den Stabilitäts- pakt aufgeweicht und damit die Grundlagen für diese Krise gelegt. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heil? Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Des Kollegen Heil? Bitte schön. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bitte schön. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Gucken Sie doch nicht so gequält. Oder wollen Sie heute schon Feierabend machen? Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Da geht es mir wie vielen anderen Kollegen. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Herr Nüßlein, können Sie mir eines erklären? Wer hat eigentlich Italien in den Euro-Raum aufgenommen? Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Ich habe deshalb vorhin versucht, die Unterschiede beispielsweise zwischen Griechenland, Italien, Spanien und Portugal (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Und Irland!) d g g g h s S d b c – w b E d a L M S u n d S b D li e w s w m h (C (D eutlich herauszuarbeiten, weil ich der festen Überzeu- ung bin, dass wir in den letztgenannten Ländern auf- rund der dortigen Strukturen, des industriellen Hinter- rundes und der Organisation eine Chance auf Sanierung aben. Bei Griechenland bin ich nach wie vor ausge- prochen skeptisch. Deshalb unterstreiche ich noch einmal ganz deutlich: ie haben wider besseres Wissen – obwohl Griechenland ie Anforderungen nicht erfüllt hat und Sie gewusst ha- en, dass die Zahlen falsch waren – die Aufnahme Grie- henlands in den Euro-Raum betrieben. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer hat denn Italien aufgenommen? Berlusconi ist Ihr Par- teifreund! – Garrelt Duin [SPD]: Alles Post- sozialisten!) Mit Verlaub – – (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Berlusconi ist doch einer von Ihnen! Die gleiche Partei! – Gegenruf von der CDU/CSU: Wer schreit, fühlt sich getroffen! – Heiterkeit bei der CDU/ CSU) Drittens. Lassen Sie uns auch über die Frage reden, er anschließend die Deregulierung des Finanzsektors etrieben hat. Unbestritten war das seinerzeit ebenfalls ichel. Gestern haben Ihnen die Linken das noch einmal eutlich vorgehalten. Das sollten Sie dann untereinander usmachen. Viertens. Bei den von Ihnen eingeforderten schnellen ösungen, bei denen es darum geht, dass der deutsche ichel die Zeche zahlen soll – denn Sie wollen die chulden vergemeinschaften (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Genau das machen Sie jetzt!) nd am Schluss auch eine hohe Inflation in Kauf ehmen –, sind Sie immer auf dem Weg, die Grundsätze er SPD in die Richtung des alten Spruchs von Helmut chmidt „Lieber 5 Prozent Inflation als 5 Prozent Ar- eitslosigkeit“ zu lenken. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Helmut Schmidt können Sie nicht das Wasser reichen!) as zeigt nach wie vor, wo die Linie der SPD letztend- ch liegt. Dass Sie das jetzt hier verschleiern wollen, ist twas, (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wer ist eigentlich rückwärtsgewandt?) as Sie nicht besonders auszeichnet. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Weltökonom Nüßlein!) Ich hätte mir gewünscht, dass Sie dieses parteipoliti- che Kalkül zurückstellen und die Sorgen der Bürger irklich ernst nehmen, statt so zu tun, als ob die Verge- einschaftung aller Schulden am Schluss tatsächlich ilfreich wäre. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Genau das machen Sie doch gerade!) 16344 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Dr. Georg Nüßlein (A) ) )(B) – Nein. Der Unterschied zwischen dem, was wir ma- chen, und dem, was Sie vorhaben, ist folgender: Wir set- zen darauf, dass die disziplinierenden Kräfte des Mark- tes erhalten bleiben. (Lachen bei der SPD – Garrelt Duin [SPD]: Das glaubt doch kein Mensch!) Es ist nämlich ganz entscheidend, dass nicht am Schluss alle denselben Zinssatz zahlen und dass wir nicht eine Gesamtbonität haben, die insbesondere zulasten der deutschen Bonität gehen würde. Das ist etwas ganz Ent- scheidendes; denn auch von der Marktseite her müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Euro-Staaten auf den Pfad der haushaltspolitischen Tugend zurückkommen. Dies halte ich für das oberste Gebot. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mit Steuer- senkungen?) Wenn Sie das nicht so sehen, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Jetzt den Schlusssatz finden!) entlarvt Sie das nur und zeigt letztendlich, wie wenig Sie dem abgewinnen können. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Als letztem Redner zu diesem Debattenpunkt erteile ich Kollegen Wolfgang Tiefensee für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Wolfgang Tiefensee (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- ren! Bei allen Debatten um den Euro-Rettungsfonds und die Stabilität der Finanzmärkte ist in der Öffentlichkeit untergegangen, dass das Herbstgutachten der Wirt- schaftsforschungsinstitute einige bedrohliche Analysen enthält. So wird für das nächste Jahr ein Wirtschafts- wachstum von unter 1 Prozent diagnostiziert. An einer anderen Stelle heißt es, anders als im Euro-Raum sei eine Rezession in Deutschland wohl nicht auszuschlie- ßen. Die SPD hat ihren hier vorliegenden Antrag einge- bracht, weil uns die Sorge umtreibt, dass die schwarz- gelbe Regierung, die Koalitionsfraktionen und die ent- sprechenden Parteien auf diese Situation weder vorberei- tet sind noch angemessen reagieren. Sie gehen nach wie vor davon aus – das zeigen Ihre Debattenbeiträge –, dass die Instrumente, die Sie in den letzten zwei Jahren angewandt haben, die Ursache für die einigermaßen gute wirtschaftliche Entwicklung sind. Sie sind ferner der Meinung, dass die von Ihnen jetzt vorgesehenen Instrumente geeignet sind, um den Wirt- schaftspfad zu stabilisieren. Uns treibt die Sorge um, dass die Wirtschaft stagnieren könnte, dadurch Arbeits- plätze gefährdet werden, wir somit in Schwierigkeiten geraten und die Regierung darauf nicht vorbereitet ist. s S tu a s la s H F g tr s Ih tu d ti b R d m P w e a d d m n re d m c le ti g d k (C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Uns treibt aber nicht um, dass wir die Konjunktur chlechtreden wollen. Vor welchen Schwierigkeiten stehen Sie? Die erste chwierigkeit ist, dass Sie sich in einer schwierigen Si- ation, in der ein Schiff auf Sicht geführt werden muss, uf der Brücke streiten. Ein wesentliches Asset für wirt- chaftliche Entwicklung, nämlich dass wir in Deutsch- nd und für Deutschland und Europa Vertrauen aus- trahlen, ist nicht gegeben. Es ist ein ständiges Hin und er und ein ständiger Hickhack. Unser Appell an Sie ist: ühren Sie eine ordentliche Regierungspolitik vor! Zei- en Sie Verlässlichkeit, damit in Deutschland das Ver- auen in die Märkte wieder wächst! (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ja! So wie in Ihrer Regierungszeit vielleicht?) Das ist unsere Forderung an Sie. (Beifall bei der SPD) Der zweite Punkt, den ich Ihnen gern ins Stammbuch chreiben würde – Herr Lindner, Sie haben in einem rer Redebeiträge darauf hingewiesen, dass Infrastruk- rmaßnahmen durch Bürgerinitiativen verhindert wer- en –: Sorgen Sie dafür, dass das Vertrauen in demokra- sche Verfahrensweisen wächst! Was Sie zum Beispiel eim Umgang mit dem Parlament im Hinblick auf die egelung der schweren Finanzkrise vorführen, führt bei en Bürgern dazu, dass sie den demokratischen Instru- enten nicht mehr vertrauen. Wir erwarten, dass Sie die arlamente – hier und anderswo – mitnehmen. Wir er- arten auch, dass Sie die Bürger mitnehmen. Dann wird ine Entscheidung zur Infrastruktur in der Bevölkerung uch akzeptiert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Es gibt nicht ein Land im Euro-Raum, das so viel Parlamentsbeteiligung hat wie Deutschland! Das wissen auch Sie!) Das Dritte – das ist der entscheidende Punkt – ist, ass Sie glauben, dass der wirtschaftlich gute Pfad, auf em wir uns in den letzten Jahren befunden haben, etwas it Ihren Maßnahmen zu tun hat. Dabei geht es uns icht darum, die Weichenstellungen der letzten Bundes- gierungen infrage zu stellen. Wir befürchten vielmehr, ass Sie nicht das tun, was in dieser Phase nötig ist. Das öchte ich Ihnen anhand einiger Beispiele deutlich ma- hen. Erstens. Es geht darum, dass wir zum Beispiel im Te- kommunikationssektor Incentives setzen, die Investi- onen ermöglichen. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das machen wir doch!) Die FDP ist aus ideologischen Gründen strikt dage- en. Wir haben die Fragen gestern debattiert. Wir von er SPD schlagen eine gigantische Investition im Tele- ommunikationssektor vor – 50 Milliarden Euro sind Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16345 Wolfgang Tiefensee (A) ) )(B) nötig –, indem wir ein Sonderprogramm über die KfW auflegen. (Alois Karl [CDU/CSU]: Jawohl! – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: 50 Milliarden!) Zweitens, die Forschung. Sie wissen, dass es im Mit- telstand und in der Industrie zu wenig Forschung gibt. Wir brauchen eine steuerliche Forschungsförderung. Wir brauchen eine Entlastung für diejenigen, die in unserem Land forschen. Auf diese Weise wird Deutschland ein Eldorado für diejenigen, die hier forschen und Patente anmelden wollen. (Beifall bei der SPD – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Auch 50 Milliarden, oder? – Gegenruf des Abg. Garrelt Duin [SPD]: Nicht reden! Machen!) Nehmen Sie ein weiteres Gebiet, die Energiepolitik. Nach einem Hin und Her – Ausstieg aus der Atomener- gie, Wiedereinstieg in die Atomenergie, Ausstieg aus der Atomenergie – müssen Sie jetzt die Weichen für Investi- tionen – zum Beispiel in die Kraft-Wärme-Kopplung, die dezentrale Stromerzeugung und die Realisierung von Netzen – stellen. All das ist Fehlanzeige, wenn es darum geht, eine verlässliche Strategie zu entwickeln. Die Stadtwerke sind aber aufgrund Ihres Ausstiegs aus dem Atomausstieg im Herbst 2010 noch immer verunsichert. Das ist keine verlässliche Politik. Herr Nüßlein, es nützt nichts, polemisch auf das ein- zugehen, was Helmut Schmidt irgendwann einmal ge- macht hat oder was Sie sich von Gerhard Schröder aus dem Jahr x notiert haben. Entscheidend ist, dass Sie be- greifen: Sie müssen in dieser Situation ähnliche Instru- mente ansetzen und Geschlossenheit zeigen. Sie müssen Vertrauen bilden, so wie es die Regierungen seit 1998 gemacht haben. Dann wird es möglich sein, diese Krise zu bewältigen und einen Wirtschaftsabschwung zu ver- hindern. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Vorher nicht?) Folgen Sie dem. Dann kann es gut werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Das war ja unterirdisch!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/7461 mit dem Titel „Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung als Risiko für die Konjunktur“. Wer stimmt für diesen An- trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der An- trag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und Lin- ken gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Grünen abgelehnt. Zusatzpunkt 7: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/7338 an die in der Tagesord- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie d Ü g s F ß A h H (C (D amit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die berweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den Ta- esordnungspunkt 31 a und b auf: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Verbesserung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen (Einsatz- versorgungs-Verbesserungsgesetz – Einsatz- VVerbG) – Drucksachen 17/7143, 17/7377 – Beschlussempfehlung und Bericht des Vertei- digungsausschusses (12. Ausschuss) – Drucksache 17/7389 – Berichterstattung: Abgeordnete Henning Otte Fritz Rudolf Körper Elke Hoff Harald Koch Agnes Malczak – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung – Drucksache 17/7542 – Berichterstattung: Abgeordnete Klaus-Peter Willsch Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Dr. h. c. Jürgen Koppelin Dr. Gesine Lötzsch Dr. Tobias Lindner b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Verteidigungsausschusses (12. Aus- schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Koch, Kathrin Vogler, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Behandlungs- und Betreuungsangebote für traumatisierte Soldatinnen und Soldaten, zi- vile Kräfte und Angehörige ausbauen – Drucksachen 17/6342, 17/7389 – Berichterstattung: Abgeordnete Henning Otte Fritz Rudolf Körper Elke Hoff Harald Koch Agnes Malczak Zu dem Gesetzentwurf liegen ein gemeinsamer Ent- chließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, DP und Bündnis 90/Die Grünen sowie ein Entschlie- ungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen enning Otte für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 16346 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 (A) ) )(B) Henning Otte (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir verabschieden heute in dritter Lesung ein wichtiges Ge- setz, das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz. Die bestehenden Gesetzesregelungen haben Lücken deutlich werden lassen, die wir mit diesem Gesetz schließen wer- den. Zwei für den Einsatz unserer Soldaten maßgebliche Gesetze, das Einsatzversorgungsgesetz und das Einsatz- Weiterverwendungsgesetz, haben im Einsatz Lücken deutlich werden lassen, die wir heute schließen. Im Kern geht es darum, die Entschädigungszahlungen zu erhö- hen, die Versorgungssicherheit auch für Zeitsoldaten und für Reservisten im Einsatz zu gewährleisten und die Sol- daten von der schwierigen und bürokratischen Beweis- last zu befreien. Warum bringen wir nun dazu ein neues Gesetz ein? Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages senden wir die Soldaten unserer Bundeswehr mit unserer Parlaments- entscheidung in notwendige, aber gefährliche Einsätze. Aus diesem Parlamentsrecht als Ausdruck besonderer demokratischer Legitimation ergibt sich für uns jedoch auch eine besondere Fürsorgepflicht, nämlich die Pflicht, die Soldaten mit einem umfassenden Versor- gungspaket auszustatten. Der Slogan „Ich diene Deutschland, weil …“ in der Broschüre des Bundesverteidigungsministeriums „Wir. Dienen. Deutschland.“ darf keine Einbahnstraße sein. Das Parlament muss dem zuständigen Dienstherrn, hier dem Bundesverteidigungsministerium, die notwendigen Haushaltsmittel, aber auch den gesetzlichen Rahmen zur Verfügung stellen. Das machen wir heute. Das ist Aus- druck einer Parlamentsarmee. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat einen ent- scheidenden Schritt getan und einen Antrag zur Verbes- serung der Versorgung im Ausland versehrter Soldaten auf den Weg gebracht. Denn, meine Damen und Herren, wie sich unser Staat um seine Soldaten kümmert, die im Einsatz für unser Land stehen, und vor allem, wie sich unser Staat auch um die Angehörigen kümmert, deren Sohn, Tochter, Freund, Freundin, Mann, Ehefrau, Vater oder Mutter im Einsatz gefallen ist, bringt zum Aus- druck, wie wir die Staatsverantwortung wahrnehmen, die wir als Parlamentarier und die Ministerien tragen. Die Art und Weise, wie wir mit den Verwundeten in un- serer Bundeswehr umgehen und wie wir sie nach dem Einsatz wieder aufnehmen, das ist für den Soldaten ent- scheidend. Was für den Soldaten im Einsatz wichtig ist und was ihm nützt, das zählt, und das ist wichtig. Dem tragen wir mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf Rechnung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir schließen mit diesem Gesetzentwurf eine Versor- gungslücke bei den Hinterbliebenen von sogenannten Nichtberufssoldaten wie Zeitsoldaten und Reservisten, die für unser Land im Einsatz stehen, wir erhöhen die ein- maligen Entschädigungszahlungen beispielsweise von 80 000 auf 150 000 Euro, und wir sichern auch die Aus- z A re L S m s d re tu E d u m tu e d z te w te s k k e ro m d te k w ü s w b A w g S g U s n G z g w fo s g m b (C (D ahlung an juristische Personen ab, wie zum Beispiel die btretung im Falle einer Hausfinanzierung. Meine Damen und Herren, unsere Soldaten sind be- it, sich für die Sicherheit unseres Landes mit Leib und eben einzubringen: im Kampf, im Gefecht, im Krieg. ie sehen sich in diesen Einsätzen zum Teil mit extre- en Situationen konfrontiert. Diese Situationen sind ehr belastend und dauern teilweise bis zu sechs Monate. Die Zahl der psychisch belasteten Soldaten, die aus em Einsatz zurückkommen, steigt an. Im Jahr 2010 wa- n es 729 Fälle von PTBS, Posttraumatischen Belas- ngsstörungen. Allein 557 Fälle davon waren durch den insatz in Afghanistan bedingt. Die zeitliche Dichte und ie Intensität der Erlebnisse des Soldaten im Einsatz sind nvergleichbar hoch. Diese Erlebnisse sind anschließend it hohen physischen, psychischen und sozialen Belas- ngen verbunden. Die Erkrankung an PTBS tritt häufig rst später, also verzögert, hervor. Nach bisheriger Rechtslage wird eine Einsatzentschä- igung nur anerkannt, wenn der Ursachenzusammenhang wischen wehrdienstbedingten Umständen und der erlit- nen Schädigung zumindest wahrscheinlich ist. Die Be- eislast hierfür liegt bisher allerdings bei dem geschädig- n Soldaten, der vor ganz anderen Herausforderungen teht als der, sich durch den bürokratischen Dschungel zu ämpfen. Gelingt es dem Soldaten, auch wegen seiner Er- rankung, nicht, die Ursächlichkeit nachzuweisen, geht r bisher leer aus und verliert oft den Kampf mit der Bü- kratie. Das kann nicht sein. Deswegen ändern wir das it dem heute vorliegenden Gesetzentwurf. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist ein Ausdruck von Fürsorge, wenn dem Soldaten iese Beweiserbringung, bürokratisch gesehen, erleich- rt wird, indem die Glaubhaftmachung der Ursächlich- eit ausreicht. Aus Gesprächen mit Betroffenen wissen ir dies. Wir sind dankbar, dass uns in der Anhörung ber entsprechende Erfahrungen berichtet wurde. Ich ehe übrigens den Vorsitzenden des Deutschen Bundes- ehrVerbandes, Oberst Kirsch, hier oben auf der Tri- üne sitzen. Auch bei ihm bedanke ich mich für diese nregungen, die notwendig sind. Die Berichte zu hören, ar schmerzlich, aber daraus ziehen wir die notwendi- en Konsequenzen. Alles andere würde zu Unfrieden, zu taatsverdrossenheit und zu einer maßgeblichen Verzö- erung der Wehrdienstbeschädigungsverfahren führen. nsere Soldaten haben jedoch einen Anspruch auf eine chnelle Entscheidung. Die Nichterweislichkeit geht nun icht mehr zulasten des geschädigten Soldaten. Die laubhaftmachung reicht unter bestimmten Vorausset- ungen, die auf dem Verordnungswege noch weiter gere- elt werden müssen, aus. Deswegen ist der Gesetzent- urf richtig und wichtig. Was wird noch verbessert? Der Grad der Schädigungs- lgen wird künftig von 50 Prozent auf 30 Prozent abge- enkt. Warum das? Körperliche Verwundungen treten au- enscheinlich hervor, psychische Belastungsstörungen eistens aber nicht. Häufig sind es junge Soldaten, die ereits eine Schädigung erfahren und Schwierigkeiten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16347 Henning Otte (A) ) )(B) haben, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Des- wegen sagen wir: Wenn eine Belastungsstörung hervor- getreten ist, die durch einen Einsatz begründet und glaub- haft gemacht worden ist, dann reichen 30 Prozent für eine Weiterbeschäftigung aus. Diese Soldaten bekommen da- mit die Chance, bei der Bundeswehr bleiben zu können und weiterverwendet zu werden, und das ist wichtig. Sie, die Menschen, stehen im Vordergrund unseres Gesetzent- wurfes, sie müssen geschützt werden. Es passt nicht zur Fürsorgepflicht und auch nicht zu unserem christlichen Menschenbild, wenn Soldaten, die unserem Land in unserer Bundeswehr dienen und dabei körperlich oder seelisch verwundet werden, nach offi- ziellem Dienstende als junger Mensch auf die Straße müssen. Ich bin unserem Verteidigungsminister und dem Ministerium sehr dankbar dafür, dass die entsprechenden Regelungen in dieses Gesetz so Eingang gefunden ha- ben, wie wir das aus den entsprechenden Erfahrungsbe- richten abgeleitet haben. Hierfür auch unserem Minister, Herrn Dr. de Maizière, ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Solda- tenberuf hat ein Alleinstellungsmerkmal, das bei keiner anderen Berufsgruppe so offensichtlich ist: Soldaten die- nen auf Grundlage von Befehl und Gehorsam, gehen in Einsätze und sind von Verwundung und Tod betroffen. Der Soldatenberuf ist in den vergangenen Jahren noch mehr als zuvor zu einem besonderen Beruf geworden. Dieser Beruf verdient besondere Aufmerksamkeit in der Gesellschaft und auch durch ein solches Gesetz. Wir werden die Geltung der Regelungen rückdatieren, damit auch die Soldaten unter die Regelungen dieses Ge- setzes fallen, die aufgrund von Entscheidungen des Deutschen Bundestages schon in Kambodscha, Somalia oder im Kosovo im Einsatz waren und dort verwundet wurden. Wir werden die Mindestdauer für die doppelte Anerkennung von ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten auf 180 Tage Auslandseinsatz reduzieren. Das führt dazu, dass bei mehr Soldaten diese Regelung zur Anwendung kommt. Wir stehen hinter unseren Soldaten. Wir wissen um ihren Einsatz. Wir wollen mit einem Entschließungsantrag errei- chen, dass im Rahmen des Reformbegleitprogramms auch die Möglichkeit der Rückdatierung für Entschädi- gungszahlungen geprüft wird. Darauf haben wir bisher verzichtet, weil es uns wichtig war, dieses Einsatzversor- gungs-Verbesserungsgesetz jetzt zu beschließen. Aber auch hier sind wir auf dem richtigen Weg. Wir stehen unter einem enormen Haushaltskonsoli- dierungsdruck. Aber wir wollen eine Anerkennung der Leistungen unserer Soldatinnen und Soldaten, aber auch der Beamtinnen und Beamten. Deswegen haben wir uns auch stets für die Zahlung des Weihnachtsgeldes in der früheren Höhe eingesetzt. Auch das wird jetzt umge- setzt. Auch haben wir ein Attraktivitätsprogramm im Rahmen der Bundeswehrreform aufgelegt. Ich nenne hier als Stichwort das Reformbegleitprogramm. S F s h la s w b ß ti K w fü g d k B k li T d s n in p V s fr ri m A S m d d v J W m (C (D Meine Damen und Herren, wir setzen uns für unsere oldatinnen und Soldaten ein. Das ist Ausdruck unserer ürsorgepflicht. Dieser Einsatz kommt allen, die für un- er Vaterland im Ausland im Einsatz sind, zugute. Daher offe ich auf die Zustimmung aller Fraktionen. Wir Par- mentarier müssen uns unserer Verantwortung bewusst ein. Die Koalition ist sich dieser Verantwortung be- usst. Wir haben dieses Gesetz erarbeitet und einge- racht. Wir werden es mit voller Überzeugung beschlie- en. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Lars Klingbeil für die SPD-Frak- on. (Beifall bei der SPD) Lars Klingbeil (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Heute ist ein guter Tag. Es ist ein guter Tag, eil wir hier im Parlament maßgebliche Verbesserungen r unsere Soldatinnen und Soldaten erreichen. Es ist ein uter Tag, weil wir als Parlament selbstbewusst zeigen, ass wir unsere Ziele fraktionsübergreifend durchsetzen önnen und wollen. Und es ist ein guter Tag, weil die undeswehr ein Stück weit mehr die Anerkennung be- ommt, die sie verdient hat. Darin sind wir uns sicher- ch einig. Aus diesen Gründen ist das heute ein guter ag und eine wichtige Debatte, die wir hier führen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Es war ein langer Weg bis zur heutigen Entscheidung; er Kollege Otte hat das beschrieben. Diese Debatte ist icherlich nicht für parteitaktische Diskussionen geeig- et, sondern bei dieser Debatte sollte die Gemeinsamkeit den Vordergrund gestellt werden. Wir Verteidigungs- olitiker sind uns schon länger darüber einig, dass die erbesserungen, die wir heute beschließen, überfällig ind. Vielleicht kommen sie sogar zu spät. Wir sind aber oh, dass sie überhaupt kommen. