Rechnung des Bundesrechnungshofes
für das Haushaltsjahr 2008
– Einzelplan 20 –
(Drucksachen 16/12091, 16/12906) . . . . .
Tagesordnungspunkt 7:
Antrag der Abgeordneten Michael Kauch,
Daniel Bahr (Münster), Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP: Lebendspenden bei
der Transplantation von Organen erleich-
tern
(Drucksache 16/9806) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 8:
Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und der SPD eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes über die Akkreditie-
rungsstelle (Akkreditierungsstellengesetz –
AkkStelleG)
(Drucksache 16/12983) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 9:
Erste Beratung des von der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Abschaffung des Progressionsvor-
24244 C
24244 D
24245 B
24245 B
24246 C
24247 D
24248 A
24248 D
24249 B
24250 A
24250 C
behalts für Kurzarbeitergeld
(Drucksache 16/12888) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 10:
Unterrichtung durch die Bundesregierung:
Deutsche Anpassungsstrategie an den Kli-
mawandel
(Drucksache 16/11595) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . .
Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . .
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 11:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge-
ordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm,
Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Anbau von gentechnisch verändertem
Mais stoppen
(Drucksachen 16/11919, 16/12841) . . . . . . . .
Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . .
Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . .
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . .
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 12:
Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp,
Markus Löning, Jens Ackermann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Glo-
balen Freihandel stärken – Protektionis-
mus bekämpfen
(Drucksache 16/10311) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . .
24251 B
24251 B
24251 C
24252 C
24254 A
24254 C
24255 B
24256 A
24256 B
24258 A
24259 C
24261 B
24262 A
24263 C
24278 C
24263 C
24263 D
24265 D
24266 D
24267 D
24268 C
VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
Tagesordnungspunkt 13:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne-
ten Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, Sylvia
Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neue
Kohlekraftwerke verhindern – Genehmi-
gungsrecht verschärfen
(Drucksachen 16/10617, 16/12916) . . . . . . . .
Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . .
Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 14:
Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Christoph Waitz, Detlef Parr,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Presse- und Medienvielfalt sichern –
Wettbewerb stärken, Werbung entbüro-
kratisieren
(Drucksache 16/12472) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Monika Griefahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . .
Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Grietje Staffelt (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .
Anlage 2
Mündliche Frage 1
Christoph Waitz (FDP)
Schutz der Urheberrechte deutscher Auto-
ren bei der von Google geplanten Einstel-
lung vergriffener Bücher ins Internet
Antwort
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24269 A
24269 B
24269 D
24270 D
24271 B
24272 A
24272 D
24273 A
24273 D
24274 B
24275 B
24276 C
24277 B
24280 D
24281 A
24281 D
Anlage 3
Mündliche Frage 2
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
Stand der Vorbereitung zur Errichtung ei-
nes Standortes des Bundesinstituts für Risi-
kobewertung in Neuruppin
Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 4
Mündliche Frage 3
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
Bewertung des Zulassungsantrags und des
Freisetzungsversuchs der Amflora-Kartof-
fel im Hinblick auf die Freisetzungsrichtli-
nie 2001/18/EG und wissenschaftliche Be-
gründung für eine 20 Hektar große
Freisetzungsfläche in Mecklenburg-Vor-
pommern nach Ansicht der Bundesregie-
rung
Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 5
Mündliche Frage 6
Frank Spieth (DIE LINKE)
Erkenntnisgewinn im Bundesministerium
für Gesundheit durch den Einsatz externer
Mitarbeiter aus dem Gesundheitssektor in
dieser Wahlperiode; Beschäftigung von
Vertretern der Patientenorganisationen als
externe Mitarbeiter
Antwort
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 6
Mündliche Frage 7
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vor der Übergabe von Akten zur Schacht-
anlage Asse II an das Bundesamt für Strah-
lenschutz kopierte oder digitalisierte Doku-
mente und Nichtberücksichtigung des
gravierenden Vorfalls vom 18. Dezember
1973 in der Liste über Betriebsstörungen
bei der Einlagerung von Atommüll auf der
Schachtanlage Asse II
Antwort
Michael Müller, Parl. Staatssekretär
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24282 C
24282 D
24283 A
24283 B
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 VII
Anlage 7
Mündliche Frage 8
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Studien zum Aufbau einer Solarunion mit
einer Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien rund um das Mittelmeer; Ausbau
der Netze und Kostenbetrachtung
Antwort
Michael Müller, Parl. Staatssekretär
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 8
Mündliche Frage 9
Frank Spieth (DIE LINKE)
Derzeit bei den Bundesministerien beschäf-
tigte externe Mitarbeiter aus Unternehmen
oder Verbänden
Antwort
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 9
Mündliche Frage 10
Veronika Bellmann (CDU/CSU)
Sachstand bei den Anträgen auf Entschädi-
gung nach dem Häftlingshilfegesetz
Antwort
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 10
Mündliche Frage 11
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Aktivitäten der Bundesregierung anläss-
lich des Jahrestages der Befreiung
Deutschlands vom Faschismus am 8. Mai
2009
Antwort
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 11
Mündliche Frage 12
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Aufhebung der Verwaltungsanweisung des
Bundesministeriums der Finanzen vom
17. Dezember 2008 zum Zwecke des unein-
24238 C
24284 B
24284 C
24285 A
geschränkten Zugangs der Bürger zu ihrer
Steuerakte
Antwort
Karl Diller, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 12
Mündliche Frage 15
Cornelia Pieper (FDP)
Haushaltsvorbehalt für die drei Wissen-
schafts- und Forschungsprogramme Exzel-
lenzinitiative, Hochschulpakt und Pakt für
Innovation und Forschung
Antwort
Karl Diller, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 13
Mündliche Frage 18
Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP)
Forderung nach einer telekommunika-
tionsspezifischen Regulierung der Fernseh-
bzw. Koaxialnetze sowie Regelungen im
EU-Raum
Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 14
Mündliche Frage 19
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Bewertung der vorgesehenen Methoden
zur Reinigung der Ostseepipeline
Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 15
Mündliche Frage 22
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Eignung und Unabhängigkeit des Ge-
schäftsführers der Deutschen Energie-
Agentur angesichts einer zwischenzeitlich
vorgesehenen Führungsposition bei RWE
Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24285 B
24285 D
24286 A
24286 B
24286 C
VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
Anlage 16
Mündliche Frage 23
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Verabschiedung eines Energieeffizienzge-
setzes noch in der 16. Legislaturperiode
Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 17
Mündliche Frage 24
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Aussagen der Bundesanstalt für Geowis-
senschaften und Rohstoffe zur Eignung der
Asse, des Bergwerks Morsleben sowie von
Gorleben als Endlager für Atommüll in
den letzten Jahren
Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 18
Mündliche Fragen 25 und 26
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE)
Gewährung eines Rentenanspruchs für zu
Kriegsende 1945 inhaftierte Kinder und
Anzahl der heute noch Lebenden
Antwort
Klaus Brandner, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 19
Mündliche Fragen 27 und 28
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Bisher ausgestellte europäische Parkaus-
weise für Behinderte, Erfahrungswerte so-
wie Einführung eines europäischen Behin-
dertenausweises
Antwort
Klaus Brandner, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 20
Mündliche Frage 29
Veronika Bellmann (CDU/CSU)
Einreichung von Vorschlägen 2009 für das
transeuropäische Verkehrsnetz
24286 D
24287 A
24287 B
24287 C
Antwort
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 21
Mündliche Frage 30
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Finanzierung von Lärmsanierungsprojek-
ten an Bundesfernstraßen durch Mittel aus
den Konjunkturpaketen und aus den
Mauteinahmen
Antwort
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 22
Mündliche Frage 31
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Lärmschutz durch Geschwindigkeitsredu-
zierungen auf Autobahnen
Antwort
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 23
Mündliche Frage 36
Cornelia Pieper (FDP)
Haushaltsvorbehalt für den Achtpunkte-
plan Innovation und Wachstum des Bun-
desministeriums für Bildung und For-
schung
Antwort
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 24
Mündliche Frage 37
Cornelia Hirsch (DIE LINKE)
Steigerung der Studierendenquote auf
40 Prozent laut Koalitionsvertrag bei
gleichzeitiger Verschiebung der Finanzie-
rung des Hochschulpakts II auf die nächste
Legislaturperiode
Antwort
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24288 B
24288 C
24288 D
24289 A
24289 A
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 IX
Anlage 25
Mündliche Frage 38
Cornelia Hirsch (DIE LINKE)
Vertagung der Entscheidung zur Bereit-
stellung von Mitteln für die Fortschreibung
des Paktes für Forschung und Innovation,
für den Hochschulpakt II und für die
Exzellenzinitiative
Antwort
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 26
Mündliche Frage 39
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Von der Bundeskanzlerin während ihrer
Amtszeit besuchte KZ-Gedenkstätten
Antwort
Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 27
Mündliche Frage 40
Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Auswirkungen des EU-Richtlinienumset-
zungsgesetzes auf die Anzahl der Einbür-
gerungen und Haltung der Staatsministe-
rin Dr. Maria Böhmer dazu
Antwort
Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 28
Mündliche Frage 41
Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Stellung der Einbürgerung im Integra-
tionsprozess und daraus resultierende
Schlussfolgerungen für eine Änderung des
Staatsangehörigkeitsgesetzes nach Auffas-
sung der Staatsministerin Dr. Maria
Böhmer
Antwort
Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 29
Mündliche Frage 42
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
24289 B
24289 C
24290 A
24290 B
Lage in Afghanistan und Schlussfolgerun-
gen für die Fortsetzung des Einsatzes deut-
scher Soldaten
Antwort
Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 30
Mündliche Frage 43
Reinhard Grindel (CDU/CSU)
Kenntnisse der Bundesregierung über Vor-
würfe gegen den türkischen Generalkon-
sul in Düsseldorf Hakan Kivanc wegen ras-
sistischer Äußerungen gegen Deutsche
Antwort
Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 31
Mündliche Frage 44
Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden)
(CDU/CSU)
Maßnahmen der Bundesregierung hin-
sichtlich Vorwürfen gegen den türkischen
Generalkonsul Hakan Kivanc wegen ras-
sistischer Äußerungen gegen Deutsche
Antwort
Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 32
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstim-
mung über den zusammengeführten Entwurf
eines … Gesetzes zur Änderung des Schwan-
gerschaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten
Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina
Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord-
nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 33
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Michael Brand (CDU/CSU) zur namentlichen
Abstimmung über den zusammengeführten
Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Abge-
ordneten Johannes Singhammer, Kerstin
Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter
(Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . .
24290 C
24291 A
24291 B
24291 C
24292 A
X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
Anlage 34
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
zur namentlichen Abstimmung über den zu-
sammengeführten Entwurf eines … Gesetzes
zur Änderung des Schwangerschaftskonflikt-
gesetzes der Abgeordneten Johannes
Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und
anderer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 3 a)
Anlage 35
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Hubert Hüppe (CDU/CSU) zur namentlichen
Abstimmung über Art. 1 Nr. 1 bis 3 und Art. 2
des zusammengeführten Entwurfs eines …
Gesetzes zur Änderung des Schwanger-
schaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten
Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina
Lenke und anderer Abgeordneter und zu der
namentlichen Abstimmung über Art. Nr. 4 des
zusammengeführten Entwurfs eines … Ge-
setzes zur Änderung des Schwanger-
schaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten
Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina
Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord-
nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 36
Erklärung des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert
(DIE LINKE) zu dem zusammengeführten
Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Abge-
ordneten Johannes Singhammer, Kerstin
Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter
(Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 37
Erklärung des Abgeordneten Sigmar Gabriel
(SPD) zu dem zusammengeführten Entwurf
eines … Gesetzes zur Änderung des Schwan-
gerschaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten
Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina
Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord-
nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 38
Erklärung der Abgeordneten Miriam Gruß
(FDP) zu dem zusammengeführten Entwurf
eines … Gesetzes zur Änderung des Schwan-
gerschaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten
Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina
Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord-
nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24294 A
24294 B
24296 B
24297 A
24297 A
Anlage 39
Erklärung der Abgeordneten Cornelia Pieper
(FDP) zu dem zusammengeführten Entwurf
eines … Gesetzes zur Änderung des Schwan-
gerschaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten
Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina
Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord-
nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 40
Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung
und Bericht: Anbau von gentechnisch verän-
dertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11)
Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . .
Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Anlage 41
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Dr. Konrad Schily (FDP) und Otto Schily
(SPD) zur namentlichen Abstimmung über
die Beschlussempfehlung und Bericht: Anbau
von gentechnisch verändertem Mais stoppen
(Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 42
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Wolfgang Zöller, Maria Eichhorn, Dr. Max
Lehmer und Max Straubinger (alle CDU/
CSU) zur namentlichen Abstimmung über die
Beschlussempfehlung und Bericht: Anbau
von gentechnisch verändertem Mais stoppen
(Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 43
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Dr. Peter Ramsauer, Hartmut Koschyk,
Norbert Geis, Josef Göppel, Dr. Wolfgang
Götzer, Gerda Hasselfeldt, Ernst Hinsken,
Klaus Hofbauer, Bartholomäus Kalb, Alois
Karl, Eduard Lintner, Stephan Mayer (Alt-
ötting), Dr. h. c. Hans Michelbach, Marlene
Mortler. Dr. Gerd Müller, Stefan Müller (Er-
langen), Dr. Georg Nüßlein, Eduard Oswald,
Daniela Raab, Albert Rupprecht (Weiden),
Dr. Andreas Scheuer, Christian Schmidt
(Fürth), Thomas Silberhorn, Johannes
Singhammer, Matthäus Strebl und Dr. Hans-
Peter Uhl (alle CDU/CSU) zur namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung
und den Bericht Anbau von gentechnisch verän-
dertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11)
24297 B
24297 B
24297 C
24297 D
24298 B
24298 C
24298 D
24299 A
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 XI
Anlage 44
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Elvira Drobinski-Weiß, Ulrich Kelber,
Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Marianne
Schieder, Volker Blumentritt, Josip
Juratovic, Dr. Wolfgang Wodarg, Gabriele
Fograscher, Jella Teuchner, Anette Kramme,
Hilde Mattheis, Johannes Jung (Karlsruhe),
Dr. h. c. Susanne Kastner, Heinz Paula,
Engelbert Wistuba, Lothar Binding (Heidel-
berg), Ewald Schurer, Heidi Wright, Petra
Ernstberger, Marco Bülow, Martin Burkert,
Dr. Carl-Christian Dressel, Dr. Bärbel Kofler,
– zu der Unterrichtung durch den Bundes-
rechnungshof: Bemerkungen des Bun-
desrechnungshofes 2008 zur Haushalts-
und Wirtschaftsführung des Bundes
(einschließlich der Feststellungen zur
Jahresrechnung 2007)
– Rechnung des Bundesrechnungshofes
für das Haushaltsjahr 2008
– Einzelplan 20 –
(Tagesordnungspunkt 6 a und b)
Steffen Kampeter (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Bernhard Brinkmann (Hildesheim)
24300 C
Jörg Tauss, Hedi Wegener, Holger Ortel,
Christoph Pries, Rita Schwarzelühr-Sutter,
Heinz Schmitt (Landau), René Röspel,
Mechthild Rawert, Angelika Graf (Rosen-
heim), Jürgen Kucharczyk, Ulla Burchardt,
Rainer Arnold, Dr. Hans-Ulrich Krüger,
Lothar Mark, Dr. Angelica Schwall-Düren,
Sören Bartol, Florian Pronold, Klaus
Barthel, Christoph Strässer, Walter Kolbow,
Dr. h. c. Gerd Andres, Dr. Reinhold Hemker,
Renate Gradistanac, Gustav Herzog,
Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Peter
Friedrich, Gesine Multhaupt, Bettina
Hagedorn, Dieter Steinecke, Gerd Bollmann,
Dr. Gerhard Botz, Katja Mast, Detlef Müller
(Chemnitz), Ute Kumpf, Detlef Dzembritzki,
Gabriele Hiller-Ohm, Uta Zapf und Christel
Riemann-Hanewinckel (alle SPD) zur na-
mentlichen Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung und den Bericht Anbau von gen-
technisch verändertem Mais stoppen
(Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 45
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Beschlussempfehlung und des Berichts:
– zu dem Antrag des Bundesministeriums
der Finanzen: Entlastung der Bundesre-
gierung für das Haushaltsjahr 2007 –
Vorlage der Haushalts- und Vermögens-
rechnung des Bundes – (Jahresrech-
nung 2007)
24299 C
(SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . .
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 46
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Antrags: Lebendspenden bei der Trans-
plantation von Organen erleichtern (Tagesord-
nungspunkt 7)
Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 47
Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf
eines Gesetzes zur Abschaffung des Progres-
sionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld (Tages-
ordnungspunkt 9)
Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
24301 B
24302 A
24302 D
24303 B
24304 A
24305 D
24306 C
24307 A
24308 A
24308 D
24309 C
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24155
(A) (C)
(B) (D)
221. Si
Berlin, Mittwoch,
Beginn: 1
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sit-
zung und begrüße Sie sehr herzlich zu den heutigen Be-
ratungen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Fort-
entwicklung der Finanzmarktstabilisierung und Eck-
punkte zum Konsolidierungsbank-Modell.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Die Bundesregierung hat sich heute erneut mit
der Frage der Stabilität auf den Finanzmärkten beschäf-
tigt. Sie nehmen genauso wie die Bundesregierung wahr,
dass die Vertrauensbildung, die notwendig ist, um diese
Finanzmarktkrise auch mit ihren Übersprungseffekten
auf die Realwirtschaft zu bekämpfen, immer noch nicht
so weit gediehen ist, wie es wünschenswert wäre. Der
Rettungsschirm, den wir mit Ihrer Hilfe im Herbst des
Rede
letzten Jahres verabschiedet haben, ist sicherlich not-
wendig gewesen, aber erkennbar noch nicht hinreichend.
Wir haben das Problem, dass es eine Reihe von Ban-
ken gibt, deren Bilanzen mit faulen oder Problemaktiva
so stark belastet sind, dass sie im Zusammenhang mit
der Rating-Migration einem ständigen weiteren Abwer-
tungsprozess unterworfen sind. Sie müssen zunehmend
abschreiben und dabei einen zunehmenden Eigenkapital-
verzehr in Kauf nehmen. Dieser Eigenkapitalverzehr in-
folge der Belastung ihrer Bilanzen durch solche Papiere
ist das eigentliche Problem; denn im Extremfall, der hof-
fentlich nicht eintritt, kann es infolge des Eigenkapital-
verzehrs zu einem Solvenzproblem kommen. Näherlie-
gend ist die Tatsache – das bekümmert uns
dieses Eigenkapital nicht mehr für das zu
steht, was wir in dieser Konjunktursituati
brauchen, nämlich für die Unterlegung vo
schäften, für Kredite. Ich sage das nicht nur mit Blick
tzung
den 13. Mai 2009
3.01 Uhr
auf die Finanzierung des Mittelstandes, sondern auch
mit Blick auf die Finanzierung großer Unternehmen.
Die Papiere, über die wir reden, lassen sich in drei
Kategorien aufteilen: In der ersten Kategorie sind struk-
turierte Wertpapiere – im normalen Sprachgebrauch
werden sie als giftige Papiere bezeichnet; Sie alle ken-
nen die englischen Abkürzungen –, die zweite Kategorie
bilden illiquide Papiere – das sind Staats- und Unterneh-
mensanleihen –, und die dritte Kategorie umfasst das,
was die Banken selber als nichtstrategische Aktiva be-
zeichnen. Das sind Papiere, von denen sie sich möglichst
trennen wollen – das ist ihre Zukunftsstrategie –, um
sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Sie suchen
nach einer Gelegenheit, diese nichtstrategischen Wert-
papiere loszuwerden. Einige gehen dabei allerdings so
weit, das damit beschäftigte Personal möglichst gleich
mit abzugeben.
Wir haben uns heute auf einen Gesetzentwurf zu den
toxischen Papieren konzentriert. Dabei geht es um eine
Art Zweckgesellschaftsmodell. Ich will versuchen, es im
Telegrammstil zu beschreiben: Die Rechtsform ist
selbstverständlich neutral. Alle Banken können davon
Gebrauch machen. Ihnen wird die Möglichkeit einge-
räumt, eine Zweckgesellschaft zu gründen. Auf diese
text
Zweckgesellschaft können sie die strukturierten Wertpa-
piere verlagern. Dafür bekommen sie von dieser Zweck-
gesellschaft Schuldverschreibungen. Diese werden von
der Zweckgesellschaft durch die Begebung einer An-
leihe finanziert. Die Schuldverschreibungen werden
staatlich garantiert. – Das hat den Effekt, dass die Bank
hochvolatile Assets abgeben kann und dafür höchst sta-
bile, werthaltige und vor allem staatlich garantierte
Schuldverschreibungen bekommt, die sie nicht mit
Eigenkapital unterlegen muss. Die Bundesbank ist bereit
– das ist ganz wichtig –, diese Papiere als Sicherheit zu
akzeptieren, wenn es darum geht, für die Banken Liqui-
dität bereitzustellen. Das ist der enorme Vorteil.
so um Bilanzbereinigung. Den Gegenwert
rten Wertpapiere bekommen die Banken in
huldverschreibungen; sie müssen nicht ei-
erlegt sein. Diese Schuldverschreibungen
alle –, dass
r Verfügung
on dringend
n neuen Ge-
Es geht al
der ausgelage
Form von Sc
genkapitalunt
können auch als Sicherheiten, als Collateral, bei der
24156 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Bundesminister Peer Steinbrück
Bundesbank eingereicht werden, um Liquidität zu be-
kommen.
Bei jeder dieser Lösungen – dafür werbe ich jetzt –
befindet man sich in einem Zieldreieck; dies führt zu
Spannungen. Je effektiver die Bilanzbereinigung ist, die
man braucht, damit die Banken freigeschaufelt werden
und Eigenkapital zur Verfügung haben, desto aktueller
wird die Frage, wer für diese Operation die Haftung und
die Risiken übernimmt. Dann stellt sich automatisch die
Frage: Ist das der Bundeshaushalt, sind das die Steuer-
zahler? Das heißt, je effektiver die Bilanzbereinigung,
desto scharfkantiger das Problem, wer haftet bzw. mögli-
cherweise zahlen muss.
Wenn man dieses Risiko zugunsten des Steuerzahlers
minimieren will, muss man den Banken Auflagen ertei-
len. Wenn die Auflagen allerdings zu prohibitiv sind,
wenn sie den Vorteil, den die Banken bekommen, über-
kompensieren, werden die Banken von einem solchen
Modell keinen Gebrauch machen. Insofern ist die Dosis
dessen, was wir dort machen, von entscheidender Be-
deutung.
Wir sind zu einer Lösung gekommen, bei der wir, wie
wir glauben, die Risiken für den Steuerzahler sehr deut-
lich minimieren können. Die Auflagen, die erfüllt wer-
den müssen, beinhalten im Wesentlichen vier Punkte.
Erstens. Die Banken müssen für die Garantie eine Ge-
bühr zahlen. Dies ist schon vor dem Hintergrund der No-
tifizierung in Brüssel notwendig.
Zweitens. Die Banken geben ihre Schrottpapiere, um
es umgangssprachlich zu formulieren, zum Buchwert ab,
minus 10 Prozent. Auch dies ist eine Notwendigkeit, um
in Brüssel Einigung herzustellen.
Drittens. Diesem Buchwert wird von einer neutralen
Instanz in der Zuständigkeit der SoFFin, der sich Exter-
ner bedienen wird, ein Fundamentalwert, eine Ein-
schätzung des tatsächlichen ökonomischen Wertes, ge-
genübergestellt. Die Banken werden verpflichtet, eine
mögliche Differenz zum Zeitpunkt der Überführung die-
ser Papiere auf die Zweckgesellschaft über 20 Jahre ab-
zustottern. Das reicht aber noch nicht.
Viertens. Nach Ende der Laufzeit der Papiere wird
festgestellt, ob der dann bestehende Wert dieser Papiere
noch einmal geringer ist als der berechnete Fundamen-
talwert. Wenn er geringer ist, wird es ein Ausschüttungs-
verbot für die Alteigentümer oder – im Falle einer
Aktiengesellschaft – Altaktionäre geben.
Wir glauben, dass wir so den Steuerzahler über die
Laufzeit weitestgehend entlasten können. Ob er belastet
wird, stellt sich heraus, wenn eine Bank nicht mehr sol-
vent sein sollte. Genau das gilt es zu verhindern.
Ich habe angedeutet, dass sich das nur auf die erste
Kategorie, nämlich auf die toxischen Papiere bezieht.
Wir planen – wir würden Sie gern mit den entsprechen-
den Vorarbeiten versorgen –,
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]:
Unterstützen!)
auf dieses Zweckgesellschaftsmodell ein sogenanntes
Konsolidierungsbank-Modell zu setzen, das insbeson-
dere für die Landesbanken von Bedeutung sein mag.
Denn die Landesbanken haben nicht nur sehr massive
Probleme aufgrund der toxischen Papiere, sondern auch
aufgrund der illiquiden und sogenannten nichtstrategi-
schen.
Sie kennen das umgangssprachlich unter der Über-
schrift „AIDA“, das Modell „Anstalt in der Anstalt“, das
aber eine ganze Reihe von Fragen aufwirft. Dies ist
wahrscheinlich nicht allein durch eine Novelle des
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes umzusetzen – es muss
rechtssicher sein –, sondern auch das KWG und andere
Aspekte sind davon erheblich berührt. Insofern sind wir
nach wie vor in Abstimmungen, nicht nur intern, son-
dern auch mit den Ländern.
Die Bereitschaft, dieses Modell gerade für die Lan-
desbanken attraktiv zu machen, verbindet sich aus Sicht
der Bundesregierung mit der strikten Auflage, dass es
bei dieser Gelegenheit zu einer Rekonstruktion oder Re-
strukturierung im Landesbankensektor kommt. Dies ist
zwingend erforderlich. Das heißt, die Träger der Landes-
banken, insbesondere die verantwortlichen Landesregie-
rungen, sollen, auch durch klare Commitments, veran-
lasst werden – gegebenenfalls auf Vorschlag eines
Ministerpräsidenten; zu denken ist etwa an einen identi-
schen Entschließungsantrag im Bundestag und im Bun-
desrat –, eine Konsolidierung, eine Rekonstruktion, wie
immer man es nennen will, der Landesbanken vorzuneh-
men.
Daran sind viele Länder interessiert; ob es alle sind,
wird sich in den weiteren Gesprächen herausstellen. Ich
halte es für zwingend erforderlich, dass wir bei dieser
Gelegenheit zu einem Ergebnis kommen, wobei klar ist,
dass der Bund für solche Papiere nicht in Haftung geht,
keine Risiken übernimmt. Das ist Sache der Träger der
Landesbanken.
Abschließend: Die jetzt vorgesehene Konstruktion
– es ist die erste Stufe – ist noch über das zu bedienen,
was Sie der Bundesregierung im Rahmen der Banken-
abschirmung eingeräumt haben. Die Garantien, die ge-
geben werden sollen, können aus den 400 Milliarden
Euro, die Sie bewilligt haben, geschöpft werden. Sie
wissen: Das ist Bestandteil der 500 Milliarden Euro, die
seinerzeit für die Bankenabschirmung gewährt worden
sind; dort ist genügend Spielraum. Ob sich das gegebe-
nenfalls ändert, wenn das zweistufige Modell mit Blick
auf das, was ich „Konsolidierungsbank-Modell“ oder
„AIDA-Modell“ nenne, umgesetzt wird, wird sich im
Verlauf der weiteren Beratungen herausstellen.
Ich will an dieser Stelle abbrechen, damit mein Vor-
trag nicht zu lang wird, und sehe Ihren Fragen gerne ent-
gegen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Wir kommen
zunächst zu den Fragen zu diesem Themenbereich. Als
Erster hat der Kollege Koppelin das Wort.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24157
(A) (C)
(B) (D)
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Minister, ich habe im Januar dieses Jahres mit
Interesse zur Kenntnis genommen, was Sie zu Bad
Banks gesagt haben. In der Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung heißt es: Eine Bank, die faule Wert-
papiere aufkaufen würde, könne er sich, also Steinbrück,
„ökonomisch und vor allem politisch“ nicht vorstellen.
Des Weiteren haben Sie gesagt:
Das Publikum würde uns für verrückt erklären.
So lauteten Ihre Aussagen am 18. Januar.
Nun kommen diese Bad Banks doch. Ich darf Sie fra-
gen, Herr Minister: Erstens. Was hat zu dem Um-
schwung Ihrer Meinung geführt? Zweitens. Können in
diese neu zu gründenden Bad Banks nur Wertpapiere
verlagert werden oder auch Kredite oder auch sonstige
im Augenblick nicht mehr benötigte Aktiva? Was kann
verlagert werden? Drittens. Brauchen diese Bad Banks
Eigenkapital? Wenn ja, wie viel? Müsste dafür eventuell
das Kreditwesengesetz geändert werden?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Sie zitieren mich nur zur Hälfte, Herr Koppelin.
(Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]:
Das macht der immer!)
Ich habe in meinen Ausführungen immer auf ein zentra-
les Institut, eine zentrale Bad Bank, abgehoben. Sie ken-
nen meine Haltung dazu, dass ich institutsspezifische
Lösungen keineswegs ausgeschlossen habe. Insofern be-
wegen wir uns in der Kontinuität dessen, was ich damals
öffentlich sagte. Wir reden von institutsspezifischen
Zweckgesellschaften. Hier gibt es keinerlei Wider-
spruch.
Verlagert werden können die Wertpapiere, die ich ge-
rade genannt habe: toxische Papiere, illiquide Papiere,
sogenannte nichtstrategische Wertpapiere oder Aktiva.
Die Zweckgesellschaft muss nicht mit Kapital unter-
legt werden. Insofern stellt sich die Frage einer Rekapi-
talisierung der Zweckgesellschaften nicht. Es kann sich
die Frage einer Rekapitalisierung der Kernbank, der ab-
gebenden Bank, stellen. Sie wird dann das in Anspruch
nehmen können, was dem SoFFin mit Blick auf mögli-
che Kapitalinjektionen gewährt wurde.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Dr. Lötzsch.
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Jetzt
kommt der ökonomische Sachverstand der
Linken zum Tragen!)
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, nun
haben wir alle in den letzten Monaten mit den Banken
nicht nur positive Erfahrungen gemacht, um das einmal
sehr freundlich zu formulieren. Wir können nicht unbe-
dingt davon ausgehen, dass die Banken uns gegenüber
ehrlich sind und zum Wohle der Allgemeinheit handeln.
Ich möchte meine Frage an einem Beispiel illustrieren.
Es geht mir darum, ob Sie in Ihrem Gesetzentwurf einen
Umstand bedacht haben.
Die Commerzbank ist nicht verstaatlicht worden, son-
dern die Bundesregierung bzw. die entsprechenden Gre-
mien haben der Commerzbank 16 Milliarden Euro als
Leihgabe zur Verfügung gestellt. Der Verzicht der Bun-
desregierung auf Einfluss wurde damit begründet, dass
die Commerzbank jährlich 9 Prozent Zinsen zahlen
werde. Nun hat sich herausgestellt, dass die Commerz-
bank auf Jahre hinaus nicht 1 Cent an Zinsen an den
Staat zahlen wird. Haben Sie dieses Spiel der Banken bei
Ihrem Gesetzesentwurf zu den Bad Banks eingeplant
und, wenn ja, wie?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Erstens. Die Bundesregierung hat die Kapitalinjektion
des SoFFin durchaus mit einer Reihe von Auflagen ver-
bunden. Wir haben bisher stille Einlagen erworben. Sie
werden in der nächsten Hauptversammlung in, wie ich
glaube, Vorzugsaktien umgewandelt; nageln Sie mich
aber nicht darauf fest; ich weiß nicht, ob es Vorzugs-
aktien oder Stammaktien sind.
Zweitens. Eine Bank kann nur dann Zinsen und Ge-
bühren zahlen, wenn sie ein positives Ergebnis erreicht
hat. Ich verlange einer Bank in Zeiten, in denen sie kein
positives Ergebnis vorlegen kann, keine Zinsen oder Ge-
bühren ab, weil ich die ökonomische Position der Bank
nicht verschlechtern will. Im Gegenteil: Ich möchte sie
stabilisieren. Es gibt dafür bestimmte Bilder, die ich aber
nicht wiederhole, weil man mit Bildern vorsichtig sein
soll. Aber ich kann einer Bank nicht etwas abverlangen,
was sie nicht zahlen kann. Vielmehr möchte ich die
Bank gern in den Stand versetzen, wieder schwarze Zah-
len zu schreiben. Dann wird sie auch die entsprechenden
Auflagen, was Gebühren und Zinsen betrifft, erfüllen
müssen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Die nächste Frage stellt der Kollege Kampeter.
Steffen Kampeter (CDU/CSU):
Herr Minister, erst einmal herzlichen Dank für die
Unterrichtung.
(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Jürgen Koppelin
[FDP] – Gegenruf des Bundesministers Peer
Steinbrück)
– Es hat ja noch keiner etwas gesagt. Wir wollen doch
die Höflichkeitsregeln einhalten.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Ich reagiere auf Herrn Koppelin.
Steffen Kampeter (CDU/CSU):
Ach so. Dann brauchen wir aber nicht über Höflich-
keitsregeln zu sprechen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
24158 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Er hat sich sehr höflich verhalten.
Steffen Kampeter (CDU/CSU):
Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Koppelin. –
Wir diskutieren dieses Thema sehr breit in der Öffent-
lichkeit, Herr Minister. Bei dem von Ihnen vorgetrage-
nen Lösungsvorschlag sehen Sie den Staat in der Not-
wendigkeit, zu handeln.
Ich möchte Sie auch vor dem Hintergrund der interna-
tionalen Entwicklung fragen: Wie beurteilen Sie eigent-
lich den Vorschlag, der sowohl im Parlament als auch in
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern geäußert wird,
der lautet: Im Prinzip ist Nichthandeln die vernünftigere
Lösung, sowohl für den Steuerzahler als auch für alle an-
deren Beteiligten. Wir haben so viele Probleme. Warum
sollten wir uns zur Rettung des Bankensystems zusätz-
lich engagieren?
Ich möchte Sie herzlich bitten, bei der Beantwortung
dieser Frage auch zu erläutern, warum sich die Bundes-
regierung für den Aktivtausch entschieden hat. Andere
Länder haben mit dem Aufkauf von Problemaktiva, die
Herr Koppelin angesprochen hat, bereits Erfahrungen
gemacht. Könnten Sie bitte auch diese Erfahrungen be-
werten? Das Gleiche gilt für eine Versicherungslösung,
wie sie zum Beispiel in Großbritannien praktiziert wird.
Ich glaube, wenn Sie Ihre Lösung diesen beiden Maß-
nahmen gegenüberstellen, würden dem Parlament die
Gründe für die Entscheidung der Bundesregierung etwas
klarer werden.
Herzlichen Dank.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Den Aufkauf der Problemaktiva wollten wir verhin-
dern, weil er unmittelbar zu einer Haushaltsbelastung
und damit zu einer Belastung der Steuerzahler geführt
hätte. Das ist der entscheidende Grund, aus dem wir uns
gegen einen Aufkauf vergifteter oder fauler Wertpapiere
– wie auch immer man sie umgangssprachlich bezeich-
nen möchte – entschieden haben.
Die Modelle, die in anderen Staaten angewandt wer-
den, haben wir untersucht. Das britische Versicherungs-
modell birgt das Risiko, dass es in bilanzrechtlicher und
-technischer Hinsicht nicht zu einer Bilanzbereinigung
kommt. Wir haben uns bei einschlägigen Fachleuten,
insbesondere beim Institut der Wirtschaftsprüfer, verge-
wissert, dass es bei unserem Modell im bilanzrechtlichen
und -technischen Sinne zu einer Bilanzbereinigung
kommt.
Das amerikanische PPIP ist in unseren Augen die
dritte Überarbeitung eines amerikanischen Modells;
beide Vorläufer haben nicht funktioniert. Dieses Pro-
gramm beinhaltet einen sehr problematischen Prozess,
nämlich ein Auktionierungsverfahren, das nur unter
Heranziehung möglicher Interessenten wie Hedgefonds
und Private-Equity-Fonds funktioniert. Eine solche
Konstruktion ist auf die Finanzmarktbedingungen in
Deutschland nicht übertragbar.
Dieses Modell wird von uns nicht präferiert, weil die
genannten Finanzmarkteilnehmer nach unserer Auffas-
sung eher reguliert werden müssen als motiviert werden
sollten, an solchen Auktionierungsverfahren teilzuneh-
men und dabei spekulative Interessen zu verfolgen. Sie
würden dies nämlich in der Annahme tun, dass sie die
Papiere, um die es geht, zu einem sehr günstigen Preis
bekommen und dass auch solche toxischen Papiere im
Laufe der nächsten Jahre in einer Art und Weise handel-
bar sind, dass sie mit ihnen Gewinn machen können.
Andere Interessen, die diese Finanzmarktteilnehmer ver-
anlassen könnten, sich an einem solchen Auktionie-
rungsverfahren zu beteiligen, sind nicht ersichtlich.
Sie treffen den Nagel auf den Kopf, wenn Sie darauf
hinweisen, wie schwer es ist, den Menschen, auch de-
nen, die uns hier und heute zuhören, zu erklären, warum
wir dem Bankensektor mit solch ungeheuren Summen
behilflich sind. Inzwischen ist 1 Milliarde fast zur
kleinsten Recheneinheit der Republik geworden. Das ist
eine sehr gefährliche Entwicklung, weil dabei die Pro-
portionen verloren gehen.
Die Antwort der Bundesregierung lautet, dass jeder
Bürger und jede Bürgerin ein eigenes, unmittelbares In-
teresse an einem stabilen, funktionsfähigen Finanzmarkt
haben muss: Pensionäre, Sparer, junge Leute, die anfan-
gen, Altersvorsorge zu betreiben, Gewerbetreibende,
Handwerksmeister, die einen Betriebsmittelkredit brau-
chen, große Unternehmen, die arbeitsplatzerhaltende
oder -schaffende Investitionen auf dem Kapitalmarkt
finanzieren müssen, und kleine und mittelständische Un-
ternehmen, die beim Export und bei entsprechenden Er-
schließungsstrategien Unterstützung brauchen. Alle, die
heute hier sind und uns zuhören, müssen ein massives
Interesse daran haben, dass eine der größten Volkswirt-
schaften der Welt mit ihrer Güter- und Dienstleistungs-
wirtschaft auch über einen stabilen und funktionsfähigen
Finanzmarkt verfügt.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber
nicht ohne Kontrolle! – Carl-Ludwig Thiele
[FDP]: Sehr richtig!)
Inzwischen sind die Banken sehr stark miteinander
vernetzt. Fast fühlt man sich an ein Spiel erinnert, das
man als Kind gespielt hat und das Sie vielleicht heute
mit Ihren Kindern und Enkelkindern spielen: an Do-
mino. Allerdings hat man nicht das Bild vor Augen, dass
die Zwei an die Zwei gelegt wird, sondern das Bild, dass
ein Stein der Dominosteinreihe angestoßen wird und alle
anderen Steine umfallen. In dieser Situation befinden
wir uns, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die
Bundesregierung ist der Auffassung: Wenn eine Bank
fällt, wäre die Erschütterungsdynamik so groß, dass
möglicherweise ein Flächenbrand entsteht. Dies gilt es
zu verhindern. Daher brauchen wir eine Abschirmung.
Das ist das Motiv der Bundesregierung. Aus diesem
Grunde versuchen wir, die Finanzmärkte in Deutschland
und anderswo mit Ihrer Unterstützung zu stabilisieren.
(Beifall des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/
CSU])
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24159
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Schick, bitte.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Herr Minister, schon seit mehreren Monaten wird in
Deutschland versucht, Maßnahmen zur Bankenrettung
zu ergreifen. Dabei gibt es drei zentrale Probleme: Das
erste ist die mangelnde Transparenz, das zweite ist die
Freiwilligkeit, und das dritte ist die Unterschätzung der
jeweiligen Situation, was dazu führt, dass ein Rettungs-
paket auf das nächste folgt.
Vor diesem Hintergrund lautet meine erste Frage:
Wird die Bundesregierung die Konditionen, die dem
jetzt vorgelegten Modell zugrunde liegen, diesmal im
Einzelnen veröffentlichen, oder wird sie sie weiterhin
nur den Mitgliedern des geheim tagenden Finanzmarkt-
gremiums zur Verfügung stellen, sodass die Öffentlich-
keit nach wie vor nicht einschätzen kann, was genau ge-
tan wird?
Zweitens. Ist im Kabinett darüber gesprochen wor-
den, ob dies verpflichtend oder freiwillig geschehen
soll? Mit einer Verpflichtung würde man den Fehler be-
enden, immer noch darauf zu vertrauen, dass die Banken
am besten wissen, was für den Finanzmarkt insgesamt
gut ist.
Drittens. Ist diskutiert worden – und, wenn ja: Wie ist
die Einschätzung? –, ob man Stresstests braucht, um eine
langfristigere Perspektive zu gewinnen, welche Banken
eigentlich welche Form von Rettung nötig haben? Die
EU-Kommission hat für den europäischen Raum und da-
mit auch für die deutschen Banken solche Tests vorge-
schlagen.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Ich fange mit dem Letzten an, Herr Abgeordneter
Schick. Die EU-Kommission hat die Bundesregierung
mit dem Vorschlag, Stresstests durchzuführen, etwas
überrascht. Wir hätten uns gewünscht, dass zu der Frage,
ob man Stresstests fordert, intern Überlegungen ange-
strengt werden, ehe man damit an die Öffentlichkeit
geht. Warum? Man muss sich genau überlegen, ob sol-
che Stresstests einen prozyklischen, das heißt negativ
verstärkenden Effekt haben können. Es nützt nichts,
wenn man, wie in den USA, solche Stresstests durch-
führt und die Ergebnisse anschließend von der Treasury
oder der Fed korrigiert werden. Das hat einen kontrapro-
duktiven Effekt. Deshalb muss man sich das vorher ge-
nau überlegen, und dafür sollte man sich Zeit nehmen.
Einfach Stresstests zu fordern, macht in meinen Augen
keinen Sinn. Man muss sich über die Konsequenzen im
Klaren sein und auch darüber, welche Eigendynamik Er-
gebnisse haben können, die für die Stabilisierung und für
die Wiedergewinnung von Vertrauen eher schädlich
sind. Deshalb ist meine Haltung dazu: Vorsicht an der
Bahnsteigkante! Wir haben alle diese Überlegungen an-
gestellt.
Ihr zweiter Punkt war: Freiwillige Lösung oder
Zwangslösung? Ich mache keinen Hehl daraus, dass für
die Bundesregierung nur eine freiwillige Lösung infrage
kommt, und zwar aus materiell-rechtlichen Gründen,
aber auch aus verfahrensrechtlichen Gründen. Wenn
man einer Bank Aktiva abnimmt, sie zwangsverpflichtet,
diese zum Buchwert abzugeben und dabei auch noch ei-
nen Abschlag von 10 Prozent hinzunehmen, dann sind
die Banken – da bin ich mir ziemlich sicher – in einer
sehr starken Rechtsposition, wenn es drum geht, sich
dem zu entziehen oder dies in Zweifel zu ziehen. So et-
was würde also nicht funktionieren. Es gäbe auch beihil-
ferechtliche Probleme mit der EU-Kommission.
Im Übrigen müsste das Gesetz für so etwas völlig an-
ders aussehen. Bei einer freiwilligen Regelung gibt es
die Möglichkeit, dem SoFFin Ermessensspielräume zu
öffnen, während im Falle einer Zwangslösung sehr prä-
zise, sehr klare Formulierungen im Gesetz gefunden
werden müssten. Das widerspricht dem, was wir bisher
mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz gemacht ha-
ben: sich auf der Basis einer optionalen Lösung zu bewe-
gen.
Ich kann nicht verstehen, was Sie mit Geheimgremien
meinen. Es gibt bei der Abwicklung von einigen Fällen
betriebsinterne oder schützenswerte unternehmerische
Daten. Diese Daten können in meinen Augen nicht Ge-
genstand öffentlicher Debatten sein. Ansonsten möchte
ich sagen: Sie finden in diesem Gesetzentwurf, ich
glaube, in dem neu formulierten § 6 a bis d, die genauen
Bedingungen, unter denen die Einrichtung von Zweck-
gesellschaften möglich ist, einschließlich der Auflagen,
einschließlich der Gebührenberechnungen, einschließ-
lich – ich nenne es untechnisch – des Abstotterns eines
Differenzbetrages zwischen Buchwert und Fundamen-
talwert, einschließlich eines Ausschüttungsverbotes. Das
alles ist genau definiert und Gegenstand der Formulie-
rungen, die Ihnen jetzt zugeleitet werden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Fragesteller ist der Kollege Otto Bernhardt.
Otto Bernhardt (CDU/CSU):
Weltweit haben die Kreditinstitute bekanntlich
schlechte Papiere im Wert von vielen Billionen in den
Büchern. Weltweit bemüht man sich, Lösungen zu fin-
den. Als einer, der das ziemlich genau verfolgt, habe ich
den Eindruck: Noch ist es keinem Land der Welt gelun-
gen, eine vernünftige Lösung zu finden. Sie sagten es
schon, Herr Minister: Die Amerikaner sind das dritte
Mal dabei, und auch die Versicherungslösung der Eng-
länder entlastet die Bilanzen nicht.
Insofern bin ich froh, dass die Bundesregierung jetzt
einen ersten Schritt vorschlägt. Was Sie vorgetragen ha-
ben, hat aber aus meiner Sicht zwei Problempunkte. Ich
bin sicher, Sie haben darüber diskutiert und haben Ant-
worten darauf.
Der erste Punkt. Wenn ich Sie richtig verstanden
habe, muss eine Bank, die Papiere im Wert von
10 Milliarden Euro übertragen will, zunächst einmal
1 Milliarde Euro davon abschreiben. Diese Größenord-
nung – 10 Milliarden Euro – ist für die zur Diskussion
stehenden Banken ein eher kleiner Betrag. Aber können
die Banken, um die es geht – ich denke an vier Landes-
24160 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Otto Bernhardt
banken und an zwei weitere Banken –, den Betrag, der
dann automatisch abzuschreiben ist, im Hinblick auf ihre
Eigenkapitalquote noch verkraften? Ist diese Abschrei-
bung nicht eine Schwelle, die es einigen Instituten un-
möglich macht, diese Lösung in Anspruch zu nehmen?
Der zweite Punkt. Wenn ich Sie weiter richtig ver-
standen habe, sagen Sie – um bei meinem Beispiel zu
bleiben –: 10 Milliarden Euro sind in den Büchern, für
9 Milliarden Euro wird übertragen. Die Papiere werden
von unabhängigen Leuten bewertet – das ist sehr schwie-
rig; aber das ist ein anderes Thema –
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das
stimmt!)
mit, sagen wir, 600 Millionen Euro. Dann bleibt eine
Differenz, die über einen Zeitraum von zwanzig Jahren
schrittweise abgebaut werden soll. Bedeutet dies nicht,
dass man für dieses Risiko eine Rückstellung bilden
muss – so habe ich das jedenfalls als Betriebswirt gelernt –,
die dann gleich wieder auf den Gewinn – in diesem Fall
handelt es sich um einen Verlust – und auf das Eigenka-
pital durchschlägt? Wie ist dieses Problem gelöst? Aus-
gehend von dem, was ich weiß, gibt es hierzu aus meiner
Sicht noch offene Fragen.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Zum ersten Punkt. Es handelt sich unabweisbar um
eine Bedingung der Brüsseler Kommission. Das heißt,
dass wir zur Notifizierung dieses Modells um eine sol-
che Auflage nicht herumkommen werden. Maßgebend
sind die sogenannten Prinzipien, die die Brüsseler Kom-
mission im Rahmen der Behandlung der Problemaktiva
– „Impaired Assets“ genannt – verabschiedet hat.
Zum zweiten Punkt. Wir haben in der Tat zuerst mit
der Rückstellung operiert und sind dann zu dem Ergeb-
nis gekommen, dass aus dem jeweiligen Ergebnis der
Bank ein Verlust, der sich aus der Differenz zwischen
Buchwert und Fundamentalwert ergibt, über einen Zeit-
raum von 20 Jahren abgetragen werden sollte.
Aus dem Stand bin ich überfragt, ob dies zwingend zu
einer Rückstellung führt. Meiner Meinung nach ist dies
nicht der Fall. Wir möchten das aus bilanztechnischen
Gründen gern vermeiden, um die Banken zum jetzigen
Zeitpunkt nicht zu belasten. Wir kaufen ihnen quasi Zeit.
Dies führt zu einer Entzerrung der Probleme auf der
Zeitachse. Das ist das Entscheidende. Ich bleibe Ihnen
die Antwort auf Ihre Frage, wie dies bilanzrechtlich von
den herangezogenen Fachleuten begründet worden ist,
also schuldig. Ich liefere sie gern nach.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Dr. Solms bitte.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Herr Minister, aus unserer Sicht geht die Lösung der
Probleme durch zweifelhafte Papiere und der notwen-
dige Abschreibungen, die Sie hier vorschlagen, in die
richtige Richtung – wenn sie auch spät kommt. Trotz-
dem bleiben im Detail viele Fragen offen. Wir haben ge-
rade die Erstunterrichtung bekommen.
Meine Frage schließt an die des Kollegen Bernhardt
an. Sie hatten dargestellt, dass es ein Spannungsfeld zwi-
schen der Schonung der Steuerzahler, der Ingangsetzung
des Geldkreislaufs zwischen den Banken und der Haf-
tung und Mitverantwortung der Altaktionäre für die Ri-
siken und die entstandenen Verluste gibt. Ich habe dem
Papier entnommen, dass die Dividenden in den nächsten
20 Jahren möglicherweise total ausfallen werden. Wären
das nicht eine starke Benachteiligung der Banken im
Wettbewerb und eine Beeinträchtigung ihrer Möglich-
keiten, sich Eigenkapital zu verschaffen? Denkt man an
dieser Stelle über Kompromisslösungen nach?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Herr Solms, wenn Sie erlauben, richte ich mich zu-
nächst noch einmal an Herrn Bernhardt. Herr Bernhardt,
die Frage, die Sie aufgeworfen haben, haben wir erörtert,
sowohl mit dem Institut der Wirtschaftsprüfer wie auch
mit dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Com-
mittee; das gibt es. Wir haben uns also vorher bei Sach-
verständigen erkundigt und sie um eine Stellungnahme
gebeten, damit wir auf der sicheren Seite sind.
Ich komme nun zur Frage von Herrn Solms. Ein Divi-
dendenausschüttungsverbot betrifft allein die Altaktio-
näre. Die Bank muss in der Lage sein, neue Aktien zu
emittieren, die selbstverständlich von Dividendenaus-
schüttungen profitieren. Ansonsten würde man kaum je-
manden finden, der Interesse daran hat. Wir sind zu dem
Ergebnis gekommen, dass eine Belastung der Altaktio-
näre anstelle einer Belastung der Steuerzahler absolut le-
gitim und in unseren Augen sogar notwendig ist.
Im elektronischen Handel ist es inzwischen relativ
einfach, indem man den Altaktien eine Art Stempel auf-
drückt. Diese Aktien können dann auch weiter veräußert
werden. Interessierte Käufer werden sich dann aber na-
türlich sehr selten finden, weil sie wissen, dass es sich
um eine Altaktie handelt, die möglicherweise, im Fall
von weiteren Verlusten, nicht mehr an entsprechenden
Dividendenausschüttungen teilhat. Die Banken sollen
selbstverständlich durch die Emission von neuen Aktien,
die von Dividenden profitieren müssen, in die Lage ver-
setzt werden, sich zu refinanzieren.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Fromme, bitte.
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU):
Herr Minister, es ist immer von toxischen Papieren
die Rede. Man hat dadurch den Eindruck, sie seien
nichts wert. Können Sie mir einmal beschreiben, warum
es dennoch Sinn macht, eine Zeitachse zu schaffen, um
aus den Papieren vielleicht doch noch etwas herauszuho-
len?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Das ist ganz einfach, Herr Fromme. Es wird eine
Reihe von toxischen Papieren geben, die – so die Ein-
schätzung vieler Fachleute – nach Überwindung dieser
Krise durchaus wieder einen Markt und einen Preis fin-
den können und somit auch handelbar sind.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24161
(A) (C)
(B) (D)
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU):
Danke.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin Enkelmann.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Herr Minister, auch das Dominoprinzip funktioniert
nur durch Kontrolle, damit die Steine nicht links und
rechts wegkippen. Nun reden wir hier nicht über Domino,
sondern über Milliarden. Ich habe folgende Frage: Plant
die Bundesregierung so etwas wie eine gesetzliche Ober-
grenze für die Menge an Wertpapieren, die entweder ins-
gesamt oder pro Bank in eine Bad Bank eingebracht
werden kann?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Vor dem Hintergrund eines offenen, grenzüberschrei-
tenden Marktes, von Kapitalverkehrsfreiheit etc. kann
die Bundesregierung keine Obergrenze definieren. Wie
könnten wir denn dort irgendwelche Obergrenzen defi-
nieren?
Im Übrigen hat die Bundesregierung nicht die Ab-
sicht, in die operativen Verantwortlichkeiten der Banken
einzugreifen, sondern die Bundesregierung wird durch
bankenaufsichtsrechtliche Schritte – auch verbessernde
Schritte; erste Schritte haben wir unternommen – neben
vielen anderen Maßnahmen, die man nachlesen kann
und die insbesondere auf der internationalen Ebene ver-
abredet wurden – im Rahmen einiger Gesetzentwürfe
sind Sie schon damit befasst worden –, dafür Sorge tra-
gen, dass es nicht wieder zu ähnlichen Exzessen und
Übertreibungen kommt, durch die wir in diese Krise
hineingeraten sind.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Fuchtel, bitte.
Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU):
Herr Minister, es war zu Beginn der Debatte davon
die Rede, dass wir mit einem Risikowert von 859 Mil-
liarden Euro – wer immer ihn so genau berechnet hat –
zu rechnen haben. Wie würden Sie das jetzt gewählte
Modell bezüglich dieses Risikowertes taxieren?
Können Sie mir hinsichtlich der möglicherweise be-
troffenen Banken etwas konkreter sagen, um welche
Größenordnung es hier eigentlich geht?
Ich möchte auch noch wissen, wann genau das Verbot
der Ausschüttung eintreten wird.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Das Ausschüttungsverbot wird nach der Beendigung
der Laufzeit der Papiere aktuell. Wenn der Schlusswert
eines Papiers von dem vorher berechneten Fundamental-
wert abweicht, es dort also eine Differenz, ein Delta,
gibt, dann ist sie durch die Alteigentümer auszugleichen.
Bei einer Aktiengesellschaft sind das die Altaktionäre.
Wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Bank han-
delt, sind das die sonstigen Träger.
Die Liste, die Sie ansprechen, Herr Fuchtel, geht auf
eine Abfrage der Bundesbank oder der BaFin – nageln
Sie mich jetzt nicht fest – zurück. Sie ist, wenn Sie so
wollen, eine „Wunschliste“ der Banken und nichts ande-
res. Die Banken haben im Rahmen dieser Abfrage defi-
niert, von welchen Aktiva sie sich trennen wollen. Das
sind ganz unterschiedliche Aktiva.
(Otto Bernhardt [CDU/CSU]: Wünsch Dir
was!)
– Genau. – Nur so kommt diese exorbitante Summe zu-
stande.
Um Ihre Frage präzise zu beantworten: Die Bundes-
bank schätzt, dass von diesen 850 bzw. 855 Milliarden
Euro, die in Rede stehen, ungefähr 230 Milliarden Euro
auf die sogenannten toxischen, strukturierten Wertpa-
piere entfallen. Nach Aussage der Bundesbank sind da-
von inzwischen ungefähr 30 bis 40 Milliarden Euro
„eingezäunt“; ich nenne das jetzt einmal so. Das heißt,
wir reden konkret über toxische, strukturierte Wert-
papiere in einer Größenordnung von ungefähr 180 Mil-
liarden Euro – ich bitte darum, mich für die dritte Ziffer
nicht haftbar zu machen –,
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Für
die ersten beiden schon!)
die möglicherweise betroffen sein könnten.
Hinsichtlich eines weiteren Spielraums bezogen auf
die Garantieposition in dem 500-Milliarden-Euro-Schirm:
Davon sind ungefähr noch 250 Milliarden bis 260 Mil-
liarden Euro frei. Nach Lage der Dinge – das ist jeden-
falls absehbar – brauche ich Sie, bezogen auf dieses Mo-
dell, vor der Sommerpause nicht um eine Erweiterung
des Garantierahmens zu bitten, was, so glaube ich, in Ih-
rem und auch im Sinne der Bundesregierung ist, um die
Menschen nicht dadurch weiter zu verunsichern, dass
wir plötzlich noch mehr Geld für die Bankenabschir-
mung benötigen. Es ist sehr schwer, der Öffentlichkeit
den Unterschied zwischen Garantien oder Bürgschaften
und Kapitalinjektionen zu beschreiben. Das bedarf ja ei-
ner sehr präzisen und umgangssprachlich nachvollzieh-
baren Erklärung.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Toncar, bitte.
Florian Toncar (FDP):
Herr Minister, ich habe drei Fragen:
Die erste Frage bezieht sich auf die Wirksamkeit des
Modells. Es geht sicherlich auch darum, dass diese
Zweckgesellschaften schnell eingerichtet werden kön-
nen, wobei wir das Problem haben, dass die Bewertungs-
vorgänge komplex sind und es dort kein schematisches
Vorgehen gibt, sondern jedes Papier einzeln bewertet
werden muss. Sie haben davon gesprochen, dass das eine
neutrale Instanz vornehmen soll, die beim SoFFin ange-
siedelt ist. Wie schnell wird sie operativ handlungsfähig
sein, und was genau kann man sich unter dieser neutra-
len Instanz vorstellen? Ich glaube, dass die Geschwin-
digkeit mitentscheidend für die Wirksamkeit ist.
24162 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Florian Toncar
Die zweite Frage bezieht sich auf die Konsolidierung
der Landesbanken. Sie haben deutlich gemacht, dass Sie
diese wünschen. Werden Sie den Ländern Bedingungen
stellen, die Voraussetzung dafür sind, dass sie dieses
Modell nutzen können? In welcher Form werden Sie für
Verbindlichkeit sorgen, auch angesichts der Argumenta-
tion der Länder, dass das Vorhaben in absehbarer Zeit
noch nicht vollzogen werden kann? Die Form der Ver-
bindlichkeit interessiert mich, bevor wir über einen sol-
chen Gesetzentwurf abstimmen können.
Die dritte Frage bezieht sich ebenfalls auf die Länder.
Durch die Garantielaufzeit von bis zu 20 Jahren verzö-
gert sich die Liquidation des Fonds beträchtlich. Eine
Regelung im Finanzmarktstabilisierungsgesetz sieht vor,
dass der Verlustanteil der Länder gedeckelt ist, sodass
die Inflation für die Länder arbeitet, und zwar für wei-
tere 20 Jahre. Ist das aus Sicht des Bundeshaushalts ver-
tretbar, oder sehen Sie die Notwendigkeit, mit den Län-
dern nachzuverhandeln?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Die Länder werden nur dann in den Genuss des
AIDA-Modells kommen, wenn sie die Voraussetzung er-
füllen, eine hinsichtlich des Geschäftsmodells tragfähige
Perspektive für die Restrukturierung der Landesbanken
zu bieten. Dies wird auch als Bedingung in den Gesetz-
entwurf Eingang finden. Aber das wird noch nachgelie-
fert, weil es nicht Bestandteil des Zweckgesellschafts-
teils ist, sondern erst in dem Modell der Anstalt in der
Anstalt zum Tragen kommt, das nach Lage der Dinge
noch eine Reihe von Fragen aufwirft, die ich vorhin an-
gedeutet habe. Aber es wird zu einer Bedingung ge-
macht werden müssen.
Im Übrigen wird bei dieser Gelegenheit dafür Sorge
getragen werden müssen, dass der Bund für die Weiter-
gabe oder Verschiebung von solchen illiquiden und
nichtstrategischen Assets nicht in eine Haftungs- und
Risikoposition kommt, sondern dass diese bei den Trä-
gern der Landesbanken bleibt.
Sie haben inzwischen ebenso wie ich nachvollzogen
– Herr de Maizière und ich hatten die Gelegenheit, meh-
rere Gespräche mit den Ministerpräsidenten der Länder
oder ihren Finanzministern zu führen –, dass eine Reihe
von Ländern massiv daran interessiert ist. Sie selber ha-
ben bereits eine Art Holdingmodell entworfen. Einige
von ihnen haben es „Bank deutscher Länder“ genannt.
Ich bin mit dem Namen nicht ganz zufrieden, weil er an
die Zeit nach der Währungsreform 1948 bis 1957 erin-
nert, als die Deutsche Bundesbank „Bank deutscher Län-
der“ hieß. Dahinter steht aber in einer Stufenabfolge et-
was, das sich, glaube ich, durchaus positiv von den
bisherigen Überlegungen abhebt.
Ihre erste Frage ist mir gerade entfallen.
(Florian Toncar [FDP]: Die operative Um-
setzung und die neutrale Instanz!)
– Ja, richtig. Das ist sehr wichtig. Der SoFFin wird sich
externer Sachverständiger bedienen. Das sind nach Lage
der Dinge Assetmanager oder Wirtschaftsprüfer, die al-
lerdings danach ausgewählt werden müssen, dass sie
nicht in einer Interessenkollision zu dem Institut stehen,
das die strukturierten Wertpapiere abgeben will.
Die methodischen Möglichkeiten liegen vor, aber ich
stimme Ihnen absolut zu – das hat vorhin auch Herr
Bernhardt angedeutet –: Die Feststellung des Fundamen-
talwertes ist durchaus nicht ganz leicht. Darin liegen
Probleme, aber wir glauben, dass das die einzige Mög-
lichkeit ist, die auch im Sinne des Steuerzahlers notwen-
dig ist. Denn wir wollen vermeiden, dass die Steuerzah-
ler mit den bisher aufgelaufenen Verlusten und letzten
Endes auch mit den in der Zukunft anfallenden Verlusten
belastet werden. Darauf erstreckt sich das Ausschüt-
tungsverbot.
Anschließend ist die Bankenaufsicht gefragt, noch
einmal die Validität dieser Bewertungen durch Externe
zu prüfen. Das heißt, es sind sozusagen mehrere Siche-
rungsringe eingezogen worden, damit dies so professio-
nell und solide wie möglich erfolgt. Es muss auch
schnell erfolgen; Sie haben völlig recht. Insofern sind
wir Ihnen fast zwangsläufig sehr dankbar, dass dieses
Gesetzgebungsverfahren vor der Sommerpause zu einem
Abschluss gebracht wird, damit wir nicht der Diskonti-
nuität unterliegen, und die interessierten Banken in den
Stand versetzt werden, relativ schnell solche Zweck-
gesellschaften zu gründen.
(Florian Toncar [FDP]: Können Sie noch et-
was zur Verlustdeckung der Länder und zur
Verzögerung der Liquidität sagen?)
– Es wird wahrscheinlich eine Ergänzung geben müssen,
ohne dass ich Ihnen das jetzt präzise sagen kann, weil
wir die zweite Stufe erst noch entwickeln. Sie werden so
schnell wie möglich mit dem befasst, was wir heute im
Kabinett beraten haben. Das AIDA-Modell haben wir
heute im Kabinett nicht behandelt. Es wird klargemacht
– gegebenenfalls über entsprechende Novellierungen des
jetzigen Finanzmarktstabilisierungsgesetzes –, dass der
Bund nicht bereit ist, für solche illiquiden, nichtstrategi-
schen Assets in den Bilanzen der jetzigen Landesbanken
in eine Risikoposition zu gehen. Das heißt, das müssen
die Träger der jetzigen Landesbanken übernehmen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Fragesteller ist der Kollege Norbert Barthle.
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Herr Minister, ich will zunächst in einer Vorbemer-
kung festhalten, dass das von Ihnen vorgelegte Konsoli-
dierungsbank-Modell – ich nenne es Kaba-Modell –
dazu geeignet ist, das anstehende Problem der toxischen
Papiere zu lösen, und insbesondere eine für mich essen-
zielle Forderung erfüllt. Das ist die Tatsache, dass die
Verantwortung für diese Papiere bei den Banken bleibt
und der Steuerzahler entweder gar nicht oder sehr spät in
Haftung genommen wird, und zwar zu einem Zeitpunkt,
wenn die Situation schon ganz anders aussehen kann.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]:
Kann!)
Meine konkrete Frage betrifft einen Detailpunkt hin-
sichtlich Bedingungen und Auflagen, die mit diesem
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24163
(A) (C)
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Norbert Barthle
Modell verbunden sind. Sie selbst haben gesagt, dass sie
nicht zu prohibitiv sein dürfen. Entscheidend ist für mich
dabei die Höhe der Gebühren, von der die Akzeptanz des
Modells abhängt. Wer stellt zu welchem Zeitpunkt und
auf welcher Grundlage die Höhe der Gebühren fest?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Die Höhe der Gebühren wird vom SoFFin festgestellt
werden müssen, und zwar auf der Basis der Vorgaben
der Europäischen Kommission, die unter dem Gesichts-
punkt der Wettbewerbsgleichheit ganz klare Spielregeln
vorgegeben hat. Das hat sie übrigens schon im Rahmen
der jetzigen Lösungen für die Zinsberechnungen bei
denjenigen getan, die Kapitalinjektionen in Anspruch
nehmen. Wie Sie wissen, sind diese Zinsen teilweise
sehr hoch. Damit kommen wir zu einer früheren Frage-
stellung zurück. Einige Institute könnten möglicher-
weise – weil sie Verluste schreiben – einmal nicht in der
Lage sein, Zinsen oder Gebühren zu zahlen; das will ich
gar nicht ausschließen. Man wird eine Lösung finden
müssen, um diese Institute nicht unter Wasser zu halten,
sondern über Wasser zu bringen. Daran haben wir ein
massives Interesse.
Bezogen auf manche Frage bzw. Zwischentöne, die
ich von der linken Seite gehört habe: Man muss sehen,
was man möchte. Wenn man die Banken von Problemen
entlasten möchte, dann kommt man bei der Lösungs-
suche mit Vorurteilen gegenüber dem Bankensektor
nicht weiter; denn es ist für dieses Land von existenziel-
ler Bedeutung, den Bankensektor zu stabilisieren. Das ist
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber
doch nicht für null! Da muss es doch eine
Kontrolle geben!)
– Entschuldigen Sie bitte, ich nehme als einer der verant-
wortlichen Minister nicht billigend in Kauf, dass eine
Entwicklung Raum greift, an deren Ende eine schwere
Erschütterung des deutschen Bankensektors steht.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Das können sich nur Leute leisten, die glauben, man
könnte einen Laborversuch durchführen. Das kann man
aber nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir reden hier über eine Volkswirtschaft mit 80 Milli-
onen Menschen. Die Realwirtschaft braucht gerade in
einer Situation, in der gegebenenfalls große Unterneh-
men spielend einen Refinanzierungsbedarf in Höhe von
4 Milliarden, 5 Milliarden oder 6 Milliarden Euro haben,
dringend stabile und verlässliche Finanzdienstleistun-
gen. Das alles geschieht vor dem Hintergrund deutlich
veränderter Finanzierungsstrukturen; denn die klassi-
schen Konsortialfinanzierungen der vergangenen Jahre
sind aufgrund des Rückzugs der Banken – auch auslän-
discher – schwieriger denn je. Deutsche Institute müssen
daher durch Abschirmung und Stabilisierung in die Lage
versetzt werden, dort tätig zu werden. – Bin ich Ihnen ir-
gendeine Antwort schuldig geblieben?
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nein, das
war’s! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE
LINKE]: Die Wahrheit!)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Fragesteller ist der Kollege Dr. Troost.
Dr. Axel Troost (DIE LINKE):
Herr Minister, ich bin gar nicht in der Lage, so viele
Fragen zu stellen, wie Ihre Antworten bei mir auslösen.
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie
werden es nie begreifen!)
Ich nehme zur Kenntnis, dass es demnächst verschie-
dene Aktien gibt: solche mit Stempel und solche ohne
Stempel. Das löst bei mir im Hinblick auf den elektroni-
schen Aktienhandel viele Fragen aus.
Worauf ich eigentlich hinaus will, ist Folgendes: Sie
sagen, ein Stresstest sei ein Problem, und man solle ei-
nen solchen Test besser nicht durchführen, weil er Panik
auslösen könne. Damit verhält es sich etwa so, als ob
man nicht zum Arzt ginge und keine Blutuntersuchung
durchführen ließe, weil man nicht wissen will, ob man
krank ist.
Nach Ihrem Verfahren ist mit einem Abschlag in
Höhe von 10 Prozent zu rechnen. Kollege Bernhardt hat
gefragt, ob 10 Prozent noch zu verkraften seien. Wissen-
schaftler vom DIW zum Beispiel gehen davon aus, dass
viele Papiere einen Wert von null haben. Das bedeutet
also nicht minus 10 Prozent, sondern minus 100 Prozent.
Nun sollen die Fundamentalwerte von neutralen Institu-
tionen, wie Sie sagen, festgestellt werden. Die entschei-
denden Fragen sind: Erstens. Gibt es solche neutralen In-
stitutionen wirklich, die nicht in Geschäftsbeziehungen
standen oder stehen? Zweitens. Wird die Politik nicht
dahin gehend Einfluss nehmen – genauso haben Sie es
im Hinblick auf den Stresstest geschildert –, dass die
Fundamentalwerte möglichst gut sind, damit im Moment
keine zu großen Verluste ausgewiesen werden müssen
und möglichst viel in die Zukunft verlagert werden kann,
um die Probleme nicht schon jetzt bewältigen zu müs-
sen?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Soweit ich Ihre Frage nachvollziehen kann, basiert sie
auf einer ganzen Reihe von Missverständnissen; ob kon-
struiert oder nicht, kann ich nicht genau beurteilen. Dass
es unterschiedliche Aktientypen gibt, ist schon heute
gängige Praxis. So kennen wir zum Beispiel Stamm-
aktien und Vorzugsaktien. Wo ist also das Problem, das
Sie mit Ihrer Frage insinuieren, Herr Troost? Das macht
keinen Sinn.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das ist schon
ein Unterschied!)
Das Gleiche gilt im Hinblick auf den Stresstest. Ich
habe mich keineswegs so geäußert, wie Sie es dargelegt
haben. Ich habe mich dahin gehend geäußert, dass man
sich das sehr genau überlegen muss. Nichts anderes habe
ich gesagt, nicht weniger und nicht mehr. Man darf nicht
24164 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Bundesminister Peer Steinbrück
aus der Hüfte schießen, nur weil „Stresstest“ so toll
klingt und modisch sein mag.
Ich möchte vorher überlegen, was sich damit verbin-
det und wie das aussieht.
Zu Ihren beiden Fragen sage ich: Man wird fachlich
versierte Leute für die Berechnung solcher Fundamen-
talwerte finden müssen. Ich habe darauf hingewiesen,
dass eine Validierung durch die Bankenaufsicht stattfin-
den muss. Insofern hat man, wie ich glaube, eine neu-
trale, hinlänglich respektierte Instanz. Ich kann mir kei-
nen anderen Weg vorstellen. Ich verstehe auch nicht die
Verdächtigungen. Eine politische Einflussnahme verbie-
tet sich. Die würde sofort von den Märkten, von den
Wirtschaftsprüfern und von all denjenigen, die Bilanzen
zu prüfen haben, registriert werden. Wir machen gerade
die Erfahrung, dass dieser Stresstest in den USA deshalb
nichts mehr wert ist, weil es eine Einflussnahme der
dortigen Zentralbank und des Finanzministeriums, des
Treasury, gegeben hat. Daran können Sie sehen, wie
ambivalent das sein kann und dass der Schuss nach hin-
ten losgehen kann.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Thiele, bitte.
Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Sehr geehrter Herr Minister, als FDP teilen wir die
Meinung, dass es Aufgabe des Staates ist, dafür zu sor-
gen, dass die Realwirtschaft und die Bürger unseres Lan-
des wieder Vertrauen in den Finanzplatz fassen. Deshalb
haben auch wir dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz
zugestimmt.
Zu dem Punkt, um welche Papiere es geht, habe ich
eine Nachfrage – Sie hatten gerade schon eine Teilant-
wort gegeben –: Geht es dabei um die Nominalbeträge
oder um die abgewerteten Beträge, die derzeit als Risiko
in den Bilanzen der Banken vorhanden sind? Wie ver-
teilt sich das auf Privatbanken und Landesbanken? Denn
einen Großteil der Probleme haben die Landesbanken.
Ich wäre dankbar, wenn Sie sagen könnten, wie sich das
aus Ihrer Sicht heute in etwa verteilt.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Ich kann Ihnen, Herr Thiele, aus dem Stand nicht be-
antworten, wie sich die von mir genannten strukturierten
Wertpapiere in Höhe von 180 Milliarden oder 190 Mil-
liarden Euro auf private Geschäftsbanken und Landes-
banken verteilen. Die Bundesregierung muss mit einem
rechtsformneutralen Gesetz operieren. Das heißt, es steht
allen Banken jedweder Art offen. Anders geht es gar
nicht. Wer wie davon Gebrauch macht, ist im Augen-
blick nicht absehbar. Ich halte dieses Handeln für not-
wendig; ob es im Hinblick auf unser gemeinsames Ziel
hinreichend ist, wird sich im Zeitablauf erweisen. Ich
glaube, Ihre Frage dahin gehend beantworten zu können,
dass viele Landesbanken insbesondere mit Blick auf die
illiquiden Wertpapiere und nichtstrategischen Wertpa-
piere ein massives Interesse daran haben, dass die jetzt
vorgestellte Lösung durch das ergänzt wird, was wir ge-
meinsam vorgeschlagen haben. Stichworte sind in die-
sem Zusammenhang: AIDA, Konsolidierungsbank-Mo-
dell, Kaba- oder Koba-Modell; mit der Bezeichnung
„Kaba“ wird vielleicht eine falsche Assoziation ausge-
löst. Das wird sich also herausstellen.
Sie fragten dann noch, ob es um die nominalen Werte
oder die abgeschriebenen Werte geht. Ich versuche, das
an einem Beispiel wie folgt zu beschreiben: Eine Bank
hat ein solches Wertpapier zu einem Wert von 100 in die
Bilanz genommen. Inzwischen hat es einen Buchwert
von im Durchschnitt 60. Das heißt, dass schon 40 Pro-
zent abgeschrieben worden sind. Von diesen 60 müssen
dann, wenn das Wertpapier auf die Zweckgesellschaft
übertragen wird, 10 Prozent abgezogen werden. Dann
beträgt der Buchwert, zu dem die Zweckgesellschaft das
Papier übernehmen soll, 54. Jetzt stellen Wirtschafts-
prüfer und Assetmanager fest, dass der Buchwert von
54 zu hoch und der Fundamentalwert 40 ist. Das heißt,
dass in diesem Beispiel über die nächsten 20 Jahre ein
Wert von 14 abgestottert werden muss. Nun wird nach
der Laufzeit festgestellt, dass das Papier nur noch einen
Wert von 30 hat. Dann muss noch einmal ein Betrag von
10 über ein Ausschüttungsverbot abgedeckt werden. Das
ist der Mechanismus.
Inwieweit diese Papiere werthaltig sind oder wie der
Buchwert ist, verstehen Sie als Fachmann genauso gut
wie ich; denn es gibt ganz unterschiedlich klassifizierte
Wertpapiere. Wir machen teilweise die Erfahrung, dass
selbst mit AAA bewertete strukturierte Papiere nicht
mehr zum Buchwert von 100, also zum Einkaufspreis, in
der Bilanz stehen, sondern nur zu 80 oder zu 70. Ande-
rerseits sind mit BBB bewertete Papiere nur noch mit ei-
nem Wert von 30 oder 20, einige sogar mit 0 – das sind
richtige Schrottpapiere – aufgeführt. Die Frage, die vor-
hin Herr Fromme stellte, war berechtigt. Es gibt viele
Papiere, die ein durchaus gutes Rating haben, die aber
trotzdem im Augenblick nicht handelbar sind. Wenn sich
der Markt aber in nicht allzu weiter Ferne, also nicht in
15 oder 20 Jahren, sondern möglichst in 2, 3 oder 4 Jah-
ren, stabilisiert – das hoffen wir –, dann erzielen diese
Papiere wieder einen Preis und können gegebenenfalls
veräußert werden.
(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Und wenn
der Wert 70 ist?)
– Wenn der Wert 70 ist, fragt Herr Solms. Darf ich die
Frage beantworten?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Von mir aus schon, Herr Minister. Nur, wir haben die
für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit
schon überschritten. Wenn Sie anschließend noch eine
Frage beantworten, dann haben wir, glaube ich, das
ganze Haus zufriedengestellt.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Herr Solms trifft einen wichtigen Punkt: Wenn sie ei-
nen Wert von 70 statt von 40 haben, dann haben die Ban-
ken einen Gewinn gemacht; denn die öffentliche Hand
übernimmt ja auch keinen Verlust. Das heißt, da kein
Verlust übernommen wird, kann sie den Banken den Ge-
winn dann auch nicht streitig machen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24165
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Als letztem Fragesteller erteile ich nun dem Kollegen
Carsten Schneider das Wort.
Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):
Herr Minister, Sie haben erstens die Problematik der
Landesbanken angesprochen. Haben Sie den Eindruck,
dass bei den Ministerpräsidenten ein hinreichendes Pro-
blembewusstsein für die Situation der Landesbanken
und in Bezug auf die Existenz der Bundesländer vorhan-
den ist?
Zweitens haben Sie die Alteigentümerhaftung bei den
Landesbanken angesprochen. Betrifft dies dann auch die
Sparkassen, die teilweise noch Alteigentümer bzw. Mit-
aktionäre sind?
Drittens hat der Bundesbankpräsident vorgeschlagen,
die prozyklischen Bewertungsstandards unter anderem
im Rahmen der IFRS zu entschärfen. Wie ist dies inter-
national bei Ihren Kollegen im Hinblick darauf ange-
kommen, den Bilanzdruck von den Banken zu nehmen?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Es gibt einige Länder – einige sind auch deshalb von
Bedeutung, weil sie Standort der noch verbliebenen sie-
ben selbstständigen Landesbanken sind –, die ausgespro-
chen aufgeschlossen gegenüber der genannten Proble-
matik sind. Nun muss man anerkennen, dass sich die
Situation der Landesbanken durchaus unterscheidet.
Man kann es ja beim Namen nennen: Die Helaba und die
Nord/LB sind – jedenfalls aktuell – erkennbar in einer
anderen Situation als manch andere Landesbank. Dem-
entsprechend ist auch die Interessenlage der betroffenen
Länder definiert.
Trotzdem ist mein Eindruck, dass die Landesbanken
und die dahinterstehenden Träger, also vornehmlich die
Landesregierungen, interessiert sind, einige davon in be-
sonderem Maße. Sie brauchen nur die gestrige Entschei-
dung der EU-Kommission betreffend die WestLB vor
Ihrem geistigen Auge ablaufen zu lassen; dann wissen
Sie, wie hoch das Interesse an einer solchen Lösung ist.
Das Gleiche gilt für einige andere. Insofern glaube ich
nach den jüngsten Gesprächen, dass unser Vorgehen
richtig ist.
Ich mache allerdings keinen Hehl daraus, dass ich ein
Höchstmaß an Eigenverantwortung insbesondere der
Landesregierungen gegeben sehe. Das ist der Grund, wa-
rum ich in den letzten zwei Jahren sehr zurückhaltend
gewesen bin, die Landesbanken in der Bundesregierung
oder im Bundestag zum Thema zu machen. Ebenso ma-
che ich keinen Hehl daraus, dass bei mir eine gewisse
Enttäuschung mitschwingt, in welch geringem Maße es
den Beteiligten, insbesondere den Landesregierungen,
bislang gelungen ist, das Problem der Landesbanken zu
lösen. Sie haben in den letzten zwei Jahren weder eine
horizontale noch eine vertikale Lösung, keine Stand-
alone-Lösung, kein Privatinvestormodell und auch keine
internationalen Lösungen hinbekommen. Keine dieser
Lösungen ist bisher zustande gekommen. Manchmal
habe ich den Eindruck, dass das Problem sehr gezielt so
eskaliert, dass es eines Tages dem Bund, also Ihnen auf
parlamentarischer Ebene genauso wie mir in der Exeku-
tive, auf die Füße fallen soll. Deshalb bin ich da sehr
vorsichtig.
Die Bilanzierungsstandards sind ein ständiges Thema
im internationalen Bereich. Dazu wird der IASB – das
ist der International Accounting Standards Board – ein-
geladen, um festzustellen, ob es im Zusammenhang mit
den amerikanischen Bilanzierungsregelungen inzwi-
schen ein gleiches Wettbewerbsfeld gibt oder ob Nach-
teile für europäische Banken bestehen. Insbesondere ist
Gegenstand der Debatte des Baseler Ausschusses, ob die
Bilanzierungsregeln in dem Sinne flexibilisiert werden
müssen, dass ihnen das Risiko prozyklischer Wirkungen
genommen wird. Darüber gehen die Meinungen etwas
auseinander, insbesondere mit Blick auf die Handhabung
von Basel II. Der Bundesbankpräsident hat darauf hinge-
wiesen, dass die Anwendung von Basel II für deutsche
Banken deutliche Vorteile gegenüber dem alten Basel-I-
Regime hat.
Dies ist also ein sehr komplexes Feld, das in der Tat
nur in internationalen Bezügen debattiert werden kann,
weil klar ist, dass börsennotierte, grenzüberschreitende
Unternehmen nicht nach HGB bilanziert werden kön-
nen, sondern zwingend nach internationalen Bilanzie-
rungsregeln bilanziert werden müssen. Diese kann ich
allein in der Zuständigkeit des Bundes nicht ändern;
vielmehr bin ich auf internationale Abstimmungen ange-
wiesen.
Sie hatten eine weitere Frage.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Die
Sparkassenhaftung!)
– Die Sparkassen sind als Träger, als Anteilseigner
selbstverständlich mitbeteiligt. Ich kann nur darauf hin-
weisen: Jede Sparkasse muss ein Interesse daran haben
und mit an diesem Strang ziehen; denn für den Fall, dass
der entsprechenden Landesbank etwas passiert, werden
die Sparkassen ihre Beteiligungen in ihren eigenen Bi-
lanzen sämtlich abschreiben müssen. Damit würde ein
Infektionskanal gelegt, den wir in jedem Fall verhindern
müssen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Wir haben die für die Regierungsbefragung ursprüng-
lich vorgesehene Zeit etwas überzogen. Ich schließe jetzt
den Tagesordnungspunkt der Befragung der Bundesre-
gierung. – Herr Bundesminister, ich danke Ihnen sehr
herzlich für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
– Drucksache 16/12922 –
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass interfraktionell
vereinbart wurde, die Zeit für die Fragestunde heute auf
eine Stunde zu reduzieren.
Die Frage 1 des Kollegen Christoph Waitz – sie be-
zieht sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Justiz – wird schriftlich beantwortet. Entspre-
chendes gilt für die Fragen 2 und 3 der Kollegin
Dr. Kirsten Tackmann, die den Geschäftsbereich des
24166 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz betreffen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung auf. Für die Beantwortung der
Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Christian Schmidt zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Inge Höger auf:
Wie will die Bundesregierung angesichts von wiederhol-
ten Warnungen durch Menschenrechtsorganisationen wie zum
Beispiel Amnesty International vor Folter und anderen For-
men der Misshandlung in afghanischen Gefängnissen sicher-
stellen, dass der von Angehörigen des Kommandos Spezial-
kräfte, KSK, am 7. Mai 2009 in Afghanistan festgenommene
Abdul Rasek nach seiner Übergabe an die afghanische Staats-
anwaltschaft und den afghanischen Geheimdienst entspre-
chend rechtsstaatlichen Prinzipien behandelt wird?
Herr Staatssekretär, bitte.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Frau Kollegin, ich antworte auf Frage 4 wie folgt:
Deutsche ISAF-Spezialkräfte führten in der Nacht vom
6. auf den 7. Mai 2009 zur Unterstützung der afghani-
schen Sicherheitskräfte in der Provinz Badakschan, Dis-
trikt Varduj, eine gemeinsame Operation gegen den mut-
maßlichen Straftäter Abdul Rasek durch. Dabei gelang
es den afghanischen Kräften, die Festnahme von Abdul
Rasek durchzuführen, den sie anschließend mit deut-
scher Unterstützung an die Schwerpunktstaatsanwalt-
schaft des National Directorate of Security in Kabul,
also an die afghanische Staatsanwaltschaft, überstellten.
Eigenen Gewahrsam an Abdul Rasek haben deutsche
Kräfte zu keinem Zeitpunkt begründet. Die Bundesre-
gierung wird die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien
sowie menschenrechtlicher Mindeststandards durch af-
ghanische Behörden aufmerksam beobachten.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?
Inge Höger (DIE LINKE):
Ja. – Wollen Sie tatsächlich genau überprüfen, ob über-
stellte Gefangene nicht der Folter ausgesetzt sind? Es gibt
Berichte von Amnesty International, die darauf hinwei-
sen, dass mehrere Personen nach der Übergabe durch die
ISAF gefoltert wurden oder verschwunden sind. Amnesty
International fordert die ISAF daher auf, Übergaben an
den afghanischen Geheimdienst einzustellen.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Die Bundesregierung nimmt die von Ihnen in An-
spruch genommenen Informationen von Amnesty Inter-
national sehr ernst; diese Informationen sind schon 2007
artikuliert worden. Sie hat deshalb ausdrücklich die Ent-
schlossenheit der afghanischen Regierung begrüßt, die
Vorwürfe, mit denen die afghanische Regierung kon-
frontiert worden ist, durch die zuständigen afghanischen
Regierungsstellen umfänglich aufzuklären.
Den souveränen Staat Afghanistan darin zu unterstüt-
zen, selbst für den Schutz der Menschenrechte auf sei-
nem Territorium zu sorgen, ist ein entscheidendes Motiv
für den Einsatz der internationalen Gemeinschaft und für
den deutschen Beitrag hierzu. Die Bundesregierung legt
größten Wert auf die Einhaltung menschenrechtlicher
Standards gegenüber durch deutsche ISAF-Kräfte fest-
gesetzten Personen, auch nach Überstellungen an afgha-
nische Institutionen. Ich darf darauf hinweisen, dass die
Festsetzung in diesem konkreten Fall durch afghanische
Kräfte erfolgt ist.
Wenn es sich um durch deutsche Kräfte festgesetzte
Personen handelte, würden wir im Einzelfall anstreben,
uns die Einhaltung entsprechender Verhaltensweisen der
afghanischen Seite erneut zusagen zu lassen. Angesichts
der konkreten Vorwürfe im Zusammenhang mit der Ver-
haftung von Abdul Rasek betone ich: Wir haben mehr-
fach darauf hingewiesen, dass wir dies grundsätzlich für
angemessen halten.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte sehr.
Inge Höger (DIE LINKE):
Sie haben eben gesagt, der Talibanführer sei von af-
ghanischen Streitkräften festgesetzt worden. Den Me-
dien hatte ich bisher entnommen, dass er von KSK-Kräf-
ten festgesetzt und dann übergeben wurde. Ich möchte
genau wissen: War es ein KSK-Einsatz? Wenn ja, wie
lautete der Auftrag? Lautete der Auftrag, diesen Taliban-
führer bzw. andere Personen gezielt gefangen zu neh-
men? Auf welcher rechtlichen Grundlage ist das Ganze
abgelaufen?
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Die Grundlage ist das Mandat ISAF, das die Unter-
stützung der afghanischen Kräfte vorsieht. Die Opera-
tion mit Beteiligung deutscher Spezialkräfte war – ich
habe das bereits ausgeführt – auf die Ergreifung dieses
Straftäters ausgerichtet.
Dass wir seitens der Bundeswehr und seitens unseres
Landes ein großes Interesse an der Ergreifung und Ver-
urteilung des Straftäters haben, ergibt sich schon daraus,
dass ihm vorgeworfen wird, Anschläge auf Bundeswehr-
einrichtungen in Afghanistan vorbereitet bzw. ausgeübt
zu haben. Wir können auch für die Zukunft nicht aus-
schließen, dass er so etwas machen würde. Daraus ergibt
sich ein nachhaltiges Interesse daran, dass diese Figur
aus dem Verkehr gezogen – gestatten Sie mir, diese sa-
loppe Formulierung zu gebrauchen –
(Beifall des Abg. Hartwig Fischer [Göttingen]
[CDU/CSU])
und der gerechten Strafe zugeführt wird.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin Inge Höger.