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr werden immer skanter. Gerade die Jahre 2010 und 2011 haben uns im- er wieder mit erschreckenden Nachrichten, etwa aus fghanistan, konfrontiert: 15 gefallene Soldaten, viele chwerverwundete. Es muss ein Konsens hier im Parla- ent herrschen: Diejenigen, die ihr Leben im Auftrag es Deutschen Bundestages riskieren, haben ein Anrecht arauf, dass wir alles Mögliche tun, um ihre Situation zu erbessern, und dafür sorgen, dass sie gut dastehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) Es war deswegen richtig, dass wir im Oktober letzten ahres gemeinsam unseren Forderungskatalog auf den eg gebracht haben. Es war richtig, dass wir uns ge- einsam um Verbesserungen gekümmert haben, dass 16348 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Lars Klingbeil (A) ) )(B) wir immer wieder Druck gemacht haben. Wir machen aber auch heute mit einem gemeinsamen Entschlie- ßungsantrag deutlich, dass die Verbesserungen im Ge- setz nur ein Zwischenstopp sind und dass unser Engage- ment weitergehen wird. Viele haben sich im Parlament, aber auch weit darüber hinaus für dieses Gesetz starkge- macht. Ich denke, ich darf im Namen von uns allen dem Deutschen BundeswehrVerband, dem Reservistenverband, aber auch dem Bund Deutscher Veteranen danken, dass sie uns immer wieder mit der Situation von Soldatinnen und Soldaten und von Zivilbeschäftigten konfrontiert und uns gezeigt haben, an welchen Stellen Verbesse- rungsbedarf besteht. Sie alle haben mit Leidenschaft und Nachdruck für die Verbesserung der Einsatzversorgung gestritten. Oberst Kirsch ist auf der Besuchertribüne an- wesend. Von uns allen herzlichen Dank für Ihr Engage- ment! (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Gesetzentwurf wird heute im Deutschen Bundes- tag große Zustimmung erhalten. Wir alle wissen, dass die Anhebung der Entschädigungszahlungen für ver- wundete Soldatinnen und Soldaten sowie für Hinterblie- bene von Gefallenen notwendig, richtig und unumstrit- ten ist. Ein Staat wird niemals Wiedergutmachung für den Verlust eines Menschen leisten können. Ein Staat wird auch niemals eine lebenslange Schädigung finan- ziell ausgleichen können. Aber wir können heute ein Zeichen für Absicherung und Unterstützung setzen. Das tun wir gemeinsam mit der Verbesserung des Gesetzes. (Beifall des Abg. Rainer Arnold [SPD]) Die doppelte Anrechnung der Einsatzzeit bei Ruhege- halt und Rente ist ebenfalls eine Maßnahme, die immer wieder eingefordert wurde und nun endlich Realität wird. Die Hinterbliebenenversorgung bei Soldaten auf Zeit, Reservisten und freiwillig länger Dienenden wird endlich auf das Niveau der Berufssoldaten angehoben. Ich glaube, wir alle sind uns auch einig, dass ein Soldat im Auslandseinsatz, egal welchen Status er im Heimat- land hat, gleiche Rechte verdient. Der Stichtag für die Geltung des Einsatz-Weiterver- wendungsgesetzes wird auf das Jahr 1992, dem ersten Jahr des Einsatzes deutscher Soldaten im Ausland, zu- rückdatiert. Auch dieser Schritt ist folgerichtig. Einsatz ist Einsatz, und alle haben die gleichen Rechte. Es darf hier keine Ungleichbehandlung geben. Obwohl die Bundesregierung vorgeschlagen hatte, dass ein Anspruch auf eine Weiterbeschäftigung im Bun- desdienst weiterhin erst ab einer einsatzbedingten Er- werbsminderung von 50 Prozent bestehen soll, haben wir als Parlament gemeinsam durchgesetzt, dass diese Grenze auf 30 Prozent gesenkt wird. (Beifall der Abg. Agnes Malczak [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Das ist für mich eine der entscheidenden Regelungen im Gesetzentwurf. Dass wir als Parlament diese Regelung durchbringen, kann uns, glaube ich, alle mit Stolz erfül- le b W n la a E E g te b T g e E k u w h u b in n tu z m w g e S m w B fa d n U m W ti D m s h M (C (D n. Wir haben hier etwas Vernünftiges auf den Weg ge- racht. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) ir machen deutlich, dass wir diejenigen, die wir in ei- en Auslandseinsatz schicken, nicht im Regen stehen ssen. Mit unserem Entschließungsantrag machen wir aber uch deutlich, dass es noch weiteren Bedarf gibt, die insatzversorgung zu verbessern. Im Hinblick auf die ntschädigungszahlungen wollen wir, dass auch diejeni- en davon profitieren, die seit 1992 Einsatzunfälle hat- n und bisher eine niedrigere Entschädigungszahlung ekommen haben. Wir alle wissen, wie komplex dieses hema ist. Aber wir sind uns auch einig, dass diese Un- leichbehandlung beendet werden muss und dass wir zu iner Lösung kommen müssen, die eine gleichmäßige ntschädigung für alle vorsieht. Es ist den Soldaten und ihren Angehörigen nicht er- lärbar, warum es für die Entschädigungszahlungen zwei nterschiedliche Rechtslagen gibt. Es ist nicht erklärbar, arum die Höhe der Entschädigung von Stichtagen ab- ängt. Wenn wir uns einig sind, dass Einsatz Einsatz ist nd alle Soldaten gleich behandelt werden müssen, dann rauchen wir auch hier eine Regelung. Das fordern wir unserem Entschließungsantrag. Das Parlament defi- iert hier einen klaren Auftrag. Wir haben die Erwar- ng, Herr Minister, dass unser Auftrag umgesetzt wird. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Im Rahmen der Anhörung im Verteidigungsausschuss um vorliegenden Gesetzentwurf ist uns allen noch ein- al die schwierige Situation derjenigen verdeutlicht orden, die unter Posttraumatischen Belastungsstörun- en zu leiden haben. Uns ist deutlich geworden, was für ine Tortur es für viele Menschen ist, gegenüber dem taat in häufig langwierigen Verfahren versuchen zu üssen, eine eigene Schädigung geltend zu machen, und ie schwer es für viele Menschen ist, die Mauern der ürokratie zu überwinden. Uns ist klar geworden, dass wir die Beweislast verein- chen müssen. Wir haben es mit Menschen zu tun, die ie schrecklichen Erlebnisse aus dem Einsatz häufig icht verarbeiten können. Der Staat muss hier Hilfe und nterstützung leisten, statt Hürden aufzubauen. Allen uss eine vollumfängliche Hilfe zur Verfügung stehen. ir stehen in der Verantwortung. Deswegen ist es rich- g, dass wir hier für notwendige Verbesserungen sorgen. as fängt bei den Kriterien für die Begutachtung an. Es uss aber auch ausreichend Fachpersonal vorhanden ein, das die Begutachtungen durchführen kann. Auch ier erwarten wir als Verteidigungsausschuss vom inister, dass es zu deutlichen Verbesserungen kommt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16349 Lars Klingbeil (A) ) )(B) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Auslandseinsätze sind seit nunmehr 20 Jahren fester Bestandteil des Auf- gabenspektrums der Bundeswehr. Wir haben an vielen Stellen versucht, Verbesserungen zu erreichen. Es war der damalige Verteidigungsminister Peter Struck, der nach der Amtsübernahme, geprägt durch erste Erfahrun- gen mit Auslandseinsätzen, das Einsatzversorgungsge- setz auf den Weg gebracht hat. Das war ein wichtiger Meilenstein. Heute, knapp zehn Jahre nachdem dieses Gesetz verabschiedet wurde, passen wir es an eine neue Zeit an. Wir tun das, wohl wissend, dass noch viel zu tun bleibt. Das Gesetz, dessen Entwurf heute zur Verabschie- dung ansteht, entlässt uns nicht aus der Pflicht, uns wei- ter mit der Frage zu befassen, was wir zusätzlich für Sol- datinnen und Soldaten sowie Zivilbeschäftigte sowohl vor dem Einsatz, während des Einsatzes als auch nach dem Einsatz tun können. Wir Abgeordnete sind es, die die Bundeswehr mit einer entsprechenden Beschlussfas- sung des Deutschen Bundestages immer wieder in schwierige Auslandseinsätze schicken. Wenn wir das tun, haben wir für die bestmöglichen Rahmenbedingun- gen zu sorgen. Wir haben aber auch die Pflicht, die Ent- scheidungen, die wir treffen, mit aller Konsequenz in der Öffentlichkeit zu vertreten. Wir haben in der Bevölke- rung um Verständnis dafür zu werben, dass Soldaten ins Ausland gehen, und unsere Ziele, die wir mit Auslands- einsätzen verfolgen, zu erklären. Es geht bei der Verbesserung der Einsatzbedingungen nicht nur um finanzielle Hilfen. Wir alle kennen als Mit- glieder des Verteidigungsausschusses aus Gesprächen mit Soldaten, die aus einem Auslandseinsatz zurückge- kommen sind, folgende Situation: Soldaten, die das Ge- fühl haben, etwas Sinnvolles getan zu haben, treffen hier in Deutschland auf eine Stimmung, die das nicht ver- steht. Sie stoßen auf eine weit verbreitete Skepsis, wenn nicht sogar auf Ablehnung gegenüber Auslandseinsät- zen. – Wir alle sind in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass es mehr Respekt, mehr Anerkennung und mehr Wert- schätzung für die Arbeit der Soldatinnen und Soldaten gibt. Das ist unsere Aufgabe als Parlamentarier. Das kann man nicht per Gesetz beschließen. Das ist eine politische Haltung, die wir noch deutlicher vertreten müssen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Eine Verbesserung der Einsatzversorgung bedeutet auch, dass wir bei der Vorbereitung und Ausrüstung bes- ser werden müssen. Ich danke ausdrücklich dem Wehr- beauftragten, der den Finger immer wieder auf die Wunde legt. Er tut das öffentlich – auch gegenüber dem Ausschuss und dem Minister – und erfüllt so eine wich- tige Funktion. Ich wünsche mir, dass das weiterhin in der bisherigen Tonlage geschieht; denn hier kann viel für die Soldatinnen und Soldaten erreicht werden. Das letzte Thema, das ich ansprechen will, weil es für mich dazugehört, wenn es um die Verbesserung der Ein- satzbedingungen geht, ist die Betreuungskommunika- tion. Auch mit diesem Thema sollte sich der Ausschuss im Zusammenhang mit der Verbesserung der Situation d m e re s je z d ti c li H b c d n g d S a P s K g d h s L m d g g R T li K E n e tr m s h a s (C (D er Soldatinnen und Soldaten beschäftigen. Es ist für ich unverständlich, dass unsere Soldaten im Auslands- insatz erleben müssen, dass ihre Kameraden aus ande- n Nationen kostengünstiger telefonieren und viel bes- er Kontakt mit der Heimat aufnehmen können. Gerade tzt, wo wir eine schleichende Verlängerung der Stand- eiten auf sechs Monate erleben, ist es umso wichtiger, ie Rahmenbedingungen für die Betreuungskommunika- on so zu verbessern, dass eine regelmäßige, ausführli- he und kostengünstige Kommunikation mit den Fami- en stattfinden kann. Es ist schade, dass im Rahmen der aushaltsberatungen der SPD-Antrag, der auf eine Ver- esserung abzielte, abgelehnt wurde. Ich bin mir aber si- her, dass wir fraktionsübergreifend an diesem Thema ranbleiben werden und Verbesserungen erreichen kön- en. Ich habe es schon zu Beginn gesagt, liebe Kolle- innen und Kollegen: Heute ist ein guter Tag. Der Bun- estag sendet das gemeinsame Signal an Soldatinnen, oldaten und Zivilbeschäftigte, dass wir ihren Dienst nerkennen, dass wir sie unterstützen. Auf Drängen des arlaments wird heute das Einsatzversorgungs-Verbes- erungsgesetz verabschiedet. Ich hoffe, dass es schnell in raft tritt. Wir alle wissen aber, dass es keinen Grund ibt, sich auszuruhen, sich zurückzulehnen und zufrie- en zu sein. Es bleibt viel zu tun. Lassen Sie uns weiter- in fraktionsübergreifend zusammenarbeiten. Die SPD teht hierfür bereit. Herzlichen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Elke Hoff für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Elke Hoff (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! iebe Kollegen! Es gibt nur wenige Tage, an denen man it so viel Freude in das Parlament kommt, und zwar eswegen, weil man weiß, dass wir als Parlamentarier emeinsam den politischen Willen dieses Hauses durch- esetzt haben. Bereits meine Vorredner haben darauf zu echt und sehr nachdrücklich aufmerksam gemacht. Auch wir, meine Damen und Herren, sind nah an der ruppe. Uns wurde in vielen Gesprächen an unterschied- chsten Stellen immer wieder auf den Weg mitgegeben: ümmert euch um diejenigen, die verwundet aus einem insatz zurückkommen. – So freue ich mich, dass heute icht nur Herr Oberst Kirsch bei uns ist, sondern auch ine Gruppe von Mitstreitern und von unmittelbar Be- offenen, denen wir an dieser Stelle ein großes Kompli- ent für ihren Mut machen, den sie in einer Zeit bewie- en haben, in der im Prinzip nur das Perfekte zählt. Sie atten den Mut, in die Öffentlichkeit zu treten und uns uf ihre Probleme und ihre Schwierigkeiten hinzuwei- en. Herzlich willkommen und vielen Dank auch an Sie! (Beifall im ganzen Hause) 16350 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Elke Hoff (A) ) )(B) Der heutige Tag ist ein Anlass, darüber nachzuden- ken, für wen wir dieses Gesetz machen. Für wen haben wir gemeinsam im Deutschen Bundestag Verbesserun- gen der Einsatzversorgung auf den Weg gebracht? Es geht um Männer und Frauen, die wir in einen sogenann- ten asymmetrischen Konflikt hineinschicken. Das ist ein schönes Wort. Auf den ersten Blick lässt sich das theore- tisch nachvollziehen. Aber was bedeutet das in Wirklich- keit? Wir schicken Männer und Frauen in einen Kon- flikt, in dem der Feind nicht klar zu erkennen ist. Der Gegner ist nicht uniformiert. Er sieht aus wie ein Zivi- list. Wir erwarten aber zugleich von den Soldatinnen und Soldaten, auch die Zivilbevölkerung zu schützen. Wir bringen die Soldatinnen und Soldaten damit in ein ethi- sches und moralisches Dilemma, weil sie zu keiner Zeit und an keinem Ort sicher sein können. Sie müssen jeder- zeit damit rechnen, dass sie – wie man so schön sagt – „angesprengt“ werden, dass Kameraden in einen Hinter- halt geraten, dass selbst die Feldlager mit Raketen oder mit Mörsern beschossen werden. Das ist eine psychische Belastung, die sich niemand von uns vorstellen kann. Das bringt mit sich, dass wir anerkennen müssen, dass eine seelische Verwundung die gleiche Qualität wie eine körperliche Verwundung hat. Jemand, der aus einem Einsatz zurückkommt und in körperlich sichtbarer Form verwundet worden ist, wird zu Hause ehrenhaft empfangen. Es muss genauso ehren- haft mit Männern und Frauen umgegangen werden, die sagen: Ich habe eine psychische Verwundung erlitten. – Sieht man sich die großen Konflikte und Kriege an, die diese Menschheit leider schon ertragen musste, stellt man fest, dass sowohl im Ersten Weltkrieg als auch im Zweiten Weltkrieg, im Koreakrieg und im Vietnamkrieg mehr Männer und Frauen wegen einer psychischen Ver- wundung kampfunfähig wurden als wegen einer körper- lichen Verwundung. Deshalb bringen wir mit diesem Gesetz zum Ausdruck, dass wir keinen Unterschied ma- chen, ob jemand mit körperlicher oder seelischer Ver- wundung nach Hause kommt. Vor allen Dingen müssen wir aber auch den Angehö- rigen das Gefühl geben, für sie da zu sein. Schauen wir uns an, was sich in den Familien mit einem psychisch verwundeten Soldaten abspielt: Die Ehefrauen schlafen keine Nacht mehr durch, weil sie Angst haben müssen, dass ihr Ehemann wach wird, sie für einen Gegner hält und sie im Bett angreift. Die Kinder haben keine Ruhe mehr, weil ihre Väter, die ihre Erinnerungen und ihre Gedanken nicht loswerden, jede Nacht durch die Woh- nung wandern. Wir reden hier über Männer und Frauen, die damit fertig werden müssen, dass sie ihre Kamera- den, mit denen sie gemeinsam auf Patrouille waren, bei einem Angriff nicht schützen konnten und diese vertrau- ten Menschen auf einmal in deren eigenem Blut liegen sahen, ohne Gesicht und ohne Gliedmaßen. Wir müssen wissen, dass wir hier etwas für Menschen auf den Weg bringen, die nicht mehr in einen Supermarkt gehen kön- nen, weil sie den Anblick einer Fleischtheke nicht mehr ertragen können. Wenn wir das im Deutschen Bundestag zum Ausdruck bringen und aussprechen – das ist näm- lich die andere Seite von dem, was wir heute beschlie- ß a u s w s rü e G d B a d D M s le d d z u d s G w h w p s v w d w P a s d z S h z s m T F (C (D en –, dann geht davon ein sehr, sehr wichtiges Signal us. Ich bin wirklich stolz auf unser Parlament, dass wir ns an dieser Stelle über viele Oberbedenkenträger – das age ich ganz bewusst – auch in der Administration hin- eggesetzt haben. Herr Kollege Klingbeil, Sie haben ehr richtig gesagt, dass wir keinen Grund haben, uns zu- ckzulehnen. Jetzt fängt nämlich die eigentliche Arbeit rst an. Wir haben ein Gesetz verabschiedet. Aber ein esetz lebt davon, dass es umgesetzt wird. Ich glaube, ass wir mit allem Nachdruck gemeinsam, auch mit den etroffenen, dafür sorgen müssen, dass dieses Gesetz uch vom Bundesministerium der Verteidigung und von en Landesbehörden umgesetzt wird. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) as wird nämlich die Nagelprobe sein. Das wird den ännern und Frauen zeigen, ob das, was wir hier be- chließen, auch ernst genommen wird. Daran werden wir tztendlich gemessen werden. Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, ass dieses Gesetz nicht nur für die Soldatinnen und Sol- aten gilt, sondern selbstverständlich auch für die Poli- ei, für die Zivilbeschäftigten des Auswärtigen Amtes nd der Entwicklungszusammenarbeit. Das heißt, alle ie, die durch unsere politische Entscheidung in eine chwierige Lage kommen können, werden durch dieses esetz abgedeckt und erfasst. Ich denke, auch das ist es ert, an dieser Stelle heute erwähnt zu werden. Ich glaube, dass die Erkenntnisse, die die Forschung eute hergibt – es gibt viele Länder, die hier wesentlich eiter sind als wir –, in Kriterien zur Festlegung einer sychischen Verwundung überführt werden können. Un- er Traumazentrum hier in Berlin kann sicherlich noch iel mehr erreichen. Auch im Forschungsbereich können ir noch viel mehr tun. Betroffene Männer und Frauen ürfen nicht nur einer einzigen medizinischen Sicht- eise ausgesetzt sein. Es kommt darauf an, was beim atienten wirkt. Was für den einen gut ist, muss für den nderen noch lange nicht gut sein. Eine Vielfalt an For- chung und wissenschaftlicher Erkenntnis muss durch en Dienstherrn an dieser Stelle umgesetzt werden. Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich komme um Schluss. Im Kleinen Prinzen schreibt Antoine de aint-Exupéry: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Ich offe, dass alle diejenigen, die jetzt unser Gesetz umset- en sollen und hoffentlich auch umsetzen wollen, an die- er Stelle auch mit dem Herzen hinschauen. Ich bedanke ich noch einmal bei allen Kollegen für diesen tollen ag. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Harald Koch von der raktion Die Linke. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16351 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) ) )(B) (Beifall bei der LINKEN) Harald Koch (DIE LINKE): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer Kriegseinsätze will, nimmt Opfer in Kauf. Und wer Opfer in Kauf nimmt, muss für eine angemessene Ver- sorgung von verletzten und traumatisierten Soldatinnen und Soldaten, aber auch von Hinterbliebenen sorgen. So sehe zumindest ich das. Leider wurde dies von der Bundesregierung bisher vernachlässigt. Obwohl mit dem jetzt vorliegenden Ge- setzentwurf und dem dazugehörigen Änderungsantrag viele für die Betroffenen wichtige Forderungen endlich umgesetzt werden, zeigt sich das schleppende Vorgehen auch hier wieder. Die Verbesserungen sind wieder erst durch entsprechenden öffentlichen Druck bzw. durch massive Kritik von Betroffenenverbänden, wie zuletzt die Anhörung am 17. Oktober gezeigt hat, zustande ge- kommen. Nichtsdestotrotz werden wir dem Gesetzent- wurf, wie schon im Ausschuss signalisiert, zustimmen, weil viele Betroffene endlich die notwendige Hilfe be- kommen werden. (Beifall bei der LINKEN) Wir sind allerdings nicht der Meinung, dass damit jetzt alle Lücken geschlossen sind. Auch der jetzige Ge- setzentwurf setzt noch immer nicht alle Forderungen des ursprünglichen Entschließungsantrages aus dem Herbst 2010 um und weist noch immer Mängel auf. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Beispielsweise fehlt noch immer ein rückwirkender Aus- gleich bei Entschädigungszahlungen; denn die betroffe- nen Soldatinnen und Soldaten können nichts dafür, dass ihre Schädigung vor einem willkürlich festgelegten Stichtag eingetreten ist. Der Entschließungsantrag von CDU/CSU, FDP, SPD und den Grünen thematisiert dies zwar, gibt aber keine konkreten Handlungsempfehlun- gen, (Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist nicht richtig!) und zwar solche, welche die rückwirkende Benachteili- gung auf absehbare Zeit beheben würden. (Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist einfach falsch!) Dies ist uns zu wenig. Daher können wir uns zu diesem Antrag nur enthalten. Darüber hinaus fordern wir, dass die Verfahren zur Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung deutlich entbürokratisiert, beschleunigt und transparenter gestal- tet werden. (Beifall bei der LINKEN) Eine zeitliche Begrenzung dieser Verfahren auf zwölf Monate und eine vorläufige Anerkennung einer Wehr- dienstbeschädigung würden es den Soldatinnen und Sol- daten, vor allem denen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung, ermöglichen, sich endlich um das zu kümmern, was sie brauchen, nämlich eine Therapie. E n w u ih c k d h m P b 2 k m E s s e w S D re s B d N m b m b S tr z u te N d s d B (C (D (Beifall bei der LINKEN) s kann nicht sein, dass schwer traumatisierte Soldatin- en und Soldaten im Bürokratiedschungel alleingelassen erden, von Gutachter zu Gutachter geschickt werden nd dabei den Kopf nicht freibekommen, um sich um re Genesung zu kümmern. Gerade für die Soldatinnen und Soldaten, die mit psy- hischen Verletzungen aus dem Auslandseinsatz zurück- ommen, wird noch immer viel zu wenig getan – und as, obwohl die Zahl der Betroffenen von Jahr zu Jahr öher wird. In diesem Jahr – diese Zahl möchte ich ein- al nennen – wurden bis September schon 587 Fälle von TBS allein im Zusammenhang mit dem ISAF-Einsatz ekannt. Das sind bereits mehr als im gesamten Jahr 010, und das ist nur die Spitze des Eisbergs; die Dun- elziffer liegt noch viel höher. Um dem entgegenzuwirken, sind dringend Maßnah- en zu ergreifen. So müssen beispielsweise sowohl die insatzvor- als auch die -nachbereitung deutlich verbes- ert werden. Kuren im Anschluss an Auslandseinsätze ollten obligatorisch sein. Die Stehzeiten in Auslands- insätzen sind zu verkürzen. Es muss eine intensivere issenschaftliche Forschung zu PTBS außerhalb der trukturen der Bundeswehr stattfinden. (Beifall bei der LINKEN) as heißt, das Psychotraumazentrum ist aus den Struktu- n der Bundeswehr auszugliedern. Vor allem aber müs- en die Familien und Angehörigen viel intensiver in die etreuung eingebunden werden; (Beifall bei der LINKEN) enn auch diese fühlen sich zunehmend alleingelassen. icht zuletzt muss man sich um zivile Mitarbeiter ver- ehrt kümmern, da diese noch schlechtergestellt sind als etroffene Soldatinnen und Soldaten. Dennoch muss gesagt werden, dass all diese Maßnah- en nur die Symptome, nicht aber den Auslöser des Pro- lems bekämpfen. Der Auslöser ist der Krieg, in dem die oldatinnen und Soldaten sowie die zivilen Mitarbeiter aumatisiert werden. Daher tritt die Linke für die unver- ügliche Beendigung des Krieges in Afghanistan (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) nd den Abzug der Bundeswehr aus allen Einsatzgebie- n ein. (Beifall bei der LINKEN) ur eine andere, eine friedensorientierte Ausrichtung er deutschen Außenpolitik würde das Leid der deut- chen Soldatinnen und Soldaten, ihrer Familien sowie er zivilen Bundeswehrangestellten wirklich vermeiden. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt hat das Wort die Kollegin Agnes Malczak von ündnis 90/Die Grünen. 16352 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 (A) ) )(B) Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist ein Erfolg, ein Erfolg für die Betroffenen, für ihre Angehörigen und auch für die Verbände. Diese ha- ben in den vergangenen Jahren mit Leidenschaft und Herzblut verschiedenste Formen der Selbsthilfe aufge- baut. Aber Selbsthilfe kann und darf kein Ersatz für gute und verlässliche Rahmenbedingungen sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben mit Nachdruck und mit sehr viel Ausdauer für Verbesserungen bei der Einsatzversorgung geworben. Dafür gilt ihnen Dank und Respekt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieses Gesetz ist aber auch ein Erfolg für das Parla- ment. Lange haben die Fachpolitikerinnen und Fachpoli- tiker dieses Hauses beim Bundesministerium der Vertei- digung Verbesserungen eingefordert. Es hat viel Zeit und auch viel Überzeugungskraft gekostet, bis dieser Gesetz- entwurf schließlich vorgelegt wurde. Dies zeigt deutlich, dass es sich lohnt, beim Bohren besonders dicker Bretter a) hartnäckig zu bleiben und b) gemeinsam zu streiten. Deshalb ein Dank an die Kolleginnen und Kollegen für die konstruktive Zusammenarbeit! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf wies allerdings erhebliche Lücken auf. Die Erleichte- rung bei der Beweislast und die Absenkung des für An- sprüche notwendigen Schädigungsgrades im Einsatz- Weiterverwendungsgesetz wurden zunächst als nicht machbar dargestellt. Insbesondere für jene Soldatinnen und Soldaten, die an einer Posttraumatischen Belas- tungsstörung leiden, hätte das Gesetz in der von der Bundesregierung beschlossenen Form die darin gesetz- ten Hoffnungen zerschlagen. Hier wurde durch die Ver- bände sowie die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker weiter Druck gemacht – und das mit Erfolg, wie der Än- derungsantrag der Koalitionsfraktionen im Ausschuss zeigt. Doch auch dieser Änderungsantrag hat noch nicht alle Lücken des Gesetzes geschlossen. Auch in Bezug auf die fehlende Stichtagsregelung für Einmalzahlungen nach einem Einsatzunfall hat sich gezeigt, dass Aus- dauer eine wichtige Tugend für die Arbeit im Bundestag ist. Mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf wären zwei Klassen von Betroffenen geschaffen worden: jene, die ihre Ansprüche vor dem Inkrafttreten des neuen Geset- zes geltend gemacht haben, und jene, die nach seinem Inkrafttreten eine Entschädigung beantragen. Für die gleiche Verletzung, den gleichen Verlust wären unter- schiedliche Beträge ausgezahlt worden – eine Ungleich- behandlung, für die es keine Rechtfertigung geben kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) In der Diskussion im Verteidigungsausschuss in der vergangenen Woche mussten wir den Handlungsbedarf m N d m d c li W s m z K b g b n is s V d F k s v w g w g la ü d d e re n g d a z ü s D Ih d L W H H a w z (C (D it einem grün-roten Änderungsantrag noch einmal mit achdruck deutlich machen. Ich bin sehr froh und sehr ankbar, dass wir uns nun doch auf den vorliegenden ge- einsamen Entschließungsantrag einigen konnten. An ieser Stelle muss ich dem Kollegen Koch widerspre- hen; denn dieser Entschließungsantrag bringt sehr deut- ch zum Ausdruck, dass wir eine Rückdatierung wollen. ir werden allerdings sehr genau darauf achten – dabei chaue ich sehr bewusst nicht in die Reihen des Parla- ents, sondern zur Regierungsbank –, dass die Umset- ung wirklich zeitnah und schnell angegangen wird. Wenn wir Soldatinnen und Soldaten sowie zivile räfte in den Einsatz zur Konfliktlösung entsenden, ha- en wir eine besondere Fürsorgepflicht für sie. Eine an- emessene finanzielle Unterstützung und Entschädigung ei bleibenden körperlichen und seelischen Schäden sind ur eine Seite unserer Fürsorgepflicht. Die andere Seite t die Art unseres Umgangs mit den Betroffenen. Dabei pielt die Bundeswehr selbst eine ganz zentrale Rolle. or allem die seelisch Versehrten müssen immer wieder ie Erfahrung machen, dass der eigene Dienstherr seine ürsorgepflicht vor allem als einen aufwendigen büro- ratischen Verwaltungsakt gestaltet hat. Schnelle Hilfe, elbstverständliche und durchdachte Unterstützung, das ermissen leider noch viel zu viele der Betroffenen. Außerdem vermissen sie die Bereitschaft zu wohl- ollenden Entscheidungen. Wir Mitglieder des Verteidi- ungsausschusses haben in den letzten Jahren immer ieder von Schicksalen von Soldatinnen und Soldaten ehört und sie manchmal auch miterlebt, die sich in ngwierigen Verfahren mit der Bundeswehrverwaltung ber Ansprüche streiten und am Ende sogar nur noch en Rechtsweg gehen können. Für die Betroffenen sind iese Unsicherheiten furchtbar. Diese stehen auch einer rfolgreichen Therapie im Weg. Meine Damen und Her- n, da läuft etwas gewaltig schief. Darum sind mit diesem Gesetzentwurf noch lange icht alle Probleme im Bereich der Einsatzversorgung elöst. Nicht nur der gesetzliche Rahmen, sondern auch ie Verfahren bedürfen einer Überarbeitung. Sie müssen n ihren Gegenstand angepasst werden. Das bedeutet um Beispiel, dass Verfahrensschritte dahin gehend berprüft werden müssen, ob sie wirklich notwendig ind und ob sie zur Klärung beitragen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Elke Hoff [FDP]) ie Verfahren müssen einem eindeutigen Weg folgen. re Dauer muss verkürzt werden. Es ist Aufgabe des Bundestags, darauf zu achten, dass as Wort Fürsorge in der Parlamentsarmee nicht nur eine eerformel, sondern ein handlungsleitendes Prinzip ist. ir müssen sicherstellen, dass die Betroffenen schnelle ilfe bekommen und dass sie die Gewährung dieser ilfe nicht als ein mühsam erkämpftes Recht, sondern ls eine Selbstverständlichkeit empfinden können. Für einige der Betroffenen kommt dieser Gesetzent- urf leider zu spät. Die teils jahrelange Auseinanderset- ung mit dem Dienstherrn hat das Verhältnis zur Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16353 Agnes Malczak (A) ) )(B) Bundeswehr schwer belastet und auch zu einer Ver- schlechterung ihres Gesundheitszustandes geführt. Eine Reintegration in die Gesellschaft wird für sie immer schwieriger. Ich bedauere das zutiefst. Das macht deut- lich, dass Zeit eine entscheidende Rolle spielt und Han- deln nicht auf die lange Bank geschoben werden darf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Elke Hoff [FDP]) Ich erwarte von der Bundesregierung, dass die Lö- sung der Verfahrensprobleme sich nicht abermals über Monate oder gar Jahre hinzieht. Deshalb muss man aktiv handeln, die Probleme ehrlich benennen und zügig ange- hen. Die grüne Bundestagsfraktion wird sich weiter mit Nachdruck dafür einsetzen, dass endlich eine grundle- gende Verbesserung der Verfahren erfolgt. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun der Kollege Florian Hahn von der CDU/CSU-Frak- tion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Florian Hahn (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Gerade die Debatten in diesem Hohen Haus um die Entsendung von Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen Kräften in Einsatzgebiete führen uns im- mer wieder unsere besondere Verantwortung als Parla- mentarier vor Augen. Ich bin seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags und habe schon zu vielen Mandatsverlängerungen ge- sprochen. Allein dieses Jahr haben wir siebenmal über eine Entsendung deutscher Soldaten abgestimmt. Jedes Mal ist mir dabei bewusst, dass wir in diesen Momenten nicht nur über Friedenseinsätze und unseren Beitrag zur weltweiten Sicherheitspolitik entscheiden. Nein, wir set- zen gleichzeitig die uns anvertrauten Menschen Gefah- ren für Leib und Seele aus. Alle Bundesregierungen, egal unter welcher Führung sie standen, haben immer eines klar gemacht: Die Bun- desrepublik Deutschland übernimmt mit der Entsendung von unseren Soldatinnen und Soldaten eine große Ver- antwortung, für die wir ohne Wenn und Aber einstehen müssen, eben auch dann, wenn es zu bleibenden Verlet- zungen oder gar zu Gefallenen kommt. Bundesminister Thomas de Maizière hat dankenswer- terweise mehrfach deutlich gemacht, dass die bei der Ei- desleistung geschworene Treue und Loyalität der Solda- ten keine Einbahnstraße ist. Für Staat und Gesellschaft erwächst daraus nämlich nicht nur die Verpflichtung zur Sorge, sondern auch zur umfassenden Nachsorge. Wir alle haben daher die moralische und faktische Verpflich- tu c n b n d te v im S S tu s Ic s 3 d v S h li n V le z k m ti la v v fü b L L A s w (C (D ng, Verwundete und Hinterbliebene umfassend abzusi- hern. Daher ist es ein gutes und weit in die Bundeswehr hi- ein wirkendes Signal, dass Koalition und Opposition ei der Verbesserung der Versorgung unserer Soldatin- en und Soldaten an einem Strang ziehen. Es zeigt, dass ie Verantwortungskultur gegenüber unseren Streitkräf- n lange gewachsen und fest in unserem Verständnis erankert ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) Weil ich sonst immer so gerne – und natürlich auch mer berechtigt – die Linke beschimpfe, möchte ich ie heute ausdrücklich loben. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das muss im Kalender vermerkt werden! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Nicht be- schimpft ist gelobt genug!) ie konnten heute einmal Ihre ideologische Betonhal- ng überwinden und haben sich für die Menschen ent- chieden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das tun wir öfter, als Sie denken!) h hoffe, das bleibt so und ist kein Einmaleffekt. Seit der Beteiligung der Bundeswehr an Auslandsein- ätzen haben 99 Soldaten ihr Leben verloren; mehr als 00 sind körperlich verwundet und mindestens 400 an er Seele verletzt worden. Die Zahl derer, die aus falsch erstandener Stärke ihre Verwundungen an der eigenen eele zunächst nicht angezeigt haben, dürfte dabei noch öher liegen. Hinter all diesen Menschen stehen Fami- en – Eltern, Frauen und Kinder –, die von diesen Ereig- issen auch ein Stück weit getroffen wurden und bei der erarbeitung des Erlebten bzw. der Genesung der Ver- tzten unverzichtbare Hilfe leisten. Mit diesem Gesetz eigen wir auch ihnen unsere Anerkennung. In Deutschland haben wir kein gesellschaftlich veran- ertes Bild von Veteranen. Daraus resultiert leider, dass eist auch die Anerkennung fehlt, die anderswo Solda- nnen und Soldaten nach dem Einsatz in ihrem Heimat- nd genießen. Damit meine ich keine bedingungs- und orbehaltlose Heldenverehrung, sondern vielmehr den erdienten Respekt für den Einsatz des eigenen Lebens r andere. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich wünsche mir daher, dass diese Debatte auch dazu eiträgt, dass wir in unserem Land mehr Respekt für die eistungen unserer Soldaten aufbringen; denn diese eistungen übertreffen vieles, was man sich im warmen bgeordnetenbüro oder in der Redaktionsstube vorzu- tellen vermag. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, den ir heute verabschieden, ist neben dem Gebot der Ge- 16354 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Florian Hahn (A) ) )(B) rechtigkeit und neben der überfälligen Anerkennung für Geleistetes auch der richtige Weg, um die Wertschätzung für die Arbeit von Soldatinnen und Soldaten, aber auch von zivilen Kräften in unserer Gesellschaft zu erhöhen. Der Gesetzentwurf ist eine Initiative des Parlaments. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen, die daran einen Anteil hatten, bedanken. Stellvertretend für die Union darf ich dabei die Kollegen Henning Otte und Jürgen Hardt nennen. Tausend Dank auch dem Bundeswehrver- band, der sich einmal mehr stark für die Interessen seiner Soldaten eingesetzt hat. Über dieses Signal sind die uns anvertrauten Men- schen und ihre Familien dankbar. Wir dagegen können stolz darauf sein, dass wir mit einer absehbar größtmög- lichen Mehrheit des Parlaments ein bleibendes Zeichen und vor allem ein belastbares Ergebnis zurücksenden, nämlich: Wir stehen für die Bundeswehr ein, und wir kennen unsere Verantwortung. Ich danke allen zivilen Kräften und Bundeswehrange- hörigen – egal ob im Einsatz oder wieder zu Hause im Heimatland – für ihre vielfältigen Leistungen und wün- sche ihnen jetzt und für die Zukunft alles Gute und Got- tes Segen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Verbesse- rung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwen- dungen. Der Verteidigungsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- che 17/7389, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 17/7143 und 17/7377 in der Aus- schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent- haltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu- stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist einstimmig ange- nommen. (Beifall im ganzen Hause) Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ent- schließungsanträge. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/7498. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltun- gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen al- ler Fraktionen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke an- genommen. F fü E s ü te L g v e lu D s m m s S A w s n C G o D n c 4 te e (C (D Abstimmung über den Entschließungsantrag der raktion Die Linke auf Drucksache 17/7499. Wer stimmt r diesen Entschließungsantrag? – Gegenstimmen? – nthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist bei Zu- timmung der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller brigen Fraktionen abgelehnt. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ver- idigungsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die inke mit dem Titel „Behandlungs- und Betreuungsan- ebote für traumatisierte Soldatinnen und Soldaten, zi- ile Kräfte und Angehörige ausbauen“. Der Ausschuss mpfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfeh- ng auf Drucksache 17/7389, den Antrag der Fraktion ie Linke auf Drucksache 17/6342 abzulehnen. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim- en? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist it den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegen- timmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung von PD und Grünen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Befugnis des Bundeskriminalamtes zur Online- Durchsuchung aufheben – Drucksachen 17/2423, 17/3633 – Berichterstattung: Abgeordnete Armin Schuster (Weil am Rhein) Frank Hofmann (Volkach) Gisela Piltz Jan Korte Wolfgang Wieland Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Ich möchte die Kollegen, die dieser Debatte nicht bei- ohnen wollen, bitten, den Saal zu verlassen, sodass ich die anderen auf die Debatte konzentrieren können. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- er dem Kollegen Clemens Binninger von der CDU/ SU-Fraktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Clemens Binninger (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! estatten Sie mir, bevor ich zu dem eigentlichen Tages- rdnungspunkt komme, auf ein trauriges Ereignis in eutschland hinzuweisen. Ich darf im Namen aller Red- er, die nach mir folgen – das haben wir so bespro- hen –, dazu ein paar Sätze äußern. Heute Morgen gegen 4 Uhr wurde in Augsburg ein 1 Jahre alter Polizeibeamter in Ausübung seines Diens- s von einem Straftäter erschossen. Bei dem Versuch, in Motorrad zu kontrollieren, kam es zu einem Schuss- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16355 Clemens Binninger (A) ) )(B) wechsel. Der Kollege erlag noch am Tatort seinen Ver- letzungen. Ich darf im Namen aller Fraktionen dieses Hauses der Familie unsere Anteilnahme und unser tiefes Mitgefühl aussprechen. Das Ereignis zeigt wieder ein- mal, wie gefährlich der Polizeiberuf ist. Ich hoffe, dass es möglichst schnell gelingt, diesen Verbrecher zu fassen und vor Gericht zu stellen. Nun zum Antrag zum Thema Onlinedurchsuchung, den wir heute hier beraten. Es ist ein etwas älterer An- trag; er stammt aus dem letzten Jahr. Herr Kollege Korte, der Antrag ist nicht besser geworden. Sie fordern pau- schal, ein Instrument abzuschaffen, das wir für das Bun- deskriminalamt eingeführt haben: die Onlinedurchsu- chung. Man hat den Eindruck, dass Sie mit den Piraten im Schlepptau ein bisschen nervös werden (Jan Korte [DIE LINKE]: Der Antrag ist viel älter!) und sich pauschal auf jedes Thema draufsetzen, das ver- meintlich populär klingt. Ich kann Ihnen aber garantie- ren: Das ist in der Innenpolitik der falsche Weg. Pau- schale Forderungen führen da überhaupt nicht weiter. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich hätte mir gewünscht, dass Sie in Ihrem Antrag in ein paar Sätzen auf die Bedrohungslage eingegangen wären und darauf, warum wir überhaupt die Möglichkeit der Onlinedurchsuchung für das BKA eingeführt haben. Alleine in den letzten zwölf Monaten gab es mehrere sicherheitsrelevante Vorkommnisse: die Terrordrohung gegen den Reichstag, der Anschlag am Frankfurter Flug- hafen mit toten amerikanischen Soldaten und nicht zu- letzt die Enttarnung und Festnahme der Düsseldorfer Zelle, die vorhatte, an einer Bushaltestelle einen An- schlag zu begehen. Das zeigt, dass wir eine ernste Be- drohungslage haben und dass wir wachsam sein müssen. Es zeigt auch, dass die Polizei und die Sicherheitsbehör- den Befugnisse brauchen, um dieser Bedrohungslage Herr zu werden. In solch einer Bedrohungslage einfach pauschal die Streichung von Maßnahmen zu fordern, halte ich für einigermaßen unlogisch und auch absurd. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie hätten auch einmal darlegen können, warum ver- deckte Maßnahmen notwendig sind. Aber das haben Sie nicht getan; diese Debatte scheuen Sie. Wir wissen heute, dass Tatverdächtige im Bereich des Terrorismus immer konspirativer vorgehen: Sie kommu- nizieren verschlüsselt und agieren höchst verdeckt. Mit herkömmlichen Methoden ist es kaum noch möglich, Terrornetzwerke oder fanatische Einzeltäter zu erken- nen. Aus diesem Grund und aufgrund der bestehenden Bedrohungslage haben wir das Bundeskriminalamtgesetz geändert und die Möglichkeit der Onlinedurchsuchung in § 20 k eingeführt. Wir haben uns dabei bewusst an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe gehalten. Sogar der Bundesdatenschutzbeauftragte hat neulich gesagt: In diesem Paragrafen ist alles so be- schrieben, wie es auch aus datenschutzrechtlichen Erwä- gungen notwendig ist. – g G s v h k k d – Ih n a c D s d u d K n s d n G D c v g a h d n D m (C (D (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Da habe ich ihn anders verstanden! – Gegenruf von der CDU/CSU): Doch, das hat er gesagt!) Genau so hat er es gesagt, auch wenn Sie es nicht erne hören, Herr Kollege Wieland. Wir haben in dem esetz dieses Urteil berücksichtigt. Aber interessant ist Folgendes: Als wir das BKA-Ge- etz hier beraten haben, haben die Linken die Bürger erunsichern wollen, indem sie das Szenario entworfen aben, dass zukünftig in jeden Rechner geschaut werden ann, dass die Rechner aller Bürger überwacht werden önnen und dass die Maßnahme grenzenlos und flächen- eckend angewandt wird. (Jan Korte [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!) Ihre Kollegin Jelpke hat das aber gesagt. Sie gehört ja rer Fraktion an, insofern müssen Sie sich das zurech- en lassen. (Jan Korte [DIE LINKE]: Wir wissen es ja leider nicht!) Mit der Aussage, dass diese Maßnahme flächendeckend ngewandt wird, haben Sie die Bevölkerung verunsi- hert. (Jan Korte [DIE LINKE]: Wir wissen es doch nicht!) ieses Szenario ist aber nicht eingetreten. Und jetzt chreiben Sie in der Begründung zu Ihrem Antrag, dass iese Maßnahme offensichtlich nie angewandt wurde nd deshalb gestrichen werden soll. Absurder und wi- ersprüchlicher geht es wirklich nicht, Herr Kollege orte – erst zu viel, jetzt zu wenig, nur nie richtig. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben immer gesagt, dass wir an diese Maß- ahme so hohe rechtliche Anforderungen stellen, dass ie nur in Einzelfällen angewandt wird. Auf die Anwen- ung solcher Maßnahmen in Einzelfällen können wir icht verzichten, weil von diesen Einzelfällen ein großes efahrenpotenzial ausgeht. (Zuruf von der CDU/CSU: Genau!) as gilt für Maßnahmen wie die Wohnraumüberwa- hung, die es bald seit über zehn Jahren gibt und die ielleicht ein- bis fünfmal pro Jahr angewandt wird. Das ilt auch für andere verdeckte Maßnahmen, und das gilt uch für die Onlinedurchsuchung. Uns das vorzuhalten, alte ich für wenig überzeugend. Was wäre eigentlich, Herr Kollege Korte, wenn wir en Anträgen der Linken folgen würden? Ich meine jetzt icht den auf Ihrem Parteitag diskutierten Antrag, alle rogen freizugeben, auch wenn man das Gefühl hat, an würde ein bisschen merken. (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der galt ja nur für drei Stunden! Dann waren sie wieder drogenfrei!) 16356 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Clemens Binninger (A) ) )(B) Was würde passieren, wenn wir all Ihren Anträgen zu dem heutigen Thema folgen würden? Die Polizei könnte in diesem Land keine verdeckten Maßnahmen mehr durchführen. Sie hätte keine Instrumente mehr, um ge- fährliche Täter enttarnen zu können. Sie wäre nicht mehr in der Lage, Quellen-TKÜ, Telefonüberwachungen oder Onlinedurchsuchungen durchzuführen. Hier geht es aber nicht um harmlose Ladendiebe, son- dern hier geht es um gefährliche Terrorverdächtige, die bereit sind, sich und andere Menschen in die Luft zu sprengen. Um diese zu überführen, sind herkömmliche Ermittlungsmethoden nicht mehr ausreichend. Das ist die Botschaft. Deshalb können wir auf die Onlinedurch- suchung nicht verzichten. Verzichten können wir aller- dings auf Ihren Antrag. Deshalb werden wir ihn auch ab- lehnen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Gabriele Fograscher von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Gabriele Fograscher (SPD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute abschließend über den Antrag der Fraktion Die Linke, die Befugnis des Bundeskriminal- amts zur Onlinedurchsuchung aufzuheben. Aber vermut- lich ist das nicht das Ende der Debatte über die Befug- nisse von Sicherheitsbehörden. Sie von der Linksfraktion begründen Ihren Antrag da- mit, dass man die sogenannte Onlinedurchsuchung nicht brauche, da man sie bisher noch nicht angewandt habe. Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Die Norm hat sich prak- tisch als überflüssig erwiesen.“ Für uns ist sie nicht über- flüssig, sondern sie wird nicht leichtfertig eingesetzt. Die Sicherheitsbehörden gehen sehr verantwortungsvoll mit diesem Instrument um und wägen ab, ob es notwendig ist. Ob die Onlinedurchsuchung zum Beispiel im Vorfeld der Verhaftung von Terrorverdächtigen in Düsseldorf eingesetzt wurde, konnte die Bundesregierung wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens aus Geheimhal- tungsgründen verständlicherweise noch nicht mitteilen. Terroristische Angriffe und Bedrohungen sind eine Gefahr weltweit, auch in Deutschland. Es gibt Bedro- hungsszenarien, die wir uns nie vorstellen konnten: 11. September in New York, die Anschläge in Madrid und London, das Aufdecken der Sauerland-Gruppe. Die neuen Kommunikationstechniken ermöglichen es Straf- tätern, sich im Netz zusammenzufinden, sich zu radikali- sieren und zusammenzuarbeiten. Diese Bündelung von Wissen, Handlungsbereitschaft und krimineller Energie stellt die Strafverfolgung und die Gefahrenabwehr vor völlig neue Aufgaben. Deswegen müssen auch die Si- cherheitsbehörden Möglichkeiten haben, Schritt zu hal- ten. d H s m b te U d d d h k n d fo V d e o D B u s B w g P tr n m D fa s g k ti v a re v d li S tr h g u F z (C (D Es ist richtig und wichtig, dass wir als Gesetzgeber en Behörden die entsprechenden Instrumente an die and geben. Dazu gehört für uns auch die Onlinedurch- uchung, für die 2008 durch das BKA-Gesetz der Rah- en vorgegeben wurde, den wir 2009 konkretisiert ha- en. Die Onlinedurchsuchung darf lediglich zur Abwehr rroristischer Gefahren eingesetzt werden. Es gilt das ltima-Ratio-Prinzip, das heißt, vor Einsatz der Online- urchsuchung müssen alle anderen Ermittlungsmetho- en ausgeschöpft werden. Es reicht nicht mehr aus, dass ie Länderpolizeien Möglichkeiten der Gefahrenabwehr aben; denn Planungen von Terrorverdächtigen machen einen Halt vor den Grenzen der Bundesländer und auch icht an den deutschen Grenzen. Uns ist bewusst, dass diese Maßnahme ein Eingriff in ie Grundrechte bedeutet. Deshalb haben wir hohe An- rderungen an den Einsatz dieses Instruments gestellt. oraussetzung für die Onlinedurchsuchung ist, dass urch Tatsachen belegbar ist, dass eine Gefahr vorliegt, ntweder für Leib und Leben oder Freiheit einer Person der für die Grundlagen oder den Bestand des Staates. ie Maßnahme muss für die Aufgabenerfüllung des undeskriminalamts erforderlich sein. Es dürfen nur die nbedingt notwendigen Veränderungen an dem zu unter- uchenden IT-System vorgenommen werden, die nach eendigung des Eingriffs wieder rückgängig gemacht erden müssen. Der Eingriff muss durch ein Gericht an- eordnet werden. Beantragt werden kann dieser nur vom räsidenten des BKA oder seinem Vertreter. Die nach- ägliche Einholung einer richterlichen Genehmigung ist icht zulässig. Der schriftliche richterliche Beschluss uss neben der Begründung auch Art, Umfang und auer der Maßnahme beinhalten. Auch die anderen Ermittlungsmethoden wie Raster- hndung und Wohnraumüberwachung werden nur sehr elten eingesetzt. Es ist aber absurd, sie aufgrund der eringen Zahl der Anwendungen für überflüssig zu er- lären. Deutschland ist nicht aus dem Visier des interna- onalen Terrorismus verschwunden. Deshalb ist es un- erzichtbar, dass wir Ermittlungsmethoden, zu denen uch die Onlinedurchsuchung gehört, bereithalten. Die Länderpolizeien sind mit Befugnissen zur Gefah- nabwehr und zur Strafverfolgung sowie mit präventi- en und repressiven Zuständigkeiten ausgestattet. Durch as BKA-Gesetz hat das Bundeskriminalamt die Mög- chkeit erhalten, im Bereich des Terrorismus nicht nur trafverfolgung, sondern auch Gefahrenabwehr zu be- eiben. Damit haben wir eine Lücke unserer Sicher- eitsarchitektur geschlossen, die Sie mit Ihrem vorlie- enden Antrag wieder aufreißen wollen. Sie von den Linken sind nicht auf der Höhe der Zeit (Zurufe von der LINKEN: Doch! – Wir sind weit darüber hinaus!) nd verbreiten Unwahrheiten. Auf der Homepage Ihrer raktion ist über die Onlinedurchsuchung immer noch u lesen – ich zitiere –: Sie kann ohne Richtervorbehalt, d. h. direkt von der Polizei eingesetzt werden und sich auch gegen Un- verdächtige, sog. Kontaktpersonen richten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16357 Gabriele Fograscher (A) ) )(B) Das ist falsch. (Beifall bei der SPD) Der Antrag der Linken ist unverantwortlich. Schließ- lich fordert keiner, die Feuerwehr in einer Stadt abzu- schaffen, nur weil es dort einige Jahre nicht gebrannt hat. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist es!) Das wäre absurd, und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Gisela Piltz von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Gisela Piltz (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dank der Fraktion Die Linke haben wir heute erneut die Gelegenheit, über Trojaner zu sprechen. Ich finde, das ist ein spannendes Thema. Dazu kann man allerlei sagen. Natürlich kann man auch amüsiert bis interessiert zur Kenntnis nehmen, dass jetzt auch die Linke den Staatstrojaner fordert. Das ist gestern Morgen im Haus- haltsausschuss passiert. Herr Korte, vielleicht sollten Sie sich einmal mit Ihren Haushaltspolitikern zusammenset- zen. Das ist eine interessante Entwicklung. (Jan Korte [DIE LINKE]: Besser als privat und dann abschaffen!) Ich bin gespannt, wie Sie das hier erklären wollen. Die Entwicklung von diesem Antrag zur Forderung nach ei- nem Staatstrojaner ist ein interessanter Weg zu sich selbst. (Beifall bei der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Sie wissen genau, wie es gemeint ist!) Ich nehme die Gelegenheit hier gerne wahr, zu den technischen und rechtlichen Feinheiten von Überwa- chungssoftware Stellung zu nehmen. Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und FDP vereinbart, das BKA-Gesetz zu überarbeiten. Wir wollen gemeinsam den Kernbe- reichsschutz verbessern und das Verfahren im Sinne von mehr rechtsstaatlicher Kontrolle stärken. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wird ja auch langsam Zeit!) – Man muss ja auch in der zweiten Halbzeit noch etwas zu tun haben. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sonst wäre es ja langweilig. Was würdet ihr denn sagen, wenn wir jetzt nichts mehr zu tun hätten? (Beifall bei der FDP – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als ob die F n v d v D a ti d s M D F k n E s h S v m h s w u G ta g w ru s (C (D erste ein solcher Erfolg gewesen wäre! – Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) Herr Korte, es ist kein Geheimnis, dass sich die FDP- raktion mehr hätte vorstellen können. Vor ziemlich ge- au drei Jahren wurde hier im Haus das BKA-Gesetz erabschiedet. Das war am 12. November 2008. In der amaligen Debatte habe ich gesagt – bevor Sie es mir orwerfen –: Heimliche Durchsuchungen sind ein Novum in der deutschen Geschichte, ein Novum, auf das der Rechtsstaat aus unserer Sicht besser verzichten sollte. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) azu steht meine Fraktion nach wie vor. Wir wissen aber uch: Demokratie bedeutet, dass die jeweils demokra- sch bestimmte Mehrheit entscheidet. Die Mehrheit in er letzten Wahlperiode hat sich nicht für den Weg ent- chieden, den die FDP für den besten Weg hielt. Die ehrheit in dieser Wahlperiode will das nicht ändern. as nehmen wir zur Kenntnis. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und Binninger ist immer dabei! Er ist bei jeder Mehrheit immer dabei!) ür den Kernbereichsschutz werden wir aber gemeinsam ämpfen. Ich finde, auch das ist eine Verbesserung. Ich könnte immer wieder sagen, was die Grünen alles icht verbessert haben. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja! Das fehlt uns doch sonst!) rst gestern Abend haben wir hier das Bundesverfas- ungsschutzgesetz, das Rot-Grün auf den Weg gebracht at, deutlich verbessert. (Lachen des Abg. Wolfgang Wieland (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verschärft habt ihr es!) ehr geehrte Kollegen und sehr geehrte Frau Kollegin on den Grünen, an Ihrer Stelle würde ich die Kirche al im Dorf lassen. (Beifall bei der FDP) Ich weiß, dass das nicht die reine Lehre ist. Man muss ier aber Kompromisse machen. Wir sind der Verfas- ung verpflichtet – das gilt übrigens für uns alle –, und ir bemühen uns um eine Balance zwischen Sicherheit nd Freiheit. Deshalb werden wir den § 20 k des BKA- esetzes daraufhin überprüfen, wie der Schutz des unan- stbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung besser ewährleistet werden kann. Wir werden uns überall dort, o es um den Kernbereichsschutz geht, um Verbesse- ngen bemühen. In der eben schon erwähnten Rede habe ich auch ge- agt: Koalitionsrunden müssen ein wirklich wunderbares 16358 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Gisela Piltz (A) ) )(B) Vergnügen sein. Nach zwei Jahren kann ich sagen: Das trifft es. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aha! Was für Enthüllungen!) Sie sind aber nicht nur ein bevorzugter Zeitvertreib, son- dern auch Ausdruck dessen, was die Wählerinnen und Wähler erwarten. Sie erwarten vernünftige Kompro- misse. Weil das so ist, muss ich an dieser Stelle feststel- len, dass man nicht immer 100 Prozent bekommt. Wenn man aber, wie in diesem Fall, 50 Prozent bekommt und dadurch Verbesserungen beim Kernbereichsschutz er- reicht, dann ist das schon eine ganze Menge. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wo haben Sie die denn?) Es gibt in diesem Haus, um das noch einmal zu sagen – das haben wir auch in der Rede eben gehört –, keine parlamentarische Mehrheit für Ihren Antrag, Herr Korte. Sie können ihn tausendmal stellen. Sie können versu- chen, uns tausendmal zu ärgern. Es wird nicht funktio- nieren. Wir müssen mit der Realität umgehen. Das tun wir. Bei jedem Einsatz von Überwachungssoftware wer- den wir natürlich sehr genau darauf achten, dass die rechtlichen Vorgaben genau eingehalten werden. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das wäre ja mal etwas Neues!) Das ist in unserem Rechtsstaat selbstverständlich. Ich glaube, das sieht das gesamte Haus so. Norbert Blüm hat einmal gesagt – nein, ich meine nicht: „Die Rente ist sicher!“, sondern ein anderes Zitat –: Wer in der Regierung sitzt, muss Brände sofort lö- schen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Da habt ihr aber viel zu löschen!) Die Opposition kann über die Verbesserung der Feuerwehr in Ruhe nachdenken. Deshalb überlasse ich es den Linken, in ihrem Wol- kenkuckucksheim nachzudenken, während wir gemein- sam mit der Union ganz konkrete rechtsstaatliche Ver- besserungen durchsetzen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wo denn?) Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Jan Korte von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jan Korte (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD bereitet sich offenbar auch im Bereich der Innen- p s ri s p J s A d D s g tu b ro d o re d lä e o fü M d d s e le fr b k a s N c d s a B s n h m (C (D olitik auf die nächste Große Koalition vor. Das ist chlecht für das Land. Die FDP – das finde ich witzig – (Gisela Piltz [FDP]: Immerhin!) chtet auf allen Ebenen Flächenbrände an, in der Wirt- chafts- und Finanzpolitik und leider auch in der Innen- olitik. (Gisela Piltz [FDP]: Ja, ist klar!) etzt erzählen Sie uns hier, dass die Linke das löschen oll. Wir versuchen ja, das zu tun. Sie könnten unserem ntrag zustimmen, und dann könnte man den Brand ein- ämmen. So sieht es aus. (Beifall bei der LINKEN) as war ein bemerkenswerter Beitrag. Nun zum Thema. Erinnern wir uns an das BKA-Ge- etz und an die Einführung der Onlinedurchsuchung. Da ab es hysterische Interviews vor allem in Sonntagszei- ngen, in denen erklärt wurde, dass wir dies unbedingt rauchen, um im Kampf gegen den internationalen Ter- rismus bestehen zu können. Dann wurde die Online- urchsuchung gegen unsere Stimmen eingeführt; denn hne Onlinedurchsuchung, so die Auskunft der Bundes- gierung und derjenigen, die sie wollten, könne man en Terrorismus nicht effektiv bekämpfen. Es sei uner- sslich, sie einzuführen. Das waren Ihre Aussagen. Nun haben wir – es ist schon zitiert worden – 2010 in iner Kleinen Anfrage die Bundesregierung gefragt: Wie ft wurde die Onlinedurchsuchung überhaupt durchge- hrt? Die Antwort der Bundesregierung: kein einziges al. Das war die erste Täuschung der Öffentlichkeit; enn wenn Sie sagen, sie sei unerlässlich, und dann in er Antwort auf die Kleine Anfrage schreiben, dass Sie ie kein einziges Mal durchgeführt haben, besteht dort in gewisser logischer Widerspruch, den Sie nicht wider- gen können. (Beifall bei der LINKEN) Dann ging es weiter. Wir haben 2011 eine Kleine An- age zum selben Thema gestellt und gefragt: Wie oft ha- en Sie die Onlinedurchsuchung angewandt? Die Aus- unft der Bundesregierung lautete jetzt: Dazu geben wir us Geheimhaltungsgründen keine Auskunft. Das ist chlicht unseriös, weil man so nicht ernsthaft über die otwendigkeit oder Sinnlosigkeit der Onlinedurchsu- hung diskutieren kann. Das war die zweite Täuschung er Bundesregierung gegenüber der Öffentlichkeit. So ieht es aus. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Es gibt ein lau- fendes Verfahren! Das wissen Sie doch!) Jetzt wollen wir weiterdiskutieren. Wir sagen – auch ufgrund der Erfahrung aus den Auskünften, die die undesregierung der Linken gegeben hat –, dass wir die- en massiven Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte icht brauchen, weil er erstens unnütz, zweitens unver- ältnismäßig und drittens unangemessen für einen de- okratischen Rechtsstaat ist. Das möchte ich klar sagen. (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16359 Jan Korte (A) ) )(B) Die letzten Tage haben gezeigt, dass unser Antrag, der ein Jahr alt ist, aktueller denn je ist. Das wurde durch den Chaos Computer Club eindrucksvoll belegt. Der Chaos Computer Club, der Arbeitskreis „Vorratsdaten- speicherung“, das Aktionsbündnis „Freiheit statt Angst“ und die Linke sind übrigens die wahren Verfassungs- schützer, und Sie haben ein Problem mit der Verfassung. (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) So sieht es aus. Ich freue mich übrigens, dass Kollege Uhl anwesend ist. Er hat sich in der FAZ darüber aufgeregt, dass er, wenn Korte redet, sauer wird. Das freut mich. Ich hoffe, er wird heute noch saurer; denn es zeigt, dass wir richtig- liegen. Davon einmal abgesehen, steht im Antrag Folgendes: Bei diesem schwerwiegenden Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte – dort geht es um geschützte Räume – ist Abhilfe notwendig. Wir brauchen die Onlinedurchsu- chung nach Auskunft vieler überhaupt nicht. Man kann übrigens – dies ist heute möglich und war auch vor der Einführung der Onlinedurchsuchung möglich – die Computer von Verdächtigen einfach beschlagnahmen. Es ist ja nicht so, dass man vor Einführung der Online- durchsuchung keine Verbrechensbekämpfung machen konnte. Deswegen ist, wenn wir uns der Aufklärung ver- pflichtet fühlen, die logische Schlussfolgerung aus den Skandalen der letzten Wochen, dass wir erstens keine Onlinedurchsuchung mehr durchführen und dass wir zweitens – das ist der aktuelle Hintergrund – auch keine Onlinedurchsuchung über die Hintertür der Quellen- TKÜ zulassen. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen mehr parlamentarische Kontrolle. Man kann in einer Demokratie Behörden selbstverständlich vertrauen, man muss sie aber auch immer kontrollieren. Was man keinesfalls machen sollte, ist, dieser Bundes- regierung auch nur in einem Politikbereich zu vertrauen. Das wäre grob fahrlässig und schlecht für dieses Land. Deswegen sollten Sie dem Antrag zustimmen, sodass wir Vertrauen aufbauen und nicht abbauen, wie Sie es jede Woche hier tun. Schönen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Wieland von Bündnis 90/Die Grünen. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Korte, darüber, ob Sie nun die wahren Verfas- sungsschützer sind, lässt sich streiten. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das hat er sehr gut gesagt!) – a d V s z z – z w w p s d n d re K d V a tr ru h s S te re n E s ih In Z g (C (D Darüber lässt sich streiten. Ich lehne es ja gar nicht b. – Aber wahre Gesetzesmacher müssen Sie noch wer- en. Wer die Bundesregierung zu Hilfe ruft und um eine orlage bittet, um einen Paragrafen im BKA-Gesetz zu treichen, der muss es trotz des hervorragenden Justi- iars Wolfgang Nešković offenbar noch lernen, Gesetze u machen. Das sage ich Ihnen einmal vorneweg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jan Korte [DIE LINKE]: Die können Sie ja dann schreiben!) Die Streichung eines Paragrafen traue ich Ihnen schon u. Zweitens. Liebe Kollegin Piltz, Sie haben sich selber underbar zitiert. Da haben wir Beifall geklatscht. Es aren aber leider die Worte aus der letzten Legislatur- eriode. (Gisela Piltz [FDP]: Aber Sie wissen doch, was der Unterschied ist, Herr Kollege!) Nun kündigen Sie an, nachdem der Herbst der Ent- cheidung letztes Jahr verstrichen ist – er war ein Herbst er Fehlentscheidung – und nachdem dieser Herbst dem- ächst auch vorbei sein wird, (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Winter der Geschlossenheit!) ass Sie irgendwann einmal den ganz großen bürger- chtlichen Entwurf machen und irgendwann einmal den ernbereichsschutz durchsetzen wollen. Wer soll Ihnen as denn glauben? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Gestern Abend haben Sie die Regelungen für den erfassungsschutz und die Nachrichtendienste zweimal n entscheidender Stelle verschärft. Das Surfen in zen- alen Datenbanken und das Surfen in den Flugreservie- ngssystemen (Gisela Piltz [FDP]: Herr Kollege, Sie haben es immer noch nicht verstanden!) aben Sie immer bekämpft wie der Teufel das Weihwas- er. Jetzt haben Sie es zugelassen. (Gisela Piltz [FDP]: Sie haben doch mit dem Surfen angefangen, Herr Kollege!) Nun kommen wir einmal zur Onlinedurchsuchung. ie haben es – anders als sonst – ja nicht für nötig gehal- n, hier mit den sogenannten Otto-Katalogen aufzufah- n. Dann mache ich es an Ihrer Stelle. Darin war sie icht enthalten. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) s gab unter Rot-Grün Onlinedurchsuchungen ohne ge- etzliche Grundlage. Staatssekretär Diwell – wir hätten n gerne dazu befragt; die SPD war zu feige, ihn in den nenausschuss zu schicken – sagte, er sei mit einem ettel in das Parlamentarische Kontrollgremium gegan- en und habe gar nicht gewusst, was eine Onlinedurch- 16360 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Wolfgang Wieland (A) ) )(B) suchung ist; das habe man ihm aufgeschrieben und ihn falsch unterrichtet. Wir haben diesen Begriff bei den Haushaltsberatun- gen gelesen. (Gisela Piltz [FDP]: Nicht Sie, wir!) Da stand: Onlinedurchsuchung, Fernabfrage von Com- putern. Ich fragte meine Assistenten, die ein bisschen jünger sind: Was kann das denn sein? Auch sie hatten keine Ahnung. Ich dachte – sehr rechtsstaatlich, so ist man ja geprägt –, dass sie in Nürnberg einen Computer beschlagnahmen und dann von Wiesbaden aus die Fest- platte auswerten. Das war meine Vorstellung. Erst als ein Richter am BGH gesagt hat: „Ich lasse das nicht zu; das ist keine Durchsuchung“, wussten wir, was die Onlinedurchsuchung ist. Sie kam genauso durch die Hintertür in die parlamentarische Beratung, wie sie heimlich auf die Festplatten der Computer kommt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sagen nach wie vor: Auch wir wollen sie nicht, und wir brauchen sie nicht. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sie ist aber zulässig!) Herr Kollege Korte, Sie rätseln immer, wie häufig die Onlinedurchsuchung eingesetzt wurde. Das hat man uns in der Unterrichtung der Obleute gesagt – auch der Ver- treterin Ihrer Fraktion –: Sie wurde dieses Jahr einmal durchgeführt, und zwar bei der Düsseldorfer Zelle. Nun kann man sagen – das tun ja Binninger & Co –: Einmal ist keinmal; das ist so wenig, dass wir es ver- nachlässigen können. (Helmut Brandt [CDU/CSU]: Das zeigt, wie sorgfältig damit umgegangen wird!) Man kann auch sagen: Sie haben es im Hinblick auf diese Diskussion gemacht, damit Sie sagen können: Wir brauchen dieses Instrument. – Ob es irgendein Ergebnis hatte, wissen wir übrigens bis heute nicht. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Der An- schlag wurde doch verhindert!) Das sollte man noch auswerten. Lieber Kollege Binninger, das Entscheidende ist doch etwas völlig anderes. Die Gefährdungseinschätzung, die Sie gegeben haben, teilen wir. Daraus kann aber nicht folgen, dass der Staat alles darf, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das darf er ja auch nicht!) sondern daraus muss folgen, dass es einen starken Schutz der Bürgerrechte gibt. (Helmut Brandt [CDU/CSU]: Den gibt es doch!) Diese Frage wird im Übrigen nicht hier entschieden. Sie wird in Karlsruhe entschieden. Wir haben zusammen m H h h n m d C n H z m s W re B g b in L a ü b Ih s k b Ic n u re m A d (C (D it noch wahrhaft Liberalen wie Herrn Baum und Herrn irsch gegen das BKA-Gesetz geklagt. Wir werden se- en, was dabei herauskommt. Liebe Kollegin Piltz, auf Ihre Tendenzwende, die Sie ier herbeiformulieren, warten wir nicht. Der trauen wir icht. Das ist alles Humbug; tut mir leid. Aus Merde der- aßen Gold zu machen, das geht hier nicht durch. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gisela Piltz [FDP]: Das war aber schon ein bisschen unparlamentarisch, Herr Kollege!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat as Wort der Kollege Armin Schuster von der CDU/ SU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- en und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und erren! Die Linke wird leider nicht müde, uns einreden u wollen – auch Herr Wieland hat da gerade mitge- acht –, dass der Staat permanent durch nichtverfas- ungsgemäße Eingriffe unsere Privatsphäre bedroht. (Widerspruch bei der LINKEN) ir kennen dieses Déjà-vu-Phänomen der Linken be- its zur Genüge. Ich habe mir die Mühe gemacht, die edeutung des Wortes „Déjà-vu“ einmal nachzuschla- en. Es beschreibt ein psychologisches Phänomen und edeutet: qualitative Gedächtnisstörung oder auch Er- nerungs- bzw. Bekanntheitstäuschung. (Raju Sharma [DIE LINKE]: Das ist doch Ihr Déjà-vu!) Meine sehr verehrten Damen und Herren von den inken, den Ihnen aus Ihrer Erinnerung bekannten und uch in Ihrer Fraktion wahrscheinlich umschwärmten bergreifenden Staat, von dem Sie ständig sprechen, ha- en wir 1990 hinter uns gelassen. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das war gut so!) r Versuch, analoge Verhältnisse in unserem Rechts- taat ausfindig zu machen, ist also eine klassische Be- anntheits- oder Erinnerungstäuschung. Ich halte das für ehandelbar. (Jan Korte [DIE LINKE]: Na ja, dann haben Sie ein Borderline-Problem!) h würde aber einen Versuch ohne Rezeptgebühr unter- ehmen, Ihnen das zu erklären. Passwortdiebstahl im Netz, Datenklau, Cyberstalking nd Betrug mit Millionenschäden sind im Moment die alen Bedrohungen der Privatsphäre im Netz. Davor öchten Internetnutzer in erster Linie geschützt werden. llen netzaffinen Usern sollte klar sein, dass im Zeitalter er IT neue Kriminalitätsbedrohungen entstanden sind, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16361 Armin Schuster (Weil am Rhein) (A) ) )(B) die das Vertrauen in die digitale Welt nachhaltig erschüt- tern können. Wenn wir dieser Gefahr durch die Anwen- dung passender polizeilicher Instrumente erfolgreich be- gegnen, stören wir nicht. Nein, wir schützen eine gedeihliche Entwicklung dieser Informationstechnolo- gie. Das ist unser erklärtes Ziel. Natürlich dürfen Ermittlungsbehörden – so Ihr Vor- wurf – nie einen Blankoscheck ausgestellt bekommen, mit dem sie ungehemmt und ohne richterliche Überwa- chung auf Daten zugreifen können. Wir müssen den Er- mittlern aber wirkungsvolle und zugleich verfassungs- gemäße Mittel an die Hand geben, um zum Beispiel Terrorplanungen oder schwerste Kriminalität unter Zu- hilfenahme der IT erfolgreich bekämpfen zu können. Dafür kann es im Extremfall auch sinnvoll sein, auf die von Verdächtigen genutzten Rechner unbemerkt zuzu- greifen – und das mit rechtsstaatlichen Verfahren, so wie es in § 20 k BKA-Gesetz sehr präzise geregelt ist. Eine Onlinedurchsuchung findet lediglich zur Abwehr terro- ristischer Gefahren statt. Die Maßnahme darf nur ange- ordnet werden, wenn die Aufgabenerfüllung des BKA sonst aussichtslos oder wesentlich erschwert würde. Wir haben sehr konkrete technische Bedingungen und die Protokollpflicht der Ermittler formuliert. So sieht Rechtsstaatlichkeit im Detail aus. Wer dem Bundesverfassungsgericht, an dessen Vorga- ben wir uns orientiert haben, den anordnenden Richtern, dem Präsidenten, dem Datenschutzbeauftragten und den ermittelnden Beamten des BKA nicht vertraut, der miss- traut letztendlich dem demokratischen Rechtsstaat. Das müssen Sie sich vorhalten lassen. (Jan Korte [DIE LINKE]: Was hat das mit Kontrolle zu tun? Meinen Sie, das braucht keine Kontrolle, oder was? Warum lassen Sie sich dann in den Bundestag wählen?) Meine Damen und Herren, Grundrechte schützen wir nicht, indem wir rechtsfreie Räume schaffen. Wer Bür- gerrechte schützen will, muss die Strafverfolgungsbe- hörden dazu ertüchtigen, Schwerstkriminalität und Ter- rorismus wirksam zu verfolgen. Herr Korte, in der letzten Woche haben Sie in einer Debatte behauptet, dass der Einsatz von Staatstrojanern die Menschen verunsi- chere. (Zurufe von der LINKEN: Ja!) Ich weiß nicht, in welchen Kreisen Sie verkehren. (Jan Korte [DIE LINKE]: Nicht in Ihren offenbar!) Die Menschen, mit denen ich spreche, haben ganz an- dere Sorgen, und zwar die tatsächliche Kriminalitätsbe- lastung im Netz. Die Informationen dazu kommen durch die zunehmend öffentliche Berichterstattung bei den Bürgen an. Deshalb werden sie im Umgang mit dem In- ternet und elektronischer Kommunikation vorsichtiger. Das kann doch nicht unser Wunsch sein. (Jan Korte [DIE LINKE]: Also keine Öffent- lichkeit mehr, oder was?) s m V O m d m H d s g e p W W li k s b O n s n tr c le g W R ru fi d d h (C (D Daher wollen wir Tätern, die das Vertrauen der Men- chen zerstören, mit zeitgemäßen Mitteln, zum Beispiel it der Quellen-TKÜ, der Onlinedurchsuchung oder der orratsdatenspeicherung, wirkungsvoller begegnen. Die nlinedurchsuchung ist das letzte Mittel, also ein Instru- ent, das nur dann zum Einsatz kommt, wenn die beson- ere Gefährdungslage dies anzeigt und andere Instru- ente nicht erfolgversprechend sind. Die gesetzlichen ürden sind so hoch, dass das BKA bisher kaum auf iese Weise auf Festplatten zugegriffen hat. Die Linke will diese Befugnis aus dem BKA-Gesetz treichen; ich weiß nicht, ob aus politischem Kalkül, auf- rund mangelnden juristischen Sachverstands oder ganz infach aufgrund ihrer Inkompetenz im Hinblick auf olizeiliches Fachwissen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Aus beidem wahrscheinlich! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Eine Gemengelage ist das! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wie kann man nur so arrogant sein?) ir in der Union sehen das jedenfalls diametral anders. enn das Internet als Tatmittel genutzt wird, ist die On- nedurchsuchung eine der wirksamsten Methoden, um ryptierte Beweismittel zu sichern. Ob wir unter Um- tänden die gesetzlichen Hürden zu hoch angesetzt ha- en, sollten wir allerdings evaluieren. (Jan Korte [DIE LINKE]: Mit der FDP können Sie das ja machen!) Da wir gerade bei diesem Thema sind: Warum es die nlinedurchsuchung – wir halten sie für wirkungsvoll – icht in der Strafprozessordnung gibt, auch darüber müs- en wir noch einmal diskutieren. Mir erschließt sich das icht. (Jan Korte [DIE LINKE]: Oh! Oh! Das gibt Ärger!) Abschließend: Abenteuerlich, Herr Korte, ist Ihr An- ag. Sie mühen sich einerseits, die Gefahr des Überwa- hungsstaates an die Wand zu malen. Andererseits stel- n Sie in Ihrem Antrag fest, dass das BKA dieses Mittel ar nicht oft nutzt. (Zuruf von der LINKEN: Es wird gar nicht ge- nutzt!) as denn nun? Erinnern Sie sich an den Anfang meiner ede: Ein Déjà-vu ist eine qualitative Gedächtnisstö- ng. Ich weiß nicht, was Ihr Arzt oder Apotheker emp- ehlt. Den Kolleginnen und Kollegen empfehle ich je- enfalls die Ablehnung Ihres Antrags. Den Menschen in iesem Land empfehle ich beim Thema „innere Sicher- eit“ die Union. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Grauenhafte Nebenwirkungen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. 16362 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) ) )(B) Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Innenaus- schusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Befugnis des Bundeskriminalamtes zur Online- Durchsuchung aufheben“. Der Ausschuss empfiehlt in sei- ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/3633, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/2423 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be- schlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stim- men von Linken und Grünen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 a und b auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Rechts der Verbraucherinformation – Drucksache 17/7374 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Petra Crone, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verbraucherinformationsgesetz zügig refor- mieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Karin Binder, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE Verbraucherinformationsgesetz jetzt ver- braucherfreundlich ausgestalten – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Ulrike Höfken, Cornelia Behm, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Verbraucherinformationsgesetz jetzt novel- lieren – zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- rung Bericht der Bundesregierung über die Er- gebnisse der Evaluation des Verbraucherin- formationsgesetzes – Drucksachen 17/2116, 17/1576, 17/1983, 17/1800, 17/3928 – Berichterstattung: Abgeordnete Peter Bleser Elvira Drobinski-Weiß Dr. Erik Schweickert Caren Lay Nicole Maisch A d s n C K u d p h s p n v m A N e le d a M G z G s w g e c s m V s s B v d w W n F e s te fü B w b (C (D Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi- erspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das o beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- erin das Wort der Kollegin Mechthild Heil von der DU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mechthild Heil (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Heute ist ein guter Tag für die Verbraucherinnen nd Verbraucher. Heute bringen wir das neue, anwen- ungsfreundlichere Verbraucherinformationsgesetz in den arlamentarischen Prozess ein. Das VIG, wie es kurz eißt, ist eines der wichtigsten verbraucherschutzpoliti- chen Vorhaben der Koalition in dieser Legislatur- eriode. Die Union bringt mit unserer Ministerin Ilse Aigner un auf den Weg, woran seit 2001, seit Renate Künast on den Grünen, viele gescheitert sind. Es gab im parla- entarischen Verfahren insgesamt vier Anläufe. Sechs nhörungen wurden zu diesem Thema durchgeführt. Im ovember dieses Jahres gibt es auf Wunsch der SPD ine siebte Anhörung, frei nach Karl Valentin: Es ist al- s gesagt, nur noch nicht von jedem. Fast könnte man meinen, die Opposition habe nicht en Willen, diesen Meilenstein des Verbraucherschutzes uf den Weg zu bringen. Seit Inkrafttreten des VIG im ai 2008 sind mehr als drei Jahre vergangen. Wie in der roßen Koalition vereinbart, wurde das Gesetz nach wei Jahren Anwendungszeit evaluiert. Wir stellten das esetz auf den Prüfstand: Was läuft gut? Was läuft chlecht? Welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Wir ollen ein umfassenderes, schnelleres und kostengünsti- eres Verbraucherinformationsgesetz schaffen. Uns ist in guter Balanceakt zwischen berechtigten Verbrau- herinteressen und berechtigten Bedenken der Wirt- chaft gelungen. Drei unabhängige Studien hat das Verbraucherschutz- inisterium in Auftrag gegeben und so die vorliegenden erbesserungen wissenschaftlich untermauert. Zu die- em Gesetzentwurf wurde eine eigene Homepage ge- chaltet. Es gab eine sechsmonatige Dialogphase unter eteiligung von Vertretern des Verbraucherschutzes und on Wirtschaftsverbänden. Auch die Erkenntnisse aus em Skandal, dass Dioxin in Futtermitteln gefunden urde, haben Eingang in dieses Gesetzeswerk gefunden. ir setzen mit diesem Gesetz also auch Teile der Maß- ahmen des „Aktionsplanes Verbraucherschutz in der uttermittelkette“ vom Januar 2011 um. Meine Damen und Herren, Sie sehen: Dieser Gesetz- ntwurf ist sehr intensiv begleitet worden. Die unter- chiedlichen Lager sind klar: Die einen würden am liebs- n eine Lex WikiLeaks aus dem VIG machen, andere rchten Industriespionage und die Offenlegung ihrer etriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die Wahrheit liegt ie so oft in der Mitte. Wo ist die Mitte? Sie ist immer ei der CDU/CSU. Wir sind bekannt für die Mitte. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16363 Mechthild Heil (A) ) )(B) (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Erik Schweickert [FDP]) Die vom Bundestag beschlossene Evaluation des VIG zeigte: 80 Prozent der 487 Anfragen waren kostenfrei, 70 Prozent wurden fristgerecht beantwortet. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Heil, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kelber von der SPD? Mechthild Heil (CDU/CSU): Nein. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Pech gehabt! – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/ CSU], an den Abg. Ulrich Kelber [SPD] ge- wandt: Dann müssen Sie selber reden! – Ge- genruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Norma- lerweise nennt man so was Angst! Das passt vermutlich nicht zur aufgeschriebenen Rede!) 487 Anfragen sind nicht viel. Daraus lernen wir: Für die Bürger war das Abfragen von Informationen häufig zu kompliziert, die Verfahrenswege waren zu lang, und die Unsicherheit über mögliche Kosten war zu groß. Dies ändern wir jetzt. Dadurch machen wir das VIG noch praxisnäher und verbraucherfreundlicher. Zu dem bisherigen Kernziel des VIG, der Transparenz, kommen jetzt kostengünstigere Informationen und Schnelligkeit hinzu. Die meisten Anfragen, für die ein Verwaltungsauf- wand von bis zu 250 Euro anfällt, werden vollständig kostenfrei gestellt. Bei Rechtsverstößen ist das Einholen von Auskünften sogar bis 1 000 Euro kostenfrei. Gleich- zeitig wird auf einen schriftlichen Antrag verzichtet. Eine formlose E-Mail oder ein Anruf reicht künftig schon aus. Dies stellt eine enorme Verbesserung gegen- über dem bisherigen Gesetzentwurf dar. Bei einer einfachen Anfrage war es bei Bundesbehör- den bisher üblich, eine Gebühr zwischen 5 Euro und 25 Euro zu erheben. Bei ausführlichen Auskünften konnten es auch schon einmal 250 Euro werden. Jetzt ist für den Verbraucher klar: In der Regel hat er keine Kos- ten zu erwarten. Sollte sich jedoch abzeichnen, dass hö- here Kosten anfallen werden, wird vorab ein Kostenvor- anschlag erstellt. Wir sorgen also für Klarheit und Sicherheit. Kein Verbraucher wird zukünftig durch hohe Verwaltungskosten abgeschreckt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Wir sollten uns jedoch davor hüten, aus dem berech- tigten Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bür- ger einen Infostand für Verbände und Lobbyisten zu ma- chen. Ich spreche von den sogenannten Globalanfragen. Es gibt Fälle, in denen Behörden ganze Broschüren mit mehr als 100 Fragen abzuarbeiten hatten. Das hat nichts mehr mit Verbraucherinformation zu tun. Wir wollen ein Verbraucherinformationsgesetz und kein Verbändeinfor- mationsgesetz schaffen. Deshalb sind umfangreiche Glo- balanfragen kostenpflichtig, wenn die Kosten für die Be- a s d h D w fo V H s b w d F d n tu d z g z n d p d te n F S s n Z z m p s (C (D ntwortung mehr als 1 000 Euro betragen. Es darf nicht ein wie bisher, dass die Lobbygruppen die Kosten für en Rechercheaufwand der Behörden auf die Allgemein- eit abwälzen. (Beifall bei der CDU/CSU) em schieben wir einen Riegel vor. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Na großartig!) Das neue VIG ist nicht nur gerechter, sondern zudem ird eine breitere Produktpalette abgedeckt. Neben In- rmationen zu Lebensmitteln und Kosmetika können erbraucher künftig auch Auskunft über Spielzeug, aushaltsgeräte, Heimwerkerartikel und andere techni- che Verbrauchsartikel erhalten. Da die Opposition eine Ausweitung auf den Finanz- ereich fordert, sei an dieser Stelle schon betont: Das ird im IFG, dem Informationsfreiheitsgesetz des Bun- es, geregelt. Bereits jetzt können Informationen über inanzdienstleistungen bei der BaFin nachgefragt wer- en. Einen Grund zur Ausweitung des VIG auf den Fi- anzbereich gibt es also nicht. Anstatt über eine Auswei- ng zu debattieren, konzentrieren wir uns lieber darauf, en Auskunftsanspruch auch inhaltlich zu erweitern und u stärken. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Würden Sie jetzt eine Zwischenfrage zulassen? Mechthild Heil (CDU/CSU): Nein. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das ist eben schon abgelehnt worden; das gilt für die anze Aussprache. Mechthild Heil (CDU/CSU): Genau. (Ulrich Kelber [SPD]: Auf dem Zettel stehen die Antworten halt nicht!) Künftig können die Bürger auch nach Informationen ur Produktsicherheit fragen, also beispielsweise da- ach, ob den Behörden Erkenntnisse darüber vorliegen, ass bestimmte ausländische Produkte nicht den euro- äischen Sicherheitsstandards entsprechen. Wir machen as Gesetz schneller, indem wir die seit Jahren bewähr- n Regelungen aus dem Umweltinformationsrecht über- ehmen und im Ergebnis Einspruchsmöglichkeiten und risten für Unternehmer straffen. Die schriftliche Anhörung betroffener Dritter entfällt. tattdessen gibt es künftig die Möglichkeit der formlo- en Anhörung, zum Beispiel durch das Telefon. Mit ei- er solchen Maßnahme können wir bis zu vier Wochen eit sparen. Bei erheblichen Täuschungsfällen gibt es udem eine Veröffentlichungspflicht der Behörden. Durch eine Ergänzung des Lebensmittel- und Futter- ittelgesetzbuches werden die Behörden außerdem ver- flichtet, alle Rechtsverstöße durch Grenzwertüber- chreitungen zwingend zu veröffentlichen. Alle sonstigen 16364 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Mechthild Heil (A) ) )(B) Verstöße, zum Beispiel gegen Hygienevorschriften, wer- den veröffentlicht, wenn ein Bußgeld von mindestens 350 Euro zu erwarten ist. Einige Bundesländer sind hier schon vorangegangen, zum Beispiel das Saarland. Dort werden bußgeldbewehrte Verfahren bereits ins Internet gestellt, ohne dass dies zu wirtschaftlichen Verwerfungen geführt hätte. Mit diesem Gesetz bewegen wir uns auf dem schma- len Grat zwischen dem Anspruch auf Informationsfrei- heit und dem Schutz von Betriebsgeheimnissen. Deshalb möchte ich noch einmal ganz deutlich festhalten: Das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bleibt auch weiterhin geschützt. Klar ist jedoch: Mess-, Analyse- und Kon- trollergebnisse bei Grenzwerten fallen nicht unter den Geheimnisschutz. Natürlich werden Rezepturen und Mischverhältnisse nicht offengelegt. Dies ist bei den be- stehenden gesetzlichen Regelungen gar nicht möglich. Ein zu hoher Dioxingehalt in Lebens- oder Futtermitteln gehört allerdings nicht zu einer Rezeptur. Damit ist es auch nicht als Geheimnis schützenswert. Mir geht es in erster Linie um Vertrauensschutz. Die Lehre aus der Lebensmittel- und Futtermittelkrise hat gezeigt: Wenige schwarze Schafe und Kriminelle dürfen nicht länger eine ganze Branche in Verruf bringen. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Na also!) Dioxin und Ehec haben gezeigt: Die beste Maßnahme gegen Angst und Unsicherheit im Krisenfall sind seriöse und zeitnahe Informationen von öffentlicher Stelle. Mit diesem Gesetz erteilen wir behördlicher Geheimniskrä- merei eine Absage, bauen Besorgnisse in der Bevölke- rung ab und stellen verlorenes Vertrauen wieder her. Das Verbraucherinformationsgesetz ist so gesehen ein Wirt- schaftsvertrauensaufbaugesetz. Wie es bei den Sozialdemokraten, lieber Herr Kelber, bezüglich des Vertrauens in die deutsche Wirtschaft und des ernsten Wunsches nach mehr Informationen für die Verbraucher steht, lässt sich an den Beratungen im Bun- desrat sehen. (Ulrich Kelber [SPD]: Lassen Sie jetzt eine Zwischenfrage zu?) Die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der SPD- Fraktion im Bundestag sah sich genötigt, schriftlich ein- zugreifen. Den Staatskanzleien, Wirtschafts- sowie den Verbraucherschutzministerien der SPD-geführten Län- der schrieb sie – ich zitiere aus dem Handelsblatt –: Das VIG … sei verbraucherfreundlich. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Aber nicht in allen Punkten!) Der Wirtschaftsausschuss wolle den Entwurf „ver- wässern“. So entstehe das Bild, die SPD sei weni- ger verbraucherfreundlich als Schwarz-Gelb. (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Frau Drobinski-Weiß, in mir haben Sie eine Verbündete gegen Ihre verbraucherschutzfeindlichen SPD-Kollegen. L d d d s u h a s D d d a d ti g V a ic d B e V g k s re V tr d d D a s n (C (D (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das ist aus dem Zusammenhang gerissen! – Ulrich Kelber [SPD]: Wir wollten nur nicht so schlecht da- stehen wie Sie!) iebe SPD, stehen Sie, wie Ihre Sprecherin, an der Seite er christlich-liberalen Koalition und damit an der Seite er Bürgerinnen und Bürger, oder wollen Sie sich vor en Karren von einzelnen Verbänden spannen lassen? Wir werden die Beratungen weiter im Ausgleich zwi- chen Verbraucherinnen und Verbrauchern auf der einen nd Unternehmen auf der anderen Seite führen. Sie sind erzlich eingeladen, sich daran konstruktiv zu beteiligen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich will nur kurz darüber informieren, dass das Licht usgegangen ist, weil die Sicherungen herausgesprungen ind. (Ulrich Kelber [SPD]: Kein Wunder!) as ist keine besondere Sparmaßnahme des Präsidiums es Deutschen Bundestages gewesen. Dafür sind jetzt ie Ventilatoren angegangen. Die Techniker versuchen, uch das Problem zu lösen. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ich dachte, es wäre ein Staubsauger! – Gisela Piltz [FDP]: Ich dachte, wir würden rausgesaugt!) Wir können in der Debatte fortfahren. Das Wort hat ie Kollegin Elvira Drobinski-Weiß von der SPD-Frak- on. (Beifall bei der SPD) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- en! Ich hatte schon gedacht, weil jetzt die CDU zum IG spricht, gehen die Lichter aus. – Bevor ich konkret uf das Verbraucherinformationsgesetz eingehe, möchte h den Rahmen noch etwas weiter spannen. Ich denke, ass wir in der Beschäftigung mit den Details oft den lick fürs Wesentliche verlieren und für das, worum es igentlich geht. Ich möchte das hier kurz ausführen. Es geht um das erhältnis zwischen Verbrauchern, Markt und Staat. Es eht darum, Verbraucherinnen und Verbraucher zu stär- en. Es geht darum, verantwortungsvolle Anbieter zu tärken. Und es geht darum, mit einer neuen Transpa- nzkultur dafür zu sorgen, dass Verbraucherinnen und erbraucher erkennen können, welchen Angeboten sie auen können. Es geht um einen zukunftsfähigen Markt, en die Konsumenten mitgestalten und dem der Staat ort Grenzen setzt, wo unverantwortlich gehandelt wird. as erwarten die Menschen von uns. Da muss auch ich ls Abgeordnete klar Position beziehen, auch wenn man ich damit nicht überall beliebt macht. Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuhörerin- en und Zuhörer auf der Tribüne, eines der häufigsten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16365 Elvira Drobinski-Weiß (A) ) )(B) Wörter in dieser Woche war, wenn es um die Verbrau- cherpolitik ging, das Wort „Pranger“. Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wur- den in den amtlichen Kontrollen in Gaststätten und Le- bensmittelgeschäften bei rund einem Viertel der Betriebe Verstöße festgestellt. Diese Zahl ist leider seit fünf Jah- ren stabil auf hohem Niveau. In den meisten Fällen geht es dabei um Hygienemängel. Ich frage Sie alle: Welche Beweise braucht es noch, damit endlich alle verstehen, dass die Ergebnisse amtli- cher Kontrollen grundsätzlich veröffentlicht werden müssen? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie müssen für Verbraucher direkt an der Eingangstür der Betriebe sichtbar sein, sei es in Form des bereits be- kannten Smiley-Symbols nach dänischem Vorbild oder in Form des Hygienekontrollbarometers in Ampelfar- ben. Bereits im Mai haben sich die Verbraucherminister der Länder auf die Hygieneampel verständigt. Sie muss endlich kommen. Die miserablen Kontrollergebnisse sind eklig und für die Branche beschämend. Doch statt die Veröffentlichung zu unterstützen und zu nutzen, um schwarze Schafe – auch die Kollegin Heil hat diese an- gesprochen – aus den eigenen Reihen zu drängen, verun- glimpfen einige Vertreter der Branche die Transparenz für Verbraucher als Pranger. Als Pranger wird auch das Internetportal www.lebensmittelklarheit.de beschimpft, und zwar von der Lebensmittelbranche, die eigentlich froh sein sollte, dass sie hier direkt vom Verbraucher erfahren kann, wo- rin er sich getäuscht fühlt. Davon können die Wirtschaft und auch die Politik profitieren – vorausgesetzt, man geht auf die Bedürfnisse der Verbraucher ein. Wir von der SPD begrüßen den Erfolg dieses Portals. Allerdings zeigt die große Resonanz, dass in Sachen Verbraucher- vertrauen einiges im Argen liegt. Wir finden, das muss politische Konsequenzen haben. (Beifall bei der SPD) Warum begreifen nicht alle Anbieter die Transparenz gegenüber dem Verbraucher als Chance, sondern fühlen sich an den Pranger gestellt? Diese Haltung ist alles an- dere als vertrauenerweckend. Eher ist man geneigt, zu vermuten, dass es etwas zu verbergen gibt. Warum leis- tet die Bundesregierung dieser Verdunkelungskultur Vorschub, indem sie den Entwurf eines Verbraucher- informationsgesetzes vorlegt, welches immer noch kei- nen Auskunftsanspruch der Verbraucherinnen und Ver- braucher gegenüber den Unternehmen enthält? Im August 2006 haben wir gemeinsam mit der CDU/ CSU in einem Entschließungsantrag zum VIG die Eva- luierung und Überprüfung innerhalb von zwei Jahren festgeschrieben. Der Antrag enthielt aber noch mehr: Die Unternehmen wurden darin aufgefordert, Vorschläge vorzulegen, wie sie Verbrauchern Informationszugang gewähren und die Vergleichbarkeit sicherstellen wollen. Für den Fall, dass kein solches Angebot der Anbieter v k k k d H d in D s w re S z s te n B tu lu n d k u B fa S im s d (C (D orgelegt wird, ist ein gesetzlich festgeschriebener Aus- unftsanspruch vorgesehen. Heute, nach über fünf Jahren, sind wir in dieser Frage einen Schritt weiter. Wo bleibt der gesetzliche Aus- unftsanspruch gegenüber den Unternehmen? Ebenfalls schon im Antrag von 2006 vorgesehen war ie Erweiterung auf alle Produkte und Dienstleistungen. eute: keine Spur davon. Dabei ist dies noch im April ieses Jahres sogar von der FDP gefordert worden. (Ulrich Kelber [SPD]: Da hat Frau Happach- Kasan nicht aufgepasst an dem Tag!) Im April forderte der Kollege Professor Schweickert einer Pressemitteilung – Zitat –: Angesichts der Finanzkrise und der offensichtli- chen Transparenzlücken bei Finanzanlagen streben wir eine Ausweitung des Verbraucherinformations- gesetzes auf den Bereich der Finanzaufsicht an. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) as sind leider leere Worte geblieben. Offensichtlich trebt die FDP immer noch. Schließlich die Kostenregelung. Die zeigt uns nun irklich, wie es um die Transparenzkultur dieser Bundes- gierung bestellt ist. Kostendeckende Gebühren will chwarz-Gelb verlangen, wenn die Kosten von Anfragen u Rechtsverstößen die Grenze von 1 000 Euro über- chreiten. Damit wollen Sie natürlich kritische Journalis- n und NGOs abschrecken. Für uns Sozialdemokratin- en und Sozialdemokraten haben aber gerade NGOs wie UND, vzbv, Foodwatch, Greenpeace oder auch die Stif- ng Warentest eine wichtige Funktion bei der Vermitt- ng von Informationen. Genau denen wird die Arbeit un erschwert. Das ist eine enorme Verschlechterung; enn bislang waren alle Anfragen zu Rechtsverstößen ostenfrei. Darauf, so finden wir, haben die Bürgerinnen nd Bürger ein Recht. Das hier ist keine Transparenzkultur. Im Gegenteil: ei dieser Bundesregierung besteht Verdunkelungsge- hr. Da machen wir nicht mit. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Dr. Erik chweickert von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Erik Schweickert (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur Plenum geht das Licht bei Schwarz-Gelb an. Ich bin icher, dass auch beim Verbraucherinformationsgesetz en Verbrauchern ein Licht aufgehen wird. (Caren Lay [DIE LINKE]: Jetzt werden Sie ja ganz poetisch!) 16366 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Dr. Erik Schweickert (A) ) )(B) Warum? Das Verbraucherinformationsgesetz ist seit nun- mehr gut drei Jahren in Kraft. Es sollte den Verbrauche- rinnen und Verbrauchern mehr Information und mehr Transparenz bringen. Wir haben dieses Gesetz der Gro- ßen Koalition evaluiert und über die gewonnenen Erkenntnisse im breiten Dialog mit den Verbraucherorga- nisationen, den betroffenen Branchen und den Unterneh- men diskutiert. Wir haben daraus unsere Schlüsse gezo- gen und legen Ihnen nun ein gegenüber dem Istzustand deutlich verbessertes Gesetz vor. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Spärlicher Bei- fall!) Das VIG ist konzipiert, um den Bürgerinnen und Bür- gern ein Instrument an die Hand zu geben, das dazu dient, mehr Informationen zu bekommen. In gewisser Weise wurde durch das VIG auch bei den Behörden ein Trend zu mehr proaktiver Information insbesondere im Lebensmittelbereich hervorgerufen. Das ist ein erfreuli- ches Ergebnis des VIG und zeigt seine steuernde Wir- kung. (Ulrich Kelber [SPD]: Was ist mit den Finanz- produkten?) – Wenn Sie eine Frage stellen wollen, Herr Kelber, dann melden Sie sich. Der Istzustand des Verbraucherinformationsgesetzes zeigt aber auch gravierende Schwächen. Dabei ist insbe- sondere hervorzuheben, dass laut Evaluationsbericht in- nerhalb eines Jahres nur 487 Anfragen erfolgt sind. Nur ein Bruchteil davon stammte von Privatpersonen. Das Gesetz wurde also von denen, für die es eigentlich ge- macht wurde, so gut wie nicht genutzt. Daher müssen wir uns zu Recht fragen, ob das VIG zu kompliziert ist. Wir sind der Meinung, dass es bislang zu kompliziert, zu wenig transparent und zu bürokratisch ist. Lassen Sie mich dazu vier Punkte anführen: Erstens. Ein Gesetz, das zu mehr Transparenz beitra- gen sollte, war wenig transparent; denn wenn man eine Anfrage stellen wollte, wusste man nicht, ob auf einen Kosten zukommen und, wenn ja, wie hoch sie sein wer- den. Aus Sorge um hohe Kosten haben viele Menschen erst gar keine Anfrage gestellt. Zweitens. Das VIG ist ziemlich formalistisch und nicht sehr bürgerfreundlich, wenn es um die Durchfüh- rung einer Anfrage geht. Drittens. Das VIG hat zwar zu proaktiven Veröffentli- chungen geführt. Verstöße wie beim Dioxinskandal blie- ben aber für die Bürger und auch für die Behörden viel zu lange unsichtbar. Aus diesem Grund haben wir nun die Schwerfälligkeiten beseitigt. Wir haben bereits da- mals in der Opposition auf die Unzulänglichkeiten des Gesetzes hingewiesen. Jetzt, wo wir in der Regierung sind, sorgen wir für entsprechende Änderungen. Wir le- gen Ihnen den Entwurf eines Gesetzes vor, das den Bür- gerinnen und Bürgern deutlich mehr Transparenz bringt. Dabei haben wir einen guten Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – diese darf man nicht verges- s g s s d c d n g ti W n D w – m G b d ö tr ü g w w s m V m u s fo G re k tu g s D A fe m d m fr k p te v M (C (D en – und den öffentlichen Interessen der Verbraucher efunden. Wenn die öffentlichen Interessen die Interes- en zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnis- en berühren, dann darf eine Behörde auf der Grundlage es VIG entscheiden. Viertens. Kollege Kelber hat das bereits angespro- hen: Wir weiten den Informationsanspruch auf die Pro- uktsicherheit aus; denn für den Verbraucher ist es ge- auso wichtig, zu wissen, ob ein Elektrogerät einen efährlichen Herstellungsschaden aufweist, wie es wich- g zu wissen ist, ob ein Lebensmittel ungenießbar ist. enn mir der Föhn am Kopf explodiert, dann ist das ge- auso schlecht, wie wenn ich vergammeltes Fleisch esse. aher ist es richtig, den Informationsanspruch auszu- eiten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Warum nicht auf alles?) Wenn man etwas fragen will, Herr Kelber, dann muss an das tun. Wir fördern auch die Verbraucherinformation bei renzwertüberschreitungen und Verstößen gegen das Le- ensmittelgesetzbuch. Wir schützen die redlich arbeiten- en Unternehmen, weil bei einer Veröffentlichung das ffentliche Interesse gegenüber dem Schutz von Be- iebsgeheimnissen – ich habe es vorhin gesagt – klar berwiegen muss. Durch die Einführung der Bagatell- renze von 350 Euro bei dem zu erwartenden Bußgeld ird es nicht passieren, dass wegen jeder Fliese, an der et- as abgebrochen ist, sofort ein Riesenverfahren ange- trengt wird. Es ist richtig, dass über die wichtigen Infor- ationen Auskunft gegeben wird. Wir wollen die erbraucher nicht mit überflüssigen Informationen zu- üllen; wir brauchen vielmehr wichtige Informationen nd Transparenz. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ach, Sie be- stimmen, was für den Verbraucher wichtig ist? Unglaublich! Es geht doch um den mündigen Bürger!) Wir machen das VIG für den Bürger unbürokrati- cher, weil künftig die Anträge auf Information auch rmlos per Telefon oder E-Mail gestellt werden können. leichzeitig schaffen wir Transparenz bei den Gebüh- n. Der Verbraucher weiß künftig vorher, wie viel das ostet. Anträge auf Informationen bis zu einem Verwal- ngsaufwand von 250 Euro – das ist ganz wichtig – sind rundsätzlich kostenfrei, für bestimmte Informationen ogar bis zu einem Verwaltungsaufwand von 1 000 Euro. as heißt, das Gebührenwirrwarr wird ein Ende finden. ber eines ist auch klar: Wir können kein Gesetz schaf- n, das dazu führt, dass eine Verwaltung zwei Monate it fünf Mann daran arbeiten muss, dass irgendjemand, er die Arbeit auf die Verwaltung abwälzen will, Infor- ationen für seine Forschungsarbeiten erhält. Die An- agen der Bürgerinnen und Bürger sollen in der Regel ostenlos sein, aber es kann nicht sein, dass man wegen ersönlicher Interessen die Verwaltung bindet. Bei kos- nlosen Anfragen bis zu einem Verwaltungsaufwand on 1 000 Euro bestehen für die Verbraucher genügend öglichkeiten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16367 Dr. Erik Schweickert (A) ) )(B) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Finanz- produkte?) Anders als die Opposition lehnen wir die Ausdehnung der Informationspflichten auf Unternehmen ab; denn das würde insbesondere für die kleinen und mittelständischen Unternehmen einen bürokratischen Aufwand darstellen, dem diese nicht gewachsen sind. Außerdem haben die Behörden die Möglichkeit, Auskünfte einzuholen; denn die Unternehmen sind gegenüber den Behörden aus- kunftspflichtig. Das ist aus meiner Sicht ausreichend. (Ulrich Kelber [SPD]: Was ist mit den Finanz- produkten?) – Ist das eine Frage, Herr Kelber? Wenn ja, dann stellen Sie sie. – Das macht er nicht. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Würden Sie eine Frage des Kollegen Kelber zulas- sen? Dr. Erik Schweickert (FDP): Die würde ich zulassen, ja. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte schön, Kollege Kelber. Ulrich Kelber (SPD): Sie haben auf den langen Überprüfungszeitraum seit dem ersten Gesetzentwurf hingewiesen. Könnten Sie uns darstellen, welche Gründe dazu geführt haben, dass der Auskunftsanspruch nicht auf alle Produkte und Dienst- leistungen, insbesondere nicht auf die Produkte und Dienstleistungen der Finanzindustrie, ausgeweitet wurde, nachdem Sie als Person in der Öffentlichkeit genau dies gefordert haben? Dr. Erik Schweickert (FDP): Herr Kelber, vielen Dank für die Frage. Ich habe auf diesen Umstand hingewiesen, weil in unserem Koali- tionsvertrag zum Beispiel steht, dass wir die drei Gesetze, Verbraucherinformationsgesetz, Informations- freiheitsgesetz und Umweltinformationsgesetz, zusam- menführen wollen. Mit der Zusammenführung dieser drei Gesetze hätte sich die Ausdehnung des Informa- tionsanspruchs im VIG auch auf Finanzprodukte ausge- wirkt. (Ulrich Kelber [SPD]: Aus dem Umweltinfor- mationsgesetz!) – Nein, aus dem IFG. Das wissen Sie genau. – Das war unser Ziel. Weil es sich beim UIG und beim IFG um ge- trennte Bundes- und Ländergesetze handelt und das VIG ein reines Bundesgesetz ist, hatten wir nicht die Mög- lichkeit, diese drei Gesetze zusammenzuführen. Was war die Lösung? Haben wir uns zurückgelehnt und nichts ge- macht? Nein, wir haben gesagt, dass wir den Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher ausdehnen müs- sen. Der Verbraucher hat bei Finanzprodukten jetzt die M m e im m ra w ti s a A te n d a ß n fo u b L G te 2 D z b im ri g w n w g v fe fü d (C (D öglichkeit, über das IFG die Informationen zu bekom- en, die er braucht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Man sollte einfach wahrheitsgemäß antworten, nicht nur antworten!) Somit haben wir mehr Transparenz statt Bürokratie, infachere, aber dafür für den Verbraucher verständliche, Alltag anwendbare Informationen. Wir als Freie De- okraten haben dafür gesorgt, dass die christlich-libe- le Koalition bei dieser Novellierung das VIG nicht nur eiterentwickelt, sondern auch verbessert. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat die Kollegin Karin Binder von der Frak- on Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Karin Binder (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Be- ucherinnen und Besucher! Der Bedarf, das gar nicht so lte Verbraucherinformationsgesetz zu ändern, ist enorm. ber ihn hatte ich schon bei der Einbringung in der letz- n Legislaturperiode angemahnt; Sie wollten es damals ur nicht hören. Umso mehr freut es mich jetzt, dass mit er Novellierung einige Vorschläge der Opposition und uch der Verbraucherorganisationen in das VIG einflie- en sollen. Die Erfahrungen der Verbraucherorganisatio- en mit dem bisherigen Gesetz, nämlich wenig echte In- rmationen zu erhalten, lange Fristen für die Auskünfte nd hohe Gebühren für die wenigen Informationen, ha- en unsere Befürchtung bestätigt. (Beifall bei der LINKEN) Bereits in einer Konferenz im Juni 2009 hatte die inke mit Expertinnen und Experten die Defizite des esetzes und die Möglichkeiten, es zu verbessern, erör- rt. Mit einem Antrag haben wir die Thematik im Mai 010 wieder in den Bundestag getragen. Aber erst der ioxinskandal Anfang 2011 hat die Regierung endlich u der Einsicht geführt, dass hier dringender Handlungs- edarf besteht. Trotz alledem wiegen die Interessen der Wirtschaft mer noch schwerer als die Interessen der Verbrauche- nnen und Verbraucher. Einige durchaus sinnvolle Re- elungen wurden aus den Entwürfen der Novellierung ieder entfernt. Zum Beispiel sollen die Konsumentin- en und Konsumenten auch künftig nicht erfahren, unter elchen sozialen, ökologischen und ethischen Bedin- ungen ein Produkt entsteht. Dieses Informationsrecht erschwand leider spurlos aus einem ersten, nicht veröf- ntlichten Entwurf. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis r einen Staat, der sich die soziale Marktwirtschaft auf ie Fahnen schreibt. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD]) 16368 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Karin Binder (A) ) )(B) Ebenso verschwand aus § 8 des Referentenentwurfs der Novelle zum Verbraucherinformationsgesetz der Auf- trag an den Bundesbeauftragten für Datenschutz und In- formationsfreiheit, über die Einhaltung der Informations- rechte zu wachen. Das ist leider typisch für die rückwärtsgewandte, konservative Politik des Verbrau- cherministeriums. Dabei zeigen die Erfahrungen in Groß- britannien, dass die Kontrolle durch eine unabhängige In- stanz zu einer besseren Verbraucherinformation führt. Auch deshalb bin ich der Meinung, dass die Novellierung des VIG durchaus verbesserungswürdig ist. Die Linke fordert ein VIG, das seinem Namen gerecht wird. Deshalb brauchen wir, erstens, Informationen zu allen Produkten, mit denen Verbraucherinnen und Ver- braucher in Berührung kommen, wie auch Informatio- nen über Dienstleistungen und sogenannte Finanzpro- dukte. Gerade bei den Finanzdienstleistungen werden Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor aufs Glatteis geführt. Zweitens brauchen wir das Recht, In- formationen direkt bei den Unternehmen einzufordern, Herr Professor Schweickert; dann hätten wir nämlich manche Probleme mit den Behörden nicht. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das machen wir aber nicht!) Der Umweg über die Behörden ist nicht nur bürokra- tisch, sondern auch unsinnig, da die Behörden meist kei- nen direkten Zugang zu den gewünschten Informationen haben. Die Novellierung ist in diesem Punkt eine klare Kampfansage an die unabhängigen Verbraucherver- bände. Herr Staatssekretär Müller, ich hoffe, Sie über- bringen diese Information der Frau Ministerin. Nach ih- rem Entwurf können sachkundige Verbraucheranfragen von den Behörden, die sich mit einer solchen Anfrage überfordert fühlen, nun sogar abgelehnt werden, wenn sie nicht von vornherein durch hohe Gebührenforderun- gen verhindert werden. Das halte ich für Unsinn. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: 1 000 Euro ist doch nicht zu viel!) Das Ganze mit dem Stichwort Globalanfragen abzutun, Frau Kollegin Heil, halte ich für ein verbraucherpoliti- sches Armutszeugnis. (Beifall bei der LINKEN – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die ist doch gar nicht mehr da! – Ulrich Kelber [SPD]: Die hat nach der Vorlesung den Raum verlassen!) Ich hätte jetzt noch einige Punkte. Zuletzt möchte ich wenigstens noch auf das Thema Smiley-Kennzeichnung zu sprechen kommen. Ich bin der Meinung: Wir brau- chen eine bundeseinheitliche Regelung für die Hygiene- kennzeichnung der Gaststätten und Lebensmittelbe- triebe; denn die Konsumentinnen und Konsumenten haben einen Anspruch darauf, zu wissen, in was für ein Lokal sie gerade gehen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Da Essen nicht nur Nahrungsaufnahme ist, sondern immer auch etwas mit Genuss und Kultur zu tun haben s w K Ic z R ru s d te K E e B h W re s u h s H p fü d m m W d b (C (D ollte, wäre nach meiner Auffassung das Smiley eine esentlich freundlichere und verbraucherfreundlichere ennzeichnung als ein bürokratischer Hygienebalken. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD]) h bedaure sehr, dass die Ministerin diesen Reformpro- ess bisher nicht genutzt hat, um über das BMELV die echtsgrundlage für eine solche bundesweite Einfüh- ng des Lebensmittel-Smileys zu schaffen. Stattdessen tiehlt sie sich aus der Verantwortung und schiebt diese en Ländern zu. Die 16 Länder sollen es dann halt rich- n. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kommen Sie bitte zum Schluss. Karin Binder (DIE LINKE): Nun, ich neige dazu: besser ein Balken als gar keine ennzeichnung. Aber vielleicht gibt es doch noch ein insehen auf der Regierungsbank. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Eher weniger zu erwarten! – Zuruf von der LINKEN: Das ist nicht zu erwarten! Aber die Hoffnung stirbt zuletzt!) Ich danke jetzt erst einmal für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt rteile ich das Wort der Kollegin Nicole Maisch von ündnis 90/Die Grünen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was uns eute von Schwarz-Gelb vorliegt, ist kein großer Wurf. ir sehen hier ganz kleines Karo. Frau Heil hat nach ih- n zwölf Minuten von dieser Debatte offensichtlich chon genug gehabt (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Flucht- artig den Saal verlassen!) nd ist in die Heimat entschwunden. Es war ein großer Wurf angekündigt. Herr Goldmann atte die Idee eines Superinformationsgesetzes, in dem ich alle Informationsgesetze zusammenfinden sollten. err Schweickert forderte die Ausweitung auf Finanz- rodukte und – vernünftigerweise – das Smiley-System r Gaststätten. Das alles sind hervorragende Ideen. Lei- er findet sich im Entwurf nichts davon wieder. Wenn an einen Schweickert hat, ist es gut; nur, dann muss an manchmal auch auf ihn hören. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Produkt- information!) enn ich mir den Entwurf ansehe, dann finde ich keine er guten Ideen wieder, die groß durch die Presse getrie- en wurden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16369 Nicole Maisch (A) ) )(B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Sie scheitern daran, das Ungleichgewicht im Markt zwischen Anbietern und Konsumenten auszugleichen. Sie schaffen kleine Verfahrensänderungen, und im Bereich der Gebühren – ich nenne das Thema Globalan- fragen – verschlechtern Sie sogar die Rechtslage im Ver- gleich zu dem, was gegenwärtig gilt. Aber die Beratun- gen sind noch nicht zu Ende. Es gibt eine ganze Menge von Dingen, die man verbessern kann. Sie weiten den Anwendungsbereich aus. Es ist sehr gut, dass der Föhn jetzt nicht mehr auf dem Kopf explo- dieren soll, aber Konsumenten sind im Alltag nicht nur mit Produkten, sondern auch mit Dienstleistungen kon- frontiert. Wir fordern die Ausweitung auf verbraucher- nahe Dienstleistungen und natürlich insbesondere auf den Finanzsektor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir fordern weiterhin: Schaffen Sie einen Informa- tionsanspruch gegenüber Unternehmen! Viele relevante Daten liegen nur den Unternehmen vor. Auf diese Forde- rung wird vonseiten der Union und der FDP oft gekon- tert, damit wären die Unternehmen einer Bürokratieflut ausgesetzt. Das ist natürlich Quatsch. Wenn man sich die Zahlen dazu anschaut, wie das VIG genutzt wurde, stellt man fest: Es ist eine kleine, handhabbare Zahl von An- fragen. Wenn man diese Informationspflicht nicht mit ei- ner Informationsbeschaffungspflicht zusammenkoppelt, dann kann das wunderbar funktionieren, und dann ist das mehr Verbraucherschutz, aber nicht mehr Bürokratie. Nächster Punkt. Sorgen Sie für aktive Information der Öffentlichkeit durch die Behörden! Wir haben aus den Erfahrungen mit dem VIG gelernt: Die wenigsten Ver- braucher nutzen den langen Antragsweg, um eine Infor- mation zu bekommen. Sie wollen andere Informations- quellen. Wir schlagen vor: Veröffentlichen Sie im Netz! Beispiel Luftfahrtbundesamt. Das hat alle relevanten In- formationen, etwa dazu, welche Airlines gegen Flug- gastrechte verstoßen. Warum steht das nicht auf der Homepage? Warum muss ein Geheimnis daraus gemacht werden? Wir fordern aktive Information. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Sorgen Sie dafür, dass an der Restauranttür veröffent- licht wird, sei es mit dem Smiley, sei es mit dem Kon- trollbarometer. Wir sind dafür, dass man Gammelbuden auf den ersten Blick identifizieren kann. Hier hat sich Frau Aigner gemeinsam mit den FDP-Verbraucherschüt- zern weit aus dem Fenster gelehnt. Das wurde jedoch von den Wirtschaftsministerinnen und -ministern der Länder schnell wieder eingesammelt. Jetzt sollen sich die Länder in einer AG zum Kontrollbarometer zusam- menfinden und Einvernehmen herstellen. „Einvernehmen“ steht in der Politikersprache für „Beerdigung zweiter Klasse“. – g b d ra g n fr s k H k Ih tu e k d s s d S S le S d c P a w b (C (D (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und bei der SPD – Abg. Dr. Erik Schweickert [FDP] meldet sich zu einer Zwi- schenfrage) Ich bringe den Gedanken noch kurz zu Ende; dann ern. Wir wollen, dass Frau Aigner diese Beerdigung ab- läst und ein bisschen politisches Engagement zeigt, um as Kontrollbarometer oder das Smiley an die Restau- nttür zu bringen. Pressemitteilungen und Ankündigun- en reichen nicht. Manchmal muss man für das, was ei- em wichtig ist, auch kämpfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Maisch, erlauben Sie eine Zwischen- age des Kollegen Schweickert? Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gern. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte schön, Herr Schweickert. (Zuruf von der SPD: Der Mann für Schlag- zeilen!) Dr. Erik Schweickert (FDP): Frau Kollegin, vielen Dank, dass Sie mir die Zwi- chenfrage gestatten. – Ich möchte fragen: Ist Ihnen be- annt, dass für die Umsetzung eines Smiley- oder eines ygienekontrollbarometer-Systems – was auch immer ommen wird – die Länder verantwortlich sind, und ist nen ferner bekannt, wie viele Länder es nach dem Sta- s quo bei der Kontrolldichte – im Durchschnitt gibt es inen Lebensmittelkontrolleur für 300 Betriebe – hinbe- ommen würden, heute oder bis Anfang nächsten Jahres ie Betriebe zu zertifizieren und, soweit Mängel festge- tellt werden, zeitnah auch nachzuzertifizieren? Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Schweickert, ich danke Ihnen, dass Sie, der Sie chon im Januar in Pressemitteilungen das Smiley gefor- ert haben, mir die Möglichkeit geben, hier noch einmal tellung zu nehmen. Natürlich sind die Länder in der Verantwortung, das miley umzusetzen. In Berlin haben wir auf kommuna- r Ebene sogar schon ein gutes Smiley-Modell gehabt. chauen wir einmal, ob es wieder eingeführt wird, sollte as Kontrollbarometer scheitern. Wir hätten aber natürlich gern eine national einheitli- he Regelung. Deshalb ist die Bundesregierung in der flicht, dies voranzutreiben, natürlich in Zusammen- rbeit mit den Ländern. Eine Ministerin aber, die sich so eit aus dem Fenster lehnt, muss in einer solchen Ar- eitsgruppe auch dafür sorgen, dass der Bund vorangeht, 16370 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Nicole Maisch (A) ) )(B) damit einheitliche Standards für ganz Deutschland ge- schaffen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen verbraucherfreundliche und für den Vollzug handhabbare Standards im VIG. Leider ist ein Betriebsgeheimnis immer noch ein irgendwie nebulöses Ding. Unternehmen dehnen diesen Begriff wie Kau- gummi. Sie hätten definieren können, was genau ein Be- triebsgeheimnis ist und was kein Betriebsgeheimnis ist. Ein Betriebsgeheimnis ist aber nicht all das, was einem Unternehmen peinlich ist. So wird es im Moment aber oft von interessierter Seite interpretiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Das genaue Rezept der Currywurstsauce ist sicher ein Betriebsgeheimnis. Das Gammelfleisch in der Wurst ist aber kein Betriebsgeheimnis. Dies im Gesetz klarzustel- len, daran sind Sie gescheitert. Das halte ich aufgrund des langen Beratungsprozesses eher für peinlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir stehen am Anfang der parlamentarischen Bera- tung. Man kann also noch eine ganze Menge verbessern. Als konstruktive Opposition stehen wir natürlich mit un- seren Anträgen zur Verfügung. Ich freue mich auf die Diskussion. Vielleicht nimmt dann auch wieder Frau Heil an den Beratungen teil. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- wurfs auf Drucksache 17/7374 an die in der Tagesord- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf Drucksache 17/3928. Der Ausschuss empfiehlt in Kenntnis des Berichts der Bun- desregierung über die Ergebnisse der Evaluation des Ver- braucherinformationsgesetzes auf Drucksache 17/1800 unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Druck- sache 17/2116 mit dem Titel „Verbraucherinformationsge- setz zügig reformieren“. Wer stimmt für diese Beschluss- empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi- tionsfraktionen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab- lehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Druck- sache 17/1576 mit dem Titel „Verbraucherinformations- gesetz jetzt verbraucherfreundlich ausgestalten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim- men? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen g h se F m li G fe ti G B A d s n n M la P n d w P D p ri in ra S B in z a a g s b p (C (D egen die Stimmen der Linken und der Grünen bei Ent- altung der SPD-Fraktion. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c iner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der raktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1983 it dem Titel „Verbraucherinformationsgesetz jetzt novel- eren“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – egenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp- hlung ist angenommen mit den Stimmen der Koali- onsfraktionen gegen die Stimmen der Linken und der rünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 34 auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kai Gehring, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine an den Bürgerrechten ausgerichtete Polizei – Drucksachen 17/4519, 17/6736 – Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion ündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi- erspruch dagegen? – Nicht der Fall. Dann ist das so be- chlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- er dem Kollegen Volker Beck von Bündnis 90/Die Grü- en das Wort. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die große ehrheit aller Polizistinnen und Polizisten in Deutsch- nd – sowohl bei der Bundespolizei als auch bei den olizeien der Länder – erfüllt ihre Aufgaben professio- ell, im Einklang mit den Gesetzen und unter Wahrung er Menschenrechte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dennoch gibt es einige beklagenswerte Einzelfälle – so- ohl was den Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern in olizeigewahrsam angeht als auch bei Großlagen wie emonstrationen, bei Stuttgart 21 oder den Castortrans- orten –, bei denen es Übergriffe von Polizisten auf Bürge- nnen und Bürger gegeben hat. Amnesty International hat einer Studie mit dem Titel „TÄTER UNBEKANNT“ da- uf hingewiesen, dass es oftmals nicht gelingt, diese traftaten von Polizeibeamten gegen Bürgerinnen und ürger aufzuklären. Es ist gut, dass der Innenausschuss der nächsten Sitzungswoche über das Thema „Kenn- eichnungspflicht von Polizeibeamtinnen und Polizeibe- mten“ redet; unser Antrag geht in seinen Forderungen ber darüber hinaus. Bei der Aufklärung solcher Straftaten gibt es zwei roße Probleme: Das ist zum einen das Problem, festzu- tellen, von wem der Übergriff ausging, das andere Pro- lem ist das System unserer Übermittlungen. Der Euro- arat verlangt im Rahmen der Antifolterkonvention von Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16371 Volker Beck (Köln) (A) ) )(B) den Mitgliedstaaten, dass sie unabhängige Ermittlungs- einheiten einsetzen, gerade wenn es um Straftaten von Polizeibeamten gegen Bürgerinnen und Bürger geht. Denn der enge Zusammenhang zwischen Staatsanwalt- schaften und Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung verhindert im Alltagsgeschäft häufig, dass im Bereich dieser Straftaten mit der gleichen Akribie wie bei ande- ren Taten aufgeklärt wird. Großbritannien hat hier sehr gute Erfahrungen mit un- abhängigen Ermittlungseinheiten gemacht. Man braucht aber keine neue Behörde, um dem Rechnung zu tragen; hierfür reicht der Einsatz von Polizeibeauftragten und Sondereinheiten innerhalb von Staatsanwaltschaft und Polizei. Ich denke, wir sollten im Interesse des Ansehens unserer Polizei und unseres Rechtsstaates dafür sorgen, dass auf diesem Feld mit der notwendigen Unabhängig- keit ermittelt wird. Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, dass auch ein Polizeibeamter, der einmal über das Ziel hinausschießt oder vorsätzlich handelt, der ge- rechten Ermittlung in einem Verfahren zugeführt wird, in dem seine Schuld zweifelsfrei festgestellt werden kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Bundesregierung lehnt weiterhin die Kennzeich- nungspflicht von Polizeibeamten ab. Sie begründet das – und das ist für mich nicht nachvollziehbar – mit den Persönlichkeitsrechten der Polizisten. Es ist eine Sache, ob man bei Großlagen die Polizistinnen und Polizisten tatsächlich mit Namen kennzeichnet. Es bedarf in be- stimmten Situationen sicherlich einer anonymen Kenn- zeichnung – zum Beispiel durch Nummern oder Buch- stabenkombinationen –, damit die Persönlichkeitsrechte gewahrt werden. Diese Möglichkeiten haben wir aber. Damit kann man die Feststellung des Täters sichern, ohne die Persönlichkeitsrechte des einzelnen Polizeibe- amten zu verletzen, zum Beispiel bei Demonstrationen von Neonazis (Günter Baumann [CDU/CSU]: Das ist unmöglich!) oder Demonstrationen, bei denen es zu Gewalt von links kommt. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Auch die Poli- zisten haben Persönlichkeitsrechte! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU) – Was wollten Sie mir sagen? Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen. Wenn Sie alle zusammen dazwi- schenrufen, bin ich nicht in der Lage, Ihre Einwürfe zu würdigen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War auch nicht nötig!) Wir wollen, dass es zu einer Identifizierung kommt, und zwar unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Berlin hat das. Bei den Koalitionsverhandlungen in Rheinland-Pfalz habe ich es selbst mit durchgesetzt. Ich weiß, dass es Vorbehalte bei den Polizeigewerkschaften gibt. Deshalb muss man gemeinsam darüber reden, wann eine nament- liche Kennzeichnung erfolgen soll und in welchen Situa- ti d D in S S d n d u is E d h m G w h a P le s U K G d d F n m (C (D onen eine anonyme Kennzeichnung der Beamten erfor- erlich ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) iese Fragen müssen wir mit den Polizeigewerkschaften einem Dialog klären. Es gibt aber keinen Grund, hier nicht den nächsten chritt zu tun. Ich hoffe, dass Sie sich in der nächsten itzungswoche im Innenausschuss bei der Anhörung zu iesem Thema überzeugen lassen, dass die Kennzeich- ungspflicht ein wichtiges Mittel ist, um das Vertrauen er Bürgerinnen und Bürger in unsere Polizei zu stärken (Günter Baumann [CDU/CSU]: Die Bürger haben Vertrauen! Die brauchen die Kennzeich- nung nicht!) nd um klarzumachen, dass Deutschland ein Rechtsstaat t und dass wir eine gute Polizei haben. In den wenigen inzelfällen, bei denen es zu Übergriffen kommt, wird ieser Rechtsstaat den Vorfällen entsprechend nachge- en und dafür sorgen, dass sich solche Ereignisse nicht ehr wiederholen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Beck, ich weiß: Für das Einbringen einer roßen Anfrage sind vier Minuten Redezeit wenig; aber ir sind jetzt bei fünf Minuten. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. – Der Europäische Gerichts- of für Menschenrechte hat festgestellt, dass die Nicht- ufklärung von Straftaten, die von Polizistinnen und olizisten ausgehen, eine schwere Menschenrechtsver- tzung ist. Ich denke, wir in Deutschland sollten dafür orgen, dass so etwas nicht vorkommen kann. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Günter Baumann für die nionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Günter Baumann (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Lieber Kollege Beck, beim Durchsehen Ihrer roßen Anfrage hat man im ersten Moment den Ein- ruck, es ginge Ihnen darum, die Arbeits- und Einsatzbe- ingungen der Polizisten zu verbessern. Wenn man die ragen im Einzelnen liest, merkt man: Sie haben ein ge- erelles Misstrauen gegenüber unserer Polizei. Das kann an einfach nicht nachvollziehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP – Widerspruch beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) 16372 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Günter Baumann (A) ) )(B) Ihre Große Anfrage ist mit Unterstellungen und Verall- gemeinerungen einiger weniger Fälle durchsetzt. Wenn man Ihre Fragen liest, denkt man, man sei in einer Bana- nenrepublik, aber nicht im deutschen Rechtsstaat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP – Josef Philip Winkler [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt darf man schon nicht mehr fragen!) – Kollege Winkler, der Punkt ist, wie man fragt und was man fragt. Ich möchte gerne einige Punkte aus der Großen An- frage wiedergeben, die Sie angeführt haben: Sie spre- chen von Vorwürfen gegen Polizisten „wegen Misshand- lungen oder unverhältnismäßiger Gewaltanwendung“, von „mangelnder Aufklärung“ – das richtet sich gegen unsere Behörden –, von Strafermittlungsbehörden, die „untätig“ blieben. In Ihrer Rede haben Sie sogar das Wort „vorsätzlich“ verwendet. Sie sprechen von einer „neuen Kultur im Umgang mit Fehlverhalten“. Das alles gipfelt in Ihrer Formulierung: „Ein Klima der Straflosig- keit … bei Menschenrechtsverletzungen durch Vertrete- rinnen und Vertreter des Staates …“. Dazu fällt einem ei- gentlich nichts mehr ein. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Ihrer Rede auch nicht!) Man kann sich nur bei unseren Polizistinnen und Polizis- ten in Bund und Ländern für die Unterstellungen und Beschimpfungen durch die Grünen entschuldigen; etwas anderes kann man einfach nicht machen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Ihr Misstrauen gegenüber Polizei und Staat ist nicht nachzuvollziehen. Wir – ich denke, die Mehrheit des Hauses – teilen das in keiner Form. Es kann nicht schaden, einmal konkrete Zahlen zurate zu ziehen. Ich habe das heute gemacht: Ich habe mir die Zahlen einer größeren Bundespolizeidirektion, nämlich der in Pirna, besorgt; sie ist in den Ländern Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt tätig. Dort sind weit über 3 000 Bundespolizistinnen und -polizisten im Einsatz. 2010 hatten sie relativ schwere und große Einsätze. Dazu gehörten Einsätze beim Castortransport, bei einer Vielzahl von schwierigen Fußballspielen und natürlich auch die Demonstration im Februar in Dresden, an die wir alle uns erinnern. Kollege Beck, wenn es Sie interes- siert: 2010 gab es im Zusammenhang mit den Einsätzen keine einzige Anzeige gegen die Bundespolizisten. Im Jahre 2011, in dem es wieder schwierige Einsätze gab – wir alle haben im Plenum über die Demonstration im Februar in Dresden diskutiert –, ist es bisher zu drei Er- mittlungsverfahren gekommen, die gegenwärtig offen sind und noch durchgeführt werden. Man kann also nicht von einer Vielzahl irgendwelcher Vorkommnisse spre- chen, wie Sie es in Ihrer Großen Anfrage suggerieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe auf einige Themen Ihrer Anfrage ein, bei denen es abso- luten Klärungsbedarf gibt. Ich beginne mit dem Thema Kennzeichnungspflicht; Kollege Beck hat es hier ange- s d A g F e F d M D d w li – e d a B w b n d te re s s h S D w n – g k w s B fü (C (D prochen. Wir haben bereits am 7. April hier im Plenum arüber diskutiert. Am 7. November findet dazu eine nhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundesta- es statt. Gestatten Sie, dass ich die Meinung meiner raktion hier deutlich sage: Wir sind eindeutig gegen ine Kennzeichnungspflicht. Sie suggerieren mit Ihren ragen, die Bundesregierung wolle mit dem Verzicht auf ie Kennzeichnungspflicht bei Bundespolizisten eine öglichkeit zu polizeilichen Straftaten einräumen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nee, nee, nee! Das ist die Folge!) as ist ungeheuerlich. Darüber hinaus suggerieren Sie, ass ein strafrechtliches Vorgehen bewusst verhindert erden solle. Die Ideologie, die Ihren Fragen zugrunde egt – – (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist die Folge!) Kollege Wieland, das sind die Fragen Ihrer Fraktion; s tut mir leid. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir haben die Folgen geschildert!) Wir alle wissen, dass sich Bundespolizisten und Lan- espolizisten bei Aufforderung mit dem Dienstausweis usweisen; das wird so gehandhabt. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nee! – Josef Philip Winkler [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie mal zum Castortransport und fragen Sie die nach dem Ausweis! Dann lachen sie Sie aus!) ei geschlossenen Einheiten wird bereits heute – das eiß jeder – eine taktische Kennzeichnung der Einsatz- ereiche vorgenommen. Das funktioniert gut. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht hier um ei- en ausgewogenen Mittelweg zwischen den Interessen er Öffentlichkeit und den Interessen der Polizeibeam- n, ihrer Anverwandten und der jeweiligen Diensther- n. Hier darf natürlich nicht in irgendeiner Form ge- chwächt werden. Meine Damen und Herren, wir dürfen die Rechte un- erer Polizisten, die jeden Tag für uns auf der Straße ste- en und ihren Job machen, in keinster Weise gefährden. ie haben einen Anspruch darauf, dass sich der Staat als ienstherr dafür einsetzt, dass diese Rechte gewahrt erden. Deswegen kann man Ihre Forderung nur ableh- en. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen können die doch eine Nummer tragen! Was soll das denn? – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: In Berlin machen das viele freiwillig, Herr Kollege!) Kollege Winkler und Kollege Wieland, Sie wissen anz genau: Bei einer Kennzeichnung mit Nummern ann man schnell herausfinden, wie der Polizist heißt, o er wohnt und möglicherweise wer seine Verwandten ind. Es geht um die Sicherheit dieser Bürgerinnen und ürger und dieser Polizisten. Der Staat hat die Pflicht, r diese Sicherheit Sorge zu tragen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16373 Günter Baumann (A) ) )(B) Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf § 113 des Strafgesetzbuches eingehen, der in Ihrer Anfrage eine große Rolle spielt. Wir haben im Deutschen Bun- destag per Gesetz eine Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Vollzugsbeamtinnen und -beamten be- schlossen. Es ist eigentlich schlimm, wie Sie diese Ver- besserung charakterisieren. Ich möchte dazu wörtlich zi- tieren: Sie sprechen davon, dies sei Ausdruck einer um Zustimmung buhlenden Symbolpolitik, die Abschot- tungstendenzen, Korpsgeist und Intransparenz verstärkt. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das befürchten wir!) Man kann absolut kein Verständnis dafür haben, wenn mit solchen Themen derartig umgegangen wird. Die Polizeiliche Kriminalstatistik belegt eindeutig: In den letzten zehn Jahren haben die Angriffe gegen Voll- zugsbeamte extrem zugenommen. Der Staat ist ver- pflichtet, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen und natürlich auch diejenigen, die diesen Schutz gewährleis- ten, nämlich die Polizistinnen und Polizisten. Dies muss in Bund und Ländern umgesetzt werden. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das sehen wir auch so!) – Hervorragend! Dann können wir schon einmal festhal- ten, dass ein Teil der Grünen die gleiche Meinung hat wie ich. Wir haben eine Fürsorgepflicht für unsere Poli- zisten, der wir gerecht werden müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben den § 113 des Strafgesetzbuches aber nicht nur verschärft, sondern auch erweitert und wollen auch den Schutz unserer Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehren, der Rettungskräfte, der Hilfeleistenden des Katastrophenschutzes und des THW mit aufnehmen. Ich denke, es war dringend notwendig, dies zu tun. Meine Damen und Herren, Polizeibeamte stehen im- mer stärker im Mittelpunkt von Angriffen. In dieser Wo- che gab es gerade die Auseinandersetzungen im Rahmen des Fußballspiels zwischen Dresden und Dortmund. Diese Bilder kann man sich fast nicht mehr anschauen. Zwischen diesen Chaoten – das sind ja keine Fußballfans mehr – (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sächsische Chaoten!) stehen unsere Polizisten und müssen für Ordnung sor- gen. Wir haben die Pflicht, uns für unsere Polizisten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einzusetzen. Das ist die Pflicht des Staates. Meine Damen und Herren, mögliche Amtspflichtver- letzungen von Polizisten werden von einer ordentlichen Gerichtsbarkeit aufgeklärt; und es gibt auch ordentliche Methoden, diese zur Anzeige zu bringen. Wir brauchen eigentlich keine anderen Methoden in irgendeiner Form. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man weiß, wer es war! – Zuruf von der LINKEN: Kennzeichnungs- pflicht!) – A h H d c M u n s u n D g le b fo h s J W A re n te w R a – S re G h li d g e L li (C (D Das haben wir ja gerade besprochen. Jetzt geht es um nzeigen, wenn Straftaten begangen wurden. Kollege Beck, wir haben in Deutschland eine unab- ängige Gerichtsbarkeit, zu der fast alle in diesem ause, denke ich, stehen. Deswegen fragt man sich, was ie Forderung nach einer neuen unabhängigen Untersu- hungsbehörde soll. Das ist absolut unverständlich. In Ihrem Fragenkatalog führen Sie noch das Thema enschenrechte auf. Menschenrechtsverletzungen mit nseren Polizisten in Verbindung zu bringen, ist zu- ächst einmal ein Hohn. Wenn Sie dann noch davon prechen, dass unsere Polizisten nicht auf der Grundlage nserer Gesetze handeln, dann fällt einem dazu absolut ichts mehr ein. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es geht um die Ausnahmen!) a kann man nur fragen: Welche Ideologie haben Sie ei- entlich, Herr Beck? – Ich kann Ihnen ja die Fragen vor- sen, die Sie aufgeschrieben haben. Bei der Betreuung der in Polizeigewahrsam unterge- rachten Personen haben Sie Probleme mit Blick darauf rmuliert, wer dabei eingesetzt wird. Unsere Polizisten aben eine hervorragende Ausbildung, und ich denke, ie machen ihren Job ordentlich. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heiligendamm!) eder, der in Gewahrsam genommen wird – Kollege ieland, es ist schon so –, hat alle Rechte; er kann einen nwalt, einen Rechtsbeistand und einen Arzt kontaktie- n. Das alles stellen Sie infrage. Das ist nicht mehr achzuvollziehen. (Zuruf von der LINKEN) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Polizis- n werden während ihrer Ausbildung – Kollege Tempel eiß das vielleicht am besten von uns allen – in einer eihe von Fächern unterrichtet. Sie zweifeln an, dass das usreicht. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Drogenkunde!) Nein, das ist nicht dabei, Kollege Wieland. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Drogenkunde ist nicht dabei?) ie werden in Staats- und Verfassungsrecht, Eingriffs- cht und Psychologie in den Themen Menschenrechte, rundrechte, Diskriminierungsverbot, Verbot von Miss- andlungen und Folter unterrichtet. Sie sind also eigent- ch komplett geschult. Deshalb kann man nicht sagen, ass sie nicht in der Lage sind, ihre Aufgaben ordnungs- emäß zu erfüllen. Das ist nicht mehr nachzuvollziehen. Meine Damen und Herren von den Grünen – alle sind s ja nicht –, dass Sie unsere Polizisten von Bund und ändern unter Generalverdacht stellen, weisen wir deut- ch zurück. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Niemals!) 16374 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Günter Baumann (A) ) )(B) – Herr Kollege Beck hat mit seinen Fragen die Polizis- ten unter Generalverdacht gestellt. Wir stehen zu unserer Polizei von Bund und Ländern. Wir bedanken uns für ihre Tätigkeit, die sie jeden Tag für uns ausüben. Wir wünschen ihnen alles erdenklich Gute und dass solche Sachen wie gestern Nacht in Augsburg möglichst selten vorkommen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Wolfgang Gunkel für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Wolfgang Gunkel (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es schon interessant, dass das Thema zum heutigen Tage und zu dieser Zeit angesetzt wird. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es ist doch noch Tagesbetrieb!) In zehn Tagen gibt es eine Anhörung auf Antrag der Linkspartei, die sich ausführlich mit dem Thema Kenn- zeichnungspflicht von Polizeibeamten auseinandersetzt. Wenn wir im Parlament den Anspruch erheben, etwas mit Sachkenntnis entscheiden zu wollen, erscheint es sehr kontraproduktiv, wenn wir schon jetzt die Debatte führen, ohne die Sachkenntnis zu haben, die uns die Sachverständigen erst noch vermitteln werden. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die CDU weiß doch schon Bescheid!) – Ja, Herr Wieland, die sind eben in eine anderen Rich- tung gepolt als Sie oder andere. Das ist klar. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Es scheint ein bisschen unsinnig, eine solche Debatte zu führen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herr Wieland kennt sich gut aus!) Eine solche Art von Selbstdarstellung brauchen wir dem Volk eigentlich nicht zu bieten. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nun zur Sache bitte!) Wenn Sie sich umschauen, dann stellen Sie fest, dass nicht mehr all zu viele auf der Tribüne sitzen, und auch das Plenum hier unten ist nicht gerade gut gefüllt. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dafür ist es ein qualitativ hochstehen- des Plenum!) Die Frage, die jetzt diskutiert wird, hätte es eigentlich verdient, ein größeres Publikum zu finden. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist wahr!) D S a g – m R m w In w M V a m 2 S z is is ü d z e h m d k E W h g k w d v ü p n s n n h (C (D ann hätten Sie auch die Resonanz, die Sie mit dieser howeinlage offensichtlich beabsichtigt haben. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herr Gunkel, warum hatten Sie keine Kennzeichnung in Ihren aktiven Jahren?) Herr Kollege Beck, ich habe ein paar mehr Minuten ls Sie. Deswegen möchte ich noch auf die Punkte ein- ehen, die entscheidend sind. (Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Herr Beck, Sie können dazwischenrufen, das stört ich nicht weiter. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) ufen Sie an anderer Stelle dazwischen, dann kann ich eine Rede besser aufbauen. Kommen wir zu dem, was eigentlich Sache ist. Es urde bereits betont, dass in dem Bericht von Amnesty ternational teilweise schwere kriminelle Straftaten er- ähnt worden sind. Es gab insgesamt 15 Fälle, in denen enschen zu Tode gekommen sind, und auch schwere erletzungen konnten nachgewiesen werden. Man kann lso nicht generell sagen: Das gibt es nicht, das ist alles enschenrechtskonform; denn das ist es eben nicht. Was dort zusammengetragen worden ist – Stand Juli 010 –, hat natürlich solche Dinge zum Inhalt. Ich bitte ie aber, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Bundespoli- ei – es geht hier um die Bundespolizei, etwas anderes t auch nicht möglich – nur ein einziges Mal betroffen t. Das ist einmal zu viel, keine Frage, aber wenn man ber dieses Thema diskutiert, dann muss man feststellen, ass die Mehrzahl der Taten im Bereich der Länderpoli- ei vorkommt. Die Bundespolizei ist immer dann im Geschäft, wenn s sich um geschlossene Einsätze handelt, wenn die Ein- eiten, die die Bundespolizei vorhält, zum Einsatz kom- en, siehe Stuttgart 21 oder andere Großeinsätze wie er Castortransport usw. usf. In diesem Zusammenhang önnen Vorkommnisse dieser Art relevant sein. Den inzeldienst bestreiten nun einmal die Länderpolizeien. enn man die Statistik hinzuzieht – Kollege Baumann at das getan –, dann stellt man fest, dass die überwie- ende Anzahl von Fällen im Länderpolizeibereich vor- ommt. Das ist auch völlig klar; denn der Einzeldienst ird sehr viel häufiger mit Gewalttaten konfrontiert, wo- urch Gegengewalt erzeugt wird. Da kommt es schon or, dass das ein oder andere Mal die legale Grenze berschritten wird. Mit anderen Worten: Wenn ich eine Kennzeichnungs- flicht der Bundespolizei fordere, dann sollte ich mir ge- au überlegen, was ich damit meine. Die SPD hat sich chon vor einiger Zeit dazu erklärt. Unsere Stellung- ahme liegt vor. Sie können das auch in einer Rede achlesen, die ich am 7. April zu diesem Thema gehalten abe. Ich kann es auch noch einmal wiederholen: (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir hören es immer wieder gerne!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16375 Wolfgang Gunkel (A) ) )(B) Meine Einstellung hat sich durch das, was hier vorgetra- gen wird, nicht geändert. Natürlich bin ich daran interes- siert, was die Sachverständigen sagen werden. Es kann sein, dass das ein oder andere zu einer Korrektur meiner Auffassung führt. Immerhin fahren wir in der Sozialde- mokratischen Partei zwei Modelle: Das Rheinland- Pfalz-Modell und das Berliner Modell. In Rheinland- Pfalz findet eine Kennzeichnung des Einzeldienstes statt, nicht aber der geschlossenen Einheiten. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Auf die kommt es gerade an!) – Darüber kann man doch diskutieren. – In Berlin findet nach dem vorliegenden Modell eine Kennzeichnung des Einzeldienstes statt – wahlweise durch Namen oder durch Kennziffern – und eine Kennzeichnung der ge- schlossenen Einheiten über Kennziffern, also über Buch- staben und Zahlen. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Auch der Polizist hat Rechte! Und seine Familie!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Gunkel, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- kung des Kollegen Beck? Wolfgang Gunkel (SPD): Ja, selbstverständlich. – Bitte, Herr Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die neue Landesregierung in Rheinland-Pfalz beschlossen hat – das steht im Koalitionsvertrag –, dass auch dort in Zukunft alle Polizeibeamten entweder namentlich oder anonymisiert – je nach Lageeinschätzung – gekenn- zeichnet werden? (Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das ist die traurige Wahrheit! – Günter Baumann [CDU/ CSU]: Traurig! Ganz traurig!) Wolfgang Gunkel (SPD): Das nehme ich gerne zur Kenntnis. Ich freue mich über diese Information; Sie wissen da etwas mehr als ich, Herr Beck. Vielen Dank für die Ergänzung. Das war ein netter Zug von Ihnen. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Da können wir noch Straße und Hausnummer draufschrei- ben!) Die Kennzeichnung in Berlin sieht folgendermaßen aus: Im Einzeldienst kann sie wahlweise getragen wer- den. Bei geschlossenen Einheiten erfolgt die Kennzeich- nung durch Buchstaben und Ziffern. Die Kennzeichnung kann man über eine geschützte Datei auswerten und so den Namen des Betroffenen herausbekommen. Dazu kann man nur sagen: Das ist diskussionswürdig. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist doch sehr gut!) – Darüber wird doch diskutiert. Der Hauptpersonalrat hat dagegen Beschwerde eingelegt. D S tu J D s e e a m d g s s n w w m w z w d w d K – tr (C (D (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wie immer!) ie Sache ist jetzt beim Verwaltungsgericht. Schießen ie doch nicht übers Ziel hinaus! Lassen Sie das Verwal- ngsgericht entscheiden, wie man das behandeln muss. edenfalls ist die Sache erst einmal angehalten worden. as ist ein entscheidender Fakt, der mich dazu bringt, zu agen: Das ist in der Diskussion. Oder ist sie dadurch be- ndet, dass die Behörde diese Maßnahme schlicht und infach per Geschäftsanweisung durchsetzt? Es bleibt bzuwarten, wie das Gericht entscheidet. Dann kann an darüber sprechen, ob das gut oder schlecht ist; denn ann ist es endgültig. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Gunkel, gestatten Sie eine Frage des Kolle- en Wieland? Wolfgang Gunkel (SPD): Ja. – Bitte schön. (Gisela Piltz [FDP]: Müsst ihr heute eure Koalitionsgeschichte aufarbeiten?) Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, die Zeit reicht nicht, um die Koalitionsge- chichte aufzuarbeiten. Lieber Kollege Gunkel, da sicherlich niemand in die- em Saal so viel Erfahrung mit Einsätzen in geschlosse- en Einheiten hat wie Sie, (Günter Baumann [CDU/CSU]: Sie auch!) ürde uns Ihre persönliche Meinung interessieren. Wir ollen nicht nur hören, dass viel diskutiert wird, dass an das so oder so sehen kann, sondern wir wollen auch issen, wie Sie aufgrund Ihrer ganzen Lebenserfahrung ur Kennzeichnung stehen. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Jetzt sprechen zwei Experten hier!) Wolfgang Gunkel (SPD): Sie haben mich jetzt erwischt. Sie wissen ganz genau, ie meine Einstellung dazu ist. Ich sage: Wenn ich zu em Zeitpunkt noch in der Berliner Polizei gewesen äre, hätte ich die Auffassung des Innensenators und es Präsidenten Glietsch unterstützt. Ich hätte diese ennzeichnung mitgetragen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ullrich Meßmer [SPD]) Sie klatschen jetzt, aber Sie müssen sich den Rest otzdem anhören. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir haben vorsorglich geklatscht! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben der Vorsicht halber schon mal geklatscht!) 16376 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Wolfgang Gunkel (A) ) )(B) – Okay. Vielleicht können Sie danach auch noch klat- schen. – Ich hätte die Kennzeichnung vor dem Hinter- grund mitgetragen, dass ich bei meinen Einsätzen, die Sie zum Teil ja auch genießen durften, (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Unvergessen!) immer dafür eingetreten bin, dass Straftaten im Amt nicht vorkommen. Ich habe meinen Beamten immer ge- sagt, dass ich sie rigoros verfolgen werde. Aus dieser Grundeinstellung resultiert, dass ich nicht widersprechen kann; denn eine solche Kennzeichnung erleichtert es un- ter Umständen, dass Straftäter in den Reihen der Polizei festgestellt werden können. Straftäter in der Polizei sind sowohl für die Polizei als auch für ihr Image schlecht. Das war immer meine Grundhaltung. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das heißt natürlich nicht, dass ich manche, wie Sie, ge- streichelt habe. Kommen wir von den vielen Ablenkungsmanövern zu dem zurück, was ich ansprechen will. Natürlich unter- scheidet sich meine Auffassung von Ihrer. Die Ziffern 3 und 4 Ihres Entschließungsantrags können Sie verges- sen. Die Grundausbildung der Bundespolizei sieht natür- lich vor, dass man das Verhältnismäßigkeitsprinzip ver- steht und dass man lernt, was Menschenrechte und Personenrechte sind. Das ist klar. Für die Arbeit in Ge- wahrsamseinrichtungen ist keine Spezialausbildung er- forderlich. Erforderlich sind Grundkenntnisse, die in der Grundausbildung vermittelt werden. Als Gewahrsams- beamte werden im Regelfall Leute eingesetzt, die über eine entsprechende Erfahrung verfügen. Man muss nicht dafür Sonderbeamte schaffen. Die Punkte 3 und 4 in Ih- rem Antrag können Sie also vergessen. Im Punkt 5 geht es um Statistik. Unter Umständen ist es überlegenswert, eine Statistik erstellen zu lassen, die ausweist, wie viele Verfahren gegen Polizeibeamte eröff- net worden sind, die aber auch ausweist, wie viele davon eingestellt werden; denn eine Zahl, die dies ausweist, gibt es nicht. Da gibt es also keine statistischen Erhebun- gen. Das könnte man unter Umständen diskutieren und eventuell in eine Gesetzesänderung aufnehmen. Punkt 1 habe ich schon abgehandelt. Punkt 2 betrifft die Forderung nach einer Sonderbe- hörde, nach einem sogenannten Polizeibeauftragten, oder wie auch immer Sie sich da ausgedrückt haben. Wenn ich lese, dieser müsse unabhängig und (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weisungsungebunden!) – ja, richtig – weisungsungebunden sein, muss ich sagen, dass Sie damit insinuieren und der Staatsanwaltschaft vorwerfen, dass sie keine sauberen Ermittlungsverfahren führt. (Günter Baumann [CDU/CSU]: So ist das!) M A fo a a b g z n b a D A g z d A h n n D le d ru z F g L c ti g Ic N (C (D eine Erkenntnis zu diesem Thema ist, dass jede nzeige – diese wird ja von Landesbehörden weiter ver- lgt –, die mit einer möglichen Straftat eines Polizeibe- mten im Amt zu tun hat, durch eine Sonderstaats- nwaltschaft, die als Dezernat mit dieser Aufgabe etraut ist, bearbeitet wird. Gerade bei diesen Ermittlun- en im Zusammenhang mit der Polizei sind sie sehr prä- ise. Wenn sie hier ermitteln, ermitteln sie eher etwas ge- auer und schlampen nicht; schließlich wollen sie ein elastbares Ergebnis vorweisen. Ich bitte darum, sich zu erinnern, dass die Polizeibe- mten Ermittlungsbeamte der Staatsanwaltschaft sind. er Staatsanwalt ist Herr des Verfahrens. Wenn er der uffassung ist, dass es nicht genügend ausermittelt ist, ibt er es im Regelfall an die Behörde, an die Beamten, urück und sagt: Das möchte ich etwas präziser wissen, as reicht mir so nicht. Daher sage ich: Die Staatsanwaltschaft erfüllt ihre ufgabe, und Sonderbehörden sind für diese Angelegen- eiten aus meiner Sicht nicht erforderlich. Diese Mei- ung teilt auch meine Fraktion. Daher brauche ich hier icht lange meine eigene Meinung zu äußern. (Gisela Piltz [FDP]: Glück gehabt!) as ist Meinung der SPD-Fraktion. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herr Hofmann hat erklärt, die Polizei macht das und die Staatsanwaltschaft unter- schreibt das nur! Vielleicht sollten Sie das in Ihrer Fraktion klären!) Ich habe nun doch auf die Eigendarstellung des Kol- gen Beck geantwortet. Aber es bleibt einem nichts an- eres übrig, wenn Sie hier zehn Tage vor einer Anhö- ng dieses Thema aufwerfen. Schön, dass Sie mir ugehört haben. Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Gisela Piltz für die FDP- raktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gisela Piltz (FDP): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- en! Immerhin erkennen die Grünen – anders als die inke, deren Antrag zum gleichen Thema mit der glei- hen Forderung uns dieses Jahr im April hier beschäf- gte – an – ich zitiere –, „dass der deutsche Rechtsstaat rundsätzlich gut funktioniert.“ (Günter Baumann [CDU/CSU]: Na ja! Diese Unterstellungen hier! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das richtig oder nicht?) h bin mir nicht sicher, wie die Angehörigen des heute acht ums Leben gekommenen Polizisten die Formulie- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16377 Gisela Piltz (A) ) )(B) rung „grundsätzlich“ in diesem Zusammenhang finden. Ich glaube, ich spreche für das ganze Haus, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Haben wir schon gemacht!) wenn ich sage, dass wir in diesen Stunden bei den Ange- hörigen sind. Da hat jemand zum Schutz von unser aller Leben und zum Schutz dieses Staates sein Leben gelas- sen. Da ist Mitgefühl angezeigt. Ich komme zurück zur Formulierung „grundsätzlich“. „Grundsätzlich“ heißt – das weiß jeder Jurist – so viel wie „eigentlich ja, aber“. Die Grünen schreiben hier also mit anderen Worten – ich übersetze es einmal –, dass es mit der Rechtsstaatlichkeit in unserem Lande doch nicht so weit her ist. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nicht perfekt ist! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht grund- sätzlich! – Günter Baumann [CDU/CSU]: Habt ihr aber geschrieben! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist FDP-Position!) Das ist, mit Verlaub, eine schwierige Behauptung der Grünen. Ich möchte ein paar Beispiele nennen. Ein grü- ner Bezirksbürgermeister in Friedrichshain in Berlin zeigte sich solidarisch mit der von den Grünen gehät- schelten sogenannten Szene, (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) deren Gewaltbereitschaft den Einsatz von 2 500 Polizis- ten notwendig machte. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?) Mitglieder des Bundesvorstandes der Grünen unter- schrieben Aufrufe zum Schottern von Gleisen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein! Das stimmt nicht!) – Mal ganz ehrlich, Herr Kollege. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein! Das stimmt wirklich nicht!) – Herr Kollege, vielleicht sollten Sie – nicht Sie persön- lich; das weiß ich – bzw. einige von Ihnen Ihr Verhältnis zum Rechtsstaat klären, bevor Sie mit dem Finger auf die Polizei zeigen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Mottenkiste!) Die Polizei ist hier nicht der Aggressor. Das ist eine linke Lebenslüge. Ich wundere mich, dass Sie da mitma- chen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Piltz, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- kung des Kollegen Wieland? d z d s K g d s s tr fr W w z B fe ic m re fü Ic g – b K – n h d S K – (C (D Gisela Piltz (FDP): Immer. Gerne. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin Piltz, auch wenn ich, ehrlich gesagt, en Zusammenhang zwischen der Frage einer Kenn- eichnung bzw. einer unabhängigen Untersuchung und er linksextremen Szene und dem Schottern nicht ver- tehe, möchte ich Sie fragen: Hätten Sie die Güte, zur enntnis zu nehmen, dass wir als Grüne ausdrücklich esagt haben – insbesondere auch der Bundesvorstand –, ass wir nicht schottern und dass auch niemand sonst chottern sollte? Das ist eine eindeutige Aussage gewe- en. Gisela Piltz (FDP): Herr Kollege, es gibt nicht nur den Entschließungsan- ag, sondern wir debattieren hier auch eine Große An- age zur Polizei. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darin steht, man solle schottern, oder was?) ir nehmen also zu beidem Stellung. Und aus beidem ird klar, wie durchaus kritisch Ihr Verhältnis zur Poli- ei in manchen Bereichen ist. Deshalb habe ich meine eispiele genannt. – Das ist das eine. Nun das andere, Herr Kollege: Ich weiß, dass es nicht in und vielleicht auch nicht protokollgemäß ist. Aber h beantworte Ihre Frage mit einer Gegenfrage. Stim- en Sie mir denn zu, dass es einige Mitglieder aus Ih- m Bundesvorstand gegeben hat, die das Schottern be- rwortet haben? (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wir haben einen kleinen Bundesvorstand! Das wüsste ich!) h glaube, dann finden wir zueinander. Dass es Grüne egeben hat, die sich für das Schottern eingesetzt haben das eine Straftat ist –, ist dem Hohen Haus insgesamt ekannt, glaube ich. Darauf wollte ich hinweisen, Herr ollege. (Beifall bei der FDP – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein einziges Mitglied des Bundesvorstandes!) Für diejenigen, die nicht das Protokoll lesen, sondern ur die Zwischenfrage gehört haben, möchte ich darauf inweisen, dass er gesagt hat: nur ein einziges Mitglied es Bundesvorstandes. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Kein einziges!) o gesehen war ich doch auf der richtigen Fährte, Herr ollege Wieland. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Kein einziges!) Habe ich das falsch verstanden? 16378 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 (A) ) )(B) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Piltz, gestatten Sie eine weitere Bemerkung? Gisela Piltz (FDP): Kein einziges oder ein einziges? Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kein einziges. Wenn Sie schon für das Protokoll re- den, Frau Kollegin Piltz: kein einziges. Ich weiß das, weil wir vorher darüber diskutiert ha- ben. An sich sind wir ja mit den Demonstrantinnen und Demonstranten im Wendland solidarisch. Wir haben aber gesagt: Das sind Bahnanlagen, das geht nicht. Da gibt es immer Irre, wie wir jetzt auch durch die Brandan- schläge bestätigt bekommen haben. Daher darf es keinen Eingriff in Bahnanlagen geben. Unser Bundesvorstand ist überschaubar. Sie müssten jetzt einmal einen Namen nennen. Solange das nicht ge- schieht, sage ich: kein einziges – nach vorheriger Dis- kussion –, also ausdrücklich nicht begrüßt und nicht un- terstützt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gisela Piltz (FDP): Ich hatte nicht den Eindruck, dass das noch eine Frage war. Von daher habe ich mich gefreut, dass ich die Rede- zeit der Grünen zu ihrer Großen Anfrage hier verlängern konnte. Eines muss man aber sagen: Wenn Sie von grüner Seite oft genug so tun, als sei die Polizei selber schuld – das tun andere hier im Haus auch –, verkehren Sie doch die Tatsachen ins Gegenteil. Grundsätzlich ist es doch so, dass Gewalt meist mit Gegengewalt beantwor- tet wird und dass man nicht einfach nur sagen kann: Die Polizei ist schuld. Ganz besonders befremdlich finde ich im Übrigen die Forderung nach Videokameras in Gewahrsamszellen, wie das in Ihren Fragen insinuiert und in dem Entschlie- ßungsantrag angedeutet wird. Ich versuche mir vorzu- stellen, was hier im Deutschen Bundestag passieren würde, wenn wir als Koalition darüber nachdenken wür- den, solche Technik standardmäßig in den Gewahrsams- zellen zu installieren – also Kameras, die eine in Gewahrsam genommene Person noch bei intimsten Ver- richtungen filmen. Angeblich zum Schutz der Person vor der nach ihrer Vermutung wohl allgegenwärtigen Gefahr der Miss- handlung durch Polizei wollen die Grünen jetzt auch noch den Persönlichkeitsschutz ebenjener Betroffenen über Bord werfen. Das ist aus meiner Sicht eine ausge- sprochen krude Vorstellung von Rechtsstaat und von Da- tenschutz. Denn es ist ganz klar Augenwischerei, dass die Ka- meras nur auf freiwilliges Verlangen der Betroffenen eingeschaltet werden könnten. Bei den Vorwürfen, die hier immer wieder erhoben werden, wäre doch klar, dass sie schon zur Selbstentlastung eigentlich dauernd einge- schaltet würden. Für eine Fraktion, die sonst immer sagt, s s s e – z s a s fä m d b w s k d tr q ta te Ic n w u n ti A g re w g v W g M (C (D ie sei für Datenschutz, ist das in meinen Augen – ich age das jetzt einmal, weil wir hier gleich auch zu Ende ind – (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind mit Ihren Argumenten am Ende!) ine nette Formulierung, eine interessante Variante. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Gunkel hat gesagt, dass es solche Fälle gibt! Das ist Ihnen völlig egal! – Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) In unserem Rechtsstaat ist es selbstverständlich Herr Korte, das müssen auch Sie einsehen –, dass Poli- istinnen und Polizisten, die im Dienst Grenzen über- chreiten und sich strafbar machen, wie jeder andere uch zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Es ist elbstverständlich, dass in solchen Fällen genauso sorg- ltig, wenn nicht sogar sorgfältiger ermittelt werden uss als in anderen Fällen. Wie das funktioniert, ist von en Kollegen eindrucksvoll dargestellt worden. Das rauche ich nicht im Einzelnen zu wiederholen. Wer so tut, wie das hier zwischen den Zeilen deutlich ird, als gäbe es in unserer Polizei eine generelle Vertu- chungskultur, schürt Misstrauen und Ängste, löst aber eine Probleme. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Unerhört ist das!) Natürlich kann man immer noch alles besser machen; as ist gar keine Frage. Ob die Namensschilder dazu bei- agen oder nicht, ist streitig – quer durch die Republik, uer durch alle Landesverbände, quer durch alle Land- gsfraktionen und auch quer durch die einzelnen Par- ien. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben wenigstens eine Mei- nung dazu!) h bin gespannt, was im Rahmen der Anhörung in der ächsten Woche dazu gesagt wird. (Jan Korte [DIE LINKE]: Was ist Ihre Mei- nung?) Wer meint, dass es eine Vertuschungskultur gibt, der ird den Anforderungen, denen unsere Polizistinnen nd Polizisten jeden Tag auf der Straße ausgesetzt sind, icht gerecht. Interne Supervision und innere Organisa- on können sehr wohl dazu beitragen, dass sich negative uswirkungen eines quasi falsch verstandenen Korps- eistes nicht verfestigen oder gar nicht erst entstehen. Richtig ist, dass nach Abzug der zahlreichen unbe- chtigten Anzeigen bei tatsächlich rechtmäßiger Ge- altanwendung durch die Polizei nur eine relativ eringe Anzahl von Gerichtsverfahren wegen Körper- erletzung im Amt durchgeführt werden. Das gehört zur ahrheit dazu. Ob das tatsächlich Anlass zur Sorge ist, ehört bislang jedenfalls allenfalls in den Bereich der utmaßung. Dieses Problem durch die Einführung ge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16379 Gisela Piltz (A) ) )(B) sonderter Statistiken lösen zu wollen, ist nicht der Weis- heit letzter Schluss. Zur Wahrheit – ich komme zum Schluss, Frau Präsi- dentin – gehört aber auch, sich mit der Frage zu befas- sen, in wie vielen Fällen die vermeintlichen Opfer von Polizeigewalt schon von vornherein aggressiv und mit Gewaltdrohungen auf die Polizistinnen und Polizisten zugegangen sind. Es gehört zur Wahrheit dazu, beide Seiten zu betrachten. Das werden wir von der FDP-Frak- tion immer tun. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Frank Tempel für die Frak- tion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Frank Tempel (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vom Tod des Polizeibeamten habe ich wäh- rend der Arbeit an der Rede zu diesem Thema erfahren. Wir reden hier über die Polizei. Da ich selbst Polizeibe- amter bin, möchte ich den Angehörigen und Kollegen des Beamten mein Beileid aussprechen. Was ihm pas- siert ist, ist etwas, was mich selbst immer sehr betroffen macht. Bei der Polizei arbeiten Menschen, Menschen, die den Querschnitt unserer Gesellschaft mit all ihren unter- schiedlichen Aspekten repräsentieren. Nach 16 Jahren im Polizeidienst weiß ich, wovon ich spreche. In einer Demokratie sollte eine an den Bürgerrechten ausgerich- tete Polizei doch eigentlich normal sein. Ich will beto- nen, dass das dem Selbstverständnis der Polizei ent- spricht. Was meint man aber damit? Genau an dieser Stelle scheiden sich die Geister. (Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!) Wir sprechen im Parlament – ob im Hinblick auf den Haushalt oder die Studie zur Berufszufriedenheit der Polizei – intensiv über die sozialen und strukturellen Probleme der Polizei. Wir reden auch darüber, dass Poli- zisten häufig Opfer von Fehlverhalten werden; auch das wird hier angesprochen. Wir müssen uns aber auch fra- gen, wie die Polizei mit Bürgerrechten umgeht. Deswe- gen ist die Anfrage der Grünen wichtig. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], zu Abg. Günter Baumann [CDU/CSU] gewandt: Er weiß Bescheid! Anders als Sie! Der Mann ist vom Fach!) Fakt ist, dass es Fehlverhalten bei Polizisten gibt. Das kann hier keiner leugnen. Wer das thematisiert, dem wird schnell unterstellt, er richte den Generalverdacht gegen alle Polizisten; so hat das zum Beispiel der Kol- lege Baumann gerade zum Ausdruck gebracht. Das ist falsch. Es gibt eine Vielzahl von Bildern, die Fehlverhal- te B b D – d g F A te F s u R v ü ti g k S W b m le o T w s G e E fi o ti v a je s T a m In m n (C (D n von Polizisten dokumentieren. Laut Antwort der undesregierung sollen diese Bilder ausreichend dazu eitragen, Fehlverhalten von Polizisten zu identifizieren. as reicht aber nicht aus. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Aber keine Vielzahl!) Doch eine Vielzahl. Wer die Medien verfolgt, weiß, ass es allein aus Stuttgart etliche solcher Bilder gibt. Trägt ein Polizist im Einsatz einen Helm oder – das ibt es auch – zusätzlich eine Sturmhaube, dann helfen otos allerdings nicht viel. Was Sie dabei völlig außer cht lassen, ist: Es gibt Fehlverhalten von Polizeibeam- n nicht nur in den großen Einsätzen, welche auch im ernsehen zu sehen sind, sondern auch bei kleinen Ein- ätzen, im Streifeneinzeldienst, von denen keine Fotos nd Videos vorhanden sind. Die Polizei – das muss uns bewusst sein – handelt im ahmen einer besonderen Verantwortung. Wenn es Fehl- erhalten gibt, müssen Politik und Polizei gemeinsam berlegen, wie dem vorzubeugen ist. Wir müssen garan- eren, dass transparent und offen mit diesem Thema um- egangen wird. Lassen Sie mich den einen Vorschlag, der bereits dis- utiert wurde – die Kennzeichnungspflicht –, aufgreifen. ie wollen kein Namensschild, weil Sie dadurch die ahrung der Persönlichkeitsrechte und das Sicherheits- edürfnis der Beamten gefährdet sehen. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Ja! – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Wir haben eine Verantwortung den Polizisten gegenüber!) Das sind Argumente, die ich akzeptiere und die zu- indest in der Diskussion eine Rolle spielen sollten. Al- rdings: Eine Alternative wäre die individuelle und an- nyme Kennzeichnung. Bei der Landespolizei in hüringen zum Beispiel, wo vielleicht auch ich irgend- ann wieder Dienst tue, könnte meine Kennzeichnung o aussehen: „TH“ für Thüringen, „G“ für die Direktion era und „1234“ als individuelles Element. Das wäre infach, klar erkennbar und ist in Europa absolut normal. in solches Modell ließe sich auch für die Bundespolizei nden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Im Vergleich zu Namensschildern wie „Schmidt“ der „Müller“ bietet das bei Bedarf eine eindeutige Iden- fizierung ohne Verletzung der Persönlichkeitsrechte on Polizeibeamten. Klarnamen kann man übrigens uch unter Richtervorbehalt stellen. Das heißt – für die- nigen, die den Begriff „Richtervorbehalt“ nicht kennen –, ie werden freigegeben, wenn ein Richter feststellt, dass atsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Hinweis uf eine Straftat vorliegt. Insofern ist auch das Argu- ent, das auf den Generalverdacht abstellt, ausgehebelt. Europa ist die individuelle Kennzeichnung völlig nor- al. Sie haben angesprochen, dass ein Polizeibeamter sei- en Namen, seine Amtsbezeichnung und seine Dienst- 16380 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 Frank Tempel (A) (C) (D)(B) stelle benennen muss. Genau das funktioniert in der Pra- xis oft nicht. Gerade wenn ein Fehlverhalten vorliegt, ist die Situation oft unübersichtlich; es kommt auch vor, dass die Nennung des Namens einfach verweigert wird. Wenn dem Bürger die Möglichkeit genommen wird, ge- nau zu sagen, welchen Beamten der Vorwurf trifft, dann kommen viele Anzeigen gar nicht erst zustande. Das ist die Praxis, und das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Hinzu kommt: Viele Bürgerinnen und Bürger haben ein ungutes Gefühl, wenn sie sich bei der Polizei über die Polizei beschweren. Deswegen ist es auch richtig, über die Schaffung einer Beschwerdestelle oder über eine ähnliche Struktur zu diskutieren. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜN NEN] – Bernhard Kaster doch Unsinn! – Günter Ba Das schafft nur Parallelstr „Diskutieren“ heißt, wir müss müssen gemeinsam bereit se Wenn wir dazu gemeinsam b einen Tisch: die Politik, die und vor allen Dingen die Pol muss man Lösungen finden. A gesagt, bereit sein. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Das war Sachkenntnis!) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Dem allgemeinen Wunsch nach weiterer Betrachtung und Erörterung des Gegenstandes kommen wir insofern nach, als wir jetzt nicht sofort über den Entschließungs- antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck- sache 17/7502 abstimmen, sondern ihn an die Aus- schüsse überweisen, wobei die Federführung beim Innenausschuss liegen soll. Gibt es dazu anderweitige Auffassungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist so be- schlossen. Zur Mitberatung wird die Vorlage an den Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe iesen. egen, wir sind damit am ordnung. ng des Deutschen Bun- November 2011, 13 Uhr, e. 2 Uhr) Satz ist wie folgt zu lesen: „Led ersten Entlastungsstufe sowie nachteilige Abrechnung auf Ba jahres!“ iglich die Umsetzung der eine für die Kommunen sis der Daten des Vorvor- DNIS 90/DIE GRÜ- [CDU/CSU]: Das ist umann [CDU/CSU]: ukturen!) en darüber reden, und wir in, Lösungen zu finden. ereit sind, müssen alle an Bürgerrechtsbewegungen izeigewerkschaften. Dann ber dazu muss man, wie und den Rechtsausschuss überw Liebe Kolleginnen und Koll Schluss unserer heutigen Tages Ich berufe die nächste Sitzu destages auf Mittwoch, den 9. ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles Gut (Schluss: 15.2 Berichtigung 136. Sitzung, Seite 14678 B, letzter Absatz, dritter Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 16381 (A) ) )(B) Kahrs, Johannes SPD 28.10.2011 Kiesewetter, Roderich CDU/CSU 28.10.2011 DIE GRÜNEN Scheel, Christine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.2011 Anlage 1 Liste der entschuldigte Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 28.10.2011 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.2011 Bär, Dorothee CDU/CSU 28.10.2011 Barnett, Doris SPD 28.10.2011 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 28.10.2011 Bülow, Marco SPD 28.10.2011 Burchardt, Ulla SPD 28.10.2011 Caesar, Cajus CDU/CSU 28.10.2011 Claus, Roland DIE LINKE 28.10.2011 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 28.10.2011 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.2011 Dörflinger, Thomas CDU/CSU 28.10.2011 Dörner, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.2011 Ernstberger, Petra SPD 28.10.2011 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.2011 Gohlke, Nicole DIE LINKE 28.10.2011 Gottschalck, Ulrike SPD 28.10.2011 Granold, Ute CDU/CSU 28.10.2011 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.2011 Hunko, Andrej DIE LINKE 28.10.2011* D K K D L L L M M D M N N P P P P R R D S A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten r. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 28.10.2011 unert, Katrin DIE LINKE 28.10.2011 urth (Kyffhäuser), Patrick FDP 28.10.2011 r. Lehmer, Max CDU/CSU 28.10.2011 indemann, Lars FDP 28.10.2011 udwig, Daniela CDU/CSU 28.10.2011 utze, Thomas DIE LINKE 28.10.2011 enzner, Dorothée DIE LINKE 28.10.2011 erkel (Berlin), Petra SPD 28.10.2011 r. h.c. Michelbach, Hans CDU/CSU 28.10.2011 ißfelder, Philipp CDU/CSU 28.10.2011 ahles, Andrea SPD 28.10.2011 ink, Manfred SPD 28.10.2011 feiffer, Sibylle CDU/CSU 28.10.2011 hilipp, Beatrix CDU/CSU 28.10.2011 ieper, Cornelia FDP 28.10.2011 loetz, Yvonne DIE LINKE 28.10.2011 oth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.2011 oth (Heringen), Michael SPD 28.10.2011 r. Ruppert, Stefan FDP 28.10.2011 ager, Krista BÜNDNIS 90/ 28.10.2011 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich (A) (C) )(B) Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Ergebnisse ihrer Bemühungen um die Weiterentwicklung der politischen und ökonomischen Gesamtstrategie für die Balkanstaa- Dr. Schockenhoff, Andreas CDU/CSU 28.10.2011 Seiler, Till BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.2011 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 28.10.2011 Simmling, Werner FDP 28.10.2011 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich V * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates m U n Dr. Stadler, Max FDP 28.10.2011 Dr. Steinmeier, Frank- Walter SPD 28.10.2011 Dr. Stinner, Rainer FDP 28.10.2011 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.2011 Dr. Wadephul, Johann CDU/CSU 28.10.2011* Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 28.10.2011 Werner, Katrin DIE LINKE 28.10.2011 Dr. Wiefelspütz, Dieter SPD 28.10.2011 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 28.10.2011 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 28.10.2011 Zapf, Uta SPD 28.10.2011 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 28.10.2011 Zöller, Wolfgang CDU/CSU 28.10.2011 Offsetdrucker ertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln (D ten und ganz Südosteuropa (Berichtszeitraum: 1. März 2010 bis 10. Februar 2011) – Drucksache 17/5590, 17/5820 Nr. 1.8 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Wohngeld- und Mietenbericht 2010 – Drucksache 17/6280, 17/6961 Nr. 1.1 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden nionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- er Beratung abgesehen hat. Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 17/7260 Nr. A.3 Ratsdokument 13701/11 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 17/5302 Nr. A.13 Ratsdokument 6986/11 Drucksache 17/5302 Nr. A.14 Ratsdokument 6987/11 Drucksache 17/5434 Nr. A.18 EP P7_TA-PROV(2011)0090 Drucksache 17/5434 Nr. A.19 EP P7_TA-PROV(2011)0094 Drucksache 17/6985 Nr. A.80 Ratsdokument 13253/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.81 Ratsdokument 13254/11 16382 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Oktober 2011 ei, Bessemerstraße 83–91, 1 , Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 137. Sitzung Inhalt: TOP 29 Kreiswirtschafts- und Abfallrecht ZP 6, ZP 7 Wirtschafts- und Finanzpolitik TOP 31 Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen TOP 17 Online-Durchsuchung TOP 33 Verbraucherinformationsrecht TOP 34 Bürgerrechtsausrichtung der Polizei Anlagen