Erwägt die Bundesregierung angesichts knapper werden-
der Haushaltsmittel dennoch, den Vertrag über die Beschaf-
fung der dritten Tranche des insgesamt 22 Milliarden Euro
teuren Eurofighters noch in diesem Jahr abzuschließen?
Herr Staatssekretär.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24167
(A) (C)
(B) (D)
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Frau Präsidentin! Ich bin dem Bundestag sehr dank-
bar, dass er in der vorliegenden Drucksache einen offen-
kundigen Schreibfehler korrigiert hat, der in meiner Vor-
lage noch enthalten war. Gemäß dieser hätte die Frage
der Kollegin nämlich gelautet, ob wir den Vertrag „ab-
schießen“ wollen. Sie meinte natürlich „abschließen“.
Ich gestehe zwar zu, dass das Fluggerät durchaus die Fä-
higkeit zum Abschießen haben soll, bedanke mich aber
trotzdem für die Korrektur.
Wir haben unverändert die Absicht – dieser Bedarf ist
operationell begründet und parlamentarisch auch gebil-
ligt –, 180 Kampfflugzeuge des Typs Eurofighter und
davon 68 in der von Ihnen genannten dritten Tranche zu
beschaffen. Wir beabsichtigen auf Grundlage der am
22. September 1997 mit den Partnernationen Großbri-
tannien, Spanien und Italien geschlossenen Regierungs-
vereinbarung, die eine Verpflichtung zur Abnahme von
insgesamt 620 Luftfahrzeugen des Typs Eurofighter be-
inhaltet, von denen 180 Luftfahrzeuge auf Deutschland
entfallen, noch Mitte 2009 in einem ersten Schritt die
Teiltranche 3a mit 31 Luftfahrzeugen für die Luftwaffe
zu beauftragen. Deswegen werden wir dem Verteidi-
gungsausschuss und dem Haushaltsausschuss des Deut-
schen Bundestages eine entsprechende Vorlage zuleiten
lassen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.
Inge Höger (DIE LINKE):
In der Süddeutschen Zeitung von gestern konnte man
lesen, dass Großbritannien offenbar durchrechnen lässt,
was es kosten würde, wenn man den Auftrag stornieren
und die bestellte dritte Tranche nicht abnehmen würde.
Gibt es im Verteidigungsministerium ähnliche Überle-
gungen oder Überprüfungen, welche Folgen es für
Deutschland hätte, wenn andere Partnerländer ausstie-
gen, und ob Deutschland dann eventuell auch aussteigen
sollte?
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Die Staatssekretäre der Bestellerländer haben sich vor
einigen Wochen getroffen und haben über die Beauftra-
gung grundsätzliche Einigung erzielt. Es gab einen
Wunsch der britischen Seite, diese Frage noch einmal im
eigenen Land zu besprechen. Wir gehen davon aus, dass
jedes Land die Kosten-Nutzen-Rechnung vor dem Hin-
tergrund finanzieller und materieller Fragen sowie auch
im Sinne der Notwendigkeit von Fähigkeiten anstellt.
Mir ist nicht bekannt, ob und, wenn ja, welche Berech-
nungen die britische Seite vorgenommen hat. Unser
Kenntnisstand ist, dass sich alle Länder grundsätzlich zu
der vertraglichen Vereinbarung der Beauftragung der
dritten Tranche, die die Teiltranchen 3a und 3b umfasst,
bekennen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie noch eine weitere Nachfrage?
Inge Höger (DIE LINKE):
Die Planungen für den Eurofighter stammen ja aus
den 80er-Jahren. Viele Experten sagen, dass er den heu-
tigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Auch
wenn andere Länder bereits daran denken, die dritte
Tranche nicht mehr abzunehmen, wollen Sie diese offen-
bar abnehmen. Welche konkreten militärischen Notwen-
digkeiten sehen Sie denn dafür, zu den bereits bestellten
112 noch weitere 68 Eurofighter zu erwerben?
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Frau Kollegin, die Zahl von 180 Eurofightern ist gut
begründet und übrigens auch eingebettet in die Reduzie-
rung der Zahl an notwendigen Gerätschaften, die nach
dem Fall des Eisernen Vorhangs und im Zuge der sich
daraus ergebenden Neuorientierung bzw. Transforma-
tion der Streitkräfte erfolgte.
Der Eurofighter ist ja nicht das einzige Kampfflug-
zeug der Bundeswehr. Das Rückgrat bildet gegenwärtig
das Flugzeug vom Typ Tornado. Insofern bleibt es bei
den nicht aus den 80er-Jahren stammenden, sondern in
der jüngeren Zeit angestellten Berechnungen. Ein Flug-
zeug, das in den 80er-Jahren für die Aufgaben, die es da-
mals zu erfüllen hatte, konstruiert worden ist, kann in
seiner Ausführung, Ausstattung und Befähigung nicht
mit einem Flugzeug identisch sein, wie es sich im Jahre
2009 darzustellen hat. Daraus ergibt sich, dass der kon-
struktive Ansatz zwischen dem Ende der 80er-Jahre und
heute sehr viele Modifikationen erfahren hat, sodass
man dem Eurofighter so, wie er heute in die Luftwaffe
eingeführt worden ist oder werden wird, die Befähigung
zur Bewältigung der zu erwartenden Anforderungen und
Aufgaben zubilligen kann.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beant-
wortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit. Die Frage 6 des Kollegen
Frank Spieth wird schriftlich beantwortet.
Gleiches gilt für die Frage 7 der Kollegin Sylvia
Kotting-Uhl und die Frage 8 des Kollegen Hans-Josef
Fell aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern werden die Frage 9 des Kollegen Frank
Spieth, die Frage 10 der Kollegin Veronika Bellmann
und die Frage 11 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
schriftlich beantwortet.
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Finanzen wird die Frage 12 des Kollegen Hans-
Christian Ströbele schriftlich beantwortet. Für die Beant-
wortung der weiteren Fragen aus diesem Geschäftsbe-
reich steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl
Diller zur Verfügung.
24168 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Ich rufe nun die Frage 13 des Kollegen Jürgen
Koppelin auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Entwurf des
Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 zu verabschieden,
und wie hoch schätzt die Bundesregierung die Nettoneuver-
schuldung im Bundeshaushalt 2010?
Herr Staatssekretär, bitte.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Herr Kollege Koppelin, wie ich Ihnen bereits im
Haushaltsausschuss in der letzten Woche mitgeteilt habe,
wird sich das Kabinett am 24. Juni mit dem Regierungs-
entwurf für 2010 befassen.
Bezüglich Ihrer Frage nach dem Umfang der Netto-
neuverschuldung müssen wir in Geduld abwarten, wel-
che voraussichtlichen Mindereinnahmen die Steuer-
schätzer heute und morgen in Bad Kreuznach ermitteln.
Im Übrigen sind die Ressortverhandlungen noch nicht
abgeschlossen, sodass ich Ihnen nicht sagen kann, wel-
che möglichen Neuverschuldungen sich aus den Ressort-
verhandlungen ergeben. Kurzum: Ich bitte um etwas Ge-
duld.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie Nachfragen? – Herr Kollege, bitte.
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob, wenn das Kabi-
nett den Entwurf für den Bundeshaushalt 2010 verab-
schiedet hat, die Bundesregierung beabsichtigt, noch vor
der Bundestagswahl in einer zusätzlichen Sitzung oder
wie auch immer zumindest diesen Entwurf im Plenum
diskutieren zu lassen.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Herr Kollege, der von mir genannte 24. Juni liegt
nicht in einer Sitzungswoche. Aber die Woche darauf ist
eine Sitzungswoche. Es steht selbstverständlich dem
Deutschen Bundestag frei, sich dann mit dem Regie-
rungsentwurf zu beschäftigen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte.
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Staatssekretär, ist Ihnen aufgefallen, dass Sie
meine Frage nicht beantwortet haben? Ich habe nämlich
gefragt, ob die Bundesregierung beabsichtigt, den Haus-
haltsentwurf dem Plenum nicht nur vorzulegen, sondern
hier auch diskutieren zu lassen. Nach der Bundeshaus-
haltsordnung ist vorgesehen, den Haushaltsentwurf je-
weils in der ersten Sitzungswoche im September durch
das Plenum diskutieren zu lassen. Aufgrund der Bundes-
tagswahl haben wir in dem Monat bisher keine Sitzungs-
woche vorgesehen. Auf Wunsch der Regierung könnte
man das aber gerne machen. Auch meine Fraktion wäre
natürlich gerne bereit, Anfang September diesen Ent-
wurf zu diskutieren. Ich frage Sie noch einmal: Ist die
Bundesregierung bereit, den Haushaltsentwurf zu disku-
tieren? Wenn Sie sagen – ich komme auf Ihre Antwort
zurück –, es lägen noch keine Zahlen vor, dann frage ich
Sie: Können Sie mir erklären, wieso Minister
Steinbrück, der ja Ihr Chef ist, jetzt landauf, landab er-
klärt, wie hoch die Nettoneuverschuldung sein wird?
Woher hat er diese Zahlen?
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Gute
Frage!)
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Herr Kollege Koppelin, das Parlament hat das Recht,
zu beantragen, dass die Regierung zu bestimmten Punk-
ten berichtet. Die Regierung wird dazu gerne an dem
entsprechenden Mittwoch nach der Kabinettssitzung be-
reit sein. Ansonsten kann der Minister nach der Kabi-
nettssitzung im Parlament, so wie es heute
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Er beant-
wortet meine Frage nicht!)
bei dem Regierungsentwurf zum Thema Bad Banks der
Fall war, zu dem Haushaltsplanentwurf für 2010 Fragen
beantworten. Wenn das der Wunsch Ihrer Fraktion ist,
werden wir dem gerne entsprechen.
Der zweite Punkt ist Ihre Frage bezüglich der Zahlen.
Es gibt Plausibilitätsannahmen, nach denen in dem Zeit-
raum bis zum Ende der nächsten Finanzplanung – die
gegenwärtige Finanzplanung geht bis 2012; die nächste
Finanzplanung, die mit dem Regierungsentwurf für den
Haushalt 2010 verbunden ist, geht bis 2013 – eine Neu-
verschuldung in einer Größenordnung von roundabout
300 Milliarden Euro denkbar ist.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Wir kommen zur Frage 14 des Kollegen Jürgen
Koppelin:
Beabsichtigt der Bundesminister der Finanzen, Peer
Steinbrück, Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, Öster-
reich und Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina Faso, zu
einer Steuerkonferenz nach Berlin einzuladen, wie er in Brüs-
sel angekündigt hat (Spiegel Online vom 5. Mai 2009)?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Herr Kollege Koppelin, zu der Konferenz am 23. Juni
2009 sind die gleichen Staaten eingeladen worden, die
auch zu dem vorangegangenen Treffen in Paris, zu dem
der französische Haushaltsminister und Minister Peer
Steinbrück gebeten hatten, eingeladen waren.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine Nachfrage? – Bitte.
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP):
Ich bin erstaunt, dass Herr Staatssekretär Diller in sei-
nen Antworten heute so kurz angebunden ist. Das ist
sonst gar nicht seine Art. Deshalb muss ich nachfragen.
Meine konkrete Frage bezog sich auf die Ankündigung
von Minister Steinbrück in Brüssel, nach der zu dieser
Konferenz Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24169
(A) (C)
(B) (D)
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Österreich und Ouagadougou eingeladen werden sollten.
Ouagadougou ist allerdings nur eine Hauptstadt. Jetzt
frage ich Sie: Wer von denen wird eingeladen und wer
nicht? Ich will gar nicht auf Ouagadougou eingehen,
Herr Staatssekretär, sondern nur feststellen, dass Ihre
Staatssekretärskollegin – der Kollege Schäffler hat mir
die Information aus dem Finanzausschuss zur Verfügung
gestellt – mitteilt, dass Liechtenstein nicht dabei sei. Das
finde ich sehr spannend. Wie kommt also der Minister
dazu, in Brüssel solche Ankündigungen zu machen,
wenn er das anschließend nicht umsetzt?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Herr Kollege Koppelin, Minister Peer Steinbrück hat
in Brüssel auf die Frage eines österreichischen Journalis-
ten, nämlich ob in Berlin eine Closed-Shop-Veranstal-
tung stattfinde, geantwortet, dass es um ein weltumspan-
nendes Problem gehe und deshalb weltumspannend dazu
eingeladen werde. Zutreffend ist, dass OECD-Staaten
eingeladen werden. Das hat folgenden Grund: Es gibt
einerseits seit 2002 das Musterabkommen für Aus-
kunftsaustausch der OECD und andererseits seit 2005
das Muster für Doppelbesteuerungsabkommen, in dem
Art. 26 den Informationsaustausch regelt. Mit diesen
Musterabkommen wollte die OECD sich an Nicht-
OECD-Staaten wenden nach dem Motto: Seid ihr bereit,
mit uns OECD-Staaten solche Abkommen zu schlie-
ßen? – Daraufhin haben die Nicht-OECD-Staaten gefor-
dert, dass die OECD zunächst durchsetzen soll, dass die
OECD-Staaten das umsetzen, was an Musterabkommen
von der OECD entwickelt worden ist. Deswegen hat es
diese Konferenz der OECD-Staaten in Paris gegeben.
An dieser Konferenz haben Australien, Belgien,
Deutschland, Frankreich, Dänemark, Finnland, Irland,
Island, Italien, Japan, Korea, Mexiko, die Niederlande,
Norwegen, Spanien, Schweden und das Vereinigte
Königreich teilgenommen. Österreich und Luxemburg
waren eingeladen, sind aber nicht gekommen. Sie sind
auch diesmal wieder eingeladen, und es bleibt abzuwar-
ten, ob sie kommen werden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Wollen Sie eine weitere Nachfrage stellen?
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP):
Ja, gerne. Ich habe es heute wirklich schwer mit dem
Herrn Staatssekretär, zumal ich speziell nach Liechten-
stein gefragt hatte. Es war ja angekündigt worden, dass
es eingeladen wird. Also versuche ich, die Frage einmal
anders zu stellen, Herr Staatssekretär, um von Ihnen eine
konkrete Antwort zu bekommen: Ist meine Information
richtig, dass es sich Bundesminister Steinbrück, nach-
dem er diese Erklärungen in Brüssel abgegeben hat,
überlegt, sich beruflich zu verändern und nach der Bun-
destagswahl deutscher Botschafter in der Schweiz zu
werden?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Herr Kollege Koppelin, Sie haben schon launigere
Bemerkungen gemacht.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Mehr fällt
Ihnen dazu nicht ein?)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine Nachfrage zu diesem Themenkomplex hat noch
der Kollege Frank Schäffler.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Er
sagt uns jetzt, wie die Hauptstadt von Malawi
heißt!)
Frank Schäffler (FDP):
Herr Staatssekretär, die Äußerung des Finanzminis-
ters hat im Ausland zu Recht zu einer großen Empörung
geführt. Erste Frage: Beabsichtigt der Finanzminister,
sich bei diesen Ländern wegen seiner Äußerung zu ent-
schuldigen?
(Rainer Brüderle [FDP]: Schriftlich!)
Zweite Frage: Wie ist der Widerspruch zwischen der
Aussage der Finanzstaatssekretärin, die sie im Finanz-
ausschuss gemacht hat, und der öffentlichen Äußerung
des Finanzministers zu erklären? Wer hat jetzt recht: der
Finanzminister oder seine Staatssekretärin?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Was hat die Kollegin im Finanzausschuss gesagt?
Frank Schäffler (FDP):
Die Kollegin Kressl hat im Finanzausschuss gesagt,
dass Liechtenstein nicht Mitglied der OECD und deshalb
nicht eingeladen worden sei. Sinngemäß hat sie weiter
gesagt, dass Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina
Faso, ebenfalls nicht eingeladen sei. Das ist aber ein Wi-
derspruch zu der Aussage des Finanzministers, die er öf-
fentlich gemacht hat und die er nicht zurückgenommen
hat. Das hat letztendlich zu der großen Empörung in der
Schweiz, in Luxemburg, in Liechtenstein, in Österreich
und natürlich in Ouagadougou geführt. Meine Frage lau-
tet daher: Wird der Bundesfinanzminister seine Aussage
korrigieren oder seiner Finanzstaatssekretärin widerspre-
chen und damit seine Aussage aufrechterhalten?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Zunächst einmal will ich sagen: Belgien, Luxemburg,
die Schweiz und Österreich waren für die Konferenz in
Paris ausdrücklich eingeladen. Aber nur Belgien ist ge-
kommen und hat sich die dortigen Beschlüsse zu eigen
gemacht.
Zweiter Punkt. Österreich, die Schweiz und Luxem-
burg haben mittlerweile signalisiert, dass auch sie bereit
sind, über die OECD-Musterabkommen mit uns zu ver-
handeln. Insofern gibt es ein Einlenken in der Sache, was
im Vorfeld der Pariser Konferenz noch nicht der Fall
war.
Dritter Punkt. Richtig ist, dass sowohl Burkina Faso
als auch Liechtenstein keine OECD-Staaten sind. Im
Übrigen ist Burkina Faso überhaupt keine Steueroase.
24170 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Parl. Staatssekretär Karl Diller
Man hat mir gesagt, dass die Übersetzung von Burkina
Faso „Land der ehrbaren Menschen“ lautet. Herr Kol-
lege, dieses Land ist also überhaupt kein negatives Bei-
spiel in dieser Aufzählung. Deswegen kann sich auch
niemand aufgrund dieser Erwähnung auf den Fuß getre-
ten fühlen. Nicht zutreffend ist allerdings, dass es sich
bei diesen beiden Staaten um OECD-Staaten handelt.
Daher sind sie – diese Feststellung ist richtig – nicht ein-
geladen worden.
Die Hauptsache ist, es kommt Bewegung in die Sa-
che. Man kann schon sehen: In die Sache kommt tat-
sächlich Bewegung. Das müsste Sie doch freuen. Im
Übrigen darf ich noch darauf hinweisen, dass ein Ge-
spräch zwischen dem Abteilungsleiter Steuern und dem
Botschafter von Burkina Faso zur allseitigen Zufrieden-
heit stattgefunden hat.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Die Frage 15 der Kollegin Cornelia Pieper wird
schriftlich beantwortet.
Damit rufe ich die Frage 16 der Kollegin Sabine
Zimmermann auf:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Arbeitszeitver-
längerung eine richtige Antwort auf die Auftragsrückgänge in
der Krise ist, und wie haben sich die Vertreter der Bundes-
regierung im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG bisher ge-
genüber den Ankündigungen des Chefs der Deutschen
Post AG, Dr. Frank Appel, verhalten, mit der Gewerkschaft
über längere Arbeitszeiten und eine Verschiebung der für De-
zember 2009 geplanten Gehaltserhöhung von 3 Prozent ver-
handeln zu wollen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Frau Kollegin Zimmermann, die Reaktion der einzel-
nen Unternehmen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise
liegt in der Verantwortung der jeweiligen Geschäftsfüh-
rungen. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die
von den Unternehmensgeschäftsführungen getroffenen
Einzelmaßnahmen zu kommentieren.
Der Vorstand der Deutschen Post AG hat in seinen
Presseverlautbarungen dargelegt, dass er auf die im Er-
gebnis des ersten Quartals 2009 sichtbar gewordenen Er-
tragsrückgänge mit Vorschlägen zu Kosteneinsparungen
reagieren muss. Maßnahmen des Vorstandes der Deut-
schen Post AG zur Kostensenkung im Unternehmensbe-
reich Brief gehören zum operativen Geschäft der Deut-
schen Post AG und fallen in die alleinige Zuständigkeit
des Vorstandes der Deutschen Post AG. Eine Einfluss-
nahme des Aufsichtsrates und von Aktionären auf das
operative Geschäft ist nach deutschem Aktienrecht nicht
zulässig; ich unterstreiche: nicht zulässig.
Änderungen am Tarifvertrag, wie sie von Herrn
Dr. Appel angekündigt wurden, fallen in die alleinige
Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien. Eine Einfluss-
nahme der Bundesregierung auf eine der Parteien würde
dem Neutralitätsprinzip der Politik bei Tarifverhandlun-
gen widersprechen; das gilt auch, wenn sie über den
Aufsichtsrat erfolgt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.
Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
Danke schön für die Beantwortung der Frage. Ich
habe eine Nachfrage: Teilt die Bundesregierung die Auf-
fassung von Postchef Appel, dass die Krise für einen
Angriff auf gewerkschaftliche Errungenschaften genutzt
werden kann? Ich zitiere aus der Financial Times vom
letzten Donnerstag:
„Wenn die Konjunkturerholung schnell kommt,
verlieren wir all unsere Argumente“, sagt Appel of-
fen. Er will die Krise nutzen, um Verdis Macht zu
brechen.
Wie verhalten sich die Bundesregierung und ihre Ver-
treter im Aufsichtsrat dazu?
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Frau Kollegin, ich weiß nicht, wie Sie diesem Zitat
entnehmen können, von wem die Auskunft stammt, ob
das die Meinung des Herrn Dr. Appel oder Interpretation
der Zeitung ist. Ich jedenfalls glaube nicht, dass der Chef
der Post AG einen Angriff auf Gewerkschaften plant.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine weitere Nachfrage?
Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
Der Text steht in Anführungsstrichen, dann muss es
ein wörtliches Zitat von ihm sein.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Dann müssten Sie ihn fragen.
Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
Ich wollte noch einmal nachsetzen.
Meine zweite Nachfrage: Ist der Bundesregierung be-
kannt, dass der jüngste Gewinnrückgang im Briefge-
schäft der Deutschen Post zu großen Teilen auf Verlusten
bei den Aktivitäten in den USA beruht? Welche Schluss-
folgerungen ziehen Sie daraus? Immerhin ist der Bund
der größte Einzelaktionär.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Mir ist bekannt, dass es einen Umsatzrückgang von
4,5 Prozent und einen noch viel heftigeren Rückgang be-
zogen auf das EBIT gibt. Dem hat sich der Vorstand zu
stellen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Damit kommen wir zur Frage 17 der Kollegin Sabine
Zimmermann:
Wie viele Millionen Euro hat die Deutsche Post AG in
diesem Jahr an ihre Aktionäre als Dividende ausgeschüttet
– bitte Betrag insgesamt nennen, nicht pro Aktie –, und wie
steht die Bundesregierung als größter Einzelaktionär der
Deutschen Post AG dazu, dass der Vorstand zugleich Einspa-
rungen bei den Beschäftigten des Unternehmens fordert?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24171
(A) (C)
(B) (D)
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Die Hauptversammlung der Deutschen Post AG hat
am 21. April 2009 beschlossen, an die Aktionäre der
Deutschen Post AG eine Dividende in Höhe von 60 Cent
je dividendenberechtigter Stückaktie auszuschütten. Der
Gesamtbetrag der Dividendenausschüttung an alle
Aktionäre belief sich damit auf 725 409 524,40 Euro.
Die Dividende für das Geschäftsjahr 2008 fiel somit um
rund ein Drittel geringer aus als die Dividende für das
Geschäftsjahr 2007. Die Festlegung der Dividendenhöhe
erfolgt in dem nach Aktienrecht vorgesehenen Gre-
mium: Das ist die Hauptversammlung. Eine Einfluss-
nahme der Bundesregierung auf die Festlegung der Divi-
dendenhöhe hat nicht stattgefunden. Abschließend
möchte ich sagen, dass aus Sicht der Bundesregierung
die Reduzierung der Dividende durchaus nachvollzieh-
bar und eine angemessene Reaktion auf das rückläufige
Ergebnis ist.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine Nachfrage?
Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
Ja, ich habe eine Nachfrage. – Werden sich die Vertre-
ter des Bundes im Aufsichtsrat der Deutschen Post dafür
einsetzen, dass zumindest in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten keine Dividende ausgeschüttet wird? Schließlich
müssen die Beschäftigten mit einer Geldeinbuße und ei-
ner Arbeitszeitverlängerung rechnen.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Frau Kollegin, ich habe Ihnen gerade erklärt, dass die
Festsetzung der Dividende und die Diskussion über die
Dividendenhöhe Sache der Hauptversammlung sind.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine weitere Nachfrage?
Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
Meine Frage ist, ob Sie sich dafür einsetzen werden.
Den Vorschlag können Sie ja unterbreiten.
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen:
Es ist zunächst einmal Sache des Unternehmensvor-
stands, einen Vorschlag zu unterbreiten.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. –
Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Beantwor-
tung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie. Für die
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Hartmut Schauerte zur Verfügung.
Die Frage 18 des Kollegen Hans-Joachim Otto und
die Frage 19 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden
schriftlich beantwortet.
Damit rufe ich die Frage 20 des Kollegen Michael
Hartmann auf:
Warum wird der Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers,
PwC, der (vergleiche Spiegel Online vom 23. April 2009:
„PwC-Mitarbeiter in Ministerium empört Lobbywächter“)
seit Anfang 2009 als externer Mitarbeiter im Referat V C 2
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
– Exportfinanzierung, Exportkreditversicherung – beschäftigt
ist, aus dem sein Arbeitgeber Aufträge bekommt, trotz seines
Arbeitsplatzes im Bundesministerium nicht im Zweiten Be-
richt des Bundesministeriums des Innern über den Einsatz ex-
terner Personen in der Bundesverwaltung aufgeführt?
Herr Staatssekretär, bitte.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Der im Spiegel-Online-Bericht erwähnte Mitarbeiter
von PwC ist kein externer Mitarbeiter in der Bundesver-
waltung. Er ist im Rahmen eines Mandatarvertrages mit
PwC und der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, de-
nen die Bundesregierung die Geschäftsführung für die
Außenwirtschaftsförderinstrumente, Exportkreditgaran-
tien, Investitionsgarantien und Garantien für ungebun-
dene Finanzkredite übertragen hat, im BMWi tätig.
Euler Hermes und PwC handeln im Rahmen der im
Mandatarvertrag festgelegten Aufgaben und Befugnisse
ausschließlich weisungsgebunden. Um es deutlich zu
machen: Die Bundesregierung hat PwC und Euler
Hermes beauftragt, für sie konkret bestimmte Vorgänge
zu bearbeiten und zu erarbeiten.
Für Einsätze von Mitarbeitern in der Mandatargesell-
schaft ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum
Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Be-
schäftigten (externen Personen) in der Bundesverwal-
tung vom 17. Juli 2008 nicht einschlägig. Der Einsatz
von externen Personen, die in einem entgeltlichen Auf-
tragsverhältnis mit der Bundesverwaltung stehen, wel-
ches Beratungs- oder sonstige Dienstleistungen zum
Gegenstand hat, liegt ausdrücklich nicht im Anwen-
dungsbereich der Verwaltungsvorschrift.
Frau Präsidentin, ich würde gerne Frage 21 gleich
mitbeantworten.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Dann rufe ich Frage 21 des Kollegen Hartmann auf:
Von wem wird der PwC-Mitarbeiter während seiner Tätig-
keit im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
bezahlt, und wie erfolgte die Vergabe dieses Arbeitsplatzes an
PwC?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Entsprechend dem, was ich ausgeführt habe, ist lo-
gisch, dass während der Tätigkeit im Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie die im Rahmen des Man-
datarvertrages tätige Person weiterhin von PwC bezahlt
wird. PwC bekommt von uns einen Auftrag mit einer
Pauschalvergütung. In der Ausführung dieses Auftrags
24172 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerte
schickt das Unternehmen einen oder zwei Mitarbeiter in
das Wirtschaftsministerium, um die notwendigen kurzen
Wege und Kontakte sicherzustellen, damit PwC den
Auftrag nach unseren Weisungen erfüllen kann.
Der hier vorliegende Fall ist also völlig anders als der
seit 2006 problematisierte Einsatz von Personen aus Ver-
bänden oder sonstigen Institutionen, die bei uns im
Ministerium oder in anderen Ministerien arbeiteten und
durchaus in den Verdacht der Lobbytätigkeit geraten
konnten. Das ist hier eindeutig nicht der Fall. Hier geht
es um die Erledigung eines von uns erteilten klar defi-
nierten Auftrags.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? – Bitte.
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD):
Vielen Dank für diese Klarstellung. Erlauben Sie mir
zunächst eine Nachfrage. Sind Sie mit mir der Meinung,
dass die Richtlinien der Bundesregierung für die Be-
schäftigung Externer insoweit nicht ausreichend sind, als
beispielsweise eine solche beauftragte Beratertätigkeit
dort nicht erfasst ist?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Nein, Herr Kollege, ich bin entschieden anderer Mei-
nung. Die Entscheidung für diese Ausnahme, für die
Nichterfassung dieser Art von Beschäftigung, ist seiner-
zeit aus gutem Grund getroffen worden. Es muss uns als
Auftraggeber möglich sein, Beauftragten zu sagen: Erle-
digt einen Teil der beauftragten Arbeit bei uns. Es ist im
Beratungsgeschäft bei einem konkreten Beratungsauf-
trag ganz normal, dass der Mitarbeiter des Unterneh-
mens durch den Auftraggeber begleitet und beraten
wird. Insoweit ist das hier – es geht ja um eine Beauftra-
gung über einen längeren Zeitraum – einfach nur prak-
tisch und hat mit Lobbyarbeit nichts zu tun.
Euler Hermes und PwC haben das zu erledigen, was
die Bundesregierung – sprich: der Bundeswirtschafts-
minister – beauftragt hat. Zu diesem Zweck können wir
uns Mitarbeiter aus einem solchen Beauftragtenverhält-
nis ins Haus holen. Das ist aus guten Gründen unter dem
Gesichtspunkt „Beschäftigung Externer“ nicht erfasst.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD):
Ja, gerne, Frau Präsidentin. – Ich bin mit Ihnen der
Meinung, dass es so etwas geben muss und soll und dass
es für die erfolgreiche Aufgabenerledigung Ihres Hauses
hilfreich ist. Aber wäre es, gerade weil es eben nicht an-
rüchig ist, im Sinne einer allgemeinen Transparenz nicht
von Vorteil, auch dem Parlament mitzuteilen, wenn sol-
che Verträge geschlossen werden und dadurch Mitarbei-
ter externer Firmen ihren Schreibtisch über eine gewisse
Zeit im Ministerium haben und damit Informationen aus
den Ministerien erhalten und auch informelle Erfahrun-
gen machen können?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Bei einer absoluten Überempfindlichkeit kann man
eine so weitgehende Regelung treffen. Aber ich denke,
dass es hier um einen Kernbereich von Regierungshan-
deln geht. Die von uns getroffenen Regelungen darüber,
was externe Mitarbeiter sind, sind sauber, transparent
und klar. Unterhalb dieser Linie muss man nicht mehr
wer weiß welche Angaben machen. Auch die Regierung
sollte vom Parlament nicht gezwungen werden, zusätzli-
che Angaben zu machen. Das gehört zum schlichten Re-
gierungshandeln.
Dadurch, dass es aufgebauscht wurde und zunächst
der Verdacht – er hat sich als falsch erwiesen – aufkam,
dass es eine nicht gemeldete externe Tätigkeit im Sinne
der Vorschriften sein könnte, ist hier eine gewisse Aufre-
gung entstanden. Aber das lässt sich alles aufklären.
Eine Erweiterung der Berichtspflicht halte ich deswegen
für nicht sinnvoll.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Wir kommen zur Frage 21.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Die Frage 21, Frau Präsidentin, hatte ich schon beant-
wortet: Der Mitarbeiter wird ganz klar von PwC bezahlt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich will nur dem Kollegen Hartmann die Möglichkeit
geben, seine berechtigten Zusatzfragen zu stellen. – Herr
Kollege, bitte sehr.
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD):
Vielen Dank für die Freundlichkeit, Frau Präsidentin. –
Herr Staatssekretär, ich möchte diese Gelegenheit nutzen
und nachfragen, warum es beispielsweise in diesem kon-
kreten Falle nicht möglich war, die Aufgabe, die extern
vergeben wurde, im Haus erledigen zu lassen. Fehlt dem
Ministerium dafür der Sachverstand?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Nein, das hat ganz einfach einen praktischen Grund.
Wenn Sie ein Beratungsunternehmen über eine längere
Zeit mit einer Vielzahl von Einzelfällen – hier geht es
um die Hermesbürgschaften – weisungsgebunden beauf-
tragen, dann ist es einfach praktisch, wenn ein Mitarbei-
ter dieses Unternehmens eine Brückenfunktion zwischen
den beiden Häusern, dem Auftraggeber und dem Auf-
tragnehmer, übernimmt und bei uns im Hause sitzt. Es
könnte auch einer unserer Beamten bei Euler Hermes sit-
zen. Das ist völlig problemlos so entschieden und er-
leichtert die Kommunikation bei uns im Haus.
Ein Beispiel sind permanente Anfragen aus dem poli-
tischen Bereich. Wie sieht das aus? Sie wissen, dass
gerade die Vergabe von Hermesbürgschaften hin und
wieder kritisch gesehen wird. Heute Morgen im Wirt-
schaftsausschuss haben wir über dieses Problem gespro-
chen. Es ist eine Erleichterung, wenn man einen kompe-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24173
(A) (C)
(B) (D)
Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerte
tenten Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens im
Haus hat, dem man die Frage zur schnellen Beantwor-
tung vorlegen kann. Das ist eine reine Frage der Prakti-
kabilität. Ich sehe hier keine Vermischung von Zustän-
digkeiten.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine weitere Frage?
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD):
Gerne. – Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Staats-
sekretär, dass die Forderung nach Transparenz keines-
wegs einer Überempfindlichkeit geschuldet ist, sondern
ein hohes Maß an Transparenz das Vertrauen in die Neu-
tralität staatlichen Handelns befördern kann?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Darin bin ich mit Ihnen völlig einig. Deswegen haben
wir diese Richtlinien sehr transparent gestaltet. Aber es
kann Grenzen geben. Man kann es auch mit der Transpa-
renz, so wertvoll sie ihrem Wesen nach ist, übertreiben.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Die Fragen 22 und 23 der Kollegin Bärbel Höhn und
die Frage 24 des Kollegen Hans-Josef Fell werden
schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses
Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, vielen Dank für
die Beantwortung.
Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ar-
beit und Soziales werden die Fragen 25 und 26 der Kol-
legin Dr. Martina Bunge ebenso wie die Fragen 27 und
28 des Kollegen Dr. Ilja Seifert schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Für die Beantwortung der Fragen steht die Parlamentari-
sche Staatssekretärin Karin Roth zur Verfügung.
Die Frage 29 der Kollegin Veronika Bellmann und die
Fragen 30 und 31 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter wer-
den schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 32 der Kollegin Cornelia Behm
auf:
Welchen weiteren Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen
an der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und der
Oder wurde seitens der Bundesregierung neben Unterhal-
tungsbaggerungen der Klützer Querfahrt und einer Initialbag-
gerung im auf polnischem Territorium befindlichen Damm-
schen See für die Einigung mit der polnischen Seite
zugestimmt?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Kollegin Behm, in
Ergänzung meiner Antwort auf eine Frage, die Sie beim
letzten Mal gestellt haben, möchte ich Sie heute weiter
informieren. Das zwischen dem Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der polnischen
Landesverwaltung für Wasserwirtschaft abgestimmte
Eckpunktepapier, das noch der völkerrechtlichen Umset-
zung bedarf, beinhaltet Folgendes – jetzt folgen viele
Details; danach haben Sie allerdings gefragt –:
Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasser-
straße für die Fahrt von Küstenmotorschiffen zwischen
dem Hafen Schwedt und der Ostsee über die Trasse
Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße–Westoder–
Klützer Querfahrt–Reglitz–Parnitz–Möllnfahrt–Fahrwas-
ser Stettin/Swinemünde; Maßnahmen in der Klützer
Querfahrt, das heißt Baggerungen, gegebenenfalls auch
die Beseitigung von Uferschwachstellen und gegebenen-
falls die Errichtung von Wartestellen sowie gegebenen-
falls Ufersicherungen in der Westoder; Unterhaltungs-
maßnahmen, das heißt die Beseitigung punktuell
vorhandener unzureichender Tiefen zur Sicherung des
Eisaufbruchs, der Eisabfuhr und der Schifffahrt an der
Grenzoder und Baggerungen im Dammschen See zur Si-
cherung des Eisaufbruchs und der Eisabfuhr; Unterhal-
tungsmaßnahmen auf der deutschen Seite sind Reitwein
und Hohenwutzen, auf der polnischen Seite Słubice,
Kostrzyn, Gozdowice und Rudnica. – Ich hoffe, dass ich
die Namen richtig ausgesprochen habe. Ich bin des Pol-
nischen nämlich nicht mächtig.
Neben der völkerrechtlichen Umsetzung des Eck-
punktepapiers müssen für die Ausführung der einzelnen
Maßnahmen die Zulassungsverfahren entsprechend den
nationalen Vorschriften und zwischenstaatlichen Ab-
kommen durchgeführt werden. Die Maßnahmen, die ich
gerade genannt habe, sind geplant und im Rahmen des
Eckpunktepapiers festgelegt. Allerdings finden dazu
noch Verhandlungen statt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, Ihre Nachfragen, bitte.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, vor allen Dingen,
weil Sie so große Mühe mit den polnischen Namen hat-
ten. Ich glaube, fast allen von uns geht es so.
Ich würde gerne wissen, ob im Zusammenhang mit
der Eisabfuhr auch alternative Maßnahmen geprüft wor-
den sind, um das Eis auf einem ökologischen Weg ab-
führen zu können, zum Beispiel eine Verbreiterung der
Oder. Diese hätte zur Folge, dass kein Ausbau der Ho-
hensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße nötig gewesen
wäre. Sind solche alternativen Maßnahmen geprüft wor-
den?
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Ich gehe davon aus, dass die Maßnahmen sowohl von
deutscher als auch von polnischer Seite geprüft worden
sind, bevor dieses Eckpunktepapier erstellt worden ist.
Natürlich wird man die Maßnahmen im weiteren Verlauf
des Verfahrens beurteilen, und zum Teil finden auch
Planfeststellungsverfahren statt. Wie gesagt, gehe ich al-
lerdings davon aus, dass beide Seiten, bevor sie das Eck-
punktepapier verabredet haben, geprüft haben, welche
Maßnahmen notwendig sind. Wie Sie gehört haben, be-
darf es an einigen Stellen gegebenenfalls noch weiterer
Untersuchungen.
24174 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine weitere Nachfrage?
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Bitte.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank. – Sie haben die Unterhaltungsbaggerun-
gen an der Klützer Querfahrt und die Initialbaggerungen
im auf polnischem Territorium befindlichen Dammschen
See angesprochen. Da dies im Zusammenhang mit der
Eisabführung zu sehen ist, frage ich Sie: Können Sie die
Kosten dafür beziffern?
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Da Sie im Hinblick auf die Kosten eine weitere Frage
gestellt haben, würde ich Ihnen in diesem Zusammen-
hang gerne meine Antwort auf Ihre Frage 33 vortragen.
Dann könnte ich Ihnen auch im Detail über die Vertei-
lung der Kosten berichten.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gerne.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Dann rufe ich auch die Frage 33 der Kollegin Behm
auf:
Welche finanziellen Vereinbarungen zu den Ausbau- und
Unterhaltungsmaßnahmen an der Hohensaaten-Friedrichstha-
ler Wasserstraße und der Oder wurden getroffen, und wie wer-
den die finanziellen Lasten für die einzelnen Maßnahmen ver-
teilt?
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Hinsichtlich der Kostenregelungen findet zurzeit eine
Abschätzung statt. Der Ausbau der Hohensaaten-Fried-
richsthaler Wasserstraße wird von der deutschen Seite
finanziert. Was die Maßnahmen in der Klützer Querfahrt
angeht, ist die Kostenbeteiligung der deutschen Seite mit
rund 5 Millionen Euro angesetzt. Bei den Ufersicherun-
gen in der Westoder beträgt die deutsche Beteiligung
0,5 Millionen Euro. Bei den Unterhaltungsmaßnahmen an
der Grenzoder finanziert jede Seite die Maßnahmen auf
dem eigenen Territorium selbst. Im Hinblick auf die Bag-
gerungen im Dammschen See beteiligt sich der Bund zu
50 Prozent, höchstens allerdings mit 12 Millionen Euro,
an den Kosten. Das sind die Kosten, die in den einzelnen
Bereichen anfallen. Sie sehen, es gibt auch Kostenteilun-
gen, weil wir von deutscher Seite ein Interesse daran ha-
ben, dass diese Maßnahmen erledigt werden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie dazu noch Nachfragen?
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, vor allen Dingen dafür, dass Sie das so
aufgeschlüsselt haben. Jetzt noch eine Frage – auf die
Gefahr hin, dass Sie sie nicht sofort beantworten können –:
Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Hohensaaten-
Friedrichsthaler Wasserstraße sind auf deutschem und
auf polnischem Gebiet Brückenbaumaßnahmen erfor-
derlich. Die Kosten dafür haben Sie jetzt nicht benannt.
Sind diese Kosten schon enthalten?
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Frau Präsidentin! Kollegin Behm, ich werde prüfen,
ob das ein Teil der Wasserstraßenfrage ist und ob zwi-
schen Polen und Deutschland unstrittig ist, dass die Brü-
cken auf seinem Gebiet jeder selbst finanziert; ich gehe
davon aus, dass das so ist. Ich werde Ihnen das zukom-
men lassen.
Die Brücken sind nicht Teil dieses Eckpunktepapiers.
Für den Ausbau dieser Wasserstraße braucht man entwe-
der einen Staatsvertrag oder ein Regierungsübereinkom-
men. Bei den Brücken ist das eher nicht so. Für die Brü-
cken gibt es wahrscheinlich unabhängig von einem
Staatsvertrag eine zusätzliche Verabredung; denn sie be-
finden sich ja auf deutscher bzw. auf polnischer Seite.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Noch eine Nachfrage?
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gerne. – Beabsichtigt die Bundesregierung im Zu-
sammenhang mit dem Ausbau der Hohensaaten-Fried-
richsthaler Wasserstraße, auf die Erhebung von Kanalge-
bühren zu verzichten?
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Da das keine Maßnahme nur vonseiten des Bundes
ist, muss das mit der polnischen Seite geklärt werden.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine Nachfrage hat die Kollegin Dr. Dückert.
Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke schön, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-
rin, ich habe nur eine kurze Frage. Sie haben eben er-
wähnt, dass bei der Überprüfung der alternativen Mög-
lichkeiten für eine Eisabfuhr vermutlich gutachterliche
Stellungnahmen eingeholt worden sind und Überprüfun-
gen stattgefunden haben. Ich würde Sie bitten, uns die
Ergebnisse dieser Gutachten zur Verfügung zu stellen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24175
(A) (C)
(B) (D)
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Es ist üblicherweise so: Wenn wir eine Bundeswas-
serstraße ausbauen oder verändern, brauchen wir die Ex-
pertise unserer eigenen Behörden oder aber von anderer
Seite. Wenn die polnische Seite damit einverstanden ist
– das ist ja ein gemeinsames Projekt von deutscher und
polnischer Seite –, dass wir die Expertisen vorlegen,
dann werden wir das tun.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Wir kommen zur Frage 34 der Kollegin Gitta
Connemann:
Wann wird die Vorlage des Gutachtens der Bundesanstalt
für Wasserbau über die Schlickverminderung im Rahmen des
Aktionsprogramms Ems durch die Bundesregierung/das Bun-
desministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erfol-
gen?
Frau Staatssekretärin.
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin
Connemann, es gibt schon ein erstes Zwischenergebnis.
Wir haben im März 2009 vonseiten der Wasser- und
Schifffahrtsdirektion Nordwest eine erste Studie der
Bundesanstalt für Wasserbau vorgelegt bekommen, die
zeigt, dass eine Sohlschwelle im Bereich des Emssperr-
werkes grundsätzlich technisch machbar ist und eine Re-
duzierung des stromaufwärts gerichteten Schwebstoff-
transportes bewirken kann. Es ist offensichtlich eine
technische Lösung gefunden worden, die den Schlick-
eintrag vermindert. Um das wirklich beurteilen zu kön-
nen, brauchen wir allerdings weitere Untersuchungen.
Deshalb haben wir die Wasser- und Schifffahrtsdirektion
aufgefordert, diese einzuleiten. Wir sind aber noch nicht
so weit, dass wir beurteilen können, ob das das Richtige
ist. Wir müssen das noch weiter prüfen und dann natür-
lich auch die Kosten-Nutzen-Frage stellen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, Ihre Nachfrage bitte.
Gitta Connemann (CDU/CSU):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-
rin, Sie haben gesagt, die Wasser- und Schifffahrtsdirek-
tion Nordwest ist beauftragt worden, weitere Daten zu
erheben. Vor dem Hintergrund des Drucks, der in den
Häfen vor Orten wie Leer, Weener, Jemgum oder Papen-
burg gegeben ist, und vor dem Hintergrund der Tatsache,
dass die Verschlickung ein immer größeres Problem
wird, weil sie dazu führt, dass Schiffe nicht mehr ausfah-
ren können, frage ich Sie explizit: Wie ist der zeitliche
Rahmen dafür bemessen?
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Connemann, wir
wollen die Untersuchung natürlich so schnell wie mög-
lich voranbringen. Sie haben gesehen, dass wir schon ein
Zwischenergebnis haben, was positiv zu werten ist. Wir
brauchen aber die weiteren Untersuchungen und die
Kosten-Nutzen-Analyse. Insofern brauchen wir Zeit. Sie
sehen, dass wir mit Hochdruck arbeiten. Ich kann Ihnen
jetzt nicht sagen, dass wir bis zum Ende des Jahres fertig
sein werden; das wäre nicht angemessen. Wir arbeiten
aber mit Hochdruck an diesen Untersuchungen, weil wir
das Thema genauso einschätzen wie Sie.
Gitta Connemann (CDU/CSU):
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine weitere Frage zu diesem Thema?
Gitta Connemann (CDU/CSU):
Ja, vielen Dank. – Ich weiß, dass das Verkehrsminis-
terium sehr bemüht ist und die dortige Wasserschiff-
fahrtsdirektion alles möglich zu machen versucht. Aus-
schlaggebend ist aber das Gutachten der Bundesanstalt
für Wasserbau. In diesem Rahmen habe ich eine Nach-
frage: Werden zeitliche Vorgaben gesetzt? Jetzt neue Un-
tersuchungen in Auftrag zu geben und abzuwarten, bis
etwas Neues vorliegt, ist vor dem Hintergrund der Tatsa-
che, dass die Erstellung dieses Gutachtens mehrere Jahre
in Anspruch genommen hat, und vor dem Hintergrund
der aktuellen Situation vor Ort wenig befriedigend.
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi-
nister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Connemann, ich
kann verstehen, dass Sie alles so schnell wie möglich ha-
ben möchten. Es geht hier aber um Gründlichkeit und Fi-
nanzierbarkeit im Sinne der Steuerzahler. Wir müssen
uns klar darüber sein, was zu machen ist. Daher brau-
chen wir einfach Zeit. Wir haben kein Interesse an Ver-
zögerungen. Wir haben auch kein Interesse an langfristi-
gen Planungen oder Untersuchungen. Wir haben aber ein
Interesse daran, vor einer möglichen Investition zu wis-
sen, ob es wirkt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Wir kommen zur Frage 35 der Kollegin Gitta
Connemann zum gleichen Themenkomplex:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der
am 9. Februar 2009 im Rahmen einer Informationsveranstal-
tung für Fischer in Greetsiel vorgestellten Pläne der niederlän-
dischen Behörden über Art und Umfang der geplanten Bagge-
rungs- und Verklappungsmaßnahmen in der Ems im
Zusammenhang mit dem Ausbau des Eemshavens sowie der
Vertiefung der Zufahrt zum Eemshaven auf die Fischereibe-
triebe in Ditzum und Greetsiel, und hat die Bundesregierung
sich bei den niederländischen Behörden dafür eingesetzt, dass
analog der Vereinbarungen in Deutschland mit der Wasser-
und Schifffahrtsdirektion Nordwest auch in den Niederlanden
ein fischerwirtschaftliches Gutachten unter Einbeziehung der
deutschen Fischereibetriebe in Auftrag gegeben wird?
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Die Bundesregierung nimmt die Sorgen der Küsten-
fischer sehr ernst. Deshalb hat sich das Bundesministe-
rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bereits im
Sommer des letzten Jahres mit der Bitte an das nieder-
24176 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Parl. Staatssekretärin Karin Roth
ländische Verkehrsministerium gewandt, die Belange
von Fischerei und Tourismus bei der niederländischen
Planung möglichst frühzeitig zu berücksichtigen.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die in der
angesprochenen Informationsveranstaltung vorgestellten
und bisher in Form von Literaturstudien angelegten Be-
trachtungen der Effekte des niederländischen Ausbaus
auf den Krabben- und Fischbestand durch fischereibiolo-
gische Untersuchungen ergänzt werden. Dabei stellt sich
auch die Frage nach einem fischereiwirtschaftlichen
Gutachten im Zusammenhang mit dem Tourismus.
Diese Position hat das Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung gegenüber dem niederländi-
schen Verkehrsministerium schriftlich dargelegt. Ich
hoffe, dass unsere Position von der niederländischen
Seite berücksichtigt wird.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, Ihre Nachfrage bitte.
Gitta Connemann (CDU/CSU):
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die Problematik
liegt auf der Hand. Wir haben es mit einem anderen Na-
tionalstaat und damit natürlich auch mit eingeschränkten
Möglichkeiten für die Bundesregierung zu tun. Gestatten
Sie mir deshalb die folgende Nachfrage: Welche Mög-
lichkeiten und Maßnahmen sieht oder erwägt die Bun-
desregierung außerhalb des niederländischen Verwal-
tungsverfahrens bzw. der beiden Verfahren, um die
Fanggebiete der Fischer in der Außenems zu sichern und
sie vor den Auswirkungen der Ausbau- und Unterhal-
tungsarbeiten zu schützen?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Bitte sehr.
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Liebe Kollegin Connemann, das ist eine schwierige
Thematik. Wir können von unserer Seite nicht in die
Ausbaupläne der niederländischen Seite eingreifen.
Gleichzeitig sehen wir aber das Problem. Wir haben des-
halb Gespräche mit den Niederlanden geführt und unsere
Position nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich
klargemacht. Minister Tiefensee hat sie gegenüber dem
Verkehrsministerium deutlich gemacht und war, wie Sie
wissen, vor Ort und hat dieses Thema aufgegriffen.
Wir müssen darauf bestehen, dass jedes Land, jeder
Nationalstaat berücksichtigt, was bei einem Grenzfluss
zu berücksichtigen ist. Deshalb möchten wir diese Gut-
achten gern haben. Deshalb wollen wir auch mit einer
relativ zeitnahen Planung gemeinsam vorankommen. Da
die Niederländer auch ein Interesse am Ausbau haben,
glaube ich, dass wir zeitlich nicht ganz so weit auseinan-
der liegen. Aber auch hier gilt: Untersuchungen brau-
chen ihre Zeit. Ich hoffe, dass die niederländische Regie-
rung, genauso wie wir, schnell vorankommt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie noch eine Nachfrage?
Gitta Connemann (CDU/CSU):
Von entscheidender Bedeutung ist natürlich die Ent-
wicklung der Fangwertigkeit der Gebiete. In diesem Re-
vier liegt ein hohes wirtschaftliches Interesse der
Fischer.
Werden nach Abschluss der Ausbauarbeiten auf deut-
scher und niederländischer Seite, soweit Sie das für die
deutsche Seite beurteilen können, Beweissicherungs-
maßnahmen durchgeführt werden, mit denen die Ent-
wicklung der Fangwertigkeit des Reviers über die Jahre
dokumentiert wird? Ist das jedenfalls für die deutsche
Seite angedacht?
Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Connemann, wir ha-
ben natürlich ein Interesse daran, dass dieses Thema ei-
nigermaßen wissenschaftlich abgesichert ist, aber wir
können Untersuchungen ja nicht vorgreifen. Wir werden
auch sehen, was das bedeutet und ob es tatsächlich zu
Veränderungen kommt. Dann müssen auch die Investi-
tionsmaßnahmen entsprechend abgestimmt werden.
Sonst brauchen wir keine Untersuchungen.
Wenn durch die Untersuchungen also Hinweise da-
rauf gegeben werden, dass es schwierig ist, dann muss
sowohl die deutsche als auch die niederländische Seite
mit den Ausbaumaßnahmen entsprechend reagieren. Ich
glaube, das ist das Vorgehen: erst die Untersuchung,
dann die Entscheidung.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor-
tung dieser Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung.
Die Frage 36 der Kollegin Cornelia Pieper und die
Fragen 37 und 38 der Kollegin Cornelia Hirsch werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich der Bun-
deskanzlerin und des Bundeskanzleramtes.
Auch diese Fragen, die Frage 39 der Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch und die Fragen 40 und 41 der Kolle-
gin Sevim Dağdelen, werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amts. Die Frage 42 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele, die Frage 43 des Kollegen Reinhard Grindel
und die Frage 44 der Kollegin Dr. Kristina Köhler wer-
den ebenfalls schriftlich beantwortet.
Zur Beantwortung der letzten beiden Fragen dieser
Fragestunde aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts steht Herr Staatsminister Gernot Erler zur Verfü-
gung.
Ich rufe die Frage 45 der Kollegin Kerstin Müller
auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung
aus den Aussagen des israelischen Außenministers Avigdor
Lieberman während seiner Europareise, in denen er die Zwei-
staatenlösung als „Slogan“ bezeichnet hat und sich vom bis-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24177
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
herigen Friedensprozess distanziert, und welche Position hat
sie bei den direkten Zusammentreffen mit Avigdor Lieberman
vertreten, insbesondere in der Frage der Siedlungspolitik und
der ausstehenden EU-Vertiefung?
Herr Staatsminister, bitte.
Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärti-
gen Amt:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin
Kerstin Müller, die Bundesregierung hat seit dem Amts-
antritt der neuen israelischen Regierung bei zahlreichen
Gelegenheiten ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht,
dass die israelische Regierung im Nahostfriedensprozess
an den Ergebnissen bisheriger Verhandlungen und am
Ziel einer Zweistaatenlösung festhält.
Nach der am 19. November 2003 vom Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen indossierten Roadmap ist Israel
zu einem Abbau der Siedlungsaußenposten und zur Ein-
stellung jeder Siedlungsaktivität einschließlich des na-
türlichen Wachstums verpflichtet. Angesichts dieser Ver-
pflichtung hält die Bundesregierung den fortgesetzten
Siedlungsbau in der Westbank und in Ostjerusalem für
nicht akzeptabel und für eine Gefahr für die Realisier-
barkeit der Zweistaatenlösung.
Die Bundesregierung und ihre europäischen Partner
haben ihre Haltung zur Siedlungsproblematik wiederholt
und unmissverständlich deutlich gemacht und fordern ei-
nen Stopp des Siedlungsaus- und -neubaus in der West-
bank und in Ostjerusalem sowie die Räumung illegaler
Außenposten.
Diese Position hat der Bundesminister des Auswärti-
gen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, auch bei seinem
Treffen mit dem israelischen Außenminister Avigdor
Lieberman am 7. Mai 2009 in Berlin vertreten.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ihre Nachfrage, bitte.
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
So weit, so gut, Herr Staatsminister. Wenn dem so
ist, habe ich eine Nachfrage. Weder der Außenminister
Lieberman noch der neue Premierminister Netanjahu ha-
ben bisher ein klares Bekenntnis zur Zweistaatenlösung
abgegeben. Hinsichtlich des Siedlungsbaus haben sie
sich – vor allen Dingen Lieberman – im Gegenteil sehr
klar für einen Ausbau ausgesprochen.
Vor diesem Hintergrund frage ich: Wie verhält sich
die Bundesregierung zu der anstehenden Vertiefung der
Beziehungen zwischen der EU und Israel? Ist sie wie
Ferrero-Waldner auch der Meinung, dass diese Vertie-
fung an einen Fortgang in der Siedlungspolitik und an
ein klares Bekenntnis der neuen Regierung zur Zwei-
staatenlösung geknüpft werden muss?
Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärti-
gen Amt:
Frau Kollegin Müller, jetzt haben Sie praktisch Ihre
zweite Frage mündlich gestellt. Frau Präsidentin, die
Frage ist, ob ich bei dieser Gelegenheit nicht einfach die
zweite Frage beantworten soll. Ansonsten müsste ich sie
jetzt sozusagen noch einmal frei beantworten.
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Ja.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Die Fragestellerin ist einverstanden. Natürlich, Herr
Staatsminister.
Ich rufe jetzt zusätzlich die Frage 46 auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der EU-Kom-
mission, dass die weitere Umsetzung der beschlossenen Ver-
tiefung der Beziehungen mit der Europäischen Union von ei-
nem klaren Bekenntnis zur Zweistaatenlösung der neuen
israelischen Regierung und dem Fortgang in der Siedlungs-
politik abhängig gemacht werden soll und, falls nicht, warum
nicht?
Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärti-
gen Amt:
Die Antwort auf die Frage lautet wie folgt: Die Bun-
desregierung hat ihre Erwartung, dass die israelische Re-
gierung am Ziel einer Zweistaatenlösung festhält, und
ihre Position zur Siedlungsproblematik bei zahlreichen
Gelegenheiten deutlich gemacht. Mit Blick auf die Ver-
tiefung der Beziehungen zwischen der Europäischen
Union und Israel haben die Außenminister der Europäi-
schen Union am 8. Dezember 2008 ihre Entschlossen-
heit bekräftigt, die bilateralen Beziehungen qualitativ
und quantitativ zu verstärken. Dabei haben sie wieder-
holt, dass der Prozess zur Vertiefung der Beziehungen
im Kontext der gemeinsamen Interessen und Ziele be-
trachtet werden muss, zu denen auch eine Lösung des is-
raelisch-palästinensischen Konflikts durch Umsetzung
der Zweistaatenlösung zählt. Diese Beschlusslage gilt
fort.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine weitere Zusatzfrage.
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Ihre Formulierung „im Kontext“ beantwortet meine
Frage nicht konkret. Am 15. Juni findet die nächste Sit-
zung des Assoziationsrates EU-Israel statt. Ich wüsste
gerne klipp und klar, wofür die deutsche Bundesregie-
rung innerhalb der EU eintritt: für eine kritische Be-
standsaufnahme und zeitlichen Aufschub – so jedenfalls
die Mehrheit der EU-Partner – oder eine rasche Umset-
zung der 2008 beschlossenen Vertiefung? Sind Sie dabei
Bremser, oder unterstützen Sie Ferrero-Waldner und die
Mehrheit der EU-Partner in der Frage der Fortführung
der Vertiefung jetzt, ohne Ansehen der Position der
neuen Rechtsregierung?
Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärti-
gen Amt:
Kollegin Müller, zunächst einmal ist klar, dass der
Beschluss des Rates vom 8. Dezember nicht aufgehoben
24178 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Staatsminister Dr. h. c. Gernot Erler
worden ist. Mit dem Kontext ist aber durchaus ein ver-
bindliches Junktim hergestellt worden. Wenn Sie mich
jetzt persönlich fragen, was am 15. Juni passieren wird,
dann muss ich Ihnen antworten, dass ich mir unter die-
sen Umständen zurzeit nicht vorstellen kann, dass es zu
einer Umsetzung der Vertiefung kommt.
Allerdings hat der Abschluss der Policy Review, wie
es auch in Israel genannt wird, bisher noch nicht stattge-
funden. Zum Beispiel steht am 18. dieses Monats ein
Besuch Netanjahus in den USA bevor. Es wird erwartet,
dass die Policy Review bis dahin abgeschlossen ist, so-
dass wir dann genauer wissen, wie es um die Zweistaa-
tenlösung steht. Inzwischen ist auf die neue israelische
Regierung ein erheblicher Druck ausgeübt worden, unter
anderem am 11. Mai mit einer Präsidentialerklärung der
Vereinten Nationen – hinter der ein einstimmiges Votum
steht –, in der noch einmal direkt auf die Zweistaatenlö-
sung hingewiesen wird. Wir wissen nicht, wie sich das
auswirkt. Insofern hängt es auch von dem weiteren Ver-
halten der neuen israelischen Regierung ab, wann und
wie schnell es zu einer Umsetzung der Ratsschlussfolge-
rungen vom Dezember letzten Jahres kommt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich bitte um Verständnis, was Nachfragen angeht. Wir
haben die zur Verfügung stehende Zeit schon überschrit-
ten. Ich würde deshalb gerne die Fragestunde abschlie-
ßen.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wenn Herr Erler mit Ja oder Nein ge-
antwortet hätte, wäre es schneller gegangen!)
Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für die Beant-
wortung der Fragen und schließe die Fragestunde.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kompetenzstreit der Bundesregierung bei der
Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Jürgen Trittin für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen das Wort.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin
froh, dass der Versuch abgebrochen worden ist, die Gei-
seln der MS Stavanger gewaltsam zu befreien. Trotz die-
ser richtigen Entscheidung muss ich feststellen, dass sich
die Bundesregierung mit dieser Operation schwer bla-
miert hat.
Sie wollten mit einem Husarenstück international in
der ersten Liga spielen, und das ging völlig daneben. Es
fing mit dem Transport an. 200 Polizisten und Hub-
schrauber konnten nicht dorthin gebracht werden, weil
auf dem internationalen Markt keine ausreichenden
Charterkapazitäten zur Verfügung standen.
Diese Operation war dann so geheim, dass Sie zwar
mit Falschinformationen Abgeordnete an einem Besuch
der Truppe in Mombasa gehindert haben, aber während
der ganzen Vorbereitungszeit unter ständiger Begleitung
von Spiegel Online standen. Das war sozusagen die erste
Kommandoaktion mit Embedded Journalists.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu-
ruf von der FDP: Das ist aber nicht neu!)
Von dieser Posse – wenn man das so nennen will –
möchte Frau Merkel nun mit einer Debatte um die Kom-
petenzen der Bundeswehr ablenken und das Grundgesetz
ändern. Wenn man sich diese Operation anschaut, stellt
man fest: Es gibt kein verfassungsrechtliches Problem,
das diese Operation auch nur eine Sekunde behindert
hätte. Das sagt selbst die Bundesregierung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der FDP)
In allen Unterrichtungen in den Ausschüssen war völlig
klar: Dieser Einsatz ist nicht an verfassungsrechtlichen
Kompetenzproblemen gescheitert, sondern daran, dass
es einfach nicht ging und dass ausschließlich die GSG 9
und nicht das KSK die Fähigkeit hat, eine solche Opera-
tion durchzuführen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das ist im Übrigen der Grund, warum die Bundesregie-
rung schon im Herbst 2008 beschlossen hat – nicht ir-
gendeine rot-grüne Bundesregierung, sondern Ihre –
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Unser aller
Bundesregierung!)
– auch deine, wenn Du darauf so stolz bist –,
(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ihre
auch! Ob Sie das nun wollen oder nicht!)
dass die GSG 9 im Rahmen von „Atalanta“ bei solchen
Operationen zum Einsatz kommt. Noch einmal: Es
fehlte also nicht an Kompetenzen. Vielmehr ging es ein-
fach nicht.
Wenn Sie in einer solchen Situation erneut – ich weiß
nicht, zum wievielten Mal – darüber diskutieren, wie es
sich mit dem Grundgesetz und den Rechten des Militärs
verhält, dann tun Sie so, als fände „Atalanta“ in einer
rechtlichen Grauzone statt. Ich sage Ihnen: Das ist
falsch.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der
SPD)
Diese Mission beruht auf Beschlüssen des UN-Sicher-
heitsrats, einem EU-Mandat und einem Mandat des
Deutschen Bundestages. Sie ist zudem durch Art. 24
Abs. 2 des Grundgesetzes gedeckt. Dadurch ist auch ein
möglicher Einsatz des KSK abgedeckt. Hören Sie end-
lich auf, die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten
durch solche Verdächtigungen sozusagen an den Rand
der Verfassungswidrigkeit zu stellen!
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24179
(A) (C)
(B) (D)
Jürgen Trittin
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vor dem Hintergrund eines solchen nicht ganz unge-
fährlichen Einsatzes im Ausland wollen Sie erneut eine
Debatte über die Trennung von äußerer und innerer
Sicherheit führen. Sie wollen die Trennung zwischen
Polizei und Militär aufheben. Sie wollen – so heißt es in
Ihrem Fraktionspapier – die Trennung zwischen Krieg
und Frieden beenden. Das alles haben die dort eingesetz-
ten Soldatinnen und Soldaten sowie die Polizeibeamten
vor Ort nicht verdient. Das alles stellt im Übrigen einen
Anschlag auf das Grundgesetz dar, angestoßen von der
Bundeskanzlerin und gedeckt durch den Verfassungs-
minister, und das nur, weil Sie sich aus der Verantwor-
tung für diese Aktion „Wasserschlacht“ stehlen wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben allerdings ein eklatantes Führungsproblem.
Wir wären froh, wenn es ein einheitliches Vorgehen bei
im Rahmen von „Atalanta“ gefassten, der Piraterie Ver-
dächtigen gäbe. Aber das ist nicht der Fall. Das ist wirk-
lich ein rechtliches Problem. Die einen lässt man laufen.
Die anderen schickt man nach Hause vor Gericht. Wie-
derum andere schickt man nach Kenia. Aber eine recht-
lich einwandfreie Strafverfolgung solcher Täter ist nicht
sichergestellt. Ich empfehle Ihnen: Betreiben Sie mit
dem gleichen Aufwand und der gleichen Emphase, die
Sie bei einer Grundgesetzänderung an den Tag legen, die
Durchsetzung eines internationalen Gerichtshofs!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist doch die
Position der Bundesregierung! Das ist die
deutsche Position!)
– Herr Wiefelspütz, die Bundesregierung tut gar nichts;
das haben alle Unterrichtungen im Ausschuss ergeben.
Sie müssen sich gar nicht dazwischenwerfen.
Die Wahrheit ist: Sie wollten ein Exempel statuieren
und nicht länger Lösegeld zahlen. Das ist legitim, ge-
nauso wie die Erwägung, Gewalt in solchen Fällen an-
zuwenden. Aber das Risiko für 24 Geiseln auf einem
150 Meter langen Schiff war zu hoch. Das hat übrigens
auch die Bundespolizei so gesehen. Warum sind Sie
nicht gleich der Analyse des Bundespolizeipräsidiums
gefolgt? Warum galt für Sie bei unterschiedlichen Risiko-
analysen nicht der Grundsatz „Im Zweifelsfall geht das
Leben der Geiseln vor“, Herr Minister? Warum mussten
Sie sich von den USA zu dieser Entscheidung drängen
lassen? Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich bin James
Jones dankbar. Die USA haben mit ihrer Entscheidung
ein Fiasko verhindert. Sie haben bewiesen, dass sie in
der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. Ihnen da-
gegen, Herr Minister, und der Bundesregierung fehlt es
an Verantwortungsbewusstsein und Fähigkeiten. Ihnen,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
CSU, fehlt es an Respekt vor der Verfassung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl
von der CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ein bayerischer
Pirat!)
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Bevor ich auf die unerträglichen Äußerungen
des Kollegen Trittin eingehe, möchte ich etwas ganz an-
deres tun.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das freut mich! Das muss gesessen ha-
ben!)
– Schweigen Sie!
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der
CDU/CSU und der SPD)
Bei der Bundeswehr und bei der Bundespolizei arbeiten
Menschen, die bereit sind, ihr eigenes Leben zu opfern,
um das Leben anderer Menschen zu retten, anstatt dass
sie so daherschwadronieren, wie Sie es getan haben. Da-
für ganz herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie waren zum Einsatz bereit, und dann wurde am Ende
eines mehrwöchigen Abwägungsprozesses von der Bun-
desregierung die politische Entscheidung getroffen, an-
gesichts dieses Risikos den Einsatz doch nicht durch-
zuführen, weil das Leben der Menschen in zu großer
Gefahr war. Die Entscheidung war richtig. Jetzt kommt
der Grüne Trittin, stellt sich ans Rednerpult und versteigt
sich zu der unsäglichen Infamie, zu sagen, der Bundesin-
nenminister habe sich aus der Verantwortung davonge-
stohlen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Clemens Binninger [CDU/CSU]: Unerhört!)
Widerwärtig. Sie können dem Bundesinnenminister
Schäuble alles Mögliche vorwerfen, aber zu behaupten,
dass sich dieser Minister aus der Verantwortung stiehlt –
da hört es wirklich auf.
(Beifall bei der CDU/CSU – Jürgen Trittin
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sehen
Sie denn einen Vorgang, der von den USA ent-
schieden worden ist und nicht vom Minister?)
Der Minister war bereit, die volle Verantwortung zu
übernehmen, und zwar unabhängig vom Ausgang dieses
Einsatzes.
Lassen Sie mich jetzt einige Anmerkungen zu Ihren
Ausführungen zum Grundgesetz machen. Es gab keinen
Streit über die Ressortvereinbarung. Insoweit haben Sie
richtig zitiert. Man war sich von Anfang an einig, dass
die GSG 9, militärisch unterstützt, zum Einsatz kommen
soll. Dass man zum Schluss die Amerikaner brauchte,
weil der nötige Helikopterträger nicht zur Verfügung
stand, hat vielleicht auch etwas mit einer verfehlten Be-
24180 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Hans-Peter Uhl
schaffungspolitik während der siebenjährigen rot-grünen
Regierungszeit zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie hätten sieben Jahre Zeit gehabt, einen Helikopterträ-
ger zu beschaffen.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Den hätten wir zufällig da im Gelände
gehabt! Sie haben keine Ahnung! Ein schlech-
tes Argument!)
Jetzt komme ich zum Grundgesetz. Art. 87 a des
Grundgesetzes sagt klipp und klar – hören Sie zu, wenn
ich aus dem Grundgesetz zitiere, statt herumzuplärren,
Herr Trittin –:
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Mit Zwischenrufen müssen Sie schon
leben!)
(1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung
auf …
(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte
nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz
es ausdrücklich zulässt.
Wenn Sie im Grundgesetz weiterlesen, dann finden Sie
natürlich nirgendwo etwas zur Pirateriebekämpfung.
(Rainer Arnold [SPD]: Kennen Sie das Verfas-
sungsgerichtsurteil? Dann müssen Sie das
auch vorlesen! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Jetzt geht es wieder los! Uhl
und Linkspartei Seit’ an Seit’!)
Also macht man sich mühsam auf die Suche nach einer
Legitimation und landet bei Art. 24 Abs. 2 des Grundge-
setzes. Dort heißt es:
Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens ei-
nem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit
einordnen …
Dieses wird als Legitimation herangezogen. Das kann
man juristisch machen, das ist nicht falsch. Nur, es zeigt
eben, dass wir nach geltendem Grundgesetz nicht in der
Lage sind, ohne ein EU-Mandat oder VN-Mandat auto-
nom als deutscher Staat die Bundeswehr bei neuen Be-
drohungslagen zum Einsatz zu bringen.
(Rainer Arnold [SPD]: Dann hat Ihr Minister
oft in der letzten Zeit die Verfassung gebro-
chen!)
Wir sind immer von einem solchen Mandat abhängig,
auf das wir uns zurückziehen.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Jenseits der Vereinten Nationen! Das
muss man sich einmal anhören!)
Das heißt, wir haben auf die asymmetrische Bedrohung,
die zur Folge hat, dass die innere von der äußeren Si-
cherheit natürlich nicht mehr zu trennen ist, noch nicht
die richtige juristische Antwort gefunden.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Zurück ins Kaiserreich!)
Wir werden uns also entscheiden müssen, ob wir die
GSG 9, das KSK oder beide zum Einsatz bringen wol-
len. Diese Entscheidung muss getroffen werden. Die Fä-
higkeiten müssen auf jeden Fall da sein. Wenn eine ent-
sprechende Entscheidung gefällt wird, dann muss die
Truppe für Wochen und Monate in die Region geschickt
werden, und dann fehlt sie in Deutschland, wenn es die
GSG 9 sein sollte. Das will wohlbedacht sein. Das heißt,
in der derzeitigen Situation können wir die Piraterie
nicht wirksam bekämpfen. Hier muss noch nachgebes-
sert werden, sowohl was die richtige Ausrüstung als
auch was die richtige Struktur betrifft. Wir müssen die
Piraterie bekämpfen wollen und bekämpfen können.
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das kleine Ein-
maleins des Völkerrechts, Herr Uhl!)
Es ist die freie Entscheidung von Hamburger Ree-
dern, ihre Schiffe unter einer Billigflagge und mit einer
Besatzung, die zu Niedriglöhnen arbeitet, über die
Meere fahren zu lassen. Früher nannte man sie „Ham-
burger Pfeffersäcke“.
Aber es ist die alleinige Entscheidung des deutschen
Staates, im Kampf gegen Piraterie vom Gewaltmonopol
Gebrauch zu machen. Der deutsche Staat und die Regie-
rung in Berlin entscheiden, ob geschossen wird oder
nicht, und dabei soll es auch bleiben.
Wir sollten uns auf den Weg machen, die Strukturen
so zu organisieren, dass wir dieser Bedrohung Herr wer-
den. Dazu gehört vielleicht auch, noch einmal darüber
nachzudenken, wie die Befehlsstrukturen aussehen, da-
rüber nachzudenken, ob es klug ist, neben militärischen
Einheiten Polizeieinheiten einzusetzen oder doch eine
reinrassige militärische Lösung zu wählen.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: „Reinrassig“?)
Das alles ist noch nicht zu Ende diskutiert.
Wir stehen für eine solche Diskussion selbstverständ-
lich zur Verfügung. Aber wir müssen handlungsfähig
werden und können uns nicht so verhalten wie Sie, Herr
Trittin, von dem ich bis heute noch nicht weiß, was Sie
eigentlich mit Ihrer seltsamen, diffamierenden Rede
wollten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abge-
ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von
der FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Birgit Homburger (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu
der Diskussion, die wir heute führen, mache ich eine
Vorbemerkung. Meines Erachtens ist es gut und wichtig,
dass wir als Bundesrepublik Deutschland mit der GSG 9
bei der Bundespolizei und mit dem KSK bei der Bundes-
wehr zwei Spezialeinheiten haben; beide brauchen wir
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24181
(A) (C)
(B) (D)
Birgit Homburger
auch weiterhin. Beide haben exzellente Fähigkeiten; sie
sind in der Vergangenheit in schwierigen Situationen
eingesetzt worden und haben sich darin unter Beweis ge-
stellt. Sie haben hohe Einsatzbereitschaft gezeigt; diese
ist nach wie vor vorhanden. Deswegen sage ich an dieser
Stelle erst einmal ein herzliches Dankeschön an die Poli-
zisten und an die Soldaten, die in diesen Einheiten ihren
Dienst tun.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bezogen auf den konkreten Fall der „Hansa Stavanger“
unterstreiche ich: Erstens halte ich es für richtig, dass
man den Versuch unternommen hat, zu helfen. Zweitens
glaube ich nicht, dass das Parlament wirklich die kon-
kreten Umstände beurteilen kann, die am Ende zum Ab-
bruch dieser Aktion geführt haben. Ich sage jedenfalls
für meine Fraktion: Wir haben vollstes Vertrauen in die
Kompetenz und in die Lagebeurteilung der Einsatzführer
vor Ort. Sie tragen eine hohe Verantwortung; sie verdie-
nen unser aller Respekt und unsere Unterstützung.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie
bei Abgeordneten der SPD)
Kein Verständnis habe ich allerdings für das Verhal-
ten der Bundesregierung, und dies in mehrfacher Hin-
sicht. Der Fachverbandsvorsitzende für die Bundespoli-
zei der Polizeigewerkschaft, Herr Zastrow, hat in einem
Interview geäußert, dass die Verzögerungen und der Ab-
bruch die Folge von langwierigen Abstimmungsprozes-
sen gewesen seien. Solche Kompetenzstreitigkeiten sind
nicht hinnehmbar. Sie gefährden nicht nur die effektive
Pirateriebekämpfung, sondern unter Umständen auch
Leib und Leben der Betroffenen. Deswegen sage ich
ganz klar: Die Bundesregierung hat alle Betroffenen in
eine schwierige Situation gebracht. Es braucht klare Zu-
ständigkeiten; das ist das A und O jedes Einsatzes. Da-
her fordern wir die Bundesregierung auf, hier Klarheit
zu schaffen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Dabei hat vorher angeblich alles gestimmt, denn man
hatte ja alles geklärt. Ich sage Ihnen, meine Damen und
Herren von der Bundesregierung: Theoretisch, auf dem
Papier, war es so, aber praktisch waren Sie in keiner
Weise vorbereitet. Wenn wir dann hören, was die inter-
nationalen Partner sagen, dann entsteht zumindest der
Eindruck, dass die unterschiedlichen Ministerien, die ja
vielfältig zuständig waren, sich offensichtlich unter-
schiedlich geäußert haben. Ein solches Verhalten ist ab-
solut kontraproduktiv.
An dieser Stelle betone ich: Hier ist die Bundeskanz-
lerin gefordert, dem ein Ende zu bereiten und Klarheit zu
schaffen.
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Vorsicht! Das
setzt aber Kenntnisse der Verfassung voraus!
Das setzt genaue Kenntnisse der Verfassung
voraus!)
Stattdessen führt sie eine Diskussion über eine Grund-
gesetzänderung, zusammen mit Bundesinnenminister
Schäuble und Bundesverteidigungsminister Jung, von
denen wir nichts anderes gewohnt sind und die jede er-
denkliche Gelegenheit dazu nutzen, einen Bundeswehr-
einsatz im Inneren über die Hintertür durchzusetzen. Die
Abläufe bei der „Hansa Stavanger“ haben jedoch nichts,
aber auch gar nichts mit der Verfassung zu tun.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben auch nichts mit einer mangelnden rechtlichen
Grundlage zu tun. Vielmehr haben sie etwas mit Ver-
säumnissen der Bundesregierung zu tun. Deswegen sa-
gen wir: Schluss mit den Ablenkungsmanövern!
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
SPD)
Herr Uhl, Sie haben hier gesagt, im Grundgesetz
stehe nichts von Piraterie. Da steht auch nichts von Af-
ghanistan, von UNIFIL und von Kosovo. Wenn wir Ihrer
Argumentation folgten, dürften wir keinen einzigen Aus-
landseinsatz durchführen.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Uhl, ich sage Ihnen weiter: Wir haben hier im
Deutschen Bundestag das Mandat „Atalanta“ beschlos-
sen. In diesem Mandat ist ausdrücklich vorgesehen – ich
zitiere –: die „Durchführung der erforderlichen Maßnah-
men, einschließlich des Einsatzes von Gewalt, zur Been-
digung von seeräuberischen Handlungen …“. Das deckt
die Geiselbefreiung ab. Die Probleme liegen also nicht
in fehlender Rechtsgrundlage, sondern in fehlenden Fä-
higkeiten vor Ort.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
SPD)
Ich sage an dieser Stelle, an die Adresse der Bundes-
regierung gerichtet: Meine sehr verehrten Damen und
Herren, wer die Bundeswehr in einen Einsatz mit einem
klaren Auftrag und einem zu erwartenden Szenario
schickt, der muss der Bundeswehr die für einen solchen
Einsatz notwendigen Fähigkeiten mitgeben. Das ist er-
kennbar nicht der Fall gewesen.
(Beifall bei der FDP)
Es braucht deshalb strukturelle Schlussfolgerungen,
und zwar sowohl was das KSK als auch was die GSG 9
angeht. Beide sind exzellent ausgebildet. Sie sind gut
ausgerüstet. Sie sind einsatzfähig, und sie sind auch ein-
satzwillig. Wenn dieser militärische Einsatz eine Geisel-
befreiung umfasst, dann muss es vor Ort – wie beim
Mandat „Atalanta“ – entsprechende Fähigkeiten und Ka-
pazitäten geben,
(Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz
[SPD])
schon allein deshalb, weil schnelles Handeln mehr Er-
folgsaussichten hat.
(Beifall bei der FDP)
24182 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Birgit Homburger
Das bedeutet: In militärischen Missionen sollte das KSK
die Zuständigkeit haben und sollte von vornherein dabei
sein. Das hat mehrere Vorteile: eine klare Zuständigkeit,
klare Verantwortung, kein Zeitverlust und die Kenntnis
der Strukturen. Das heißt, wir würden damit optimale
Bedingungen herstellen.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Sowohl bei
dem KSK als auch bei der GSG 9 besteht erkennbar die
Notwendigkeit, bestehende Lücken bei Ausrüstung,
Ausstattung und spezifischem Training zu schließen.
Dass die Bundesregierung das mit Blick auf die Heraus-
forderungen, vor denen wir zunehmend stehen, nicht er-
kannt hat, ist ein schweres politisches Versäumnis, das
nicht weiter auf dem Rücken der betroffenen Polizisten
und Soldatinnen und Soldaten ausgetragen werden darf.
Wir fordern die Bundesregierung auf, mit den Ablen-
kungsmanövern endlich aufzuhören und ihrer Verant-
wortung gerecht zu werden.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann von der
SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Zunächst einmal darf ich auch für die SPD-Fraktion
zum Ausdruck bringen, dass wir, Herr Bundesinnen-
minister, mit großem Respekt auf den Einsatz der GSG 9
in Somalia blicken. Auch wenn der Einsatz im Endeffekt
nicht stattgefunden hat, wissen wir, dass da Enormes ge-
leistet wurde – bis hin zur Bereitschaft, das eigene Leben
für unser Land und für deutsche Staatsbürger einzuset-
zen. Man kann den Dank dafür nicht oft genug wieder-
holen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, meine Da-
men und Herren, Respekt verlangt uns aber auch die Po-
sition der Bundesregierung ab, die – keineswegs nach ei-
nen Kompetenzstreit – zu dem Ergebnis kam: Es muss
Schluss sein mit dieser Lösegeldpolitik; es darf nicht
sein, dass ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland
durch Piraten oder anderes Gesindel auf Dauer erpress-
bar ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
CDU/CSU)
Respekt zollen wir auch allen, die sich der Schwere
dieser Entscheidung in Krisenstäben und anderswo zu
jedem Zeitpunkt bewusst waren, die keineswegs leicht-
fertig abgewogen haben, um dann schließlich – unter wel-
chen Rahmenbedingungen auch immer, Herr Trittin –
zum Ergebnis zu kommen: Wir machen das nicht. Res-
pekt verlangt nämlich auch der Mut, zu sagen – das hat
nichts mit Feigheit zu tun –: Nein, wir schicken unsere
Bundespolizeibeamten nicht in dieses Risiko hinein;
nein, wir wollen die Geiseln der Todesgefahr nicht aus-
setzen. – Es kann klug und richtig sein, so zu entschei-
den. Wie wir heute wissen, war es klug und richtig, dass
so entschieden wurde.
Wir als Abgeordnete dieses Parlaments sollten mit
manchen Urteilen, wie sie in allen Lagern getroffen wor-
den sind, deshalb vorsichtig sein. Wir als Deutscher
Bundestag können wahrhaftig nicht die Polizeiführer vor
Ort ersetzen. Manche Äußerungen der letzten Tage und
Wochen haben den Anschein erweckt, als wüssten wir
besser Bescheid als ein gut ausgebildeter GSG-9-Mann
vor Ort. Das ist Unsinn.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Jetzt ist aber zu überlegen: Welche Konsequenzen
sind zu ziehen? Soweit wir politisch gefordert sind, wol-
len wir einen Beitrag dazu leisten. Dieser Beitrag kann
so aussehen, dass wir gemeinsam mit dem Bundesvertei-
digungsminister und gemeinsam mit dem Bundesinnen-
minister darüber nachdenken, wie wir die Mannschaft
optimal ausstatten. Stimmt da alles in puncto Ausstat-
tung? Offensichtlich nicht. Wir müssen uns auch überle-
gen, wie wir in puncto Ausbildung helfen können. Gege-
benenfalls müssen wir bereit sein, dafür Geld in die
Hand zu nehmen. Nur eines brauchen wir nicht: eine er-
neute Diskussion um eine in diesem Falle völlig über-
flüssige Grundgesetzänderung.
(Beifall bei der SPD, der FDP und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diese Diskussion verläuft ja ein bisschen nach der
Methode: Und ewig grüßt das Murmeltier. Jedes Mal,
wenn sich eine Gelegenheit bietet, redet man darüber, ob
man nicht die Bundeswehr im Innern einsetzen kann, ob
die Bundeswehr nicht verstärkt Polizeiaufgaben wahr-
nehmen kann.
(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wer ist „man“?)
Ich möchte einmal daran erinnern, was die Kanzlerin
– auch sie hat sich ja in diese Diskussion eingeschaltet –
richtigerweise vor dem Kongress der Gewerkschaft der
Polizei vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat:
Eine der Sorgen der Polizistinnen und Polizisten ist,
dass die Bundeswehr jetzt klassische Polizeiaufga-
ben ausführt. Meine Damen und Herren, ich sage
ganz eindeutig: Das ist nicht geplant. Ich sage das
jetzt einfach auch einmal als CDU-Vorsitzende:
Das ist auch von der Christlich Demokratischen
Union nicht geplant. Sie brauchen daran nicht zu
zweifeln. Das ist so.
Ich nehme die Kanzlerin beim Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen
Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da
sind Sie aber der Einzige! Das tun ja nicht ein-
mal die in der CDU!)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24183
(A) (C)
(B) (D)
Michael Hartmann (Wackernheim)
– Na ja, sehen Sie, ich bin da naiver als Sie, Herr Trittin.
Sie sind schon länger im Geschäft und deshalb etwas ab-
gebrühter.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen
also, wir brauchen keine Debatten dieser Art, sondern
wir brauchen Debatten um eine optimale Aufstellung so-
wohl der Bundeswehr als auch der Polizei. Die Frage
lautete ja nicht: „Wer darf es?“, sondern: „Wer kann
es?“. Wir mussten viele Notnägel benutzen, um das
überhaupt zu können, auch wenn der Einsatz am Schluss
nicht stattgefunden hat.
Im Übrigen sollten wir uns, wenn wir solche Debatten
führen, daran erinnern, dass diese auch in die Mannschaft
hineinwirken, Herr Bundesinnenminister. Ich glaube
nicht, dass die Bundespolizistinnen und Bundespolizis-
ten glücklich darüber sind, dass sie immer wieder als Ve-
hikel benutzt werden, um das Thema „Bundeswehrein-
sätze im Innern“ voranzutreiben. Ich glaube auch nicht,
dass die Bundeswehr, die es in vielen Bereichen schwer
genug hat, glücklich darüber ist, dass mit ihr so verfahren
wird, als könne man sie beliebig selbst für Debatten, die
innerparteilich befriedend wirken sollen, instrumentali-
sieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Im Übrigen stellt sich doch die Frage – das ist mein
letzter Satz –: Mit wem will man das eigentlich machen?
Einen Theaterdonner kann man jederzeit aufführen. Herr
Schäuble, ich weiß mittlerweile, dass Sie sich sehr ver-
antwortungsbewusst und auch durchaus besorgt um die
innere Sicherheit kümmern. Ich kenne Sie aber auch als
gewieften Parteipolitiker. Diesem gewieften Parteipoliti-
ker sage ich: Herr Bundesinnenminister, es gibt Wunsch-
koalitionen auf Ihrer Seite, es gibt Wunschkoalitionen
auf anderer Seite. Eine Koalition bzw. Konstellation gibt
es allerdings in diesem Hause nicht, und zwar auf Dauer
nicht, nämlich eine Koalition bzw. Konstellation, die es
möglich machen wird, dass eine Grundgesetzänderung
herbeigeführt wird, damit die Bundeswehr im Innern
eingesetzt werden kann. Hören wir also mit dieser ver-
unsichernden Debatte auf!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Dr. Norman
Paech von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Norman Paech (DIE LINKE):
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Ich habe lange darüber gegrübelt, was der verschro-
bene, ursprünglich vorgesehene Titel der Aktuellen
Stunde eigentlich bedeuten sollte: „Kompetenzstreit aus
mangelnder Verantwortung der Bundesregierung bei der
Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia“.
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ein Zitat ist
aus einem Ihrer Aufsätze, Herr Paech!)
Jetzt ist er etwas verschlankt worden. Schließlich habe
ich mir gesagt, das kann doch nur ein Ausdruck totaler
Frustration über das sein, was bei der Piratenjagd alles
fehlläuft, und darüber, dass man überhaupt nicht weiß,
wie es weiterlaufen soll.
In der Tat, die Bilanz ist wirklich kümmerlich. Nicht
nur, dass die Befreiung der Besatzung der „Hansa Sta-
vanger“ – zum Glück, muss man sagen – abgesagt wer-
den musste, bevor die GSG 9 zum Einsatz kam. Übri-
gens sagen Sie, Herr Schäuble, den Bürgerinnen und
Bürgern doch auch einmal, wie viel dieses schlecht ge-
plante Abenteuer gekostet hat. Demnächst – wahrschein-
lich schon bald, wie Herr Uhl meint – wollen Sie sich so-
gar noch einen eigenen Hubschrauberträger leisten, um
von den USA ganz unabhängig zu werden und so etwas
selber machen zu können.
Viel schlimmer ist: Seitdem sich die Kriegsmarine
vor dem Horn von Afrika tummelt, haben auch die Pira-
ten aufgerüstet und ihre Angriffe um 20 Prozent gestei-
gert. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Angriffe
im ersten Quartal 2009 sogar verdoppelt und die Löse-
gelder wahrscheinlich vervielfacht. Das Fazit kann doch
nur lauten: Diese Militärmission ist gescheitert. Jetzt ist
guter Rat teuer.
(Beifall bei der LINKEN)
Nur einer hat offensichtlich einen Plan, unser Innen-
minister, der hartnäckig am Grundgesetz gräbt. Jeder hat
seine eigene Art, Jubiläen zu feiern. Herr Schäuble will
offensichtlich den 60. Jahrestag unseres Grundgesetzes
mit einem Piratenartikel krönen. Die SPD hat schon ka-
tegorisch ihre Ablehnung signalisiert, und dafür sind Sie
zu loben. Aber wer weiß schon, was die SPD in der
nächsten Großen Koalition sagen wird? Deswegen eine
Anmerkung dazu: Herr Schäuble und die CDU möchten
mit der Grundgesetzänderung zwei langgehegte Träume
auf einen Streich wahrmachen: endgültig die Trennung
von Polizei und Militär aufheben, um sie je nach Belie-
ben und ohne Bundestagsmandat einsetzen zu können,
und zweitens den Einsatz der Bundeswehr im Innern er-
möglichen. Ich sage Ihnen: Das werden wir nicht mitma-
chen, und ich hoffe, die jetzige diesbezügliche Mehrheit
in diesem Plenum, die das nicht mitmacht, wird noch
lange erhalten bleiben.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir müssen ehrlich sein: Die Piratenbekämpfung ist
bei diesen Plänen nur ein Vorwand. Sie wird nicht nur
missbraucht, um die strikte Trennung von Polizei- und
Militäraufgaben aufzuheben und schließlich den Einsatz
der Bundeswehr im Innern vorzubereiten. Sie wird auch
missbraucht – und da sitzt leider die SPD mit im Boot –,
um den Einsatz der Bundeswehr zum Schutz strategi-
scher Seetransporte zu legitimieren und um eine weitere
massive Aufrüstung der Bundeswehr zu rechtfertigen.
(Eduard Lintner [CDU/CSU]: Sollen wir das
Feld den Piraten überlassen?)
Nur eines ist Ihnen offensichtlich vollkommen aus den
Augen geraten, nämlich die Piraterie bei den Wurzeln zu
packen. Sie haben vom Aufbau und der Stabilisierung
24184 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Norman Paech
– ich erinnere an die letzte Debatte – der staatlichen
Strukturen in Somalia geredet, aber nichts Konkretes un-
ternommen. Sie haben die Autoritäten von Somaliland
und Puntland, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Pi-
raterie haben, überhaupt nicht in Ihre Überlegungen ein-
gebunden. Was haben Sie für die Beendigung der Anti-
Terror-Angriffe der USA auf Somalia und zur Durchset-
zung des Waffenembargos der UNO getan? Nichts! Den
Vorschlag einer internationalen, zeitlich begrenzten Küs-
tenwache unter Führung der UNO und der AU haben Sie
nicht einmal aufgegriffen. Und was hat die EU gegen den
illegalen Fischfang und die Müllverklappung vor der
Küste Somalias getan, die den Fischern die Existenz ge-
raubt haben, sodass sie vom Fischfang zum Schiffsfang
übergehen mussten? Gar nichts!
Es sind ja nicht nur koreanische oder japanische
Fischfangflotten, die dort räubern, sondern auch Euro-
päer unter den Billigflaggen Kambodschas – stellen Sie
sich vor: Kambodscha, ohne jegliche Küste, aber mit ei-
ner Billigflagge – und Panamas.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Kambodscha hat eine Küste!)
Wieso setzen Sie sich nicht gegen diese Art der Piraterie
ein, die die Lebensgrundlagen der Küstenbevölkerung
zerstört hat? Geben Sie – das zum Schluss – den
Fischern ihre Fanggründe zurück! Dann würden Sie sehr
viel mehr gegen die Piraterie machen als mit den Fregat-
ten und der GSG 9.
Danke sehr.
(Beifall bei der LINKEN – Eduard Lintner
[CDU/CSU]: So viel Naivität!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister
Dr. Wolfgang Schäuble.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-
nern:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte
in dieser Debatte doch erwähnen, dass sich die Besat-
zung der am 4. April um 7.20 Uhr gekaperten „Hansa
Stavanger“ – fünf deutsche Staatsangehörige und
19 weitere Personen – noch immer in Geiselhaft befin-
det. Ich finde schon, wir sollten nicht mit Fischfangpro-
blemen davon ablenken, dass Piraterie, Geiselnahme und
die Kaperung von Schiffen menschenwidrige Verbre-
chen sind und dass wir dieser Form von organisierter
Kriminalität wirklich ein Ende machen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich hatte durchaus meine Probleme mit der Formulie-
rung des Themas dieser Aktuellen Stunde, Herr Kollege
Trittin; denn alle beteiligten Bundesminister haben wie-
derholt erklärt, dass es zu keinem Zeitpunkt irgendeine
Differenz zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Bun-
desministerium der Verteidigung und dem Bundesminis-
terium des Innern in dieser Frage gegeben hat. Wir wa-
ren uns im Krisenstab, in dem unter der Federführung
des Auswärtigen Amtes alle beteiligten Bundesbehörden
zusammenarbeiten, von Anfang an einig, dass man un-
mittelbar nach der Entführung versuchen muss, zu ver-
hindern, dass das Schiff in der Nähe der somalischen
Küste auf Reede kommt. Das hat der Kapitän der Fre-
gatte der Bundeswehr nicht verwirklichen können, weil
das aus seiner Sicht – und er musste diese Entscheidung
treffen – mit einer nicht zu verantwortenden Gefahr für
das Leben der Geiseln verbunden gewesen wäre. Da-
raufhin haben wir im Krisenstab völlig einvernehmlich
entschieden, dass der Versuch unternommen werden
müsse, die Geiseln zu befreien. Ob das zum Erfolg füh-
ren würde, konnten wir nicht wissen. Wir haben immer
gesagt, dass am Ende der vor Ort führende Komman-
deur, Herr Lindner, beurteilen und entscheiden muss,
was zu tun ist. Ich bedanke mich für die anerkennenden
Worte für die GSG 9 wie für die KSK. Beide Einheiten
haben den Respekt und den Dank des ganzen Hauses
verdient.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auf jeden Fall haben wir im Krisenstab entschieden,
dass die GSG 9 – mit dem damit notwendigerweise ver-
bundenen Aufwand – in die Nähe des Frachters verlegt
werden muss; denn sonst hätten wir von vornherein nicht
einmal den Versuch unternommen, die in Geiselhaft Ge-
nommenen zu befreien und zu retten.
In dieser Frage hat es – das will ich angesichts der
Debatten über Rechtsfragen hinzufügen – nie ein
Rechtsproblem gegeben; das hat auch niemand behaup-
tet.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Aha! – Wolfgang Wieland [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum kommt dann
wieder die Forderung nach Grundgesetzände-
rung?)
– Sie haben eines nicht erwähnt: Die Bundeswehr ist im
Rahmen der europäischen Mission „Atalanta“ mit drei
Fregatten und weiteren Kräften dort im Einsatz; das ist
völlig unstreitig. Zu ihren Aufträgen gehören die Pirate-
riebekämpfung und notfalls auch die Rettung und
Befreiung von Geiseln. Sie wissen aber, dass die militä-
rische Führung der Mission „Atalanta“, die bei Großbri-
tannien liegt, bisher nicht in einem einzigen Fall eine
Initiative zur Befreiung eines gekaperten Schiffes ergrif-
fen hat. Das ist ein Faktum. Ich habe das nicht zu kom-
mentieren, aber es ist Realität. Alle Aktionen, die bisher
zur Befreiung von gekaperten Schiffen unternommen
worden sind, gehen ausschließlich auf nationale Initiati-
ven und in keinem Fall auf Initiativen von europäischen
oder sonstigen internationalen Missionen zurück.
Nun ist wiederum unstreitig, dass auf Grundlage der
geltenden Verfassung eine nationale Aktion zur Befrei-
ung eines gekaperten Schiffes zweifelsfrei originäre
Aufgabe der Bundespolizei – so steht es auch im Bun-
despolizeigesetz – und nicht der Bundeswehr ist. So ist
die Rechtslage.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24185
(A) (C)
(B) (D)
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
(Rainer Arnold [SPD]: Was ist mit dem Parla-
mentsbeteiligungsgesetz? Ist das verfassungs-
widrig?)
– Nein, überhaupt nicht. Das Parlamentsbeteiligungsge-
setz – das muss ich Ihnen nicht erklären, Herr Kollege
Arnold – sieht vor, dass bei verfassungsrechtlich zulässi-
gen Einsätzen der Bundeswehr das Parlament zu ent-
scheiden hat. Aber das Parlamentsbeteiligungsgesetz er-
setzt natürlich nicht die verfassungsrechtliche Grundlage
für einen Einsatz der Bundeswehr, und die ist nun einmal
so, dass der Einsatz der Bundeswehr nach Art. 87 a nur
zur Verteidigung und darüber hinaus ausdrücklich nur in
den vom Grundgesetz geregelten Fällen zulässig ist. Pi-
rateriebekämpfung gehört unstreitig nicht dazu. Es gibt
eine weite Auslegung des Grundgesetzes, nach der auch
Piraterie als Angriff zählt. Nach der engen Interpretation
ist das allerdings nicht der Fall. Deswegen haben wir im-
mer vorgeschlagen, eine klarstellende Ergänzung im
Grundgesetz vorzunehmen, wenn man zur Pirateriebe-
kämpfung die Bundeswehr außerhalb internationaler
oder europäischer Missionen einsetzen will.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Genau darum ging es!)
– Im Rahmen der Operation „Atalanta“ ist ein solcher
Einsatz nicht streitig, Herr Kollege Trittin; das hat auch
niemand behauptet. Unstreitig ist auch, dass bei dieser
Operation solche Aktionen bisher in keinem einzigen
Fall durchgeführt wurden, also auch nicht im Fall der
„Hansa Stavanger“. Mit all diesen brotlosen Debatten
helfen wir den in Geiselhaft befindlichen Deutschen und
den anderen Besatzungsmitgliedern der „Hansa Stavan-
ger“ nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine zweite Bemerkung. Ich habe mich noch heute
Morgen beim Verteidigungsminister und auch beim Au-
ßenminister vergewissert, dass wir in der Beurteilung
völlig übereinstimmen. Es hat zu keinem Zeitpunkt ir-
gendeine Meinungsverschiedenheit, geschweige denn
ein Kompetenzgerangel zwischen den beteiligten Minis-
terien gegeben. Wahrheitswidrige Behauptungen werden
auch durch Wiederholung nicht wahr. Ich muss sie mit
Entschiedenheit zurückweisen.
Die Bundeswehr hat keinen Hubschrauberträger. An-
gesichts der Tatsache, dass die „Hansa Stavanger“ vor
der Küste Somalias auf Reede liegt – Somalia ist be-
kanntlich ein „failed state“ – und somit eine Operation
von Land aus nicht möglich gewesen ist, benötigte die
GSG 9 für einen möglichen Einsatz eine Basis, um von
See aus operieren zu können. Dazu brauchte sie einen
Hubschrauberträger für sechs gleichzeitig operierende
Hubschrauber, so die Lagebeurteilung des zuständigen
Kommandoführers. Einen solchen Hubschrauberträger
hat die Bundesmarine aber nicht. Er ist auch nicht inner-
halb von ein paar Wochen zu beschaffen; es dauert schon
ein bisschen länger. Dies sage ich, damit alle wissen,
worüber wir reden. Auch die Bundespolizei hat keinen
derartigen Hubschrauberträger. Deswegen waren wir
dankbar, dass die Vereinigten Staaten von Amerika be-
reit gewesen sind, den Hubschrauberträger USS „Boxer“
für den Einsatz zur Verfügung zu stellen. Damit nicht
solch sinnlose Debatten geführt werden, die einfach nur
zur Verdrehung der Tatsachen führen, will ich deutlich
sagen, dass die Vereinigten Staaten das Einsatzkom-
mando über die USS „Boxer“ nicht an die Bundeswehr
und schon gar nicht an die Bundespolizei abgetreten ha-
ben. Das hat auch niemand erwartet.
Und nun haben wir gesagt: Wenn man es nicht ver-
sucht, hat man keine Chance. Wir sind alle traurig, dass
das Vorhaben nicht gelungen ist. Am Ende haben wir die
Entscheidung gemeinsam und ohne irgendwelche Mei-
nungsunterschiede bei der Lagebeurteilung – und sei es
nur in Nuancen – getroffen. Wir haben es Ihnen auch ge-
sagt – einige von Ihnen waren dabei anwesend –: Ange-
sichts des schwierigen Einsatzes war die Beurteilung der
Beteiligten vor Ort: Es handelt sich zwar um einen ris-
kanten Einsatz, aber das Risiko ist beherrschbar. So war
die Beurteilung der Verantwortlichen der GSG 9 vor Ort
und der verantwortlichen Offiziere auf der USS „Boxer“.
Die amerikanischen Freunde und Partner konnten bei ei-
ner Übung der GSG 9 sehen, wie leistungsfähig sie ist.
Aber es gab auch die gegenteilige Auffassung. Die eine
Auffassung ist so legitim wie die andere. Da wir am
Ende nicht zu der einvernehmlichen Beurteilung gekom-
men sind, dass der Einsatz vertretbar und das Risiko be-
herrschbar ist, musste der für den Einsatz der Bundes-
polizei im Ausland zuständige Bundesinnenminister
– nur er und niemand sonst ist zuständig; man kann das
im Bundespolizeigesetz nachlesen – im Einvernehmen
mit dem Auswärtigen Amt die Entscheidung treffen: Wir
rufen die GSG 9 zurück.
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Die Entschei-
dung war richtig, Herr Schäuble! Eine sehr
richtige Entscheidung!)
– Aber es war auch die Entscheidung richtig, es wenigs-
tens zu versuchen, indem wir die GSG 9 dorthin verlegt
haben.
(Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wies-
loch] [SPD] – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]:
Auch richtig!)
Es ist nicht zutreffend – ich weise diese Unterstellung
mit Entrüstung zurück –, dass unterschiedliche Auffas-
sungen innerhalb der Bundesregierung diese Aktion in
irgendeiner Weise behindert hätten. Es ist auch nicht
richtig, dass die GSG 9 für einen solchen Einsatz nicht
ausreichend ausgerüstet ist. Ich behaupte, die GSG 9 ist
wahrscheinlich die beste Polizeieinheit auf der Welt,
wenn es darum geht, ein gekapertes Schiff zu befreien.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD und der FDP)
Aber sie braucht für eine Operation von Seeseite – und
das hat sie nicht – eine entsprechende Basis. So ist die
Lage entstanden. Das ist der Sachverhalt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit allem Res-
pekt: Wenn wir wollen – dafür spricht manches –, dass
in Zukunft die Bundeswehr solche Einsätze fern von
Europa durchführt, müssen wir eine verfassungsrechtli-
che Klarstellung schaffen. Wenn die Bundespolizei das
24186 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
machen soll, dann braucht sie die logistischen Möglich-
keiten für einen schnellen Transport – die hat sie nicht –
und eine Basis, wenn sie von See aus operieren muss. Im
Übrigen kann ich es nicht verantworten, dass sich prak-
tisch die gesamte GSG 9 wochenlang fern von Deutsch-
land befindet;
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Völlig richtig!)
denn sie hat einen Auftrag im eigenen Land.
Wenn wir über Konsequenzen aus diesen Erfahrungen
reden wollen, dann lassen Sie uns in diesem Sinne da-
rüber reden und nicht den Vorwurf erheben, irgendwel-
che Kompetenzstreitigkeiten seien die Ursache dafür ge-
wesen, dass diese Aktion am Ende nicht zum Erfolg
geführt wurde. Ich bleibe dabei: Wir müssen Piraterie
und Geiselnahme mit aller Entschiedenheit bekämpfen.
Dazu werden wir unsere nationalen wie internationalen
Anstrengungen weiter verstärken müssen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Omid Nouripour von
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun-
desminister, ich habe Sie am Ende Ihrer Rede wirklich
nicht mehr verstanden.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Hätten Sie
einmal zugehört!)
Sie haben eingangs gesagt, dass vor Ort entschieden
wird, ob das Risiko tragbar ist. Sie haben gesagt, dass
vor Ort entschieden wurde, dass das Risiko nicht tragbar
sei, und die Mission deswegen abgebrochen wurde. Auf
der anderen Seite aber haben Sie gesagt, dass wir eine
Grundgesetzänderung brauchen, weil „Atalanta“ solche
Einsätze gar nicht vorsieht.
(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wo
waren Sie denn gerade bei der Rede?)
So, wie Sie das formuliert haben, macht es aus meiner
Sicht keinen Sinn.
Ich bitte Sie auch, auf den Titel der Aktuelle Stunde,
die wir beantragt haben, zu schauen. Es geht nicht um ei-
nen Kompetenzstreit innerhalb der Bundesregierung,
was Sie mit großer Empörung zurückgewiesen haben,
sondern um einen Kompetenzstreit, der dadurch ausge-
löst wurde, dass Sie angefangen haben, über genau diese
Grundgesetzänderung zu sprechen; denn das verunsi-
chert die Bundespolizei.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die Aktuelle
Stunde heißt aber anders!)
Wir haben bei der Mission beobachtet, dass es einen
Kompetenzstreit mit den Amerikanern gab, die bei die-
ser Mission am Ende faktisch entschieden haben, was
passieren soll.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Genau! Die haben entschieden!)
Wir reden heute über ein eigentlich wahnsinnig lang-
weiliges Thema. Die Union hat wieder einmal einen An-
lass gefunden, über den Einsatz der Bundeswehr im In-
nern zu sprechen. Eigentlich geht es Ihnen nur darum.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wer hat
denn die Aktuelle Stunde beantragt? Wir doch
nicht! Sie haben sie doch beantragt!)
– Wir haben sie beantragt, weil die Langeweile in dem
Augenblick ein Stück weit an Brisanz gewinnt, in dem
die Bundeskanzlerin so agiert, wie wir es eigentlich von
Oskar Lafontaine kennen.
(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Na, na, na!)
– Doch. – Oskar Lafontaine macht das so. Er nimmt ir-
gendeinen Anlass und redet dann darüber, dass die Bun-
deswehr aus der ganzen Welt abgezogen werden muss.
Die Bundeskanzlerin nimmt etwas, was mit dem Thema
nichts zu tun hat, um zu sagen, dass wir das Grundgesetz
ändern müssen, um das Trennungsgebot aufheben zu
können. Mit diesem Trennungsgebot leben wir aber,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, seit
60 Jahren hervorragend.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dieser Populismus ist der Grund, warum wir diese
Aktuelle Stunde beantragt haben. Heute habe ich eine
Aussage von Horst Seehofer gelesen, nach der Sie gegen
Populismus eigentlich gar nicht viel haben. Das sei ein-
mal dahingestellt; dennoch: Diese Debatte ist aus unse-
rer Sicht brandgefährlich. Das Geschenk, das die Bun-
deskanzlerin und der Bundesinnenminister diesem Land
zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes machen, ist wirk-
lich fragwürdig.
Vor allem aber muss bedacht werden – Herr Minister,
Sie haben es selbst gesagt –, dass es immer noch
24 Geiseln gibt. Es geht um das Leben dieser Menschen.
Deshalb muss man sich überlegen, ob dies die richtige
Zeit ist und ob diese Grundsatzdebatte eine Hilfe für die
Menschen ist, die sich noch immer in den Fängen der Pi-
raten befinden; denn eine Debatte über eine Grundge-
setzänderung verunsichert die GSG 9, das KSK und die
Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Das ist aus unserer
Sicht der tollen Arbeit, die diese Kräfte vor Ort leisten,
nicht angemessen. Wenn wir uns diese Debatte genau
anschauen, kommen wir aber zu dem Schluss, dass Sie
die für eine Grundgesetzänderung erforderlich Mehrheit
niemals bekommen werden. Wir schöpfen Hoffnung,
dass die SPD doch nicht jeden Unsinn mitmacht, der in-
nerhalb der Koalition vorgelegt wird. Die Erfahrungen,
die wir in den letzten Jahren gemacht haben, legen die-
sen Schluss nicht unbedingt nahe.
Ein Punkt ist noch offen. Wir reden hier über Pirate-
rie. Sie machen sich ein Stück weit darüber lustig, dass
die Fischerei vor Ort, die auch von deutschen Fische-
reiflotten betrieben wird, ein Problem ist. Das ist aber
ein sehr ernstes Thema. „Atalanta“ ist zwar notwendig,
um Symptome zu bekämpfen; „Atalanta“ reicht aber
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24187
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Omid Nouripour
nicht aus, um die Ursachen zu bekämpfen. Darum aber
geht es. Wenn wir gegen Piraterie erfolgreich sein wol-
len, müssen wir auch auf der Landseite etwas tun. Wir
brauchen endlich ein politisches Konzept für die ge-
samte Region. Seitens der Bundesregierung ist dazu bis-
her nichts zu hören. Wir haben auch auf der Seeseite
Verpflichtungen, zum Beispiel wenn es um Müllentsor-
gung geht. Es geht beispielsweise auch darum, dass un-
sere eigenen Fischfangflotten den Boden für soziale Pro-
bleme bereiten, die die Menschen in die Piraterie treiben.
Es gibt auch auf der militärischen Seite Probleme. Es
ist ein Wirrwarr ohnegleichen; es gibt ganz wenig Koor-
dination. Es gibt die Operation „Atalanta“, aber auch
Operationen der NATO und anderer. Herr Minister, Sie
haben gerade davon gesprochen, es gebe drei deutsche
Fregatten im Rahmen der Operation „Atalanta“. Das
stimmt nicht. Wir sind dort auch noch im Rahmen der
Operation Enduring Freedom. Wir können eigentlich nur
hoffen, dass die Flaggenoffiziere jeweils rechtzeitig re-
agieren. Es gibt auch noch Schiffe aus China, Japan,
dem Iran, Pakistan, Indonesien, Singapur usw. Die Koor-
dination funktioniert überhaupt nicht. Die Bundesregie-
rung sollte auch auf UN-Ebene Druck machen, dass sich
das ändert. Die Arbeit ist nicht nur unkoordiniert, son-
dern es gibt auch kein Konzept, keinerlei Richtung sei-
tens der Bundesregierung.
Es ist jetzt mehrfach gesagt worden, dass die Bundes-
wehr die benötigten Hubschrauberträger nicht hat. Wir
haben gar nicht bemängelt, dass die Amerikaner einge-
schaltet worden sind. Wir haben auch nichts dagegen,
dass die Amerikaner helfen. Aber vor über einem Jahr
haben die Verteidigungsminister der EU beschlossen,
dass die EU in Notlagen, speziell in Fällen von Geisel-
nahmen, zusammenarbeitet und dass es Koordination
und Kooperation gibt. Wir wissen, dass die Holländer ei-
nen solchen Hubschraubträger haben. Aber bisher ist
auch da nichts passiert. Das Einzige, das wir zum Thema
europäische Kooperation hören, ist ein Lamenti vom In-
nenminister, der sagt: Was sollen wir machen? Im Rah-
men der Operation „Atalanta“ wird ja nicht das Richtige
getan.
Es stellt sich die Frage, ob versucht wurde, diese Ko-
operation zustande zu bringen. In der Europäischen
Union gibt es genügend Kapazitäten; aber sie werden
nicht ausreichend koordiniert. Wir sind der Meinung,
dass Kooperation und Koordination vorangebracht wer-
den müssen. Dies kann nicht ersetzt werden durch das,
was in den letzten Tagen in einer Zeitung „Operation En-
terhaken“ genannt wurde, eine Operation, durch die Sie
versuchen, unter dem Deckmantel der Pirateriebekämp-
fung das zu erreichen, was Sie immer schon wollten,
nämlich die Möglichkeit eines Einsatzes der Bundes-
wehr im Inland. Das wird weder dem Problem gerecht
noch der Ernsthaftigkeit der Lage, der Todesgefahr, in
der sich die Geiseln befinden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Rainer Arnold von der
SPD-Fraktion.
Rainer Arnold (SPD):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es
ist sicherlich richtig, dass bei Entführungsfällen alle Op-
tionen bis hin zu einer gewaltsamen Befreiung auf dem
Tisch liegen müssen. Allerdings ist ebenso richtig, dass
Deutschland diese Option in der Vergangenheit nicht
wirklich gezogen hat, weil man gewusst hat, wie gefähr-
lich das ist. Das gilt umso mehr, wenn es darum geht, ein
170 Meter langes Schiff, auf dem sich Piraten eingerich-
tet haben, zu befreien. Deshalb glaube ich, dass wir auf-
passen müssen, Herr Kollege Uhl, nicht mit leichtferti-
gen starken Sprüchen in der deutschen Öffentlichkeit
„Schiffe versenken“ vom Abgeordnetenschreibtisch aus
zu spielen. Dazu ist die Situation zu ernst. Es geht nicht
darum, ein Zeichen zu setzen. Es geht auch nicht darum,
Staatsräson zu zeigen, wenn es in Entführungsfällen um
Geld geht und Menschenleben in Gefahr sind. Es geht
letztendlich darum, die entführten Menschen gesund und
wohlbehalten nach Hause zu bringen und die Polizisten
und die Soldaten nicht zu gefährden. Das ist das Ziel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Hier wird kritisiert, es gebe innerhalb der Bundes-
regierung Streit. Herr Trittin, meine Beobachtung im
Verteidigungsausschuss ist das nicht. Ich habe allerdings
in der Vergangenheit und auch in diesem Fall immer
wieder beobachtet: Das Ressortprinzip in Deutschland
hat nicht nur Nachteile, sondern bietet auch Chancen,
weil im Krisenstab unterschiedliche Sichtweisen der un-
terschiedlichen Ressorts auf den Tisch kommen. Ich
sage Ihnen als Verteidigungspolitiker: Mich beruhigt
sehr, dass gerade die führenden Militärs in solchen Si-
tuationen besonders nachdenklich, sorgsam und risiko-
abwägend sind. Ich bin den Soldaten dafür dankbar.
(Beifall bei der SPD)
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, be-
trifft die Äußerungen des Innenministers. Herr Schäuble,
ich glaube, dass Sie auch heute wieder nur die halbe
Wahrheit berichtet haben. Ich erinnere daran, dass es für
manchen in Ihren Reihen sehr mühsam war, überhaupt
zu akzeptieren, dass die Marine unter einer Bundestags-
mandatierung die Piraterie bekämpfen darf.
(Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister: Das
ist absurd!)
Es hat ein paar Wochen gedauert, bis man so weit war.
Inzwischen sind wir auf einem gemeinsamen Stand. Sie
lassen aber Folgendes weg: Es gibt eine Legitimation für
einen möglichen Einsatz. Ich bin der Meinung – viele
Verfassungs- und Völkerrechtler haben das bestätigt –,
dass die schon von uns unterzeichnete internationale
Seerechtsübereinkunft in Verbindung mit Art. 25 unserer
Verfassung unseren Einsatz legitimiert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der FDP)
Es ist nicht richtig, was Sie hier sagen. Herr Schäuble,
Sie verwirren – das finde ich ziemlich schlimm – die
Soldaten.
24188 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
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Rainer Arnold
Es gibt noch eine weitere Legitimation. Wir haben in
den letzten Jahren bei Geiselnahmen immer wieder Teile
der Bundeswehr zur Vorbereitung von möglichen Befrei-
ungsaktionen mit ins Ausland geschickt. Haben wir das
ohne Rechtsgrundlage getan? War das, was der Innenmi-
nister da getan hat, etwa verfassungswidrig? Nach Ihrer
heutigen Rede wäre das tatsächlich verfassungswidrig.
Schließlich sagen Sie, dass das nach dem Parlamentsbe-
teiligungsgesetz nicht zulässig ist. Sie haben es aber sel-
ber gemacht. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht
dies auch vor. In § 5 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes
wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Bundes-
wehr zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefah-
renlagen, wenn Gefahr im Verzug ist, auch mit einer
nachgelagerten Beschlussfassung des Bundestages ein-
gesetzt werden darf. Das ist eindeutig. Dieses Gesetz ist
verfassungskonform.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde es ziemlich traurig, dass Sie Irritation bei
den Soldaten schaffen, die wir in einen schwierigen Ein-
satz schicken. Mein Anliegen ist, dass wir in solch erns-
ten Situationen in der Koalition die Verantwortung
gemeinsam deutlich machen und nicht unnötige Verfas-
sungsdebatten lostreten. Ansonsten entsteht hier sehr
schnell der Eindruck: In diesen Debatten steht vor unse-
rer Verantwortung gelegentlich parteitaktisches Verhal-
ten. – Dies hilft den Menschen auf den Schiffen nun
wirklich nicht.
Es geht darum, aus den Vorgängen zu den Entführun-
gen die richtigen Folgerungen zu ziehen. Eine ganze
Reihe von Folgerungen wurde schon genannt. Ich habe
noch ein weiteres Anliegen: Ich bitte die Bundesregie-
rung, zumindest mittelfristig darauf zu drängen, dass pa-
rallele Mandate wie OEF, Operation „Atalanta“, Opera-
tionen der NATO und vieler anderer Nationen unter der
Führung der UNO ausgeübt und dadurch legitimiert wer-
den. Dies würde Sinn machen und Synergieeffekte
schaffen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU und der FDP)
Ein letzter Punkt. Auch wenn die Bundesregierung
hier sehr kollegial und kooperativ zusammengearbeitet
hat, sehen wir: In der operativen Praxis knirscht es gele-
gentlich zwischen Polizei und Truppe. Dies kann man
ändern,
(Dr. Max Stadler [FDP]: Das muss man!)
wenn der politische Wille da ist. Sie müssen auch zu-
sammen üben, weil wir über Nacht über keine anderen
Fähigkeiten verfügen werden. Es bleibt uns also gar
nichts anderes übrig, als die vorhandenen Kräfte in den
nächsten Jahren sinnvoll zu bündeln. Diese Zusammen-
arbeit wird allerdings nur dann gut gelingen, wenn die
sensiblen Teile – Elitetruppen haben ein komplexes in-
neres Gefüge – am Ende nicht das Gefühl haben: Die ei-
nen sind die Helden und werden gefeiert, wenn sie aus
dem Flugzeug steigen; die anderen leisten nur die Unter-
stützung. – Wir brauchen hier wirklich eine gute und
faire Partnerschaft auf Augenhöhe. Damit will ich sagen:
Wir könnten eine ganze Menge tun, um die Situation am
Horn von Afrika zu verbessern. Gesetzesänderungen
helfen uns da nicht weiter, weil sie nicht notwendig sind.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Stinner [FDP]:
Und das in einer Regierung! Das kann doch
wohl nicht wahr sein! – Gegenruf des Abg.
Hellmut Königshaus [FDP]: Was für eine Re-
gierung?)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Bernd Siebert von der
CDU/CSU-Fraktion.
Bernd Siebert (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Vorwurf der Grünen, es gebe innerhalb dieser Bundesre-
gierung einen Kompetenzstreit im Zusammenhang mit
der Überwachung des internationalen Seeverkehrs vor
der Küste Somalias, hat sich durch diese Debatte in Luft
aufgelöst.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nein, bestätigt!)
Von diesen Vorwürfen haben wir in Ihren Reden nichts
mehr gehört, Herr Trittin.
(Beifall bei der CDU/CSU – Jürgen Trittin
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Siebert
hat offensichtlich nicht aufgepasst!)
Ich jedenfalls habe einen solchen Kompetenzstreit zu
keinem Zeitpunkt erkennen können. Vielmehr war es
eine Frage der Vernunft, angesichts der unübersichtli-
chen Lage für die Geiseln auf einen Einsatz zu verzich-
ten. Das war eine politische Entscheidung unter Feder-
führung des Außenministeriums gemeinsam mit dem
Innenministerium und dem Verteidigungsministerium.
Das ist in den Diskussionsbeiträgen deutlich geworden.
Das Leben der Geiseln – übrigens sind sie immer noch
Geiseln – stand und steht im Vordergrund. Dies sollte
auch bei unseren zukünftigen Diskussionen und Ent-
scheidungen so bleiben.
Die Bundesregierung hat im Dezember 2008, als es
um die Beteiligung an der EU-geführten Operation „Ata-
lanta“ ging, entschieden, der Piraterie auf hoher See Ein-
halt zu gebieten. Um diesen Auftrag der Vereinten
Nationen und der Europäischen Union zu erfüllen, dür-
fen alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der
Anwendung militärischer Gewalt ergriffen werden; so
jedenfalls steht es im vom Deutschen Bundestag verab-
schiedeten Mandatstext. Dieses Mandat sollte die
Grundlage für Einsätze zur Evakuierung oder Befreiung
von Geiseln sein. Ich plädiere dabei für ein pragmati-
sches Vorgehen, das heißt, dass in einem Fall wie dem
der „Hansa Stavanger“ alle verfügbaren deutschen
Kräfte, ob militärisch oder polizeilich, an der Operation
beteiligt werden sollten. Wenn man erfolgreich sein will,
muss man das Beste, was man hat, zusammenführen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24189
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Bernd Siebert
An dieser Stelle möchte ich den Soldatinnen und Sol-
daten der Bundeswehr, die seit Dezember 2008 im Ein-
satz sind, meine besondere Hochachtung für ihre Leis-
tungen vor Ort aussprechen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich möchte aber auch den Polizeibeamten der GSG 9
danken für den professionellen Einsatz, den sie in den
letzten Wochen am Horn von Afrika bewiesen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD und des Abg. Winfried
Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Eine Änderung des Grundgesetzes, über die derzeit
diskutiert wird, wäre wünschenswert – dazu bekenne ich
mich eindeutig – und würde zu mehr Rechtssicherheit
führen. Sie sollte daher mittelfristig auf der politischen
Tagesordnung bleiben, auch wenn im Moment – hier
sind wir sehr wohl realistisch – keine Mehrheit im Deut-
schen Bundestag vorhanden zu sein scheint, um eine sol-
che Entscheidung zu treffen.
Was den aktuellen Einsatz angeht, ist es wichtig, un-
terhalb einer grundgesetzlichen Änderung für klare Ver-
hältnisse zu sorgen.
(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])
Die Erfahrungen, die beim abgebrochenen Einsatz gegen
die Piraten im Fall der „Hansa Stavanger“ gemacht wor-
den sind, müssen im Hinblick auf zukünftige Rechtsaus-
legungen Berücksichtigung finden. Die Übertragung von
Befreiungsoperationen in die Zuständigkeit der Bundes-
polizei ist, so glaube ich, eine deutsche Verengung, die
nicht durch das „Atalanta“-Mandat erzwungen wird.
Im Falle von Geiselnahmen steht die Sicherheit der
Bürgerinnen und Bürger zur Disposition. Hier muss die
Politik entscheiden, und sie hat entschieden. Dies sollte
sie natürlich auf rechtlich sicherem Fundament tun. Sie
sollte sich aber nicht selbst zur Geisel juristischer
Grundsatzdiskussionen machen. Dafür hat die Bevölke-
rung – davon bin ich zutiefst überzeugt; viele Gespräche
machen dies deutlich – zu Recht wenig Verständnis. Sie
hat auch kein Verständnis dafür, dass sich die internatio-
nale Gemeinschaft gegenüber einer Gruppe von Piraten
als ohnmächtig erweist.
Die Handlungsfähigkeit des Staates gegenüber Krimi-
nellen und die Sicherstellung des Schutzes unserer
Staatsbürger stehen auf dem Spiel. Ich weiß, dass so-
wohl die GSG 9 als auch das KSK über Fähigkeiten zur
Geiselbefreiung verfügen. Diese Fähigkeiten könnten
trotz unterschiedlicher Ausrüstung und Taktik sogar Sy-
nergieeffekte zur Folge haben, die wir nutzen sollten.
Beide Kommandos arbeiten hochprofessionell und leis-
ten Hervorragendes. Es sollte ein rechtlicher Rahmen
geschaffen werden, der es ermöglicht, diese Professiona-
lität massiert zum Einsatz zu bringen.
Ich bedanke mich herzlich.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Rolf Mützenich von
der SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Herr Präsident, auch wenn Sie das einem Rheinländer
nicht zutrauen: Ich habe meine Promotion ordentlich ab-
geschlossen und dafür auch geschwitzt. Es wäre also
schön, wenn das in Zukunft auch beim Aufruf manchmal
berücksichtigt wird. Sie wissen, ich bin da nicht klein-
lich; aber das als Hinweis.
Meine Damen und Herren, Herr Bundesinnenminis-
ter, ich glaube, es ist vollkommen richtig, dass man in
den letzten Wochen erwogen hat, die Geiseln mithilfe
der GSG 9 bzw. des KSK zu befreien. Es war aber rich-
tig, zum Schluss zu sagen: Das Risiko ist zu groß.
Es geht um die Sicherheit und um den Schutz der Gei-
seln, es geht auf der anderen Seite aber auch um das ange-
messene Mittel. Ich kann nicht verstehen – das muss ich
sagen, Herr Bundesinnenminister –, dass die Bundeskanz-
lerin am Wochenende ohne Not eine Debatte über eine an-
gebliche Lücke innerhalb der Verfassung vom Zaun ge-
brochen hat. Diese Debatte war bereits am Montag wieder
verpufft, und zwar weil es diese Lücke nicht gibt: Für die
Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika im Rah-
men der Mission der Vereinten Nationen ist der rechtliche
Rahmen geschaffen worden, und auch bei der EU-Mis-
sion „Atalanta“ gibt es rechtlich genügend Spielraum für
entsprechendes Handeln. Es war falsch, dass die Bundes-
kanzlerin diese Debatte provoziert hat. Schon am Montag,
als das Schauspiel der unterschiedlichen Ressorts zu beo-
bachten gewesen ist, haben die einen gesagt, dass der
rechtliche Rahmen reicht. So muss der Bundesinnenmi-
nister heute feststellen, dass es im Bundestag für das, was
die Bundeskanzlerin angemahnt hat, keine Mehrheit gibt.
Wir hätten uns diese Debatte ersparen müssen, und wir
hätten sie uns bei einer richtigen Bewertung dieses Vorge-
hens auch ersparen können.
Ich glaube, das Mandat für die Bekämpfung der Pira-
terie, das wir im Rahmen der EU-Mission „Atalanta“ er-
teilt haben, ist vorbildhaft. Wir müssen daran erinnern,
dass in den vergangenen Wochen und Monaten mit meh-
reren Missionen erfolgreich gegen Piraterie vorgegangen
worden ist. Das muss man sowohl gegenüber den Solda-
ten, die dort im Einsatz sind, als auch gegenüber denjeni-
gen, die diese Mission geplant haben, an dieser Stelle an-
erkennend feststellen.
Ich kann, weil die Uhr nicht läuft, nicht sehen, wie
viel Redezeit ich noch habe. – Ich hoffe, ich habe zu Be-
ginn keine Verwirrung hineingebracht. Ich meinte das
wirklich nicht böse.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Meine Uhr läuft. Sie haben noch zwei Minuten.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So viel wie
für Ihre Doktorarbeit nicht! – Heiterkeit bei
Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP –
Clemens Binninger [CDU/CSU]: Minuten!
Das andere waren Jahre!)
24190 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
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(B) (D)
Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Nein, nein, nein; es hat lange genug gedauert. Ist doch
nicht so schlimm. Regen Sie sich doch nicht so auf!
Meine Güte!
Lassen Sie mich auf eine Frage zurückkommen, die,
wie ich finde, auch zu dieser Debatte gehört. Ich glaube,
es ist, wie es der Kollege Struck vor einigen Tagen getan
hat, notwendig, zu sagen, dass es sich der ein oder an-
dere deutsche Reeder relativ leicht macht, wenn er die
Schiffe ausflaggt, unter anderer Flagge fährt, aber die
Bundesregierung bemühen will, Schutz herzustellen,
und sich in den öffentlichen Debatten beschwert, dass
die Bundeswehr bzw. die Bundesregierung nicht genug
macht.
Ich frage mich auch: Was machen Kreuzfahrtschiffe
heute noch in dieser Region, die doch so stark gefährdet
ist? Ich finde, es gehört zu einer ernsthaften Debatte,
sich zu fragen, ob sich das Risiko, das der ein oder an-
dere eingeht, rechtfertigen lässt.
Zum Schluss. Ich glaube, es ist richtig, dass die Bun-
desregierung die Mission „Atalanta“ außenpolitisch so
eingeordnet hat, dass sie gesagt hat: Wir müssen den
Wiederaufbau am Horn von Afrika mit politischen und
finanziellen Maßnahmen unterstützen, insbesondere
aber durch die Einrichtung eines regionalen Sicherheits-
systems, das nicht allein von Somalia aus gewährleistet
werden kann, sondern in das die anderen Anrainerstaa-
ten ebenso einbezogen werden müssen. Es ist richtig,
dass die afrikanischen Staaten versuchen, sich der He-
rausforderung der Bekämpfung der Piraterie zu stellen.
Sinnvoll ist auch, dass sich der russische Präsident
Medwedew – Russland ist Mitglied des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen – dafür ausgesprochen hat, zu
überlegen, zur Bekämpfung der Piraterie einen Interna-
tionalen Strafgerichtshof einzurichten. Ich glaube, die
Bundesregierung täte gut daran, dieses Projekt zu unter-
stützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich möchte die weiteren Redner darauf hinweisen,
dass die Uhr am Rednerpult ausgefallen ist.
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr gut, Herr
Präsident!)
Ich mache aber die Redner durch Blinkzeichen darauf
aufmerksam, dass ihre Redezeit abgelaufen ist.
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wir können
eine Piratenflagge aufziehen!)
Das Wort hat jetzt der Herr Kollege Eduard Lintner
von der CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön.
Eduard Lintner (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-
nen und Kollegen! Diese Veranstaltung trägt zwar den
Namen „Aktuelle Stunde“, unsere Überlegungen aber
müssen in der Tat über den Tag hinausgehen. Dazu ge-
hört zunächst einmal die Feststellung, dass der Einsatz
von Marine und Seestreitkräften anderer Staaten oder
auch unserer Bundespolizei durchaus Erfolge aufzuwei-
sen hat. Trotzdem müssen wir uns im Klaren darüber
sein, dass wir von einer endgültigen Beseitigung des
Phänomens natürlich noch weit entfernt sind.
So begierig die internationale Öffentlichkeit Einzeler-
folge bei Einsätzen zur Kenntnis nimmt, so problema-
tisch ist natürlich der Misserfolg. Dennoch möchte ich
– wie viele Kollegen auch – feststellen: Die Entschei-
dung musste so fallen, wie sie gefallen ist. Das sollte
man eindeutig klarstellen. Wir müssen uns wirksame Al-
ternativen zum ständigen Zahlen von Lösegeld schaffen;
auch das ist bereits festgestellt worden. Daraus folgt für
uns natürlich die wichtige Pflicht, sorgfältig zu analysie-
ren, welche die tatsächlichen Ursachen für das Scheitern
der Pläne zur Befreiung des deutschen Frachters waren,
um daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen zu
können. Diese Konsequenzen können natürlich nicht
heißen, sich zurückzuziehen und den Piraten das Feld zu
überlassen, wie es von den Linken empfohlen wurde.
Es ist in diesem Zusammenhang durchaus bemer-
kenswert, dass plötzlich alle der Meinung zu sein schei-
nen, die Beauftragung durch die UNO für den Einsatz
der Bundesmarine zur Geiselbefreiung sei ausreichend.
Wenn Sie sich ehrlich erinnern, stellen Sie fest, dass dies
in der Vergangenheit keineswegs immer so gewesen ist.
Heute noch wird von Fachleuten – auch das sollten wir
ehrlich zugeben – die Meinung vertreten, die Bundes-
wehr bzw. die Bundespolizei bewegen sich bei bestimm-
ten, durchaus möglichen Fallgestaltungen auf rechtlich
unsicherem Terrain. Das hat nichts mit Verniedlichung,
Verunsicherung oder gar Polizeipolitik zu tun, wie be-
hauptet wurde. Ich denke, der Bundesinnenminister hat
das gegebene Problem sehr präzise und zutreffend dar-
gelegt. Da die rechtlich präzise Regelung für die natio-
nale und internationale Realität im Interesse der aktiv
beteiligten Soldaten und Polizeibeamten unverzichtbar
ist, sollte eine Diskussion über angebliche oder tatsäch-
lich vorhandene rechtliche Lücken sachlich möglich ge-
macht werden.
Die Diskussion der vergangenen Tage um eine not-
wendige Grundgesetzänderung habe ich als Mahnung
verstanden, rechtliche Unsicherheiten alsbald zu beseiti-
gen. Ich fürchte nämlich, die jetzt gezeigte Einmütigkeit
darüber, dass im Zusammenhang mit dem Einsatz gegen
die Piraten alles rechtlich unproblematisch und voll ge-
deckt sei, könnte schnell zerbrechen, wenn eine Aktion
einmal misslingt und womöglich sogar Opfer zu bekla-
gen sind. Wir alle wissen, in Wahlkampfzeiten ist die
Versuchung besonders groß, es im Nachhinein schon im-
mer besser gewusst zu haben.
Einer solchen Situation dürfen wir die Entscheidungs-
träger nicht aussetzen, weder in der Politik noch bei der
Bundeswehr oder der Bundespolizei. Das käme einer Art
Verweigerung von Verantwortung gegenüber Handeln-
den gleich. Deshalb sollten wir in Ruhe – gegebenenfalls
in der nächsten Legislaturperiode – darüber nachdenken,
wie wir einen sicheren juristischen Boden für solche und
ähnliche Einsätze schaffen können.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24191
(A) (C)
(B) (D)
Eduard Lintner
Neben rechtlichen Mängeln wurden durch die ge-
scheiterte Mission aber auch – darauf ist ebenfalls schon
hingewiesen worden – Unzulänglichkeiten bei der Aus-
stattung unserer Sicherheitsorgane aufgedeckt. Wir sind
uns hoffentlich darin einig: Nur wenn wir für unsere Ein-
satzkräfte eine gute und vollständige Ausstattung bereit-
stellen – Stichworte sind hier Transportflugzeuge und
Hubschrauberträger –, sind die Soldaten und Polizeibe-
amten auch in der Lage, solche Situationen angemessen
zu meistern.
Ich finde, darüber müssen sich die Bundesregierung
und auch der Bundestag schnell Gedanken machen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Dieter Wiefelspütz von
der SPD-Fraktion.
Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Klipp und klar am Anfang: Es wird mit der SPD
weder in dieser Legislaturperiode noch in irgendeiner
der zukünftigen Legislaturperioden eine
(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Mehrwertsteuer-
erhöhung geben!)
Verfassungsänderung in Sachen Piraterie geben.
(Beifall bei der SPD)
Es wird keine Verfassungsänderung geben, weil wir sie
nicht benötigen. Solange der Deutsche Bundestag Ver-
stand hat, wird es keine Verfassungsänderung in Sachen
Piraterie geben. Herr Bundesminister Schäuble, Sie wer-
den uns nicht einreden können, dass wir an dieser Stelle
nicht optimal aufgestellt sind.
Wir haben in Deutschland keine verfassungsrechtli-
chen Probleme und auch keine völkerrechtlichen Pro-
bleme, wenn es um Piraterie geht. Wir haben möglicher-
weise tatsächliche Probleme mit den operativen
Fähigkeiten an der einen oder anderen Stelle. Ich will
das gar nicht einmal kritisieren, weil die Bundeswehr
heute Aufgaben hat, die sie vor einigen Jahren noch
nicht hatte, und weil möglicherweise auch erst Kräfte
ausgebildet und herangeführt werden müssen, um das zu
tun, was man von ihr erwartet. Verfassungs- und völker-
rechtliche Probleme haben wir an dieser Stelle aber nicht
im Geringsten.
Ich bin zunächst einmal froh, Herr Minister, dass es
Übereinstimmung darin gibt, dass der Einsatz der Bun-
deswehr im Rahmen der Operation „Atalanta“ voll und
ganz durch das Völkerrecht und das Grundgesetz ge-
deckt ist. Es würde mich allerdings auch sehr befremden,
wenn der Verfassungsminister der Auffassung wäre, dass
wir etwas Verfassungswidriges vor den Küsten von So-
malia tun. Insoweit haben Sie also unsere volle Zustim-
mung. Wir haben an dieser Stelle kein Problem.
(Beifall bei der SPD)
Ich will auch ausdrücklich hervorheben, Herr Minis-
ter, dass es meinen ausdrücklichen Respekt hat – ich
glaube, auch den Respekt meiner Fraktion –, dass die
Operation der GSG 9 abgebrochen worden ist, weil es
immer klüger ist, eine solche Entscheidung zu treffen,
wenn das nicht zu verantworten ist, als wenn man vor
Ort so etwas durchzieht, was dann in einem Blutbad en-
det. Insoweit ist die Entscheidung, die Sie getroffen ha-
ben, die richtige Entscheidung gewesen, die wir sehr re-
spektieren.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eduard
Lintner [CDU/CSU])
Ich will darauf hinweisen, dass Ihre Position, wir
hätten ein Problem, wenn im Rahmen der Operation
„Atalanta“ keine Geiselbefreiung durchgeführt werden
würde, weswegen es zu einer Verfassungsänderung
kommen müsse, nicht mit der Rechtslage in Überein-
stimmung zu bringen ist. Ich will auch darauf hinweisen,
dass die Piraterie seit Jahrhunderten mit Militärschiffen
auf hoher See bekämpft wird. Das ist Völkergewohn-
heitsrecht.
Seit 1982 gibt es ein Seerechtsübereinkommen zur
Bekämpfung der Piraterie, das allgemeines Völkerrecht
ist. Dies ist über Art. 25 des Grundgesetzes und über
Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes Gegenstand des Bun-
desrechts, weil der Deutsche Bundestag dieses Überein-
kommen ratifiziert hat.
Die Bundeswehr ist in erster Linie beauftragt, ihre
Einsätze im Rahmen von Systemen kollektiver Sicher-
heit vorzunehmen. Das ist im Moment die Operation
„Atalanta“. Wir sind nach allgemeinem Völkerrecht aber
selbstverständlich auch befugt, die Bundeswehr auch au-
ßerhalb von Systemen kollektiver Sicherheit einzuset-
zen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was haben wir denn gemacht, Herr Minister, als wir
die „Aktion Libelle“ in Albanien hier im Jahre 1997
durch den Bundestag genehmigt haben? Das war ein mi-
litärischer Einsatz der Bundeswehr zur Rettung deut-
scher Staatsbürger. Wir haben bei der Piraterie weder
völkerrechtlich noch staatsrechtlich das geringste Pro-
blem. Alles andere hinsichtlich der tatsächlichen Fähig-
keiten der Bundeswehr und auch der GSG 9 sollten wir
an anderer Stelle debattieren und vorantreiben.
Ich persönlich bin durchaus aufgeschlossen, wenn es
darum geht, dass auch KSK-Kräfte dort sind und ausge-
bildet werden. Aber dies ist kein Problem unserer Ver-
fassung, und es ist auch kein völkerrechtliches Problem.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des
Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN])
Diese Debatte über die Ergänzung des Grundgesetzes
zur Bekämpfung der Piraterie ist komplett überflüssig.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der FDP)
24192 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der
Kollege Clemens Binninger von der CDU/CSU-Fraktion
das Wort.
Clemens Binninger (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Das Anliegen der Grünen ist etwas wider-
sprüchlich und wenig überzeugend. Wer glaubt, aus der
Distanz vom Deutschen Bundestag in Berlin aus einen
so schwierigen und komplexen Einsatz bewerten zu wol-
len und dabei mit Worten um sich wirft wie mein Vor-
redner Trittin, der von einer blamablen Operation ge-
sprochen hat, mit der man in der ersten Liga mitspielen
wollte und versagt habe, ist wenig überzeugend; das ist
verantwortungslos.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Unsinn!)
Es ist auch bezeichnend, dass beide Redner der Grü-
nen die einzigen Redner waren – Herrn Paech lasse ich
dabei aus –, die kein einziges anerkennendes oder loben-
des Wort für die GSG 9 und ihre Beamten gefunden ha-
ben. Das ist ungeheuerlich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Da haben Sie einfach nicht zugehört!
Da haben Sie kurz weggehört! Das ist selek-
tive Wahrnehmung!)
Die Entscheidung des Bundesinnenministers ist von
hohem Verantwortungsbewusstsein geprägt. Bei einem
solchen Einsatz, bei dem sich die Lage nahezu täglich
ändern kann, sind die Einschätzung der Lage und die Ri-
sikoabwägung, um zu einer Entscheidung für oder gegen
den Einsatz zu kommen, schwierig. Wenn der Einsatz
für zu riskant gehalten wird, dann ist es richtig, so viel
Verantwortung zu zeigen, sich gegen den Einsatz zu ent-
scheiden, und zwar nicht aus rechtlichen, sondern aus
tatsächlichen Gründen.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das haben aber faktisch die Amerika-
ner entschieden!)
Diese mutige und richtige Entscheidung verdient die
Hochachtung unseres Hauses.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Hätte er die Entscheidung von Anfang
an selber getroffen!)
Das Phänomen der organisierten Piraterie zeigt, dass
wir es mit einer typischen Bedrohungssituation des
21. Jahrhunderts zu tun haben, in der äußere und innere
Sicherheit ineinander übergehen und militärische und
polizeiliche Arbeit näher zusammenrücken. Ob Sie das
hören wollen oder nicht, es resultiert aus einer asymme-
trischen Bedrohung. Wir wären schlecht beraten, wenn
wir diese Phänomene nicht in unsere Beurteilung einflie-
ßen lassen würden. Wir müssen uns fragen, welches die
richtige Stelle ist, um das Phänomen der organisierten
Piraterie zu bekämpfen, und den Mut haben, zu erken-
nen, dass es durchaus beide sein können: die Polizei,
wenn sie das besonders gut kann, aber auch die Bundes-
wehr, wenn ihre Unterstützung notwendig ist. Zudem
bedarf es der Zusammenarbeit nationaler und internatio-
naler Stellen.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Warum brauchen wir eine Grundge-
setzänderung?)
Wir sollten nicht so tun – bei der SPD klang das ein
bisschen an –, als ob wir das einfach auseinanderhalten
könnten und als ginge es um völlig problemlose Ein-
sätze. Das sind sie eben nicht, und das müssen wir,
glaube ich, auch berücksichtigen.
Aus dem Einsatz müssen wir ein paar Schlussfolge-
rungen ziehen. Die Bevölkerung fragt sich zu Recht, wa-
rum viele Nationen mit einem großen Militärapparat es
nicht schaffen, das Phänomen in den Griff zu bekom-
men. Deswegen müssen wir uns fragen, ob wir neben der
militärischen Komponente vor Ort mehr gegen die Hin-
termänner dieser Form des organisierten Verbrechens
tun müssen. Wenn es stimmt, worüber in den Medien be-
richtet wurde, nämlich dass die Piraten mit Informatio-
nen über Schiffsrouten bestimmter Reedereien versehen
werden, um dann gezielt zuschlagen zu können, dann
sollten wir, glaube ich, auch nachrichtendienstlich zu-
sammenarbeiten, um den Hintermännern dieser Verbre-
chensform das Handwerk zu legen, statt nur mit militäri-
scher Präsenz vor Ort dagegen vorzugehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD – Omid Nouripour [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch dafür brauchen
wir keine Grundgesetzänderung!)
Wenn klar ist, dass wir für solche Einsätze Polizei und/
oder Militär bzw. nur Militär brauchen, dann ist eine
weitere Schlussfolgerung, dass die Stelle, die einen Ein-
satz durchführen muss, über die notwendige Ausrüstung
verfügen muss.
Es wurde viel über rechtliche Fragen debattiert. Das
gehört zwar nicht zum Thema der Aktuellen Stunde,
aber es wurde förmlich herbeigeredet. Das Innenministe-
rium und das Außenministerium haben deutlich ge-
macht, dass der konkrete Einsatz nicht aufgrund rechtli-
cher, sondern tatsächlicher Probleme nicht fortgeführt
werden konnte. Darin sind wir uns einig. Aber Sie soll-
ten genau zuhören, wenn der Innenminister sagt: Gibt es
Einsatzszenarien, bei denen es möglicherweise eine ver-
fassungsrechtliche Lücke gibt? Dann wären wir gut be-
raten, über diese Lücken zu diskutieren. Das von Ihnen,
Herr Kollege Wiefelspütz, zitierte Völkerrechtsabkom-
men – in Verbindung mit Art. 25 des Grundgesetzes – re-
gelt zwar die Bekämpfung der Piraterie und gibt auch
den Auftrag. Aber es regelt nicht, wer innerhalb eines
Landes zuständig sein soll. Es besagt eben nicht, ob die
Bundeswehr das machen soll. An dieser Stelle wäre eine
Klarstellung in der Verfassung durchaus hilfreich. An-
sonsten könnte es sein, dass irgendwann die Kräfte, die
eingesetzt werden müssen, ganz alleine stehen. Das dür-
fen wir nicht zulassen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24193
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:
a) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Volker Kauder, Renate Schmidt (Nürnberg),
Johannes Singhammer und weiteren Abgeordneten
eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Än-
derung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
– Drucksache 16/11106 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt,
Andrea Nahles und weiteren Abgeordneten ein-
gebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Än-
derung des Gesetzes zur Vermeidung und Be-
wältigung von Schwangerschaftskonflikten
– Drucksache 16/11347 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Ulrike Flach
und weiteren Abgeordneten eingebrachten Ent-
wurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes
– Drucksache 16/11330 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordne-
ten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk,
Elke Ferner und weiteren Abgeordneten einge-
brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände-
rung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
– Drucksache 16/12664 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Aus-
schuss)
– Drucksache 16/12970 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Singhammer
Kerstin Griese
Caren Marks
Ina Lenke
Jörn Wunderlich
Irmingard Schewe-Gerigk
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13. Ausschuss)
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten
Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und wei-
terer Abgeordneter
Späte Schwangerschaftsabbrüche – Selbst-
bestimmungsrecht von Frauen stärken
– zu dem Antrag der Abgeordneten Christel
Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke
Ferner und weiterer Abgeordneter
Wirkungsvolle Hilfen in Konfliktsituationen
während der Schwangerschaft ausbauen –
Volle Teilhabe für Menschen mit Behinde-
rung sicherstellen
– Drucksachen 16/11377, 16/11342, 16/12970 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Singhammer
Kerstin Griese
Caren Marks
Ina Lenke
Jörn Wunderlich
Irmingard Schewe-Gerigk
Im Anschluss an die Aussprache werden wir mehrere
namentliche Abstimmungen durchführen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Diese
Zeit soll nach dem Stärkeverhältnis der Unterzeichner
der Vorlagen verteilt werden.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin das Wort der Kollegin Ilse Falk.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ilse Falk (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Stellen Sie sich zu Beginn dieser nicht einfachen Debatte
vor: Sie als werdende Mutter oder als werdender Vater
sind voller Vorfreude, weil aus Ihrer Partnerschaft eine
Familie werden wird, oder Sie freuen sich als Eltern auf
ein weiteres Kind. Sie erwarten ein Wunschkind. Die
Mutter nimmt regelmäßig – möglicherweise gemeinsam
mit dem Vater des Kindes – die Schwangerschaftsvor-
sorge wahr. Dann, eines Tages – die Schwangerschaft ist
schon über die zwölfte oder sogar die zweiundzwanzigste
Woche hinaus, oder das Kind wäre bereits außerhalb des
Mutterleibes lebensfähig –, werden Sie mit einem Unter-
suchungsergebnis konfrontiert, das signalisiert, dass ir-
gendetwas mit dem Kind nicht in Ordnung ist. Plötzlich
bricht eine Welt für Sie zusammen. Es wird dunkel oder
nebelig im Kopf, und jedes logische Denken setzt aus. –
So beschreiben sich Frauen, die eine solche Schocksitua-
tion erlebt haben. Sie reagieren mehr oder weniger me-
chanisch, um das vage „nicht in Ordnung“ abzuklären.
Viel zu häufig setzt nach der Diagnose einer eventuellen
Behinderung des ungeborenen Kindes ein Automatismus
ein, der schnell dazu führt, dass Frauen zu einem
Schwangerschaftsabbruch gedrängt werden. Sie ent-
scheiden sich übereilt für einen Spätabbruch und merken
erst zu spät, dass diese Entscheidung nicht trägt.
Drei Dinge sind deshalb unabdingbar, damit Mutter
und Vater eine gutbedachte Entscheidung für sich und
ihr Kind treffen können. Erstens braucht die Mutter die
Nähe und Begleitung eines vertrauten Menschen. Zwei-
tens braucht sie das Angebot verständnisvoller fachli-
cher Beratung. Drittens braucht sie Zeit. Den ersten
Punkt kann Politik nicht regeln. Aber die beiden anderen
Voraussetzungen können wir sehr wohl in das Schwan-
gerschaftskonfliktgesetz aufnehmen. Ich bin froh, dass
wir heute nach einer langen Zeit schwieriger und manch-
mal heftig geführter Diskussionen die Chance haben, zu
einem guten Abschluss zu kommen. Alle, die sich am
Diskussionsprozess beteiligt haben, haben das gemein-
same Ziel verfolgt, Frauen und ihren Partnern wirkungs-
voller als bisher Beratung und Hilfe in einem kaum lös-
baren Konflikt anzubieten.
24194 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Ilse Falk
Schon bei der ersten Lesung zeigte sich, dass die drei
Gesetzentwürfe – Kauder/Schmidt/Singhammer, Griese/
Göring-Eckardt/Nahles und Lenke/Laurischk/Flach – eng
beieinanderliegende Vorstellungen über die Mittel zur
Erreichung des gemeinsamen Ziels beinhalten. Ich bin
dankbar und erleichtert, dass es gelungen ist, diese drei
Entwürfe zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf zusam-
menzuführen. Dabei waren alle Beteiligten bereit, einen
Teil ihrer Vorstellungen aufzugeben und Kompromisse
zu schließen.
Wesentlicher Schwerpunkt in dem gruppenübergrei-
fenden Gesetzentwurf, für den ich hier spreche, ist die
Umsetzung der Forderung nach guter Beratung. Wir
greifen sie auf, indem wir einen gewissen Druck auf
Ärzte und Ärztinnen ausüben und festschreiben, noch
stärker auf die Schwangere in großer Bedrängnis zuzu-
gehen, sich in ihre Situation einzufühlen und ihr die
Hand zu reichen, um mit ihr und ihrem Partner gemein-
sam herauszufinden, ob und wie auch mit einem kranken
oder behinderten Kind ein glückliches Leben gelingen
kann. Viele machen das bereits mit großer Sorgfalt, aber
wir hören auch immer wieder von dramatischen anderen
Erfahrungen, und dem wollen wir begegnen: Schriftliche
Informationsmaterialien, medizinisch-fachliche Bera-
tung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von mit der
Schädigung erfahrenen Kollegen, und der Hinweis auf
bzw. die Vermittlung in psychosoziale Beratung sind als
Pflicht für den Arzt bzw. die Ärztin festgeschrieben,
werden aber ganz klar von der freien Entscheidung der
Schwangeren abhängig gemacht, dieses Angebot in An-
spruch nehmen zu wollen. Uns hier Zwangsberatung zu
unterstellen, ist einfach unredlich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Das zweite wesentliche Element unseres Gesetzent-
wurfs ist die Antwort auf die Forderung nach mehr Zeit
für den Klärungsprozess. Hier fehlt mir schlicht und er-
greifend das Verständnis für die heftigen Angriffe auf
unseren Vorschlag. Selbst wenn die Diagnose eine Be-
fürchtung bestätigt und sich eine bereits gemachte Erfah-
rung wiederholt, braucht man doch Zeit, um die Realität
zu erfassen. Deshalb noch einmal klar und deutlich: Wir
wollen, dass eine mindestens dreitägige Bedenkzeit nach
der Diagnose und vor der schriftlichen Feststellung der
Indikation eingehalten wird – nicht kürzer, aber bei Be-
darf so lange wie gewünscht. Eine Ausnahme besteht
dann, wenn eine akute Gefahr für das Leben der
Schwangeren besteht. Geben wir doch den werdenden
Eltern das Signal, in Ruhe über ihre Situation nachden-
ken zu können, um dann gut informiert und gut bedacht
eine Entscheidung zu treffen, die ein ganzes Leben trägt.
Wegen der Kürze der Redezeit habe ich mich auf zwei
der für uns wichtigen Aspekte beschränkt. Die Kollegin-
nen und Kollegen, die nach mir sprechen, werden wei-
tere wichtige Punkte benennen. Ich bitte Sie deshalb, alle
Argumente gut abzuwägen, zu versuchen, sich in die Si-
tuation der werdenden Eltern zu versetzen, die vor einer
Entscheidung stehen, in der es um Leben und Tod geht,
und am Ende eine gute Entscheidung zu treffen, indem
Sie dem gruppenübergreifenden Gesetzentwurf Ihre
Stimme geben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Christel Humme.
Christel Humme (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!
Wir beenden heute eine lange und intensive Debatte. Ich
danke ausnahmslos allen, die sich konstruktiv beteiligt
haben, eine Lösung für Frauen in Konfliktsituationen
während einer Schwangerschaft zu finden. Ich danke al-
len Kollegen und Kolleginnen, den Ärzten, den Ärztin-
nen, den Verbänden, und ich danke den Juristen und Ju-
ristinnen und den Praktikerinnen und Praktikern in den
Beratungsstellen für ihre inhaltliche Zuarbeit; denn erst
dadurch ist es möglich geworden, heute einen zweiten
Gesetzentwurf vorzulegen, über den es zu entscheiden gilt.
Jeder einzelne Abgeordnete hat heute die Chance, eine
klare Entscheidung über zwei Gesetzentwürfe zu treffen –
über einen Gesetzentwurf, der in der Öffentlichkeit
„Singhammer/Griese/und-andere-Vorschlag“, und einen
anderen Gesetzentwurf, der in der Öffentlichkeit „Humme/
Schewe-Gerigk/und-andere-Vorschlag“ genannt wird.
Worüber entscheiden wir heute? Was ist der entschei-
dende Unterschied zwischen den Gesetzentwürfen, die
heute zur Abstimmung stehen? Ich konzentriere mich
auf drei wesentliche Unterschiede. Die drei zentralen
Unterschiede betreffen erstens die Beratung, zweitens
die Bedenkzeit und drittens die Regelung der Ordnungs-
widrigkeiten.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wir möchten mit
der Regelung zur Beratung in unserem Gesetz die
Frauen unterstützen, indem wir die Beratung sehr früh
ansetzen, nämlich schon vor den vorgeburtlichen Unter-
suchungen. Dies geschieht auf zweierlei Weise.
Erstens. Wir möchten die Frauen im Zusammenhang
mit dem Mutterpass über ihren heute schon bestehenden
Rechtsanspruch nach dem Schwangerschaftskonfliktge-
setz informieren, denn häufig wissen Frauen gar nicht,
dass sie diesen Rechtsanspruch haben. Damit erfüllen
wir eine langjährige Forderung nach stärkerer Vernet-
zung zwischen Arztpraxen und Beratungsstellen.
Zweitens verpflichten wir die Ärzte, eine bessere Be-
ratung über Chancen und Risiken von vorgeburtlichen
Untersuchungen durchzuführen. Dies scheint uns sehr
wichtig zu sein. Eine Frau soll sich gut informiert ent-
scheiden können, welche vorgeburtlichen Untersuchun-
gen sie machen lassen möchte und ob sie gar auf eine
weitergehende derartige Untersuchung verzichtet.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn wenn es uns wichtig ist, behindertes Leben zu
schützen – das schwingt ja immer mit –, dann ist das
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24195
(A) (C)
(B) (D)
Christel Humme
Recht auf Nichtwissen eine wichtige Voraussetzung da-
für. Unser Gesetz sieht hierfür bessere Informationen
und Beratungen zu Beginn der Schwangerschaft und vor
den vorgeburtlichen Untersuchungen vor; dies fehlt in
dem Gesetzentwurf Singhammer/Griese völlig.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wir verbessern
natürlich die Beratungssituation auch dann – genau so,
Frau Falk, wie Sie es gerade gesagt haben –, wenn ein
Befund beim ungeborenen Kind und bei der Schwange-
ren vorliegt; beides muss man zusammen sehen. Wir
verpflichten auch in diesem Fall den Arzt, die Schwan-
gere nochmals darauf hinzuweisen, dass sie sich in einer
schwierigen Situation Hilfe und Unterstützung in einer
unabhängigen Beratungsstelle holen kann. Dabei ist für
uns ebenso wie für Sie zentral: In allen Fällen der Bera-
tung setzen wir auf Freiwilligkeit, denn wir wissen, dass
nur eine freiwillige Beratung tatsächlich angenommen
wird.
Ich komme nun zu dem Punkt, der in der Öffentlich-
keit die größte Aufmerksamkeit gefunden hat, nämlich
zur Ausgestaltung der Bedenkzeit. Wir legen gesetzlich
fest, dass der Arzt zwischen dem Befund und der Fest-
stellung der medizinischen Indikation eine ausreichende
Bedenkzeit – in der Regel mindestens drei Tage – sicher-
stellt. Damit machen wir die drei Tage zur Regel; aller-
dings lassen wir Ausnahmen zu. Warum? Wir sind da-
von überzeugt, dass der Gesetzgeber eine Öffnung für
Härtefälle vornehmen muss. Alles andere würde die
Notsituation der in Konflikt geratenen Frauen unnötig
verschärfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was kann eine solche Notlage sein? Sie kann eintre-
ten, wenn, wie in der Anhörung vorgetragen, zum Bei-
spiel eine zweite Schwangerschaft mit dem gleichen
Gendefekt des Ungeborenen auftritt wie bei der ersten
und erneut eine Schwangerschaft abgebrochen werden
muss. Die davon betroffene Frau beschäftigt sich seit
Monaten, vielleicht seit Jahren mit der Frage, was pas-
siert, wenn dieser traurige Fall ein zweites Mal eintritt.
Braucht diese Frau zwingend, gesetzlich vorgeschrieben,
zusätzlich drei Tage oder mehr Bedenkzeit? Was ist in
einem anderen Fall, wenn das Kind ohne Hirn, ohne
Lunge definitiv nicht überlebensfähig ist, aber keine ak-
tuelle Lebensgefahr der Mutter besteht? Muss ich ihr
zwingend gesetzlich drei oder mehr Tage Bedenkzeit
aufbürden?
Wir meinen, das ist grausam. Wir müssen für unter-
schiedliche, schwere individuelle Schicksale eine ent-
sprechend flexible gesetzliche Regelung vorsehen. Wir
sind überzeugt: Zusätzlicher Druck hilft Frauen und Paa-
ren in dieser Notlage überhaupt nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum dritten Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir
regeln in unserem Gesetz keine Androhung von Buß-
geld. In allen Anhörungen seit 2005 haben wir deutlich
gehört, dass sich die Ärzte in der Mehrheit verantwor-
tungsvoll verhalten. Dürfen wir alle Ärzte unter General-
verdacht stellen? Wir meinen: Nein. Dürfen wir mit der
Androhung eines Bußgeldes das Vertrauen zwischen
Arzt und Patientin unterhöhlen? Auch darauf antworten
wir mit Nein. Ich halte ein Bußgeld für überflüssig, denn
Ärzte, die ihre Pflicht verletzen, sind heute schon nach
einem sehr scharfen Gesetz, dem Strafgesetzbuch, mit
einer Freiheitsstrafe oder mit einem Bußgeld bedroht.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich bedanke mich
bei all denen von Ihnen, die uns für unseren Gesetzent-
wurf ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Ich werbe um
Unterstützung für unseren Weg bei all denjenigen von
Ihnen, die das bislang noch nicht gemacht haben.
Wir haben heute zu entscheiden, welche Art von Re-
gelungen wir für emotionale Grenzsituationen in einer
Vielzahl trauriger Einzelschicksale treffen wollen. Dabei
müssen wir heute die Frage beantworten: Dürfen wir
Ärztinnen und Ärzten sowie den betroffenen Frauen in
diesen Grenzsituationen rigide und starre Regeln vor-
schreiben? Können wir als Gesetzgeber allen traurigen
Einzelschicksalen gerecht werden, wenn wir das gleiche
Schema von Regelungen für alle Fälle vorschreiben?
Unsere Antwort lautet: Nein. Der Gesetzgeber muss
Raum lassen für das Ermessen von Ärztinnen und Ärz-
ten. Er muss vor allem Raum lassen für einen menschli-
chen Umgang mit Einzelfällen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ermöglicht unser Gesetzentwurf. Deshalb bitte ich
um Ihre Stimme.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Kirsten
Tackmann.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sagen wir doch ehrlich und offen, worum es
heute wirklich geht: De facto soll mit beiden Gesetzent-
würfen der Kompromiss zum Schwangerschaftsab-
bruchsrecht von 1995 aufgekündigt werden, und zwar
auf Kosten der betroffenen Frauen und der Fachärzte-
schaft.
(Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!)
Statt die 1995er-Regelung mit uns gemeinsam gegen
die Verschärfung durch die Kollegen Singhammer und
Co zu verteidigen, haben Kolleginnen der SPD, der Grü-
nen und der FDP unter hohem Druck der eigenen Frak-
tionen
(Ernst Burgbacher [FDP]: Was?)
leider einen ebenso inakzeptablen Gesetzentwurf vorge-
legt.
(Beifall bei der LINKEN)
24196 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Kirsten Tackmann
Dabei war die Anhörung im Ausschuss eindeutig: Es
gibt keinen Grund für eine Gesetzesänderung. Das sag-
ten vor allem die, die es wirklich wissen müssen, näm-
lich die Vertreter der Beratungsorganisationen.
Angeblich soll mit den Gesetzentwürfen der Bera-
tungsanspruch bei Schwangerschaftskonflikten sicher-
gestellt werden. Nur: Dieses Recht auf Beratung gibt es
bereits seit 1995. Wenn dringender Handlungsbedarf be-
steht, dann an ganz anderer Stelle: Die Länder haben
zwar die Pflicht, die Beratungseinrichtungen zu finan-
zieren und dafür zu sorgen, dass es eine wohnortnahe
Beratung gibt. In der Realität sind die dafür erforderli-
chen Angebote derzeit jedoch weder kostenfrei noch flä-
chendeckend erreichbar. Das Rote Kreuz hat in Branden-
burg gerade Alarm geschlagen: Weil die Finanzierung
seit 2007 nur noch zu 80 Prozent aus Landesmitteln er-
folgt, stehen Beratungsstrukturen vor dem Aus. Ange-
sichts dieser Situation soll heute eine Beratungspflicht
mit Androhung einer Strafe gegen die Ärzteschaft be-
schlossen werden. Ich nenne das scheinheilig.
(Beifall bei der LINKEN)
Scheinheilig ist auch, dass die Diskussion über Bera-
tungs- und Unterstützungsangebote genau dann endet,
wenn es eine Entscheidung für die Schwangerschaft ge-
geben hat. Die Familien brauchen aber auch eine Unter-
stützung für das Leben nach dieser Entscheidung. Aber
gerade da fehlt es an Angeboten, gar nicht zu reden von
integrativer Kinderbetreuung oder schulischer Bildung.
Die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe lehnt die
Linke ab, weil sie § 218 a StGB deutlich verschärfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Für Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischen Grün-
den soll eine faktische Pflichtberatung neu eingeführt
werden. Die aber hat der Gesetzgeber 1995 ausdrücklich
nicht vorgesehen.
Offensichtlich unterscheidet sich das Frauenbild der
Linken von dem anderer Fraktionen. Wir sind davon
überzeugt, dass Frauen auch in schwierigen Konflikt-
situationen nicht vor sich selbst geschützt werden müs-
sen. Sie brauchen stattdessen Unterstützung durch eine
vertrauensvolle, ergebnisoffene und kostenlose Bera-
tung.
(Beifall bei der LINKEN)
Durch die Gesetzentwürfe sollen Gesprächs- und Mit-
wirkungsbereitschaft dagegen mehr oder weniger er-
zwungen werden. Daran ändert auch nichts, dass die
Dokumentationspflicht für Ärztinnen und Ärzte im
Singhammer-Entwurf jetzt nur noch in der Begründung
steht. Die erzwungene dreitägige Bedenkzeit – ich be-
tone, für Ärztinnen und Ärzte, nicht für die betroffenen
Frauen – zwischen Diagnose und Feststellung der ge-
setzlichen Voraussetzungen für einen Abbruch, sendet
ein bedrohliches Signal an die Ärzteschaft: Wer Abbrü-
che vornimmt, entscheidet unter hohem Risiko. Unter
diesem Druck verringert sich die Bereitschaft, Abbrüche
überhaupt vorzunehmen. Das ist wohl das eigentliche
Ziel der Gesetzentwürfe.
(Zuruf von der LINKEN: So ist es! – Ina
Lenke [FDP]: Ach nein!)
Nur: Das spitzt die ohnehin schwierige Situation der be-
troffenen Frauen und ihrer Familien weiter zu. Die Folge
wird ein Ausweichen in Länder mit liberaleren Regelun-
gen sein.
Wir bleiben dabei: Es wird zu jedem Zeitpunkt eine
Entscheidung der Frau sein und auch sein müssen, eine
Schwangerschaft auszutragen oder nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Gesetzgeber muss sichere und legale Rahmenbedin-
gungen schaffen. Dazu gehört für uns erstens die Durch-
setzung des Rechtsanspruchs jeder Schwangeren auf me-
dizinische und psychosoziale Beratung. Diese muss
umfassend, vertrauensvoll und ergebnisoffen sein; das
gilt für jede Phase der Schwangerschaft. Zweitens brau-
chen wir die Sensibilisierung und Qualifizierung von
Ärztinnen und Ärzten sowie dem Klinikpersonal für
Schwangerschaftskonfliktlagen, insbesondere vor und
nach der Diagnosestellung. Darüber hinaus müssen wir
in Zusammenarbeit mit den Ländern die Rahmenbedin-
gungen für Kinder mit Handicap und ihre Eltern deutlich
verbessern.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wäre
sehr dafür, wenn wir gemeinsam wirklich etwas für
Schwangere in Konfliktsituationen tun würden. Nur: Die
Verschärfung des § 218 a ist der falsche Weg.
(Ina Lenke [FDP]: Ist doch gar nicht der Fall!)
Hören Sie auf, Schwangere und Ärzteschaft unter
Generalverdacht zu stellen!
Der Gruppenantrag aus den Reihen der Linken geht
sehr ausführlich und verantwortungsvoll auf die viel-
schichtigen Probleme rund um Schwangerschaftskonf-
liktsituationen ein. Deshalb kann man ihm eigentlich nur
zustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat die Kollegin Kerstin Griese.
Kerstin Griese (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
wollen und wir sollten uns in dieser Debatte darauf kon-
zentrieren, wie wir Frauen in einer schwierigen Kon-
fliktsituation am besten helfen können, und nicht neue
Ängste schüren oder Dinge unterstellen, die nicht stim-
men.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Im Mittelpunkt unserer Bemühungen – dafür bedanke
ich mich sehr herzlich bei allen Kolleginnen und Kolle-
gen, mit denen wir in den letzten Wochen und Monaten
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24197
(A) (C)
(B) (D)
Kerstin Griese
viele sehr intensive Gespräche geführt haben – steht, wie
wir Frauen helfen können.
Ich möchte die Situation, um die es hier geht, noch
einmal vor Augen führen: Wir sprechen über Schwan-
gerschaften nach der zwölften Woche, also über
Schwangerschaften, bei denen die Entscheidung für das
Kind schon gefallen ist, aber im Zuge einer Untersu-
chung eine eventuelle Behinderung des Kindes festge-
stellt wurde. Das ist eine schwierige Situation: Die wer-
denden Eltern freuen sich auf das Wunschkind und
müssen nun damit umgehen, dass das Kind behindert,
eventuell sogar schwerbehindert sein kann; vielleicht
lautet die Diagnose sogar: nicht lebensfähig. In all die-
sen Fällen müssen wir dafür sorgen, dass die Betroffenen
– die Schwangeren, aber auch die Eltern insgesamt – die
bestmögliche Unterstützung erhalten.
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Richtig!)
Unsere Gruppe, die ja erst einen eigenen Gesetzent-
wurf eingebracht hat, hat sich nun auf einen neuen grup-
penübergreifenden Gesetzentwurf verständigt, weil wir
darin unsere wichtigsten Punkte wiederfinden: eine bes-
sere Beratung und Unterstützung der betroffenen Frauen
und eine Bedenkzeit. Ziel dieses gemeinsamen Gesetz-
entwurfes ist es, dass die betroffenen Frauen eine Ent-
scheidung fällen können, mit der sie später leben kön-
nen. Dafür brauchen sie Zeit und Ruhe – ohne Druck –
und dafür brauchen sie eine gute psychosoziale Bera-
tung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Wichtig ist in unserem Gesetzentwurf: Die Ärztinnen
und Ärzte werden verpflichtet, die Frauen ergebnisoffen
zu beraten, sie in eine psychosoziale Beratung zu vermit-
teln und zu Selbsthilfegruppen oder Eltern behinderter
Kinder. Die Ärztinnen und Ärzte verpflichten wir dazu,
die Frauen können aber – das ist wichtig – diese Bera-
tung ablehnen. Die Ärzte haben also Pflichten, die
schwangeren Frauen haben Rechte.
Gerade in dieser schwierigen Situation, über die wir
hier sprechen, ist es bislang nicht gesichert, dass Frauen
eine psychosoziale Beratung wahrnehmen können. Eine
Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
rung besagt, dass nur ein Fünftel der Frauen, die mit ei-
nem pathologischen Befund konfrontiert werden, also
mit einer eventuellen Behinderung ihres Kindes, beraten
werden. Auch das haben wir in der Anhörung gehört, die
übrigens sehr deutlich gezeigt hat, dass hier Änderungs-
bedarf besteht.
Unser zentrales Anliegen, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, ist, den schleichenden Automatismus zu durch-
brechen, der die Diagnose einer eventuellen Behinde-
rung sehr schnell zu einer Empfehlung zum Abbruch der
Schwangerschaft werden lässt. Damit unterstelle ich
ausdrücklich nicht allen Ärztinnen und Ärzten, dass sie
so beraten. Aber wir wissen aus Studien und Fachge-
sprächen, aus der Anhörung im Bundestag und auch aus
Berichten von Betroffenen, dass diese Tendenz vorhan-
den ist.
Uns hat bewegt, zu erfahren, dass europaweit – für
Deutschland gibt es keine genauen Zahlen – über 90 Pro-
zent der Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben wer-
den. Wir tasten mit unserem Gesetzentwurf die Möglich-
keiten der medizinischen Indikation und erst recht nicht
den § 218 StGB – der bleibt so erhalten, wie er ist – an.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Aber wir wollen sicherstellen, dass eine solche Diagnose
nicht automatisch bedeutet, dass Kinder mit Down-Syn-
drom gar nicht mehr auf die Welt kommen. Ich bin übri-
gens davon überzeugt, dass es nicht darum geht, quanti-
tativ die Zahl der Spätabbrüche zu senken – man kann
und soll nicht meinen, dies gesetzlich regeln zu können –,
sondern es geht um bessere Beratung und darum, eine
gute Entscheidung fällen zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Punkt ist mir
sehr wichtig: Wir sind uns in allen Forderungen einig,
eine bessere Beratung vor der Pränataldiagnostik zu er-
möglichen. Darüber haben wir oft gesprochen. Hier
kommt es darauf an, dass Frauen wissen, was diese Un-
tersuchungen bedeuten, dass sie gut informiert sind. Dies
unterstützen wir. Ich weise darauf hin: In diesem Gesetz
geht es um Schwangerschaftskonflikte. Deshalb muss
man gerade für die schwierige Situation, wenn eine sol-
che Diagnose vorliegt, besondere Vorkehrungen treffen.
Die Beratung davor ist natürlich genauso wichtig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Wir sind uns sicherlich alle einig, dass die Bedingun-
gen für das Leben mit behinderten Kindern, für eine
echte Inklusion von Menschen mit Behinderung in unse-
rer Gesellschaft verbessert werden müssen. Deshalb
empfiehlt unsere Gruppe, dem ursprünglichen Entschlie-
ßungsantrag von Christel Humme und anderen zuzu-
stimmen, in dem viele richtige untergesetzliche Forde-
rungen aufgeführt sind.
Die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen
mit Behinderungen gehört dazu. Dazu gehört übrigens
auch die Verbesserung der medizinischen Versorgung.
Ich bin sehr froh, dass im Bundesgesundheitsministe-
rium zurzeit geplant ist, behinderten Menschen mit Bril-
len und verschreibungsfreien Arzneimitteln weiterzuhel-
fen. Das wäre ein wichtiger Schritt. Hier bitte ich um
Unterstützung aus allen Fraktionen.
Ich will mich ganz herzlich bei den vielen Verbänden
aus dem Behindertenbereich, bei den Wohlfahrtsorgani-
sationen, den Beratungsstellen, den Ärztinnen und Ärz-
ten, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die
uns geholfen haben, bedanken.
Wir unterstützen diesen Gesetzentwurf. Dieser unter-
scheidet sich von dem Gesetzentwurf, den die Kollegin
Humme vorgestellt hat, deutlich: Erstens. In unserem
Gesetzentwurf wird klarer und eindeutiger geregelt, dass
die Ärzte verpflichtet sind, zu beraten und eine psycho-
soziale Beratung zu vermitteln, und zwar im Einverneh-
24198 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Kerstin Griese
men mit der Frau. Zweitens. Die drei Tage Bedenkzeit
sind uns wichtig. Sie gilt nicht, wenn Gefahr für Leib
und Leben besteht. Dazu gehört physische und psychi-
sche Gefahr. Entgegen anderen Pressemeldungen von
heute gilt diese Frist von drei Tagen natürlich nicht,
wenn die Gesundheit der Frau gefährdet wäre. Diese drei
Tage sind ein Schutz für die Frauen. Die Formulierung
„drei Tage“ ist nicht so ein ungenauer Rechtsbegriff wie
die Formulierung „ausreichende Bedenkzeit“. Diese Be-
denkzeit von drei Tagen ist uns wichtig. Sie bedeutet
Rechtssicherheit für die Frau und ist wichtig, um eine
Entscheidung fällen zu können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Wir empfehlen, dem zweiten Teil des Gesetzentwurfs,
dem kleineren Teil, zur statistischen Erfassung nicht zu-
zustimmen, denn hier geht es nicht um eine Verbesse-
rung der Hilfen für die Frauen, sondern nur um eine ge-
nauere statistische Erfassung. Damit ist nicht den
Frauen, sondern nur der Statistik geholfen. Ich glaube,
dass der wichtigere, große Teil des Gesetzentwurfs eine
Mehrheit im Parlament finden kann. Ich werbe deshalb
dafür und bitte um Unterstützung, und zwar aus drei
Gründen: erstens damit wir sicherstellen, dass Frauen
psychosoziale Beratung und Hilfe in dieser schwierigen
Situation bekommen, zweitens damit sie Zeit und Unter-
stützung zur Entscheidungsfindung haben und drittens
damit die Gesellschaft und wir alle daran erinnert wer-
den, dass wir mehr tun müssen, damit behindertes Leben
gelingendes Leben ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde
schon zu Recht darauf hingewiesen, dass wir uns für die
Beratung dieses Themas einige Zeit genommen haben.
In der ersten Lesung der vorliegenden Gesetzentwürfe
haben viele – ich denke, fast alle – Rednerinnen und
Redner betont, wie wichtig es uns ist, für eine Gesell-
schaft zu kämpfen, in der Menschen mit Behinderungen
ihren selbstverständlichen Platz haben. Ich finde, dass
seither – das möchte ich ausdrücklich anerkennen – die
Sensibilität dafür, was pränatale Diagnostik dazu bei-
trägt bzw. welche Gefahren sie beinhaltet, gestiegen ist.
Ich freue mich sehr darüber, dass es gelungen ist, im
Gendiagnostikgesetz festzuschreiben, dass man Em-
bryos nicht auf Krankheiten testen darf, die erst im Er-
wachsenenalter ausbrechen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und
der SPD)
Das ist nicht notwendigerweise eine Frage der Abtrei-
bung. Es kann das Thema „Recht auf Nichtwissen“ sein.
Dieses Recht auf Nichtwissen ist schützenswert. Auch
das sollten wir im Auge behalten, wenn wir über die
heute vorliegenden Gesetzentwürfe reden.
Ich gehöre zu der Gruppe um die Kollegin Humme
und andere, die ursprünglich gesagt hat, dass bei Kon-
flikten in der Schwangerschaft den betroffenen Frauen
mehr Informationen, mehr Beratung und mehr Unter-
stützung ermöglicht werden müssen, ohne dass man da-
für das Gesetz ändern muss. Wir haben uns bewegt.
Auch andere haben sich bewegt; das will ich ausdrück-
lich anerkennen. Heute haben wir zwei Gesetzentwürfe
vorliegen, die sich gegenüberstehen. Leider ist es nicht
gelungen, sich auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu
einigen. Wir haben oft gemeinsam am Tisch gesessen,
und das hat von allen verlangt, sich von der jeweiligen
Verdachtsperspektive gegenüber der anderen Gruppe zu
verabschieden. Ich gestehe, dass das nicht immer leicht
war.
Sie haben vorhin zugestanden – Frau Griese hat es ge-
sagt –, dass Einigkeit darüber herrscht, dass eine umfas-
sende Beratung der Frauen vor einer vorgeburtlichen
Untersuchung notwendig ist. Deshalb kann ich nur
schwer verstehen, dass es nicht möglich war, in den Ver-
handlungsrunden übereinzukommen und sich auf eine
Regelung zu verständigen, die genau das festschreibt.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Auf den Einwand, wir würden auf diese Weise bei Rou-
tineuntersuchungen zu viel Aufwand erzeugen, haben
wir reagiert und das Beratungserfordernis nur noch für
solche Untersuchungen festgeschrieben, die nicht über-
wiegend der Überwachung einer normal verlaufenden
Schwangerschaft dienen, also mithin der Suche nach
Auffälligkeiten. Ich frage Sie: Was gibt es daran auszu-
setzen? Frau Falk, Frauen, die sich gut aufgeklärt für
eine solche Untersuchung entscheiden und wissen, was
für ein Befund möglicherweise zu erwarten ist, werden
eine größere Chance haben, nicht in den Schockzustand
zu geraten, den Sie vorhin beschrieben haben,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
sondern sehr viel besser vorbereitet sein auf die Ent-
scheidung, vor der sie dann möglicherweise stehen.
Frau Falk, Sie sprachen von einem gewissen Druck
auf Ärzte. Da werde ich hellhörig. Uns geht es nicht da-
rum, Druck auszuüben. Vielmehr betonen wir die Ver-
netzung, die Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und
Ärzten einerseits und den Beraterinnen in den Bera-
tungsstellen mit ihrer Kompetenz andererseits. Wir wol-
len die Kompetenz im medizinischen und psychosozia-
len Bereich zusammenführen, damit Frauen optimale
Unterstützung und Beratung erfahren.
Streitig blieb zwischen uns auch die Frage der Frist.
Wir haben uns da – durchaus schweren Herzens – bewegt,
nachdem wir nach der Anhörung zu unterschiedlichen
Einschätzungen gelangt sind. Sie haben die Schlussfolge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24199
(A) (C)
(B) (D)
Birgitt Bender
rung gezogen, dass in der Mehrzahl der Fälle eine Frist,
wie sie vorgesehen werden soll, bisher nicht eingehalten
wird. Wir haben es eher so verstanden, dass der Zeitraum
zwischen Diagnose und einem möglichen Abbruch in der
Regel sehr viel länger ist als drei Tage. Aber wie dem
auch sei, wir sind uns einig, dass es eine Bedenkzeit ge-
ben soll. Wir haben jetzt den Vorschlag gemacht, „eine
ausreichende Bedenkzeit, in der Regel … drei Tage“ fest-
zuschreiben. Darauf haben wir uns nicht verständigen
können. Wir verstehen nicht, warum man mit Rigidität an
den drei Tagen festhalten soll, auch wenn die Frau höchst
verzweifelt ist, beispielsweise weil sie bereits ein behin-
dertes Kind hat und weiß, dass sie sich ein zweites nicht
zutraut. Ich glaube, dass wir da mit dem Regel-Aus-
nahme-Verhältnis die bessere Lösung gefunden haben.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Ich fasse zusammen: Uns geht es um Beratung und
Unterstützung der Frauen. Wir wollen vermeiden, dass
Frauen und/oder Ärztinnen und Ärzte unter Druck gera-
ten, weil das einer Lösung, mit der die betroffenen
Frauen und Paare später leben können, eher entgegen-
steht, als dass es sie fördert.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ina Lenke.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Ina Lenke (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
möchte vorab ein Wort an Frau Tackmann richten. Frau
Tackmann, Ihre Behauptung, dass innerhalb der FDP-
Bundestagsfraktion in einem solchen Fall und in anderen
Fällen Druck ausgeübt werde, entbehrt jeder Grundlage.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie versuchen, hier
mit solchen wesensfremden Argumenten zu punkten.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, Ende letzten Jahres
hat eine Gruppe von FDP-Bundestagsabgeordneten ei-
nen Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschafts-
konfliktgesetzes – nicht zur Änderung des § 218 – vorge-
legt. In vielen intensiven Gesprächsrunden – das haben
die Kolleginnen und Kollegen vor mir schon gesagt –
wurde unser Gesetzentwurf mit dem der CDU/CSU und
von Teilen der SPD um Kerstin Griese zusammenge-
führt. Auch mit Ihnen, Frau Humme, haben wir bis fast
zum Schluss zusammengesessen. Das Ziel der liberalen
Abgeordneten war es, zur Verbesserung der Situation
von schwangeren Frauen bei fortgeschrittener Schwan-
gerschaft in Konfliktsituationen beizutragen. Ich will die
wichtigen Ziele in dem gemeinsamen Gesetzentwurf
nennen:
Erstens. Der Frau wird Zeit gegeben, nach der Prä-
nataldiagnostik – also nach der vorgeburtlichen Untersu-
chung – bei einer möglichen schweren Behinderung des
Kindes psychosoziale Beratung durch eine anerkannte
Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen. Unser Text
dazu lautet: Deshalb darf die Indikation nicht vor Ablauf
von drei Tagen gestellt werden. – Das bedeutet natürlich
– das hat bisher noch keiner gesagt –, dass die Bera-
tungszeit länger als drei Tage dauern kann. Frau Humme
und Frau Marks, ich möchte noch anmerken: Der Begriff
„ausreichend“ ist meines Erachtens nicht zu fassen. Für
einen Arzt kann ein Tag ausreichend sein. Wir waren uns
deshalb einig, die Beratungszeit mit drei Tagen konkret
anzugeben. Ich komme gleich noch einmal darauf zu-
rück.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/
CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Aber auch das ist wichtig: Wenn Gefahr für Leib und Le-
ben der Frau besteht, gilt diese Dreitagefrist nicht.
Zweitens. Die Ärztin oder der Arzt hat die Frau auf
ihren Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung hinzu-
weisen. Im Schwangerschaftskonfliktgesetz ist dieser
Rechtsanspruch zwar enthalten, aber viele Frauen wis-
sen nichts davon. Deshalb ist es wichtig, dass der Arzt,
der die Frauen in der Schwangerschaft begleitet, an die-
ser Stelle hilft. Der Arzt wird verpflichtet – diesen Punkt
haben wir übernommen –, der Frau mit ihrem Einver-
ständnis ein Angebot für die medizinische Beratung zu
machen. Damit hat jede Frau die Möglichkeit, eine ent-
sprechende Beratung anzunehmen. Für uns ist auch noch
wichtig, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung zusätzliches Informationsmaterial für das
Leben mit einem geistig oder körperlich behinderten
Kind erstellt. Damit werden Eltern, die sich für eine Ge-
burt entscheiden, begleitet und unterstützt.
Wir haben einige Forderungen der Gruppe Humme in
unseren Gesetzentwurf integriert. Aber angesichts des
Dissenses bei der Dreitageregelung muss man sich schon
die Frage stellen, was „ausreichend“ bedeutet. Darauf,
auf eine konkrete Festlegung zu verzichten, haben wir
uns nicht eingelassen. Auch die Bundesvereinigung Le-
benshilfe unterstützt die Dreitageregelung. Hier hätten
wir einen Konsens erreichen können. Ich bedauere es
sehr, dass wir an dieser Stelle nicht zusammengekom-
men sind.
Für die Gruppe der liberalen Abgeordneten fasse ich
zusammen: § 218 wird nicht berührt. Die Ärzte haben
die schwangere Frau auf ihren Rechtsanspruch auf Bera-
tung hinzuweisen und sind verpflichtet, zu beraten. Aber
die Frau ist nicht verpflichtet, eine Beratung anzuneh-
men.
Zum Schluss: Was steht nicht mehr in dem gemeinsa-
men Gesetzentwurf? Wir Liberale haben dafür gesorgt,
dass das Bußgeld für Ärzte nicht verdoppelt wird und
keine zusätzliche Dokumentation für Ärzte vorgeschrie-
ben wird, auf die die Landesbehörden Zugriff haben.
Unsere weiteren Positionen werden mein Kollege Herr
Goldmann und meine Kollegin Frau Laurischk hier vor-
tragen.
24200 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Ina Lenke
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Irmingard Schewe-
Gerigk.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man etwas verändert, ist es gut, den Blick noch
einmal zurückzurichten. Im Jahre 1995 wurde die soge-
nannte embryopathische Indikation abgeschafft, die ei-
nen Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer schwer-
wiegenden gesundheitlichen Schädigung des Embryos
bis zur 22. Woche ermöglichte. Diese Entscheidung war
richtig. Voraussetzungen für die Straffreiheit waren da-
mals eine Pflichtberatung und die Einhaltung der Drei-
tagefrist.
Mit der Reform von 1995 wurde eine neue, die medi-
zinische Indikation eingeführt. Ich sage es hier noch ein-
mal deutlich: Die Behinderung des Embryos allein ist
kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch auf-
grund einer medizinischen Indikation.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und
der LINKEN)
Voraussetzung für die Indikation ist vielmehr, dass die
Fortsetzung der Schwangerschaft eine Gefahr für das
Leben bzw. die physische oder psychische Gesundheit
der Schwangeren darstellt. Dass mit dieser Regelung
verantwortungsbewusst umgegangen wird, zeigt sich da-
ran, dass die Zahl der medizinisch indizierten Schwan-
gerschaftsabbrüche ab der 12. Woche in der Zeit zwi-
schen der Einführung dieser Regelung und dem Jahr
2007 um 36 Prozent zurückgegangen ist.
Darum ist für mich nicht nachvollziehbar, warum die
Union seit über zehn Jahren versucht, diese medizini-
sche Indikation mit dem Hinweis auf sogenannte Spätab-
brüche auszuhöhlen. In vielen interfraktionellen Runden
und einer Vielzahl von Einzel- und Ausschussanhörun-
gen sollte ein Handlungsbedarf nachgewiesen werden.
Bis 2005 wurde dieser von einer übergroßen Mehrheit
verneint.
Heute liegen zwei Gesetzentwürfe und zwei Anträge
vor. Alle Beteiligten haben sich in einem intensiven Pro-
zess aufeinander zubewegt. Ich danke Ihnen dafür. Es
bleiben aber Differenzen, die unüberbrückbar sind. An
der Frage, woran das liegt, zeigt sich, dass wir offen-
sichtlich unterschiedliche Vorstellungen davon haben,
wie sich Frauen sowie Ärzte und Ärztinnen in dieser
schwierigen Situation verhalten.
Ich kenne keinen Fall, in dem ein Arzt, wenn er die
Diagnose bekannt gibt, bereits ein freies Bett bereithält.
Er würde sich damit im Übrigen strafbar machen; denn
es muss ein anderer sein, der den Abbruch vornimmt.
(Beifall der Abg. Elke Ferner [SPD])
Ich kenne auch keine Frau, die sich leichtfertig für den
Abbruch einer Wunschschwangerschaft entscheidet. In-
sofern sehe ich keine Notwendigkeit, Frauen in Grenz-
situationen zu drangsalieren oder Ärzte zu kriminalisie-
ren.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LIN-
KEN)
Mir ist dieses Misstrauen gegenüber Frauen und Ärzten
fremd.
Darum unterstütze ich auch nicht den Vorschlag, be-
zogen auf Ärzte zusätzliche Ordnungswidrigkeiten ein-
zuführen. Eine gesetzeswidrige Indikation oder ein ge-
setzeswidriger Abbruch sind schon heute strafbar. Das
Strafgesetzbuch sieht hierfür Geld- oder Freiheitsstrafen
vor.
Ich lehne aber auch weitergehende statistische Erhe-
bungen ab. Herr Kollege Singhammer, warum glauben
Sie eigentlich, dass ein Arzt einen Fetozid verschweigt
und in der Statistik eine Fehlgeburt oder eine Totgeburt
angibt? Wenn dem so wäre, müssten deren Zahlen an-
steigen. Das ist aber nicht der Fall. Ich weiß nicht, was
man mit einer solchen Statistik erreichen will.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LIN-
KEN)
Ich komme zu einem Punkt, bei dem wir uns einig
sind. Das ist die verbesserte Beratung Schwangerer, ge-
rade bei einem auffälligen Befund. Schon heute haben
Schwangere einen Rechtsanspruch auf Beratung, und
zwar sowohl auf eine medizinische als auch auf eine
psychosoziale Beratung. Aus der Praxis wissen wir aber,
dass diese vielfach nur unzureichend erfolgt. Darum
wird der Arzt nach dem Gesetzentwurf von Christel
Humme, mir und anderen dazu verpflichtet, die Schwan-
gere auf ihren Rechtsanspruch hinzuweisen und im Ein-
vernehmen mit ihr einen Kontakt zu einer Beratungs-
stelle zu vermitteln, wobei die Schwangere dieses
Vermittlungsangebot ablehnen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere ältere
Schwangere – in der heutigen Zeit ist es häufig so, dass
Frauen das erste Kind erst sehr spät bekommen – sind ei-
nem Automatismus von pränataldiagnostischen Untersu-
chungen ausgesetzt, ohne über Chancen und Risiken
ausreichend informiert zu werden. Das wollen wir än-
dern. Wir wollen, dass Schwangere die Untersuchung
ablehnen können und dass so ihr Recht auf Nichtwissen
gewahrt wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt; denn wir
wissen, wie häufig Frauen Probleme haben, dem Arzt zu
sagen: Ich will diese Untersuchung nicht. – Wir schrei-
ben dieses Recht fest.
Ein wesentlicher Punkt, in dem sich die beiden Ge-
setzentwürfe unterscheiden, ist die Bedenkzeit zwischen
Diagnose und medizinischer Indikation. Wir sind uns
darüber einig, dass Frauen in dieser Situation eine aus-
reichende Bedenkzeit benötigen – in der Regel sind das
drei Tage; das können aber auch 14 Tage sein –, um sich
mit Menschen ihres Vertrauens zu beraten. Aber eine
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24201
(A) (C)
(B) (D)
Irmingard Schewe-Gerigk
starre Frist von mindestens drei Tagen ist in manchen Si-
tuationen – das ist individuell verschieden – eine Zumu-
tung für die Frauen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN-
KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN – Widerspruch der Abg. Ina Lenke
[FDP])
Warum muss man eine Frau quälen, die aufgrund einer
schweren genetischen Veränderung zum wiederholten
Mal die Schwangerschaft abbrechen musste und sich
schon mit dieser Situation auseinandergesetzt hat? Ich
muss Ihnen sagen: Ich empfinde es als eine Anmaßung
der Politik, dieser Frau eine Frist von drei Tagen vorzu-
schreiben. Politik kann nicht alles regeln.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Schewe-Gerigk.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Ja, ich komme zum Schluss.
Ich möchte nicht, dass gut zehn Jahre nach der Ab-
schaffung der embryopathischen Indikation deren Rege-
lungen in die medizinische Indikation übernommen wer-
den. Daher bitte ich Sie um die Zustimmung zu dem
Gesetzentwurf, aber auch zu dem Antrag von Christel
Humme, mir und anderen, in dem der Ausbau der Früh-
förderung und weitere Verbesserungen für das Leben
von Kindern mit Behinderungen vorgesehen sind. Men-
schen mit Behinderungen gehören in die Mitte unserer
Gesellschaft.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Ingrid Fischbach.
Ingrid Fischbach (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
bin froh und dankbar, dass sich so viele Kolleginnen und
Kollegen bewegt haben, dass sie alles versucht haben,
um einen Kompromiss zu erzielen, der denen zugute-
kommt, die am meisten betroffen sind, nämlich den Vä-
tern und Müttern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich freue mich, dass wir persönliche Befindlichkeiten,
die sicherlich jeder an der einen oder anderen Stelle hat,
zurückgestellt haben, weil wir eine Lösung für die Eltern
wollen. Diese haben wir heute vorgelegt. Dass dies nach
zehn Jahren geschafft wurde – ich bin so lange im Parla-
ment und habe die Beratungen miterlebt –, ist für mich
eine gute, eine wichtige Erfahrung, die ich nicht missen
möchte. Denn die Beratungen erfolgten in einer Art und
Weise, die zeigt, dass wir im Parlament die Sache im
Auge haben. Das hat gutgetan. Insofern sage ich ein
herzliches Dankeschön an alle.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Die allermeisten Schwangerschaften, die aufgrund ei-
ner medizinischen Indikation abgebrochen werden, wer-
den beendet, weil in einer vorgeburtlichen Untersuchung
festgestellt wurde, dass das Kind schwerkrank oder
schwerbehindert sein wird. In diesen besonderen Fällen
liegt es auf der Hand, dass die Eltern vor allem zwei
Dinge brauchen.
Erstens brauchen sie eine fundierte Aufklärung da-
rüber, was das Ergebnis der vorgeburtlichen Untersu-
chung eigentlich bedeutet: Wie wird sich diese Krankheit
oder Behinderung auf das Leben des Kindes auswirken?
Welche Auswirkungen hat dieses Ergebnis auf das ge-
meinsame Familienleben, auf die Eltern?
(Christel Humme [SPD]: Und das in
drei Tagen?)
Deshalb ist es gut, dass wir in dem Gesetzentwurf
festgeschrieben haben, dass der Arzt, der den Eltern das
Untersuchungsergebnis übermittelt, andere Ärzte hinzu-
zieht, die Erfahrung mit der diagnostizierten Gesund-
heitsschädigung bei geborenen Kindern haben. Bei ih-
nen können die Eltern sofort Fragen stellen. Sie erhalten
keine abstrakte Mitteilung, sondern sie können fragen:
Wie geht es weiter? Wie sieht das Leben aus? Was pas-
siert da? Das ist eine gute Regelung. Deshalb sage ich an
der Stelle ein herzliches Dankeschön dafür, dass wir das
einbezogen haben.
Frau Bender, es ist anders, als Sie gesagt haben.
Selbst wenn man so eine Untersuchung durchführen
lässt, geht man immer vom Prinzip Hoffnung aus. Das
heißt, die Eltern, die die Untersuchung durchführen las-
sen, hoffen, dass das Ergebnis nicht schwerwiegend sein
wird. Deshalb sind sie schockiert, wenn das Ergebnis so
ist, wie es ist – da widerspreche ich Ihnen eindeutig –,
und deshalb brauchen sie Zeit, um das Gehörte zu ver-
arbeiten.
Zweitens brauchen die Eltern eine fundierte Beratung,
die über die medizinischen Aspekte des Befundes hin-
ausgeht. Schon längst ist im Schwangerschaftskonflikt-
gesetz festgeschrieben, dass Eltern in jeder Schwanger-
schaft das Recht haben, unabhängige Beratung in
Anspruch zu nehmen. Dieser Gesprächsrahmen, in dem
Eltern offen ihre Fragen stellen und ihre Ängste ausspre-
chen können, ist nach einem auffälligen Untersuchungs-
ergebnis besonders wichtig. Eltern, die in einer solchen
Konfliktsituation das Glück hatten, an eine gute Bera-
tungsstelle zu geraten, sind später sehr dankbar dafür.
Aber es kann doch nicht sein, dass es als Glücksfall be-
trachtet werden muss, wenn die Eltern so eine Beratung
bekommen. Sie haben einen Rechtsanspruch auf Bera-
tung. Es gibt gute Beratungsstellen; aber sie sind zu we-
nig bekannt.
Ich denke deshalb, dass wir hier eine sehr gute Rege-
lung gefunden haben: Der Arzt muss nicht nur auf die
24202 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Ingrid Fischbach
psychosozialen Beratungsangebote hinweisen, sondern
muss den Eltern auch den Kontakt zu den entsprechen-
den Beratungsstellen vermitteln; er hat zukünftig die Be-
ratungspflicht. Bei den Eltern bleibt es, wie gehabt – das
ist deutlich festzustellen –, bei einem Beratungsrecht.
Die Eltern brauchen ein Weiteres – unsere Ansichten
hierzu unterscheiden sich eindeutig –: Sie brauchen Zeit,
um eine tragfähige Entscheidung über ihr weiteres Vor-
gehen zu treffen; denn diese Entscheidung wird sie ihr
ganzes Leben begleiten. Sprechen Sie mit den Eltern, die
diese Entscheidung getroffen haben! Sie sind dankbar,
wenn sie in Ruhe darüber nachdenken können, wenn sie
sich beraten können. Deshalb werbe ich an dieser Stelle
sehr dafür, den gemeinsamen Gruppenantrag zu unter-
stützen, der eine Bedenkzeit von mindestens drei Tagen
festschreibt. Die Bedenkzeit ist eine Hilfestellung für die
Eltern; diese Möglichkeit sollten wir nicht ungenutzt las-
sen. Die Entscheidung darüber, ob die Schwangerschaft
beendet wird, wenn eine medizinische Indikation vor-
liegt, ist so schwerwiegend, dass die Eltern in Ruhe da-
rüber nachdenken sollten, und zwar unabhängig davon,
ob sie sich im Zweifelsfall für das Kind mit einer schwe-
ren Behinderung entscheiden oder die Entscheidung tref-
fen, dass sie das nicht können.
(Christel Humme [SPD]: Das haben wir heute
schon!)
Ich denke, beide Entscheidungen sind wertfrei. Die El-
tern müssen aber die Zeit und die Möglichkeit haben,
diese Entscheidung in Ruhe zu treffen.
Ich glaube, wir werden nicht umhinkommen, im An-
schluss an die Verabschiedung eine Evaluierung des Ge-
setzes durchzuführen und zu schauen: Ist das, was wir
auf den Weg bringen wollen, richtig? Kommen die Hil-
festellungen an? Haben beispielsweise die Ärzte die
Möglichkeit, in ihren Praxen zu beraten? Diese Fragen
sollten nach der Verabschiedung des Gesetzes beantwor-
tet werden.
Am Ende möchte ich einräumen, dass es nicht reicht,
zu glauben, mit diesem Gesetzentwurf habe man alles
erledigt. Wir müssen es in unserer Gesellschaft schaffen
– hier spreche ich auch die Kirchen und die Wohlfahrts-
verbände an –, gemeinsam nach langfristigen Ansätzen
zu suchen, die es Familien erleichtern, ein Kind anzu-
nehmen, unabhängig davon, ob es behindert ist oder
nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Wolfgang Spanier ist der nächste Redner.
Wolfgang Spanier (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
kann mich noch gut an die äußerst schwierigen Diskus-
sionen im Deutschen Bundestag über die Reform des
§ 218 erinnern. Damals war ich neu in den Bundestag
gekommen. Ich weiß, wie schwer dieser Kompromiss
zustande gekommen ist. Ich weiß, dass er ein hohes Gut
darstellt. Ich hoffe, dass weder dieser Deutsche Bundes-
tag noch der nächste an diesem Kompromiss rüttelt.
(Ilse Falk [CDU/CSU]: Das will keiner!)
Ich weiß aber auch, dass seit 1995 immer wieder ver-
sucht wurde, genau an der Stelle der medizinisch-sozia-
len Indikation anzusetzen. Mich treibt die Sorge um, ob
wir hier vielleicht nicht doch – fassen Sie es nicht als
Unterstellung auf! – die Tür ein Stückchen öffnen.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ein
Stückchen? Ein ganz schön großes Stück-
chen!)
Wir diskutieren – das weiß ich – über das Schwanger-
schaftskonfliktgesetz. Die Debatte hat sich aber im
Laufe der Zeit verschoben: vom Thema Spätabtreibun-
gen – 231 Fälle im Jahr 2008 – hin zur medizinisch-so-
zialen Indikation, aufgrund der es im Jahr 2008 zu
3 000 Abbrüchen kam. Ich glaube, man muss diese Zah-
len einmal nennen; die Bewertung überlasse ich jedem
Einzelnen von Ihnen.
Natürlich handelt es sich hier um eine Gewissensent-
scheidung. Jeder Einzelne von uns muss diese Entschei-
dung treffen.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Frauen
aber auch! Es betrifft Frauen vor allen Din-
gen!)
Es ist selbstverständlich, dass man die Entscheidung des
Andersdenkenden respektiert. Die Entscheidung ver-
langt eine sorgfältige Prüfung. Es muss auch möglich
sein – davon nehme ich mich selbst nicht aus –, aufgrund
dieser Debatte heute seine ursprüngliche Position zu kor-
rigieren, selbst wenn man eine der Vorlagen unterzeich-
net hat.
Wir sind uns einig: Die betroffenen Frauen und Paare
befinden sich in einer äußerst schwierigen Situation, in
der Tat in einer Grenzsituation. Wir sind uns auch einig:
Es bedarf einer sorgfältigen Beratung, und es bedarf der
Hilfe und Unterstützung der Frauen. Wir sind uns ferner
einig – das ist wichtig –: Wir schützen das Recht der
Frauen, diese Angebote nicht anzunehmen. Ist es dann
aber richtig, dass vorgeschlagen wird, eine starre Zeit-
vorgabe von drei Tagen vorzusehen? Wird durch diese
Zwangsfrist nicht doch Druck auf die Frauen ausgeübt?
Dass man Zeit braucht, ist schließlich völlig unbestritten.
(Ina Lenke [FDP]: Aber das ist nicht starr! Es
heißt doch: mindestens drei Tage! Mein Gott,
haben Sie das denn immer noch nicht verstan-
den?)
Was die zusätzlichen Sanktionen gegenüber Ärzten
angeht, ist klar gesagt worden: Auch dabei handelt es
sich um Druck, der auf die Ärzte ausgeübt wird. Steckt
dahinter nicht möglicherweise ein Misstrauen gegenüber
den Ärzten?
Stehen diese beiden Aspekte nicht im Widerspruch
zur Intention des Gesetzgebers, Frauen, die sich in dieser
Grenzsituation befinden, bei ihrer Gewissensentschei-
dung zu helfen? Meiner Meinung nach sollte in dieser
Situation kein Druck ausgeübt werden.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24203
(A) (C)
(B) (D)
Wolfgang Spanier
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN-
KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN)
Das Argument, mit dieser Regelung werde sicherge-
stellt, dass eine Beratung durchgeführt wird, ist für mich
nicht überzeugend.
Besonders problematisch finde ich den zweiten Teil
des Gesetzentwurfes, den sogenannten Statistikteil. Si-
cherlich haben Sie alle die Begründung des Gesetzent-
wurfes sehr sorgfältig gelesen, wie auch ich es getan
habe; sie gehört schließlich dazu. Darin ist wieder ein-
mal nur von der medizinischen Indikation die Rede. Das
zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Ge-
setzentwurf von Singhammer, Griese und anderen.
Aufschlussreich ist, dass alle Methoden eines
Schwangerschaftsabbruchs mit minutiöser Genauigkeit
erfasst werden sollen. Es soll auch erfasst werden, wie
häufig Abbrüche nach dieser medizinischen Indikation
vorgenommen werden. Ich stelle die Frage: Brauchen
wir als Parlament diese Informationen überhaupt, wenn
es uns um die Hilfe und Unterstützung der Frauen geht?
Das bezweifle ich. Deswegen habe ich mich nicht ge-
wundert, dass selbst Frau Griese als eine der Verfasserin-
nen dieses Gesetzentwurfes dem Parlament empfohlen
hat, seinen zweiten Teil abzulehnen. Noch einmal: Lesen
Sie bitte die Begründung; denn sie gehört dazu. Ich
glaube, dass sie meine Sorgen ein Stück weit rechtfer-
tigt.
Mein Fazit: Wir sollten auf keinen Fall den 1995 er-
reichten Kompromiss antasten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir sollten auf Menschen, die sich in einer äußerst
schwierigen Situation befinden – ich habe diese Situa-
tion vor wenigen Monaten bei meiner eigenen Schwie-
gertochter miterlebt –, keinen Druck ausüben. Wir soll-
ten auch keinen Druck auf die Ärzte ausüben. Wir sind
uns einig: Wir sollten den schwangeren Frauen und ihren
Partnern in dieser sehr schwierigen Konfliktsituation
über die Beratungsphase hinaus ein umfassendes Ange-
bot an wirkungsvoller Hilfe und Unterstützung machen.
(Elke Ferner [SPD]: Ja! – Dr. Kirsten
Tackmann [DIE LINKE]: Eben!)
Ich persönlich unterstütze aus voller Überzeugung
den Gesetzentwurf der Kollegin Humme und anderer.
Ich bedanke mich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Sibylle Laurischk.
(Beifall bei der FDP)
Sibylle Laurischk (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bun-
desverfassungsgericht hat uns in seiner Entscheidung
vom Mai 1993 aufgegeben, aus Gründen des Schutzes
des ungeborenen Lebens die weitere Entwicklung des
Konzepts zu beobachten und gegebenenfalls Korrektu-
ren vorzunehmen. Wir wollen nicht den § 218 StGB än-
dern.
(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])
Diese sehr grundsätzliche Aussage ist aus Sicht der FDP
notwendig, und sie entspricht unserem Selbstverständ-
nis.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der
Abg. Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU])
Die öffentliche Diskussion über Spätabtreibungen er-
fordert allerdings eine Antwort des Bundestages. Es geht
um eine Situation, in der die werdenden Eltern, insbe-
sondere aber die schwangeren Frauen aufgrund der me-
dizinischen Möglichkeiten vielleicht zum ersten Mal und
auf sehr dramatische Weise mit der Frage konfrontiert
werden, wie sie als Eltern bzw. als Mütter mit dieser gro-
ßen Belastung und mit dieser Konfliktlage umgehen sol-
len. Ein schneller Entscheidungsprozess ist hier weder
möglich noch sinnvoll. Es ist notwendig, dass eine Frau
in dieser Situation nachdenken kann, dass sie die Zeit
und die Möglichkeit hat, Beratung zu finden. Das ist das
Anliegen, das wir Abgeordnete der FDP-Fraktion schon
mit unserem ursprünglichen Gesetzentwurf verfolgten.
Wir wollen, dass eine Frau – sie steht nicht vor einer
Abtreibung, sondern vor der Geburt; nichts anderes ist
der Fall bei einer sogenannten Spätabtreibung – weiß,
worüber sie entscheidet, wie sie die weitere Entwicklung
verkraften kann, wie sie Abschied nehmen kann, wie sie
mit der Möglichkeit, dieses Kind zu bekommen, umge-
hen kann, wie sie vielleicht auch damit umgehen kann,
ein Kind, das nicht lebensfähig ist, auszutragen und dann
Abschied von ihm zu nehmen.
Bei dieser Frage geht es auch um die Problematik
– dessen ist man sich vielleicht noch zu wenig bewusst –:
Wie geht es weiter, nachdem ein behindertes Kind, das
lebensfähig ist, geboren wurde? Ist es der Mutter, den
Eltern vielleicht möglich, es nach der Geburt abzuge-
ben? Wir müssen uns fragen: Wie wird mit behinderten
Kindern, über die in einer Konfliktlage entschieden wor-
den ist, umgegangen?
Wir brauchen gute psychosoziale Beratung. Ich
glaube, es ist auch für Ärzte eine Entlastung, zu wissen,
dass, wenn sie eine medizinische Indikation stellen, der
Frau diese zusätzliche Beratung angeboten wird. Nichts
anderes wollen wir Abgeordnete der FDP, die diesen ge-
meinsamen Gesetzentwurf unterstützen. Wir sind aller-
dings kritisch, was den Statistikteil des Gesetzentwurfs
angeht, zumindest in Teilen. Wir wollen nämlich nicht,
dass hier eine Plattform für weitere Diskussionen aufge-
macht wird.
Ich möchte mich bei den Kollegen aus der Gruppe
Humme/Schewe-Gerigk ausdrücklich für die sehr kon-
struktive und sehr tief gehende Diskussion bedanken.
Ich glaube, ich habe in meiner Tätigkeit als Abgeordnete
noch keine Diskussion erlebt, bei der so sehr um eine
gute Lösung gerungen wurde wie hier. Wir haben uns
24204 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Sibylle Laurischk
mit der Fragestellung sehr ernsthaft und grundsätzlich
befasst. Vielen Dank dafür allen Kollegen!
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/
CSU und der SPD sowie des Abg. Wolfgang
Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir heute
zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen – im Inte-
resse der Frauen, der Kinder, der Ärzte, ganz besonders
aber im Interesse einer humanen Gesellschaft.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/
CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der Kollege Dr. Harald Terpe ist der nächste Redner.
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Keine Frau, kein Paar entscheidet sich leichtfertig für ei-
nen Schwangerschaftsabbruch. Wenn die Schwangere
bei einer Vorsorgeuntersuchung erfährt, dass ihr Kind
möglicherweise schwer krank oder behindert zur Welt
kommt, dann geschieht dies zu einem Zeitpunkt, zu dem
sie zu ihrem Kind meist schon eine Beziehung aufgebaut
hat. Umso schwerer wird für sie die Entscheidung, die
Schwangerschaft abzubrechen.
Wir haben heute bereits gehört, wie entscheidend in
einer solchen Situation medizinische und psychosoziale
Beratung ist und wie wichtig es sein kann, der betroffe-
nen Frau bzw. dem Paar auch nichtärztliche Beratung zu
vermitteln; denn diese Beratung kann helfen, die seeli-
sche Not zu bewältigen, und eine individuelle Zukunfts-
entscheidung ermöglichen.
In der Diskussion wird oft vergessen, wie grundsätz-
lich der Entschluss ist, die Schwangerschaft mit dem ei-
gentlich gewünschten Kind abzubrechen, und wie wich-
tig es daher für die Schwangere bzw. das Paar ist, vor
einer solch schweren Entscheidung innezuhalten, zur
Ruhe zu kommen.
Rund die Hälfte aller betroffenen Frauen sagen im
Nachhinein, sie wüssten nicht, ob diese Entscheidung
die richtige gewesen sei. Wir sollten daher alles tun, da-
mit die betroffenen Frauen Zeit zur Entschleunigung be-
kommen,
(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])
Zeit für eine durchdachte Entscheidung, mit der sie auch
langfristig leben können.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Das Nachdenken, das Abwägen von Konsequenzen
und die Möglichkeit zum Innehalten sind entscheidend
für die seelische Verarbeitung. Dies gilt nicht nur für den
Fall, dass die Schwangerschaft fortgesetzt wird, sondern
auch für den Fall des Abbruchs der Schwangerschaft mit
Blick auf das Abschiednehmen und die Trauer um das
Kind.
In der Diskussion der letzten Monate haben wir erfah-
ren, dass rund einem Drittel der Frauen diese Zeit nicht
gegeben wird. Es werden Abbrüche vorgenommen, ob-
wohl die Diagnose einer möglichen Behinderung nicht
einmal 48 Stunden zurückliegt. Als Arzt frage ich mich
natürlich, wie in einer solch kurzen Zeit eine zuverläs-
sige medizinische Indikation gestellt werden kann, wenn
nicht gerade das Leben der Schwangeren akut bedroht
ist. Vor diesem Hintergrund sind wir als Gesetzgeber in
der Pflicht, den betroffenen Frauen die Zeit zu garantie-
ren, die sie für ihre Entscheidung brauchen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Wir dürfen die Frauen in dieser Schocksituation nicht
dem freien Spiel der Kräfte überlassen, zum Beispiel
dem Drängen auf eine schnelle Entscheidung, sei es von-
seiten der Ärzte, des Partners oder auch allgemein von
einer nicht immer behindertenfreundlichen Gesell-
schaft. Das Wissen, sich nicht sofort entscheiden zu
müssen, kann viel dazu beitragen, den Druck auf Frauen
zu vermindern.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Die Mindestzeit von drei Tagen entspricht bereits
heute in vielen Fällen der Praxis und stellt sicher, dass
niemand die Schwangere zu einer vorschnellen Ent-
scheidung drängen kann. Im Gegensatz zum Gesetzent-
wurf der Kollegin Humme und anderer beginnt diese
Frist bereits zum Zeitpunkt der Diagnose und nicht erst,
nachdem der Arzt bereits die medizinische Indikation für
einen Abbruch gestellt hat.
(Christel Humme [SPD]: Das stimmt so
nicht!)
Letzteres kann nämlich wirklich zu einer Verzögerung
und unnötigen Belastung der betroffenen Frauen führen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu dem Vor-
wurf sagen, wir würden mit unserem Gesetzentwurf ein
grundsätzliches Misstrauen gegenüber Ärztinnen und
Ärzten zum Ausdruck bringen. Das ist falsch. Die Ärzte-
schaft selbst hat um eine gesetzliche Regelung – auch
der dreitägigen Bedenkfrist – gebeten.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aber
nicht die Gynäkologen!)
Diese Bitte nach einer gesetzlichen Klarstellung
kommt von Menschen, die in der Praxis mit diesem
Thema befasst sind. Es handelt sich hier also nicht um
einen Akt des Misstrauens. Im Gegenteil: Wir schaffen
auch für Ärztinnen und Ärzte Rechtssicherheit.
Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir niemanden
gängeln. Wir wollen Frauen und Paaren helfen. Wir wol-
len sie bei einer der unbestreitbar schwersten Entschei-
dungen unterstützen, die sie in ihrem Leben zu treffen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24205
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Harald Terpe
haben. Ich bitte die Unentschiedenen, den Gesetzentwurf
der Gruppen Griese, Lenke und Singhammer zu unter-
stützen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Maria Eichhorn.
Maria Eichhorn (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine Schwangerschaft ist ein herausragendes Ereignis
im Leben einer Frau und ihres Partners. Wenn der Arzt
bei der Untersuchung aber sagt, dass bei ihrem Kind et-
was nicht in Ordnung ist, bricht für diese Frau die Welt
zusammen. Viele Fragen, Lähmung und Schock. Wie
geht es weiter? Die betroffenen Frauen wollen nicht
wahrhaben, dass ausgerechnet ihr Kind behindert sein
soll. Wenn dann der Arzt auf eine mögliche Abtreibung
hinweist, erscheint das schnell als Lösung.
Nippert hat in einer Untersuchung festgestellt, dass
ein Drittel der Spätabbrüche innerhalb von drei Tagen
stattfindet. Die Fachleute sind der Meinung, dass es be-
rechtigte Zweifel daran gibt, ob eine solche Entschei-
dung auf Dauer verkraftet werden kann, wenn der Ab-
bruch im Schockzustand erfolgt.
Bei der Neuformulierung des Abtreibungsrechts von
1995 – Frau Schewe-Gerigk hat bereits darauf hingewie-
sen – wurde die sogenannte embryopathische Indikation
als eigener Tatbestand abgeschafft und bei der medizini-
schen Indikation aufgenommen. In der Begründung dazu
wurde damals klargestellt – ich zitiere –, „dass eine Be-
hinderung niemals zu einer Minderung des Lebensschut-
zes führen kann“. Die Praxis der Spätabtreibung ist je-
doch anders verlaufen als beabsichtigt. Allein der
Verdacht auf eine Behinderung ist heute Grund für eine
Abtreibung. Durch die sogenannte Kind-als-Schaden-
Rechtsprechung sehen sich Ärztinnen und Ärzte genö-
tigt, in Richtung Abbruch zu beraten.
Als damalige Verhandlungsführerin hat mich diese
Entwicklung betroffen gemacht. Seit Anfang 1999 hat
die Unionsfraktion nach Lösungen gesucht, um diese
Entwicklung aufzuhalten. Bereits zweimal wurde von
uns ein Antrag zur Vermeidung von Spätabtreibungen
eingebracht – leider ohne Erfolg. Bedauerlicherweise ist
es trotz Koalitionsvertrag nicht gelungen, mit unserem
Koalitionspartner einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu
formulieren. Dass heute ein fraktionsübergreifender
Kompromiss zur Abstimmung steht, ist eine große parla-
mentarische Leistung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Ich bin mir sicher, dass es durch die Umsetzung des
vorliegenden Gruppengesetzentwurfes zu einer wesent-
lichen Verbesserung der im Zusammenhang mit Spätab-
treibungen bestehenden Situation kommen wird.
Wenn die Schwangere erfährt, dass sie ein behinder-
tes Kind erwartet, darf sie mit dieser Diagnose nicht al-
leingelassen werden. Während der Arzt über die Behin-
derung selbst und mögliche Folgen aufklärt, ist ebenso
eine psychosoziale Beratung notwendig, wie das heute
schon öfter erklärt wurde. Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen von der Linken, diese Beratung begleitet die Frau,
wenn sie es wünscht, weit über den Tag der Entschei-
dung hinaus – wenn es notwendig ist, drei Jahre lang.
Das wird von den Beratungsstellen geleistet.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wenn
sie eine findet, ja!)
In einer Untersuchung von Rohde/Woopen wird festge-
stellt, dass die psychosoziale Beratung dann von den Be-
troffenen wahrgenommen wird, wenn der Arzt sie ver-
mittelt. Ein reiner Hinweis ist nicht ausreichend. Daher
wird der Arzt in unserem Gesetzentwurf zur Beratung
und zur Vermittlung an eine psychosoziale Beratungs-
stelle verpflichtet.
Selbstverständlich hat jede Schwangere das Recht auf
Nichtwissen. Wenn jedoch ein auffälliger Befund vor-
liegt, dann sind genauere Kenntnisse der Diagnose für
die Schwangere eher entlastend und ist eine Beratung
dringend erforderlich und hilfreich, wie die Untersu-
chungen ergeben. Das oft zitierte Selbstbestimmungs-
recht der Frauen wird nicht gestärkt, wenn ihr in einer so
schweren Krisensituation Hilfe und Unterstützung vor-
enthalten würden. Die betroffenen Frauen müssen in
Ruhe überlegen können, und deswegen ist eine rechtlich
geschützte Mindestbedenkzeit von drei Tagen ab dem
Zeitpunkt der Diagnose notwendig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind uns
dessen bewusst: In diesem Dilemma gibt es keine gute
Entscheidung. Es gibt nur eine, die eher zu ertragen ist.
Diese Entscheidung muss reifen können, um sich später
nicht quälende Vorwürfe machen zu müssen.
Die heutige Abstimmung ist eine Gewissensentschei-
dung, unabhängig von Partei- und Verbandspolitik. Jeder
von uns hat heute zu entscheiden, wie in einer so extre-
men Konfliktsituation der Schwangeren und deren Part-
ner am besten geholfen werden kann. Ebenso muss uns
allen aber bewusst sein, dass auch behinderte ungebo-
rene Kinder unseres Schutzes bedürfen. Ich bin über-
zeugt, dass der gemeinsame Gruppengesetzentwurf die
richtige Antwort ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Michael
Goldmann.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Hans-Michael Goldmann (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Viele von Ihnen kennen das große Glück – ich
24206 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Hans-Michael Goldmann
habe es vor kurzem als Opa erlebt –, wenn ein gesundes
Kind geboren wird. Leider erleben aber auch viele Men-
schen in unserer Gesellschaft den Albtraum, dass mög-
licherweise ein schwerstbehindertes Kind zu Welt ge-
bracht wird. Dass wir uns heute mit diesem Sachverhalt
beschäftigen, ist notwendig; denn die Zahlen sind bedrü-
ckend. Zwar sterben in vielen Bereichen unserer Gesell-
schaft täglich viel mehr Menschen aus anderen Gründen;
aber wenn man bedenkt, dass die Lebensfähigkeit schon
nach der 20. Schwangerschaftswoche besteht, sind es
durch Spätabtreibungen immerhin zwei Menschen pro
Werktag. 600 pro Jahr sind für uns Verpflichtung, sich
um diesen Sachverhalt zu kümmern.
Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass wir nach
langem Ringen in guter, gemeinsamer Arbeit heute über
Gesetzentwürfe beraten, die von Respekt gegenüber der
Position der einzelnen Gruppen getragen sind.
Die Abgeordneten Humme, Singhammer, Griese und
Lenke liegen in ihren Positionen dicht beieinander. Sie
wollen mit ihren Gesetzentwürfen in einer sehr schwieri-
gen Situation Hilfe bieten. Ich finde, Aufgabe des Ge-
setzgebers in dieser Situation ist, den Weg zur Hilfe auf-
zuzeigen.
Ich bin enttäuscht von der Position, liebe Kirsten
Tackmann, die du vorhin eingenommen hast. Niemand
will die Tür zum § 218 Strafgesetzbuch wieder aufma-
chen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/
CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Das sage ich ganz persönlich. Liebe Kollegin Tackmann,
vielleicht können wir uns einmal darüber unterhalten,
wie es war, wenn man als katholischer Christ in der FDP
für die Regelung des § 218 eingetreten ist. Man hat das
eine oder andere ertragen müssen. Deswegen bitte ich
sehr darum, auch die Positionen derjenigen mit Respekt
zu behandeln, die eine andere Position als die der Links-
partei vertreten, die du vorhin in deinen Ausführungen
zum Ausdruck gebracht hast.
Wir stehen vor der Herausforderung, eine Konfliktsi-
tuation möglichst auf gesetzgeberischem Wege zu lösen.
Ich bin dankbar für das, was Herr Dr. Terpe vorhin ge-
sagt hat. Es geht um Aufklärung und Beratung, und zwar
um freie Beratung. Es geht nicht so sehr darum, jeman-
dem ein Informationsrecht aufzuzwingen; es geht auch
um ein Recht auf Nichtwissen. Es ist eine sehr wichtige
Entscheidung für die betroffenen Menschen, weil sie mit
ihrer Entscheidung auf ihrem späteren Lebensweg wahr-
scheinlich sehr häufig konfrontiert werden.
Lassen Sie mich noch etwas zu der dreitägigen Be-
denkzeit sagen. Ich finde es nicht korrekt, wenn so getan
wird, als ob es nur um einen Block von drei Tagen gehe.
Das stimmt doch nicht. Es geht um mindestens drei Tage
Bedenkzeit. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es
gerade in dieser Situation entscheidend darauf ankommt,
eine Bedenkzeit im Gesetz zu verankern, weil es in einer
solchen Schocksituation notwendig ist, Bedenkzeit zu
haben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/
CSU und der SPD)
Insofern liegt ein kluger Kompromiss vor. Deswegen
bitte ich darum: Lassen Sie uns gemeinsam eine mög-
lichst gute Lösung finden. Ich bin der Meinung, dass
sich beide Gruppengesetzentwürfe relativ überzeugungs-
orientiert auf einen Kompromiss zubewegen lassen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/
CSU und der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Kollegin Andrea Nahles hat nun das Wort.
Andrea Nahles (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es gibt im Deutschen eine sehr schöne Um-
schreibung für die Schwangerschaft, nämlich „guter
Hoffnung sein“. Mit guter Hoffnung gehen 85 Prozent
der Schwangeren zu einer vorgeburtlichen Untersu-
chung. Immer ist damit die Erwartung verbunden, dass
es die Bestätigung gibt: Mein Kind ist gesund. Aber lei-
der ist das nicht immer der Fall.
In dem Moment entsteht Druck. Er kommt nicht von
außen, sondern er entsteht tief im Inneren. Denn nach
dieser Diagnose steht nur noch eine Entscheidung im
Raum: Für welchen Schmerz soll man sich entscheiden:
den Schmerz, sein Wunschkind nicht zu bekommen,
oder den Schmerz, ein Kind zu bekommen, das ganz an-
ders ist, als man es sich gewünscht hat? Darum geht es.
Ich finde es wichtig, dass man sich in einer solchen Si-
tuation darüber klar wird, was man will. Die Frauen
müssen spüren können, dass sie Zeit haben, dies in der
Familie zu erörtern. Handelt es sich um Bevormundung,
wenn wir dafür Zeit garantieren wollen? Ich meine, nein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Ich höre oft: Die betroffenen Frauen müssen das al-
leine entscheiden. – Letztendlich entscheidet niemand
anderes als die Betroffenen. Aber bitte „allein entschei-
den“ nicht mit „allein lassen“ verwechseln! Das ist ein
ganz wichtiger Punkt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
18 Prozent der Betroffenen sagen, dass sie sich ausrei-
chend beraten gefühlt haben. 18 Prozent! Wir wollen,
dass der Arzt die Pflicht hat, darauf hinzuwirken, dass es
eine psychosoziale Beratung an einem anderen Ort als in
der Arztpraxis gibt. Psychosoziale Beratung bedeutet,
dass man sich nicht nur mit der eigenen Familie austau-
schen kann, die selber betroffen ist und Abschied von
Hoffnungen nehmen muss, sondern dass man auch je-
mand Drittes anhört, der einem vielleicht ein Fenster öff-
net und andere Vorstellungen in einer solchen Situation
ermöglicht. Das ist für mich Hilfe, damit die Betroffenen
mündig entscheiden können, und keine Bevormundung.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24207
(A) (C)
(B) (D)
Andrea Nahles
Die Bedenkzeit muss ernst genommen werden. Ich
habe in meiner Familie erlebt, dass man sich die Reak-
tionen des Umfeldes nicht immer so schönmalen darf,
wie hier manchmal unterstellt wird. Nicht alle sagen,
dass behindertes Leben auch gelingendes Leben ist. Das
ist eine schöne Vorstellung. Aber oft sehen die Reaktio-
nen ganz anders aus. Von Betroffenen haben wir oft ge-
hört, dass dann solche Sätze kommen wie „Das kann
man heute doch vorher wissen“. Damit wird die Frage
impliziert, ob man das nicht rechtzeitig hätte verhindern
können. Offen gesagt geht es mir bei der Bedenkzeit da-
rum – das ist meine Hoffnung –, dass den Betroffenen
eine Chance gegeben wird und sich ein Fenster öffnet,
damit sie vielleicht Mut fassen, sich für ein behindertes
Kind zu entscheiden. Das darf natürlich nicht mit Zwang
oder Druck geschehen. Aber es sollte sich um eine Op-
tion handeln, die erwogen werden kann. Wenn man in ei-
ner Schocksituation ist und einem nicht die notwendige
Bedenkzeit garantiert wird, ist es vielleicht schwerer.
Um diese Chance geht es mir.
Es ist gut, dass sich im Laufe der Zeit eine sachliche
Debatte herauskristallisiert hat. Es geht um Beratung
und Abwägung. Die Bedenkzeit stellt eine Hilfe und
keine Bevormundung dar.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Göring-
Eckardt.
Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Der Tod des eigenen Kindes ist wohl das Schlimmste,
was Eltern widerfahren kann. Was bedeutet es dann erst,
darüber entscheiden zu müssen? Mit der Diagnose, die
nicht der Erwartung und der Hoffnung entspricht, be-
ginnt für Eltern die schwerste Zeit, eine Zeit voller exis-
tenzieller Fragen, Verzweiflung, Wut und Hilflosigkeit.
Nein, niemand handelt dann leichtfertig. Alles, was von
außen getan werden kann, sind Beratung, Gespräch und
Zuspruch. Dass jemand da ist – enge Vertraute, Fami-
lie –, ist wichtig. Dass jemand über die Krankheit und
die Erwartung informiert, die man an ein Leben mit ei-
nem behinderten Kind haben kann, ist unabdingbar. Dass
jemand professionell berät – ein Psychologe, eine Seel-
sorgerin –, ist mehr als wichtig. Der Kontakt zu Eltern
behinderter Kinder kann helfen, sich über die Herausfor-
derung klar zu werden, aber auch über die Chance, ein
Leben mit Behinderung zu meistern und Freude daran zu
haben.
Die Gespräche können auch zu dem Schluss führen,
dass es zu schwer ist, oder zu dem Schluss – oft
schmerzlich –, dass man loslassen muss. Es kann ein Ge-
spräch sein, das geführt wird, oder es können drei, zehn
oder mehr Gespräche sein. Die Zeit dafür muss vorhan-
den sein, und sie muss vor allem selbstverständlich ge-
währt werden.
Die Debatte hier konzentriert sich darauf, ob ein Zeit-
raum von drei Tagen festzulegen ist und ob dies über-
haupt notwendig ist. Ich sage ganz klar: Nur wenn diese
Spanne im Gesetz verankert ist, nimmt man die Ent-
scheidung aus der Hand anderer und gibt sie in die Hand
der Frau und des Vaters. Darum geht es, nicht um Aus-
nahmefälle. Es geht darum, dass wir nicht sagen, dass es
auch eine angemessene Zeit sein kann. Wer legt diese
angemessene Zeit denn fest? Die Ärztin, der Arzt? Ist es
ein Tag, sind es zehn Tage? Was ist angemessen in einem
Moment, der von Erschrecken und von Schock geprägt
ist, der davon geprägt ist, nicht mehr ein noch aus zu
wissen? Oft haben Ärztinnen und Ärzte für diese Art Be-
ratung keine Ausbildung, arbeiten nicht in einem Zen-
trum und sehen vielleicht in einem Fall von ein- oder
zweitausend Fällen eine Auffälligkeit im Ultraschall.
Wie sollen sie eine Beratung – und das in kurzer Zeit –
leisten können? Gerade darum sind die Beraterinnen und
Berater in den psychosozialen Beratungsstellen so wich-
tig. Der Weg dorthin muss einfach sein. Man muss den
Menschen helfen, den Weg so einfach wie möglich ge-
hen zu können. Darum geht es.
Nach all dem kann die Entscheidung zugunsten des
Lebens des Kindes fallen oder dagegen. Sie kann sich
richtig anfühlen oder noch nach Jahren als falsch. Ich
bitte Sie sehr: Stimmen Sie für die Mütter und Väter, die
es schwer mit ihrem Wunschkind haben. Stimmen Sie
dafür, dass sie Zeit für einen schweren Gang haben, Zeit,
die ihnen niemand nehmen kann, Zeit für eine Entschei-
dung. Sie kann in Unsicherheit gefällt worden sein und
sich am Ende doch bestätigen, aber es soll eine Entschei-
dung sein, mit der Mütter und Väter ihr Leben leben
können. Wenn es uns gelingt, dass nicht Verzweiflung
den Prozess bestimmt, sondern dass Eltern wegen der
Art der Entscheidungsfindung besser oder gar gut mit ih-
rer Entscheidung leben können, dann haben wir etwas
erreicht.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Kollegin Ulla Jelpke ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An so ei-
nem Tag wie heute möchte ich am liebsten nur eine
Stimme abgeben, nämlich die für die ersatzlose Strei-
chung des § 218 StGB.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Seit mehr als 30 Jahren kämpfe ich mit und in der Frau-
enbewegung dafür, dass Frauen selbst bestimmen kön-
24208 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Ulla Jelpke
nen, wann und unter welchen Bedingungen sie sich für
ein Kind entscheiden. Sie wollen keinen Druck und
keine Drohung, sie wollen weder Geld- noch Gefängnis-
strafen. Meines Erachtens wird mit der heutigen Debatte
erneut die Diskussion über den § 218 eröffnet und damit
ein neues, dunkles Kapitel dieser Geschichte aufgeschla-
gen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Gesetzentwürfe, die heute vorliegen, führen einen
Angriff gegen den 1995 gefundenen sogenannten Ab-
treibungskompromiss. Damals entschied der Bundestag,
dass bei medizinischer und kriminologischer Indikation
der Abbruch der Schwangerschaft moralisch und juris-
tisch legitim ist. Deshalb war in diesen Fällen keine
Beratungspflicht vorgesehen. Damals wurde Frauen zu-
gestanden, wenigstens in bestimmten Situationen selbst-
verantwortlich und ohne staatliche Bevormundung zu
entscheiden. Selbst diese, aus Sicht unserer Fraktion
noch viel zurückhaltende liberale Grundhaltung hat zu
wütenden Protesten selbsternannter Lebensschützer ge-
führt.
Heute geht man in den vorliegenden Entwürfen einen
Schritt zurück: Die Indikationslösung des § 218 a wird
zur Disposition gestellt. Der Singhammer-Entwurf stig-
matisiert Frauen außerdem als beratungsbedürftig und
unfähig, selbstverantwortlich über ihre Schwanger-
schaft zu entscheiden.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos] – Ina Lenke
[FDP]: Das stimmt nicht!)
Ich stelle mir durchaus die Frage, warum auf einmal
Namen von Abgeordneten der SPD und auch der Grü-
nen, die sich immer sehr frauenbewegt geben, auf Anträ-
gen von Lebensschützern aus CDU und CSU wiederzu-
finden sind. Ich frage gerade diese Frauen und
Abgeordneten von der SPD und den Grünen: Haben Sie
eigentlich vergessen, dass in Ihren Programmen einmal
die Streichung des § 218 gestanden hat und Ihre Frauen-
organisationen dafür eintraten? Warum unterstützen Sie
heute eine Verschärfung, die vor allen Dingen Frauen
bevormundet?
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Es geht nicht um die 229 Spätabtreibungen, die pro Jahr
vorgenommen werden, sondern um folgende Frage: Wie
viele Rechte sollen Frauen eigentlich noch haben? Das
konservative, rückschrittliche Weltbild sieht ohnehin
vor, dass Frauen nur Kinder gebären – mehr nicht.
Die Fraktion Die Linke gesteht Frauen hingegen die
Fähigkeit zu, in Konfliktsituationen selbst eine verant-
wortliche Entscheidung zu treffen. Wir wollen Lösun-
gen, die Frauen nicht bevormunden; dies sage ich ganz
deutlich.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Auch wir sehen es so, dass in den Gesetzentwürfen
kein direkter Druck auf die Frauen ausgeübt wird. Viel-
mehr wirken sie über Umwege: über die Ärzte. Denn Sie
wissen ganz genau, was passieren wird: Immer weniger
Ärztinnen und Ärzte werden bereit sein, Abtreibungen
vorzunehmen, besonders im ländlichen Raum und in den
katholisch geprägten Bundesländern. Damit leisten Sie
einen Beitrag zum Abtreibungstourismus und ver-
schlechtern die Situation der Frauen, die ohnehin schon
einen starken Konflikt durchleben.
Meine Fraktion wird deshalb die Gesetzentwürfe ab-
lehnen. Es ist leider nicht das erste Mal, dass wir als ein-
zige Fraktion ein Gesetz gegen weitere Verschlechterun-
gen verteidigen müssen, obwohl wir es eigentlich
abschaffen wollen. Dies ist auch kein Zufall; denn die
geplante Verschärfung des § 218 a reiht sich ein in das
konservative Rollback der letzten Jahre gegenüber den
Frauen und auch der Frauenbewegung.
(Beifall bei der LINKEN)
Doch ich bin ganz sicher: Der Rückschritt, den Sie
heute beschließen werden, wird nicht das letzte Wort
sein. Die Frauenbewegung und auch wir an ihrer Seite
werden weiterhin für die Abschaffung des § 218 kämp-
fen.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Renate Schmidt.
Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!
Frau Jelpke, gerade nach Ihrem Beitrag unterstreiche ich
hier sehr deutlich: Diese Debatte war und ist keine Aus-
einandersetzung zwischen Feministinnen und Lebens-
schützern;
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der
FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN)
denn weder wollen Frau Griese, Frau Lenke, Herr
Singhammer oder gar ich Frauen bevormunden noch
wollen Frau Humme, Frau Schewe-Gerigk und andere
das Selbstbestimmungsrecht der Frauen gegen das Le-
bensrecht von Behinderten ausspielen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der
FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN)
Die Schlachten der 80er- und 90er-Jahre müssen Gott sei
Dank nicht erneut geführt werden;
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der
FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN)
denn niemand, der einen der Gesetzentwürfe unterstützt,
will den erreichten Kompromiss zum § 218 StGB in ir-
gendeiner Form infrage stellen.
Gegen Ende unserer Debatte nenne ich ganz kurz die
drei Elemente, die für Kerstin Griese, Frau Lenke, Herrn
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24209
(A) (C)
(B) (D)
Renate Schmidt (Nürnberg)
Singhammer und mich unverzichtbar sind. Dies ist ers-
tens eine verbindliche dreitägige Bedenkzeit, von der
– dies sei noch einmal verdeutlicht – bei einer für die
Schwangere aus physischen oder psychischen Gründen
bedrohlichen Situation selbstverständlich abgewichen
werden kann, die aber in den anderen Fällen mindestens
eingehalten werden soll. Uns ist die verbindliche Min-
destdauer dieser Bedenkzeit wichtig, um Automatismen,
von denen uns sehr viele in Zuschriften berichtet haben,
zu verhindern und vor allen Dingen um Zeit zu gewin-
nen – Zeit für eine Entscheidung, mit der die Frau, mit
der die ganze Familie nicht nur eine kurze Frist, sondern
ein Leben lang leben kann, aber auch Zeit, um trauern zu
können, wenn man sich – aus welchen Gründen auch im-
mer – gegen das Kind entscheidet und vor allen Dingen
wenn man ein nicht lebensfähiges Kind erwartet.
Unverzichtbar ist für uns zweitens eine Pflicht – und
nicht nur ein Hinweis – zur Vermittlung von psycho-
sozialer Beratung durch die Ärztinnen und Ärzte.
Drittens wollen wir die Verstöße dagegen mit einer
Ordnungswidrigkeit ahnden, weil dies bisher nirgendwo
geregelt ist. Es geht um Ordnungswidrigkeiten, wie sie
übrigens im Schwangerschaftskonfliktgesetz schon
heute bei anderen Verstößen vorgesehen sind, ohne dass
deshalb das Vertrauensverhältnis von Ärzten und Ärztin-
nen und Patientinnen irgendwie untergraben wird.
Diese drei Punkte sind in unserem Gesetzentwurf,
insbesondere für Frauen, eindeutig besser geregelt. Dies
wurde von der erdrückenden Mehrheit der Sachverstän-
digen und der Gutachten bestätigt.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, mit unserem Ge-
setzentwurf wird viel erreicht. Die gesamte medizinisch-
psychosoziale Indikation wird auf ein neues Fundament
gestellt. Es geht eben nicht nur um sogenannte Spätab-
treibungen jenseits der 22./23. Woche, nicht an erster
Stelle um die nicht lebensfähigen behinderten Kinder,
sondern auch um die Möglichkeit des Lebens mit einem
behinderten Kind, etwa mit Down-Syndrom. Diese
Möglichkeit wollen wir verbessern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU und der FDP)
Vor allen Dingen werden mit unserem Gesetzentwurf
die Frauen gestärkt; denn Beratung – so hat es einer der
Sachverständigen ausgedrückt – ist in diesem Fall Frei-
heitsvorsorge: Die Frauen können dadurch von ihrer
Freiheit, von ihrem unantastbaren Selbstbestimmungs-
recht besser Gebrauch machen, weil sie informierter
sind.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Ich werde auch dem Statistikteil zustimmen, weil die
Anonymität gesichert ist und es – das wurde durch den
Bundesdatenschutzbeauftragten bestätigt – keinerlei da-
tenschutzrechtliche Probleme gibt, weil wir mehr wissen
müssen, wenn wir helfen wollen, und weil wir damit
auch verfassungsrechtlichen Vorgaben nachkommen. Ich
werde dem Antrag von Christel Humme und anderen zu-
stimmen, weil er unseren Gesetzentwurf wirkungsvoll
ergänzt. Ich bitte Sie, ein Gleiches zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU und der FDP)
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, gestatten Sie mir
zum Schluss noch eine ganz kurze persönliche Anmer-
kung. Dies ist wahrscheinlich meine letzte Rede in die-
sem Parlament – nach 29 Jahren hauptberuflicher politi-
scher Tätigkeit, davon 21 Jahre auf Bundesebene. Ich
bin froh, dass ich diese Rede zu einem mir sehr wichti-
gen Thema und zu diesem gruppenübergreifenden Ge-
setzentwurf halten darf. Ich möchte Ihnen allen, den Mit-
gliedern aller Fraktionen, für diese Zeit danken; denn ich
habe in allen Fraktionen Freunde und Freundinnen ge-
wonnen. Die 29 Jahre Politik waren für mich die inten-
sivste Zeit meines Lebens. Ich habe mich mit Themen
beschäftigt, mit denen ich mich sonst nie beschäftigt
hätte. Ich habe Menschen kennengelernt, die ich sonst
nie kennengelernt hätte. Ich habe natürlich auch Enttäu-
schungen erlebt, aber vieles – so wird es hoffentlich
auch heute sein – mit durchsetzen können.
Das Positive hat insgesamt überwogen. Ich glaube,
die meisten von uns empfinden es ähnlich; deshalb mein
Dank. Mein Wunsch an Sie, die Sie weitermachen:
Strahlen Sie Freude und Befriedigung über unsere Man-
datstätigkeit aus, um damit vor allen Dingen bei jungen
Menschen das Engagement für Parlamentarismus, für
Demokratie und für unser Land zu stärken.
(Anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU/
CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LIN-
KEN und des Abg. Gert Winkelmeier [frak-
tionslos])
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Kollegin Schmidt, ich möchte den Respekt, den
Ihnen das Haus gerade mit demonstrativem Beifall zum
Ausdruck gebracht hat, auch für das Präsidium des Bun-
destages ausdrücklich bekräftigen. Wir alle trösten uns
mit dem Gedanken, dass Sie uns noch einige Monate
hier im Hause erhalten bleiben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Nun hat die Kollegin Elke Ferner das Wort.
Elke Ferner (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist für mich jetzt das zweite Mal, dass ich in diesem
Haus zum Themenkreis „Schwangerschaftskonflikte,
§ 218 und Schwangerschaftskonfliktgesetz“ reden kann.
Wir haben 1992 mit dem Schwangeren- und Familien-
hilfegesetz die embryopathische Indikation aus guten
Gründen abgeschafft. Das bedeutet, dass eine mögliche
Behinderung des Kindes seit 1992 kein Rechtfertigungs-
grund mehr für einen Schwangerschaftsabbruch ist.
Stattdessen haben wir damals eine weitgefasste medizi-
nisch-soziale Indikation beschlossen; und diese Indika-
tion ist damals auch bewusst weitgefasst worden. Sie
24210 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Elke Ferner
umfasst eben kein alleiniges Entscheidungsrecht der
Schwangeren. Auch das ist bewusst so entschieden wor-
den, weil es für diese Indikation im Gegensatz zur Fris-
tenregelung gemäß Abs. 1 des § 218 a keinerlei Fristen
gibt.
Die medizinisch-soziale Indikation umfasst außerdem
nicht nur die sogenannten Spätabbrüche, sondern auch
alle Schwangerschaftsabbrüche in einem früheren Sta-
dium. Es entscheidet der Arzt bzw. die Ärztin im Ge-
spräch mit der Schwangeren, ob die Voraussetzungen für
eine solche Indikation gegeben sind, und zwar anhand
der jeweils sehr unterschiedlichen, sehr individuellen Si-
tuation und der Lebensumstände der Frau. Diese passen
eben nicht in irgendein Schema hinein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In jedem Fall – das ist unstrittig – handelt es sich da-
bei für die Schwangere um eine sehr schwerwiegende,
eine tiefgreifende Grenzsituation, zumal, wenn es sich
nicht um eine ungewollte Schwangerschaft, sondern um
ein Wunschkind handelt. Keine Frau geht mit einer sol-
chen Situation leichtfertig um.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie braucht Information und Unterstützung, und zwar
nicht nur in der Phase, in der möglicherweise ganz
schwere und existenzielle Entscheidungen zu treffen
sind.
Wir wollen Beratung und Information von Anfang an.
Wir wollen, dass die Frauen bereits mit der Aushändi-
gung des Mutterpasses auch Informationen über ihre
Rechtsansprüche nach dem Schwangerschaftskonflikt-
gesetz erhalten. Das sind eben nicht nur Informationen
über oder eine Beratung hin zu einem Schwangerschafts-
konflikt, sondern Informationen und Beratung hinsicht-
lich der Schwangerschaft als solcher.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen, dass Frauen bereits vor einer Pränataldia-
gnostik umfassende Informationen und Beratung durch
ihren Arzt bzw. ihre Ärztin erhalten, und zwar über die
Chancen und die Risiken, aber auch über die Aussage-
kraft der Diagnostik und auch darüber, dass sie ein Recht
auf Nichtwissen haben und nicht jede mögliche Dia-
gnostik durchführen lassen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dies haben wir im Gendiagnostikgesetz bereits gesetz-
lich verankert, und dies wollen wir jetzt auch für die
übrige Pränataldiagnostik ebenso regeln.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Ferner, entschuldigen Sie bitte.
Darf ich vielleicht insbesondere diejenigen Kollegin-
nen und Kollegen, die jetzt zu den bevorstehenden Ab-
stimmungen ins Plenum kommen, bitten, sich auf die
Plätze zu begeben und den beiden letzten Rednern mit
der gleichen Konzentration zuzuhören, wie das in der
bisherigen Debatte, wie ich finde, in angemessener
Weise der Fall gewesen ist.
(Beifall im ganzen Hause)
Wir setzen Ihre Rede, Frau Ferner, fort, wenn mög-
lichst alle dieser gutgemeinten Aufforderung tatsächlich
Folge geleistet haben. – Verehrte Kolleginnen und Kol-
legen!
Bitte schön, Frau Ferner.
Elke Ferner (SPD):
Wir sind der Überzeugung, dass die Frauen bereits
vor der Pränataldiagnostik gut informiert werden müs-
sen, damit sie dann, wenn sie gut informiert sind, nicht
zu einer Pränataldiagnostik gedrängt werden können,
was wir leider viel zu häufig hören. Diese frühe umfas-
sende Information und Beratung sehen wir in unserem
Gesetzentwurf vor. Im Gesetzentwurf Singhammer,
Griese, Lenke ist dies nicht vorgesehen.
(Beifall der Abg. Christel Humme [SPD])
Wir wollen eine ausreichende Bedenkzeit und keine
starre Frist. Wenn nach einer Diagnostik ein Befund vor-
liegt, der eine medizinisch-soziale Indikation rechtferti-
gen würde, braucht die Schwangere auch nach unserer
Auffassung Zeit und Unterstützung, um sich mit ihrem
Arzt oder ihrer Ärztin, ihrem Partner und ihrer Familie
zu beraten oder um sich bei einer anerkannten Bera-
tungsstelle Rat und Hilfe zu suchen. Denn sie, die
Schwangere, muss zum Schluss alleine eine Entschei-
dung treffen, mit der sie auch leben kann. Wie viel Zeit
eine Schwangere dafür braucht, ist sehr unterschiedlich.
Das hängt von ihrer ganz persönlichen, ganz individuel-
len Lebenssituation ab. Deshalb sehen wir in unserem
Gesetzentwurf eine „ausreichende Bedenkzeit“ und
keine starre Frist vor, von der nur sehr schwer abgewi-
chen werden kann, wie dies im Gesetzentwurf von
Singhammer, Griese, Lenke der Fall ist.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Welche Frist im Einzelfall ausreichend ist, kann nach
unserer Auffassung nicht der Gesetzgeber vorschreiben,
sondern dies kann nur von der Schwangeren selbst und
ihrem Arzt oder ihrer Ärztin entschieden werden. In den
meisten Fällen werden dies mehr als drei Tage sein. Es
gibt aber auch Konstellationen, in denen es weniger als
drei Tage sein können. Wir wollen den Frauen, die sich
bereits sehr intensiv und umfassend informiert haben
und keine zusätzliche Bedenkzeit mehr brauchen, diese
auch nicht zumuten, damit sie nicht länger warten müs-
sen. Warum sollen wir einer Frau, deren Kind nicht le-
bensfähig sein wird, weil es beispielsweise kein Gehirn
hat oder lebensnotwendige Organe fehlen, eine weitere
Wartezeit auferlegen? Warum sollen wir einer Frau, die
einen schwerwiegenden Gendefekt vererben kann und
sich mit dieser Problematik möglicherweise schon wäh-
rend einer früheren Schwangerschaft sehr intensiv aus-
einandergesetzt hat, über diesen Umweg der Dreitage-
frist für den Arzt zwischen Befund und Indikationsstellung
noch eine Wartezeit auferlegen? Und warum sollen wir
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24211
(A) (C)
(B) (D)
Elke Ferner
einer Frau, die bereits ein schwerstbehindertes Kind hat
und all ihre Liebe, Zeit und Kraft für dieses Kind und
ihre Familie braucht, eine Wartezeit auferlegen? Das ist
unbarmherzig und verletzt die Würde der Frau.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Neben dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes
müssen wir auch die Würde der Frau achten und den
Respekt für ihre ganz persönliche, für eine tiefgreifende
und schwerwiegende Entscheidung aufbringen, eine
Entscheidung, die sie für sich selber in einer ihr ange-
messenen Frist treffen können muss.
Auch die Androhung von Ordnungswidrigkeiten – das
ist bereits gesagt worden – trägt nicht dazu bei, das Ver-
trauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin zu stär-
ken, sondern wird ein Abweichen von der Dreitagefrist
sehr viel weniger möglich machen. Ob ausreichend Zeit
vorhanden ist, hängt nach unserer Auffassung nicht von
diesen drei Tagen ab; denn in diesen drei Tagen kann
eben nicht geklärt werden, wie sich die Situation später
darstellt, ob das Kind in eine Regelkita, in eine Regel-
schule gehen kann oder ob es, wie leider viel zu oft in
unserem Land, Sondereinrichtungen besuchen muss.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin, Sie müssen langsam zum Ende Ihrer
Rede kommen.
Elke Ferner (SPD):
Bei den anderen ist es auch immer sehr großzügig ge-
handhabt worden. Aber ich komme zum Schluss.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich habe einen relativ guten Überblick, Frau Ferner.
Elke Ferner (SPD):
Die Entschleunigung, über die immer geredet wird,
wird nach unserer Auffassung besser dadurch erreicht,
dass wir bereits sehr frühzeitig Informationen bereitstel-
len und den Frauen die Möglichkeit geben, sich mit einer
möglichen Situation auseinanderzusetzen, als alles auf
drei Tage zu konzentrieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Wenn Sie
mit uns der Meinung sind, dass Frauen das Recht auf
umfassende Information und Beratung bereits vor einer
Pränataldiagnostik erhalten sollen, damit sie ohne Be-
drängung gut informiert zu einer verantwortlichen Ent-
scheidung gelangen können, wenn Sie mit uns der Mei-
nung sind, dass nicht wir als Gesetzgeber festlegen
sollten, was eine ausreichende Bedenkzeit ist, sondern
die Frauen gemeinsam mit ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin
dies entscheiden sollten, damit auch in schwierigen La-
gen die Würde der Frau geachtet und gewahrt wird, und
wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass das Vertrauens-
verhältnis zwischen der Schwangeren und ihrem Arzt
sowie dessen freie Berufsausübung nicht durch die An-
drohung von Ordnungswidrigkeit belastet werden sollen,
dann stimmen Sie mit uns gegen den Gesetzentwurf von
Singhammer, Griese und Lenke und für unseren Gesetz-
entwurf mit seiner liberalen Regelung. Unser Gesetzent-
wurf hält fest an dem Konsens von 1992. Bei ihm stehen
Hilfen statt Sanktionen im Mittelpunkt, und er achtet die
Würde der Frau ebenso wie den Schutz des ungeborenen
Lebens.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Johannes Singhammer.
Johannes Singhammer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Heute ist ein guter Tag für dieses Parlament. Vor ei-
nem Jahr hätte sich kaum jemand vorstellen können,
dass es eine breite parlamentarische Basis für zumindest
ein Ziel gibt: die Änderung des Schwangerschaftskon-
fliktgesetzes.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aha!)
Bei unserem Gruppenantrag haben sich Kolleginnen und
Kollegen zusammengefunden, die nicht in einem fort-
währenden engsten Schulterschluss stehen, sondern aus
verschiedensten Fraktionen kommen, wie es bester par-
lamentarischer Tradition entspricht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Unser gruppenübergreifender Antrag hat ein Ziel: Wir
wollen Frauen und ihren Angehörigen in einer existen-
ziellen Notlage helfen, und wir hoffen darauf, dass die
Zahl der Spätabtreibungen sich verringert. Wir wollen
nachprüfbare Verbesserungen und es nicht bei weißer
Salbe belassen.
Was ist die wichtigste Hilfe, die man anbieten kann?
Die wichtigste Hilfe für eine schwangere Frau, die in ei-
nem Gespräch mit dem Arzt mit einer für sie so schlim-
men Nachricht konfrontiert wird, ist das Recht auf um-
fassende Beratung und die Verpflichtung des beratenden
Arztes, darauf einzugehen. Diese Verpflichtung ist Teil
eines Bündels von Pflichten. Neben der Beratungspflicht
hat der Arzt die Pflicht, weitere Ärzte hinzuzuziehen, die
spezielle Erfahrungen haben. Außerdem gibt es eine
Hinweispflicht in Bezug auf psychosoziale Beratungs-
stellen und eine Vermittlungspflicht in Bezug auf psy-
chosoziale Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.
Eine Mindestbedenkzeit ab Diagnosestellung ist
keine zusätzliche Belastung, sondern in diesem Pro-
gramm der erweiterten Unterstützung notwendig. Dabei
ist uns besonders wichtig, dass die Zeit zum Nachdenken
mit der Diagnosestellung beginnt, also mit dem Zeit-
punkt, an dem die Frau mit der Nachricht konfrontiert
wird, denn dann braucht sie diese Zeit. Nach dem ande-
ren Gesetzentwurf soll dieser Zeitraum erst beginnen,
wenn der Arzt seinen Entscheidungsprozess mit der In-
24212 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Johannes Singhammer
dikation beendet hat. Das ist ein späterer Zeitpunkt, was
wir als nicht so günstig empfinden.
Ich möchte mich an dieser Stelle vor allem für die po-
sitive Begleitung bedanken, die wir von Verbänden und
Institutionen erhalten haben. Ich möchte gerade zu dem
Punkt der Zeitdauer des Nachdenkens für die Unterstüt-
zung durch viele Zuschriften danken, beispielsweise der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, die noch
am 4. Mai dieses Jahres erklärt hat, dass die Mindestbe-
denkzeit von wenigstens drei Tagen „zeitlich vor der Zu-
mutung möglichst rascher Entscheidung“ geschützt zu
werdender Frauen dient.
Es ist immer wieder die Frage nach der Statistik auf-
getaucht. Statistik ist in diesem Gesamtzusammenhang
sicherlich eine Thematik, die nicht direkt im Zentrum
steht. Warum brauchen wir also eine statistische Verbes-
serung? Wir brauchen sie deshalb, weil Politik, Experten
und Ärzte keine belastbaren Zahlen haben. Das hat bei-
spielsweise die Bundesärztekammer bei der Anhörung
im Familienausschuss erklärt und darauf hingewiesen,
dass es noch Lücken gibt, die präzise Aussagen verhin-
dern. In den letzten Tagen hat die Bundesvereinigung
Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung
noch einmal eindringlich dafür geworben, klare Erkennt-
nisse darüber zu gewinnen, welche Zahlen zutreffen und
welche Dimension die Problematik, über die wir heute
reden, hat. Deshalb werbe ich für diese statistische Erhe-
bung.
Am Ende einer manchmal sicherlich auch emotional,
aber immer mit großer Ernsthaftigkeit geführten Debatte
außerhalb und innerhalb des Deutschen Bundestages
möchte ich allen danken, die in einem langen und sehr
intensiven Diskussionsprozess das Trennende verklei-
nert und das Gemeinsame erweitert haben. Ich danke al-
len, die über Fraktionsgrenzen und über sonst festgefüg-
ten politischen Blöcken hinweg die gesetzlichen
Rahmenbedingungen verbessern wollen. Ich weiß, dass
dabei viele bis an die Grenze des Zumutbaren für sich
selbst und für ihre politischen Freunde gegangen sind.
Ihnen allen danke ich. Die Mühe hat sich gelohnt. Ich
bitte um Zustimmung für unseren Gesetzentwurf.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe die Aussprache.
Ich bitte darum, dass Sie noch einen Augenblick Platz
nehmen, weil noch eine Reihe von Erläuterungen zu
dem Abstimmungsverfahren notwendig sind, das nicht
dem entspricht, was sonst in Gesetzgebungsverfahren
üblich ist. Es muss aber niemand Sorge habe, er könnte
den Aufruf der ersten von zahlreichen namentlichen Ab-
stimmungen verpassen.
Ich möchte zunächst allen Kolleginnen und Kollegen
– nicht nur denen, die in dieser Debatte gesprochen ha-
ben – herzlich dafür danken, dass sie sich über viele Mo-
nate und über die Fraktionsgrenzen hinweg in bemer-
kenswerter Weise um eine angemessene, sachgerechte
und tragfähige Lösung einer besonders schwierigen Fra-
gestellung bemüht haben, die den Gesetzgeber vor ganz
besondere Herausforderungen stellt.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diese Bemühungen sind vorhin von vielen Rednerin-
nen und Rednern zu Recht wechselseitig anerkannt und
gewürdigt worden. Ich will zur Ergänzung nur noch da-
rauf hinweisen, dass diese Bemühungen nicht heute im
Plenarsaal begonnen haben. Sie gab es schon über Mo-
nate hinweg in eher unauffälliger Weise. Da sich das öf-
fentliche Bild parlamentarischer Entscheidungsprozesse
ganz wesentlich über diesen Schlussakt vermittelt, ist
der Hinweis vielleicht nicht gänzlich überflüssig, dass
ein beachtlicher Teil dieser – in diesem Fall – besonders
langwierigen und sorgfältigen Urteilsbildung eher un-
auffällig über Monate hinweg stattgefunden hat.
Ich weise ferner darauf hin, dass es zu den Gesetzent-
würfen, zu deren Alternative bzw. zu deren Zusammen-
führung ich nachher einige Erläuterungen vortragen
werde, einige Erklärungen zur Abstimmung nach § 31
unserer Geschäftsordnung gibt. Die Kolleginnen und
Kollegen Marieluise Beck, Ilja Seifert, Hubert Hüppe,
Thilo Hoppe und Michael Brand haben solche Erklärun-
gen abgegeben. Frau Pieper wie Frau Gruß weisen im
Übrigen darauf hin, dass sie fälschlicherweise im
Rubrum des zusammengeführten Gesetzentwurfes
„Singhammer, Griese und Lenke“ aufgeführt werden.
Das wird im Protokoll entsprechend korrigiert.1)
Ich darf Sie nun auf das Abstimmungsverfahren hin-
weisen, über das es Einverständnis zwischen den Frak-
tionen auf der Basis der Vorberatungen im federführen-
den Ausschuss gibt.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend hat in seiner Beschlussempfehlung auf der Druck-
sache 16/12970, die Ihnen vorliegt, empfohlen, über die
Vorlagen einen Beschluss herbeizuführen. Dabei hat er
ein bestimmtes Votum nicht abgegeben.
Zunächst wird über den zusammengeführten Gesetz-
entwurf der drei Gruppen – Singhammer, Griese und
Lenke – abgestimmt. Dazu wird in zweiter Lesung eine
getrennte Abstimmung verlangt, wobei über beide Teile
dieses Gesetzentwurfs jeweils namentlich abgestimmt
wird. Danach müssen wir die Sitzung bis zur Auszäh-
lung dieser Abstimmungsergebnisse unterbrechen, weil
das Ergebnis die Voraussetzung für die Schlussabstim-
mung ist. Sollte ein Teil des Gesetzentwurfs nicht die
Mehrheit finden, müssen wir über den verbleibenden
Teil des Gesetzes erneut in zweiter Lesung befinden.
Auch in dieser zweiten Lesung würde dann namentlich
abgestimmt werden. Die Schlussabstimmung nach der
zweiten Lesung soll ebenfalls namentlich erfolgen. Wir
würden dann das Abstimmungsergebnis auszählen und
die Sitzung dafür unterbrechen müssen.
Über den Gesetzentwurf der Gruppe Humme wird nur
dann abgestimmt, wenn der zusammengeführte Gesetz-
1) Anlagen 32 bis 39
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24213
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
entwurf, über den wir zuerst abstimmen, keine Mehrheit
gefunden haben sollte. Wenn er zur Abstimmung
kommt, wird auch über diesen Gesetzentwurf nament-
lich abgestimmt.
Nachdem wir dann über die Gesetzentwürfe abschlie-
ßend befunden haben, rufe ich die beiden Anträge der
Gruppen Dr. Tackmann und Humme auf, über die eben-
falls namentlich abgestimmt wird.
Ich werde mich bemühen, vor den jeweiligen Abstim-
mungen noch einmal zu verdeutlichen, was gerade kon-
kret Gegenstand der aufgerufenen Abstimmung ist. Wir
sind uns sicher alle einig, dass dieses Thema eine beson-
dere Sorgfalt verdient.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen unter dem
Tagesordnungspunkt 3 a. Hier geht es um die Abstim-
mung über den von den Abgeordneten Volker Kauder,
Renate Schmidt, Johannes Singhammer und weiteren
Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
rung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auf der
Drucksache 16/11106 sowie über den von den Abgeord-
neten Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt, Andrea
Nahles und weiteren Abgeordneten eingebrachten Ge-
setzentwurf auf der Drucksache 16/11347 und über den
von den Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk,
Ulrike Flach und weiteren Abgeordneten eingebrachten
Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskon-
fliktgesetzes auf der Drucksache 16/11330.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussempfeh-
lung auf der vorhin zitierten Drucksache, die genannten
drei Gesetzentwürfe zusammenzuführen und über die
vom Ausschuss vorgelegte Fassung eines Gesetzes zur
Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes einen
Beschluss herbeizuführen. Dazu regt der Ausschuss die
von mir vorhin vorgetragene Trennung in die beiden
Teile des Gesetzentwurfs an. Wir stimmen also zunächst
über die Artikel außerhalb des Statistikteils ab.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir zu diesem zu-
sammengeführten Gesetzentwurf insgesamt bis zu vier
namentliche Abstimmungen durchführen müssen. Da
getrennte Abstimmung beantragt ist, stimmen wir zu-
nächst über Art. 1 Nr. 1 bis Art. 1 Nr. 3, Art. 2 sowie
Einleitung und Überschrift in der Ausschussfassung ab.
Ich hoffe, dass niemand Zweifel über den Gegenstand
der Abstimmung hat; jedenfalls wird er nicht geltend ge-
macht. Ich habe auch den Eindruck, dass alle Abstim-
mungsurnen mit Schriftführerinnen und Schriftführern
versehen sind. – Das ist der Fall. Dann eröffne ich hier-
mit die erste namentliche Abstimmung.
Ich möchte die erste namentliche Abstimmung
schließen. Vorher möchte ich mich vergewissern, ob
noch ein Kollege oder eine Kollegin anwesend ist, der
oder die seine oder ihre Stimmkarte noch nicht abgege-
ben hat. – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Wir geben das Ergebnis dieser Abstimmung später
bekannt.
Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen nun
zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 4 in der Ausschussfas-
sung. Das ist die Abstimmung über den Statistikteil des
Gesetzentwurfes, der vorhin in der Aussprache mehrfach
erläutert worden ist.
Ich darf darum bitten, die ausgetauschten, nun hof-
fentlich leeren Abstimmungsurnen mit den Schriftführe-
rinnen und Schriftführern von Koalition und Opposition
wieder paritätisch zu besetzen. Kann man mir bitte si-
gnalisieren, ob dies geschehen ist? – Das ist so.
Dann eröffne ich die zweite namentliche Abstim-
mung.
Darf ich mich vergewissern, ob für die zweite na-
mentliche Abstimmung alle anwesenden Kolleginnen
und Kollegen ihre Stimmkarte abgegeben haben? – Ich
mache auch darauf aufmerksam, dass das Probesitzen
auf der Regierungsbank die Teilnahme an namentlichen
Abstimmungen nicht ersetzen kann. – Keine weiteren
Meldungen. Dann schließe ich die zweite namentliche
Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung dieser Abstimmung zu
beginnen.1)
Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der beiden nament-
lichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung, weil
deren Ergebnis Voraussetzung für die dritte Lesung oder
den Wiedereinstieg in die zweite Lesung sein wird.
(Unterbrechung von 18.31 bis 18.37 Uhr)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir das Ganze jetzt
nicht in Form eines Sit-ins fortführten, sondern für die
Bekanntgabe der Ergebnisse eine halbwegs geordnete
Plenarformation einnehmen könnten.
Ich teile Ihnen nun die Ergebnisse der beiden nament-
lichen Abstimmungen mit.
Zunächst teile ich Ihnen das von den Schriftführerin-
nen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der nament-
lichen Abstimmung über die Art. 1 Nr. 1 bis 3, Art. 2
sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschussfas-
sung mit – die davon betroffenen Drucksachen können
wir, wie ich glaube, als bekannt voraussetzen –: Abgege-
bene Stimmen 566. Mit Ja haben gestimmt 329, mit Nein
haben gestimmt 237, Enthaltungen gab es nicht. Damit
sind die gerade genannten Artikel sowie Einleitung und
Überschrift dieses Gesetzentwurfes mit Mehrheit ange-
nommen.
1) Ergebnis Seite 24216 C
24214 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 565;
davon
ja: 328
nein: 237
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen)
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
(Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
(Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
(Wiesbaden)
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer (Altötting)
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer (Hamm)
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
(Braunschweig)
Stefan Müller (Erlangen)
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann (Bremen)
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)
Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)
Andreas Schmidt (Mülheim)
Ingo Schmitt (Berlin)
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer (Neuss)
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Dr. Axel Berg
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Marion Caspers-Merk
Karl Diller
Garrelt Duin
Siegmund Ehrmann
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Dr. Eva Högl
Johannes Jung (Karlsruhe)
Josip Juratovic
Ulrich Kasparick
Hans-Ulrich Klose
Angelika Krüger-Leißner
Katja Mast
Markus Meckel
Ursula Mogg
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Dr. Wilhelm Priesmeier
Steffen Reiche (Cottbus)
René Röspel
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24215
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Michael Roth (Heringen)
Marianne Schieder
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Renate Schmidt (Nürnberg)
Carsten Schneider (Erfurt)
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Dr. Marlies Volkmer
Andreas Weigel
Gert Weisskirchen
(Wiesloch)
Lydia Westrich
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
FDP
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link (Heilbronn)
Dr. Erwin Lotter
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
(Frankfurt)
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck (Bremen)
Cornelia Behm
Hans Josef Fell
Katrin Göring-Eckardt
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Markus Kurth
Kerstin Müller (Köln)
Omid Nouripour
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Dr. Harald Terpe
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Rainer Arnold
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Klaus Uwe Benneter
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding (Heidelberg)
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Detlef Dzembritzki
Hans Eichel
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)
Monika Griefahn
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)
Iris Hoffmann (Wismar)
Frank Hofmann (Volkach)
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel (Berlin)
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Marko Mühlstein
Detlef Müller (Chemnitz)
Michael Müller (Düsseldorf)
Dr. Rolf Mützenich
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Otto Schily
Heinz Schmitt (Landau)
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
(Everswinkel)
Swen Schulz (Spandau)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Wolfgang Spanier
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Hildegard Wester
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
(Wolmirstedt)
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Horst Friedrich (Bayreuth)
Miriam Gruß
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Markus Löning
Horst Meierhofer
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
24216 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
nein: 301
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen)
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
(Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
(Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer (Altötting)
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer (Hamm)
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
(Wiesbaden)
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
enthalten: 3 Leo Dautzenberg Markus Grübel Julia Klöckner
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
(Beifall bei Abgeordnet
SPD, der FDP und des B
GRÜNEN)
Nun teile ich Ihnen das v
und Schriftführern ermittelte
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 559;
davon
ja: 255
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer (Köln)
Volker Schneider
(Saarbrücken)
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
en der CDU/CSU, der
ÜNDNISSES 90/DIE
on den Schriftführerinnen
Ergebnis der namentli-
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz (Herborn)
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth (Quedlinburg)
chen Abstimmung über den
der Statistikteil dieses Gese
561 Stimmen abgegeben wo
gen, mit Ja haben gestimmt
stimmt 302. Damit ist diese
mehrheitlich abgelehnt.
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Irmingard Schewe-Gerigk
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Wolfgang Wieland
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
Art. 1 Nr. 4 mit – das ist
tzentwurfes –: Hierzu sind
rden. Es gab 3 Enthaltun-
256, mit Nein haben ge-
r Teil des Gesetzentwurfes
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)
Volker Kauder
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24217
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
(Braunschweig)
Stefan Müller (Erlangen)
Dr. Gerd Müller
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)
Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)
Andreas Schmidt (Mülheim)
Ingo Schmitt (Berlin)
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer (Neuss)
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Ulrich Kasparick
Franz Müntefering
Renate Schmidt (Nürnberg)
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Marlies Volkmer
Dr. Wolfgang Wodarg
FDP
Christian Ahrendt
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dr. Erwin Lotter
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Hans-Joachim Otto
(Frankfurt)
Frank Schäffler
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Cornelia Behm
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Dr. Gerhard Schick
Dr. Harald Terpe
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
Peter Hintze
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding (Heidelberg)
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz (Essen)
Gerd Höfer
Iris Hoffmann (Wismar)
Frank Hofmann (Volkach)
Dr. Eva Högl
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Johannes Jung (Karlsruhe)
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel (Berlin)
Ulrike Merten
24218 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche (Cottbus)
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Michael Roth (Heringen)
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Heinz Schmitt (Landau)
Carsten Schneider (Erfurt)
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
(Everswinkel)
Swen Schulz (Spandau)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
(Beifall bei Abgeordnet
SPD und d
Da ein Teil des Gesetzent
abgelehnt ist, müssen wir, au
die unter den Gruppen und
über das Verfahren herbeige
insoweit geänderten Gesetze
erneut abstimmen. Auch hier
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
(Wiesloch)
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Waltraud Wolff
(Wolmirstedt)
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Uwe Barth
Patrick Döring
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Birgit Homburger
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Michael Link (Heilbronn)
Horst Meierhofer
Dirk Niebel
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Dr. Guido Westerwelle
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
en der CDU/CSU, der
er FDP)
wurfes in zweiter Beratung
ch nach der Verständigung,
zwischen den Fraktionen
führt worden ist, über den
ntwurf in zweiter Beratung
zu ist eine namentliche Ab-
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer (Köln)
Volker Schneider
(Saarbrücken)
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck (Bremen)
Birgitt Bender
Alexander Bonde
stimmung verlangt. Ich bitte
chenden Urnen zu besetzen u
wann mit der dritten nament
nen werden kann. – Ich erö
Abstimmung.
Ich frage, ob noch eine Ko
wesend ist, die ihre oder der
gegeben hat. – Das ist offensi
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth (Quedlinburg)
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Wolfgang Wieland
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
Enthalten
FDP
Sibylle Laurischk
Dr. Konrad Schily
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
also wieder, die entspre-
nd mir ein Signal zu geben,
lichen Abstimmung begon-
ffne die dritte namentliche
llegin oder ein Kollege an-
seine Stimmkarte nicht ab-
chtlich nicht der Fall. Dann
Holger Ortel
Heinz Paula
Christoph Pries
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Dr. Dagmar Enkelmann
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Peter Hettlich
Priska Hinz (Herborn)
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller (Chemnitz)
Michael Müller (Düsseldorf)
Gesine Multhaupt
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24219
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
(Bönstrup) Dr. Karl-Theodor Freiherr Helmut Lamp Albert Rupprecht (Weiden)
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer (Altötting)
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer (Hamm)
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Anita Schäfer (Saalstadt)
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)
Andreas Schmidt (Mülheim)
Ingo Schmitt (Berlin)
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Wolfgang Bosbach zu Guttenberg Katharina Landgraf Peter Rzepka
schließe ich die dritte nam
bitte die Schriftführerinnen
Auszählung zu beginnen.
Wir unterbrechen auch hi
gebnis dieser namentlichen A
und treten dann in die Schlus
setzentwurf ein. Diejenigen
die in der Zwischenzeit Wich
müssen, bitte ich, von eine
Pause auszugehen und nicht h
ten in der Hand um Ausn
schlossene Abstimmungen zu
(Unterbrechung von 1
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 560;
davon
ja: 326
nein: 234
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen)
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
entliche Abstimmung und
und Schriftführer, mit der
er die Sitzung, bis das Er-
bstimmung ausgezählt ist,
sabstimmung über den Ge-
Kolleginnen und Kollegen,
tiges erledigen wollen oder
r nicht allzu großzügigen
interher mit mehreren Kar-
ahmeregelungen für abge-
bitten.
8.44 bis 18.49 Uhr)
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
(Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Präsident Dr. Norbert L
Die unterbrochene Sitzung
Ich gebe das von den Sch
führern ermittelte Ergebnis d
mung zur zweiten Beratung
Abgeordneten Johannes Sin
Ina Lenke und weiterer Abge
fassung einschließlich der b
bekannt: abgegebene Stimme
Mit Ja haben gestimmt 327,
234. Damit ist der Gesetzent
genommen.
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
(Wiesbaden)
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
ammert:
ist wieder eröffnet.
riftführerinnen und Schrift-
er namentlichen Abstim-
des Gesetzentwurfes der
ghammer, Kerstin Griese,
ordneter in der Ausschuss-
eschlossenen Änderungen
n 561, Enthaltungen keine.
mit Nein haben gestimmt
wurf in zweiter Lesung an-
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
(Braunschweig)
Stefan Müller (Erlangen)
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann (Bremen)
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
24220 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer (Neuss)
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Dr. Axel Berg
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Marion Caspers-Merk
Karl Diller
Garrelt Duin
Siegmund Ehrmann
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Dr. Eva Högl
Johannes Jung (Karlsruhe)
Josip Juratovic
Ulrich Kasparick
Hans-Ulrich Klose
Angelika Krüger-Leißner
Katja Mast
Markus Meckel
Ursula Mogg
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Dr. Wilhelm Priesmeier
Steffen Reiche (Cottbus)
René Röspel
Michael Roth (Heringen)
Marianne Schieder
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Renate Schmidt (Nürnberg)
Carsten Schneider (Erfurt)
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Dr. Marlies Volkmer
Andreas Weigel
Gert Weisskirchen
(Wiesloch)
Lydia Westrich
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
FDP
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link (Heilbronn)
Dr. Erwin Lotter
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
(Frankfurt)
Dr. Konrad Schily
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck (Bremen)
Cornelia Behm
Hans Josef Fell
Katrin Göring-Eckardt
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Markus Kurth
Kerstin Müller (Köln)
Omid Nouripour
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Dr. Harald Terpe
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Rainer Arnold
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Klaus Uwe Benneter
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding (Heidelberg)
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Detlef Dzembritzki
Hans Eichel
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)
Monika Griefahn
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)
Iris Hoffmann (Wismar)
Frank Hofmann (Volkach)
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel (Berlin)
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Marko Mühlstein
Detlef Müller (Chemnitz)
Michael Müller (Düsseldorf)
Dr. Rolf Mützenich
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24221
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert Irmingard Schewe-Gerigk
Jella Teuchner
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Petra Weis
(Beifall bei Abgeordnet
SPD, der FDP und des B
GRÜNEN)
Wir treten unmittelbar in d
dritte Be
und Schlussabstimmung ein.
Widerspruch. Dann stimmen
wiederum in namentlicher Ab
mengeführten Gesetzentwurf
und Kollegen ab. Ich bitte wi
nen und Schriftführer, ihre P
namentliche Abstimmung ist
Darf ich fragen, ob noch
stimmberechtigt ist, aber se
abgegeben hat? – Das ist nic
wir auch diese namentliche
Schriftführerinnen und Schr
lung zu beginnen.
Die Sitzung wird jetzt wie
des Ergebnisses unterbrochen
weitere namentliche Abstim
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Diana Golze
en der CDU/CSU, der
ÜNDNISSES 90/DIE
ie
ratung
– Ich sehe dagegen keinen
wir jetzt in dritter Lesung
stimmung über den zusam-
der genannten Kolleginnen
ederum die Schriftführerin-
lätze einzunehmen. – Die
eröffnet.
jemand anwesend ist, der
ine Stimmkarte noch nicht
ht der Fall. Dann schließen
Abstimmung. Ich bitte die
iftführer, mit der Auszäh-
derum bis zur Auszählung
. Anschließend finden zwei
mungen über die Anträge
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
statt, die vorhin vorgetragen
sind.
Die Sitzung ist unterbroch
(Unterbrechung von 1
Präsident Dr. Norbert L
Die Sitzung ist wieder erö
Ich darf Sie bitten, Platz
das Ergebnis der namentlich
schließend haben wir zwei w
mungen durchzuführen.
Ich gebe das von den Sch
führern ermittelte Ergebnis d
mung über den von den
Singhammer, Kerstin Griese
Abgeordneten eingebrachten
Änderung des Schwangers
kannt: Es wurden 560 Stimm
gen gibt es keine. Mit Ja hab
nen und Kollegen, mit N
Gesetzentwurf in dritter Bera
Hans-Christian Ströbele
Wolfgang Wieland
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
und angekündigt worden
en.
8.55 bis 19.01 Uhr)
ammert:
ffnet.
zu nehmen. Ich teile Ihnen
en Abstimmung mit. An-
eitere namentliche Abstim-
riftführerinnen und Schrift-
er namentlichen Abstim-
Abgeordneten Johannes
, Ina Lenke und weiteren
Entwurf eines Gesetzes zur
chaftskonfliktgesetzes be-
en abgegeben. Enthaltun-
en gestimmt 326 Kollegin-
ein 234. Damit ist der
tung angenommen.
Jörg Tauss Heidrun Bluhm Dr. Petra Sitte Rainder Steenblock
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Otto Schily
Heinz Schmitt (Landau)
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz (Spandau)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Wolfgang Spanier
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Gunter Weißgerber
Hildegard Wester
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
(Wolmirstedt)
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Horst Friedrich (Bayreuth)
Miriam Gruß
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Horst Meierhofer
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer (Köln)
Volker Schneider
(Saarbrücken)
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz (Herborn)
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth (Quedlinburg)
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
24222 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 560;
davon
ja: 326
nein: 234
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen)
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
(Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
(Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
(Wiesbaden)
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer (Altötting)
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer (Hamm)
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
(Braunschweig)
Stefan Müller (Erlangen)
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann (Bremen)
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)
Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)
Andreas Schmidt (Mülheim)
Ingo Schmitt (Berlin)
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer (Neuss)
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Dr. Axel Berg
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Marion Caspers-Merk
Karl Diller
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Johannes Jung (Karlsruhe)
Josip Juratovic
Ulrich Kasparick
Hans-Ulrich Klose
Angelika Krüger-Leißner
Katja Mast
Markus Meckel
Ursula Mogg
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Dr. Wilhelm Priesmeier
Steffen Reiche (Cottbus)
René Röspel
Michael Roth (Heringen)
Marianne Schieder
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24223
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Renate Schmidt (Nürnberg)
Carsten Schneider (Erfurt)
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Dr. Marlies Volkmer
Andreas Weigel
Gert Weisskirchen
(Wiesloch)
Lydia Westrich
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
FDP
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link (Heilbronn)
Dr. Erwin Lotter
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
(Frankfurt)
Dr. Konrad Schily
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck (Bremen)
Cornelia Behm
Hans Josef Fell
Katrin Göring-Eckardt
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Markus Kurth
Kerstin Müller (Köln)
Omid Nouripour
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Dr. Harald Terpe
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Rainer Arnold
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Klaus Uwe Benneter
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding (Heidelberg)
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Hans Eichel
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)
Monika Griefahn
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)
Iris Hoffmann (Wismar)
Frank Hofmann (Volkach)
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel (Berlin)
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Marko Mühlstein
Detlef Müller (Chemnitz)
Michael Müller (Düsseldorf)
Gesine Multhaupt
Dr. Rolf Mützenich
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Otto Schily
Heinz Schmitt (Landau)
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
(Everswinkel)
Swen Schulz (Spandau)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Wolfgang Spanier
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Hildegard Wester
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
(Wolmirstedt)
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Horst Friedrich (Bayreuth)
Miriam Gruß
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Horst Meierhofer
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
24224 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Antrag. Tagesordnungspunkt fort. Es wäre nur schön, wenn die-
Ich habe den Eindruck, da
mungsvorgang jetzt abschließ
kundig der Fall. Dann bitte
und Schriftführer, mit der Au
Wir stimmen jetzt sofort,
gezählt werden, über den
Christel Humme, Irmingard S
und weiterer Abgeordneter
volle Hilfen in Konfliktsituat
gerschaft ausbauen – Volle T
Behinderung sicherstellen“ a
lie, Senioren, Frauen und Jug
seiner Beschlussempfehlung
über den Antrag auf Drucks
schussfassung einen Beschlu
1) Ergebnis Seite 24226 C
ss wir auch diesen Abstim-
en können. – Das ist offen-
ich die Schriftführerinnen
szählung zu beginnen.1)
während die Stimmen aus-
Antrag der Abgeordneten
chewe-Gerigk, Elke Ferner
mit dem Titel „Wirkungs-
ionen während der Schwan-
eilhabe für Menschen mit
b. Der Ausschuss für Fami-
end empfiehlt unter Nr. III
auf Drucksache 16/12970,
ache 16/11342 in der Aus-
ss herbeizuführen. Eine in-
ben, zügig den Plenarsaal ve
für den nächsten Tagesordnun
merksamkeit haben.
Vizepräsidentin Dr. h. c
Ich rufe Tagesordnungspu
Beratung des Antrags
Fortsetzung der deu
internationalen Siche
auf der Grundlage d
des Sicherheitsrates
vom 10. Juni 1999 u
nischen Abkommen
tionalen Sicherheitsp
2) Ergebnis Seite 24228 B
rlassen könnten, damit wir
gspunkt die gebotene Auf-
. Susanne Kastner:
nkt 4 auf:
der Bundesregierung
tschen Beteiligung an der
rheitspräsenz im Kosovo
er Resolution 1244 (1999)
der Vereinten Nationen
nd des Militärisch-Tech-
s zwischen der interna-
räsenz (KFOR) und den
jenigen, die nun andere wichtige Dinge zu erledigen ha-
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer (Köln)
Volker Schneider
(Saarbrücken)
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Mit der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf ent-
fällt die weitere Abstimmung über den Gesetzentwurf
der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-
Gerigk, Elke Ferner und weiterer Abgeordneter auf
Drucksache 16/12664.
Tagesordnungspunkt 3 b. Wir stimmen nun ab über
den Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann,
Diana Golze, Elke Reinke und weiterer Abgeordneter
mit dem Titel „Späte Schwangerschaftsabbrüche –
Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken“. Der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend emp-
fiehlt unter Ziffer IV seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/12970, über diesen Antrag einen Be-
schluss herbeizuführen. Er gibt dazu wiederum kein ei-
genes Votum ab. Wir stimmen über diesen Antrag na-
mentlich ab. – Ich darf die Schriftführerinnen und
Schriftführer bitten, mir ein Zeichen zu geben, wann wir
mit der Abstimmung beginnen können.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung über diesen
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz (Herborn)
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth (Quedlinburg)
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Irmingard Schewe-Gerigk
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Wolfgang Wieland
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
haltliche Beschlussempfehlung gibt der Ausschuss nicht.
Auch über diesen Antrag stimmen wir auf Wunsch der
Initiatoren namentlich ab. Ich bitte, mir wieder ein Zei-
chen zu geben, wenn alle Urnen besetzt sind.
Da vermutlich viele Kolleginnen und Kollegen nach
Einwerfen ihrer Stimmkarte für andere Geschäfte das
Plenum zwischenzeitlich verlassen wollen, weise ich
darauf hin, dass eine weitere namentliche Abstimmung
im späteren Verlauf des Abends, nach augenblicklicher
Berechnung der Redezeiten, so sich die dafür gemelde-
ten Rednerinnen und Redner daran halten, gegen 22 Uhr,
stattfindet. – Mit dieser fröhlichen Nachricht eröffne ich
nun die vorletzte namentliche Abstimmung des heutigen
Tages.
Gibt es noch jemanden, der für die letzte namentliche
Abstimmung zu dem vorhin aufgerufenen Themen-
komplex seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? – Dann
schließe ich die letzte namentliche Abstimmung zu die-
sem Tagesordnungspunkt und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.2)
Wir setzen die Beratungen sofort mit dem nächsten
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24225
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien
(jetzt: Republik Serbien) und der Republik
Serbien vom 9. Juni 1999
– Drucksache 16/12881 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-
außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred
Grund [CDU/CSU])
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern
habe ich gemeinsam mit dem Zeithistoriker Conze seine
neue Geschichte der Bundesrepublik vorgestellt. Das
Kapitel zum Kosovo-Krieg ist mit dem Titel „Die Rück-
kehr des Krieges nach Europa“ überschrieben. Dies hat
mir noch einmal die leidenschaftlichen Diskussionen in
Erinnerung gerufen, die wir in Deutschland – auch hier
im Hohen Hause – damals, vor zehn Jahren, miteinander
geführt haben. Die Entscheidung, uns auf dem Balkan
auch militärisch zu engagieren, haben wir uns miteinan-
der nicht leicht gemacht. Diese Entscheidung hat Ge-
schichte geschrieben. Selbstverständlich ist dies auch
Anlass, dass wir uns selbst immer wieder Rechenschaft
darüber ablegen, was wir erreicht haben.
Ethnische Spannungen auf dem Balkan sind geblie-
ben; aber das Gespenst des Krieges – das ist das Ent-
scheidende – wurde gebannt. Das haben wir gemeinsam
mit anderen erreicht. Darauf können wir stolz sein.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch all die Horrorszenarien, die noch vor einem Jahr
mit Blick auf die Unabhängigkeit des Kosovo an die
Wand gemalt wurden, sind nicht eingetreten. Mittlerweile
haben 58 Staaten den Kosovo anerkannt, darunter – mit
Ausnahme Bosniens und Serbiens – sämtliche Nachfolge-
staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Die überwältigende
Mehrzahl der Staaten in der Region setzt auf Kooperation
und auf Stabilität. Das bedeutet für die Menschen Chan-
cen auf Aussöhnung und die Perspektive einer friedlichen
gemeinsamen Zukunft. Das ist doch das, was wir gemein-
sam wollten. Das ist das, was wir erreicht haben.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch Serbien – das sollten wir nicht übersehen –
agiert inzwischen besonnener, bei allem Beharren auf
seinem vermeintlichen Rechtsanspruch. Auch Serbien
ist bemüht, kein Öl ins Feuer zu gießen. Sowohl die Fei-
erlichkeiten zum Jahrestag der Unabhängigkeit des Ko-
sovo als auch eine Reihe von Gedenktagen im Februar
und im März sind einigermaßen friedlich verlaufen. Wer
sich erinnert, wer die Bedeutung symbolträchtiger Jah-
restage auf dem Balkan kennt, der weiß, dass das alles
andere als selbstverständlich ist. Dass es diesmal ruhig
geblieben ist, ist auch ein Fortschritt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Dennoch sind die Herausforderungen, vor denen der
Kosovo steht, gewaltig. Der Aufbau der Wirtschaft ist
durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise jetzt
besonders schwierig. Hinzu kommt der Kampf gegen
Korruption und organisierte Kriminalität. All das sind
Riesenaufgaben. Manches geht voran. Letzte Woche ist
Kosovo Mitglied im Internationalen Währungsfonds ge-
worden. Vergangenen Sommer ist die kosovarische Ver-
fassung in Kraft getreten. Das ist ein wichtiger, nicht zu
unterschätzender Grundstein dafür, dass Kosovo-Alba-
ner, Kosovo-Serben und Angehörige anderer Volksgrup-
pen – wenn auch noch nicht miteinander – jetzt fürs
Erste friedlich nebeneinander leben können.
Mit EULEX hat die Europäische Union die bisher
größte zivile EU-Stabilisierungsmission geschaffen. Sie
wird von allen maßgeblichen Akteuren unterstützt: vom
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, von der Regierung
Kosovos, auch von der Regierung Serbiens. Wie Sie wis-
sen, hat Präsident Tadic dies schon Ende 2008 in seinem
Schreiben an Javier Solana ausdrücklich bekräftigt. Auch
hier fragen wir uns noch einmal: Wer hätte vor zwei Jah-
ren gedacht, dass wir miteinander so weit kommen? Des-
halb sage ich: Auch das sollten wir bei allen Schwierig-
keiten, die es noch gibt, wahrlich nicht gering schätzen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
Wir reden heute über ein Mandat. Trotz aller Fort-
schritte im Kosovo, in der Gesamtregion, von denen ich
ein paar skizziert habe, wird militärische Präsenz vorerst
weiterhin erforderlich sein. KFOR ist ein Stabilitäts-
garant, das sehen nicht nur die Menschen im Kosovo so,
sondern auch die in der gesamten Region, selbst die in
Serbien, wie wir inzwischen wissen. Leider gibt es im-
mer noch einige, die zündeln, Stichwort „Mitrovica“, um
ein Beispiel aus jüngster Zeit zu nennen.
Trotzdem spiegelt die Absenkung der Truppenstärke
im diesjährigen Mandat die insgesamt positiven Ent-
wicklungen in der Gesamtregion wider. Damit der unab-
hängige Kosovo sobald wie möglich Verantwortung für
die eigene Sicherheit übernehmen kann, hilft KFOR
eben auch beim Aufbau und bei der Ausbildung kosova-
rischer Sicherheitskräfte.
Die Fortschritte im Kosovo sind sicherlich das Ergeb-
nis unserer beharrlichen, wie ich mich erinnere, nicht im-
mer einfachen, aber immer an den Realitäten ausgerichte-
ten Politik. Es sind vor allen Dingen Ergebnisse des
engagierten Einsatzes unserer Soldatinnen und Soldaten
über die letzten Jahre hinweg. Deshalb sage ich: Ihnen gilt
unser ganz besonderer Dank, unsere Anerkennung.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
24226 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
Monika Knoche Dr. Christoph Bergner Ute Granold Dr. Martina Krogmann
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer (Köln)
Volker Schneider
(Saarbrücken)
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
(Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer (Altötting)
Wolfgang Meckelburg
Katrin Kunert Otto Bernhardt Reinhard Grindel Dr. Hermann Kues
Sie sollten auch im kommen
stützung zählen können.
Deshalb, meine Damen u
breite Unterstützung dieses H
längerung des Mandates.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, de
BÜNDNIS 90/DIE GR
geordneten der FDP)
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 557;
davon
ja: 48
nein: 498
enthalten: 11
Ja
SPD
Michael Roth (Heringen)
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
den Jahr auf unsere Unter-
nd Herren, hoffe ich auf
ohen Hauses für die Ver-
r CDU/CSU und dem
ÜNEN sowie bei Ab-
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Bettina Herlitzius
Sylvia Kotting-Uhl
Irmingard Schewe-Gerigk
Hans-Christian Ströbele
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen)
Veronika Bellmann
Vizepräsidentin Dr. h. c
Ich komme nun zurück z
und gebe das von den Schrift
rern ermittelte Ergebnis de
mung über den Antrag der
Tackmann, Diana Golze, Elk
geordneter mit dem Titel „S
brüche – Selbstbestimmungs
Drucksachen 16/11377 und 1
bene Stimmen 559. Mit Ja ha
haben gestimmt 501, Enthal
damit abgelehnt.
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
(Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
. Susanne Kastner:
u Tagesordnungspunkt 3 b
führerinnen und Schriftfüh-
r namentlichen Abstim-
Abgeordneten Dr. Kirsten
e Reinke und weiterer Ab-
päte Schwangerschaftsab-
recht von Frauen stärken“,
6/12970, bekannt: abgege-
ben gestimmt 47, mit Nein
tungen 11. Der Antrag ist
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
(Wiesbaden)
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24227
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer (Hamm)
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
(Braunschweig)
Stefan Müller (Erlangen)
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann (Bremen)
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)
Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)
Andreas Schmidt (Mülheim)
Ingo Schmitt (Berlin)
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer (Neuss)
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding (Heidelberg)
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz (Essen)
Gerd Höfer
Iris Hoffmann (Wismar)
Frank Hofmann (Volkach)
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Johannes Jung (Karlsruhe)
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel (Berlin)
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller (Chemnitz)
Michael Müller (Düsseldorf)
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche (Cottbus)
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Renate Schmidt (Nürnberg)
Heinz Schmitt (Landau)
Carsten Schneider (Erfurt)
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
(Everswinkel)
Swen Schulz (Spandau)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
24228 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Cornelia Behm
Alexander Bonde
DIE LINKE
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Weiterhin gebe ich das v
und Schriftführern ermittelte
chen Abstimmung über den
Christel Humme, Irmingard S
und weiterer Abgeordneter
volle Hilfen in Konfliktsituat
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 556;
davon
ja: 461
nein: 62
enthalten: 33
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
(Frankfurt)
on den Schriftführerinnen
Ergebnis der namentli-
Antrag der Abgeordneten
chewe-Gerigk, Elke Ferner
mit dem Titel „Wirkungs-
ionen während der Schwan-
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen)
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
(Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Renate Künast
Undine Kurth (Quedlinburg)
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
gerschaft ausbauen – Volle T
Behinderung sicherstellen“, D
16/12970, in der Ausschussfa
Stimmen 558. Mit Ja haben g
ben gestimmt 62, Enthaltung
angenommen.
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Ute Koczy
Nicole Maisch
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Rainder Steenblock
eilhabe für Menschen mit
rucksachen 16/11342 und
ssung bekannt: abgegebene
estimmt 463, mit Nein ha-
en 33. Der Antrag ist damit
Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
(Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
FDP Patrick Meinhardt Thilo Hoppe
Priska Hinz (Herborn)
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff
(Wolmirstedt)
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Michael Link (Heilbronn)
Dr. Erwin Lotter
Horst Meierhofer
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Katrin Göring-Eckardt
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Dr. Ilja Seifert
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Birgitt Bender
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Dr. Dieter Wiefelspütz Heinz Lanfermann Ekin Deligöz Dr. Herbert Schui
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
(Wiesloch)
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck (Bremen)
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth (Augsburg)
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Enthalten
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24229
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
(Wiesbaden)
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer (Hamm)
Maria Michalk
Dr. h.c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
(Braunschweig)
Stefan Müller (Erlangen)
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann (Bremen)
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)
Anita Schäfer (Saalstadt)
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Andreas Schmidt (Mülheim)
Ingo Schmitt (Berlin)
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer (Neuss)
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h.c. Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding (Heidelberg)
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Dr. h.c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz (Essen)
Gerd Höfer
Iris Hoffmann (Wismar)
Frank Hofmann (Volkach)
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Johannes Jung (Karlsruhe)
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
24230 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Markus Meckel
Petra Merkel (Berlin)
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller (Chemnitz)
Michael Müller (Düsseldorf)
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche (Cottbus)
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Michael Roth (Heringen)
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
(Tuchenbach)
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Renate Schmidt (Nürnberg)
Heinz Schmitt (Landau)
Carsten Schneider (Erfurt)
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
(Everswinkel)
Swen Schulz (Spandau)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h.c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
(Wiesloch)
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff
(Wolmirstedt)
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Mechthild Dyckmans
Horst Friedrich (Bayreuth)
Miriam Gruß
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dr. Erwin Lotter
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck (Bremen)
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz (Herborn)
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth (Quedlinburg)
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
Dr. Michael Fuchs
Stephan Mayer (Altötting)
Peter Rzepka
Christian Schmidt (Fürth)
Michael Stübgen
SPD
Ernst Kranz
FDP
Rainer Brüderle
Paul K. Friedhoff
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Link (Heilbronn)
Patrick Meinhardt
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Volker Wissing
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dagdelen
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer (Köln)
Volker Schneider
(Saarbrücken)
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
Enthalten
FDP
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Jörg van Essen
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Horst Meierhofer
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
(Frankfurt)
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24231
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Stinner,
FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es
richtig, dass wir uns angesichts veränderter Rahmenbe-
dingungen im Kosovo heute wieder einmal in einer De-
batte im Bundestag mit der Verlängerung dieses wichti-
gen Mandates beschäftigen, das ja nicht mehr so sehr im
Lichte der Öffentlichkeit steht, aber dennoch sehr wich-
tig ist.
Wir als FDP-Fraktion werden diesem Antrag auf Ver-
längerung des Mandates zustimmen, weil wir der Mei-
nung sind, dass auch im Jahre 2009 militärische Präsenz
im Kosovo notwendig ist.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU und der SPD)
Die NATO hat im Kosovo mit über 50 000 Soldaten
angefangen. Jetzt sind es noch 15 000 Soldaten. Das ist
der richtige Weg, die richtige Richtung. Die Bundesre-
gierung hat sinnvollerweise den Mandatsumfang ange-
passt. Das begrüßen wir. Wir stimmen Ihnen da völlig
zu. Die Soldaten haben hervorragende Arbeit geleistet,
zum Teil unter sehr schwierigen Bedingungen, zumin-
dest am Anfang. Dafür möchten wir ihnen auch von hier
aus eindeutig unseren Dank und unsere Anerkennung
aussprechen.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind aber der Meinung, liebe Kolleginnen und
Kollegen, dass die Zahl der dort stationierten Soldaten
insgesamt noch schneller und drastischer, deutlicher und
stärker reduziert werden kann. Der Auffassung, dass wir
nicht allen populistischen Darstellungen von angeblicher
Nichtbeschäftigung gleich nachgeben sollten, stimme
ich zu. Wir sollten aber sehr wohl die bei der NATO vor-
handenen konkreten Überlegungen und Planungen ernst
nehmen, jetzt damit anzufangen, die Truppenzahl im
Kosovo deutlich zu reduzieren, und zwar auf eine ab-
schreckende Präsenz, auf eine „deterrent presence“, wie
der Fachausdruck lautet. Das halten wir für richtig. Wir
wissen, dass wir im Notfall Truppen heranziehen kön-
nen. Eine solche abschreckende Präsenz würde circa
2 000 Soldaten im Kosovo bedeuten. Wenn man die Re-
lationen, die jetzt bestehen, zugrunde legt, würde das
circa 400 deutsche Soldaten bedeuten. Das ist ein Um-
fang, der, wie ich glaube, auch für uns Deutsche eine we-
sentliche Erleichterung bringen würde.
Wir halten das für den richtigen Weg. Wir müssen
aber leider feststellen, dass sich die Bundesregierung
nicht gerade durch große Aktivität hervortut, um dafür
zu sorgen, dass dieser Weg beschritten wird, oder um das
auch nur zu kommentieren. Auch heute habe ich vom
Herrn Außenminister darüber nichts gehört. Ich hoffe,
dass der Verteidigungsminister dazu gleich noch Stel-
lung nehmen wird. Die Bundesregierung erweckt jeden-
falls nicht den Eindruck, als stehe sie an der Speerspitze
der Bewegung hin zu einer sinnvollen Reduzierung der
Soldaten im Kosovo.
(Beifall bei der FDP)
Das sollte sie aber; denn wir alle wissen – das bekom-
men wir ja täglich mit; wir im Verteidigungsausschuss
vielleicht noch stärker als andere Kolleginnen und Kol-
legen –, wie angespannt die Situation der Bundeswehr
angesichts der Vielzahl derzeitiger Aufträge ist. Da wäre
eine Erleichterung sehr willkommen. Stationierung darf
kein Selbstzweck sein.
Lassen Sie mich hier zwei sicherlich kritische Punkte
ansprechen: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass
Deutschland an der Stationierung in der Größenordnung
festhalten möchte, weil eine drastische Reduzierung zu
einer Veränderung der regionalen Zuständigkeit und der
regionalen Schwerpunkte – wir fühlen uns ja so wohl;
wir sind ja auch in Prizren so bekannt – führt. Dies darf
auch nicht dazu führen, dass wir Angst davor haben,
eventuell logistische Systeme zu verändern. Diese Dis-
kussionen werden durchaus geführt. Ich spitze es zu:
Darüber hinaus darf unter gar keinen Umständen inter-
national der Eindruck entstehen, dass wir mit einem Ab-
zug aus dem Kosovo eher zurückhaltend sind, um Solda-
ten nicht woanders einsetzen zu müssen. Das ist eine
zuspitzende Bemerkung, aber ich sage das; denn dieser
Eindruck darf unter keinen Umständen entstehen. Des-
halb fordere ich die Bundesregierung auf, sich aktiv im
Deutschen Bundestag, im Verteidigungsausschuss, im
Auswärtigen Ausschuss, aber insbesondere in den Pla-
nungsstäben der NATO mit diesem Thema zu beschäfti-
gen und uns hier reinen Wein einzuschenken.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, die Präsenz von Soldaten
soll den zivilen Aufbau absichern. Das ist ihre Funktion.
Die Soldaten haben hier wirklich ein fabelhaftes Ergeb-
nis erreicht. Aber wir können mit dem erreichten zivilen
Aufbau im Kosovo nicht zufrieden sein. Ich sage es so
deutlich, wie ich es empfinde. Die UNMIK hat in den
neun oder zehn Jahren ihrer Präsenz nicht das erreicht,
was sie erreichen sollte, was wir erwarten konnten und
mussten. Die EULEX-Mission hatte einen sehr schwe-
ren Start. Das ist kein Vorwurf an die Bundesregierung,
meine Herren Minister, aber es ist eine Tatsache. Wir
müssen bedauernd feststellen, dass es der EU bis zum
heutigen Tage nicht gelungen ist, eine gemeinsame poli-
tische Position zum Thema Kosovo zu finden. Wir haben
jetzt eine durch EULEX überwachte Selbstständigkeit
des Kosovo. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, bei jeder Debatte – ich weiß, Sie können es bald
nicht mehr hören, aber es ist die Wahrheit –: Das hätten
Sie einfacher haben können, wenn Sie im Jahre 2004
dem Antrag der FDP-Fraktion zugestimmt hätten, in
dem wir genau das skizziert haben, was heute in etwa
dort vorhanden ist. Im Jahre 2004 hätte es ein völlig an-
deres psychologisch-politisches Umfeld sowohl in Russ-
land als auch vor allem in Serbien gegeben. Es hätte die
Chance bestanden, gemeinsam eine saubere, legale Lö-
sung zu erreichen.
24232 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Rainer Stinner
Wir sind uns bewusst, dass EULEX unter schwierigen
Bedingungen gestartet ist. Nichtsdestotrotz muss festge-
halten werden: Der Fall EULEX zeigt ein weiteres Mal
die mangelnde Handlungsfähigkeit der EU, und zwar
nicht nur in politischen Abstimmungsprozessen, sondern
auch bei ganz einfachen operativen Dingen zur Einrich-
tung der Mission, bei den Kommunikationsleistungen,
den Fahrzeugen, Papieren usw. Es gab einen holprigen
Start. Das wirft kein gutes Licht auf die Fähigkeit der
EU, solche Missionen durchzuführen.
Die Bundesregierung ist dafür nicht verantwortlich,
aber Deutschland ist das größte Land in Europa. Wir ha-
ben eine besondere Bedeutung für den Kosovo und der
Kosovo für uns. Von daher erwarten wir von der Bun-
desregierung, dass sie ihren Einfluss geltend macht.
Die Bundesregierung und speziell der Redner, der
nach mir kommt – Herr Präsident, ich komme zum
Schluss –, redet gerne von vernetzter Sicherheit. Das ist
sinnvoll und richtig. Die würden wir uns aber auch im
Kosovo wünschen. Denn es ist nicht akzeptabel, weder
in Afghanistan noch im Kosovo, dass mangelnde politi-
sche Handlungsfähigkeit durch Präsenz von Soldaten er-
setzt werden muss.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister
Dr. Franz Josef Jung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-
gung:
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer
zurückschaut und sich an den Prozess der deutschen Ein-
heit erinnert – wir haben ja in diesem Jahr den 20. Jah-
restag des Falls der Berliner Mauer –, nämlich dass wir
die Einheit in Freiheit erreicht haben, ohne dass ein
Tropfen Blut vergossen worden ist, dem wird die damals
herrschende Euphorie wieder bewusst werden. Damals
konnte man noch nicht ahnen – das nehme ich zumindest
für mich in Anspruch –, dass wir ein paar Jahre später
auf dem Balkan, also in Europa, wieder Massenhinrich-
tungen, Massenvergewaltigungen, Massenvertreibun-
gen und kriegerische Auseinandersetzungen würden er-
leben müssen. Ohne den Einsatz der NATO und damit
der Bundeswehr wären dort keine stabilen Verhältnisse
eingetreten. Wir haben bisher rund 100 000 Soldatinnen
und Soldaten in diesen Einsatz geschickt. Das zeigt, wel-
chen Beitrag die Bundeswehr zur Stabilität und zu einer
friedlichen Perspektive in Europa geleistet hat. Dafür
möchte ich unseren Soldatinnen und Soldaten in dieser
Debatte sehr herzlich danken.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch in der Frage der weiteren Stabilisierung sind
wir einen weiteren Schritt vorangekommen. EULEX, die
Rechtsstaats- und Polizeimission Europas, die im April
dieses Jahres ihre volle Einsatzbereitschaft erreicht hat,
wird entscheidend zum Aufbau einer effektiven Polizei
und rechtsstaatlicher Strukturen im Kosovo beitragen.
Wir leisten auch unseren Beitrag, um weiterhin die Ko-
sovo Security Force aufzubauen. Im Zuge dessen wird
das Kosovo Protection Corps abgebaut. Rund 1 500 Kräfte
werden übernommen, weitere 400 werden hinzukommen.
Dieser Großteil des Gesamtumfangs von 2 500 Kräften,
die – davon gehen wir aus – im September der Kosovo
Security Force angehören werden, befindet sich zurzeit
in der Ausbildung. Mit EULEX und durch die Eigenver-
antwortung der Kräfte im Kosovo ist unserer Ansicht
nach ein Übergang im Hinblick auf die Gewährleistung
der Sicherheit möglich.
Kollege Stinner, ich kann Ihre Kritik nur zurückwei-
sen. Wir sind in diesen Prozess sehr mit eingebunden,
auch in der Frage, was die zukünftige Stärke betrifft; ich
sage gleich noch etwas dazu. Wir dürfen aber aus meiner
Sicht jetzt nicht durch Ad-hoc-Reaktionen und einen
überschnellen Abzug die Stabilität und die friedliche
Perspektive im Kosovo gefährden. Vielmehr müssen wir
einen schrittweisen Übergang vollziehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Wir werden auch beim KSF-Trust-Fonds, also bei der
Ausstattung und Ausrüstung dieser Kräfte, einen erheb-
lichen Beitrag leisten. Wir werden uns mit 12 Millionen
Euro, ungefähr einem Drittel des Gesamtvolumens von
rund 37 Millionen Euro, daran beteiligen. 204 Bundes-
wehrfahrzeuge werden an die Kosovo Security Force
übergeben; 185 sind schon geliefert worden. Das zeigt,
welchen Beitrag wir leisten, um den Kosovo in die Lage
zu versetzen, selbst für seine Sicherheit und für Stabilität
Sorge zu tragen.
Aber lassen Sie mich zu der Frage der zukünftigen
Entwicklung, die Sie angesprochen haben, etwas sagen.
Erstens halte ich es für richtig, dass wir jetzt, da wir
noch rund 2 300 Soldaten im Kosovo haben, die Ober-
grenze von 8 500 auf 3 500 reduzieren. Zweitens haben
wir uns vorgenommen, im Rahmen der NATO-Verteidi-
gungsminister-Konferenz, die im Juni stattfindet, das
Konzept „Deterrent Presence“ – Sie haben es angespro-
chen –, „abschreckende Präsenz“, zu entwickeln, mit
dessen Hilfe die Verantwortung der KFOR schrittweise
auf die zivilen Strukturen und die eigenen Kosovo-
Strukturen übergehen soll. Bisher ist beabsichtigt, die
Zahl der Kräfte von 15 000 in der ersten Stufe auf
10 000 abzusenken und dann je nach Entwicklung der
Lage einen weiteren Schritt in den Blick zu nehmen, um
nicht letztlich das zu gefährden, was wir gemeinsam in
den zurückliegenden Jahren aufgebaut haben.
Eins muss klar sein: Das Ziel von KFOR ist weiter-
hin, ein sicheres Umfeld für alle Bewohner des Kosovo
zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Der Außenminister
hat – zu Recht, wie ich finde – auf die eine oder andere
kritische Entwicklung im Norden des Kosovo hingewie-
sen. Aber trotz größerer Demonstrationen in der letzten
Zeit dort konnte die Lage bisher insgesamt stabil gehal-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24233
(A) (C)
(B) (D)
Bundesminister Dr. Franz Josef Jung
ten werden. Unser Auftrag wird weiterhin sein, die zivi-
len Missionen zu unterstützen – auch hier ist also das
Konzept der vernetzten Sicherheit in der Umsetzung –
und selbsttragende Sicherheitsstrukturen im Kosovo zu
schaffen.
Ab August dieses Jahres werden wir im Rahmen die-
ses Mandates wieder die Führungsverantwortung von
KFOR übernehmen; auch das ist ein Beitrag zur Ge-
währleistung eines sicheren Umfeldes im Kosovo.
Wir müssen den Prozess der Stabilisierung und der
Umstrukturierung in einem verantwortungsvollen Um-
feld gestalten. Deshalb bitte ich um Zustimmung für die
Verlängerung dieses Mandats. Wir müssen die weitere
Entwicklung der politischen Lage im Blick behalten.
Wir sollten über eine Reduzierung in einem abgestuften
Verfahren nach einer entsprechenden Einschätzung der
Lage entscheiden. Aber zunächst ist es notwendig, dass
wir weiterhin unseren Beitrag zur Gewährleistung einer
stabilen Entwicklung im Kosovo leisten. Damit schaffen
wir eine europäische Perspektive, die in eine friedliche
Zukunft führt. Das ist unser Auftrag, den wir weiterhin
erfüllen wollen. Ich bitte Sie dafür um Ihre Unterstüt-
zung.
Besten Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort der Kollegin Monika Knoche,
Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Monika Knoche (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und
Damen! Bei diesem Mandat sehen wir Linke im Beson-
deren nicht, dass ein wesentliches Kriterium für eine
verfassungsgemäße Mission im Kosovo erfüllt wäre,
und zwar die völkerrechtliche Legitimation. Seit der An-
erkennung des Kosovo im Februar 2008 gibt es für eine
deutsche Militärpräsenz keine rechtliche Grundlage
mehr. Das ist unsere Position, die wir auch, wie Sie wis-
sen, vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen un-
serer Klage vertreten. Wir sehen also nur eine Möglich-
keit: Deutsche Soldaten sind aus diesem Auslandseinsatz
abzuziehen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Ohne ein neues Mandat der Vereinten Nationen kann es
keine Entscheidung über einen weiteren Auslandseinsatz
Deutschlands geben. Ein neues Mandat aber wird die
UN nicht erteilen; sie kann auch gar nichts anderes tun,
als die Statusneutralität zu bestätigen, will sie nicht ih-
rerseits gegen das Völkerrecht verstoßen. Das ist die
Lage.
Eine neuerliche Mandatsverlängerung ist nach unse-
rer Auffassung nicht möglich. Mit dieser Völkerrechts-
position stehen wir Linke nicht allein, nicht in Europa
und auch nicht in der UN-Vollversammlung. Spanien hat
den Kosovo nicht anerkannt. Die spanische Verteidi-
gungsministerin Carme Chacón kündigte am 19. März
an, ihre Soldaten aus dem Kosovo abzuziehen. Überdies
haben nur 58 Länder der Welt die Separation von Ser-
bien für rechtens gehalten. Die Mehrheit der Staaten
geht mit Serbien den Weg der Begutachtung vor dem In-
ternationalen Gerichtshof. Wenn nun die KFOR weiter-
hin zum Aufbau einer eigenständigen Armee beitragen
soll, dann würde das noch mal die Eigenstaatlichkeit des
Kosovo unterstreichen und die Integrität des serbischen
Staates unterlaufen.
All diese gravierenden Einwände gegen die deutsche
Truppenpräsenz wollen Sie kleinreden oder schlechter-
dings übergehen.
Gerade jüngst bei der Entscheidung über die zivile
Rechtsstaatsmission der EU, EULEX, haben die Verein-
ten Nationen die Statusneutralität des Vorhabens unter-
strichen und EULEX unter die UN-Mission UNMIK ge-
stellt. Die UN ist nämlich der Meinung, dass die
Statusfrage noch offen ist. Die neue serbische Regierung
hat hart um diese Klarstellung gekämpft, und sie hat ob-
siegt. Die Bundesregierung aber wollte die Ablösung der
UNMIK erreichen. Die UN ist dieser Argumentation der
Bundesregierung nicht gefolgt und hat EULEX unter die
UN-Mission UNMIK gestellt. Das ist rechtens. Es ist
wichtig, dass wir dies im Bundestag deutlich ausspre-
chen.
Wir sehen also: Die im Antrag enthaltene Aussage der
Bundesregierung, dass der Einsatz auf Grundlage der
seit 1999 bestehenden Resolution 1244 des Sicherheits-
rates der Vereinten Nationen erfolgt, kann nicht ange-
führt werden; denn die Lage im Kosovo hat sich seit
dem Februar 2008 durch die Anerkennung verändert.
Ich war vor 14 Tagen im Kosovo, und zwar in Mitro-
vica. Ich kann sagen, die UNMIK hat es nicht vermocht,
Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit der Ethnien durchzu-
setzen sowie Kriminalität und Korruption zu bekämpfen,
obwohl sie die Unterstützung der NATO-Schutztruppe
KFOR für diese zivile Mission hat. Der Westen hat mei-
nes Erachtens viel zu wenig Mut, den neuen Machtha-
benden im Kosovo einmal die harte Kante zu zeigen.
Schauen wir uns die Situation im Kosovo, in Mitrovica
an: Die Roma können nicht zurückkehren, die Flücht-
lingsfrage ist nicht geregelt, und die Regierung in Pris-
tina überlässt alles EULEX oder KFOR.
Der Kosovo ist – das will ich an dieser Stelle sagen –
Dreh- und Angelpunkt des Drogen- und Menschenhan-
dels. Auch über diese Frage können wir hier im Bundes-
tag nicht hinweggehen. Ich möchte auf Carla del Ponte,
die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Straf-
gerichtshofs in Den Haag, hinweisen, die in ihrem Buch
deutlich zum Ausdruck bringt, dass es nicht möglich
war, Kriegsverbrecher aus dem Kosovo vor Gericht zu
bringen, weil Zeugen getötet oder mundtot gemacht
wurden.
All das gehört dazu, wenn man die Lage im Kosovo
bewerten will. Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass sich
an diesem Übel durch eine Fortführung der KFOR-Prä-
24234 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Monika Knoche
senz etwas ändern wird. Großbritannien plant, sein ge-
samtes Kontingent im September abzuziehen. Ich finde,
wir müssen unbedingt – auch aus Gründen der Rechts-
staatlichkeit und der Rechtmäßigkeit – gleichziehen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort der Kollegin Marieluise Beck,
Bündnis 90/Die Grünen.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich denke, man muss immer und immer wie-
der, auch noch zehn Jahre nach der Intervention, daran
erinnern – der Herr Außenminister hat das schon ge-
tan –, was der historische Hintergrund der KFOR-Mis-
sion ist. Die Intervention war in der Tat äußerst schwierig,
weil der UN-Sicherheitsrat – wie häufig in Konfliktsi-
tuationen, in denen wir ihn bräuchten – nicht handlungs-
fähig war, aber unter dem Eindruck des Krieges in Bos-
nien und eines Massakers in Europa, vor unserer eigenen
Haustür, nämlich in Srebrenica, eine Entscheidung zu
treffen war. Wir haben lernen müssen, dass ein Nation-
Building-Prozess viel schwieriger ist, als wir alle uns das
vorgestellt haben. Manche Probleme haben wir geerbt,
manche sind neu geschaffen worden.
Im Kosovo geht es nur langsam voran. Warum? Die
serbischen Menschen im Norden Mitrovicas, die unter
dem starken Einfluss der radikalen serbischen Partei le-
ben, haben nicht gleich ihre Zustimmung gegeben und
sich nicht plötzlich als Bürgerinnen und Bürger des Ko-
sovo gefühlt. War das anders zu erwarten? Ich möchte
daran erinnern, dass das Gerichtsgebäude in Mitrovica
nach der Unabhängigkeitserklärung von den Menschen
besetzt wurde, die die Kosovo-Albaner über Jahre hin-
weg mit einem Apartheidsystem unterdrückt haben.
Dass diese über einen Staat Kosovo nicht begeistert wa-
ren, ist leicht nachvollziehbar.
Wie schwierig es ist, den Nationalismus zu überwin-
den, erfahren wir im Alltag: In einem von Serben be-
wohnten Dorf im Kosovo hat die Dorfbevölkerung über
Monate hinweg den Strom nicht bezahlt. Als der Strom
abgestellt wurde, fand eine gewalttätige Demonstration
statt, in der die Dorfbewohner zum Ausdruck brachten,
dass sie nur Strom aus Serbien beziehen wollen. Das
sind die Blüten des Nationalismus, mit denen wir es auf
dem Balkan zu tun haben. Das schwierige Geflecht von
EULEX, UNMIK und KFOR dient dazu, dieses gefährli-
che Nationalismusgefühl, von dem wir wissen, dass es
wieder aufflammen kann, abzukühlen, damit eine Beru-
higung eintreten kann und Brücken gebaut werden kön-
nen, wie sie für das Entstehen dieses Staates notwendig
sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg.
Ruprecht Polenz [CDU/CSU])
Wir haben ein Institutionengewirr; das ist wahr. Mit
der EULEX-Mission wird im Süden der Staat Kosovo
aufgebaut, während im Norden EULEX UNMIK unter-
steht. Im Norden wird nach wie vor – so würde ich
sagen – eine Quasi-Angliederung an serbisches Gebiet
geduldet. Damit haben wir faktisch unterschiedliche
Rechtsgebiete. Das ist keine gute Basis, wenn man einen
funktionierenden Rechtsstaat aufbauen will. Noch viel
weniger ist das eine gute Basis, wenn schwierige Fragen
wie die, wie mit verstaatlichtem Eigentum aus jugosla-
wischer oder serbischer Zeit umgegangen werden soll,
zu behandeln sind. Diese Fragen sind in den kommenden
Jahren zu klären.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass manche die-
ser Dilemmata mit einer Obstruktionspolitik sowohl aus
Russland als auch aus Serbien zusammenhängen; denn
sie haben klare Lösungen verhindert. Der Sicherheitsrat
hat seine Verantwortung, völkerrechtlich klare Lösungen
zu schaffen, nicht wahrgenommen; das ist immer wieder
deutlich zu sagen. Insofern, Frau Kollegin Knoche, ist es
absurd, wenn Sie jetzt versuchen, den Einsatz dort, wo
ein klares Mandat besteht – das Mandat für KFOR ist
wirklich klar –, infrage zu stellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der
FDP)
Ich möchte noch kurz etwas zu einer Debatte sagen,
mit der wir es inzwischen zu tun haben. Von russischer
Seite wird immer wieder versucht, die Intervention in
Georgien und die Anerkennung von Abchasien und Süd-
ossetien in den Windschatten des Kosovo zu stellen nach
dem Motto: Da habt ihr eure Retourkutsche. Ich sage
ganz klar: Wer diese Vorgänge gleichsetzt, der hat sich
mit ihnen nicht beschäftigt. Der georgische Angriff auf
Zchinwali war verwerflich, aber er ist nicht zu verglei-
chen mit der jahrzehntelangen Unterdrückung der Alba-
ner im Kosovo. Über das Kosovo wurde unter Beteili-
gung aller Kontrahenten acht Jahre lang verhandelt.
Russland hat Südossetien und Abchasien nach zwei Ta-
gen anerkannt und jetzt fast annektiert. Wer hier – wie
die russische Seite – versucht, sich auf das Völkerrecht
zu berufen, der ist unglaubwürdig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD und der FDP)
Zurück zum Kosovo. Die Situation bleibt kompliziert.
Fortschritte brauchen Zeit und Geduld. Es handelt sich
um einen Staat mit einer eingeschränkten Souveränität.
Folgerichtig gewährleistet KFOR – neben allen anderen
zivilen Missionen, die es dort gibt – das Stück an militä-
rischer Sicherheit, das die Menschen nach wie vor dort
brauchen.
Schönen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24235
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Gerd Höfer, SPD-
Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Gerd Höfer (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auf die Einlassungen der Kollegin Knoche möchte ich
nicht mehr eingehen. Das hat in beeindruckender Weise
meine Vorrednerin, Marieluise Beck, getan.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, das hat sie gut
gemacht!)
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich kann mir aber nicht verkneifen, darauf hinzuwei-
sen, dass eine OSZE-Parlamentarierversammlung ein-
stimmig eine Resolution angenommen hat, in der sinn-
gemäß steht: Wenn ein souveräner Staat nicht souverän
mit seinen Staatsbürgern umgeht, ist das ein Grund, zu
intervenieren. – Ich denke, das war im Kosovo auf jeden
Fall gegeben. Über Bosnien-Herzegowina und anderes
möchte ich nicht weiter reden.
(Beifall bei der SPD)
Die Einlassungen des Kollegen Stinner haben mich
etwas irritiert.
(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein!)
– Doch. Das ist mein und nicht Ihr Problem. – Wenn
man eine abschreckende Präsenz fordert, stellt sich die
Frage, wie die Abschreckung erreicht werden kann, ob
durch Quantität oder Qualität. Nach dem, was der Bun-
desaußenminister vorgetragen hat, stellt sich überhaupt
die Frage: Braucht man eine abschreckende Präsenz,
wenn dort ein friedliches Nebeneinander konstatiert
wird? Die Frage ist im Prinzip offen. Wenn man keine
abschreckende Präsenz braucht, sondern die Truppen der
KFOR einer vorbeugenden Sicherheitspräsenz dienen,
kann man sich anderen Aufgaben widmen – das hat der
Bundesverteidigungsminister vorgetragen –, nämlich der
Ausbildung derer, die nach Abzug der Truppen selbst die
Sicherheit im eigenen Land gewährleisten sollen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg.
Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN])
Daher macht es Sinn, die Truppenstärke so zu belassen,
wie sie ist.
Völlig abstrus fand ich Ihr Argument, Herr Kollege
Stinner – Sie haben diesen Verdacht geäußert –, dass die
Bundesrepublik Deutschland, wenn man die Truppen im
Kosovo zu stark reduziert, gezwungen wäre, die Solda-
ten, die dort nicht mehr gebraucht werden, woanders ein-
zusetzen. Ich appelliere an Ihr Selbstbewusstsein, lieber
Kollege: Wenn dies der Fall sein sollte, ist ein Bundes-
tagsbeschluss notwendig.
(Beifall bei der SPD)
Ich glaube nicht, dass der Deutsche Bundestag unter die-
ser Voraussetzung – es wäre nicht einmal eine Ausrede –
eine Verbringung dieser Truppen in andere Mandatsge-
biete billigen würde. Dazu käme es nicht, schon gar
nicht mit Ihrer Stimme.
(Beifall bei der SPD)
Ich darf darauf hinweisen, dass ein wesentlicher Bei-
trag der Soldaten zur Stabilisierung des Kosovo von den
LOTs, den Liaison and Observation Teams, geleistet
worden ist, die mit ihrer Arbeit vor Ort, in den Dörfern,
die Sicherheit erhöht haben.
Es gibt ein anderes Problem, das mir bei Besuchen im
Kosovo und in Serbien deutlich aufgefallen ist. Beide
Teile sind erwartungsfroh, der EU beitreten zu können.
Hier gibt es ein riesiges mentales Problem: Beide Teile,
sowohl das Kosovo als auch Serbien, blenden aus, was
wäre, wenn sie Mitglieder der EU wären. Sie müssten
dann ein friedliches Miteinander organisieren, wie es
nach EU-Standards rechtsstaatlich notwendig wäre. Eine
entsprechende Mentalität ist noch nicht vorhanden, aller-
dings die Erwartung, dass Serbien oder das Kosovo
gleich übermorgen reich sein werden, wenn sie der EU
beitreten, dass alle Probleme gelöst wären, weil die EU
Geld geben würde.
Man muss sehr aufpassen, Initiativen nicht dadurch
abzubremsen, dass man die Kolleginnen und Kollegen
dort in dieser Hoffnung lässt. Ein Beispiel ist die Ener-
gieversorgung. Noch immer wird der Strom im Kosovo
nach A-, B- und C-Kriterien verteilt. Schon längst hätte
ein Kohlekraftwerk gebaut werden können; das Kosovo
ist reich an Braunkohle. Bisher haben interne Schwierig-
keiten – wie ich weiß, handelt es sich um Verteilungs-
schwierigkeiten – den Bau eines Kraftwerks verhindert.
Die Ausschreibung wurde zeitweilig aufgehoben. Das
Kraftwerk hätte schon längst gebaut sein können.
Diese Faktoren führen zu einer internen Destabilisie-
rung des Kosovo: die Frage der Energieversorgung, aber
auch die Frage, was man mit den Jugendlichen machen
soll. Die jungen Menschen machen einen erheblichen
Anteil der Bevölkerung im Kosovo aus. Sie haben häu-
fig keine Arbeit und keine vernünftige Ausbildung.
Wenn sie Wohlstand erreichen wollen, sind sie noch im-
mer gezwungen, auszuwandern und sich woanders mit
ihrer Arbeitskraft zu verdingen. Bei diesem Problem
muss man ansetzen. Um es zu lösen, ist es notwendig,
dass KFOR und die Bundeswehr ein sicheres Umfeld ge-
stalten. Es geht hier nicht um eine militärische Präsenz
zur Abschreckung, sondern im Gegenteil darum, dass
das Militär hilft, die zivilen Strukturen zu organisieren
und aufrechtzuerhalten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Thomas Silberhorn, CDU/CSU-Fraktion.
Thomas Silberhorn (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wenn ich richtig gerechnet habe, beraten wir
24236 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Thomas Silberhorn
hier über die zehnte Mandatsverlängerung, über die
zweite seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo
im Februar 2008. Es ist erfreulich, feststellen zu können,
dass sich die Lage seither weitgehend stabilisiert hat,
auch wenn es im größten Teil des Landes noch vereinzelt
Zwischenfälle gibt. Es gibt aber insbesondere seit dem
Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung keine erneute
Eskalation. Ich denke, das hat eine Reihe von Gründen,
die es verdienen, hier ausdrücklich genannt zu werden.
Ein Grund ist die umfangreiche internationale Prä-
senz. Insbesondere die Rechtsstaatsmission EULEX hat
beim Wiederaufbau und beim Übergang der Verantwor-
tung auf kosovarische Institutionen eine wichtige Funk-
tion. Die Mission wirkt insbesondere dadurch stabilisie-
rend, dass sie in allen Teilen des Kosovo präsent ist.
Viele andere wirken mit: die OSZE-Mission, die interna-
tionale Verwaltungsbehörde, das UN-Entwicklungspro-
gramm, die Weltbank. Es gibt also insgesamt eine sehr
umfangreiche internationale Präsenz, die dazu beigetra-
gen hat, die positive Entwicklung zu befördern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so-
wie der Abg. Marieluise Beck [Bremen]
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es gibt allerdings auch eine Reihe von wichtigen Wei-
chenstellungen der kosovarischen Politik, die stabilisie-
rend gewirkt haben. Die ersten Schritte zum Aufbau der
Institutionen sind erfolgt, insbesondere in Bezug auf die
kosovarischen Sicherheitskräfte, die hier schon ausführ-
lich gewürdigt worden sind. Entscheidungen wie die des
Staatspräsidenten Sejdiu, die allgemeinen Parlaments-
wahlen auf das Jahr 2011 zu verschieben, sind sicherlich
auch ein Beitrag zur Entspannung des politischen Kli-
mas.
Nach meiner Einschätzung gibt es einen weiteren
Grund für die stabile Entwicklung des Kosovo, der heute
noch gar nicht gewürdigt worden ist: die besonnene Hal-
tung Serbiens, die wir nicht unterschätzen sollten. Dro-
hungen, die ausgesprochen wurden, sind nicht verwirk-
licht worden; es wurden keine Sanktionen verhängt, und
es hat keine Gewaltanwendung stattgefunden. Ich denke,
darin kommt auch eine erhebliche Integrationsleistung
der serbischen Bevölkerung zum Ausdruck, die wir aus-
drücklich anerkennen sollten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
und der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])
Entgegen allen Erwartungen haben die Serben bei den
letzten Parlamentswahlen mit klarer Mehrheit eine Re-
gierung mit europäischer Orientierung gewählt.
(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Deswegen muss die Union
den Serben auch unbedingt eine Perspektive
für die EU geben!)
Durch die Anrufung des Internationalen Gerichtshofes
hat es die serbische Regierung immerhin geschafft, die
Fragen der Zulässigkeit der Unabhängigkeitserklärung
des Kosovo, ihrer Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht,
von der politischen auf eine juristische Ebene zu heben
und die Diskussion zu versachlichen. Damit hat sie den
nationalistischen Kräften in Serbien ein wichtiges Mo-
mentum der Emotionalisierung und Mobilisierung ge-
nommen.
(Beifall der Abg. Monika Knoche [DIE
LINKE])
All dies hat zur Stabilisierung der Lage beigetragen,
die uns eine substanzielle Reduzierung des deutschen
Kontingents von 8 500 auf 3 500 Soldaten erlaubt. Es
steht zu erwarten, dass die NATO-Verteidigungsminister
im Juni dieses Jahres ein ähnlich starkes Signal aussen-
den werden. Auch wenn man heute feststellen kann, dass
die Konfliktbeilegung oftmals länger dauert, als man an-
fangs wahrhaben wollte, ist es so, dass der Einstieg in
den Ausstieg zu gelingen scheint und dass wir von der
Beilegung militärischen Streits über den Aufbau von Po-
lizei- und Verwaltungsstrukturen zunehmend in Rich-
tung eines erfolgreichen zivilen Wiederaufbaus gehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich auch erwähnen, dass die europäische Perspektive
für die Aufrechterhaltung der stabilen Situation im Ko-
sovo außerordentlich bedeutsam ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so-
wie der Abg. Gerd Höfer [SPD] und
Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN])
Die Europäische Union hat eine strategische Schlüssel-
rolle, nicht nur im Kosovo, sondern auf dem gesamten
westlichen Balkan. Deswegen ist es wichtig, durch Sta-
bilisierungs- und Assoziierungsabkommen dafür zu sor-
gen, dass eine enge Anbindung dieser Länder an die EU
gelingt, auch wenn die Frage eines EU-Beitritts nicht nur
in Bezug auf das Kosovo im Moment nicht auf der Ta-
gesordnung steht.
Gerade wir Deutsche haben ausgesprochen enge Be-
ziehungen zum Kosovo. Deutschland ist nicht nur der
größte Truppensteller, sondern auch eines der zehn Län-
der, in denen das Kosovo eine Auslandsvertretung unter-
hält. Nicht zuletzt ist Deutschland Aufenthaltsort zahl-
reicher kosovarischer Flüchtlinge. Außerdem sind
unsere Institutionen, zum Beispiel die Kreditanstalt für
Wiederaufbau und die Gesellschaft für Technische Zu-
sammenarbeit, vor Ort erfolgreich tätig.
Lassen Sie mich abschließend all denen, die am Wie-
deraufbau des Kosovo beteiligt sind, namentlich den
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, für ihren ver-
antwortungsvollen und nicht immer ungefährlichen Ein-
satz sehr herzlich danken. Wir werden der Mandatsver-
längerung heute zustimmen. Viele Mandate dauern
länger als eine Legislaturperiode. Ich wünsche mir, dass
diese Mandatsverlängerung eine breite Mehrheit findet.
Die Soldatinnen und Soldaten, die im Auslandseinsatz
sind, haben eine breite Mehrheit für ihre Aufgabe ver-
dient.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24237
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/12881 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkt 5 a und 5 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Silke
Stokar von Neuforn, Grietje Staffelt, Volker Beck
(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Informationsfreiheitsgesetz konsequent wei-
terentwickeln
– Drucksache 16/10880 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela
Piltz, Dr. Max Stadler, Hartfrid Wolff (Rems-
Murr), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Vollzug des Informationsfreiheitsgesetzes ver-
bessern
– Drucksache 16/8893 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten
soll. – Ich höre keinen Widersprich. Dann ist das so be-
schlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Ich gebe das Wort der
Kollegin Silke Stokar, Bündnis 90/Die Grünen.
Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erin-
nere mich noch sehr gut daran: Das Informationsfrei-
heitsgesetz war das Last-Minute-Gesetz der letzten Le-
gislaturperiode. In der letzten Bundesratssitzung, in der
letzten Bundestagssitzung gab es die entsprechende
Mehrheit für das Informationsfreiheitsgesetz.
Es war ein ungeliebtes Kind: Über dieses Gesetz
wurde lange verhandelt, es wurde von allen Seiten aus-
gebremst. Dieses Gesetz war – das muss man sagen – ein
Gesetz, das überhaupt nur deshalb in Kraft treten konnte,
weil es die Unterstützung des Parlamentes hatte. Es ist
ein Gesetz, erarbeitet aus der Mitte des Parlamentes, ver-
abschiedet vom Parlament.
Die Bundesregierung, die Verwaltung wollte dieses
Gesetz nicht. Wenn ich jetzt nach vier Jahren eine Bilanz
des Informationsfreiheitsgesetzes ziehe, muss ich leider
sagen, dass zwar die Bürgerinnen und Bürger Interesse
an diesem Gesetz haben, Fragen stellen, Fragen einschi-
cken, aber bis heute in der alten Kultur, in der Kultur des
Amtsgeheimnisses, in der Regel und viel zu oft nur die
Antwort bekommen: VS – Nur für den Dienstgebrauch.
Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein Beleg dafür,
dass es nicht ausreicht, ein Gesetz zu machen und es in
Kraft treten zu lassen. Nein, ein Gesetz braucht die Kul-
tur der Implementierung. Ich möchte hier – das ist auch
Teil unseres Antrages – noch einmal dafür werben, dass
wir in Deutschland ankommen, wo fast alle skandinavi-
schen Länder, wo fast alle europäischen Länder längst
angekommen sind: zu begreifen, dass Transparenz und
Informationsfreiheit wichtige Grundpfeiler der Demo-
kratie sind und dass es normal ist, dass die Bürgerinnen
und Bürger mehr wissen wollen, als in der Presseerklä-
rung oder auf der Internetseite steht. Die Bürgerinnen
und Bürger begreifen Beteiligung in dem Sinne, dass sie
sich informieren können. Sie wollen keine unangemes-
sen hohen Gebühren zahlen müssen, sie wollen keine
muffigen Antworten bekommen, sie möchten, dass die
Aktendeckel geöffnet werden und dass ihnen die Ver-
waltung bereitwillig und offen Auskunft gibt.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg.
Manfred Grund [CDU/CSU])
Peter Schaars erster Tätigkeitsbericht zum Informa-
tionsfreiheitsgesetz liegt vor. In diesem Tätigkeitsbericht
werden helle und dunkle Seiten aufgezeigt. Gut ist, dass
so viele Menschen von ihrem Recht, an die Bundesregie-
rung, an die Verwaltung Fragen zu stellen, Gebrauch ma-
chen und dass wir es im Laufe der Zeit erreicht haben,
dass die Gebühren, die am Anfang wirklich sehr hoch
waren, zumindest etwas zurückgenommen worden sind.
Nicht schön ist, dass es zu diesem Tätigkeitsbericht
nach wie vor keine Stellungnahme des BMI, immer noch
keine Stellungnahme der Bundesregierung gibt. Wir
mussten diesen Antrag stellen, weil die Verwaltung nicht
in der Lage ist, den Tätigkeitsbericht im Parlament vor-
stellen zu lassen, eine Debatte im Innenausschuss da-
rüber zuzulassen oder eine Stellungnahme dazu zu ver-
fassen. Unser Vehikel, damit wir auch am Ende dieser
Legislaturperiode noch einmal über das Informations-
freiheitsgesetz reden können, war deshalb der vorlie-
gende Antrag.
Zwei Punkte halte ich für unbedingt änderungsbe-
dürftig. Wir müssen feststellen – das sind die Schwächen
im Gesetz; das Gesetz war ja damals ein Kompromiss,
mehr haben wir gemeinsam mit der SPD gegenüber der
Verwaltung nicht hinbekommen, und auch der Bundes-
rat hat das ja nicht gerade beflügelt, sondern eher ge-
bremst –, dass der Begriff des Betriebs- und Geschäfts-
geheimnisses zu eng gefasst ist. Das geht so nicht. Wir
brauchen eine Regelung, die es der Verwaltung unter-
24238 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Silke Stokar von Neuforn
sagt, Bereiche, die von öffentlichem Interesse sind, als
vertraulich einzustufen. Die Entscheidung, wann was
wie eingestuft werden darf, können wir nicht länger der
Verwaltung überlassen. Wir brauchen aber auch eine an-
dere Kultur.
Ich wünsche mir, dass die Bundesregierung und die
Ministerien einen Blick auf die Homepage von Ministe-
rien Estlands oder auch Rumäniens werfen. Mit Selbst-
verständlichkeit wird auf der ersten Seite auf die Infor-
mationsfreiheit hingewiesen. Die Bürgerinnen und
Bürger werden über Links zu öffentlich zugänglichen In-
formationen geleitet. Immer mehr Informationen werden
freiwillig ins Internet gestellt. Es muss gar nicht mehr
gefragt und geantwortet werden. Mit einem Mausklick
werden die Akten freigegeben, die freigegeben werden
können.
Wir liegen weit hinter diesen Ländern zurück.
Deutschland ist im Hinblick auf Informationsfreiheit und
Transparenz nach wie vor ein Entwicklungsland. Wir
müssen vonseiten des Parlaments und auch vonseiten der
Öffentlichkeit von Neuem für das Gesetz werben. Wir
brauchen Stellen, die dieses Gesetz begleiten. Wir müs-
sen eine Kultur für Informationsfreiheit und Transparenz
weiter in die Verwaltung hineintragen.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der FDP)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer, CDU/CSU-
Fraktion.
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-
ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Frau Kollegin Stokar,
Sie haben bereits darauf hingewiesen: Das Informations-
freiheitsgesetz war ein Lieblingskind der rot-grünen
Bundesregierung.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Nur der Grünen!)
Sie hat sich aber mit diesem Gesetz außerordentlich
schwergetan. Die Verhandlungen begannen bereits in der
14. Legislaturperiode und haben knapp sieben Jahre ge-
dauert.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Eine Zangen-
geburt!)
Kurz vor Toresschluss – das haben Sie ebenfalls er-
wähnt – wurde dieses Gesetz als eines der letzten Ge-
setze der rot-grünen Bundesregierung verabschiedet.
Daran sieht man, wie schwer Sie sich selber mit diesem
Gesetz getan haben.
Eines möchte ich gleich zu Beginn meiner Rede beto-
nen: Die CDU/CSU-Fraktion ist dezidiert der Auffas-
sung, dass wir einen sachgerechten und ordnungsgemä-
ßen Zugang der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland
zu Informationen brauchen. Wir haben uns im Gesetzge-
bungsverfahren nur dagegen gewandt, dass ein schran-
kenloser Zugang ohne die Geltendmachung jeglicher be-
rechtigter Interessen zu diesen Informationen möglich
sein soll.
Ich möchte noch eines deutlich machen: Verwaltungs-
handeln bedarf einer ordnungsgemäßen Kontrolle. Ich
halte aber genauso wenig davon, die Verwaltung in
Deutschland bzw. sämtliches Verwaltungshandeln in
Deutschland unter Generalverdacht zu stellen. Die Ver-
waltung in Deutschland ist gemäß Art. 20 Abs. 3 des
Grundgesetzes an Recht und Gesetz gebunden. Natürlich
bedarf es der Möglichkeit und auch der Notwendigkeit,
jeden Verwaltungsakt und jedes verwaltungsrechtliche
Handeln auf seine Rechtmäßigkeit und seine Ordnungs-
mäßigkeit zu überprüfen. Dafür sind aber die Gerichte
zuständig.
Die Rechtsweggarantie ist im Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes verankert. Es ist neben den Grundrechten
mit Sicherheit eines der höchststehenden Bürgerrechte,
die wir in unserer Verfassung haben; sie feiert in weni-
gen Tagen ihren 60. Geburtstag. Ich bin nach wie vor der
Auffassung, dass es falsch war, zu versuchen, einen Kul-
turwandel, einen Paradigmenwechsel dahin gehend vor-
zunehmen, dass jedermann ohne Geltendmachung eines
berechtigten Interesses Zugang zu allen Informationen in
der Verwaltung in Deutschland haben soll.
Es gibt unsererseits aufgrund des nicht zu unterschät-
zenden Datenabflusses, der dem wichtigen Gut des Da-
tenschutzes unterliegt, natürlich nach wie vor berech-
tigte Bedenken. Gerade in der jüngsten Zeit bekommen
wir deutlich vor Augen geführt, wie wichtig das Grund-
recht auf Datenschutz und Datensicherheit in Deutsch-
land ist. Dies läuft an dieser Stelle Gefahr, ausgehöhlt zu
werden.
Des Weiteren sehe ich im Gesetz nach wie vor einen
strukturellen Fehler: Das verfassungsrechtliche Gebot,
dass Datenfreigabe an bestimmte Zwecke gebunden ist,
wird mit dem Informationsfreiheitsgesetz ausgehöhlt.
Eines der höchststehenden und wertvollsten Gebote im
Verwaltungsverfahrensgesetz insgesamt ist, dass nur
derjenige eine Klage einreichen kann, der geltend ma-
chen kann, in seinen subjektiv öffentlichen und persönli-
chen Rechten verletzt zu sein. Dieser hochstehende ver-
waltungsverfahrensrechtliche Grundsatz wird durch das
Informationsfreiheitsgesetz in nicht unbeträchtlicher
Weise ausgehöhlt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ganz abgesehen davon hat sich in der Vergangenheit
herausgestellt, dass diese Informationsgewinnung mit
großem bürokratischen Aufwand und mit hohen Kosten
verbunden ist. Die Verwaltung wird natürlich auch in
nicht unbeträchtlicher Weise durch die Anfragen be-
schäftigt, die gestellt werden.
Ein struktureller Fehler besteht nach wie vor im Ge-
setz: Es besteht dahin gehend Rechtsunsicherheit, dass
die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht sauber de-
finiert sind. Das ist ein struktureller Fehler im Gesetz,
den es mit Sicherheit irgendwann einmal zu heilen gilt.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24239
(A) (C)
(B)
Stephan Mayer (Altötting)
Ein weiterer struktureller Fehler, der nach wie vor im
Gesetz vorhanden ist, ist, dass nicht klar ist, in welcher
Form, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß
derjenige, der die Auskunft erbittet, auch Auskunft er-
halten darf und inwiefern Einblick in Verfahrensmaß-
nahmen, Überwachungsmaßnahmen und Genehmi-
gungsmaßnahmen gewährt werden muss. Dies ist im
Informationsfreiheitsgesetz zu weitgehend und zügellos
gewährt.
Wie sieht denn die Realität aus? – In 2008 sind insge-
samt 1 548 Anträge bei Bundesministerien bzw. bei
nachgeordneten Bundesbehörden gestellt worden. Da-
von sind 618 Anträge vollständig bewilligt worden. Dem
Informationsbedürfnis der Bürger ist hier also in vollem
Umfang Rechnung getragen worden. In 193 Fällen ist
der Antrag teilweise angenommen bzw. dem Ansinnen
teilweise Rechnung getragen worden. 536 Anträge sind
abgelehnt worden.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Viel zu viele!)
Durch das Gesetz wird natürlich auch gezeigt, dass es
durchaus auch gute Gründe dafür gibt, dass mancher An-
trag abgelehnt wird. In 85 Fällen ist Widerspruch einge-
legt worden, und es ist gar keinem unbeträchtlichen
Anteil dieser Widersprüche stattgegeben worden. Der
Bundesdatenschutzbeauftragte ist 133-mal angefragt
worden, 83-mal davon wegen eines abgelehnten Be-
scheides.
Ein schrankenloser, immer und jederzeit und von je-
dermann geltend zu machender Anspruch ohne Rück-
sicht auf entgegenstehende und durchaus auch berech-
tigte Belange war nie die Position der CDU/CSU-
Bundestagsfraktion und ist auf unser Betreiben hin so
auch nicht im Informationsfreiheitsgesetz verankert wor-
den.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es gibt richtigerweise berechtigte Ausnahmen, zum
Beispiel den Schutz von personenbezogenen Daten. Es
darf zum Beispiel zu Recht nicht auf einen Terminkalen-
der eines Ministers Zugriff genommen werden.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das wollte auch nie jemand!)
Es gibt den berechtigten Schutz geistigen Eigentums und
auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnis-
sen, wobei eben diese Unklarheit besteht, wie die Be-
triebs- und Geschäftsgeheimnisse im Detail definiert
sind. Daneben gibt es natürlich auch Dokumente – wir
erleben das in der aktuellen Diskussion im BND-Unter-
suchungsausschuss –, die nun einmal der Geheimhaltung
bedürfen und Verschlusssachen darstellen. Auch auf
diese darf kein Zugriff genommen werden.
Die Anträge der Grünen und der FDP, die nun vorlie-
gen, haben eines gemeinsam: Sie sind voreilig gestellt
worden, weil überhaupt noch nicht klar ist, wie groß der
Nachbesserungsbedarf im Informationsfreiheitsgesetz
überhaupt ist. Das Informationsfreiheitsgesetz ist seit
dem 1. Januar 2006 in Kraft, und die Summe der Anfra-
gen hält sich, wie schon erwähnt, wirklich noch in Gren-
zen. Allein aufgrund der bisher vorliegenden Statistiken
lässt sich noch gar kein ausreichender und vollumfängli-
cher Rückschluss darauf ziehen, inwiefern tatsächlich
Nachbesserungsbedarf besteht.
Zu einigen Forderungen im Einzelnen: Es ist der Vor-
schlag der Grünen abzulehnen, dass das Informations-
freiheitsgesetz stets Vorrang vor abweichenden spezial-
gesetzlichen Regelungen hat. Es ist nun einmal guter
Brauch im Verwaltungsverfahrensrecht, dass die lex spe-
cialis vor die lex generalis geht, und dies sollte auch
beim Informationsfreiheitsgesetz so bleiben.
Des Weiteren ist die Forderung abzulehnen, dass die
Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes und des
Umweltinformationsgesetzes zu vereinheitlichen und
zusammenzufassen seien. Diese Forderung ist, wie von
mir schon erwähnt, voreilig. Meines Erachtens sollten
wir zunächst einmal die im nächsten Jahr anstehende Eva-
luierung des Verbraucherinformationsgesetzes abwarten
und uns dann im Lichte dieser Evaluation wirklich auch
noch einmal Gedanken darüber machen, inwiefern ein
Nachbesserungsbedarf beim Informationsfreiheitsgesetz
besteht.
Ich habe schon erwähnt, dass der Schutz geistigen Ei-
gentums und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsge-
heimnissen in Deutschland hohe Güter und die Art. 12
und 14 des Grundgesetzes Kernbestandteile unserer frei-
heitlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung sind. Deswe-
gen kann es meines Erachtens nicht angehen, dass dieses
hohe Gut der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse da-
durch ausgehöhlt wird, dass in größerem Maße darauf
zugegriffen werden kann.
Des Weiteren besteht kein Nachbesserungsbedarf da-
hin gehend, dass Bürgerinnen und Bürger, wie gesagt,
ohne Geltendmachung jeglichen persönlichen Interesses
von unseren Nachrichtendiensten Informationen abgrei-
fen können. Nachrichtendienste heißen auch deshalb
Geheimdienste, weil sie geheim vorgehen. Ich denke,
wir haben im Bundestag gute Erfahrungen mit dem Par-
lamentarischen Kontrollgremium gemacht. An dieser
Stelle wird zwar – um das klar zu sagen – insbesondere
im Lichte der Erfahrungen des BND-Untersuchungsaus-
schusses nachgebessert werden müssen, aber im Parla-
mentarischen Kontrollgremium sind diese Angelegen-
heiten gut aufgehoben. Es geht nicht an, dass jedermann
in Deutschland erfahren darf, was unsere Nachrichten-
dienste im Inland und Ausland machen und wo sie tätig
sind.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das will auch keiner! So ein
Quatsch!)
Insgesamt werfen Sie mit Ihren Anträgen Nebelker-
zen. Wie gesagt, wir sollten uns erst einmal im Lichte
der Evaluierung des Verbraucherinformationsgesetzes –
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege.
(D)
24240 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):
– im nächsten Jahr damit befassen, wie wir die Infor-
mationsrechte insgesamt auf neue Beine stellen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, Sie hatten neun Minuten Redezeit.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Aber wert-
volle und gut genutzte!)
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Davon ab-
gesehen sind die Anträge jetzt im federführenden Innen-
ausschuss intensiv zu beraten. Ich darf aber an dieser
Stelle darauf hinweisen, dass wir diesen Anträgen nicht
zustimmen werden.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort dem Kolle-
gen Hartfrid Wolff.
(Beifall bei der FDP)
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):
Charmantes Präsidium!
(Heiterkeit – Reinhard Grindel [CDU/CSU]:
Einschleimen am späten Abend!)
– Das kannst du doch wohl kaum verneinen, oder?
(Zuruf von der FDP: Das sehe ich genauso!)
Das Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes
feierte zum Jahreswechsel sein dreijähriges Jubiläum.
Auch wenn das Gesetz damit erst das Kindergartenalter
erreicht hat, sollte man doch annehmen dürfen, dass sich
mit zunehmender Geltungsdauer auch die Zahl der Aus-
kunftsersuchen signifikant erhöht hat. Diese Erwar-
tungshaltung teilte jedenfalls auch der Bundesbeauf-
tragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
in seinen Tätigkeitsberichten für die Jahre 2006 und
2007.
Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache. Die
Zahl der gestellten Anträge ist sogar rückläufig. So gin-
gen im ersten Halbjahr des Jahres 2008 gerade einmal
987 Auskunftsersuchen bei den Behörden des Bundes
ein.
(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das kann ver-
schiedene Gründe haben!)
Gemessen an der Gesamtbevölkerungszahl ist das ein
Anteil von 0,0012 Prozent. Lieber Herr Kollege Mayer,
von einer unverhältnismäßigen Belastung durch das In-
formationsfreiheitsgesetz kann mithin keine Rede sein.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Man kann es den Bürgern auch nicht verdenken, dass
nicht mehr Anträge auf Auskunft gestellt worden sind.
Die Bürger müssen sich doch veräppelt vorkommen,
wenn ihre Auskunftsersuchen regelmäßig mehr oder we-
niger pauschal und ohne konkrete Begründung abgelehnt
werden. Dieses Phänomen ist ausweislich des bereits ge-
nannten Tätigkeitsberichts insbesondere bei Auskunfts-
ersuchen in Bezug auf Verträge mit der öffentlichen
Hand zu beobachten. Diese Verträge nehmen immer
mehr Raum in einem grundsätzlich vernünftigen und
konstruktiven Verwaltungshandeln ein. Umso wichtiger
ist es aber, dann auch die notwendige Transparenz zu
schaffen, weshalb Pauschalbegründungen bei der Ableh-
nung nicht helfen.
Im Gegenteil: Ausgangspunkt jeder Abwägung muss
sein, dass grundsätzlich ein Auskunftsanspruch der Bür-
gerinnen und Bürger besteht. Das steht im Übrigen auch
so im Gesetz. Allein dann, wenn die Voraussetzungen
der insoweit eng auszulegenden Ausnahmetatbestände
vorliegen, ist das Zurückweisen eines Auskunftsersu-
chens gerechtfertigt.
Die derzeitige Praxis im Umgang mit Auskunftsersu-
chen führt jedoch nicht selten dazu, dass dieses Regel-
Ausnahme-Verhältnis zulasten des Bürgers gekippt wird.
Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion ist völlig klar,
dass die unausgegorene Regelung des § 6 Satz 2 IFG
nicht die einzige Baustelle im Informationsfreiheitsge-
setz ist, die dringend angegangen werden muss.
Als zweiten Punkt haben wir in unserem Antrag die in
weiten Teilen mangelhaft ausgestaltete Zusammenarbeit
mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit angemahnt. Um uns das noch
einmal ins Gedächtnis zu rufen: § 24 Abs. 4 des Bundes-
datenschutzgesetzes normiert in Verbindung mit dem
IFG die Pflicht, den Bundesbeauftragten zu unterstützen
und auf Fragen Auskünfte zu erteilen.
Wer sich aber mit dem Tätigkeitsbericht des Bundes-
beauftragten etwas genauer befasst, gewinnt leider nur
allzu schnell den Eindruck, dass Auskunftsersuchen der
Bürger allenfalls als lästiges Beiwerk zum Tagesgesche-
hen angesehen werden. „Alle Staatsgewalt geht vom
Volke aus“ ist schon eine der Maximen, die eine Demo-
kratie kennzeichnet. Insofern kann auch dann, wenn der
Souverän kontrollieren will, keine Pauschalabweisung
erfolgen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der LINKEN)
Es kann nicht angehen, dass man Auskunftsersuchen
schlicht unter Verweis auf die gängige Verwaltungspra-
xis ablehnt. Dass etwas ständige Übung ist, heißt noch
lange nicht, dass es nach Recht und Gesetz erfolgt. Auf
Seite 10 des besagten Tätigkeitsberichtes spricht der
Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informa-
tionsfreiheit vom „langen Weg zur Informationsfreiheit“.
Augenscheinlich ist dieser Weg noch längst nicht zu
Ende beschritten. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein
Recht darauf, zu wissen, was in den Behörden vor sich
geht. Das ist aus unserer Sicht auch gut so.
(Beifall bei der FDP)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24241
(A) (C)
(B) (D)
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Übrigens hat die Union bei der Erarbeitung des Informa-
tionsfreiheitsgesetzes durchaus mitgewirkt, Kollege
Grindel.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist alles
gut!)
Die Forderungen nach mehr direkter Demokratie im
Grundgesetz korrespondieren dabei mit dem Informa-
tionsanspruch. Das Informationsfreiheitsgesetz bietet
eine gute Möglichkeit, dem einzelnen Bürger staatliches
Handeln näherzubringen und dadurch mehr Eigenverant-
wortung und Partizipation zu gewinnen. Gerade vor dem
Hintergrund der anstehenden Wahlen in diesem Jahr
wäre dies ein Zeichen, ein Signal an den Bürger, dass er
die Geschicke in der Hand hält. Wir brauchen mehr Wer-
bung für das Informationsfreiheitsgesetz und eine ver-
lässliche Richtschnur für den Bürger, die deutlich macht,
ob seine Auskunftsersuchen Aussicht auf Erfolg haben.
Der Antrag der FDP trägt dieser Zielsetzung nach kla-
ren und transparenten Regelungen Rechnung. Dafür
bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Bürsch,
SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Dr. Michael Bürsch (SPD):
Ich habe nach zwölf Jahren als Mitglied des Parla-
ments gelernt, dass ich keine Zwischenfrage stellen darf,
wenn ich später noch rede. Daher schließe ich das, was
ich fragen wollte, in meine Rede ein.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Nach der Rede von Herrn Mayer bin ich geneigt,
meiner Rede einen kleinen Teil für Fort- und Weiterbil-
dung voranzustellen.
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Deutschland war im Jahr 2005 eines von drei oder vier
„fortschrittlichen“ Industrieländern – darunter Länder
wie Malta und Andorra –, die kein Informationsfreiheits-
gesetz hatten. Schweden hat ein solches Gesetz schon
seit rund 200 Jahren. Die USA kennen solche Regelun-
gen seit 100 Jahren. In diesen Ländern gilt – genauso
wie bei uns nun – der Grundsatz: Jedermann hat An-
spruch auf Auskunft aus der Verwaltung, und zwar nicht
nur wenn er ein berechtigtes Interesse hat.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Hoffentlich die
Frauen auch!)
Wenn Sie Lust haben und es wirklich wissen wollen,
empfehle ich Ihnen, die Gesetzesbegründung nachzu-
lesen. Ich mache es kurz und verweise auf das, was für
Sie die Erhellung des Tages sein kann.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]:
Oberlehrer!)
Es ist wirklich ein Paradigmenwechsel eingeleitet wor-
den. Ich möchte Sie gerne im 21. Jahrhundert willkom-
men heißen. Die Begründung heißt nämlich, Herr Kol-
lege: Der Zugang zu Informationen und die Transparenz
behördlicher Entscheidungen sind eine wichtige Voraus-
setzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrech-
ten.
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Das gilt angesichts der wachsenden Informationsmacht
des Staates heute mehr denn je. Eine lebendige Demo-
kratie verlangt, dass die Bürger die Aktivitäten des Staa-
tes kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen
und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen. Das heißt, es
gibt einen Paradigmenwechsel, einen Übergang vom
Obrigkeitsstaat zum Bürgerstaat, von der abgeschotteten
Verwaltung, der Blackbox des 19. Jahrhunderts, zu einer
offenen Verwaltung im 21. Jahrhundert, um Bürger-
rechte wahrzunehmen; das wollen wir.
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Ich beende meinen Informationsteil und lege Ihnen ans
Herz: Machen Sie sich ein bisschen kundig, bevor Sie in
der rückständigen Art und Weise von 1998 über dieses
Gesetz reden.
Ich mache drei Bemerkungen. Es gibt erste Erfolge.
Das merkt auch Herr Schaar in Gesprächen wohlmei-
nend kritisch an. Es gibt deutlich mehr Licht in den
Amtsstuben. Wir wollen mit diesem Gesetz keine
Zwangsbeglückung der Verwaltung erreichen. Vielmehr
wollen Bürger wie Verwaltung auf der Grundlage dieses
Gesetzes eine neue, transparente Form des Umgangs
miteinander finden. Wie gesagt, hier gibt es erste Er-
folge. Dafür sprechen bestimmte Anfragen. – Frau Präsi-
dentin, ich sehe, dass sich der Kollege Tauss, der an der
Erarbeitung des Gesetzes namhaft mitgearbeitet hat, zu
einer Zwischenfrage meldet. Ist es möglich, seine Zwi-
schenfrage zuzulassen?
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss,
Herr Kollege Bürsch?
Dr. Michael Bürsch (SPD):
So viel Zeit muss sein.
Jörg Tauss (SPD):
Lieber Kollege Bürsch, ich würde es in der Tat bedau-
ern, wenn Sie den Aufklärungsteil etwas zu früh been-
den würden; denn es scheint doch hoher Aufklärungsbe-
darf zu bestehen.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das Wort
„Aufklärungsbedarf“ ist natürlich vielschich-
tig!)
– Regen Sie sich doch nicht gleich wieder auf, lieber Ko-
alitionspartner. – Deswegen stelle ich als Bürger, dessen
Antrag auf Akteneinsicht – es ging um den Mautvertrag,
der 17 000 Seiten umfasst – abgelehnt worden ist, meine
Frage. Würden Sie es wirklich für unzumutbar halten,
dass ein Bürger und Abgeordneter des Deutschen Bun-
24242 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Jörg Tauss
destages in einen derart öffentlich diskutierten Vertrag
von 17 000 Seiten Einblick erhält? Halten Sie unter die-
sem Gesichtspunkt die Befürchtung der Union, dass die
Verwaltung durch den Einblick von Abgeordneten in
Verträge der öffentlichen Hand zu sehr beeinträchtigt
wird und das Wohl des Staates auf dem Spiel steht, für
gerechtfertigt?
Dr. Michael Bürsch (SPD):
Ich bin der Meinung, dass es genug Abwägungs-
gründe in den §§ 1 bis 6 des Gesetzes gibt, in denen von
den Geheimnissen der Verwaltung bis hin zu Betriebs-
und Geschäftsgeheimnissen alle Kriterien genannt sind,
unter denen Informationen aus der Verwaltung zurück-
gehalten werden können. Aber die Maut und deren Be-
gleitumstände waren für mich im Prinzip ein Vorgang
von öffentlichem Interesse und insofern ein Paradebei-
spiel dafür, dass Bürgerinnen und Bürger einen An-
spruch darauf haben, zu sehen und nachzuvollziehen,
was da passiert. Die Barriere liegt in dem, was im Gesetz
angelegt ist.
Ich kann noch einen anderen Fall nennen, den auch
der Datenschutzbeauftragte genannt hat. So ist die Aus-
kunft über die Empfänger von EU-Agrarsubventionen
mit Verweis auf das allgemeine Betriebs- und Geschäfts-
geheimnis verweigert worden.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Zu
Recht!)
Das ist ein vergleichbarer Fall. Es gibt kein berechtigtes
wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung dieser
Angaben. Weder gibt es einen Wettbewerb um Subven-
tionen, noch droht den Subventionsempfängern ein
Imageverlust. Solche Fälle gibt es in der Tat. In dieser
Hinsicht bin ich bei dem Kollegen Tauss. Es bedarf of-
fenbar noch – auf diesen Punkt wollte ich noch kommen
– einer entsprechenden Umsetzung dieses Gesetzes. Es
hat nur 15 Paragrafen, aber die sind offenbar nicht ganz
einfach anzuwenden. – Vielen Dank für die Frage.
(Jörg Tauss [SPD]: Gerne!)
Ich habe gesagt, dass es erste Erfolge und mehr Licht in
den Amtsstuben gibt. Darauf ruhen wir uns nicht aus.
Der Weg ist richtig, und diesen Weg müssen wir weiter-
gehen.
Zweitens. Es gibt aber auch berechtigte Kritik. Die
habe ich eben schon nennen können. So wird zum Teil
auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verwiesen,
wenn die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Information
anmeldet. Das gilt jetzt in der Krise auch für den großen
Bereich der Finanzinstitute. Es gibt Bestrebungen von
eingeweihten Kreisen, Informationen zu verweigern. Es
hat auch einen Antrag aus Bayern gegeben, das Informa-
tionsfreiheitsgesetz zu verändern. Dem ist aber nicht
stattgegeben worden.
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
An dieser Stelle einen neuen Ausschließungsgrund ein-
zuführen, hat hier im Hause keine Mehrheit gefunden.
Es gibt auch zum Beispiel – das hat der Datenschutzbe-
auftragte zu Recht kritisiert – eine Reihe von Anträgen,
die wegen „unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwan-
des“ abgelehnt worden sind. Einen solchen Ablehnungs-
grund gibt es im Gesetz nicht. Man kann im Rahmen der
Gebührenerhebung darauf eingehen. Wenn man einen
geringen Aufwand hat, dann werden gar keine Gebühren
erhoben, und wenn man einen großen oder größeren
Aufwand hat, können entsprechende Gebühren verlangt
werden. Das aber ist kein Ablehnungsgrund. Ich halte es
für ausgesprochen sinnvoll, genauer hinzuschauen und
den Monita des Datenschutzbeauftragten nachzugehen.
Drittens. Ich komme zu den Zukunftsperspektiven.
Weil ich ein Freund und Förderer von Evaluierung und
seriöser Bewertung bin, schließe ich mich Ihnen an, Herr
Mayer. Ich würde in der Tat gerne eine mit dem Daten-
schutzbeauftragten abgestimmte Evaluierung des Geset-
zes abwarten. Ich bin vor allem in einer Hinsicht vor-
sichtig. Das richte ich an die Adresse der FDP und der
Grünen. Natürlich ist das Gesetz ein Kompromiss. Wir
haben bei den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
keine Abwägungsformel ins Gesetz geschrieben. Das
heißt, wir haben nicht gesagt, dass Betriebs- und Ge-
schäftsgeheimnisse nur schützenswert sind, wenn das In-
teresse des Einzelnen gegenüber dem Interesse der Öf-
fentlichkeit überwiegt. Wir haben formuliert, dass die
Entscheidung des Einzelnen genügt. Das Ganze war aber
aus meiner und aus SPD-Sicht damals ein Kompromiss,
um vertrauensbildend zu wirken; denn ich halte nichts
von einem Gesetz, das die Verwaltung auf einen anderen
Dampfer bringt, das einen Paradigmenwechsel bringt,
das von der Verwaltung als ausgesprochen störend und
lästig empfunden wird und das zu einer Verweigerungs-
haltung führt.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Genau da sind sie jetzt trotz-
dem!)
– Frau Kollegin Silke Stokar, dahinter steht meine Über-
legung, dass das auch mit Psychologie zu tun hat. Wir
sind mit dem Gesetz also auf einige Vorbehalte, einiges
großes Misstrauen und einige Befürchtungen eingegan-
gen und haben gesagt: Wir gehen einmal den Schritt in
Richtung Informationsfreiheit bis zu diesem Punkt und
lassen darüber hinaus durchaus noch etwas für künftige
Erweiterungen und Entwicklungen offen.
Meine Idealvorstellung ist, dass die Verwaltung je-
denfalls konstatiert – wir werden sie nicht an der Spitze
der Bewegung haben –: Das ist ein richtiges Gesetz;
auch wir halten die Informationsfreiheit für etwas, was
ins 21. Jahrhundert gehört, wir sind dabei und verhin-
dern es nicht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke, Frak-
tion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24243
(A) (C)
(B) (D)
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die An-
träge, die zur heutigen Sitzung von den Grünen und von
der FDP zur Ausweitung und Verbesserung der Anwen-
dung des Informationsfreiheitsgesetzes vorgelegt wur-
den, wird die Linksfraktion unterstützen.
(Zuruf von der FDP: Sehr gut!)
Mit diesem Informationsfreiheitsgesetz – hier wurde
schon gesagt, dass es in anderen Ländern längst existiert –
ist unserer Meinung nach ein wichtiger Schritt getan
worden, um mehr Transparenz in Behördenhandeln hi-
neinzubringen. Der geltende Grundsatz, dass behördli-
che Vorgänge grundsätzlich nicht öffentlich sind, wurde
in diesem Gesetz umgekehrt. Das halten wir für richtig.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Mayer, die begründeten Ausnahmen wie die, dass
Auskunft in Bezug auf den Ministerkalender verweigert
werden darf, müssen meines Erachtens tatsächlich genau
belegt werden; so weit zumindest die Theorie.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wie ist das
mit Ihrem Demonstrationskalender?)
In der Praxis beobachten auch wir, dass sich die Be-
hörden weiterhin gegen dieses Informationsbegehren der
Bürgerinnen und Bürger abschotten. Immer mehr Men-
schen machen die Erfahrung, dass die Behörden ihnen
die beantragte Auskunft verweigern, konkret in über ei-
nem Drittel der Fälle. Da werden Informationen als Ver-
schlusssache eingestuft, da werden ganze Bereiche staat-
lichen Handelns komplett und pauschal von dem Gesetz
ausgenommen, und da werden Betriebs- und Geschäfts-
geheimnisse vorgeschoben. Wer sich als Bürger oder als
Journalist um die Aufklärung eines Bauskandals bemü-
hen will, stößt allzu oft auf geschlossene Aktenschränke,
weil angeblich die Rechte von Dritten verletzt werden.
Dafür ein Beispiel: In meinem Büro hat sich voriges
Jahr ein Student gemeldet, der vom Bundeskriminalamt
die Lagebilder zur Korruptionsbekämpfung haben
wollte. Sie sind ihm verweigert worden, weil sie angeb-
lich Rückschlüsse auf die Polizeitaktik zuließen. Interes-
santerweise hat das BKA diese Details aber bisher auf
seiner Homepage veröffentlicht. Es ist überhaupt nicht
nachvollziehbar, warum jetzt plötzlich dieses im We-
sentlichen statistische Material diesem Menschen nicht
mehr zugänglich gemacht werden soll.
Dieses Beispiel zeigt zweierlei: Die Begründungen
für die Auskunftsverweigerung sind für die Bürgerinnen
und Bürger in der Regel kaum nachvollziehbar. Zudem
ist der Sinn des Gesetzes bei den Behörden noch nicht
angekommen. Sie versuchen sich weiterhin geheimnis-
krämerisch zu betätigen. Bürgerinnen und Bürger, die
Akten einsehen und Informationen haben wollen, wer-
den als lästige Störenfriede behandelt, die eine Gefahr
für die jahrzehntelang geübte Behördenroutine darstel-
len.
Meine Damen und Herren, man muss sich noch aus
einem anderen Grund fragen, ob das Gesetz seinen Na-
men überhaupt verdient: Die Informationen sind frei,
aber sie können teuer sein. Die staatlich veranschlagte
Gebührentabelle für die Informationserteilung reicht bis
zu vierstelligen Beträgen. Aus Sicht der Fraktion Die
Linke reichten niedrige Schutzgebühren völlig aus, um
einer etwaigen Missbrauchsgefahr vorzubeugen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist also einiges zu tun, um Transparenz und öffent-
liche Kontrolle von Behördenhandeln in der Bundes-
republik zu verbessern. Eine Rückkehr zur obrigkeits-
staatlichen Geheimniskrämerei muss auf jeden Fall
verhindert werden. Daher begrüßen wir die vorliegenden
Anträge.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Bürsch
[SPD]: Die Gebühren sind gedeckelt!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Elvira Drobinski-Weiß, SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht fragen Sie
sich jetzt, warum ich als Verbraucherpolitikerin hier in
Ihrer illustren Runde spreche,
(Jörg Tauss [SPD]: Das freut uns!)
aber dies ist ganz einfach erklärt: Ich möchte mich später
auf das Verbraucherinformationsgesetz beziehen, denn
auch wir fordern Transparenz und Informationszugangs-
rechte, die einfach vorhanden sein müssen, und zwar
nicht nur, um die demokratische Kontrolle der Behörden
sicherzustellen, sondern auch, weil sie dabei helfen,
etwa Korruption einzudämmen.
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Sie sind auch Voraussetzung dafür, dass Verbraucherin-
nen und Verbraucher selbstbestimmt am Markt teilneh-
men können. Ohne ausreichende Informationen nämlich
haben die Verbraucherinnen und Verbraucher keine
Möglichkeit – meist jedenfalls nicht –, Qualität zu er-
kennen und die besten Angebote auszuwählen, vom
nachhaltigen Konsum ganz zu schweigen. Ein möglichst
weitgehender Zugang zu Informationen ist deshalb ele-
mentar für das Funktionieren unserer sozialen und öko-
logischen Marktwirtschaft.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben deshalb im Bereich von Lebensmitteln und
Bedarfsgegenständen das Verbraucherinformationsge-
setz geschaffen; das ist schon vorher kurz angeklungen.
Verbraucher wollen nämlich nicht nur wissen, ob Le-
bensmittel sicher sind, sondern auch, ob Kinderspiel-
plätze sicher sind, ob das GS-Zeichen für geprüfte Pro-
duktsicherheit durch Anbieter missbraucht wurde oder
ob die Behörden Tricksereien bei der Preisangabe im
Bereich der Finanzdienstleistungen aufdecken konnten.
Ein Zugang zu den entsprechenden Untersuchungser-
gebnissen ist deshalb unbedingt notwendig. Hier sind die
Verbraucher bisher auf die allgemeinen Akteneinsichts-
24244 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Elvira Drobinski-Weiß
rechte in den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes
und der Länder angewiesen.
Am 21. April 2009 hat die SPD-Fraktion in einem
Positionspapier zum Verbraucherinformationsgesetz be-
schlossen, dass die speziellen Informationsrechte im
VIG ausgeweitet und verbessert werden sollen. Darüber
hinaus streben wir an, dass die Informationsrechte im
Informationsfreiheitsgesetz, Umweltinformationsgesetz
und Verbraucherinformationsgesetz in einem konsisten-
ten Rahmen zusammengeführt werden.
Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum ich
hier das Wort ergreife. In ihrem Antrag geriert sich die
FDP als Bürgerrechtspartei. Aus den Diskussionen über
das Verbraucherinformationsgesetz kennen wir die FDP
aber ganz anders, und darauf möchte ich aufmerksam
machen.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]:
Hört! Hört!)
Bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschussver-
fahren im Jahr 2005 hat die FDP bis zuletzt versucht,
über die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat ein
Akteneinsichtsrecht zu verhindern.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Unglaublich!)
Unternehmensinteressen waren wichtiger als Transpa-
renz und Verbraucherrechte.
(Gisela Piltz [FDP]: Das haben Sie nicht ganz
verstanden!)
Gleichzeitig wurde versucht, das Akteneinsichtsrecht zu
verwässern und zusätzliche Ausschluss- und Beschrän-
kungsgründe in das Gesetz hineinzuverhandeln.
Wenn ich jetzt im FDP-Antrag lese, es müsse präzi-
siert werden, wann Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
vorlägen, dann geht mir der Hut hoch.
(Gisela Piltz [FDP]: Wollen Sie mit uns koalie-
ren oder wir mit Ihnen?)
Damals hat die FDP dafür gesorgt, dass neben Betriebs-
und Geschäftsgeheimnissen auch sonstige wettbewerbs-
relevante Informationen vom Informationsrecht der Ver-
braucher ausgeschlossen werden. Das ist doch wohl
kaum ein präziser Begriff. Wir haben dann im Gesetzes-
wortlaut durchgesetzt, dass Informationen über Rechts-
verstöße keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sein
können.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin!
Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Sie wer-
den sicherlich verstehen, dass wir Ihrem Antrag aus die-
sen Gründen nicht zustimmen werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD – Gisela Piltz [FDP]: Wir
laufen ja nicht Ihnen hinterher, sondern Sie
uns!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/10880 und
16/8893 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –
Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos-
sen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)
– zu dem Antrag des Bundesministeriums der
Finanzen
Entlastung der Bundesregierung für das
Haushaltsjahr 2007
– Vorlage der Haushalts- und Vermögensrech-
nung des Bundes – (Jahresrechnung 2007)
– zu der Unterrichtung durch den Bundesrech-
nungshof
Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsfüh-
rung des Bundes (einschließlich der Feststel-
lungen zur Jahresrechnung 2007)
– Drucksachen 16/8834, 16/11000, 16/12907 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Bernhard Brinkmann (Hildesheim)
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)
zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrech-
nungshofes
Rechnung des Bundesrechnungshofes für das
Haushaltsjahr 2008
– Einzelplan 20 –
– Drucksachen 16/12091, 16/12906 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Petra Merkel (Berlin)
Dr. Claudia Winterstein
Michael Leutert
Omid Nouripour
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. –
Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich
um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen:
Steffen Kampeter, CDU/CSU, Bernhard Brinkmann,
SPD, Dr. Claudia Winterstein, FDP, Dr. Gesine Lötzsch,
Die Linke, Alexander Bonde, Bündnis 90/Die Grünen.1)
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses auf Drucksache 16/12907.
1) Anlage 45
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24245
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung schlägt der
Haushaltsausschuss die Erteilung der Entlastung für
das Haushaltsjahr 2007 vor, Drucksachen 16/8834 und
16/11000. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU
und FDP bei Gegenstimmen der Fraktionen Bündnis 90/
Die Grünen und Die Linke angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufor-
dern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der
Bundeshaushaltspläne die Feststellungen des Haushalts-
ausschusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungs-
hofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung der
Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entschei-
dungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzuführen
und c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, da-
mit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den
Haushaltsberatungen gewährleistet ist. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses auf
Drucksache 16/12906 zu dem Antrag des Präsidenten des
Bundesrechnungshofes „Rechnung des Bundesrechnungs-
hofes für das Haushaltsjahr 2008 – Einzelplan 20 –“,
Drucksache 16/12091.
Wer stimmt für Nr. 1 der Beschlussempfehlung, Fest-
stellung der Erfüllung der Vorlagepflicht? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Wer stimmt für Nr. 2 der Beschlussempfehlung, Ertei-
lung der Entlastung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Beschlussempfehlung ist ebenfalls mit
den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael
Kauch, Daniel Bahr (Münster), Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der FDP
Lebendspenden bei der Transplantation von
Organen erleichtern
– Drucksache 16/9806 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Rechtsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Michael Kauch, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Michael Kauch (FDP):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch
immer herrscht in Deutschland ein Mangel an Spender-
organen. 2008 ging die Zahl der Organtransplantationen
sogar um etwa 9 Prozent zurück. Etwa 12 000 Menschen
stehen auf den Wartelisten, davon warten allein
8 000 auf eine Niere. Viele versterben in dieser Zeit oder
leiden über viele Jahre mit den Einschränkungen durch
die Dialyse.
Es sind deshalb alle Anstrengungen zu unternehmen,
zunächst einmal die postmortale Spende, also die
Spende von Organen Verstorbener, voranzubringen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dazu müssen wir die Spendenbereitschaft erhöhen.
Dazu müssten wir es auch schaffen, dass in den Kran-
kenhäusern tatsächlich die Organe, die potenziell vor-
handen sind, auch entsprechend transplantiert werden.
Dazu sind organisatorische, aber eben auch personelle
Voraussetzungen in den Krankenhäusern zu schaffen.
Wir sollten auch – das dürfen wir nicht vergessen –
keine falschen Anreize geben, eine Organspende nicht
zu machen. So haben wir als FDP beispielsweise kriti-
siert, dass das Gewebegesetz, das die schwarz-rote
Koalition verabschiedet hat, kommerzielle Anreize für
die Gewebespende setzt. Wenn es einen kommerziellen
Anreiz für die Gewebespende, aber nicht für die Organ-
spende gibt, dann wird möglicherweise der falsche An-
reiz gesetzt, die Möglichkeiten zur Organspende im
Krankenhaus nicht ausreichend wahrzunehmen. Es steht
zu befürchten, dass der Rückgang der Zahlen mit dem
Inkrafttreten des Gewebegesetzes einhergeht. Wir wer-
den genau beobachten müssen, ob sich eine solche Ent-
wicklung in den Zahlen der postmortalen Spenden wi-
derspiegelt.
All dies entbindet uns allerdings nicht von der Ver-
pflichtung, über Verbesserungsmöglichkeiten bei der Le-
bendspende von Organen nachzudenken. Während die
meisten Organe nur nach dem Tod gespendet werden
können, ist es bei Leber und Niere medizinisch möglich,
auch unter Lebenden zu spenden. Doch das derzeitige
Transplantationsgesetz setzt dem Helfen enge Grenzen.
So dürfen nur Verwandte und enge Freunde einem Tod-
kranken ein Organ spenden.
Die FDP-Bundestagsfraktion will das Transplanta-
tionsgesetz im Bereich der Lebendspenden von unnöti-
gen Vorschriften befreien. Um es ganz klar zu sagen:
Der Organhandel soll und muss weiter unter Strafe ste-
hen und verfolgt werden. Aber wir wollen mehr Freiheit
zum Helfen geben. Nächstenliebe darf eben nicht weiter
unter Strafe stehen.
(Beifall bei der FDP)
Mit unserem Antrag wollen wir den Kreis der zulässi-
gen Spender erweitern. So sollen zum Beispiel Ehepaare
mit Blutgruppenunverträglichkeit über Kreuz dem ande-
ren Ehepartner eines Schicksalsgenossen spenden dür-
fen. Heute müssen sie sich kennenlernen und dadurch
ein Näheverhältnis entwickeln. Erst dann wird die Trans-
plantation genehmigt. Dieses Näheverhältnis ist eine
Fiktion, die gemacht wird, weil das Transplantationsge-
setz es so bestimmt, und nicht, weil die Lebensrealität
dieser Menschen so ist. Man wird bei einem Ehepaar,
24246 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Michael Kauch
das eine Blutgruppenunverträglichkeit hat und das spen-
den will, nicht ernsthaft sagen können, dass hier die Ge-
fahr eines Organhandels besteht. Diesem Punkt können
wahrscheinlich auch andere Fraktionen beitreten. Die
Enquete-Kommission hat bereits in ihrer Arbeit deutlich
gemacht, dass es auch unter den Experten unterschiedli-
che Haltungen gibt, auch solche, die es generell befür-
worten.
Außerdem will die FDP die Nachrangigkeit der Le-
bendspende gegenüber der postmortalen Spende aufhe-
ben. Heute ist es selbst dann verboten, ein Organ von ei-
nem lebenden Spender zu nehmen, wenn es die beste
Therapie wäre. Organe von Lebenden haben bessere
Funktionsraten als die Organe von Toten. Selbst wenn
ich heute einen Lebendspender habe, wenn beispiels-
weise mein Ehegatte oder ein enger Freund sagt, ich
spende dir meine Niere, damit du eine optimale Therapie
bekommst, ist es verboten, wenn es ein Organ eines To-
ten gibt, ein Organ eines Toten, das man einem anderen
Menschen auf der Warteliste transplantieren könnte. Das
ist nicht sinnvoll. Selbst die Bundesregierung hat in ih-
ren Teilbericht, den sie dem Deutschen Bundestag jetzt
vorgelegt hat, einen Prüfauftrag hineingeschrieben. Also
selbst im Ministerium scheint man hier langsam ins Grü-
beln zu kommen. Wir sagen: Nicht prüfen, sondern han-
deln! Deshalb müssen wir die Nachrangigkeit der Le-
bendspenden aus dem Transplantationsgesetz streichen.
(Beifall bei der FDP)
In anderen Bereichen geht unser Gesetzentwurf über
die genannten Punkte hinaus, auch wenn es Fallgruppen
sind, die keine großen Entwicklungen haben werden. Ich
nenne ein Beispiel: Die anonyme Lebendspende in einen
Pool, die in den USA zulässig ist, generiert in einem so
großen Land wie den USA vielleicht 40 Spenden pro
Jahr. Es geht also an den anderen Stellen neben den ge-
rade genannten nicht so sehr darum, dass wir große Fall-
zahlen erreichen. Es geht uns darum, dass ein gerettetes
Leben es schon wert ist, über dieses Transplantationsge-
setz nachzudenken. Wenn wir mit einer Lockerung ein
Leben retten können, dann sollte dieses Parlament da-
rüber nachdenken, es zu tun.
(Beifall bei der FDP)
Selbst wenn man nicht so weit gehen will, beispiels-
weise die anonyme Spende in einen Pool zuzulassen, ist
Helfen kein strafwertes Unrecht. Deshalb meinen wir,
dass Übertretungen durch den Arzt, die gegen das Trans-
plantationsgesetz verstoßen, als Ordnungswidrigkeit
ausreichend geahndet wären. Es ist kein strafwertes Un-
recht. Man muss hier nicht mit Gefängnis drohen.
Schließlich müssen wir die Versicherungssituation
der Lebendspender verbessern. Es kann nicht sein, dass
beispielsweise Streitigkeiten zwischen einer privaten
Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallver-
sicherung auf dem Rücken des Patienten ausgetragen
werden, der nur seinem Nächsten helfen will. Da müssen
wir wirklich in der nächsten Wahlperiode Verbesserun-
gen im Versicherungsrecht schaffen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
SPD)
Damit wir es mehr Menschen ermöglichen können, zu
helfen, stimmen Sie in den bevorstehenden Ausschuss-
beratungen unserem Antrag zu, sodass das Transplanta-
tionsgesetz im Sinne der Lebendspende gelockert wird.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Julia Klöckner,
CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Julia Klöckner (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Verehrte Besucher auf den Tribünen! Ich weiß
nicht, wer einen ausgefüllten Organspendeausweis im
Portemonnaie hat. Einige von Ihnen haben ihn sicher-
lich. Ich habe diesen Ausweis seit vielen Jahren. Wir
stellen fest, dass die grundsätzliche Zustimmung zur Or-
ganspende vorliegt. Das Gesetz ist ja 1997 unter Horst
Seehofer verabschiedet worden. Es gab eine sehr inten-
sive Debatte. Beispielsweise ist über die Definition des
Todes diskutiert worden, Hirntod, Herztod? Ist der Hirn-
tod der Zeitpunkt, zu dem man Organe entnehmen kann?
Um diese Frage geht es heute nicht. Heute geht es da-
rum, ob dieses Gesetz akzeptiert ist, ob die Bevölkerung
einer Organtransplantation gegenüber aufgeschlossen
ist. Ich denke, das ist sie. Umfragen ergeben, dass etwa
80 Prozent – ich weiß nicht, wie valide diese Studien
sind – der Befragten es gutheißen, dass Leben durch die
Spende von Organen gerettet werden können – postmor-
tal, aber auch durch Lebendspenden. Erschreckend ist al-
lerdings, dass nur etwa 12 Prozent einen Organspen-
deausweis ausgefüllt haben. Es gibt also eine sehr große
Lücke zwischen der grundsätzlichen Zustimmung und
der Bereitschaft, diese Zustimmung durch einen Organ-
spendeausweis zu deklarieren. Wir haben ja hier die Zu-
stimmungslösung und nicht die Widerspruchslösung, bei
der schon derjenige als Organspender infrage kommt,
der nicht widerspricht.
Sehr verehrter Kollege Kauch, ich stimme Ihnen in
Ihrer Analyse zu, dass sehr viele Menschen auf der War-
teliste stehen, deren Uhr tickt. Ich selbst habe Bekannte,
die Dialysepatienten sind, und weiß, dass nicht nur die
Betroffenen selbst durch den Krankheitsverlauf und die
ständige Dialyse beeinträchtigt sind, sondern auch die
Menschen in ihrer Umgebung, Verwandte und die engs-
ten Freunde. Ich weiß von einem Dialysepatienten, dass
er sehr oft durstig ist, aber aufgrund der Dialyse nicht
viel trinken darf.
Es ist klar, dass wir den Menschen helfen müssen.
Eine Organspende kann Leben retten. Es geht um die
Bereitschaft von Menschen, auch noch nach ihrem Tod
barmherzig und solidarisch zu sein. Ich bin Anhängerin
des Subsidiaritätsprinzips der postmortalen Organ-
spende.
Ich stimme allerdings mit Ihnen, Herr Kauch, nicht
darin überein, dass wir, weil es nicht genügend postmor-
tale Organspenden gibt, die Lebendspende ausweiten
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24247
(A) (C)
(B) (D)
Julia Klöckner
müssen. In diesem Punkt habe ich schon damals nicht
mit Ihnen übereingestimmt, als wir zusammen in der
Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen
Medizin“ waren. Aktuell sind Lebendspenden möglich.
Schwierig ist immer die Frage, ob die Blutgruppen zu-
einander passen, ob sie kompatibel sind, zum Beispiel
bei Partnern, Geschwistern oder unter anderen Familien-
angehörigen. Ich halte aber ein besonderes Näheverhält-
nis für eine notwendige Voraussetzung für eine Le-
bendspende. Denn hier geht es nicht um eine anonyme
Blutspende, nach der sich neues Blut bildet, sondern hier
geht es um einen ernsthaften körperlichen Eingriff. Dem
Menschen, der ein Organ gespendet hat und nun ein Pa-
tient ist, geht es nach einer solchen Operation bestenfalls
so gut wie vorher. Beide Beteiligten, sowohl der Spender
als auch derjenige, der ein Transplantat erhält, sind auf-
gefordert, auch nach der Transplantation weiter mitzuar-
beiten und sich der ärztlichen Betreuung und Versorgung
zu unterziehen. Der Organspender hat durchaus auch ein
vitales Interesse daran, dass derjenige, der das Organ er-
halten hat, seine Medikamente nimmt, Immunsuppres-
siva etc.
Ich habe sehr große Bauchschmerzen – das ist der
Hauptgrund, warum ich Ihren Antrag ablehne – ange-
sichts des sogenannten Pooling, was bedeutet, dass Or-
ganspender Organe anonym in einen sogenannten Pool
geben können. Wenn jemand, der zum Beispiel eine
Niere benötigt, keinen geeigneten Spender in seiner Um-
gebung hat, muss er nur eine ihm nahestehende Person
ansprechen, eine Niere in diesen Pool zu geben, um
seine Chance zu erhöhen, von jemand anderem eine
Niere zu bekommen.
(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Sehr
richtig!)
Das halte ich für sehr problematisch, weil auf diese
Weise in einer engen Beziehung keine Freiwilligkeit
mehr gegeben ist. Wer kann sich dem Leid eines Ange-
hörigen entziehen, wenn dieser bittet, eine Niere in einen
Pool zu geben, damit er seine Chance erhöht, selber eine
zu bekommen? Ich finde, dadurch ist das Selbstbestim-
mungsrecht sehr eingeschränkt, und das setzt Menschen
unter einen Druck, der bei einer solchen schwerwiegen-
den Entscheidung nicht sein darf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir von der CDU/CSU wollen, dass das Thema Or-
ganspende im öffentlichen Bewusstsein bleibt. Wir wol-
len weiter aufklären. Deshalb hat unsere Fraktion 2008
ein Symposium mit dem Titel „Organspende: Ja zum Le-
ben“ veranstaltet. Viele unserer Mitglieder haben bereits
einen Organspendeausweis. Ich nenne stellvertretend
Volker Kauder und Angela Merkel. Wann immer wir
über dieses Thema reden, wird auch die Öffentlichkeit
darauf aufmerksam.
Bei den „Jungen Helden“ handelt es sich um Jugend-
liche, die schon ein Organ gespendet bekamen oder noch
auf ein Spenderorgan warten. Sie wollen aber, dass wir
andere nicht unter Druck setzen, ein Organ zu spenden.
Es geht darum, das vorhandene Potenzial zu heben. Wir
müssen in diesem Zusammenhang an die Krankenhäuser
und die Krankenkassen appellieren, die bei der Gemein-
schaftsaufgabe Transplantationsmedizin gefordert sind.
Meine Krankenkasse möchte sehr viele Daten von mir
erfahren. Aber ich wurde noch nie gefragt, ob ich Organ-
spenderin sein möchte. Viele, die im Krankenhaus tätig
sind, haben Berührungsängste, wenn es um dieses
Thema geht.
Es ist natürlich eine Schocksituation, wenn man er-
fährt, dass ein Angehöriger hirntot ist. Dies ist der denk-
bar ungünstigste Zeitpunkt, eine Zustimmung für eine
Organspende zu bekommen. Wir müssen daher das
ganze Jahr in regelmäßigen Abständen über dieses
Thema aufklären.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Arbeit der soge-
nannten Streetworker fortgesetzt wird. Die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion möchte, dass in den Schulen mehr
informiert wird und dass diejenigen in die Pflicht ge-
nommen werden, die sozusagen an der Front stehen. Es
geht natürlich nicht an, dass Krankenhäuser die Kosten,
die ein Hirntoter, der auf der Intensivstation unterge-
bracht ist, verursacht, nicht erstattet bekommen.
Es handelt sich um eine sehr diffizile Angelegenheit.
Die Lebendspende auszuweiten, ist sicherlich die falsche
Antwort. Ich habe Sorge vor einer Kommerzialisierung
der Lebendspende.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wir auch!)
Es besteht nämlich die Gefahr, dass Geld gezahlt wird
oder Versprechungen – vielleicht auch beruflicher Art –
gemacht werden und dass wir die Tür, die wir heute ei-
nen Spalt öffnen, nicht mehr schließen können. Deshalb
lehnen wir die Ausweitung der Lebendspende ab und
wollen sie auf das spezielle Näheverhältnis beschränken.
Wir setzen weiterhin auf Aufklärung und Sensibilisie-
rung. Denjenigen, die auf ein Organ warten, sprechen
wir unsere Solidarität aus.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der LINKEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Die Kollegen Dr. Martina Bunge, Fraktion Die Linke,
Peter Friedrich, SPD-Fraktion, und Elisabeth Scharfen-
berg, Bündnis 90/Die Grünen, haben ihre Reden zu Pro-
tokoll gegeben.1) Deshalb schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/9806 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über die Akkreditierungsstelle
(Akkreditierungsstellengesetz – AkkStelleG)
– Drucksache 16/12983 –
1) Anlage 46
24248 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss fürWirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss fürErnährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss fürArbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss fürBildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden der Kolleginnen und Kollegen Dr. Georg
Nüßlein, CDU/CSU, Andrea Wicklein, SPD, Ernst
Burgbacher, FDP, Dr. Herbert Schui, Die Linke, und
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grü-
nen.
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):
Mitunter komme ich mir hier vor wie bei den alten
Griechen. Besonders im Vorfeld der Einbringung des Ge-
setzes über die Akkreditierungsstelle haben sich inner-,
aber auch zwischenparteilich wahre Tragödien und auch
einige Komödien abgespielt. Mit dem Öffnen der Büchse
der Pandora brach nach der griechischen Mythologie
alles Schlechte, aber auch die Hoffnung über die Welt
herein. Ähnliches ist uns mit der Umsetzung der euro-
päischen Verordnung über die Anforderung an Akkredi-
tierung und Marktüberwachung bei der Vermarktung von
Produkten passiert. Diese Verordnung zwingt uns bis zum
1. Januar 2010, eine nationale Akkreditierungsstelle zu
errichten.
Die Büchse der Pandora war ein Geschenk von Zeus.
Als sie geöffnet wurde, kam alles Schlechte über die Welt.
Bevor jedoch auch elpis, griechisch für „Hoffnung“, aus
der Büchse entweichen konnte, wurde sie wieder ge-
schlossen. So wurde die Welt ein trostloser Ort, bis Pan-
dora die Büchse erneut öffnete und so auch die Hoffnung
in die Welt ließ. Wir haben die Büchse leider bisher nur
einmal geöffnet. Die EU hat, indem Sie uns zwingt, das
Thema Akkreditierungsstellen aufzugreifen und eine
einheitliche Aufsicht für Prüflabore einzurichten, alte
Ängste geschürt und an Kompetenzen gerüttelt. In
Deutschland führen circa 4 000 Zertifizierungsstellen
und Laboratorien – darunter Unternehmen wie der TÜV –
verschiedenste Prüfungen von Produkten und Dienstleis-
tungen durch. Ihre Befähigung hierzu weisen sie in Akkre-
ditierungsverfahren nach. Die Zuständigkeit für die
Akkreditierung ist bisher auf über 20 verschiedene Ein-
richtungen verteilt. Neben Stellen des Bundes und der
Länder sind auch private Akkreditierungsstellen vertre-
ten.
Genauso bunt wie die deutsche Zertifizierungsland-
schaft ist auch die Interessenlage bei ihrer Neuorganisa-
tion. Die EU möchte einheitliche Standards und einen
einzigen nationalen Ansprechpartner. Gleichzeitig beste-
hen die privaten Akkreditierungsstellen – meiner Mei-
nung nach zu Recht – auf der Berücksichtigung ihrer In-
teressen. Das Bundesgesundheitsministerium plädierte,
besonders wegen Bedenken bei der Sicherheit von Medi-
zinprodukten, dafür, eine Behörde zu schaffen. Einige
Bundesländer sahen ihre Kompetenzen schwinden und
beanspruchten, die Verantwortung für Akkreditierungen
lieber selber zu tragen.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis lan-
ger und zäher Verhandlungen zwischen den Ressorts und
sieht vor, eine privatrechtliche Gesellschaft zu gründen,
an der Bund, die Länder und die Wirtschaft jeweils zu
einem Drittel beteiligt sind. Diese Gesellschaft soll mit
ihrer Aufgabe beliehen werden und wie eine Behörde
agieren können. Somit hätten wir eine Kapitalbeteiligung
der öffentlichen Hand und zugleich eine Beleihung. Auf
diesem Wege läßt sich durch den Staat noch umfassend
Einfluss nehmen.
In den Bereichen Gesundheit und Verbraucherschutz
gibt es aber auch weiterhin erhebliche Bedenken gegen-
über dem jetzt gefundenen Kompromiss. Meine Kollegen
vom Wirtschaftsausschuss und ich sehen diesen Gesetz-
entwurf jedoch als eine Chance. Erstmals könnte es ge-
lingen, diese Stellen unter einem Dach zu bündeln. Durch
die Zusammenführung der unterschiedlichen Prüfungs-
und Zertifizierungsstellen könnten wir eine Vereinheitli-
chung der Standards, größere Effizienz und geringere
Kosten im Akkreditierungsverfahren erreichen.
Wir werden uns in den kommenden Wochen also inten-
siv mit der Prüfung des Für und Wider dieses Gesetzent-
wurfs beschäftigen. Allen Gegnern unseres Gesetzent-
wurfs möchte ich aber schon heute die aufmerksame
Lektüre ans Herz legen. Dort heißt es in § 1 Abs. 2:
Die in anderen Rechtsvorschriften geregelte Zu-
ständigkeit von Behörden, Stellen die Befugnis zu
erteilen, als Konformitätsbewertungsstelle zustän-
dig zu werden, bleibt unberührt. Insbesondere gilt
dies für die Bereiche Medizinprodukte, Gendia-
gnostika, Sicherheitstechnik sowie Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz einschließ-
lich Lebensmittelsicherheit.
Wir geben den vorhandenen Strukturen lediglich ein
gemeinsames Dach, sonst bleibt alles, wie es ist.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie hier-
mit bitten, die – um im Bild zu bleiben – Büchse der Pan-
dora im parlamentarischen Verfahren ein zweites Mal zu
öffnen, um auch die Hoffnung herauszulassen. Es geht
schließlich nicht um eine Lappalie, sondern um das Sys-
tem der Qualitätssicherung in Deutschland und damit
auch um die Glaubwürdigkeit deutscher Produkte und
Dienstleistungen auf dem Weltmarkt. Die deutsche Ex-
portwirtschaft ist auch weiterhin auf den hohen Stellen-
wert angewiesen, den das Label „Made in Germany“ seit
Jahrzehnten verkörpert. Es wäre unvorstellbar, wenn der
Exportweltmeister Deutschland keine nationale Akkredi-
tierungsstelle zustande bringen würde.
Andrea Wicklein (SPD):
Die Qualität deutscher Produkte ist ein hohes Gut.
„Made in Germany“ ist in der Welt Ausdruck für die
Qualität der Produkte und die Prozessqualität ihrer
Herstellung. Der Staat hat wirtschaftspolitisch, aber
auch umweltpolitisch, sicherheitspolitisch und verbrau-
cherschutzpolitisch ein Interesse an einem hohen Stan-
dard der in Deutschland hergestellten und verkauften Wa-
(A) (C)
(B) (D)
Andrea Wicklein
ren und Dienstleistungen. Es ist daher grundsätzlich zu
begrüßen, dass die Europäische Union die Aufgaben der
Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen, die
bestätigen, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung spe-
zifischen Anforderungen entspricht, als staatliche Auf-
gabe definiert und eine zentrale nationale Akkreditie-
rungsstelle fordert.
Die Bedeutung der Akkreditierung von Konformitäts-
bewertungsstellen hat in den vergangenen Jahren deut-
lich zugenommen. Nur durch eine Akkreditierung haben
Verbraucher und Unternehmen die Sicherheit, dass die
Konformitätsfeststellung für ein Produkt den Anforderun-
gen entspricht. Nur so kann auch der Staat sicher sein,
dass seine Anforderungen in Bezug auf öffentliche Inte-
ressen wie Gesundheit, Sicherheit am Arbeitsplatz, Ver-
braucherschutz oder Umweltschutz befolgt werden.
Das Akkreditierungswesen in Deutschland entspricht
heute nicht den in der EG-Verordnung vom 13. August
2008 geforderten Ansprüchen. In Deutschland hat sich im
Gegensatz zu anderen Ländern in der EU keine zentrale
Stelle herausgebildet. Vielmehr wird das deutsche Akkre-
ditierungswesen durch den Deutschen Akkreditierungsrat
repräsentiert, in dem die meisten Akkreditierungsstellen
des Bundes, der Länder und der Wirtschaft vertreten sind.
Die Aufgabe der Kompetenzüberprüfung und -bestäti-
gung von Konformitätsbewertungsstellen ist also organi-
satorisch und inhaltlich weder dem Staat noch der Wirt-
schaft eindeutig zugeordnet. Das soll sich nun ändern.
Die Besonderheiten des deutschen Akkreditierungswe-
sens, vor allem seine Zersplitterung, haben auch bereits
zu einem Vertrauens- und Einflussverlust auf den Märk-
ten geführt. Eine nationale Akkreditierungsstelle, die
dann auch ein einheitliches Symbol tragen soll, wird zu
neuer Akzeptanz führen.
Über die genaue Ausgestaltung der deutschen Akkre-
ditierungsstelle wird noch zu diskutieren sein. Das Gesetz
zur Einrichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle
muss den hohen Akkreditierungsstandard – auch in sen-
siblen Bereichen wie dem Gesundheitssektor und dem
Verbraucherschutz – Rechnung tragen. Die Erwartungs-
haltung der Bevölkerung ist groß, dass ein Höchstmaß an
Sicherheit beim Einsatz zum Beispiel von Medizinproduk-
ten gewahrt bleibt. Insofern muss die Akkreditierungs-
stelle objektiv und unabhängig bewerten und beurteilen
können.
Ernst Burgbacher (FDP):
Mit dem heute zu debattierenden Gesetzentwurf soll
eine nationale Akkreditierungsstelle geschaffen werden.
Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Verordnung
EG Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 9. Juli 2008. Dass diese Verordnung überhaupt
noch in nationales Recht umgesetzt wird, ist beachtlich.
Fast wäre auch dieses Vorhaben am Zwist innerhalb der
Regierungskoalition gescheitert. Noch vor gerade einmal
zwei Monaten konnten sich das Bundesministerium für
Gesundheit und das Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie nicht auf die Struktur der einheitlichen
Akkreditierungsstelle einigen.
Zu Protokoll
Das SPD-geführte Gesundheitsministerium, die
Staatsgläubigen in dieser Bundesregierung wollten eine
weitere nationale Mammutbehörde aufbauen. Indes hat
sich das Wirtschaftsministerium für eine privatwirt-
schaftlich ausgerichtete Akkreditierungsstelle ausgespro-
chen, die durch den hoheitlichen Akt der Beleihung die
Aufgaben übertragen bekommen sollte. Auch wenn aus
meiner Sicht dieser Gesetzentwurf Anlass für eine Reihe
von Kritikpunkten bietet, ist doch zumindest festzustellen,
dass sich das unionsgeführte Wirtschaftsministerium in
diesem Punkt gegen die SPD durchsetzen konnte. Die
neue nationale Akkreditierungsstelle wird als privat-
rechtliche Gesellschaft gegründet, an der Bund, Länder
und Wirtschaft zu gleichen Teilen beteiligt sind.
Die Verordnung ist umzusetzen. Daran lässt sich nun
nichts mehr ändern, denn zum 1. Januar 2010 würde die
Verordnung auch für die Bundesrepublik in allen ihren
Teilen verbindlichen Regelungscharakter entfalten. Wir
hätten uns jedoch erhofft, dass sich die Bundesregierung
im Vorfeld, das heißt auf europäischer Ebene, dafür ein-
gesetzt hätte, dass die dezentrale Struktur in Deutschland
erhalten geblieben wäre. In Deutschland gibt es mehr als
4 000 Akkreditierungsstellen, die Dienstleistungen und
Produkte prüfen und zertifizieren. Diese Stellen arbeiten
unmittelbar dort, wo Ihre Dienste gefragt sind, und schaf-
fen damit in föderaler Struktur ein engmaschiges Netz an
Prüfstellen. Dieses Netz führt letztlich dazu, dass die Ak-
kreditierung auch kostengünstig erfolgen kann. Davon
profitieren sowohl die Wirtschaft als auch die Verbrau-
cher.
Durch die privatwirtschaftliche Gesellschaftsstruktur
ist es immerhin gelungen, die Kräfte bewährter, erfahre-
ner Einrichtungen zu erhalten. Dennoch wird diesen er-
fahrenen Stellen nun ein Überbau verordnet, der unnötig
ist und zudem erhebliche Kosten verursachen wird. Die
Bundesregierung geht selbst davon aus, dass Kosten von
mehr als 7 Millionen Euro allein auch für die Anschubfi-
nanzierung notwendig sein werden. Auf die Wirtschaft
werden fast 2,5 Millionen Euro entfallen. Zu den Kosten
für den weiteren Betrieb dieser übergeordneten „zentra-
len Überwachungseinheit“ macht die Bundesregierung
hingegen keine Aussage. Auch hier ist zu erwarten, dass
auf die Träger gemeinsam erhebliche jährliche Kosten
zukommen werden.
Gleichzeitig stellt die Bundesregierung jedoch in der
Gesetzesbegründung fest, dass „die Wirtschaft durch das
vorgelegte Gesetz in geringem und nicht quantifizierba-
rem Umfang“ entlastet wird. Gerade eine deutliche Ent-
lastung hätte aber das Ziel einer Bündelung von Akkredi-
tierungsfunktionen sein müssen. Wenn schon eine
einheitliche, übergeordnete, nationale Stelle eingerichtet
wird, dann darf man hier auch erwarten, dass die Wirt-
schaft in erheblichem und gut quantifizierbarem Maße
entlastet wird. Stattdessen schafft die Bundesregierung
neue Belastungen und stellt fest, dass „Auswirkungen auf
die Einzelpreise nicht auszuschließen“ sind.
Diese Bundesregierung schafft mit fast jedem Gesetz,
welches sie in den Deutschen Bundestag einbringt, neue
Belastungen für die Unternehmen in Deutschland und die
Verbraucherinnen und Verbraucher. Dies war auch bei
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24249
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Ernst Burgbacher
der Dienstleistungsrichtlinie der Fall, über die wir in der
letzten Woche an dieser Stelle debattiert haben, und dies
ist auch heute wieder so. Der umgekehrte Weg ist der
richtige: Entlastung statt Belastung. Hierfür hätte sich
die Bundesregierung auf europäischer Ebene einsetzen
müssen. Leider haben Sie dies abermals versäumt.
Ob die Bundesregierung mit dem Gesetz über die Ein-
richtung einer nationalen Akkreditierungsstelle „einen
wichtigen Baustein für die Qualitätssicherung in
Deutschland beschlossen“ hat, wie dies der Parlamenta-
rische Staatssekretär Peter Hintze erklärte, bleibt für die
FDP abzuwarten. Der Stand der Qualitätssicherung war
und ist in Deutschland auf international anerkanntem,
sehr hohem Niveau. Im Sinne der Qualitätssicherung
hätte es einer nationalen Akkreditierungsstelle nicht be-
durft, denn die deutschen Stellen haben dieses hohe Ni-
veau auch ohne eine Überaufsicht bereits erreicht.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Nach langem Hin und Her hat es die Regierung end-
lich geschafft, den Gesetzentwurf zur Errichtung einer
nationalen Akkreditierungsstelle vorzulegen. Grund für
die Verzögerung war bekanntlich Streit zwischen zwei
Ministerien. Das Bundeswirtschaftsministerium war der
Ansicht, dass die Akkreditierungsstelle privatrechtlich
organisiert sein soll. Das Bundesgesundheitsministerium
dagegen hielt eine Anstalt öffentlichen Rechts für zweck-
mäßig. Leider konnte sich das Wirtschaftsministerium
durchsetzen.
Es stellt sich die Frage, warum eine im Gesetz selbst so
bezeichnete hoheitliche Aufgabe von einer privatrechtli-
chen Institution übernommen werden sollte. Schließlich
muss – auch das steht im Gesetz und in der dazugehöri-
gen EU-Verordnung – Unparteilichkeit und Objektivität
bei der Arbeit der Akkreditierungsstelle gewahrt sein. Die
Akkreditierungsstelle soll die Kompetenz der Konformi-
tätsbewertungsstellen bestätigen, die ihrerseits prüfen,
ob Produkte oder Dienstleistungen den gesetzlichen
Anforderungen entsprechen, und Kalibrierungen, Zerti-
fizierungen und Inspektionen durchführen. Warum ist
dann die Wirtschaft zu einem Drittel an einer Institution
beteiligt, die den Prüfstellen von Produkten ebendiese
Kompetenz bescheinigt? Ist es nicht vorstellbar, dass
Konformitätsbewertungsstellen nach zu vielen ablehnen-
den Prüfungen die erneute Akkreditierung auf Druck der
Wirtschaft verweigert werden könnte?
Es besteht der Verdacht, dass hier Prüfstellen ausge-
mustert werden sollen. Zwar liegt die Rechtsaufsicht noch
beim Wirtschaftsministerium. Warum dann aber nicht
gleich eine öffentliche Institution? Das einzige in der Ge-
setzesbegründung genannte Gegenargument – Probleme
im Personalübergang – jedenfalls ist offenbar vorgescho-
ben. Die Vermutung liegt nahe, dass eine privatrechtliche
Lösung bevorzugt wurde, um der Wirtschaft einmal mehr
Einfluss zu garantieren, und dafür die üblichen ideologi-
schen Gründe vorgeschoben wurden. Es geht um mehr
Einfluss der Privatwirtschaft.
Wenn aber der besondere Zweck der Akkreditierungs-
stelle in der Stärkung der deutschen Exportwirtschaft be-
steht – denn ohne nationale Akkreditierungsstelle, so der
Zu Protokoll
Text, „entfiele … ein wichtiges Instrument zur Sicherung
der Marktstellung und damit der Wettbewerbsfähigkeit
der deutschen Exportwirtschaft“ –, dann ist die Frage ge-
stellt, ob nicht eine öffentliche Lösung besser gewesen
wäre. Es ist mehr als fraglich, ob das noch im Einklang
mit der geforderten Objektivität und Unparteilichkeit
steht.
Noch besser wäre es, die Konformitätsbewertungsstel-
len, also renommierte Institutionen wie der TÜV, selbst
wieder in die öffentliche Hand zurückzuführen. Dann
bräuchten sie gar keine zusätzliche Akkreditierung mehr.
Auch die Unparteilichkeit wäre eher gewahrt, da die zu
Prüfenden nicht mehr die Prüfstellen überwachen wür-
den.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN):
In dem Gesetzentwurf über die Errichtung einer na-
tionalen Akkreditierungsstelle geht es um die Umsetzung
einer EU-Verordnung. Lieber Herr Guttenberg, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition,
man muss ja schon froh sein, dass dem Parlament über-
haupt ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Schon bis zum
1. Januar 2010 muss eine nationale Akkreditierungsstelle
eingerichtet werden. Das ist lange bekannt. Und was
macht die ach so handlungsfähige Große Koalition? Sie
streitet und streitet und kann sich nicht einigen.
Der Grund für die späte Einbringung ist ja bekannt.
Das Bundesministerium für Wirtschaft konnte sich mit
den anderen betroffenen Ministerien bezüglich der Trä-
gerschaft der nationalen Akkreditierungsstelle nicht eini-
gen. Das ist schon bezeichnend für die große Koalition.
Bei dem Antritt der Großen Koalition wurde den Bürge-
rinnen und Bürgern viel versprochen und herausposaunt,
was diese Große Koalition alles leisten könne. Die Bilanz
ist mehr als ernüchternd. Das ist mittlerweile allen klar.
Und die Vorgänge, die dem jetzt endlich vorliegenden Ge-
setzentwurf vorangingen, sind bezeichnend für die Große
Koalition. Die Große Koalition blockiert sich, weil sie
sich nicht einigen kann. Und was ist die Konsequenz? Der
Gesetzentwurf wird viel zu spät in den Bundestag einge-
bracht.
Bei dem Konflikt ging es um eine sehr entscheidende
Frage. Soll die nationale Akkreditierungsstelle als eine
beliehene wirtschaftsgetragene GmbH organisiert wer-
den oder soll eine Behörde eingerichtet werden? Es ging
also um die Frage private Trägerschaft oder öffentliche
Trägerschaft. Ich möchte hier noch einmal daran erin-
nern: Es geht um die Stelle, die kontrolliert, welche Stel-
len darüber entscheiden dürfen, dass Produkte für den
gemeinsamen Markt zugelassen werden. Wollen wir diese
Kontrolle in privater Hand oder in öffentlicher Hand?
Das ist die Frage.
Wenn die Akkreditierungsstelle als eine beliehene
Stelle eingerichtet wird, dann steht diese zwar noch unter
behördlicher Oberaufsicht. Es ist aber nicht ausgeschlos-
sen, dass sie stark von der Industrie bestimmt und gelenkt
wird, deren Produkte der Akkreditierung unterliegen. Der
Durchgriff der Behörde in den operationellen Teil wäre
dann nur mittelbar mit zum Teil zeitraubenden Maßnah-
men möglich. Das ist die Linie, die das Bundeswirt-
24250 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
gegebene Reden
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24251
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
schaftsministerium, also Sie, Herr Bundesminister
Guttenberg, dogmatisch verfolgt haben und von der Sie
nur durch die Intervention der anderen Ministerien abge-
gangen sind.
Ich frage mich: Ist das die Lehre, die Sie, Herr Bun-
desminister Guttenberg, aus der Wirtschafts- und Finanz-
krise ziehen? Glauben Sie wirklich, dass sie heute noch
jemandem erzählen können, dass die beste Kontrolle der
Märkte und auch die indirekte Kontrolle von der Wirt-
schaft selbst gemacht wird? Die Wirtschaft kann sich
nicht selbst kontrollieren, und sie soll es auch nicht. Das
ist die Lehre aus der Finanzkrise. Und das würde auch
der ordoliberalen Position entsprechen, mit der Sie sich
sonst immer gerne schmücken.
Und jetzt ist eine mit der heißen Nadel gestrickte,
scheinbare Kompromisslösung herausgekommen, die
Drittellösung. Neben dem Bund sitzen nun die Industrie
und wahrscheinlich auch die Länder mit am Tisch. Statt
sich klar für die öffentliche Kontrolle zu entscheiden, soll
hier ein fragwürdiger Kompromiss beschlossen werden.
Dabei befürchte ich, dass sich diese Drittellösung in der
Praxis als ineffizient und nicht steuerbar erweist.
Diese Fragen müssten wir intensiv im Parlament dis-
kutieren. Diese Zeit wollten und wollen Sie dem Parla-
ment nicht lassen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur-
fes auf Drucksache 16/12983 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu
anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann
ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Erste Beratung des von der Fraktion DIE LINKE
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ab-
schaffung des Progressionsvorbehalts für
Kurzarbeitergeld
– Drucksache 16/12888 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Die Kollegen Olav Gutting, CDU/CSU, Gabriele
Frechen, SPD, Carl-Ludwig Thiele, FDP, Dr. Barbara Höll,
Fraktion Die Linke, und Christine Scheel1), Bündnis 90/Die
Grünen, haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.2)
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/12888 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
1) Rede lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird zu einem späte-
ren Zeitpunkt abgedruckt.
2) Anlage 47
Deutsche Anpassungsstrategie an den Klima-
wandel
– Drucksache 16/11595 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Andreas
Jung, CDU/CSU, Frank Schwabe, SPD, Michael Kauch,
FDP, Eva Bulling-Schröter, Die Linke, und Bärbel
Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU):
Es gibt keinen vernünftigen Zweifel mehr: Der Klima-
wandel schreitet weiter voran. Wir dürfen nicht innehal-
ten in unseren Bemühungen, den Anstieg der globalen
Durchschnittstemperatur auf 2 Grad Celsius über dem
vorindustriellen Niveau zu begrenzen und damit die Re-
duktion der Emissionen von Treibhausgasen weiter deut-
lich voranzutreiben. Dies erfordert massive Maßnahmen
für mehr Klimaschutz. Diese dürfen durch Anpassungs-
maßnahmen nicht infrage gestellt werden. Gleichzeitig
dürfen wir aber nicht die Augen verschließen vor den
schon eingetretenen und noch zu erwartenden Verände-
rungen. Deshalb brauchen wir Maßnahmen zur Anpas-
sung an den Klimawandel.
Ich begrüße es deshalb sehr, dass die Bundesregierung
mit der „Deutschen Anpassungsstrategie an den Klima-
wandel“ die im Klimaschutzprogramm 2005 angekün-
digte Konzeption einer deutschen Anpassungsstrategie
vorlegt und damit Programme erarbeitet, die eine ange-
messene Anpassung an die Klimaänderungen erleichtert
und zudem eine Hilfe und Orientierung für die beteiligten
Akteure bietet. Trotz aller wissenschaftlichen Szenarien
lässt sich nicht leugnen, dass wir nicht exakt voraussagen
können, wie sich das Klima global, in Europa, in
Deutschland oder in unseren Heimatregionen verändern
wird. Dass es sich aber verändert, das erleben wir schon
heute.
Die vorliegende Strategie der Bundesregierung ist ein
Beitrag zur Fortentwicklung der notwendigen Zusam-
menarbeit mit den Bundesländern und weiteren Beteilig-
ten, die zum Ziel hat, die Verminderung der Verletzlichkeit
bzw. den Erhalt und die Steigerung der Anpassungsfähig-
keit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer
Systeme an die unvermeidbaren Auswirkungen des globa-
len Klimawandels zu sichern.
Die Bundesregierung betont in ihrer Strategie, dass ihr
an einer offenen Kooperation gelegen ist. Dies begrüße
ich ausdrücklich. Die gemeinsamen Anstrengungen wer-
den nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn es gelingt,
Vorbehalte und Sorgen abzubauen und damit das Ver-
ständnis sowie die Bereitschaft zum Handeln zu erhöhen.
Dies kann durch die von der Bundesregierung avisierte
Kooperation, aber auch durch die Bereitstellung neuester
(A) (C)
(B) (D)
Andreas Jung (Konstanz)
Daten erfolgen. Denn nicht allen Betroffenen wird es
möglich sein, entsprechende Analysen und Auswertungen
selbst zu erstellen. Diese sind aber als Grundlage für ein
zielgerichtetes und erfolgreiches Handeln unerlässlich.
Wenn sich die Bundesregierung in ihrer Strategie zu
Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit bekennt, ist dies
eben auch Ausdruck der Erkenntnis, dass die Auswirkun-
gen des Klimawandels regional unterschiedlich sein wer-
den und deshalb örtliche Gegebenheiten und Entschei-
dungsprozesse berücksichtigt werden müssen. Dabei ist
wichtig, dass alle Lebensbereiche einbezogen werden.
In ihrer Anpassungsstrategie betont die Bundesregie-
rung, dass „das Thema Anpassung an die Folgen des Kli-
mawandels … neben den angestrebten Vereinbarungen
über die deutlichen Verminderungen der Treibhausgas-
emissionen ein zentraler Gegenstand der Verhandlungen
im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten
Nationen über ein künftiges internationales Klimare-
gime“ ist. „Auch für die entwicklungs-, sicherheits- und
umweltpolitische Zusammenarbeit sowie für die Migra-
tionspolitik gewinnt das Thema zunehmend an Bedeu-
tung.“ Ich kann dies nur unterstützen.
Als Berichterstatter der Union für Klimaschutz konnte
ich an den vergangenen UN-Konferenzen zum Klimawan-
del teilnehmen. Dabei wurde deutlich, dass zahlreiche
Schwellen- und Entwicklungsländer ein Interesse an
Maßnahmen zur Verminderung von Treibhausgasen ha-
ben, dass sie die Frage nach Anpassungsstrategien je-
doch mindestens genauso beschäftigt. Die Industrielän-
der stehen in einer besonderen Verantwortung, sind doch
sie die Hauptverursacher des Klimawandels. Die Haupt-
leidtragenden sind allerdings die Schwellen- und Ent-
wicklungsländer.
Ende dieses Jahres findet die UN-Klimakonferenz in
Kopenhagen statt. Dort soll ein Nachfolgeprotokoll für
das Kioto-Abkommen verabschiedet werden, das 2012
ausläuft. Ich begrüße es sehr, wenn sich die Bundesregie-
rung in ihrer Anpassungsstrategie nicht nur zur ange-
strebten Vereinbarung über die Verminderung der CO2-
Emissionen bekennt, sondern darüber hinaus das Thema
Anpassung stärker gewichten will.
Die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klima-
wandel“ hat Signalwirkung für alle Beteiligten. Sie bildet
ein Fundament für einen ganzheitlichen Ansatz, wie den
zum Teil bereits heute nicht mehr abwendbaren Verände-
rungen des Klimas begegnet werden kann. Die Anpas-
sungsstrategie bildet eine weitere Säule der deutschen
Klimapolitik. Bis Ende März 2011 soll ein gemeinsam mit
den Ländern erarbeiteter „Aktionsplan Anpassung“ vor-
gelegt werden, der Grundsätze und Kriterien für die Iden-
tifizierung und Priorisierung von Handlungserfordernis-
sen, die Priorisierung von Maßnahmen des Bundes und
einen Überblick über konkrete Maßnahmen anderer Ak-
teure auf der Grundlage des Dialog- und Beteiligungs-
prozesses, Aussagen zur Finanzierung, Vorschläge für
eine Erfolgskontrolle – Indikatoren – sowie die Weiterent-
wicklung der deutschen Anpassungsstrategie und Benen-
nung der nächsten Schritte enthalten soll.
Zu Protokoll
Nicht nur der Klimaschutz macht ein weltweit abge-
stimmtes Handeln erforderlich; dies ist auch bei den An-
passungsmaßnahmen der Fall. Die „Deutsche Anpas-
sungsstrategie an den Klimawandel“ sowie die weiteren
Schritte bilden eine gute Grundlage für ein international
abgestimmtes Handeln.
Frank Schwabe (SPD):
Wir beraten heute die „Deutsche Anpassungsstrategie
an den Klimawandel“, die letzen Dezember vom Kabinett
verabschiedet wurde. Die Anpassung an den Klimawan-
del ist ein Thema, das in vielen Diskussionen über Klima-
schutz bis jetzt immer ein bisschen zu kurz kam. Denn ver-
ständlicherweise steht im Mittelpunkt der Diskussion
immer die Frage, wie wir den Ausstoß an Treibhausgasen
reduzieren können. Wir müssen alles dafür tun, dass wir
in Deutschland unser Ziel von 40 Prozent weniger CO2
bis zum Jahr 2020 erreichen und dass es diesen Dezem-
ber in Kopenhagen zu einem ambitionierten Kioto-
Anschlussabkommen kommt. Wir brauchen einen Kon-
sens, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstempe-
ratur auf weniger als zwei Grad Celsius über dem vorin-
dustriellen Niveau zu begrenzen ist. An diesem
sogenannten 2-Grad-Ziel müssen wir unsere Politik aus-
richten. Aber selbst wenn wir den Temperaturanstieg auf
weniger als 2 Grad begrenzen, werden Folgen des Kli-
mawandels auftreten, auf die sich auch Deutschland ein-
stellen muss. Eine zukunftsfähige Klimapolitik baut des-
halb auf zwei Säulen auf: der Vermeidung von
Treibhausgasen und der Anpassung an die Folgen des
Klimawandels, die schon heute nicht mehr zu vermeiden
sind.
Ziel der Strategie der Bundesregierung ist es, einen
bundesweiten Handlungsrahmen zu schaffen, um Risiken
für die Bevölkerung, der natürlichen Lebensräume und
der Volkswirtschaft vorzubeugen. Dieser Rahmen soll es
insbesondere den unterschiedlichen Handlungsebenen
des Bundes, der Länder, der Kommunen sowie dem ein-
zelnen betroffenen Bürger erleichtern, Betroffenheiten
und Anpassungsnotwendigkeiten zu identifizieren, Hand-
lungsmaßnahmen zu planen und umzusetzen. So können
zum Beispiel durch eine frühzeitige Einbeziehung von An-
passungsaspekten in Planungen später wirksam wer-
dende Klimakosten vermieden werden. Die deutsche An-
passungsstrategie fasst den aktuellen Kenntnisstand zu
den erwarteten Klimaänderungen und zu den damit
verbundenen möglichen Auswirkungen zusammen. Für
15 Handlungsfelder und ausgewählte Regionen werden
mögliche Klimafolgen und Handlungsoptionen skizziert.
Bis 2011 soll dann in Zusammenarbeit mit den Bundes-
ländern der „Aktionsplan Anpassung“ erarbeitet wer-
den.
Ich komme ja aus dem Ruhrgebiet. Vor einigen Wochen
hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK,
eine Studie veröffentlicht, in der die Wissenschaftler die
möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf ver-
schiedene Regionen und Sektoren im Ruhrgebiet unter-
sucht haben. Die Auswirkungen der Klimaveränderungen
werden auch NRW treffen. Die Wissenschaftler des re-
nommiertesten deutschen Forschungsinstituts kommen
zu dem Ergebnis, dass wir in der Stadtplanung berück-
24252 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Frank Schwabe
sichtigen müssen, dass zukünftig städtische Gebiete ver-
mehrt zu „Hitzeinseln“ werden können und deswegen
Grünflächen und Baumreihen zur Kühlung des Stadtkli-
mas immer wichtiger werden. Die Stadtplanung wird
komplexer und muss die neuen Herausforderungen be-
wältigen. Nur so ist sie zukunftsweisend. Vom Standpunkt
der Klimawissenschaftler aus muss in Zukunft anders ge-
baut und geplant werden. Eine der wichtigsten Aspekte
des Klimawandels ist die Auswirkung von höheren Tem-
peraturen. Davon sind besonders städtische Gebiete be-
troffen, in denen sich Hitzeinseln bilden können. Parks,
Baumreihen und andere Grünflächen können diesen
Hitzeinseleffekt abmildern. Als Faustregel gelte ange-
sichts der zu erwartenden Hitzephasen, dass die Men-
schen innerhalb von fünf Gehminuten schattige Zonen
aufsuchen können sollten.
Der Klimawandel ist bereits heute zu spüren. Mehr
noch als plötzliche Starkregen oder Stürme sind es aber
vor allem die schleichenden Veränderungen, die auf
lange Sicht das Lebensumfeld des Menschen verändern.
Sie betreffen häufig nur eine bestimmte Bevölkerungs-
gruppe oder Region und erscheinen beinahe banal: ein
kleiner Fluss, der immer weniger Wasser führt. Wespen
im November und aufgeweichte Straßenbeläge im
Sommer. Kein Wunder, dass viele Veränderungen nicht
als Folge des Klimawandels erkannt oder vielfach igno-
riert werden. Warum sollen wir uns um einen Zentimeter
weniger Strand kümmern, scheinbar unbedeutend im Ver-
gleich zu einem Hochwasser in der Stadt?
Der Klimawandel kommt langsam und auf leisen Soh-
len. Oft merken wir es gar nicht – und wenn, sind uns die
Konsequenzen nicht bewusst. Wenn wir zum Beispiel an
lauen Sommerabenden immer öfter die Grillen zirpen hö-
ren, denkt kaum jemand daran, dass diese Insekten
Krankheitserreger aus Südeuropa importieren, denen un-
sere Weinreben schlecht Widerstand leisten können. Auf
der anderen Seite müssen wir aber auch sehen, dass uns
Expertinnen und Experten sagen, dass die langsamen
Veränderungen Chancen bergen. Denn kleine, aber ste-
tige Veränderungen sind besser berechenbar als Extrem-
ereignisse und machen Anpassung überhaupt erst mög-
lich.
Anpassung geht uns alle etwas an. Zwar betreffen viele
Veränderungen nur eine kleine Gruppe, einen bestimmten
Wirtschaftszweig oder eine Region. Doch die Folgen des
Klimawandels sind so vielfältig, dass kaum ein Bereich
des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen
Lebens in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unbe-
rührt bleiben wird. Hinzu kommt: Einige Bereiche sind
über Umwege miteinander verbunden. So macht Niedrig-
wasser eines Flusses nicht nur Fischen das Leben schwer.
Die Schifffahrt, die Wasserwirtschaft und selbst die Ener-
gieversorgung können davon betroffen sein, denn das
Wasser vieler Flüsse kühlt die Kraftwerke der Strom-
erzeuger.
Aber nicht nur hier in Berlin wird über die Anpassung
an den Klimawandel diskutiert. In Brüssel hat die EU-
Kommission Anfang April ein Weißbuch über die Anpas-
sung der EU an die unausweichlichen Konsequenzen des
Klimawandels veröffentlicht. Die Kommission verfolgt in
Zu Protokoll
ihrem Weißbuch einen Zweiphasenansatz: In der ersten
Phase bis Ende 2012 soll die Forschung über mögliche
Maßnahmen zur Anpassung intensiviert werden, insbe-
sondere im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten. Auf
dieser Grundlage soll eine konkrete EU-Anpassungsstra-
tegie entwickelt werden, die in der zweiten Phase – ab
2013 – umgesetzt werden soll. Die Kommission geht da-
von aus, dass infolge des Klimawandels die Nieder-
schlagsmengen und der Meeresspiegel steigen und wet-
terbedingte Naturkatastrophen häufiger werden.
Leider war es auf dem letzten informellen Treffen der
EU-Umweltminister in Prag kein Konsens, dass es eine
europäische Strategie zur Anpassung geben soll. Es ist ja
richtig, dass die Klimaveränderungen regional sehr un-
terschiedliche Ansätze erfordern. Dies ist jedoch kein Ar-
gument gegen eine EU-weite Abstimmung und Koordinie-
rung. Neben Deutschland haben erst sieben weitere
Mitgliedstaaten eine nationale Anpassungsstrategie ent-
worfen. Es ist zu wünschen, dass die anderen Mitglied-
staaten bald folgen werden. Denn frühzeitige Anpassun-
gen an die Folgen des Klimawandels sind ein Gebot
ökonomischer Vernunft. Durch sie können wir spätere
Schäden mit viel höheren Kosten vermeiden.
Auch wenn wir heute die Anpassung an den Klima-
wandel in Deutschland diskutieren, sei mir doch ein klei-
ner Exkurs erlaubt. Die Anpassung an den Klimawandel
ist vor allem eine internationale Herausforderung. Das
Klimachaos ist ein radikaler Ausdruck globaler Unge-
rechtigkeit. Es trifft diejenigen am härtesten, die am we-
nigsten zu seinen Ursachen beitragen. Schon zu lange
missbrauchen wir unsere Atmosphäre als Mülldeponie
für CO2. Diese Deponie ist zu über 85 Prozent gefüllt mit
den Emissionen der Industrieländer: Sie sind die Verant-
wortlichen. Die Menschen in den sogenannten Entwick-
lungsländern sind am härtesten vom Klimawandel betrof-
fen und haben nicht die notwendigen finanziellen Mittel,
um sich gegen den Klimawandel zu wappnen. Wenn wir
verstärkte Klimaanstrengungen der Entwicklungsländer
erwarten, müssen wir sie dabei unterstützen. Sonst wer-
den wir keinen Erfolg auf der Klimakonferenz in Kopen-
hagen erreichen. Um den Temperaturanstieg auf weniger
als 2 Grad Celsius zu begrenzen, müssen die Industrie-
länder den Entwicklungsländern Finanzmittel bereitstel-
len. Wichtig ist, dass diese Gelder zusätzlich zur Entwick-
lungshilfe gegeben werden. Beim globalen Klimaschutz
müssen die Industrieländer vorangehen. Die Schwellen-
und Entwicklungsländer werden einem Kioto-Nachfolge-
abkommen nur zustimmen, wenn die Industrieländer
klare Ziele für die Verminderung ihrer Treibhausgase
vorgeben und ärmeren Ländern Finanzzusagen machen.
Dies ist die politische Dimension der Gelder für An-
passung, die ich noch einmal herausstellen wollte. Die
EU-Kommission geht davon aus, dass die Finanzierung
von Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel
weltweit zusätzliche Investitionen von 175 Milliarden
Euro im Jahr erfordert. Für die EU läge der faire Anteil
an diesen Investitionen bei mindestens 30 Milliarden
Euro im Jahr. Dieser Anteil lässt sich nach den bisher
freigesetzten Emissionen und der wirtschaftlichen Leis-
tungskraft errechnen. Um nationalen und internationalen
Klimaschutz finanzieren zu können, müssen hierfür die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24253
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Frank Schwabe
gesamten Einnahmen des Emissionshandels verwendet
werden.
Die Anpassungsstrategie der Bundesregierung ist erst
der erste Schritt. Nächsten Montag findet eine hochkarä-
tige Konferenz des Bundesumweltministeriums zum
Thema Anpassung statt. Die Konferenz will auch den
„Aktionsplan Anpassung“ besprechen. Dieser „Aktions-
plan Anpassung“ ist dann der zweite Schritt. Ihn will die
Bundesregierung bis zum Frühjahr 2011 erarbeiten.
Wichtig ist nun, den Erfahrungsaustausch und das Wissen
zum Thema Anpassung voranzubringen, auch in unseren
Wahlkreisen. Denn dort fehlt noch oft das Wissen, was
zum Beispiel im zukünftigen Städtebau alles zu beachten
ist. Eine Aufgabe, die uns in Zukunft immer häufiger be-
schäftigen wird.
Michael Kauch (FDP):
Strategisches Handeln ist zielorientiertes Handeln. Es
bedeutet, zielorientiert vorgehen nach einem umfassen-
den Plan.
Eine Strategie umfasst also alle erdenklichen Hand-
lungen, die zur Verfügung stehen, um ein zuvor präzise
definiertes Ziel am Ende zu erreichen, einen vollständi-
gen Handlungsplan, der alle Zusammenhänge und alle
möglichen Konstellationen berücksichtigt und umfasst,
die sich auf dem Weg zu einem definierten Ziel ergeben
können.
Nützlich ist das Entwerfen einer Strategie natürlich
nur dann, wenn man sich vorher darüber klar wird, wohin
man eigentlich genau will und warum bestimmte Verhal-
tensweisen dazu geeignet sind, an genau dieses Ziel zu
gelangen. Man muss sich übrigens auch darüber klar
werden, wann man angekommen ist. Das Ziel muss also
präzise beschrieben sein, und man braucht Indikatoren
zur Überprüfung. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Na-
tionale Nachhaltigkeitsstrategie. Nichts hätte also näher
gelegen, als sich an deren Struktur zu orientieren.
Und was hat die Bundesregierung vorgelegt? Was da
unter dem großspurigen Titel einer „Deutschen Anpas-
sungsstrategie an den Klimawandel“ daherkommt, ist
nicht mehr als eine hilflose Stichwortsammlung, eine Ideen-
sammlung zu möglichen Zielen, Zielkonflikten und Maß-
nahmen, außerdem noch ein lustlos flackernder und un-
konzentrierter Blick über alles Mögliche, was schon
irgendwo von irgendwem gemacht wird und was irgend-
wie mit dem Problem Klimawandel zu tun hat. Die „An-
passungsstrategie der Bundesregierung an den Klima-
wandel“ hätte Mark Twain treffend beschrieben: „Kaum
dass wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdop-
pelten wir unsere Anstrengungen.“
Selbstverständlich enthält der „Kessel Buntes“ auch
sinnvolle Einzelaktivitäten. Es fehlt aber das geistige
Band. Eine lustlose Materialsammlung aller beteiligten
Ministerien, das Ergebnis eines Brainstormings, das ist
es, was Sie vorgelegt haben, meine Damen und Herren
von der Bundesregierung. Wo ist der rote Faden, und wo
ist eine Prioritätensetzung? Und was am schmerzlichsten
vermisst wird: Wie lautet das konkrete Ziel, an das die
Zu Protokoll
Bundesregierung mit dieser Ideensammlung kommen
will? Ihre Strategie ist eine Mogelpackung.
Der Beschluss, eine solche Strategie zu erarbeiten,
stammt aus dem Jahr 2005. Sie hatten eine ganze Legis-
laturperiode Zeit. Im Jahr 2009 ist die Bundesregierung
aber nicht viel weiter als am Anfang und braucht jetzt
noch bis 2011 für einen Aktionsplan.
Die FDP weist nachdrücklich darauf hin, dass die An-
passung an den Klimawandel einen höheren Stellenwert
braucht. Das Klimaschutzministerium in Niedersachsen
hat dazu vor wenigen Wochen erneut eine mustergültige
Vorlage gemacht. Es ist übrigens die FDP, die in Nieder-
sachsen den Umweltminister stellt und das Anpassungs-
thema hoch auf die Agenda gesetzt hat.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Wenn wir heute über Anpassungsstrategien reden, sei
eines vorangestellt: Wir sind uns sicherlich einig, dass
das wichtigste Ziel der Klimapolitik darin besteht, un-
bedingt die Erwärmung der Erdatmosphäre auf maximal
2 Grad über vorindustrielle Werte zu begrenzen. Ansons-
ten werden Kipppunkte erreicht, die chaotische und unbe-
herrschbare Prozesse einleiten könnten, etwa wenn der
sibirische Permafrost auftaut oder die grönländischen
Gletscher weitgehend abschmelzen. Um dies zu verhin-
dern, sind radikale Änderungen in Produktion und Kon-
sum erforderlich. Dabei kommt der Energieeinsparung
auf breiter Front genauso eine zentrale Rolle zu wie der
regenerativen Energieversorgung.
Leider erfordert bereits ein Anstieg der Erdmitteltem-
peratur von 2 Grad erhebliche Anpassungsleistungen für
Mensch und Natur, dies vor allem in jenen Ländern, die
ohnehin von Armut geprägt sind und die in der Regel
keine Verantwortung für den rasanten weltweiten Anstieg
der CO2-Emissionen tragen. Die historische Verantwor-
tung für den Klimawandel liegt klar bei den Industrielän-
dern. Deshalb muss es für die Konferenz in Kopenhagen
Ziel sein, für die Industriestaaten eine Minderung von
mindestens 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 zu ver-
einbaren.
An dieser Stelle sollten wir uns zudem vor Augen füh-
ren: Der weltweite Ausstoß von Klimakillern stieg trotz
Kioto-Abkommen seit der Jahrtausendwende dreimal so
schnell an wie in den 90er-Jahren. Dieser Trend liegt
oberhalb des pessimistischsten Szenarios des UN-Klima-
rates IPCC. Und dieses sagt uns eine Erwärmung der
durchschnittlichen Oberflächentemperatur unseres Pla-
neten von bis zu 6,4 Grad bis 2100 voraus. Wir bewegen
uns also weit außerhalb des gerade noch als beherrsch-
bar eingeschätzten Pfades. Dementsprechend dramatisch
werden die Auswirkungen dieses Systemversagens sein.
Vor diesem Hintergrund stimmen wir zwar der Bun-
desregierung zu, wenn sie sich nicht auf ein Szenario und
eine Anpassungsstrategie fokussiert, sondern die Spann-
breite künftiger Entwicklungen berücksichtigen möchte.
Die Linke fordert aber, dass auch gravierende Klima-
änderungen als mittlerweile realistisch angesehen wer-
den und nicht nur am unteren Rand manövriert wird.
24254 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Eva Bulling-Schröter (Die Linke)
Dementsprechend ist in der Anpassungsstrategie Vor-
sorge zu leisten.
Dies gilt nicht für Deutschland, sondern ebenso für
den deutschen Beitrag für Anpassungsleistungen in der
Dritten Welt sowie für die internationalen Vereinbarun-
gen über die UN-Anpassungsfonds. Brot für die Welt,
Diakonie Katastrophenhilfe und Germanwatch haben
hier konkrete Vorschläge unterbreitet. Insbesondere muss
der Fokus der Hilfe auch innerhalb der Länder auf den
besonders Betroffenen liegen. Natürlich müssen entspre-
chende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.
Germanwatch und das Wuppertal Institut haben dafür ge-
meinsam Finanzierungsvorschläge erarbeitet, die über
das hinausgehen, was gegenwärtig verhandelt wird. Ins-
besondere der Vorschlag, auch einen Teil der Kioto-Emis-
sionsrechte, AAU, die den jeweiligen Staaten zugeteilt
werden, zu versteigern, ist unseres Erachtens überden-
kenswert. Schließlich ist hier die Basis ungleich größer
als beim anlagenbezogenen Emissionshandel, etwa im
europäischen Emissionshandelssystem.
Die deutsche Anpassungsstrategie ist vernünftiger-
weise dynamisch konzipiert. Wir begrüßen ebenso die
Entwicklung von Handlungsoptionen für 13 Lebens-,
Umwelt- und Wirtschaftsbereiche. Das Gleiche gilt für
die Thematisierung und Anpassung relevanter Quer-
schnittsbereiche wie die Raum-, Regional- und Bauleit-
planung sowie für die Analyse der regionalen Empfind-
lichkeit. Denn der Durchschnitt hilft uns ja nicht weiter,
wenn es beispielsweise in Ostdeutschland deutlich tro-
ckener und am Rhein wesentlich feuchter wird.
Das langfristige Ziel der Anpassungsstrategie muss
sein, die Verletzlichkeit natürlicher, gesellschaftlicher
und ökonomischer Systeme in Bezug auf den Klimawan-
del zu vermindern. Das ist nicht zuletzt eine soziale
Frage. Denn auch in der Bundesrepublik werden es zual-
lererst die Armen sein, die unter den Folgen leiden. Sie
sollten deshalb von der Finanzierung der Anpassungs-
maßnahmen weitgehend verschont bleiben. Zur Kasse zu
bitten sind dagegen vor allem die Konzerne, die am meis-
ten vom Ausstoß der Klimakiller profitierten: die Ener-
gieversorger sowie die Mineralöl- und Automobilindus-
trie.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Der Klimawandel hat schon begonnen. Die Erderwär-
mung findet längst statt. In den letzten 100 Jahren ist die
globale Mitteltemperatur nach den Erkenntnissen des
Weltklimarates IPCC um über 0,7 Grad Celsius angestie-
gen. Worum es jetzt gehen muss, ist konsequenter Klima-
schutz, um die Erwärmung zu begrenzen und unter der
gefährlichen Marke von 2 Grad zu halten. Gleichzeitig
müssen wir uns den negativen Auswirkungen des Klima-
wandels stellen, die zum Teil heute schon nicht mehr ab-
wendbar sind. Es geht darum, das Unbewältigbare zu
vermeiden und das Unvermeidliche zu bewältigen. Mit
der zweiten Aufgabe beschäftigt sich die Bundesregie-
rung in ihrer vorgelegten Anpassungsstrategie.
Die Ausarbeitung der Strategie ist zu begrüßen, auch
wenn sie an manchen Stellen vage in den Aussagen und
unbestimmt in den Maßnahmen bleibt. Hier wird es auf
Zu Protokoll
dem Weg zu einem Aktionsplan mit Sicherheit noch viel zu
diskutieren und zu konkretisieren geben. Doch wird deut-
lich, welche schwerwiegenden Folgen der Klimawandel
für unser Land haben wird. Da ist im Gesundheitsbereich
zum Beispiel von der erleichterten Ausbreitung von
Krankheitserregern die Rede und von der Ansiedlung
neuer Viren und Krankheitsüberträgern, von zunehmen-
den Herz-Kreislauf-Problemen durch eine verstärkte
Hitzebelastung, von Atemwegsbeschwerden durch mehr
bodennahes Ozon und womöglich sogar von erhöhtem
Hautkrebsrisiko durch die intensivere Sonneneinstrah-
lung. Das sind Risiken, auf die sich Medizin und Gesund-
heitsversorgung einrichten müssen. Die Risiken sollten
uns zugleich Mahnung sein, konsequenter für den Klima-
schutz einzutreten. Denn Vorsorge ist hier mit Sicherheit
die beste Strategie.
Das gilt auch für die umweltbezogenen Auswirkungen
des Klimawandels, die in dem Bericht benannt werden,
wie die steigende Wahrscheinlichkeit von Hochwassern
und Sturmfluten, das häufigere Auftreten von Trockenpe-
rioden und die Gefahr des Aussterbens von bis zu
30 Prozent der heimischen Tier- und Pflanzenarten. An-
gesichts dieser Probleme werben wir Grüne für eine mög-
lichst umweltverträgliche und naturnahe Anpassung an
den Klimawandel. Es wäre fatal, wenn zur Bekämpfung
der Folgen dieser globalen Umweltkatastrophe Strate-
gien oder Technologien zur Anwendung kämen, die neue,
unbeherrschbare Umweltgefahren mit sich bringen. Das
gilt insbesondere für die Agrogentechnik. Für deren Ein-
satz zeigt sich die Bundesregierung in ihrer Anpassungs-
strategie leider offen, indem sie schreibt: „Im Bereich der
Pflanzenzüchtung sollten im Hinblick auf die Anpassung
an Klimaänderungen … Innovationen gefördert werden.“
Bemerkenswert ist auch der Passus, dass Kohle- und
Atomkraftwerken durch Niedrigwasser und höhere Was-
sertemperaturen das Kühlwasser ausgehen könnte. Koh-
lekraftwerke sind mit ihrem hohen CO2-Ausstoß also
nicht nur Mitverursacher des Klimawandels. Sie werden
durch den Klimawandel auch unzuverlässig. Ein Grund
mehr, die verfehlte Kohlepolitik der Bundesregierung
endlich zu korrigieren.
Bei all den negativen Folgen des Klimawandels für
Deutschland sollten wir allerdings nicht vergessen, dass
andere Menschen und Länder noch viel stärker von der
Erderwärmung bedroht sind. Am härtesten wird der Kli-
mawandel die Armen treffen. In Bangladesch drohen
furchtbare Überschwemmungen. Die Malediven bereiten
sich auf die Evakuierung ihrer Bevölkerung vor. In Afrika
drohen regional verschärfte Hungersnöte, am Himalaja
ist der Trinkwasservorrat von Millionen bedroht. Den be-
troffenen Menschen und Staaten fehlen meist die Mittel,
um sich gegen diese Klimafolgen zur Wehr zu setzen.
Deshalb sind die Industriestaaten, die den Klimawan-
del verursacht haben, in der Pflicht, zu helfen. Das ist
eine Frage der globalen Gerechtigkeit und eine zentrale
Voraussetzung für den Erfolg des neuen Klimaabkom-
mens, das im Dezember in Kopenhagen verabschiedet
werden soll. Es wäre gut, wenn die EU und die Bundesre-
gierung dazu bald konkretere Angebote auf den Tisch le-
gen würden.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24255
gegebene Reden
24256 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Bärbel Höhn
Der Klimawandel hat schon begonnen und er wird uns
noch lange beschäftigen. Lassen Sie uns gemeinsam da-
ran arbeiten, ihn zu begrenzen und bessere Strategien zur
Anpassung zu entwickeln. Lassen Sie uns alles tun, um
das Unvermeidliche zu bewältigen und das Unbewältig-
bare zu vermeiden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11595 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken,
Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Anbau von gentechnisch verändertem Mais
stoppen
– Drucksachen 16/11919, 16/12841 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Max Lehmer
Elvira Drobinski-Weiß
Dr. Christel Happach-Kasan
Dr. Kirsten Tackmann
Ulrike Höfken
Abweichend von der Tagesordnung soll – auf Antrag
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – eine Ausspra-
che stattfinden. Für die Aussprache ist eine halbe Stunde
vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Johannes Röring, CDU/CSU-Fraktion.
Johannes Röring (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Lassen Sie mich zunächst zwei klare Botschaf-
ten an die Grünen senden:
Zuallererst: Ich bin mittlerweile tief darüber entsetzt,
in welcher Art und Weise Sie Politik betreiben.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Was? Vorbildlich!)
Sie schreiben sich die Verantwortung für zukünftige Ge-
nerationen auf Ihre Fahne.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Jawohl!)
Auf Ihrem Parteitag am Wochenende haben Sie sogar ei-
nen Green New Deal vereinbart. Wenn Sie aber nach
Berlin in Ihre Abgeordnetenbüros zurückkommen,
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ich war nie weg!)
überlegen Sie sich gleich, wie Sie möglichst populistisch
und reißerisch eine Schlüsseltechnologie wie die Grüne
Gentechnik verdammen können.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Meinen Sie Ihre Ministerin? Von wem
reden Sie gerade?)
Es wird ideologisch argumentiert,
(Peter Bleser [CDU/CSU]: Reiner
Populismus!)
statt wissenschaftlich fundiert und verantwortungsbe-
wusst zu diskutieren und die Bevölkerung zu informie-
ren.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ach so!)
Zweitens. Frau Höfken, wir debattieren heute über ei-
nen Antrag, der längst gegenstandslos ist, da das BVL
den Anbau und jeden weiteren Verkauf von MON 810
der Firma Monsanto vor vier Wochen bis auf Weiteres
untersagt hat.
(Peter Friedrich [SPD]: Aber warum?)
An dieser Stelle will ich klar betonen, dass das Verbot
von MON 810 eine Einzelfallentscheidung darstellt.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Zukunftsfeindlich!)
Die Entscheidung zu MON 810 ist keine Grundsatzent-
scheidung gegen diese Technologie im Allgemeinen.
(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wie finden Sie die?)
Im Gegenteil: Die vielen offenen Fragen bezüglich gen-
technisch veränderter Organismen zeigen die Notwen-
digkeit einer verstärkten Forschung.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie machen einen Salto!)
Sicherheitsforschung ist wichtig.
Wie ich schon am 23. April in der Aktuellen Stunde
zu diesem Thema ausgeführt habe, geht es Ihnen gar
nicht um das Thema MON 810. Wir diskutieren zum
wiederholten Mal über Gentechnik im Allgemeinen.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das hat doch etwas miteinander zu
tun!)
Das bedeutet auch, dass wir erneut über die Chancen der
Grünen Gentechnik zu sprechen haben. Wir müssen da-
rüber reden, wie wir sie besser erforschen und ihre Po-
tenziale nutzen können.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Die werden nicht besser, wenn Sie sie
immer wieder wiederholen!)
Selbstverständlich müssen wir die Ängste der Bevöl-
kerung ernst nehmen und ausschließen, dass Schäden für
Mensch und Gesundheit entstehen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24257
(A) (C)
(B) (D)
Johannes Röring
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das
können Sie aber nicht! Das hat selbst Seehofer
gesagt!)
Aus genau diesem Grund brauchen wir umfassende For-
schungsanstrengungen.
(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Richtig!)
Generelle Anbauverbote, wie die Grünen sie fordern, be-
hindern unseren Forschungsstandort eigentlich nur. Ich
glaube, dass wir mit der Verhinderung neuer Technolo-
gien die Monopolisierung in Deutschland voranbringen
und die Nutzung biotechnologischer Innovationen für
Züchter, Landwirte und am Ende auch für die Verbrau-
cher gefährden würden.
Züchtung und Forschung brauchen zuverlässige Rah-
menbedingungen, damit auf diesen Gebieten ohne ideo-
logische Scheuklappen und wissensbasiert gearbeitet
werden kann, damit Praxis und Theorie in der Forschung
– dazu gehört auch die Anwendungsforschung – zusam-
menkommen.
Wir tragen für die Bevölkerung weltweit Verantwor-
tung. Sie kann von unseren Erfahrungen und von unse-
rem Wissen profitieren. Deswegen bin ich sehr froh
darüber, dass das BVL vor wenigen Tagen den Versuchs-
anbau für gentechnisch veränderte Gerste der Justus-
Liebig-Universität in Gießen genehmigt hat,
(Peter Bleser [CDU/CSU]: Sehr gut!)
nachdem die Anbauflächen im letzten Jahr von Ökoakti-
visten mutwillig zerstört worden waren.
Dass auch die Freisetzung der gentechnisch veränder-
ten Kartoffel Amflora erlaubt worden ist, ist ebenso
wichtig. Der Zaun um die Anbaufläche wird wahr-
scheinlich nur wegen der Ökoaktivisten gebaut worden
sein. Diese Kartoffel produziert wesentlich mehr Stärke
(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Die nicht ge-
braucht wird!)
als die herkömmliche Kartoffel. Es gilt jetzt, zu erfor-
schen, ob die Kartoffel tatsächlich die ihr zugeschriebe-
nen Eigenschaften besitzt und langfristig in der industri-
ellen Produktion einsetzbar ist. Im Übrigen ist das auch
für die Frage der Produktion von nachwachsenden Roh-
stoffen sehr wichtig. Denn Effizienz ist angesichts der
knapp bemessenen Ackerflächen extrem wichtig.
Die Tatsache, dass die verfügbare Ackerfläche pro
Erdbewohner nach wie vor dramatisch abnimmt – das
meine ich sehr ernst; ich habe es schon wiederholt gesagt –,
bringt uns in die Verantwortung, diese Technologie, die
eine Effizienzsteigerung ermöglicht, für uns nutzbar zu
machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir müssen in einigen Jahren mit 2 000 Quadratmeter
pro Erdbewohner – das ist die Perspektive – auskom-
men. Ich glaube, Sie alle sind sich nicht bewusst, was
das heißt. Das ist ein Fünftel Hektar für jeden Erdbe-
wohner. Da kann man vielleicht 1 Tonne Weizen an-
bauen, wenn man es gut macht, oder, Frau Höfken,
300 Liter Biosprit produzieren. Man muss die Menschen
aber auch noch mit Fleisch und Milch ernähren. Sie wol-
len zudem nachwachsende Rohstoffe für die Industrie
erzeugen. Sie müssen uns schon erklären, wie das funkti-
onieren soll.
(Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Das tun wir schon die ganze
Zeit!)
Auch Umweltminister Gabriel, liebe Kollegen von
der anderen Koalitionsfraktion, hat dies erkannt und vor
einiger Zeit die Kartoffel Amflora als Option gesehen.
Ich glaube, dass wir die Technologie nicht generell ab-
lehnen sollten.
Ich muss einige Verlautbarungen vom Kollegen
Kelber, der uns sehr starke Nähe zu Monsanto und ande-
ren Firmen nachsagt, zurückweisen.
(Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Zu wem denn sonst! –
Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das
kann man nicht abstreiten! Das ist eindeutig!)
Ich glaube, wir sollten zur Sachpolitik zurückkommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Ulrike Höfken [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wen meint er denn
damit?)
Zurück zum Thema. Wir haben Verantwortung in ei-
ner sich schnell verändernden Welt. Es gibt viele Men-
schen, die nicht im Überfluss leben. Das hat sehr stark
damit zu tun, dass sie nicht ausreichend über Trinkwas-
ser und Nahrung verfügen. Ich glaube, wir sollten diese
eine Option, diese neuen Technologien, nicht verwerfen.
Abschließend noch eine sehr persönliche Sorge, die
mich umtreibt. Wir tun sehr viel, um Wissenschaft und
Bildung für junge Leute voranzubringen. Ich mache mir
Sorge, dass wir durch die Art und Weise dieser Diskus-
sion ein falsches Signal an junge Menschen senden, die
sich mit dem Zukunftsthema Biotechnologie beschäfti-
gen wollen.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Sie ha-
ben einen eigenen Kopf zum Denken!)
Ich habe Sorge, dass sie sich durch diese Debatten davon
abwenden und wir zukünftige Chancen anderen überlas-
sen. Wir müssen junge Menschen für dieses Thema be-
geistern und dafür sorgen, dass sie Neugier für die welt-
weiten Zukunftsthemen entwickeln.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Wer
sagt das?)
Sie müssen dieses Thema begeistert besetzen
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ihre Rede begeistert!)
und diese Zukunftstechnologie zur Lösung der Probleme
vieler Menschen in der Welt nach vorne bringen.
Der Antrag der Grünen besagt genau das Gegenteil.
Deswegen kann ich diesen Antrag ohne Bedenken ableh-
nen.
24258 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Johannes Röring
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Zuruf vom BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Ohne Nachdenken!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es geht wieder einmal um MON 810.
(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Richtig!)
Ich will an Folgendes erinnern – das ist eine interessante
Information –: Übermorgen beginnt in Rom, im Vatikan,
die Studienwoche „Transgene Pflanzen zur Ernährungs-
sicherheit im Kontext von Entwicklung“. Sie wird von
der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften ausgerich-
tet. Über 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
tragen vor und berichten darüber, welche realen Mög-
lichkeiten es gibt, mit transgenen Pflanzen die Welter-
nährung zu verbessern. Ich glaube, dass dies eine sehr
gute Maßnahme des Vatikans ist, um Sachlichkeit in die
Diskussion hineinzubringen und die Chancen dieser
Züchtungsmethode aufzuzeigen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Ich will hinzufügen: Diese Art der Diskussion gefällt
mir um einiges besser als die ethischen Überlegungen,
die ich von CSU-Politikern aus dem Bundesland Bayern
hören muss, die sehr abstrakt Ethik einfordern. Stattdes-
sen sollten sie fragen: Wie können wir den Menschen in
der Dritten Welt, die an Hunger und Mangelernährung
leiden, konkret helfen? Das scheint der Weg zu sein, den
wir in Zukunft gehen müssen.
(Beifall bei der FDP)
Unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
lern, die im Vatikan vortragen werden, sind einige, die
hier gut bekannt sind. Ich erinnere an Professor Beyer
aus Freiburg und Professor Ingo Potrykus, die zusam-
men das Golden-Rice-Konzept entwickelt haben. Ich
hoffe sehr, dass sie es schaffen werden, dieses zur Um-
setzung gelangen zu lassen. Auch Professor von Braun,
ehemals Universität Bonn, jetzt Leiter des IFPRI, des In-
ternational Food Policy Research Institute in Washing-
ton, gehört zu den Wissenschaftlern, die dort vortragen
werden. Von seinem Institut stammt die Studie, die be-
sagt, dass der Anbau von Bt-Baumwolle in Indien dazu
beigetragen hat, die Situation der Baumwollbauern zu
verbessern, sodass tatsächlich und messbar festzustellen
ist, dass inzwischen deutlich weniger Landwirte
Selbsttötungen begehen als vor Beginn des Anbaus von
Bt-Baumwolle.
Vor diesem Hintergrund müssen wir sagen – ob sich die
Menschen in Deutschland dafür begeistern oder nicht –:
Gerade die armen Länder in der Dritten Welt brauchen die
Grüne Gentechnik. Wir in Deutschland sollten uns für die
Forschung in diesem Bereich engagieren.
(Beifall bei der FDP)
Professor Balling, Präsident des Verbandes Biologie,
Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland, hat
das von Ministerin Aigner ausgesprochene Anbauverbot
scharf kritisiert. Er sagte:
Es handelt sich um eine rein politische Entschei-
dung, die nichts mit wissenschaftlichen Erkenntnis-
sen zu tun hat.
Er hat dies auch ausgesprochen gut begründet: Er
stellt fest, dass die sogenannten neuen Anhaltspunkte
nichts als alte Erkenntnisse sind. Wir wissen seit Lan-
gem, dass der Mais eine insektizide Wirkung hat.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Deswegen
ist es ja gut, dass wir es endlich machen!)
– Liebe Waltraud, kannst du nicht einmal den Mund hal-
ten und zuhören, wenn jemand etwas sagt, das in der
Diskussion tatsächlich weiterhilft?
(Widerspruch bei der SPD – Dr. Kirsten
Tackmann [DIE LINKE]: Mein Gott! Nicht so
empfindlich!)
Ich glaube, wenn man so etwas dezidiert ablehnen
möchte, ist es an der Zeit, sich intensiv damit zu be-
schäftigen. Es gilt, was ein Kabarettist gesagt hat:
89 Prozent der Menschen in Deutschland haben sich nie
mit Gentechnik beschäftigt, aber 104 Prozent sind dage-
gen. Das muss uns doch aufmerken lassen.
(Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Vielleicht sind die gar nicht
so dumm!)
– Danke; ihr habt es gemerkt.
Man kann mit Fütterungsversuchen niemals die Wir-
kung einer Pflanzensorte im Freiland nachweisen. Das
sollte auch der Ministerin bekannt sein. Vor diesem Hin-
tergrund hat Professor Balling sehr recht, wenn er darauf
hinweist, dass Ministerin Aigner eine rein politische
Entscheidung getroffen hat.
(Beifall bei der FDP)
Wenn wir uns aus der Forschung verabschieden, ver-
abschieden wir uns auch von der Möglichkeit, selbst Er-
kenntnisse zu gewinnen und selbst zu entscheiden, wie
wir mit Grüner Gentechnik umgehen wollen. Wir haben
schon jetzt gesehen: Unternehmen aus Deutschland en-
gagieren sich finanziell in China, bauen dort For-
schungsinstitute auf; Bayer hat sich aus Potsdam verab-
schiedet und geht nach Gent in Belgien. All dies sind
keine Maßnahmen, die in einer Wirtschaftskrise dazu an-
getan sind, tatsächlich hier in Deutschland Arbeitsplätze
zu schaffen.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]:
Dann rechnen Sie mal die Ökobranche dage-
gen, Frau Happach-Kasan!)
– Ich weiß, die Grünen brauchen keine Arbeitsplätze;
aber es gibt in diesem Land eine Menge Menschen, die
ihr Geld mit eigener Arbeit verdienen wollen und nicht
auf staatliche Unterstützung angewiesen sein wollen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24259
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Christel Happach-Kasan
Öffentliche Forschung kann nur dann private For-
schung nach sich ziehen, wenn es eine echte Anwen-
dungsperspektive gibt. Vor diesem Hintergrund kritisiere
ich die Entscheidung von Frau Aigner und selbstver-
ständlich den Antrag der Grünen.
Ich will darauf hinweisen, dass drei Aussagen im An-
trag der Grünen falsch sind. Es werden dort Behauptun-
gen erhoben, die richtiggestellt werden müssen. Honig,
der Bt-Mais-Pollen enthält, ist sehr wohl verkehrsfähig.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist
nicht entschieden!)
Das Augsburger Urteil ist nicht rechtskräftig. Es gibt
aber viele rechtskräftige Urteile, nach denen dieser Ho-
nig verkehrsfähig ist. Er ist in keiner Weise in seiner
Qualität gemindert; das sollten wir den Imkerinnen und
Imkern einmal deutlich sagen.
Bt-Sorten sind keine kritischen Sorten, sondern haben
erheblich dazu beigetragen – das Beispiel Indien habe
ich genannt –, Leid in den Ländern der Dritten Welt und
in Schwellenländern zu mindern; Stichwort: Ernäh-
rungssicherheit. Somit sind die formulierten Feststellun-
gen falsch, und die von Ihnen erhobenen Forderungen
sind genauso falsch.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Immer
diese alten Argumente! Die sind schon lange
widerlegt!)
– Das ist überhaupt nicht widerlegt.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Oh
doch! Meine Güte, was erzählen Sie da nur,
Frau Happach-Kasan?)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Ich komme zum Schluss. – Die an der Studienwoche
teilnehmenden Wissenschaftler plädieren für eine Entbü-
rokratisierung der Zulassungsverfahren. Ich halte dies
für richtig.
Ich möchte noch eines anmerken: Die Bundesregie-
rung spricht sich immer für eine größtmögliche Transpa-
renz der Zulassungsverfahren aus. Ich würde mich
freuen, wenn ihre Institutionen genauso transparent han-
deln würden.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Die Re-
dezeit ist längst zu Ende!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin, ich muss Sie eindringlich mahnen,
jetzt zum Ende zu kommen.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]:
Mach endlich Feierabend!)
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Ich bin bei meinem letzten Satz. – Ich finde es entsetz-
lich, dass ein Institut, das für Transparenz plädiert – ich
meine das Bundesamt für Naturschutz –, selbst keine
Transparenz praktiziert und mir die Zusendung des Gut-
achtens verweigert.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Frau
Happach-Kasan kriegt mal wieder zwei Minu-
ten mehr! Wie immer!)
Das ist nicht in Ordnung.
Danke schön.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Rednerliste
stehen noch drei Rednerinnen. Ich bitte Sie, die Laut-
stärke so zu dämpfen, dass diejenigen, die den Rednerin-
nen zuhören wollen, auch die Chance haben, sie zu hö-
ren.
Das Wort hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß,
SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über das
Thema MON 810 haben wir hier bereits ausführlich dis-
kutiert, zuletzt in einer Aktuellen Stunde; der Kollege
Röring hat das schon angesprochen. Deshalb fasse ich
mich heute etwas kürzer. Ich denke, ich werde meine Re-
dezeit nicht ausschöpfen müssen.
Dass akuter Handlungsbedarf besteht, hat sich inzwi-
schen erledigt. Im Koalitionsvertrag heißt es:
Der Schutz von Mensch und Umwelt bleibt, ent-
sprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel
des deutschen Gentechnikrechts.
Vielleicht interessiert das ja auch die Kolleginnen und
Kollegen von der CDU/CSU. Auf diesen Grundsatz ha-
ben wir uns verpflichtet.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Mit dem Verbot des Anbaus von MON 810 hat Minis-
terin Aigner am 14. April 2009 endlich der Koalitions-
vereinbarung entsprochen. Bundesminister Gabriel hat
im März 2009 gegen die Untersagung des in Österreich
und Ungarn bereits seit längerem bestehenden Verbots
des Anbaus von MON 810 gestimmt. Wir begrüßen die-
ses Vorgehen ausdrücklich; denn das Verbot von
MON 810 entspricht dem Vorsorgegrundsatz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der
Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Die Firma Monsanto hat mit einem Eilantrag versucht
zu erreichen, dass dieses Verbot aufgehoben wird. Das
Verwaltungsgericht Braunschweig hat diesen Eilantrag
abgewiesen. In der Begründung hoben die Richter her-
vor – ich zitiere aus einer Pressemitteilung des Verwal-
tungsgerichts Braunschweig –:
24260 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Elvira Drobinski-Weiß
Nach vorläufiger Prüfung bestehe eine Gefahren-
lage, wie sie das Gentechnikgesetz für ein solches
Verbot verlange.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wo ist
denn Frau Happach-Kasan? Jetzt sollte sie ei-
gentlich genau zuhören!)
Ich zitiere weiter aus dieser Presseerklärung
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Schon wieder?
Muss das sein?)
– ja, das muss sein; was wahr ist, muss formuliert wer-
den, Frau Klöckner –:
Es gebe zwar keine gesicherten Erkenntnisse da-
rüber, dass der Genmais zu erhöhten Gefahren für
die Umwelt führe. Neuere Untersuchungen könnten
jedoch darauf hindeuten,
(Peter Bleser [CDU/CSU]: Ja, „könnten“!)
dass der im Genmais produzierte Giftstoff nicht nur
gegen den Schädling wirke, der damit bekämpft
werden solle, sondern auch gegen weitere Insekten.
Außerdem sei nach aktuellen Studien davon auszu-
gehen, dass sich die Genmais-Pollen deutlich wei-
ter verbreiten können, als dies bisher angenommen
wurde.
So weit die Presseerklärung des Verwaltungsgerichts
Braunschweig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in solchen Fällen
muss der Vorsorgegrundsatz gelten und der Schutz von
Mensch und Umwelt Vorrang haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Wir haben bereits seit langem das Verbot des kommerzi-
ellen Anbaus von MON 810 gefordert; nun ist es endlich
so weit.
Wir haben aber auch gefordert, dass es einen klaren
Kurs in Sachen Grüne Gentechnik geben muss. Einen
solchen klaren Kurs kann ich bei unserem Koalitions-
partner allerdings nicht erkennen. Mit MON 810 sind
nicht alle Probleme vom Feld. Auch bei den demnächst
auf der EU-Ebene zur Zulassung anstehenden Maiskon-
strukten Bt 11 und Bt 1507 können negative Effekte auf
Nichtzielorganismen nicht ausgeschlossen werden. Auch
hier muss der Vorsorgegrundsatz gelten, muss die Zulas-
sung abgelehnt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der
Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Wir brauchen Stringenz in Sachen Grüne Gentechnik;
aber es ist bei dem Durcheinander bei unserem Koali-
tionspartner nicht einfach, politisch etwas auf den Weg
zu bringen.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist
wohl wahr!)
Die CSU positioniert sich in Bayern anders als in Berlin.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Hört!
Hört! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]:
Die FDP auch!)
Während in München ein Verbot der Grünen Gentechnik
plötzlich ein Gebot der Ethik ist, wird in Berlin ihr Ein-
satz unterstützt. Während die CSU in München Verbind-
lichkeit für gentechnikfreie Regionen fordert, verweigert
sie in Berlin unseren Anträgen zur Umsetzung dieser
Forderung die Zustimmung. So kann man mit den Bür-
gerinnen und Bürgern nicht umgehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der
Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Wir brauchen in Sachen Grüne Gentechnik einen kla-
ren Kurs. Dieses Thema ist den Menschen zu wichtig,
als dass sich Deutschland bei jeder Entscheidung auf
EU-Ebene enthalten kann, weil sich CDU/CSU-geführte
Ministerien nicht auf eine Linie einigen können.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen die
Grüne Gentechnik ab. Die Ergebnisse der Umfrage, die
Emnid vor kurzem in Bayern zum Verbot des Anbaus
von MON 810 durchgeführt hat, sind allen bekannt:
72 Prozent der bayerischen Bevölkerung und sogar
76 Prozent der CSU-Wähler
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Hört!
Hört!)
fordern, den Anbau von MON 810 zu verbieten. Sogar
59 Prozent der FDP-Wähler schließen sich dieser Forde-
rung an.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Kirsten
Tackmann [DIE LINKE]: Oh, oh! – Carl-
Ludwig Thiele [FDP]: Woher kennen Sie denn
die FDP-Wähler? Die SPD klont Haie und will
die FDP kennen!)
Zu einem klaren Kurs in Sachen Grüne Gentechnik
gehört, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern
keine gentechnisch veränderten Produkte aufgezwungen
werden dürfen. Wir müssen gemeinsam auf EU-Ebene
aktiv werden, damit die Kennzeichnungslücke bei den
tierischen Produkten geschlossen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der
Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Auf nationaler Ebene müssen wir endlich die bereits ver-
einbarte Informationskampagne zur „Ohne Gentechnik“-
Kennzeichnung starten, zum Beispiel mit einem einheit-
lichen Logo.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und
zwar ganz schnell!)
Gentechnikfreie Regionen brauchen Rechtssicherheit,
brauchen Verbindlichkeit. Nach derzeitigem Recht kön-
nen sie gefährdet werden, sobald sich einzelne Grund-
stücksbesitzer dafür entscheiden, Parzellen mit gentech-
nisch veränderten Pflanzen zu bestellen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24261
(A) (C)
(B) (D)
Elvira Drobinski-Weiß
Wir haben Vorschläge zur Absicherung der gentech-
nikfreien Regionen vorgelegt. Die CSU macht zwar
Wahlkampf mit der Forderung nach Verbindlichkeit für
gentechnikfreie Regionen, unsere Anträge dazu hat sie
aber wie die CDU abgelehnt. Wie erklären Sie das den
Menschen in Bayern eigentlich, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der CSU?
Die Beschlussempfehlung, über die wir hier heute ab-
stimmen, sieht die Ablehnung des Antrages der Grünen
mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verändertem
Mais stoppen“ vor. Wir stimmen dieser Beschlussemp-
fehlung zu und lehnen den Antrag ab. Mit dem Verbot
des Anbaus von MON 810 hat sich dieser Antrag näm-
lich im Wesentlichen erledigt.
Wir erwarten aber von Ministerin Aigner, dass sie
nun, nach dem Verbot des Anbaus von MON 810, kon-
sequent die Schritte einleitet, die zur Durchsetzung des
Vorsorgeprinzips anstehen, sei es bei der Abstimmung
über die Zulassung des Anbaus von Bt 11 oder Bt 1507,
sei es bei der Abstimmung über eine Neuzulassung des
Anbaus von MON 810, sei es beim Schutz der gentech-
nikfreien Regionen.
Trotz großer Sympathie für die Vorschläge der Grü-
nen, wegen großer Sympathie für das Vorgehen von Frau
Aigner in Sachen MON 810 stimme ich der Beschluss-
empfehlung zu. Es ist mir aber ein Anliegen, hierzu ge-
mäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundes-
tages eine persönliche Erklärung abzugeben. Ich habe
sie schriftlich eingereicht, und 60 Kolleginnen und Kol-
legen haben sie mit mir unterzeichnet. Wir unterstützen
die Aufforderung an Frau Aigner, sich weiterhin für den
Schutz der Umwelt und des Menschen einzusetzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann,
Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):
Zu dem Entschluss, sich hier deutlich zu artikulieren
und diese Möglichkeit der Geschäftsordnung zu nutzen,
kann man der SPD nur gratulieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Durch das Verbot des kommerzi-
ellen Anbaus des Genmais MON 810 wurde einiges er-
reicht. Dieses Jahr sind die Risiken ungewollter Verbrei-
tung von Pollen und Erntegut sowie die Risiken auf den
hiesigen Äckern geringer. Forschungsversuche im Frei-
land mit Mais, Kartoffeln und Gerste wurden allerdings
erlaubt. Es gibt also keinen Grund zur Entwarnung.
Laut der Statistik eines industrienahen Verbandes
wurden im Jahr 2008 weltweit 125 Millionen Hektar mit
transgenen Pflanzen bestellt. Was aber viele nicht wis-
sen, ist, dass es sich dabei gerade einmal um vier Pflan-
zenarten – Soja, Baumwolle, Mais und Raps – handelt.
Es geht vor allen Dingen um zwei Eigenschaften, die ge-
netisch verändert werden: die Unempfindlichkeit gegen
Unkrautvernichtungsmittel und die Unempfindlichkeit
gegen Schadinsekten. Allein das macht deutlich, dass es
den Agrogentechnikkonzernen nicht um die Lösung von
Menschheitsproblemen, sondern um die Eroberung eines
lukrativen Marktes geht.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Landwirtschaft soll an diesen Konzernen nicht
mehr vorbeikommen. Deshalb befinden wir uns mitten
in einem globalen Freilandversuch – Ausgang ungewiss.
Die negativen Nachrichten mehren sich. Ernten und Le-
bensmittel werden unkontrolliert und ungewollt konta-
miniert und somit entwertet. Plötzlich bildet Mais keine
Maiskolben mehr. Im Vergleich zu den Preisen für Sor-
ten, für die gentechnikfreies Saatgut verfügbar ist, stei-
gen manche Saatgutpreise deutlich. Die Umwelt wird
nicht entlastet. Die biologische Vielfalt und die Kultur-
pflanzenvielfalt nehmen ab. Der Saatgutmarkt wird mo-
nopolisiert. Der Vormarsch von Monokulturen wird be-
schleunigt. Regionale Sorten verschwinden. Die
Esskultur wird internationalisiert. Ursprungszentren ur-
alter Kulturpflanzen werden unwiederbringlich verunrei-
nigt.
Warum das alles? Monsanto und seine Unterstützer
aus Wirtschaft und Politik haben einen Plan. Sie greifen
nach Boden, nach dem Saatgutmarkt und nach den
Landwirtschaftsbetrieben. Kurz: Sie wollen die Kon-
trolle über unsere Lebensmittel und damit über einen
zentralen Bestandteil unseres Lebens. Sie maximieren
ihre Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit. Die Risiken
trägt die Gesellschaft.
(Beifall bei der LINKEN)
Über das Patentrecht wird ein Grundrecht von Bäue-
rinnen und Bauern zumindest eingeschränkt: der freie
Austausch von Saatgut und die Verwendung eines Teils
der Ernte für die Wiederaussaat. Dieses sogenannte
Nachbaurecht ist aber die Grundlage der bäuerlichen
Landwirtschaft, vor allen Dingen in sogenannten Ent-
wicklungsländern. 75 Prozent des weltweit vorhandenen
Saatguts befinden sich noch in den Händen der Bäuerin-
nen und Bauern. Das ist ein riesiger Markt, den die mul-
tinationalen Agrarkonzerne in ihre Hände bekommen
wollen. Darum geht es bei der Agrogentechnik. Es geht
nicht um die Lösung des Welthungerproblems oder die
Heilung Tausender kranker Kinder in Indien.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Hunger ist nicht die Folge fehlender Nahrungsmittel-
produktion, sondern die Folge ungerechter Verteilung
und fehlender Zugänge zu Boden, Saatgut, Dünger und
Wasser. Diese Probleme werden nicht durch Agrogen-
technik gelöst, sondern verschärft. Bäuerinnen und Bau-
ern dürfen zum Beispiel nicht mehr auf eigenes Saatgut
zurückgreifen, wodurch eigene Kulturpflanzen verloren
gehen. Sie müssen Lizenzgebühren bezahlen. Eigentlich
müssen die Forderungen folgendermaßen aussehen: Ers-
tens muss die Marktmacht von Saatgutkonzernen einge-
24262 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Kirsten Tackmann
schränkt werden. Zweitens müssen die regionale Ernäh-
rungssouveränität und das Recht auf Nahrung gesichert
werden. Das bleibt das Ziel der Linken.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Grünen fordern wenigstens erste Schritte, die wir
unterstützen. Das Verbot von MON 810 ist erreicht. Die
Genmaissorten Bt 11 und Bt 1507 dürfen nicht zugelas-
sen werden. Die EU-Zulassungsverfahren für Genpflan-
zen müssen die Vorsorge sichern. Risikoforschung muss
unabhängig erfolgen und kritische Stimmen einbeziehen.
Am Ende muss auf jeden Fall gelten: Wenn Genpflanzen
nicht sicher sind, müssen sie sich vom Acker machen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Letzte Rednerin ist die Kollegin Ulrike Höfken,
Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir sind jetzt nicht hier, weil wir kein Zu-
hause haben, sondern deswegen, weil es im Rahmen ei-
ner Abstimmung um die Glaubwürdigkeit dieses Parla-
mentes, des Deutschen Bundestages, und eines großen
Teils seiner Fraktionen geht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist nicht so, dass sich unser Antrag „Anbau von
gentechnisch verändertem Mais stoppen“ erledigt hat.
Wir sind ungeheuer froh, dass es das Verbot von
MON 810 gibt. Das ist das Verdienst der Umweltver-
bände, der Verbraucher, der Imker, der Landwirte, der
Grünen und all derjenigen, die sich dafür eingesetzt ha-
ben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es geht aber natürlich nicht nur um eine Einzelfallent-
scheidung, Herr Röring, sondern letztendlich darum, den
Anbau von Genmais insgesamt zu stoppen, die Gefahren
deutlich zu machen und Konsequenzen aus dem zu zie-
hen, was das Bundesamt für Naturschutz und das BVL
hierzu festgelegt haben.
(Peter Bleser [CDU/CSU]: Die größte Gefahr
sind die Grünen!)
Darum muss es auch heißen: Es darf keine Verlängerung
der EU-Zulassung geben. Frau Aigner und die Bundes-
regierung müssen sich dagegen aussprechen.
(Unruhe)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Höfken, unterbrechen Sie Ihre Rede
bitte einmal für eine kurze Zeit.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das tue ich.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Es ist unerträglich laut hier im Plenarsaal,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
und ich bin der Meinung, dass wir der Rednerin jetzt ge-
meinsam zuhören sollten.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich glaube, das ist die Verlegenheit der CDU/CSU,
die sie nicht anders verbergen kann.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Über einen sol-
chen Unsinn kann ich nicht einmal lachen!
Das ist so doof!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Höfken, warten Sie bitte noch etwas,
bevor Sie mit Ihrer Rede fortfahren.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Es geht natürlich auch um das Verbot der weiteren
noch in diesem Sommer zur Zulassung anstehenden
Genmaissorten Bt 11 und Bt 1507, die zu allem Über-
fluss auch noch resistent gegen das Herbizid Glufosinat
sind, das wegen seiner extremen Giftigkeit nach der
neuen EU-Pestizidverordnung vom Markt genommen
werden muss. Diese Gefahren für Mensch und Umwelt
müssen im zukünftigen Zulassungsverfahren endlich
eine angemessene Berücksichtigung finden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich will auf eine aktuelle Meldung von heute zu spre-
chen kommen, um das zu ergänzen, was meine Vorredne-
rinnen und Vorredner gesagt haben. Ein großes Einfalls-
tor der Agrogentechnik sind nämlich die importierten
Gentechnikfuttermittel. Gerade heute lesen wir, dass
Landwirte in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg
auf verunreinigtem Saatgut sitzen bleiben. Klar ist: Hier
sehen wir die Konsequenzen einer Technologie, die die
Industrie nicht im Mindesten beherrscht und die im Üb-
rigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
CSU, einen unglaublichen volkswirtschaftlichen Scha-
den verursacht. Wir alle hier müssen die Schäden der In-
teressenpolitik der großen Agrarkonzerne tragen, die
letztendlich zulasten unserer Umwelt, unserer Landwirt-
schaft und auch unserer Verbraucher geht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Da es um Glaubwürdigkeit geht, will ich auf den Frei-
setzungsversuch hinsichtlich der Genkartoffel Amflora
zurückkommen, den die Ministerin Aigner leider erlaubt
hat. Klar ist – das war auch heute Morgen Gegenstand
der Diskussion im Ausschuss –, dass seit Dezember letz-
ten Jahres eine solche Freisetzung rechtswidrig ist; denn
es heißt in der EU-Freisetzungsrichtlinie, dass Gene, die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24263
(A) (C)
(B) (D)
Ulrike Höfken
gegen therapeutisch relevante Antibiotika resistent ma-
chen, nicht mehr als Marker verwendet werden dürfen.
Ich kann mich wirklich nur wundern: Die EMEA, die
Europäische Arzneimittel-Agentur, und die Weltgesund-
heitsorganisation sagen, dass diese Marker eine Resistenz
gegen Antibiotika bewirken, die therapeutisch relevant
sein. Sie aber stellen fest: Die EU-Lebensmittelbehörde
sagt, das sei anders, und deswegen könne man diese Kar-
toffel zulassen. – Das ist meines Erachtens ein klarer
Rechtsverstoß.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Eine solche riskante Freisetzung in der Nähe von Ros-
tock in Mecklenburg-Vorpommern ist umso unverständ-
licher, da wir mit der konventionell gezüchteten Kartof-
fel Eliane der Firma AVEBE bereits ein Produkt haben,
deren Potenzial das Potenzial der Genkartoffel für die
Stärkeindustrie und übrigens auch hinsichtlich der nach-
wachsenden Rohstoffe übertrifft.
Heute muss die CSU endlich Farbe bekennen und
aufhören, deutsche Meisterin im Positionsspagat zu sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
Im Bundestag erleben wir immer eine CSU, die der
Agrogentechnik, Monsanto, BASF und Bayer huldigt
wie einem neuen Gott.
(Peter Bleser [CDU/CSU]: An die Arbeitsplätze
denken die Grünen wohl gar nicht!)
Wir hoffen nicht, dass das Wort „Monsanto“ irgendetwas
mit dem Vatikan zu tun hat.
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Allerdings steht auch Umweltministerin Conrad aus
Rheinland-Pfalz – um noch eine kurze Anmerkung zu
den Kollegen von der SPD zu machen – irgendwie auf
der falschen Seite. Von den Linken in Rostock hört man
ebenfalls wenig.
Wir wollen die Menschen für Innovationen begeis-
tern, Frau Happach-Kasan und Herr Röring.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin!
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Jawohl. – Wir wollen die jungen Menschen für den
Green New Deal begeistern. „Grün aus der Krise“, wie
die Wirtschaftswoche schreibt. Das sagt übrigens auch
Herr Keitel vom Bundesverband der Deutschen Indus-
trie. Ganz falsch können wir nicht liegen.
Wir wollen die bäuerliche Milchviehwirtschaft ohne
Gentechnikfuttermittel erhalten. Ich hoffe, das wollen
Sie alle mit uns.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verän-
dertem Mais stoppen“. Zur Abstimmung über diese Be-
schlussempfehlung liegen mir viele Erklärungen nach
§ 31 der Geschäftsordnung vor.1)
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/12841, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11919 abzu-
lehnen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt
namentliche Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an
den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-
stimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.2) Wir setzen die Be-
ratungen fort.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun
Kopp, Markus Löning, Jens Ackermann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Globalen Freihandel stärken – Protektionis-
mus bekämpfen
– Drucksache 16/10311 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Auswärtiger Ausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Erich Fritz,
CDU/CSU, Rolf Hempelmann, SPD, Gudrun Kopp,
FDP, Ulla Lötzer, Die Linke, und Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Erich G. Fritz (CDU/CSU):
Der Antrag der FDP, der zu diesem Tagesordnungs-
punkt führte, stammt aus der Zeit zu Beginn der Finanz-
krise und der Hochphase des US-amerikanischen Wahl-
kampfes, als es viele Anzeichen gab, die berechtigte
Befürchtungen laut werden ließen, es könne zu einer
Spirale von Protektion kommen und die Fehler der 30er-
Jahre könnten sich wiederholen. In der Zwischenzeit ist
klar geworden, dass insbesondere in Europa eine Gleich-
1) Anlagen 40 bis 44
2) Ergebnis Seite 24278 C
(A) (C)
(B) (D)
Erich G. Fritz
setzung der Wirtschaftskrisen nicht möglich ist. In
Europa bleiben die Märkte offen, stabile Sozialsysteme
sichern die Stabilität von Gesellschaften ab, und die Staa-
ten stützen die Wirtschaft und davon abhängige Arbeits-
plätze.
Seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts
haben sich auch die internationalen Rahmenbedingun-
gen völlig geändert und dafür gesorgt, dass die Märkte
immer mehr miteinander verbunden wurden. Das macht
gelegentlich schwierige Anpassungsprozesse nötig, hat
aber auch den Vorteil, dass es zu einem abgestimmten
Vorgehen in der Krise zwingt und jeden selbst schädigt,
der versucht, eigene Vorteile mit den Nachteilen anderer
zu erkaufen.
Die Idee einer supranationalen Institution mit offenen
Grenzen, einheitlichen Rahmenbedingungen, demokrati-
schen und marktwirtschaftlichen Prinzipien wurde mit
der Gründung der World Trade Organisation einen gro-
ßen Schritt nach vorne gebracht. Die WTO steht für Frei-
heit, klare Regeln und Offenheit im Warenverkehr. Auch
wenn damit noch nicht die ideale Form weder des Welt-
handels noch gar einer Global Governance gefunden ist,
so ist doch ein stabiles, anerkanntes und vergleichsweise
durchsetzungsfähiges internationales Instrument ent-
standen, das auch den dauernden Erfindungsgeist von
Protektionisten sehr begrenzt. Die Anziehungskraft auf
Länder, die noch nicht Mitglied der WTO sind, zeigt im
Übrigen, dass diese Ansicht weltweit verbreitet ist.
Wie wichtig es ist, auf feste Institutionen zu vertrauen,
erleben wir aktuell in der tiefsten Krise, der unser Land
seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gegenübersteht.
Die Finanzmärkte sind labil, und nie zuvor waren wir als
Politiker derart gefordert, der Krise Herr zu werden.
Noch nie waren auch die Erwartungen der Bürger an die
Politik höher. Das lässt an vielen Stellen auch populisti-
sche Verhaltensweisen entstehen, die vorgaukeln, der
Staat könne mehr als das leisten, wozu er tatsächlich im-
stande ist. Deshalb ist die Warnung vor protektionisti-
schen Tendenzen durchaus berechtigt und Aufmerksam-
keit geboten.
Neben der WTO spielt hier auch die Europäische
Union eine wichtige Rolle. Als Stimme von 27 Mitglied-
staaten hat sie die Aufgabe, zur Bewältigung der globalen
Finanzmarktkrise beizutragen. Die EU hat Handlungsfä-
higkeit und -kompetenz bewiesen, indem sie schnell und
richtig reagiert hat. Erste Maßnahmen wie zielgerichtete
Konjunkturpakete wurden eingeleitet. Diese stabilisieren
nicht nur die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedstaaten,
sondern auch die Weltwirtschaft insgesamt.
Sprach die Welthandelsorganisation in einer Presse-
mitteilung vom 24. März 2009 noch von einem Einbruch
des weltweiten Handels um 9 Prozent – „The collapse in
global demand brought on by the biggest economic down-
turn in decades will drive exports down by roughly 9 Pro-
zent in 2009, the biggest such contraction since the Se-
cond World War“ –, wurde jetzt aktuell in diesem Monat
von der EU-Kommission die Hoffnung genährt, eine Ver-
besserung der weltwirtschaftlichen Lage erwarten zu
können. EU-Handelskommissarin Catherine Ashton
sagte in einem Interview mit der Financial Times
Zu Protokoll
Deutschland: „… wir fangen an, einen Aufschwung zu se-
hen“.
Ich freue mich über diese erfreulichen Nachrichten aus
Brüssel. Sie sind Bestätigung dafür, dass die in dem FDP-
Antrag befürchtete Protektionismuswelle ausgeblieben
ist und Länder Vertrauen in den globalen Freihandel ha-
ben. Sie haben aus Angst vor dem Bankrott ihrer eigenen
Unternehmen eben nicht ihre Märkte abgeschottet. Wer
das tut, schneidet die eigenen Unternehmen durch Ge-
genreaktionen eben auf Dauer auch von ihren Auslands-
märkten ab. Es scheint angekommen zu sein, dass nur mit
offenen Märkten auch wieder ein Aufschwung gelingen
kann. Dies gilt es weiter zu kommunizieren! Die Bundes-
regierung übernimmt hierbei bereits eine Vorbildfunktion
und muss dies auch weiterhin tun.
Gemäß der Aufforderung von Generaldirektor Pascal
Lamy – „In London G 20 leaders will have a unique op-
portunity to unite in moving from pledges to action and
refrain from any further protectionist measure which will
render global recovery efforts less effective“ – hat sich
die Bundesregierung beim Gipfel der Gruppe der
20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer am
2. April 2009 in sinnvoller und wirkungsvoller Weise als
Kämpfer gegen den Protektionismus präsentiert. Dem
Entschluss der G-20-Staaten, den internationalen Handel
mit einer Summe von 250 Milliarden US-Dollar zu unter-
stützen, ist größte Bedeutung beizumessen. Die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion wird die Bundesregierung da-
rin unterstützen, dass das Geld an der richtigen Stelle bei
den Unternehmen ankommt. Wir sind zuversichtlich, dass
sich dadurch die Lage verbessern wird.
Auch die Kritik der FDP-Fraktion in Bezug auf die Än-
derung des Außenwirtschaftsgesetzes ist nicht berechtigt.
Das Außenwirtschaftsrecht bietet auch weiterhin kein
Einfallstor für Protektionismus. Alleine im Jahr 2007 hat
unsere exportorientierte Volkswirtschaft weltweit Direkt-
investitionen von 167 Milliarden Euro getätigt. Gleich-
zeitig gehört Deutschland zu den beliebtesten Investi-
tionsstandorten der Welt. Ausländische Direktinvestitio-
nen sind in Deutschland sehr willkommen. Wir wünschen
uns von der Bundesregierung, dass sie auch weiterhin po-
sitive Anreize für Auslandsinvestitionen setzt. Das von
der FDP kritisierte Gesetz ist eine reine Vorsichtsmaß-
nahme für extreme Ausnahmefälle, wie die meisten Län-
der der Welt sie vorhalten.
Die EU als größte Handelsmacht der Welt mit einem
Bruttoinlandsprodukt von mehr als 12 Billionen Euro im
Jahr 2008 übertraf selbst die USA mit 20 Prozent. Wie
groß der Nutzen der Globalisierung und des freien Han-
dels innerhalb der EU und über ihre Grenzen hinaus ist,
belegen folgende Zahlen des Statistischen Bundesamtes:
64 Prozent der deutschen Warenexporte gingen im Jahr
2008 an das europäische Ausland. Rund 12 Prozent ent-
fielen auf Asien, während circa 10 Prozent der Warenex-
porte für den amerikanischen Markt bestimmt waren.
Auch bei den Importen Deutschlands ist festzustellen,
dass sie zu einem großen Teil auf Europa entfielen
– 72 Prozent –, gefolgt von Asien – 16 Prozent – und
Amerika – 9 Prozent –. Dieser rege internationale Waren-
verkehr trägt für ein gutes Wirtschaftswachstum und zur
24264 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Erich G. Fritz
Beschäftigungssicherung bei. Die deutsche Wirtschaft ist
2007 um 2,5 Prozent gewachsen, im Boomjahr 2006 so-
gar um 3 Prozent. Und sowohl in Deutschland als auch
Europa ist die Arbeitslosenquote im Jahr 2008 im Ver-
gleich zum Vorjahr gesunken, zum Beispiel von 8,4 auf
7,3 Prozent in der Bundesrepublik. Es ist also deutlich zu
sehen, dass offene Märkte der Garant für Wohlstand und
Beschäftigung sind.
Um an die positiven Effekte der Globalisierung zu er-
innern, müssen wir in der Union uns dafür einsetzen, dass
folgende Maßnahmen ergriffen werden: Allen protektio-
nistischen Maßnahmen, die einige Nationalstaaten gegen
die Rezession zum „Schutz“ ihrer heimischen Wirtschaft
anstreben, ist entgegenzuwirken. Ich warne eindringlich
davor, Abschottung auch nur in Erwägung zu ziehen. Laut
Weltbank sind die Dumpingklagen – die sich gegen den
Vorwurf richten, dass ein Unternehmen seine Waren auf
den Weltmarkt billiger anbietet als auf dem Heimatmarkt –
im zweiten Halbjahr 2008 um 17 Prozent gestiegen. Dies
wird den Welthandel nicht zum Erliegen bringen, aber es
gilt, diesen beunruhigenden Trend in die Schranken zu
weisen. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Anträge in der
EU zurückgegangen sind.
Wir Christdemokraten werben auch dort, wo es Be-
fürchtungen vieler Bürger im Zusammenhang mit dem
freien Handel gibt und in der verantwortungslose Wirt-
schaftsführer die Marktwirtschaft in Verruf gebracht ha-
ben, für offene Märkte, weil wir in besonderer Weise mit
unseren Arbeitsplätzen davon abhängig sind. Gerade in
der aktuellen Krise steigen die Ängste der Menschen und
das Misstrauen gegenüber der Marktwirtschaft. Umfra-
gen zeigen, dass lediglich 20 Prozent der Deutschen glau-
ben, dass die Bundesrepublik zu den Gewinnern der Glo-
balisierung zählt. Es gilt, diesen Prozentsatz zu erhöhen
und den Versuch zu wagen, Ängste in Vertrauen und Iden-
tifikation zu wandeln. Deshalb ist das Ziel einer weltwei-
ten sozialen Marktwirtschaft auch mit einem neuen Auf-
bruch zu einer internationalen Ordnung verbunden, die
den Menschen sowohl in den Industrie- wie den Entwick-
lungsländern Sicherheit, steigenden Wohlstand und Zu-
kunftschancen verspricht. Protektionismus würde diese
Ziele verfehlen und allen schaden.
Es besteht die Chance, gestärkt aus der Krise hervor-
zugehen. Die EU ist dabei, über wichtige bilaterale Frei-
handelsabkommen mit wichtigen Partnern zu verhan-
deln. Der Verhandlungsstart des Freihandelsabkommens
zwischen der EU und Kanada ist ein wichtiges Zeichen
für den freien Welthandel. Laut Informationen des Han-
delsblatts ergab eine Studie, dass der Abbau von Zöllen
und anderen Hemmnissen aufseiten der EU den Handel
mit Kanada um jährlich 11,6 Milliarden Euro steigern
würde. Auch der Zugewinn Kanadas wäre mit 8,2 Mil-
liarden Euro beträchtlich. Die CDU/CSU-Bundestags-
fraktion begrüßt diese transatlantische Partnerschaft mit
Kanada ausdrücklich und setzt sich dafür ein, dass von
der Einigung Signalwirkungen für weitere bilaterale Ab-
kommen insbesondere mit den ASEAN-Staaten, Indien
und Südkorea ausgehen.
In diesem Zusammenhang begrüßt die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion auch das Engagement des Bundes-
Zu Protokoll
wirtschaftsministers bei der Gründung der Deutsch-Emi-
ratischen Industrie- und Handelskammer. Zu Guttenberg
ist ebenfalls der Meinung, dass der freie Welthandel die
richtige Antwort auf die Krise sei. Und das ist gut so.
Die Bundesregierung ist in der Pflicht, an der Aufstel-
lung von globalen Regeln mitzuarbeiten und dort origi-
näre deutsche und europäische Interessen einzubringen,
damit am Ende weltweit faire Spielregeln für alle Betei-
ligten gelten. Vor allem in der WTO gilt es, klare Impulse
für den freien Warenverkehr zu geben. Dazu gehören For-
derungen nach verbindlichen Zollsenkungsverpflichtun-
gen sowie der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse.
Eine Wiederbelebung der Doha-Runde zur Liberalisie-
rung des Welthandels ist ein wichtiger Schritt in die rich-
tige Richtung. Es ist sehr zu begrüßen, dass sich die Bun-
desregierung für einen ausgewogenen und ehrgeizigen
Abschluss einsetzt und das Bekenntnis zu einem zügigen
Abschluss erneut von den G 20 in ihrer Erklärung vom
2. April bekräftigt wurde.
Ein kurzes Schlusswort: Deutschland und Europa ha-
ben protektionistischen Tendenzen eine klare Absage er-
teilt. Obama hat sich von den im Wahlkampf noch ange-
deuteten protektionistischen Gedanken verabschiedet.
Handel ist Teil der Lösung der Krise. Wir sind gefordert,
die dahinter stehenden Zusammenhänge zu erklären, da-
mit den Menschen Ängste genommen werden und Zuver-
sicht entsteht. Wichtig ist vor allem, Klarheit über Ziele
und den Mehrwert offener Märkte zu kommunizieren. Wir
Unionspolitiker versichern, dass wir uns der Verantwor-
tung stellen und Deutschlands offene und soziale Markt-
wirtschaft gegen Protektionismus verteidigen.
Rolf Hempelmann (SPD):
In einem Punkt stimme ich überein mit der FDP-Frak-
tion: Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, die
festgefahrenen WTO-Verhandlungen wieder ins Laufen
zu bringen und die Doha-Runde zu einem erfolgreichen
Abschluss zu bringen. Immerhin gibt die neue US-Ad-
ministration Anlass zur Hoffnung, dass wir in einem er-
neuten Anlauf zum Ende dieses Jahres zu einem für alle
Seiten tragbaren Kompromiss kommen können.
Es ist ja in der Tat so, dass der globale Freihandel
grundsätzlich positive Wirkungen auf die allgemeine
Wohlfahrt hat. Ganz so unkritisch, wie es die Opposition
in dem uns heute vorliegenden Antrag tut, würde ich das
allerdings nicht kommentieren. In dem Antrag der FDP
lässt sich die Welt auf eine einfache Gleichung reduzie-
ren. Die würde in etwa lauten: Unbeschränkte Handels-
freiheit gleich maximaler Wohlstand. Es ist ja richtig: Wir
brauchen offene Märkte. Freier Handel ist eine wesent-
liche Voraussetzung für wirtschaftlichen Wohlstand, so-
ziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung. Dabei
allein auf den Markt zu setzen, ist jedoch nicht nur ris-
kant, sondern auch kurzsichtig. Sie blenden dabei die un-
gleiche Einkommensverteilung völlig aus und erwähnen
mit keinem Wort, dass der Wohlstand auch bei allen an-
kommen muss. Arbeitnehmer in Entwicklungsländern
profitieren immer noch viel zu wenig von den Erträgen
des Welthandels. Gleichzeitig müssen sich die Sozialsys-
teme westlicher Industrienationen zunehmend in einem
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24265
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Rolf Hempelmann
globalen Kostenwettbewerb behaupten. Sozialabbau ist
jedoch ganz klar der falsche Weg, sich im internationalen
Wettbewerb zu behaupten.
Die SPD-Fraktion setzt auf eine faire Liberalisierung
des Welthandels unter gleichen Wettbewerbsbedingungen
mit den anderen Mitgliedstaaten, auf Wettbewerb, der
nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen
wird. Es würde allen Seiten nützen, stärker auf die Durch-
setzung von Sozial- und Arbeitsstandards weltweit zu
setzen. Die SPD-Fraktion unterstützt bekanntlich die Ver-
ankerung von globalen ökologischen und sozialen Min-
deststandards im Regelwerk der WTO. Denn wir müssen
dafür Sorge tragen, dass der durch Freihandel generierte
Wohlstand auch in aller Breite bei der Gesellschaft an-
kommt.
Es ist bedauerlich, dass die Doha-Runde zum Ende des
Jahres 2008 ins Stocken geraten ist, konnten doch gute
Fortschritte in den Bereichen Agrarsubventionen und In-
dustriezölle erzielt werden, die nun weltweit durch neue
protektionistische Tendenzen in Reaktion auf die Wirt-
schaftskrise wieder infrage gestellt werden.
Der Beschluss der EU-Kommission zu Anfang dieses
Jahres, der es Exporteuren der EU ermöglicht, subven-
tionierte Butter und Magermilchpulver auf den Weltmarkt
zu bringen, stellt nicht nur die jahrelangen Verhandlun-
gen auf WTO-Ebene infrage – schon reagieren erste
Schwellenländer wie Russland mit Strafzöllen auf die
europäische Initiative –, sondern bedroht auch in unver-
tretbarem Maße die Lebensgrundlage der ländlichen Be-
völkerung in den ärmsten Regionen der Welt.
Als stark exportorientiertes Land ist Deutschland auf
faire Spielregeln auf den Weltmärkten angewiesen. Diese
Tatsache gewinnt mit Blick auf die noch nicht ausgestan-
dene Finanz- und Wirtschaftskrise an Brisanz. Die SPD-
Fraktion erwartet mit Bezug auf die Milchexportsub-
ventionen von der CSU-Landwirtschaftsministerin eine
Rückkehr zu vereinbarten Freihandelsgrundsätzen. In
diesem Punkt stimmen wir mit der FDP-Fraktion überein.
Wir müssen an dem Ziel, europäische Exportsubventio-
nen bis 2013 auslaufen zu lassen, festhalten.
Eine weitere Folgewirkung der stagnierenden multi-
lateralen Verhandlungen ist die zunehmende Renationa-
lisierung und Regionalisierung der Handelspolitiken.
Zwar ist das insofern nachvollziehbar, als gerade auf re-
gionaler Ebene die Integration deutlich tiefer gehen kann
als auf multilateraler Ebene. Gleichzeitig entfalten diese
bilateralen oder auf regionale Bündnisse beschränkten
Abkommen potenziell immer auch eine Ausschlusswir-
kung gegenüber Dritten. Es ist richtig und wichtig, dass
die EU und auch Deutschland auf bilateralem Wege Fort-
schritte erzielen, die derzeit auf multilateraler Ebene
nicht zu verwirklichen sind. Gleichzeitig muss jedoch ge-
sagt sein, dass dies immer nur der zweitbeste Weg gegen-
über multilateral erzielten Vereinbarungen sein kann. Es
muss klar sein, dass bilaterale oder regionale Abkommen
immer auch dem globalen Freihandel dienen und den
Weg zu einer multilateralen Lösung offenhalten müssen.
Kurz und gut, es ist unnötig, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der FDP, darauf hinzuweisen, dass wir
Zu Protokoll
vorankommen müssen mit den Doha-Verhandlungen. Es
erscheint mir gewissermaßen typisch, so kurz vor Ende
der Legislaturperiode darauf hinzuweisen. Sie scheinen
mit Ihrem Antrag den Eindruck vermitteln zu wollen, dass
die Regierungskoalition und auch die Bundesregierung
auf diesem Gebiet geschlafen hätten. Das Gegenteil aber
ist der Fall. Wir dringen seit Monaten darauf, die Doha-
Verhandlungen fortzuführen und zu einem erfolgreichen
Abschluss zu bringen.
Darüber hinaus ist Ihr Antrag in Teilen veraltet. Ihnen
ist hoffentlich nicht entgangen, dass die von Ihnen gefor-
derte Zurücknahme des Gesetzentwurfs zur Änderung des
Außenwirtschaftsgesetzes von der Realität überholt wor-
den ist. Schließlich ist die Novelle im vergangenen Monat
bereits in Kraft getreten. Ich möchte noch einmal be-
tonen, dass es sich in diesem Fall nicht, wie von der Op-
position unterstellt, um einen Versuch handelt, ein protek-
tionistisches Instrumentarium zu schaffen. Wir haben ein
bereits existierendes Prüfrecht für Investitionen – im Be-
reich von Kriegswaffen und bestimmten Rüstungsgütern –
auf für die öffentliche Ordnung kritische Infrastrukturen
ausgeweitet. Gemeint sind zum Beispiel Netzinfrastruktu-
ren im Bereich der Telekommunikation, Elektrizität oder
Transport. Sollte das Beteiligungs- oder Übernahme-
begehren eines Großinvestors aus dem Ausland ein
Grundinteresse unserer Gesellschaft, wie die Energiever-
sorgungssicherheit, berühren, so bleibt die Bundesregie-
rung mit dem vorliegenden Prüfrecht künftig handlungs-
fähig – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
In der Anwendung wird sich die Bundesregierung da-
bei an die engen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und
der EuGH-Rechtsprechung halten müssen. Für Alarmis-
mus in Richtung eines neu entstehenden Protektionismus
besteht somit an dieser Stelle kein Anlass.
Schlussendlich möchte ich noch einmal betonen, dass
die SPD für eine soziale und eine ökologisch nachhaltige
Marktwirtschaft einsteht. Der Markt allein kann unsere
Probleme nicht lösen. Zunächst sollten alle am generier-
ten Wohlstand teilhaben können. Freihandel ja, aber nur
mit sozialen, ökologischen und arbeitsrechtlichen Fort-
schritten.
Gudrun Kopp (FDP):
„Einseitige handelsbeschränkende bzw. protektionisti-
sche Handelsmaßnahmen sind der falsche Weg zur Über-
windung der Finanzkrise“ – so die Bundesregierung am
10. Februar im Kurzbericht zum Sachstand „Buy Ameri-
can“-Klausel. Die Bundesregierung und namentlich
Bundeskanzlerin Merkel selbst haben sich in den letzten
Monaten mehrfach und bei verschiedenen Gelegenheiten
für offene Märkte und Freihandel ausgesprochen. Im Ge-
gensatz zu diesen Bekenntnissen sorgt die Bundesregie-
rung dafür, dass sich Deutschland mehr und mehr zum
Hort des Protektionismus entwickelt. Dabei wäre es ge-
rade jetzt in der wirtschaftlich schwierigen Situation
wichtig, national und international engagiert für den Ab-
bau von Handelsbeschränkungen zu kämpfen, um damit
auch die exportorientierte deutsche Wirtschaft zu unter-
stützen.
24266 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Gudrun Kopp
Letztes Beispiel der zunehmenden Abschottung des
deutschen Marktes ist das Gesetz zur Änderung des Au-
ßenwirtschaftsgesetzes, das Anfang des Jahres von der
schwarz-roten Koalition verabschiedet wurde. Mit den
beschlossenen Änderungen kann das Bundeswirt-
schaftsministerium nun jede größere Beteiligung – ab
25 Prozent – eines ausländischen Investors an einem ge-
bietsansässigen Unternehmen unter bestimmten Voraus-
setzungen einer Überprüfung unterziehen. Sieht das Bun-
deswirtschaftsministerium das schwammige Kriterium
einer Gefährdung der „öffentlichen Ordnung oder Si-
cherheit“ Deutschlands erfüllt, kann es die Rückabwick-
lung oder Untersagung von Beteiligungsinvestition ver-
ordnen.
Eine solche Handelsbarriere ist völlig inakzeptabel.
Wir Liberalen fordern die Rücknahme dieser Änderun-
gen. Sie sind gefährlich und kontraproduktiv, insbeson-
dere vor dem Hintergrund, dass ausländische Investo-
ren in Deutschland einen Investitionsbestand von circa
390 Milliarden Euro haben und damit etwa 2 Millionen
Arbeitsplätze in unserem Land sichern. Ausländische In-
vestitionen sind essenziell für Deutschland. Das konnte
man zuletzt eindrucksvoll erleben, als führende Politiker
der Koalitionsparteien händeringend nach ausländi-
schen Investoren für die Opel GmbH suchten. Berechtigte
Schutzinteressen Deutschlands bei möglichen Firmen-
übernahmen bzw. -beteiligungen sind durch das beste-
hende Kartell- und Wettbewerbsrecht ausreichend abge-
sichert.
Wir brauchen offene Märkte. Auch 2008 war die wirt-
schaftliche Entwicklung Deutschlands von einer Intensi-
vierung der Handelsbeziehungen geprägt. Deutschland
führte in dem Jahr Waren im Wert von 994,9 Milliarden
Euro aus – im Gegensatz zu Einfuhren im Wert von
818,6 Milliarden Euro. Damit stiegen die Ausfuhren im
Vergleich zum Vorjahr um 3,1 Prozent. Es ist also nicht
nur logisch, sondern zwingend erforderlich, dass sich
eine verantwortungsbewusste Handelspolitik auf den Ab-
bau internationaler Handelsbarrieren konzentriert.
Noch immer ist der Abschluss der Doha-Runde nicht
absehbar. Selbst die in den Verhandlungen bereits er-
reichten Kompromisse können bis zu einer endgültigen
Einigung nicht umgesetzt werden. Angesichts der heraus-
ragenden Bedeutung des freien Welthandels und einer
multilateralen Welthandelsordnung für Deutschland und
seine Wirtschaft muss die Bundesregierung nun auf allen
Ebenen in die Offensive gehen, um einen erfolgreichen
Abschluss der Verhandlungen zu erreichen.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden der beschleu-
nigte Globalisierungsprozess und der sich ausweitende
Weltgüterhandel begleitet und unterstützt von politischen
Maßnahmen, die insbesondere in der Weiterentwicklung
des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, GATT,
zur Welthandelsorganisation, WTO, ihren Ausdruck fan-
den. Das Ergebnis war eine einzigartige Erfolgsge-
schichte, im Zuge derer die Zölle der Industrieländer zum
Beispiel im verarbeitenden Sektor im Rahmen von acht
multilateralen Zollsenkungsrunden von zweistelligen Ni-
veaus auf im Durchschnitt 3 bis 4 Prozent sanken, wäh-
rend der weltweite Handel sich in 50 Jahren vervierzehn-
Zu Protokoll
fachte. Diese Erfolgsgeschichte kam insbesondere den
Entwicklungs- und Schwellenländern und damit der Ar-
mutsbekämpfung zugute.
Diese Erfolge werden durch die aktuellen Entwicklun-
gen gefährdet. Durch die weltweite Wirtschaftskrise ver-
stärken sich international die Tendenzen, Handelsbarrie-
ren zu errichten. Dies ist insbesondere im Bereich der
nichttarifären Handelshemmnisse, wie zum Beispiel bei
Produktstandards, beim Missbrauch von Antidumping-
und Antisubventionsmaßnahmen sowie diskriminieren-
den Maßnahmen bei der Zollabwicklung, zu beobachten.
Gleichzeitig hat die Zahl der bilateralen Handelsabkom-
men massiv zugenommen. Alle Mitglieder der WTO sind
inzwischen an einem oder sogar mehreren PTAs – Prefe-
rential Trade Agreement – beteiligt. Diese PTAs nutzen
den Partnern zwar oft, führen in der Regel aber zur Dis-
kriminierung von Drittländern und wirken damit handels-
umlenkend. Die Folge sind weltweit steigende Handels-
und Transaktionskosten, welche die Entwicklungsländer
am stärksten treffen.
Deutschland muss sich auch auf europäischer Ebene
dafür einsetzen, dass eine vollständige Öffnung des euro-
päischen Marktes für alle Anbieter erreicht werden kann.
Einfuhrzölle und -quoten müssen – wenn nötig, auch ein-
seitig und unkonditioniert – abgebaut werden. Die Markt-
zugangsdatenbank, MADB, der EU-Kommission sollte zu
einem wirksamen Instrument der Erfassung von globalen
Handelshemmnissen ausgebaut werden.
Jedwede Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse
sind in etwa genauso sinnvoll wie das Errichten einer
Mauer um das eigene Land. Protektionismus nutzt immer
nur einigen wenigen auf Kosten der Allgemeinheit. Aus
der Sicht von Nordamerikanern und Europäern ist des-
halb letztlich fast jedes Abkommen besser als gar keines.
Langfristig schaden tarifäre wie nichttarifäre Handels-
hemmnisse nur den Verbrauchern im eigenen Land.
Deutschland sollte sich deshalb dafür einsetzen, mit die-
ser Politik ein für alle Mal zu brechen, und zwar zur Not
auch einseitig und unkonditioniert. International würde
ein solcher Schritt auch alle anderen Industrie-, Entwick-
lungs- und Schwellenländer massiv unter Druck setzen,
ihrerseits auf Zölle und andere Handelshemmnisse zu
verzichten. Das jahrelange Warten darauf, dass andere
endlich tun, was ohnehin gut für sie ist, muss ein Ende ha-
ben. Deutschland als sogenanntem Exportweltmeister
stünde es gut zu Gesicht, würde es – durchaus auch im ei-
genen Interesse – sich dafür einsetzen, dass es Europa ist,
das diesen ersten entscheidenden Schritt geht, der es an-
deren ermöglicht, ihre wahren Interessen zu verfolgen.
Ulla Lötzer (DIE LINKE):
In 200 Jahren nichts gelernt – so kann man den Antrag
der FDP kurz zusammenfassen. „Freihandel schafft
Wohlstand“ – da haben Sie sogar Recht, meine Damen
und Herren von der FPD. Die Frage ist nur: Wohlstand
für wen? Wohlstand für einige wenige globale Player und
Armut für viele. Armut für viele Menschen in den Ent-
wicklungsländern, deren regionale Märkte zerstört
wurden, die für Hungerlöhne unter unmenschlichen Be-
dingungen schuften müssen und deren Rohstoffe die In-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24267
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Ulla Lötzer (Die Linke)
dustrie im Norden füttern müssen, ob verarbeitende
Industrie oder Agrarindustrie. Aber auch Armut in den
Industrieländern. Denn die Kehrseite der Exportorien-
tierung, der „Wettbewerbsfähigkeit im globalisierten
Weltmarkt“, heißt Reallohnsenkungen, Herausbildung
eines Niedriglohnsektors und eine krasse Umverteilung
von unten nach oben.
Heute noch die Freihandelsideologie hochzuhalten
heißt, die Realitäten nicht sehen zu wollen. Das fängt bei
der WTO an. Die WTO-Verhandlungen sind längst am
Ende. Sie sind einerseits gescheitert, weil sich die Kräf-
teverhältnisse in der Welt verschoben haben. Die Schwel-
lenländer und stärkeren Entwicklungsländer sind nicht
mehr bereit, sich einseitig den Interessen der Industrie-
nationen zu unterwerfen. Andererseits sind sie geschei-
tert, weil sich in Zeiten der Krise zeigt, dass gerade die
Wirtschaftsnationen, die aggressiv versucht haben, die
Märkte der Welt für ihre Interessen zu öffnen, sofort zu
Abschottungsmechanismen greifen, sobald sie sich davon
einen größeren Nutzen versprechen. Es ist an der Zeit,
dieses Scheitern auch offiziell einzugestehen und nicht
noch mehr Geld für sinnlose Verhandlungen aus dem
Fenster zu werfen.
Gerade die Deregulierung und Liberalisierung der
Güter- und Finanzmärkte haben uns dahin gebracht, wo
wir jetzt sind: in die tiefste Weltwirtschafts- und Welt-
finanzkrise seit 1929. Die deutsche Wirtschaft ist extrem
auf die Exportmärkte ausgerichtet. Was von Wirtschaft
und Regierung als „Exportweltmeisterschaft“ bejubelt
und gefördert wird, bedeutet gleichzeitig eine extreme
Abhängigkeit von der Nachfrage aus dem Ausland. Bricht
diese weg, wie seit Oktober 2008 der Fall, bricht auch die
Produktion im Inland drastisch ein. Die fehlende Nach-
frage aus dem Ausland kann im Inland nicht aufgefangen
werden. Wer sollte das auch tun, wenn seit vielen Jahren
Binnennachfrage, ob privat oder staatlich, systematisch
zerstört wird.
Der Weg, der an den Abgrund geführt hat, sollte nicht
blind weiter beschritten werden. Sonst kommt ein tiefer
Fall. Anstatt weiter das Freihandelscredo zu singen, muss
die Binnennachfrage aufgebaut und gestärkt werden.
Anstatt weiter auf Dumpinglöhne zu setzen, muss ein ge-
setzlicher Mindestlohn von mindesten 8,71 Euro wie in
unserem französischen Nachbarland eingeführt werden.
Anstatt den Staat weiter zu marginalisieren und Steuer-
senkungen zu fordern, muss die staatliche Nachfrage ge-
stärkt werden. Nur wenn die Binnenkonjunktur mit höhe-
ren Löhnen, höheren Sozialleistungen und öffentlichen
Investitionen belebt wird, kann die Volkswirtschaft ihre
inzwischen gefährlich einseitige Abhängigkeit vom Ex-
port mildern.
Anstatt den Markt „frei walten zu lassen“ und damit
unterzugehen, ist es notwendig, den politischen Einfluss
auf das Wirtschaftsgeschehen zurückzugewinnen. Es ist
ein legitimes Interesse, aus industriepolitischen, sozial-
politischen oder ökologischen Gründen den Handel und
Direktinvestitionen zu regulieren. Schließlich müssen
Politik und Wirtschaft den Menschen dienen und nicht
umgekehrt. Mit ihrer Freihandelsideologie, Kolleginnen
und Kollegen der FDP, sind Sie ein Relikt aus dem letzten
Zu Protokoll
Jahrhundert. Wir brauchen eine Stärkung der staatlichen
Regulierung und staatlichen Mitsprache im Wirtschafts-
geschehen. Soziale, ökologische und Menschenrechts-
interessen müssen Vorrang vor privaten Profitinteressen
erlangen. Und eine starke Wirtschaftsdemokratie muss
dafür sorgen, dass die Kolleginnen und Kollegen und die
Gesellschaft über die Zukunft der ökonomischen Ent-
wicklung mitbestimmen können.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN):
Die FDP hat wieder einmal ein Antrag eingebracht,
der in seiner Radikalität kaum zu überbieten ist. Im
Grunde genommen will die FDP jegliche Handelsbe-
schränkungen abschaffen und fordert einen blinden,
schnellen und unkontrollierten Abbau aller Handelsbar-
rieren in der Europäischen Union, um die Europäische
Union als „Vorzeigefreihändler“ im internationalen
Handel zu positionieren. Dem können wir so nicht zustim-
men.
Mit dem Slogan „Freihandel schafft Wohlstand“, den
die FDP bemüht, hat sie zwar in vielen Fällen recht, doch
trifft dies ganz bestimmt nicht in jedem Fall zu. Das hat
sich in der ökonomischen Debatte und der Praxis gezeigt.
Mittlerweile hat sich auch in der wirtschaftswissenschaft-
lichen Literatur die Erkenntnis durchgesetzt, dass Frei-
handel in manchen Fällen auch negativ für die Beteilig-
ten sein kann. Dass solche Einschränkungen der reinen
Lehre des freien Marktes, wie sie von der FDP immer
wieder vertreten wird, die FDP wenig beeindruckt, er-
staunt allerdings wenig. In der Praxis ist offensichtlich,
dass bedingungsloser Freihandel, insbesondere in Ent-
wicklungs- und Schwellenländern, auch soziale Verwer-
fungen hervorrufen kann und nicht, wie die FDP behaup-
tet, immer armutsbekämpfend wirkt.
Die segensreichen Wirkungen des Freihandels sind
auch in Bezug auf Umwelt- und Klimaaspekte fraglich.
Hier bietet die Handelspolitik zahlreiche Instrumente, um
ökologische Leitplanken zu definieren, Einfluss auf Wa-
renströme zu nehmen und Produktionsweisen zu beein-
flussen. Das ist ein weiterer Grund, weswegen wir dem
bedingungslosen Freihandel skeptisch gegenüberstehen
und eine Weiterentwicklung der handelspolitischen In-
strumente fordern. Deswegen brauchen wir soziale und
ökologische Kriterien im Welthandel. Und insbesondere
arme Länder müssen sich in Einzelfällen auch gegen den
Freihandel schützen können.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ein in die-
ser Weise regulierter und mit sozial-ökologischen Leit-
planken versehener Freihandel wirkt sich positiv für alle
aus. Wir würden es deshalb auch begrüßen, wenn die
Doha-Runde in diesem Sinne zügig abgeschlossen würde.
Protektionistischen Einschränkungen des Welthandels
stehen wir kritisch gegenüber, und so enthält der Antrag
der FDP durchaus Forderungen, die aus unserer Sicht in
die richtige Richtung gehen. So lehnen wir zum Beispiel
ebenfalls die bereits in Kraft getretene dreizehnte Ände-
rung des Außenwirtschaftsgesetzes ab, mit der die Bun-
desregierung ein nicht spezifiziertes oder auf bestimmte
Branchen begrenztes Prüf- und Untersagungsrecht bei
24268 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
gegebene Reden
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24269
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
ausländischen Beteiligungen an deutschen Unternehmen
eingeführt hat. Dieses Gesetz nützt nichts und ist eher
schädlich. Es macht einfach keinen Sinn, dass die Bun-
desregierung jegliche Beteiligungen von EU-Ausländern
an deutschen Unternehmen, an denen mehr als 25 Pro-
zent der Anteile erworben werden, prüfen möchte. Wir
sind der Meinung, dass wir unter anderem durch Instru-
mente des Wettbewerbsrechts Missbrauch verhindern
können. Eine Diskriminierung ausländischer Beteiligun-
gen von Investoren, die außerhalb der Europäischen
Union ansässig sind, lehnen wir genauso wie die FDP ab.
Auch wir fordern die Bundesregierung auf, dieses Gesetz
zurückzunehmen.
Also Förderung des freien Welthandels und Abbau von
Schranken ja, aber eine Ideologisierung des Freihandels
ohne soziale und ökologische Regeln nein.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/10311 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Hans-
Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Neue Kohlekraftwerke verhindern – Geneh-
migungsrecht verschärfen
– Drucksachen 16/10617, 16/12916 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)
Marco Bülow
Horst Meierhofer
Eva Bulling-Schröter
Bärbel Höhn
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Andreas
Jung, CDU/CSU, Gerd Bollmann, SPD, Horst
Meierhofer, FDP, Hans-Kurt Hill, Die Linke, und Bärbel
Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU):
Wir beraten den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen „Neue Kohlekraftwerke verhindern – Genehmi-
gungsrecht verschärfen“. Gleich zu Beginn will ich sa-
gen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt diesen An-
trag ab, weil wir der Überzeugung sind, dass wir mit dem
Emissionshandel ein wirksames Instrument zur Reduzie-
rung des CO2-Ausstoßes aus Kohlekraftwerken haben.
Zudem stellen die bestehenden Regelungen beim Geneh-
migungsrecht bereits heute hohe Anforderungen.
Die Entwicklung des Emissionshandels hat gezeigt,
dass durch ihn der Ausstoß von Treibhausgasen durch
Kohlekraftwerke massiv gesenkt werden kann. Dies zeigt
der NAP II, den wir im Jahr 2006 beschlossen haben.
Mit diesem ist es gelungen, den Ausstoß von CO2 der
Kohlekraftwerke um 43 Millionen Tonnen CO2 jährlich
auf 456 Millionen Tonnen zu reduzieren. Dies entspricht
einer Reduktion von 8,7 Prozent. Gemessen am Anlagen-
bestand des NAP I erfolgte mit dem NAP II sogar eine Re-
duktion um 57 Millionen Tonnen und damit eine Minde-
rung von 11,5 Prozent.
Zudem wurde mit dem NAP II erstmals das Instrument
der Versteigerung eingeführt. Seitdem werden die Zertifi-
kate nicht mehr – wie noch in der ersten Emissionshan-
delsperiode – umsonst an die Kraftwerksbetreiber abge-
geben. 10 Prozent – und damit das zu diesem Zeitpunkt
höchste zulässige Volumen – der Zertifikate müssen von
den Konzernen ersteigert werden. Damit wurde noch
mehr Druck für Klimaschutz und CO2-Reduzierung er-
zeugt.
Dieser Weg wird konsequent fortgesetzt mit den auf eu-
ropäischer Ebene beschlossenen Regelungen. So wurden
zur Umsetzung der ehrgeizigen Ziele Reduktion der kli-
maschädlichen Emissionen bis 2020 um 20 Prozent und
Erhöhung der Energieeffizienz bis 2020 um ebenfalls
20 Prozent ebenso ehrgeizige wie konkrete Maßnahmen
im Bereich des Emissionshandels beschlossen. Ein
Durchbruch war dabei die Einigung auf eine hundertpro-
zentige Versteigerung der Zertifikate im Bereich der Koh-
lekraftwerke. Dadurch wird nicht nur der Druck für noch
mehr Klimaschutz, für drastische Reduzierung der Emis-
sionen der Kohlekraftwerke in Deutschland massiv ver-
stärkt; wir erreichen dies in der ganzen Europäischen
Union. Dies belegt, dass der Emissionshandel ein schar-
fes Schwert für Klimaschutz und gegen CO2-Emissionen
ist.
Unser gemeinsames Ziel sollte sein, den Weg der mas-
siven Reduzierung von Treibhausgasen mit unseren euro-
päischen Partnern weiter zu gehen. Dies gelingt durch
immer ehrgeizigere Ziele im Rahmen des europäischen
Emissionshandels. Diesen europäischen Emissionshandel
wollen wir dann verbinden mit heute schon bestehenden
Emissionshandelssystemen. Wir werden ihn weiterentwi-
ckeln zu einem effizienten internationalen Emissionshan-
del. Dadurch kommen wir unserem Ziel, einem global
wirksamen Klimaschutzregime, einen ganz entscheiden-
den Schritt näher.
Wir müssen also das bestehende Instrument weiterent-
wickeln. Einen nationalen Sonderweg, wie er in dem An-
trag der Grünen vorgeschlagen wird, lehnen wir demge-
genüber ab.
Gerd Bollmann (SPD):
In dem Antrag „Neue Kohlekraftwerke verhindern“
wird die Forderung gestellt, die Wirkungsgrade gesetz-
lich auf mindestens 58 Prozent festzusetzen, obwohl klar
ist, dass eine Festlegung von Mindestwirkungsgraden
überhaupt nicht möglich ist. Es gibt nun einmal eine EU-
Richtlinie, die einen Mindestwirkungsgrad ausschließt.
Nach Art. 9 Abs. 3 der IVU-Richtlinie der EU-Richtlinie
(A) (C)
(B) (D)
Gerd Bollmann
2008/1/EG vom 15. Januar 2008 über die integrierte Ver-
meidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,
kodifizierte Fassung, dürfen für Kohlekraftwerke, die der
Emissionshandelsrichtlinie der EU unterfallen, grund-
sätzlich keine Emissionsgrenzwerte für direkte CO2-
Emissionen und somit auch keine Wirkungsgradgrenzen
festgelegt werden. Daran lässt sich nicht rütteln.
Reden wir also über die Absicht der Antragsteller. Sie
fordern einen gesetzlichen Mindestwirkungsgrad. Grund-
sätzlich ist es richtig, die Wirkungsgrade zu erhöhen. Das
wollen wir auch. Sie wollen aber in Wirklichkeit nicht
effizientere Kohlekraftwerke, sondern durch die Vorgabe
von Wirkungsgraden über Umwege generell einen Neu-
bauverbot von Kohlekraftwerken durchsetzen. Dies
schreiben Sie ja dann in Ihrer Begründung: Bis zur Ein-
führung von CCS „muss aber ein Moratorium für neue
Kohlekraftwerke durchgesetzt werden“. Was denn nun?
Höhere Wirkungsgrade oder ein Verbot von zukünftigen
Kohlekraftwerken?
Zu einem Moratorium kann ich nur sagen: Wir brau-
chen kein Neubauverbot. Die erforderliche Beschrän-
kung hinsichtlich des CO2-Ausstoßes von Kohlekraftwer-
ken erfolgt durch den Emissionshandel. Der Vorrang des
Emissionshandels vor dem Ordnungsrecht macht im
Falle von CO2 Sinn, weil Kohlendioxid bei der gesamten
weltweiten Verbrennung von fossilen Energieträgern frei-
gesetzt wird und sich in der Atmosphäre anreichert.
Durch die Festlegung einer Gesamtbegrenzung, die nicht
überschritten werden darf – Cap –, ist der Spielraum für
neue Kraftwerke begrenzt. Und dieser Spielraum wird
nicht größer, sondern kleiner. Das volle Wasserglas wird
immer leerer.
Der Emissionshandel und die Begrenzung sind der
vernünftige Weg, die erforderlichen Emissionsminderun-
gen sicher zu erreichen, und das auf wirtschaftlichem
Wege. Zusätzliches Ordnungsrecht würde den eigentli-
chen Wirkungsmechanismus des Emissionshandels stö-
ren und zu zusätzlichem bürokratischen Aufwand führen.
Daher schließt die IVU-Richtlinie die Einführung von
CO2-Grenzwerten aus. Auch wenn der Emissionshandel
nicht das Allheilmittel zur Rettung des Weltklimas ist, er
bleibt das zentrale Instrument zur Senkung der Kohlendi-
oxidemissionen in der Stromerzeugung.
Eines ist klar: Wir brauchen eine Erneuerung des
Kraftwerkparks. Es wird keiner bezweifeln, dass es hier
einen erheblichen Erneuerungsbedarf gibt. Es sind noch
viel zu viele alte Kohlekraftwerke am Netz, die bei weitem
nicht den Wirkungsgrad erzielen, der heute technisch
möglich wäre. Das ist absolut ineffizient. Je früher wir
diese Kraftwerke abschalten, umso besser. Bei der Erneue-
rung des Kraftwerksbestandes müssen wir aber dafür
Sorge tragen, dass unsere Klimaziele nicht gefährdet
werden. Das heißt, wir müssen zu einer Struktur kommen,
die den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht behin-
dert. Erneuerbare und fossile Kraftwerke müssen mit-
einander in der Struktur vereinbar sein. Wenn uns die
Emissionshandelsrichtlinie zum Beispiel ermächtigt,
neue Kraftwerke mit 15 Prozent zu fördern, dann sollten
wir diesen Rahmen ausnutzen, das heißt, wir müssen
sehen, dass diese mögliche Förderung den hocheffizien-
Zu Protokoll
ten Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung zugute-
kommt.
Wenn wir an dieser Stelle über den Bau bzw. Nichtbau
von Kohlekraftwerken diskutieren, so muss hier noch ein-
mal klar gesagt werden: Dass wir keine Befürworter ei-
nes Neubauverbots von Kohlekraftwerken sind, heißt
nicht, dass wir irgendwelche faulen Kompromisse einge-
hen. An unseren Zielen beim Klimaschutz, beim Ausbau
der erneuerbaren Energien und bei der Effizienz werden
wir nicht rütteln. CCS wird in Deutschland nur mit den
höchsten Standards verwirklicht werden. Dazu gehört un-
ter anderem die Frage der Sicherheit der Speicher, aber
auch die Frage des Kostenrisikos. Eine Verlagerung des
Kostenrisikos auf die Steuerzahler darf es nicht geben.
Diejenigen, die planen, in nächster Zeit ein Kohlekraft-
werk in Auftrag zu geben, müssen wissen, dass sie das
wirtschaftliche Risiko tragen, natürlich auch für den Fall,
dass sich CCS als unwirtschaftlich herausstellt. Dafür
haben wir ja den Emissionshandel.
Noch eine Bemerkung zum Neubauverbot: Wer he-
rausposaunt, dass in Zukunft keine Kohlekraftwerke mehr
gebaut werden sollen, der sorgt dafür, dass bei der Atom-
lobby die Sektkorken knallen. Solche Ankündigungen sind
Futter für deren Stromlückendiskussionen. Für die Atom-
energiebefürworter wird es deutlich einfacher, der Öf-
fentlichkeit eine bedrohliche Stromlücke vorzugaukeln,
wenn sie behaupten können, die anderen wollen nicht nur
den Atomausstieg, sondern auch noch den Ausstieg aus
der Kohle, die derzeit ja immer noch deutlich über
40 Prozent der Stromerzeugung ausmacht. Es sollte
keiner unterschätzen, wie leicht Ängste beim Thema Ver-
sorgungssicherheit ausgelöst werden. So viel steht fest:
Schlägt das Pendel beim Thema Atomenergie um und
werden die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert
oder werden sogar Neubauten ins Auge gefasst, werden
wir auch Probleme beim weiteren Ausbau der erneuerba-
ren Energien bekommen.
Nicht umsonst haben EDF und Eon bei einer Anhö-
rung der britischen Regierung betont, dass ein hoher An-
teil von erneuerbaren Energien und Atomkraftwerke
nicht miteinander vereinbar sind.
Abschließend möchte ich noch eines feststellen. In ei-
nem haben Sie recht: Spätere Generationen werden eine
Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Ener-
gien haben. Beim Weg dahin unterscheiden wir uns. Wir
halten einen Ausstieg aus der Kohleverstromung für un-
realistisch.
Horst Meierhofer (FDP):
Das Ziel, CO2-Emissionen zu senken, haben wir alle
gemeinsam. Das ist unbestritten. Doch bekanntlich füh-
ren viele Wege nach Rom; manche sind stolprig und stei-
nig, andere hingegen lassen sich mit Leichtigkeit erlau-
fen. So ist das auch mit dem Antrag der Grünen: Um CO2
einzusparen, möchten die Grünen durch Tricks im Geneh-
migungsrecht neue Kohlekraftwerke verhindern. Das ist
ein stolpriger Weg, um ans Ziel zu kommen.
Zukünftig werden wir Kohlekraft brauchen, damit wir
die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten
24270 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Horst Meierhofer
können. Als verantwortungsvolle Partei können wir uns
nicht der Illusion hingeben, dass wir trotz einem Ausstieg
aus der Atomkraft und einem faktischen Ausstieg aus der
Kohlekraft diese aufrechterhalten können. So schön es
wäre: Leider ist und bleibt die Vorstellung, dass wir in
den nächsten paar Jahren eine hundertprozentige Strom-
versorgung durch erneuerbare Energien erreichen kön-
nen, eine Illusion. Ohne die Kohleverstromung wird es
auf absehbare Zeit nicht gehen, nicht in Deutschland und
weltweit schon gar nicht. Denn im Vergleich zu anderen
fossilen Energieträgern ist Kohle nach wie vor in riesigen
Mengen vorhanden. Und die Energiegewinnung aus
Kohle ist vergleichsweise günstig – in Deutschland und
weltweit.
Bis wir so weit sind, nur noch regenerative Energien
für die Energiegewinnung einsetzen zu können, bis dahin
brauchen wir Kohlekraft als Bestandteil eines breiten En-
ergiemixes. Übrigens würden wir dem Klima mit dem Bau
von neuen Kohlekraftwerken einen Gefallen tun: Jedes
neue Kohlekraftwerk erzeugt weniger Emissionen als ein
bestehendes und wird in der Lage sein, CCS nachzurüs-
ten. Ein leichterer Weg hingegen ist, dem Emissionshan-
del zu vertrauen und dadurch den CO2 – Ausstoß deutlich
zu verringern. Dieser Weg hat sich in der Vergangenheit
bewährt, und er wird noch effektiver, wenn erst alle Zer-
tifikate ersteigert werden. Festlegungen von Wirkungs-
graden, wie Sie es fordern, widersprechen dem Emis-
sionshandel und führen ihn ad absurdum.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Thema CCS
sagen. Wenn ich mich recht erinnere, waren es die Grü-
nen, die vergangene Woche im Plenum massiv gegen die
Technologie CCS gewettert haben und darauf hinwiesen,
dass diese Technologie nie zum Einsatz kommen werde.
Dann frage ich mich, warum Sie in Ihrem Antrag so
scheinheilig sind und sagen, Kohlekraft könne es wieder
geben, wenn CCS verfügbar sei. Sagen sie es doch gleich:
Wir wollen keine Kohlekraft, egal wie effizient sie werden
könnte oder wie viele Arbeitsplätze daran hängen. Tech-
nologieoffenheit kann man Ihnen wahrlich nicht vorwer-
fen.
Die FDP hält das für falsch. CCS ist weder ein troja-
nisches Pferd der Kohleindustrie noch wird uns diese
Technologie in eine energiepolitische Sackgasse führen;
davon bin ich fest überzeugt. Und auch die Ansicht der
Deutschen Umwelthilfe, Deutschland setze mit CCS be-
dingungslos auf eine Technologie, deren Machbarkeit
noch nicht geklärt sei, teile ich nicht. Kein Zweifel, noch
gibt es bei CCS eine Reihe offener Fragen. Aber die
Chancen, die CCS bietet – nämlich den CO2-Ausstoß der
Kohlekraftwerke um bis zu 85 Prozent zu senken –, nicht
weiter zu prüfen und zu erforschen, sondern aus ideolo-
gischen Gründen von vornherein darauf zu verzichten, ist
aus Sicht der FDP sowohl klima- als auch energiepoli-
tisch fahrlässig.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
„Bis 2050 müssen die Industrieländer ihren Treib-
hausgasausstoß um mindestens 80 Prozent senken.“
„Eine vollständige Strombedarfsdeckung mit erneuerba-
ren Energien ist möglich.“ Und: „Die aktuellen Neubau-
Zu Protokoll
pläne für konventionelle Kohlekraftwerke … sind nicht
mit den Klimaschutzzielen für 2050 vereinbar.“ Das sagt
nicht irgendwer, sondern der Sachverständigenrat für
Umweltfragen. Dieses wissenschaftliche Beratungsgre-
mium der Bundesregierung hat auch die Aufgabe, „Fehl-
entwicklungen und Möglichkeiten zu deren Vermeidung
oder Beseitigung aufzuzeigen“. Einzig Bundesumweltmi-
nister Gabriel hört nicht auf seine eigenen Berater. Ge-
rade er hätte aber die Möglichkeit, dem Zubau klima-
schädlicher Megakraftwerke einen Riegel vorzuschieben.
Ein Hauptproblem ist: Das Bundes-Immissionsschutz-
gesetz, nach deren Rechtsvorschriften ein Kohlekraft-
werk genehmigt wird, erfasst die Klimagase überhaupt
nicht. Auch Anforderungen, moderne Techniken einzuset-
zen, die bei einem beantragten Kraftwerk zu geringeren
Belastungen für Mensch und Umwelt führen, kommen zu
kurz. Wer die Lösung dieses Problems nicht angeht und
gleichzeitig ein CO2-Minderungsziel von 40 Prozent an-
kündigt, macht den Leuten in Sachen Klimaschutz etwas
vor.
Darauf weisen nun die Grünen mit ihrem Antrag hin.
Allerdings verfehlt die leider sehr allgemein formulierte
Vorlage ihr Ziel. Mit der bloßen Festlegung auf elektri-
sche Mindestwirkungsgrade für geplante Kraftwerke
kommen wir nicht weit. Die Linke schlägt hier eine deut-
lich konkretere Vorgehensweise vor: Erstens. Klimagase,
allen voran CO2, müssen als gesundheitsschädlich und
umweltgefährlich anerkannt werden, wie es unlängst die
amerikanische Umweltbehörde EPA durchgesetzt hat.
Zweitens. Die Klimagaswirkung von beantragten
Kraftwerksanlagen im Genehmigungsverfahren ist
gleichberechtigt zu den Luftschadstoffen zu prüfen und zu
bewerten.
Drittens. Emissionsobergrenzen sind nach der besten
verfügbaren Technik sowie einer Pflicht zur Nutzung von
Kraft-Wärme-Kopplung festzulegen. Das erfüllen derzeit
bei fossilen Brennstoffen Gaskraftwerke. Hierbei sind im
Übrigen auch die Luftschadstoffbelastungen deutlich ge-
ringer.
Viertens. Auch muss es eine Nachweispflicht für An-
tragsteller geben, dass das gleiche Ziel, nämlich die Er-
zeugung einer bestimmten Menge Strom und Wärme,
nicht auch durch weniger belastende Technologien er-
reicht werden kann.
Fünftens. Für bestehende, also alte Kondensations-
kraftwerke sollte dann ein elektrischer Mindestwirkungs-
grad eingeführt werden, der bis zum Jahr 2050 linear an-
steigt.
Im Klartext bedeuten solche Regeln eine Ausrichtung
auf effiziente und erneuerbare Energietechniken und ein
Abschied vom fossilen Energiezeitalter. Eines muss an
dieser Stelle auch klargestellt werden: Das Heraufbe-
schwören einer Stromlücke oder einer angeblich steigen-
den Abhängigkeit von russischem Erdgas ist blanker Un-
sinn. So etwas verbreiten nur die Kettenhunde der
Energiekonzerne. Tatsache ist: Erstens. Bereits in zehn
Jahren kann der Anteil erneuerbarer Energien am Strom-
verbrauch auf fast die Hälfte steigen, vorausgesetzt, die
Bundesregierung knickt nicht vor der fossilen Energie-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24271
gegebene Reden
24272 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Hans-Kurt Hill
lobby ein. Zweitens. Auf Grundlage der Meseberger Be-
schlüsse, den KfW-Programmen und der bestehenden
Förderung erneuerbarer Energien können im Gebäude-
bereich große Mengen Heizerdgas eingespart werden.
Das reicht, um damit ohne einen Mehrbedarf an Erdgas
bis 2030 hocheffiziente Gaskraftwerke mit einer elektri-
schen Leistung von über 12 000 Megawatt aufzubauen.
Das ist gegenüber heute ein Zuwachs um ein Drittel. Da-
bei ist ein Zubau von Fernwärme noch gar nicht berück-
sichtigt, der zu einer weiteren Senkung des Erdgasver-
brauchs führt. Insgesamt sinkt also der Gasverbrauch bei
deutlich höherer Stromgewinnung.
Setzen wir also gemeinsam auf eine kluge und klima-
freundliche Energienutzung! Das sichert eine stabile
Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen und schafft
Hunderttausende neuer Arbeitsplätze. Machen Sie mit,
Herr Umweltminister!
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Rechtsvorschriften, nach denen in Deutschland
Kohlekraftwerke geplant und genehmigt werden, sind
dringend reformbedürftig. Auf Klimaschutz und Energie-
effizienz nimmt das geltende Genehmigungsrecht keine
Rücksicht. Die Einhaltung der Grenzwerte des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes reicht in der Regel aus, um ei-
nen Anspruch auf den Bau des Kraftwerks zu begründen.
Der CO2-Ausstoß oder der Wirkungsgrad des Kraftwerks
spielt bei der Genehmigungsentscheidung dagegen keine
Rolle. So haben die zuständigen Behörden kaum eine ju-
ristische Handhabe, den Bau ineffizienter und extrem kli-
maschädlicher Kraftwerke zu verhindern. Investoren
können unter Androhung von Milliardenklagen die Ge-
nehmigung von Klimakillern auch gegen den Willen der
zuständigen Behörden erzwingen. Das muss sich ändern,
wenn Deutschland seine internationalen Klimaschutzver-
pflichtungen erfüllen und eine katastrophale Erderwär-
mung um mehr als 2 Grad verhindern will.
Klimaschutz und Energieeffizienz müssen endlich zu
wichtigen Faktoren bei der Kraftwerksgenehmigung wer-
den. Dies kann im deutschen Recht kurzfristig am besten
durch die Einführung von Mindestwirkungsgraden für
neue Kraftwerke geschehen. Ohne eine entsprechende
Regelung werden die deutschen Klimaschutzziele von
mindestens 40 Prozent CO2-Einsparung bis 2020 und
mindestens 80 Prozent CO2-Einsparung bis 2050 nicht zu
erreichen sein. Denn mit CO2-Emissionen von 750 bzw.
950 Gramm pro Kilowattstunde stoßen auch die neuesten
Braun- und Steinkohlekraftwerke zwei- bis dreimal soviel
schädliche Klimagase aus wie moderne Gaskraftwerke.
Außerdem lassen sie mit elektrischen Wirkungsgraden
von 43 Prozent bis 46 Prozent mehr als die Hälfte der er-
zeugten Energie ungenutzt verpuffen.
Der geplante Neubau von mehr als 20 Kohlekraftwer-
ken würde diese klimaschädliche und ineffiziente Strom-
versorgung für 50 Jahre und mehr zementieren. Zusam-
men würden die geplanten Kohlekraftwerke 2050 in etwa
soviel CO2 emittieren, wie ganz Deutschland bei Zu-
grundlegung des 80-Prozent-Einsparziels noch aussto-
ßen darf. Für die übrige Energieerzeugung, die Industrie,
den Verkehr, die Landwirtschaft und die Haushalte blie-
ben dann keine Emissionsrechte mehr übrig – ein völlig
unrealistisches Szenario, bei dem am Ende der Klima-
schutz auf der Strecke bleiben würde.
Deshalb ist die Kohlefrage der Lackmustest für die
Ernsthaftigkeit der deutschen Klimapolitik. Klimaschutz
versprechen, aber neue Kohlekraftwerke zulassen ist
keine glaubwürdige Politik. Aber die Bundesregierung
geht ja noch einen Schritt weiter: Sie haben im Dezember
im Europäischen Rat durchgesetzt, dass die Mitgliedstaa-
ten neue Subventionen für Kohlekraftwerke verteilen dür-
fen. Bis zu 15 Prozent der Investitionssumme sollen die
Energiekonzerne für ihre geplanten Kohlekraftwerke be-
kommen können. Das ist kein Klimaschutz, das ist aktive
Klimaschädigung auf Kosten der Steuerzahler.
Das lässt sich auch nicht unter Hinweis auf den euro-
päischen Emissionshandel schönreden, wie es Umwelt-
minister Gabriel immer wieder versucht. Es ist richtig,
dass der Emissionshandel eine Obergrenze für die Treib-
hausgasemissionen setzt. Diese Obergrenze ist aber das
Ergebnis eines politischen Prozesses, und sie ist nur bis
2020 festgelegt. Das heißt, wir werden in einigen Jahren
hier im Bundestag darüber diskutieren, wie die Emis-
sionsobergrenze für die Zeit nach 2020 aussehen wird. Und
dann macht es einen gewaltigen Unterschied, welche Fak-
ten geschaffen und wie viele neue Kohlekraftwerke bis da-
hin in Betrieb sind. Der Bau neuer Kohlekraftwerke heute
verhindert so ehrgeizigere Klimaschutzziele in der nächs-
ten Handelsperiode.
Deshalb kann ich sie im Interesse des Klimaschutzes
nur auffordern: Unterstützen sie uns bei der Verhinde-
rung neuer Kohlekraftwerke, verzichten sie auf Subven-
tionen für Klimakiller, und sorgen sie mit uns für ein
neues Genehmigungsrecht, das Klimaschutz und Ener-
gieeffizienz den Stellenwert einräumt, den sie verdienen!
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12916,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/10617 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von
SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen von
Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Linken an-
genommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz,
Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP
Presse- und Medienvielfalt sichern – Wettbe-
werb stärken, Werbung entbürokratisieren
– Drucksache 16/12472 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24273
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Philipp
Mißfelder, CDU/CSU, Dorothee Bär, CDU/CSU,
Monika Griefahn, SPD, Hans-Joachim Otto, FDP,
Dr. Lothar Bisky, Die Linke, und Grietje Staffelt,
Bündnis 90/Die Grünen.
Philipp Mißfelder (CDU/CSU):
Die Verantwortung der Medien, Informationen zu
sammeln, aufzubereiten und weiterzugeben und damit
Zuschauern, Zuhörern oder Lesern zuverlässig Nach-
richten und Fakten zu vermitteln, ist angesichts einer im-
mer komplexer werdenden Gesellschaft und wachsender
globaler Vernetzung heute größer denn je. Diese Verant-
wortung der Medien wird aber im Spannungsfeld einer
sich rasant wandelnden Mediennutzung wahrgenommen.
Durch das Internet und durch die digitalen Medien ist der
ständige und ungehinderte Zugriff auf aktuelle Informa-
tionen heute Realität und Grundvoraussetzung unseres
Handelns geworden. Dennoch bleibt es gerade wegen der
Schnelligkeit der Informationsverbreitung und der stei-
genden Komplexität der Themen Hauptaufgabe für Me-
dien und der Journalisten, für eine unabhängige, unvor-
eingenommene und vertrauenswürdige Berichterstattung
zu sorgen.
Dieser Auftrag der Medien ist in Deutschland beson-
ders klar umrissen. Die Pressefreiheit und die Freiheit
der Berichterstattung sind in Art. 5 des Grundgesetzes
geschützt. Die Gewährleistung der Presse- und Medien-
freiheit ist daher eine Staatsaufgabe, die wir sehr ernst
nehmen. Unser Ziel ist deshalb eine neue Medienord-
nung, die der Bedeutung der Medien als Kultur- und Wirt-
schaftsgut gerecht wird. Eine neue Medienordnung soll
auch in Zukunft Meinungsvielfalt, Qualität und wirt-
schaftliches Wachstum auf allen Märkten garantieren.
Dabei bekennen wir uns ausdrücklich zum dualen System
in Deutschland. Das Markenzeichen des öffentlich-recht-
lichen Rundfunks muss dabei die Qualität sein. Aber auch
der private Rundfunk hat eine gesellschaftliche Verant-
wortung und darf auf Qualität in seinem Programm nicht
verzichten. Deshalb müssen zukünftig Rahmenbedingun-
gen geschaffen werden, die den privaten Anbietern von
Rundfunk und Fernsehen neue Geschäftsmodelle unab-
hängig von der Entwicklung des Werbemarktes ermögli-
chen. Ob dies über den Weg einer Grundverschlüsselung
oder über andere, programmbegleitende Maßnahmen ge-
schieht, wird sich in Zukunft zeigen und muss im Grunde
auch der Markt entscheiden.
Auf eines müssen wir jedoch in unserer Medienpolitik
achten: dass unsere im europäischen und internationalen
Vergleich einzigartige Rundfunklandschaft erhalten bleibt.
Und dazu gehört, dass wir weitere Werbebeschränkungen
und Werbeverbote auf nationaler und europäischer Ebene
grundsätzlich gründlich prüfen sollten. Aktionismus, der
regelmäßig auf sehr bedauerliche Vorfälle, beispiels-
weise durch den Missbrauch von Alkohol durch Jugend-
liche, folgt, halten wir nicht für sachgerecht. Wenn infolge
dieser Vorfälle stets die Forderung nach Werbebeschrän-
kungen erfolgt, müssen sich alle Beteiligten darüber im
Klaren sein, dass mit derartigen Maßnahmen massiv in
die Finanzierungsmöglichkeiten privater Anbieter von
Presse- und Mediendiensten eingegriffen wird.
Hier ist es die Aufgabe der Politik, eine genaue Abwä-
gung zwischen der Medienvielfalt in unserem Land und
den berechtigten Schutzanliegen nicht zuletzt von Kin-
dern und Jugendlichen vorzunehmen. Diese Abwägung
sollten sich alle Verantwortlichen nicht leicht machen.
Und hier ist es unsere Auffassung, dass besonders Eltern
der Verantwortung gegenüber ihren Kindern wieder mehr
gerecht werden müssen. Dies erscheint uns als das bes-
sere Mittel, anstatt auf jedes auftauchende gesellschaftli-
che Phänomen immer sofort mit der Forderung nach
neuen Verboten zu reagieren.
Denn eines ist gerade angesichts der aktuellen Wirt-
schafts- und Finanzkrise nicht mehr zu übersehen:
Bereits heute führt das signifikante Schrumpfen des Wer-
bemarktes für die nicht wenigen Presse- und Medien-
dienste zu einer existenzgefährdenden Krise. Viele Ver-
lage oder private Sendeanstalten kämpfen mit einem
Einbruch der Werbebuchungen. Redaktionen werden ver-
kleinert, Dienste eingestellt, der Umfang von Zeitungen
nimmt ab. Und genau deshalb hat das unionsgeführte
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im
Zuge der Ressortabstimmung auch fachliche und wirt-
schaftspolitische Argumente zum „Nationalen Aktions-
plan Alkohol und Tabak“ vorgetragen, der unter anderem
ein weitreichendes Werbeverbot vorsah. Das Bundeska-
binett wird sich entgegen der ursprünglichen Intention
der Drogenbeauftragten nun nicht mehr mit dem Aktions-
plan befassen; denn bei einem Verbot für alkoholhaltige
Markenangebote würden alle Medien mit einem jährli-
chen Einnahmeausfall von etwa 560 Millionen Euro rech-
nen müssen.
So wichtig die Alkoholprävention selbstverständlich
ist, so ernst müssen wir auch die Medienvielfalt in
Deutschland nehmen. Werbebeschränkungen stellen un-
weigerlich einen Eingriff in die wirtschaftliche Grund-
lage von Medienunternehmen dar und können angesichts
eines ohnehin aufgrund der Wirtschaftsentwicklung zu-
rückgehenden Werbemarktes zu einem weiteren Verlust
an Meinungs- und Pressevielfalt führen. Dessen sind wir
uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion bewusst. Und hier
haben wir auch gehandelt. Deshalb betrachten wir den
Antrag der FDP auch als erledigt und lehnen ihn ab.
Dorothee Bär (CDU/CSU):
Die Vielfalt ist ein besonderes Merkmal der deutschen
Medienlandschaft. Es ist unsere Aufgabe als Politiker,
diese Vielfalt zu schützen, zu pflegen und zu erweitern.
Das deutsche duale Mediensystem aus öffentlich-rechtli-
chen und privaten Sendern gilt bei vielen Experten als
Garant für eines der besten Programmangebote in Eu-
ropa. Es garantiert Medienvielfalt und Wettbewerb. CSU
und CDU bekennen sich gemeinsam zu der Aufgabe, die
deutsche Medienlandschaft zu erhalten und zu schützen
und stellen sich dieser Herausforderung in vollem Um-
fang.
Liebe Kollegen der FDP-Fraktion, um gleich auf den
Titel Ihres Antrages – „Presse- und Medienvielfalt si-
chern“ – einzugehen: Als Vertreterin der Koalition kann
(A) (C)
(B) (D)
Dorothee Bär
ich Ihnen aus voller Überzeugung versichern: Die
Presse- und Medienvielfalt in diesem Land ist nicht ge-
fährdet. Sie stellen in Ihrem Antrag fest, dass Werbung
eine Hauptform der Medienfinanzierung darstellt und so-
mit zur Presse- und Medienvielfalt in Deutschland bei-
trägt. Ihrer ersten Feststellung kann ich noch zustimmen.
Die zweite erscheint mir jedoch allein dazu zu dienen,
Ihre Antragsforderungen zu stützen. Die Medienvielfalt in
Deutschland wird nämlich in erster Linie nicht durch die
Werbewirtschaft, sondern den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk in all seinen Facetten sichergestellt. Die priva-
ten Fernsehanbieter haben die Wachstums- und Beschäf-
tigungsentwicklung in der deutschen Medienwirtschaft
angefacht und ergänzen das Angebot.
Wenn ich mir zudem ihre Forderung ansehe, dass sich
die Bundesregierung bei den Bundesländern dafür einset-
zen soll, die durch die EU maximal mögliche Liberalisie-
rung von Werbemöglichkeiten bei privaten Medienange-
boten durchzusetzen, muss ich Ihnen mitteilen, dass sich
Bund und Länder einig sind, diese Liberalisierung nicht
auszuschöpfen.
Des Weiteren frage ich Sie, warum Sie Forderungen an
die Bundesregierung stellen möchten, die eindeutig in die
Kompetenz der Länder fallen?
Liebe Kollegen der FDP, Sie wollen den Wettbewerb
stärken. Sicherlich ist das prinzipiell keine verkehrte
Marschroute. Trotzdem bleibe ich dabei, dass eine voll-
kommene Liberalisierung des Werbemarktes nicht ziel-
führend ist. Es geht nicht, dass wir die Altersbeschrän-
kung für den Kauf von Zigaretten zum Schutz der
Jugendlichen auf 18 Jahre anheben, um dann aber über-
all und unbeschränkt für Zigaretten und andere Suchtmit-
tel zu werben. Ihr FDP-Kollege Detlef Parr hat anläss-
lich des letzten Nichtrauchertages betont, wie wichtig es
ist, dass Eltern, Schulen und Freizeiteinrichtungen, Kin-
der so aufwachsen lassen, dass sie die Finger ganz von
Zigaretten lassen. Zügelloses Werben für Tabakerzeug-
nisse ist da in keiner Weise akzeptabel.
Monika Griefahn (SPD):
Ich sage es gleich vorweg: Ich habe mich zunächst
schon gefragt, was dieser Antrag mit der Sicherung der
Presse- und Medienvielfalt zu tun hat. Doch beim Lesen
des Antrages hat es sich mir schnell offenbart: Die Siche-
rung der Presse- und Medienvielfalt ist im Grunde nur ein
vorgeschobener Vorwand für die eigentliche Absicht des
Antrages, einseitig die Werbewirtschaft zu unterstützen.
Das wiederum ist im Grunde nicht verwerflich, etwas
plump finde ich nur die Verschleierung der eigentlichen
Absichten. Doch das, wie gesagt, nur vorweg, kommen
wir zur inhaltlichen Diskussion des Antrages, die ja ihre
Fortsetzung noch in den Ausschüssen des Deutschen
Bundestages finden wird.
Lassen Sie mich zum Inhaltlichen kommen. Richtig ist
die Feststellung des Antrages, dass in der Werbewirt-
schaft sinkende Umsätze festzustellen sind. Das ist ange-
sichts der Bedeutung der Werbung für die Finanzierung
vieler Presse- und Medienangebote durchaus eine beden-
kenswerte Entwicklung, da insbesondere viele Pres-
Zu Protokoll
seerzeugnisse auf die Erlöse aus Werbung angewiesen
sind. Die Finanz- und Wirtschaftskrise wird diesen
Druck, den zunächst die Unternehmen durch Kürzungen
ihrer Werbebudgets auffangen, den aber die Presse- und
Medienlandschaft durch ganz konkrete Einsparungen
ausgleichen muss, noch deutlich verstärken.
Richtig ist auch, dass die Bereitstellung von Medien-
angeboten im Onlinebereich mit erheblichen Kosten ver-
bunden ist, wenn es qualitativ gut sein soll, gleichzeitig
aber relativ wenig Einnahmen über die klassischen Wer-
beformen im Onlinebereich zu erzielen sind.
Doch leider zieht die FDP in ihrem Antrag aus diesen
grundsätzlich richtigen Feststellungen die falschen
Schlüsse. Denn indem die FDP im Namen der Werbewirt-
schaft mit dem Finger auf andere, wie beispielsweise den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zeigt, werden diese Pro-
bleme nicht gelöst. Auch indem man die aus Gründen des
Jugend- und Verbraucherschutzes verankerten Bestim-
mungen im Rundfunkstaatsvertrag oder auch der EU-
Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, früher EU-
Fernsehrichtlinie genannt, als bürokratisch und be-
schränkend bezeichnet, löst man diese Probleme nicht.
Und ganz besonders verbietet sich der Vergleich der Pro-
bleme der Medien- und Werbewirtschaft mit den notwen-
digen Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur und
dem Erhalt unseres Bankensystems vor dem Hintergrund
der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise.
Insofern steht die SPD-Bundestagsfraktion den Forde-
rungen des Antrages kritisch gegenüber. Beispielsweise
haben wir es aus deutscher Sicht gerade als Erfolg gese-
hen, dass sich Deutschland im Rahmen seiner EU-Rats-
präsidentschaft bei der Überarbeitung der EU-Richtlinie
über audiovisuelle Mediendienste mit der Forderung
durchsetzen konnte, bei Produktplatzierungen die Trans-
parenz zu verbessern, um redaktionelle Freiheit und Un-
abhängigkeit zu sichern und auch in Zukunft die Zu-
schauer vor Irreführungen zu schützen. Auch das
erreichte, klar gefasste generelle Verbot von Themenplat-
zierungen haben wir ausdrücklich begrüßt, ebenso wie
die unternommenen Schritte hin zu einem europaweit ein-
heitlichen Niveau des Jugendmedienschutzes. Denn ganz
zentral geht es um die Frage, wie wir insbesondere in Me-
dien für Kinder und Jugendliche unangemessene Wer-
bung verhindern. Insofern ist die Forderung der FDP
ausdrücklich abzulehnen, in der Richtlinie über audiovi-
suelle Mediendienste sämtliche Beschränkungen der
Werbemöglichkeiten aufzuheben.
Auch die auf europäischer Ebene umgesetzten einheit-
lichen und verbesserten Regelungen im Bereich der Alko-
hol- und Tabakwerbung begrüßen wir. Die gerade gestern
vorgestellte, von der Deutschen Angestellten-Kranken-
kasse (DAK) in Auftrag gegebene Studie zeigt, wie sehr
die Werbung den Konsum von Alkohol gerade bei Ju-
gendlichen beeinflusst. Insofern halte ich den von der
Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Frau Sabine
Bätzing, unterbreiteten Vorschlag für mehr Selbstkon-
trolle der Werbung für Alkohol für richtig und überle-
genswert.
Das sollte auch der Ansatz für eine konstruktive Dis-
kussion über die in diesem Antrag beschriebenen Pro-
24274 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Monika Griefahn
bleme der Werbewirtschaft sein. Denn hier muss meines
Erachtens auch ein Umdenken stattfinden. Es sind mög-
licherweise nicht mehr die klassischen Werbeformate und
-inhalte, die erfolgreich sind. Deshalb nützt es nichts, die
Welt drumherum ändern zu wollen. Vielmehr muss sich
die Werbewirtschaft an die sich verändernde Welt anpas-
sen, was sie ja bereits auch tut. Dazu gehört beispiels-
weise, dass die im Onlinebereich zur Verfügung stehen-
den Möglichkeiten immer stärker in neuer Form genutzt
werden. Dabei werden durch neue Formen der Vermark-
tung, die Vernetzung und das Zur-Verfügung-Stellen von
Informationsangeboten neue Einnahmemöglichkeiten
auch im Werbebereich erschlossen.
Und dazu gehört eben auch, dass die Selbstkontrollme-
chanismen der Werbung, die es ja unter anderem in Form
des Deutschen Werberates bereits gibt, greifen und trans-
parent sind. So wird auch ein für die Werbung sehr wich-
tiges Gut – Vertrauen – erhöht.
Und lassen Sie mich noch einen wichtigen Punkt zum
Schluss sagen, weswegen der Antrag aus meiner Sicht
ebenfalls nicht hilfreich bei der Debatte dieser Fragen ist.
Denn die FDP mischt andere Aspekte in die Debatte mit
ein, die ihr zwar aus anderen Gründen ebenfalls wichtig
erscheinen, die aber mit der Frage nach der Zukunft der
Werbewirtschaft, und darum geht es ja im Grunde, nur
wenig zu tun haben. Ich meine die Diskussion über den öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunk und die Überarbeitung der
Rundfunkänderungsstaatsverträge. Die Forderung der
FDP – die wir ja aus anderen Diskussionen zur Genüge
kennen –, die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk zu vereinheitlichen, zu externalisieren und zu
professionalisieren sowie „zu prüfen, ob dieses Ziel mit
der Übertragung der Aufsicht über den öffentlich-rechtli-
chen Rundfunk an die Landesmedienanstalten erreicht
werden kann“ hat nun wirklich nichts mit der Werbewirt-
schaft zu tun.
Insofern kann ich ganz zum Schluss – und zwar in einer
doppelten Bedeutung – ganz „im Sinne der Werbewirt-
schaft“ zu dem Antrag der FDP nur sagen: Gut gemeint,
aber schlecht gemacht!
Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP):
Meinungsvielfalt ist ein zentraler und konstitutiver Be-
standteil jeder Demokratie und ein besonderes Merkmal
der deutschen Medienlandschaft. Wohl in wenigen ande-
ren Ländern trifft man auf eine ähnlich pluralistische,
qualitativ hochwertige und abwechslungsreiche Medien-
landschaft.
Meinungsvielfalt ist dabei nicht nur ein abstraktes
theoretisches Gut, sondern ein konkretes unverzichtbares
Element des gesellschaftlichen und politischen Miteinan-
ders. Ohne diese kann es keinen politischen Wettbewerb,
kein Werben um Meinungen und Stimmen, aber auch ins-
gesamt keinen gesellschaftlichen Pluralismus geben.
Somit trägt die Politik – schon im eigenen Interesse – eine
große Verantwortung für den Schutz der Meinungsviel-
falt.
Meinungsvielfalt hat ihren Ursprung insbesondere in
einer pluralistischen Medien- und Presselandschaft. In
Zu Protokoll
der Konsequenz heißt das, dass die Politik – und damit
spreche ich, trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit der
Bundesländer für Presse und Medien, auch den Bundes-
gesetzgeber an – für den Erhalt der Medien- und Presse-
vielfalt verantwortlich ist. Deshalb ist es auch absolut
richtig, dass sich der Deutsche Bundestag heute mit die-
sen Fragen auseinandersetzt.
Diese Verantwortung liegt vorrangig darin, dass die
Politik Rahmenbedingungen schaffen muss, in denen sich
Medien- und Presseangebote im freien ökonomischen
und publizistischen Wettbewerb bewähren können. Eine
direkte staatliche Finanzierung der Presse darf es aus
ordnungspolitischen Gründen weiterhin nicht geben.
Deshalb verbieten sich übrigens auch staatliche Subven-
tionen für die Medienbranche – selbst in Zeiten gesamt-
wirtschaftlicher Schieflagen. Auch eine öffentlich-recht-
liche Presse wäre ordnungspolitisch nicht akzeptabel.
Der mit staatlicher Finanzierungsgarantie ausgestattete
öffentlich-rechtliche Rundfunk muss die Ausnahme blei-
ben.
Da sich also private Medien- und Presseangebote
nicht durch staatliche Subventionen finanzieren können,
müssen sie auf die traditionellen Mittel der Finanzierung
zurückgreifen: Verkauf, insbesondere durch Abonne-
ments, und Werbung. Es ist dabei hinreichend bekannt,
dass insbesondere bei elektronischen Presse- und Me-
dienangeboten auch die Finanzierung über Abonnements
im Regelfall ausscheidet. Der Werbung kommt somit eine
immer größer werdende Bedeutung bei der Finanzierung
und damit auch beim Erhalt der Meinungsvielfalt zu.
Aber auch die Werbefinanzierung steht unter massi-
vem Druck, sowohl ökonomisch als auch politisch. Die
Strukturkrise der Medienbranche zeigt – verstärkt durch
die momentane wirtschaftliche Krise – bereits erste nega-
tive Auswirkungen auf die Meinungsvielfalt. In diesem
Umfeld entfalten politische Einschränkungen oder gar
Verbote von Werbeformaten oder -inhalten besonders
schwerwiegende Konsequenzen für Anbieter von Presse-
und Mediendiensten, die auf Einnahmen durch Werbung
angewiesen sind.
Tatsache ist allerdings, dass in den vergangenen Jah-
ren eine zunehmende Zahl von Einschränkungen und Ver-
boten – ob gesellschafts-, gesundheits-, sozial- oder ver-
braucherschutzpolitisch motiviert – in den deutschen und
europäischen Werberegimen implementiert wurden. Viele
weitere sind geplant. Einige davon waren und sind sicher-
lich sinnvoll. Niemand möchte zum Beispiel Zigaretten-
werbung in Kinderfernsehsendungen haben.
Viele bestehende oder geplante Einschränkungen und
Verbote sind jedoch kritikwürdig entweder in ihrer Ziel-
setzung oder in ihrer Effektivität. Ist ernsthaft mit umwelt-
freundlicheren Verbraucherentscheidungen beim Auto-
kauf zu rechnen, nur weil noch größere und genauere
Angaben über den CO2-Ausstoß in die Zeitschriften-
anzeige gedruckt werden müssen? Ich wage es zu bezwei-
feln. Einer Zeitschrift schadet es allerdings massiv, weil
viele Anzeigen unterbleiben werden, wenn nur noch die
Hälfte des Platzes zur Verfügung steht, weil die andere
Hälfte für Pflichtangaben aufgebracht werden muss.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24275
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Wollen wir anno 2009 wirklich der Werbeindustrie
vorschreiben, ob und welche Rollenklischees ihre Spots
vermeiden müssen? Wollen wir ihr vorschreiben, dass
künftig die Hausfrau nur noch von männlichen, der Auto-
mechaniker nur noch von weiblichen Personen darge-
stellt werden dürfen? Ich halte das für absurd.
Ein ganz aktuelles Thema: ist es verhältnismäßig, das
sogenannte Listenprivileg für die Presse abzuschaffen?
Hier wird doch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Im
besten Fall ein paar Briefe weniger im Briefkasten wer-
den erkauft mit erheblichen Umsatzeinbußen bei Zeitun-
gen und Zeitschriften, die sich für einige sogar existenz-
bedrohend auswirken können. Hier werfen Sie mir nicht
Panikmache vor; bei Umfragen unter Verlegern wird die
Datenschutznovelle von 88 Prozent als großes Problem
angesehen, noch mehr als die allgemeinen Strukturpro-
bleme der Presse, die „nur“ von 82 Prozent als großes
Problem bewertet werden.
Jenseits von fehlender Effektivität oder zweifelhafter
Zielsetzung stoßen wir auch auf Werberegime, deren Sinn
generell infrage zu stellen ist. Warum zum Beispiel wird
privaten Rundfunkveranstaltern nicht freigestellt, wie
häufig und wie viel Werbung sie senden wollen? Wozu
leisten wir uns denn eigentlich ein mehr als 8 Milliarden
Euro teures öffentlich-rechtliches Rundfunksystem? Wir
sollten lieber das öffentlich-rechtliche System komplett
werbefrei gestalten und das private System hinsichtlich
der Werbung – jenseits von Kindersendungen, Ratgeber-
sendungen und Nachrichten – vollständig freigeben; das
wäre ein klar abgegrenztes duales Rundfunksystem.
Sollte ein privater Rundfunksender es mit der Werbung
übertreiben, werden dies die Zuschauer und Zuhörer
schon entsprechend würdigen.
Die Liste mit Beispielen ließe sich beliebig erweitern.
Als Nächstes kommt wohl noch das pauschale Verbot von
Alkohol- und Süßigkeitenwerbung in Zeitschriften. Dann
wäre auch endlich die große Gefahr gebannt, dass die
Massen der Jugendlichen, welche wöchentlich an-
spruchsvolle Nachrichtenmagazine lesen, dort zum Kon-
sum von Bier und Schokolade verleitet werden.
Es ist doch verrückt: Während allen Ernstes über
staatliche Subventionen für die Presse diskutiert wird – so
wieder heute vom ehemaligen Verfassungsrichter Grimm
in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ –, ist offenbar
bei der schon jetzt viel zu intensiven Werberegulierung
das Ende der Fahnenstange offenbar noch nicht erreicht.
Um es mit anderen Worten zu sagen: Es wird diskutiert,
einen Läufer zu dopen, dem eine Eisenkugel an den Fuß
gebunden wurde. Lassen Sie uns also lieber statt des Do-
pings über die Eisenkugel reden!
Die Medien- und Pressebranche macht eine schwere
Krise durch, die auch eine Gefahr für die Meinungsviel-
falt darstellt. Wir dürfen ihr nun nicht noch mehr Steine in
den Weg legen, sondern müssen diese aus dem Weg räu-
men. Nur so kann Meinungsvielfalt in einem freien publi-
zistischen und ökonomischen Wettbewerb nachhaltig
gesichert werden.
Wir sollten aufhören, in diesem Zusammenhang über
Subventionen zu reden oder ARD und ZDF zu einem
Zu Protokoll
öffentlich-rechtlichen Multimediasystem aufzublähen.
Stattdessen benötigen wir ein Konjunkturpaket III der li-
beralen und haushaltsfreundlichen Art: Konsequenter
und mutiger Abbau von Bürokratie und Investitions-
hemmnissen.
Im Bereich der Werbung gibt es dabei besonderen
Handlungsbedarf. Der Antrag der FDP-Fraktion, der Ih-
nen heute vorliegt, weist den Weg zu weniger Bürokratie
und mehr Wettbewerb und damit zu einer Sicherung der
Medien- und Pressevielfalt auf. Wir sind gefordert, uns
auf Bundes-, Landes- und europäischer Ebene gegen wei-
tere Einschränkungen und Verbote und für eine Entbüro-
kratisierung einzusetzen. Ich bitte Sie dabei um Ihre Un-
terstützung.
Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE):
Der FDP-Antrag, um den es hier geht, korrespondiert
in einem Punkt mit einer Forderung der Linken: Der öf-
fentlich-rechtliche Rundfunk muss werbefrei sein. Die
Skandale um Schleichwerbung haben eines gezeigt: Es
gibt allerorten Missbrauch. Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk muss aber auch deswegen werbefrei sein, damit
die Unabhängigkeit der Berichterstattung dauerhaft ge-
sichert ist. Er muss sich als Korrektiv und nicht als ein
Nachahmer der Privaten verstehen. Hier braucht es
schleunigst ein Umdenken.
Im Kern geht es im Antrag der FDP jedoch um eine
ganz andere Frage, nämlich um die generelle Aufhebung
von Werbebeschränkungen in Medienangeboten. Wir er-
kennen ja an, dass die Wirtschaftsliberalen ihre Wähler-
klientel in der Werbewirtschaft und in den Privatsendern
mit einer schrankenlosen Liberalisierung ein zünftiges
Wahlgeschenk liefern wollen. Doch liebe Kolleginnen
und Kollegen von der FDP, ist es nicht etwas weit gegrif-
fen, wenn man jahrzehntelang bewährte Einschränkun-
gen mal so mir nichts dir nichts aufheben will und sich
zugleich mit Händen und Füßen gegen weitere Ein-
schränkungen bei der Werbung für Alkohol und Tabak
wehrt, sie sogar lockern möchte? Ich bitte Sie! Sinnvolle
Warnungen und die Verbannung von Suchtwerbung – im
Übrigen zusammen mit Aufklärungskampagnen – müssen
zweifelsohne ein gemeinsames Ziel des Deutschen Bun-
destages sein.
Selbstverständlich ist eine Überprüfung der Werbeein-
schränkungen von Zeit zu Zeit sinnvoll und nicht zu bean-
standen. Doch muss in Ihrer Fraktion auch zur Kenntnis
genommen werden, dass die Neufassung der EU-Fern-
sehrichtlinie nichts anderes ist als eine einzige Liberali-
sierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die
Werbung.
Wenn Sie die Bundesregierung nun überzeugen wol-
len, die „gesellschafts-, gesundheits- oder verbraucher-
schutzpolitische Wirkung“ von Werbebeschränkungen zu
evaluieren – und das möglichst noch vor der Bundestags-
wahl im September 2009 zu machen –, und gleichzeitig
darauf drängen, vor der Wahl keine Gesetzesinitiativen in
diesem Bereich mehr auf den Weg zu bringen, so ist dies
nichts mehr als blanke Interessenspolitik. Leider muss
sich die Öffentlichkeit in diesen Zeiten einer Menge un-
24276 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
gegebene Reden
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Lothar Bisky
sinniger Argumente aus der Wirtschaft und auch von Ih-
nen erwehren.
Hören Sie bitte damit auf, Fragen des Gesundheits-
schutzes und des Verbraucherschutzes für die Maximie-
rung von Gewinninteressen zu missbrauchen!
Die Freigabe von Product Placement nach der neuge-
fassten EU-Fernsehrichtlinie wird eine neue Runde im
Kommerzialisierungsprozess des Rundfunks einleiten.
Die Nationalstaaten allerdings sind keineswegs gezwun-
gen, diese eins zu eins umzusetzen. Ausdrücklich ist es
den für die Rundfunkpolitik zuständigen Bundesländern
möglich, Produktplatzierung im deutschen Fernsehen zu
untersagen. Angesichts der Werbekrise mehren sich nun
die Stimmen, den Privatsendern diese neue Einnahme-
quelle zu erschließen. Den Wirtschaftsinteressen der Pri-
vatsender soll zulasten des Verbraucherschutzes nachge-
geben werden. Das lehnt die Linke rundweg ab.
Im Antrag der FDP, der die Presse- und Medienvielfalt
im Titel führt, geht es im Falle des Rundfunks nicht um die
Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher, nicht um
ein vielfältiges kulturelles Programmangebot und schon
gar nicht darum, die Autonomie journalistisch-redaktio-
neller Arbeit abzusichern, sondern einzig und allein um
Geschäftsbeziehungen, ums Geldverdienen, um Rendite.
Die Krise ist hier nur der Deckmantel, die im deutschen
Fernsehen aus gutem Grund bestehenden Werbebe-
schränkungen vollständig zu deregulieren. Wohin voll-
ständige Deregulierung führt, das kann man im Banken-
wesen und in der Finanzwirtschaft derzeit gut studieren.
Und darum sagen wir Linken Nein zum Antrag der FDP.
Grietje Staffelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Es ist unbestritten, dass Werbung heute ein zentrales
Instrument zur Finanzierung von Medieninhalten gewor-
den ist. Das gilt für den privatwirtschaftlich organisierten
Rundfunk im Besonderen, aber auch für den öffentlich-
rechtlichen Rundfunk. Die hieraus resultierende Bedeu-
tung der Werbewirtschaft ist ebenfalls unstrittig. Die
Feststellung im Antrag der FDP-Fraktion, dass die Wer-
bung somit zu einer festen Größe bei der Medienfinanzie-
rung geworden ist und der Werbewirtschaft so auch eine
gesamtwirtschaftlich wichtige Rolle zukommt, ist also
richtig.
In diesem Zusammenhang ist auch nachvollziehbar,
dass die kostenintensive Produktion von medialen Inhal-
ten durch die weltwirtschaftlich angespannte Situation in
Mitleidenschaft gezogen wird. Es steht für Werbung heute
einfach weniger Geld zur Verfügung. Und das Geld, das
zur Verfügung steht, wird nun bewusster ausgegeben.
Man kann also sagen, die goldenen Zeiten der Werbewirt-
schaft sind erst einmal vorbei – wie die in anderen Wirt-
schaftszweigen auch.
Aus diesen Tatsachen nun eine eklatante Gefährdung
der deutschen Medienlandschaft abzuleiten und das Aus-
bleiben der Werbegelder für eine zunehmende Konzentra-
tion im Bereich der Presse verantwortlich zu machen,
geht mir allerdings etwas zu weit. Die beschriebene Pro-
blematik betrifft ja die privaten Rundfunk- und Pressean-
bieter nicht allein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk
Zu Protokoll
leidet unter dieser Situation ebenfalls, da auch hier die
Produktion von Medieninhalten aus verkaufter Werbezeit
mitfinanziert werden muss. Hinzu kommt, dass der öffent-
lich-rechtliche Rundfunk bei der Möglichkeit, Werbung
zu senden, in einem viel stärkeren Maße reglementiert ist
als die privaten Rundfunkanbieter.
Neben den betriebs- und volkswirtschaftlichen Ent-
wicklungen, die nach Ansicht der FDP-Fraktion für den
„Niedergang“ der deutschen Werbewirtschaft verant-
wortlich sind, nennt der FDP-Antrag einen erheblichen
Druck, der von der Politik ausgeübt wird. Gemeint sind ja
damit die Einschränkungen, denen in Deutschland Wer-
bung unterliegt. Der Antrag spricht von Formen und Nor-
men bei der Einschränkung von Werbeformaten und -in-
halten. Hier möchte die FDP also das Rad am liebsten
wieder zurückdrehen und dem Rundfunk die Möglichkeit
einräumen, wieder Werbung für Alkohol und Tabak zu
senden. Das Werbeverbot habe nichts gebracht, so die
Begründung. In diesem Zusammenhang möchte ich nur
kurz auf den aktuellen Drogenbericht der Bundesregie-
rung hinweisen. Trotz der Exzesse wie dem sogenannten
Komasaufen unter Jugendlichen wird ein deutlicher
Rückgang beim Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch
festgestellt. Für uns als Grüne wäre das Aufweichen von
Werbeverboten hier einfach kontraproduktiv. Die er-
reichte Besserung und gestiegene gesellschaftliche Sensi-
bilität beim Thema Tabak und Alkohol würde schlichtweg
untergraben.
In einem weiteren Punkt kritisiert die FDP-Fraktion
die Konkurrenz für private Presse- und Medienanbieter
durch öffentlich-rechtliche Marktteilnehmer; insbeson-
dere durch deren Ausweitung der Onlinemedienangebote.
Hier möchte ich eines ganz klar festhalten: Dem öffent-
lich-rechtlichen Rundfunk ist mit der Verabschiedung des
12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags bei Onlineinhal-
ten ein enges, unserer Meinung nach zu enges Korsett an-
gelegt worden. Hier müsste man sogar gegenteilig argu-
mentieren und sagen, dass der öffentlich-rechtliche
Rundfunk durch diesen Vertrag im freien Wettbewerb um
Kunden auch im Internet deutlich behindert wird. Die
Vorteile liegen also eher aufseiten der privaten Anbieter.
Die sind aber scheinbar nicht in der Lage, diese Vorteile
auch für sich zu nutzen.
In diesem Zusammenhang folgt dann auch die Stan-
dardkritik der FDP an der Gebührenfinanzierung der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter. Die Unter-
stellung, dass die jährlichen Gebühren von knapp 8 Mil-
liarden Euro der unkontrollierten Entwicklung der öffent-
lich-rechtlichen Medienanbieter im Internet Vorschub
leisten und den Wettbewerb verzerren, ist schlichtweg
falsch. Im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist die-
sem Zusammenhang, wie schon erwähnt, ein starkes re-
gulatives Element enthalten.
Aus den Gebührengeldern ein Werbeverbot für die öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abzuleiten, geht
schlichtweg an den Realitäten vorbei. Die Produktions-
kosten der Öffentlich-Rechtlichen können längst nicht
mehr allein über die Gebühren gedeckt werden. Darüber
hinaus ist Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
viel stärker reglementiert und nicht mit Werbung bei den
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24277
gegebene Reden
24278 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Grietje Staffelt
einer Qualitätssteigerung beitragen. Die privaten Anbie-
ter sollten sich endlich dem publizistischen Wettbewerb Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Ab-
auch im Internet stellen. Es ist an der Zeit, dass auch die
Privaten neue, innovative Angebote entwickeln und plat-
zieren.
Statt dem Lamentieren der privaten Medienanbieter
blind zu folgen, sollte die FDP hier eher, wie sie es auch
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 502;
davon
ja: 391
nein: 78
enthalten: 33
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen)
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
(Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Drucksache 16/11919 mit dem Titel „Anbau von gen-
technisch verändertem Mais stoppen“ bekannt: abgege-
bene Stimmen 502. Mit Ja haben gestimmt 391, mit Nein
haben gestimmt 78, Enthaltungen 33. Die Beschluss-
empfehlung ist damit angenommen.
Herbert Frankenhauser
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Jürgen Gehb
Eberhard Gienger
Peter Götz
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Franz Josef Jung
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
(Wiesbaden)
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
geordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Privaten zu vergleichen. Wir
bühren ein wichtiges Instru
rechtlichen Anstalten ein drin
Unabhängigkeit von öffentlich
chert. Die Rundfunkgebühren
hochwertige Angebote der
Angebot, das sich als Richtsc
Inhalte auswirkt.
Der Vorschlag, die Verwen
den Gebührengelder unter
hängige Aufsicht zu stellen,
Landesmedienanstalten, die
Kontrollinstanzen schon exist
stanz ins Leben zu rufen, steht
Ansatz der FDP, für weniger
Der Wettbewerb im Bereic
auch unter der gesamtwirtsc
Rufe der privaten Medienanb
nach einem eigenen Konjunk
erscheinen in diesem Zusam
verständlich. Sie sind aber vo
punkt der Wettbewerbsverzer
zierte öffentlich-rechtliche A
angebote unbegründet. Vielm
gerade die Onlineangebote de
als Grüne sehen in den Ge-
ment, das den öffentlich-
gend notwendiges Maß an
en wie privaten Geldern si-
sind Garant für qualitativ
Öffentlich-Rechtlichen, ein
hnur auch auf die privaten
dung der knapp 8 Milliar-
eine effektive und unab-
ignoriert, dass durch die
KEF und die KEK solche
ieren. Hier eine weitere In-
im klaren Widerspruch zum
Bürokratie zu sorgen.
h der Medien leidet sicher
haftlichen Schieflage. Die
ieter und Werbetreibenden
turpaket oder Schutzschirm
menhang vielleicht sogar
r allem unter dem Gesichts-
rung durch gebührenfinan-
nstalten und deren Online-
ehr ist es doch so, dass
r Öffentlich-Rechtlichen zu
sonst tut, dem Spiel der Mark
sollte den Privaten ans Herz
ten des öffentlich-rechtliche
werbsfähigen Angeboten und
um auf diesem Wege für eine v
zu sorgen.
Vizepräsidentin Dr. h. c
Interfraktionell wird Übe
Drucksache 16/12472 an die
führten Ausschüsse vorgesch
verstanden? – Das ist der Fall
so beschlossen.
Ich unterbreche die Sitzu
des Ergebnisses der namentli
(Unterbrechung von 2
Vizepräsidentin Dr. h. c
Die unterbrochene Sitzung
Ich gebe Ihnen das von d
Schriftführern ermittelte Er
Abstimmung über die Besc
schusses für Ernährung, La
cherschutz zu dem Antrag
tkräfte das Wort reden. Sie
legen, den starken Angebo-
n Rundfunks mit wettbe-
Inhalten entgegenzutreten,
ielfältige Medienlandschaft
. Susanne Kastner:
rweisung der Vorlage auf
in der Tagesordnung aufge-
lagen. Sind Sie damit ein-
. Dann ist die Überweisung
ng bis zum Bekanntgeben
chen Abstimmung.
1.42 bis 21.47 Uhr)
. Susanne Kastner:
ist wieder eröffnet.
en Schriftführerinnen und
gebnis der namentlichen
hlussempfehlung des Aus-
ndwirtschaft und Verbrau-
der Abgeordneten Ulrike
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24279
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Laurenz Meyer (Hamm)
Maria Michalk
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Carsten Müller
(Braunschweig)
Michaela Noll
Franz Obermeier
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Thomas Rachel
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Andreas Schmidt (Mülheim)
Ingo Schmitt (Berlin)
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Thomas Strobl (Heilbronn)
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer (Neuss)
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Werner Wittlich
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr (Neuruppin)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding (Heidelberg)
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
(Hildesheim)
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Gabriele Frechen
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
(Wackernheim)
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz (Essen)
Gerd Höfer
Iris Hoffmann (Wismar)
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Johannes Jung (Karlsruhe)
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel (Berlin)
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller (Chemnitz)
Michael Müller (Düsseldorf)
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche (Cottbus)
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Michael Roth (Heringen)
Ortwin Runde
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Marianne Schieder
Ulla Schmidt (Aachen)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Heinz Schmitt (Landau)
Carsten Schneider (Erfurt)
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
(Everswinkel)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
(Wiesloch)
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Engelbert Wistuba
Waltraud Wolff
(Wolmirstedt)
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
24280 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
FDP
Hans-Michael Goldman
Dr. Konrad Schily
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Karin Binder
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
hea Dückert
schi Eid
Josef Fell
ehring
n Göring-Eckardt
Haßelmann
na Herlitzius
ried Hermann
Hettlich
a Hinz (Herborn)
e Höfken
Enthalten
CDU/CSU
Dorothee Bär
Alexander Dobrindt
Hans-Joachim Fuchtel
Norbert Geis
Josef Göppel
Dr. Wolfgang Götzer
Gerda Hasselfeldt
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
(Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Nein
SPD
Frank Hofmann (Volkach)
Wir sind damit am Schlu
ordnung.
Ich berufe die nächste Si
destages auf morgen, Donn
9 Uhr, ein.
Ulla Lötzer
Dorothée Menzner
Dr. Norman Paech
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer (Köln)
Volker Schneider
(Saarbrücken)
Dr. Ilja Seifert
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck (Bremen)
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
ss unserer heutigen Tages-
tzung des Deutschen Bun-
erstag, den 14. Mai 2009,
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Jürgen Trittin
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
Ich wünsche allen Kolleg
auch den Zuschauerinnen un
büne sowie den Mitarbeiterin
schönen Abend.
Die Sitzung ist geschlosse
(Schluss: 2
Dr. Georg Nüßlein
Eduard Oswald
Daniela Raab
Dr. Peter Ramsauer
Franz Romer
Albert Rupprecht (Weiden)
Dr. Andreas Scheuer
Christian Schmidt (Fürth)
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Matthäus Strebl
Dr. Hans-Peter Uhl
SPD
Markus Meckel
Gesine Multhaupt
Dr. Wolfgang Wodarg
FDP
Mechthild Dyckmans
innen und Kollegen, aber
d Zuschauern auf der Tri-
nen und Mitarbeitern einen
n.
1.48 Uhr)
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Hakki Keskin
Oskar Lafontaine
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Marlene Mortler
Stefan Müller (Erlangen)
Dr. Gerd Müller
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link (Heilbronn)
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth (Quedlinburg)
Markus Kurth
Monika Lazar
Ernst Hinsken
Klaus Hofbauer
Bartholomäus Kalb
Alois Karl
Hartmut Koschyk
Stephan Mayer (Altötting)
Dr. h. c. Hans Michelbach
n
Dr. T
Dr. U
Hans
Kai G
Katri
Britta
Betti
Winf
Peter
Prisk
Ulrik
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24281
(A) (C)
(B) (D)
District Court zur Billigung vorliegenden Vergleichsvor-
schlag, den amerikanische Autoren und Verlage mitMerz, Friedrich CDU/CSU 13.05.2009
toren Millionen vergriffener Bücher ins Netz zu stellen, wenn
diese nicht bis zum Stichtag 4. September 2009 Widerspruch
eingelegt haben?
Die Frage bezieht sich auf den beim New York
Dr. Lauterbach, Karl SPD 13.05.2009
Lösekrug-Möller,
Gabriele
SPD 13.05.2009
Anlage 1
Liste der entschuldi
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
13.05.2009
Aydin, Hüseyin-Kenan DIE LINKE 13.05.2009
Bätzing, Sabine SPD 13.05.2009
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
13.05.2009
Becker, Dirk SPD 13.05.2009
Beckmeyer, Uwe SPD 13.05.2009
Dreibus, Werner DIE LINKE 13.05.2009
Ernst, Klaus DIE LINKE 13.05.2009
Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 13.05.2009
Flach, Ulrike FDP 13.05.2009
Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 13.05.2009
Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 13.05.2009
Gloser, Günter SPD 13.05.2009
Götz, Peter CDU/CSU 13.05.2009
Hänsel, Heike DIE LINKE 13.05.2009
Heil, Hubertus SPD 13.05.2009
Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
13.05.2009
Irber, Brunhilde SPD 13.05.2009
Kortmann, Karin SPD 13.05.2009
Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
13.05.2009
Dr. Lamers (Heidelberg),
Karl A.
CDU/CSU 13.05.2009**
Anlagen zum Stenografischen Bericht
gten Abgeordneten
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung der NATO
Anlage 2
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Alfred Hartenbach auf die Frage
des Abgeordneten Christoph Waitz (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 1):
Was hat die Bundesregierung bereits unternommen bzw.
was gedenkt sie zu unternehmen, um die Urheberrechte deut-
scher Autoren gegenüber dem Internetkonzern Google zu
schützen, der plant, ohne ausdrückliche Zustimmung der Au-
Dr. Möllring, Eva CDU/CSU 13.05.2009
Nešković, Wolfgang DIE LINKE 13.05.2009
Nitzsche, Henry fraktionslos 13.05.2009
Pflug, Johannes SPD 13.05.2009*
Piltz, Gisela FDP 13.05.2009
Raidel, Hans CDU/CSU 13.05.2009
Reichel, Maik SPD 13.05.2009
Dr. Scheer, Hermann SPD 13.05.2009
Schily, Otto SPD 13.05.2009
Seib, Marion CDU/CSU 13.05.2009
Steenblock, Rainder BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
13.05.2009*
Steppuhn, Andreas SPD 13.05.2009
Strothmann, Lena CDU/CSU 13.05.2009
Waitz, Christoph FDP 13.05.2009
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
24282 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Google wegen Verletzung von Urheberrechten ausge-
handelt haben.
Der Vergleichstext sieht vor, dass Google in Zukunft
Werke in verschiedener Weise nutzen darf: Der soge-
nannte display use erlaubt Google den Verkauf des Onli-
nezugangs für Bücher. Bei lieferbaren Werken bedarf es
hierzu vorher einer Zustimmung des Rechteinhabers; bei
vergriffenen Werken muss der Rechteinhaber aktiv wer-
den und die Nutzungen untersagen. Hierzu besteht – ent-
gegen der Aussage in der mündlichen Frage des Kolle-
gen Waitz – bis 5. April 2011 Gelegenheit. Auf der
anderen Seite ist für alle Bücher, die bis zum 5. Mai
2009 digitalisiert werden, eine Vergütung in Höhe von
60 US-Dollar pro Buch vorgesehen; im Hinblick auf zu-
künftige Nutzungen sollen die Rechteinhaber mit 63
Prozent an den Einnahmen beteiligt werden.
Den Wirkungen des Vergleichs können sich die Urhe-
ber und Verlage entziehen, imdem sie bis zum 4. Sep-
tember 2009 ihren Austritt aus dem Vergleich erklären
(opt out). Damit behalten sie auch das Recht auf eine ei-
gene Klage gegen Google. Darüber hinaus besteht die
Möglichkeit, bis 4. September 2009 Einwände gegen
den Inhalt vorbringen (objections), mit dem Ziel, dass
Vergleichsregelungen geändert werden.
Über die entsprechenden Rechte und Möglichkeiten
der Rechteinhaber haben der Börsenverein des deut-
schen Buchhandels und die Verwertungsgesellschaft
Wort ihre Mitglieder informiert.
Der Schutz der Urheber ist der Bundesregierung ein
wichtiges Anliegen. Die Bundesregierung hat daher in
der letzten Legislaturperiode eine Reihe von nationalen
Gesetzgebungsmaßnahmen auf den Weg gebracht, um
den individualrechtlichen Ansprüchen, die sich an die
Herstellung von künstlerischen und wissenschaftlichen
Werken knüpfen, Geltung zu verschaffen. Mit dem
Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der
Informationsgesellschaft, dem sogenannten Zweiten
Korb, wurde das Urheberrecht an das digitale Zeitalter
und die neuen technischen Möglichkeiten angepasst.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung mit dem Gesetz
zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums,
welches am 1. September 2008 in Kraft getreten ist, den
Kreativen in Deutschland ein wichtiges Instrument im
Kampf gegen Internetpiraterie an die Hand gegeben. Die
Rechteinhaber haben nunmehr erstmalig einen Aus-
kunftsanspruch gegen Internetprovider, um Verletzer
von Urheberrechten im Internet zu ermitteln und gegen
diese zivilrechtliche Schritte einzuleiten. Derzeit betei-
ligt sich die Bundesregierung an Überlegungen auf na-
tionaler, europäischer und internationaler Ebene, wie
dieser Schutz verbessert werden kann.
Sollte Google die eingescannten Werke ohne Einver-
ständnis der Rechteinhaber in Deutschland öffentlich zu-
gänglich machen, stehen für die Rechtsinhaber damit
ausreichende Rechteinstrumente zur Verfügung, um sich
hiergegen zur Wehr zur setzen. Für die Rechtedurchset-
zung ist aber stets der Rechteinhaber zuständig. Die
Rechtspolitik gestaltet nur die Rahmenbedingungen.
Anlage 3
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12922, Frage 2):
Welchen aktuellen Stand haben die inhaltlichen und orga-
nisatorischen Vorbereitungen der Errichtung eines Standortes
des Bundesinstituts für Risikobewertung in Neuruppin
– Landkreis Ostprignitz-Ruppin –, und was wurde seit der
Fragestunde vom 28. Januar 2009 seitens des Bundesministe-
riums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
zur weiteren Realisierung dieses Vorhabens getan?
Die BImA legte mit Bericht vom 19. Januar 2009 ein
erstes Zwischenergebnis zur Wirtschaftlichkeitsunter-
suchung vor, welches vom BMELV mit dem BfR und
dem BMVBS erörtert und bewertet worden ist.
Aktuell hat das BMELV die zuständige Dienststelle
der BImA in Potsdam mit Schreiben vom 27. Februar
2009 zur Aufstellung der Entscheidungsunterlage-Bau
(ES-Bau) beauftragt.
Bis August 2009 wird die BImA eine „vertiefende
Machbarkeitsstudie“ erstellen. Auf dieser Grundlage
wird das BMELV in Abstimmung mit dem BMVBS und
dem BMF im September 2009 eine Entscheidung über
den konkreten Standort in Neuruppin treffen.
Anlage 4
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12922, Frage 3):
Wie bewertet die Bundesregierung den Zulassungsantrag
und den Versuch der Freisetzung der sogenannten Amflora-
Kartoffel in Bezug auf das in der Freisetzungsrichtlinie 2001/
18/EG bis zum Jahr 2008 festgelegte Auslaufen der Zulassung
von Markergenen, die ein Risiko für Mensch und Natur dar-
stellen, und wie ist eine 20 Hektar große Freisetzungsfläche in
Mecklenburg-Vorpommern nach Ansicht der Bundesregie-
rung wissenschaftlich zu begründen?
Ein generelles Auslaufen von Antibiotikaresistenz-
Markergenen bis 2008 ist im europäischen Recht nicht
vorgesehen. Nur die Verwendung solcher Markergene,
die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Ge-
sundheit oder die Umwelt haben können, soll schritt-
weise eingestellt werden.
Ob das in der Amflora-Kartoffel verwendete Marker-
gen zu dieser Gruppe gehört, wird gegenwärtig von der
EU-Kommission im Zuge der Zulassungsentscheidung
für die Amflora geprüft.
Zur Frage des Umfangs der Freisetzungsfläche ist zu-
nächst anzumerken, dass weder das europäische, noch
das deutsche Gentechnikrecht eine flächenmäßige Ober-
grenze für Freisetzungen vorsehen.
Gleichwohl ist es Frau Bundesministerin Aigner in
intensiven Gesprächen mit der BASF Plant Science ge-
lungen, den Umfang der Freisetzung von den ursprüng-
lich beantragten 150 Hektar auf nunmehr 20 Hektar zu
verringern. Außerdem wird die Freisetzung nur noch an
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24283
(A) (C)
(B) (D)
einem einzigen Standort durchgeführt. Zusätzlich wur-
den in der Genehmigung gegenüber dem Anbau in den
Vorjahren weitere Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen,
wie etwa die Errichtung eines überwachten Wildschutz-
zauns um die gesamte Freisetzungssfläche und eine stän-
dige Bewachung.
Vor diesem Hintergrund gab es aus Sicht des zustän-
digen BVL keinen rechtlichen Grund, die beantragte
Freisetzungsgenehmigung zu versagen. Auch das
BMELV hatte keinen Anlass der Entscheidung der Fach-
behörde zu widersprechen.
Anlage 5
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die
Frage des Abgeordneten Frank Spieth (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12922, Frage 6):
Was waren konkret die neuen Erkenntnisse, die im Bun-
desministerium für Gesundheit in dieser Legislatur durch ex-
terne Mitarbeiter etwa von Krankenkassen, Unternehmen und
Leistungserbringern gewonnen wurden, und waren daneben
auch Vertreter von Patientenorganisationen als externe Mitar-
beiter beschäftigt?
Soweit in dieser Legislaturperiode im Bundesministe-
rium für Gesundheit (BMG) Mitarbeiterinnen/Mitarbei-
ter von gesetzlichen Krankenkassen bzw. Verbänden der
Leistungserbringer eingesetzt wurden, erfolgte dies auf
Grundlage der solche Maßnahmen ausdrücklich zulassen-
den Regelungen der § 30 Abs. 3 SGB IV, § 211 Abs. 3 so-
wie § 217 Abs. 4 SGB V. Der Einsatz solcher Beschäf-
tigter in obersten Bundesbehörden dient nach den
zitierten Gesetzesbestimmungen ausdrücklich der fachli-
chen Unterstützung auch bei der Gesetzgebung. Der
Bundesrechnungshof hat Abordnungen von Sozialversi-
cherungsträgern auf dieser Basis im BMG überprüft und
nicht beanstandet. Diese Beschäftigten haben spezifi-
sches Fachwissen und praktische Erfahrungen einge-
bracht, die sie aus ihrer beruflichen Tätigkeit erworben
haben.
Externe Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter aus gewerbli-
chen Unternehmen einschließlich privater Krankenversi-
cherungsunternehmen und Patientenorganisationen wa-
ren im BMG in der Legislaturperiode nicht beschäftigt.
Anlage 6
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Michael Müller auf die Frage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 7):
Welche Akten hat der ehemalige Betreiber der Schacht-
anlage Asse II, das Helmholtz-Zentrum München, vor der
Übergabe an das Bundesamt für Strahlenschutz kopiert oder
digitalisiert, und weshalb hat das Helmholtz-Zentrum Mün-
chen nicht den gravierenden Vorfall vom 18. Dezember 1973
in der von ihm Ende 2008 erstellten Liste über Betriebsstörun-
gen bei der Einlagerung von Atommüll in der Schachtanlage
Asse II aufgeführt?
Der ehemalige Betreiber der Schachtanlage Asse II,
das Helmholtz-Zentrum München (HMGU), hat vor der
Übergabe der Asse-Akten an das Bundesamt für Strah-
lenschutz (BfS) Kopien von Asse-Akten gefertigt, um
für zu erwartende künftige Anfragen bezüglich der Asse
auch ohne Rückanforderung von Akten beim BfS kurz-
fristig sprechfähig zu sein. Im 1. Statusbericht des Nie-
dersächsischen Ministeriums für Klimaschutz und Um-
welt ist als Ergebnis einer Mitarbeiterbefragung für den
18. Dezember 1973 ein Vorfall beschrieben, bei dem die
Fahrbahn im Füllort der 750-Sohle und auf dem Weg zur
Einlagerungskammer 12 auf einer Fläche von 250 Quadrat-
meter kontaminiert wurde. Einen Vorfall gleichen Aus-
maßes beschreibt die „Liste der Betriebsstörungen bei
der Einlagerung“ für den 17. Dezember 1973. Aufgrund
dieser Sachlage ist zu vermuten, dass der in der Mündli-
chen Frage angesprochene Vorfall vom 18. Dezember
1973 mit dem Vorfall am 17. Dezember 1973 in der
„Liste über Betriebsstörungen bei der Einlagerung“
identisch ist.
Anlage 7
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Michael Müller auf die Frage
des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 8):
Welche Studien hat die Bundesregierung in Auftrag gege-
ben bzw. befinden sich im Beauftragungsprozess, die zum
Ziel haben, eine Solarunion mit einer Stromerzeugung aus er-
neuerbaren Energien rund um das Mittelmeer – verbunden mit
einem teilweisen Export dieses Stromes in die Länder der
Europäischen Union – strategisch vorzubereiten, und beinhal-
ten diese Studien Berechnungen über den erforderlichen Aus-
bau der Netze inklusive einer Kostenbetrachtung sowie eine
Betrachtung der gesetzlichen Grundlagen für den Ausbau in
den einzelnen Ländern?
Um die Idee eines Solarstromverbundes mit Afrika
voranzutreiben, hat BMU seit 2004 im Rahmen seiner
Forschungsförderung drei Studien des Deutschen Zen-
trums für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützt.
Aktuell setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass
die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen als
größte Herausforderungen für eine erfolgreiche und
nachhaltige Umsetzung des Solarplans im Rahmen der
Union für das Mittelmeer in einer umfassenden Studie
untersucht werden (Master Plan Study).
Die EU Kommission hat eine Studie zur strategischen
Ausrichtung des Solarplans in Auftrag gegeben. Des
Weiteren ist geplant, im Rahmen einer groß angelegten
Nachfolgestudie bestehende bzw. laufende Initiativen
einzubeziehen und Handlungsfelder und -optionen für
den Solarplan abzuleiten.
Eine Möglichkeit zur Umsetzung des Solarplans bie-
tet auch die Option im Rahmen der neuen Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung
der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen,
Stromimporte aus erneuerbaren Energien aus sogenann-
ten Drittländern in die Europäische Union auf das natio-
nale Erneuerbaren-Ziel des Importlandes anzurechnen.
Die Bundesregierung prüft, wie die Anforderungen der
24284 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Richtlinie erfüllt und EEG-kompatible Anreize für diese
Stromimporte gesetzt werden können.
Die vom BMU geförderte TRANS-CSP Studie des
deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zeigte
2006 Möglichkeiten und Kosten der Übertragung von
Solarstrom von Nordafrika nach Europa auf. Für das
Jahr 2020 wurden hierin Stromgestehungskosten für so-
lare Stromimporte nach Deutschland von circa 6 ct/kWh
prognostiziert. Unterstellt wurden dabei eine Stromver-
teilung mit Hochspannungsgleichstromübertragung und
eine importierte jährliche Strommenge von 15 TWh un-
ter Berücksichtigung eines bestimmten Ausbauszenarios
für erneuerbare Energien in Europa und der MENA-Re-
gion.
Aussagen bzw. Prognosen zu den Kosten von in
Nordafrika solar erzeugtem und nach Deutschland bzw.
Europa transportiertem Strom weisen im Vergleich je-
doch eine beträchtliche Schwankungsbreite auf:
Der europäische Verband der solarthermischen Kraft-
werksindustrie ESTELA schätzte mit Blick auf die
Umsetzung des Solarplans im letzten Jahr die Strom-
gestehungskosten für solarthermische erzeugten Strom
für 2020 auf circa 16 ct/kWh. Zugrunde gelegt wurden
ebenfalls die Hochspannungsgleichstromübertragung
und ein Ausbauszenario für 20 GW solarthermische
Kraftwerksleistung.
Die geplanten Untersuchungen im Rahmen der Mas-
ter Plan Study sollen auch Aufschluss über die Kosten
und Maßnahmen von nach Europa exportierten und in
Nordafrika erneuerbar erzeugten Stroms geben. Dabei
wird es auch darauf ankommen, im Einzelfall zu unter-
suchen, wie viel vor Ort genutzt und wie viel exportiert
werden kann.
Anlage 8
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Frage des
Abgeordneten Frank Spieth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 16/12922, Frage 9):
Wie viele externe Mitarbeiter, also zum Beispiel von Un-
ternehmen oder Verbänden entsendete, gibt es derzeit in den
Bundesministerien, und welche Organisationen sind in den je-
weiligen Bundesministerien – bitte getrennt nach Bundes-
ministerien aufgliedern – vertreten?
Die Bundesregierung hat sich zum Thema Einsatz
externer Personen in der Bundesverwaltung verpflichtet,
dem Haushalts- und Innenausschuss des Deutschen Bun-
destag alle sechs Monate zu berichten. Dieser Berichts-
pflicht ist das Bundesministerium des Innern mit dem
Bericht vom 20. März 2009 und dem Nachtrag vom
17. April 2009 bereits das zweite Mal nachgekommen.
Im Zeitraum vom 1. September 2008 bis 31. Januar
2009 waren danach insgesamt 48 externe Personen in
9 (von insgesamt 22) obersten Bundesbehörden und in
zwei (von über 400) Geschäftsbereichsbehörden be-
schäftigt. 32 dieser Personen hatten Ihre Tätigkeit bereits
vor Inkrafttreten der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift
vom 26. Juli 2008 begonnen. Diese Einsätze werden zu
den vereinbarten Bedingungen zu Ende geführt.
Entsendende Stellen waren in 35 Fällen bundesnahe
Einrichtungen, in 6 Fällen gemeinnützige Einrichtungen
und in 7 Fällen Wirtschaftsunternehmen und Verbände
der Wirtschaft.
In 3 Fällen fand der Einsatz im Rahmen des Perso-
nalaustausches statt.
Festzustellen ist, dass die Anzahl der externen Perso-
nen sehr überschaubar ist und die Dauer der Beschäfti-
gung sich weiter verkürzt.
Der Haushaltsausschuss hat in seiner Sitzung am
22. April 2009 den vorgelegten Bericht ohne Beratung
zur Kenntnis genommen. Der Innenausschuss hat das
Thema noch nicht auf die Tagesordnung gesetzt.
Der nächste Bericht wird für den Zeitraum 1. Februar
bis 30. Juni 2009 erstellt und dem Deutschen Bundestag
im September 2009 vorgelegt.
Anlage 9
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Frage der
Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU)
(Drucksache 16/12922, Frage 10):
Wie ist der Sachstand – Anzahl der Anträge zum jetzigen
Zeitpunkt, Bearbeitungsquote, Anzahl der Positiv- bzw. Nega-
tivbescheide, Darstellung der Ablehnungsgründe – in Sachen
Antragstellung zur Gewährung einer Entschädigung nach dem
Häftlingshilfegesetz für den anspruchsberechtigten Personen-
kreis, zum Beispiel politische Gefangene, soldatenähnliche
Gefangene?
Im Jahr 2008 wurden bei der Stiftung für ehemalige
politische Häftlinge (StepH) 1 752 Anträge auf Unter-
stützungsleistungen nach dem Häftlingshilfegesetz
(HHG) gestellt. Dies entspricht einer Steigerung von
50,9 Prozent im Vergleich zum Jahr 2007, in dem 1 161
Unterstützungsanträge gestellt wurden. Die Steigerungs-
tendenz hat sich im laufenden Jahr 2009 fortgesetzt. So
wurden allein im ersten Quartal 2009 bereits 758 An-
träge gestellt, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren
es noch 346. Bis zum 7. Mai 2009 waren insgesamt
1 048 Anträge eingegangen.
2008 wurden dem Bewilligungsausschuss der Stif-
tung 1 844 Anträge, dem Widerspruchsausschuss 49 An-
träge erneut vorgelegt. Von diesen insgesamt 1 893 An-
trägen wurden 1 559 (82,4 Prozent) bewilligt und 334
(17,6 Prozent) abgelehnt. Im laufenden Jahr 2009 wur-
den bislang dem Bewilligungsausschuss 772 Anträge
und dem Widerspruchsausschuss 19 Anträge vorgelegt.
Von diesen insgesamt 791 Anträgen wurden 672
(85 Prozent) bewilligt.
Die Ablehnungen beruhen ganz überwiegend darauf,
dass entweder die materiellen Voraussetzungen des Häft-
lingshilfegesetzes – über den Status als ehemaliger poli-
tischer Häftling entscheiden die zuständigen Landesbe-
hörden – nicht erfüllt sind oder die maßgeblichen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24285
(A) (C)
(B) (D)
Einkommensgrenzen für eine Unterstützungsleistung
überschritten werden.
Der Anstieg der Antragszahlen ist insbesondere da-
rauf zurückzuführen, dass die Neufassung der Arbeitsan-
weisung des Vorstandes für die Bearbeitung von Unter-
stützungsanträgen nach § 18 des Häftlingshilfegesetzes
vom 25. April 2008 Verbesserungen für die Antragsteller
(Anhebung der Einkommensgrenzen, Wegfall der Be-
grenzung auf maximal 1 Wiederholungsantrag) vorgese-
hen hat. Daneben hat das Heimkehrerentschädigungsge-
setz (HKEntschG) dazu geführt, dass Zivilinternierte,
die nicht als Geltungskriegsgefangene im Sinne des
HKEntschG anerkannt werden konnten, einen Unterstüt-
zungsantrag bei derStepH gestellt haben. Im Übrigen
dürfte auch die erhöhte Aufmerksamkeit in den Medien
zu einer Steigerung der Zahl der Anträge geführt haben.
Anlage 10
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Frage der
Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Druck-
sache 16/12922, Frage 11):
Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung anlässlich des
8. Mai 2009, des Jahrestages der Befreiung Deutschlands vom
Faschismus, unternommen?
Am 8. Mai 2009 jährte sich die Gesamtkapitulation
der Deutschen Wehrmacht, mit der der zweite Weltkrieg
in Europa endete, zum 64. Mal. An das Kriegsende
wurde zu bestimmten „runden“ Jubiläen wie 1985 und
2005 feierlich erinnert. Regelmäßige jährliche Aktivitä-
ten zum 8. Mai, der in Deutschland kein Feiertag ist, fin-
den auf Bundesebene nicht statt.
Anlage 11
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des
Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 12):
Wird die Bundesregierung zur Umsetzung des Beschlus-
ses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 2008
(1 BvR 2388/03), die Finanzverwaltung müsse das Daten-
schutzgrundrecht sowie effektiven Rechtsschutz gewährleis-
ten, der Aufforderung durch die Konferenz der Bundes- und
Länderdatenschutzbeauftragten vom 27. bis 29. März 2009,
nun „unverzüglich“ die Verwaltungsanweisung des Bundes-
ministeriums der Finanzen vom 17. Dezember 2008 aufzuhe-
ben, nachkommen, wonach die Bürger ihre Steuerakten im
Finanzamt nur bei „berechtigtem Interesse“ einsehen dürfen,
und wie rechtfertigt die Bundesregierung diesen abermaligen
Versuch, Bürgern die sie unmittelbar betreffenden Informatio-
nen vorzuenthalten?
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei-
dung vom 10. März 2008 deutlich gemacht, dass Ein-
schränkungen des Informationsrechts der Betroffenen
zulässig sind, wenn sie gegenläufigen Interessen von
größerem Gewicht dienen. Das mit der Geheimhaltung
von zu Kontroll- und Überwachungszwecken erhobenen
steuerlichen Daten verfolgte Ziel der gleichmäßigen
Festsetzung und Erhebung von Steuern kann im Einzel-
fall ein höheres verfassungsrechtliches Gewicht haben
als das Informationsinteresse des Betroffenen. Eine Aus-
kunftserteilung könnte es dem Betroffenen nämlich er-
möglichen, sein Erklärungsverhalten auf den Kenntnis-
stand der Finanzbehörden einzustellen. Dies würde zu
einer weitgehenden Wertlosigkeit der Daten und damit
zu einer Erschwerung oder sogar Unmöglichkeit der
Aufgabenerfüllung der Finanzbehörde führen.
Mit dem von Ihnen angesprochenen BMF-Schreiben
vom 17. Dezember 2008 wurde – im Vorgriff auf eine ge-
setzliche Regelung in der Abgabenordnung – im Verwal-
tungsweg in Anlehnung an § 19 des Bundesdatenschutz-
gesetzes ein genereller Auskunftsanspruch gegenüber
Finanzämtern anerkannt. Wie vom Bundesverfassungs-
gericht gefordert, hat die Finanzbehörde dabei auch das
Auskunftsinteresse des Betroffenen und das Geheimhal-
tungsinteresse des Staates gegeneinander abzuwägen.
Die im BMF-Schreiben aufgestellte Forderung nach
einem „berechtigten Interesse“ des Betroffenen, an der
sich die Kritik der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder entzündet hat, hat allein zum Ziel, dass
der Betroffene schon bei seiner Antragstellung darlegt,
aus welchem Grund er die Auskunft beantragt. Dies er-
leichtert es der Finanzbehörde, die Abwägung zwischen
dem Auskunftsinteresse des Betroffenen und ihrem Ge-
heimhaltungsinteresse ohne weitere Nachfragen beim
Antragsteller vorzunehmen.
Nach Mitteilung der obersten Finanzbehörden der
Länder hat sich das BMF-Schreiben in der Praxis be-
währt, nur in ganz wenigen Ausnahmefällen musste die
Erteilung einer Auskunft verweigert werden.
Anlage 12
Antwort
des Staatsministers Karl Diller auf die Frage der Abge-
ordneten Cornelia Pieper (FDP) (Drucksache 16/12922,
Frage 15):
Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass der
Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, die drei Wis-
senschafts- und Forschungsprogramme Exzellenzinitiative,
Hochschulpakt und Pakt für Innovation und Forschung unter
Haushaltsvorbehalt gestellt hat und damit den jüngsten Be-
schluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz infrage
stellt und die bevorstehende Ministerrunde mit der Bundes-
kanzlerin konterkariert?
Es ist unbestritten, dass Bildung, Wissenschaft und
Forschung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands von
besonderer Bedeutung sind. Schwerpunkte sind die in
Rede stehenden Maßnahmen. Die gemeinsame Wissen-
schaftskonferenz hat selbst betont, dass die Beschlüsse
unter dem Vorbehalt der Haushaltsaufstellung durch die
jeweiligen Regierungen von Bund und Ländern stehen.
In der Finanzministerkonferenz der Länder gab es
bisher keine Mehrheit, Mittel im von der Gemeinsamen
Wissenschaftskonferenz zum jetzigen Zeitpunkt vorge-
schlagenen Umfang zu beschließen.
Die Bundeskanzlerin wird mit den Regierungschefs
der Länder das Thema am 4. Juni 2009 erörtern.
24286 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 13
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die
Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frank-
furt) (FDP) (Drucksache 16/12922, Frage 18):
Wie bewertet die Bundesregierung die gelegentlich postu-
lierten Forderungen nach einer telekommunikationsspezifi-
schen Zugangs- und/oder Entgeltregulierung der Fernseh-
bzw. Koaxialkabelnetze im Allgemeinen sowie vor verfas-
sungsrechtlichem Hintergrund, und welche Erkenntnisse lie-
gen ihr zu entsprechenden Regimen im EU-Ausland bzw. auf
EU-Ebene vor?
Da das Telekommunikationsgesetz technik- und in-
halteneutral ausgestaltet ist, sind Koaxialkabelnetze be-
reits heute vom Anwendungsbereich des Telekommuni-
kationsgesetzes umfasst. Ob und inwieweit ihnen in
Zukunft telekommunikationsspezifische Zugangs- und/
oder Entgeltpflichten aufzuerlegen sind und welche Fol-
gen die seit jüngerer Zeit erfolgende Nutzung der Kabel-
netze zum Angebot weiterer Dienstleistungen wie Tele-
fonie und Internet auf die marktbeherrschende Stellung
anderer Netzbetreiber hat, kam nicht generell beantwor-
tet werden. Diese Frage entscheidet sich aufgrund der
nach dem Telekommunikationsgesetz von der Bundes-
netzagentur durchzuführenden Marktdefinitions- und
Marktanalyseverfahren. Neue Entwicklungen aus der
voranschreitenden Konvergenz der Netze können hierbei
berücksichtigt werden. Diesen Ansatz des Telekommu-
nikationsgesetzes hält die Bundesregierung weiterhin für
richtig.
Verfassungsrechtliche Probleme sind mit dieser Frage-
stellung nicht verbunden. Insbesondere werden Belange
des Rundfunks nicht berührt, da das Telekommunikations-
gesetz auch im Kabelbereich allein Übertragungsfragen
regelt. Der technikneutrale Ansatz des Telekommunika-
tionsgesetzes entspricht zudem dem Gleichheitsgrund-
satz des Grundgesetzes.
Detaillierte Erkenntnisse zu entsprechenden Regi-
men im EU-Ausland bzw. auf EU-Ebene liegen der Bun-
desregierung nicht vor.
Anlage 14
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die
Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 19):
Welche Methoden will die Betreibergesellschaft Nord-
Stream-Konsortium nach der angekündigten Prüfung der Al-
ternativen zur Reinigung der Ostseepipeline (vergleiche Ant-
wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsdrucksache 16/8041)
nun genehmigen lassen, und wie bewertet die Bundesregie-
rung diese Methoden?
Nach den von der Nord Stream AG eingereichten An-
tragsunterlagen zur Genehmigung der Pipeline wird zur
Reinigung der Pipeline kein Glutaraldehyd verwendet.
Die Reinigung erfolgt nach den Antragsunterlagen mit
gefiltertem Meerwasser für die Offshore-Abschnitte
bzw. gefiltertem Süßwasser für die Landabschnitte. Zum
Trocknen wird Trockenluft verwendet. Das Meerwasser
soll dem finnischen Meerbusen entnommen werden und
dort wieder eingeleitet werden.
Die entsprechenden Anträge müssen von den zustän-
digen Genehmigungsbehörden, das heißt in Deutschland
dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
(BSH) und dem Bergamt Stralsund im Rahmen des an-
hängigen Genehmigungsverfahrens geprüft werden.
Anlage 15
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die
Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 22):
Hält die Bundesregierung den Chef der Deutschen Ener-
gie-Agentur GmbH, Stephan Kohler, nach seinem zunächst
angekündigten und dann wieder rückgängig gemachten
Wechsel zum Energieoligopolisten RWE noch für tragbar, und
erkennt sie bei ihm die notwendige Unabhängigkeit oder Zu-
verlässigkeit für diese Führungsposition?
Herr Stephan Kohler hat als Geschäftsführer der
Deutschen Energie-Agentur GmbH diese in den vergan-
genen Jahren sehr erfolgreich aufgebaut und damit eine
wesentliche Grundlage für eine breitere Verankerung der
Energieeffizienzpolitik der Bundesregierung in allen be-
troffenen gesellschaftlichen Gruppen gesetzt. Diese Ar-
beit verlief stets zuverlässig und unabhängig von Par-
tikularinteressen Einzelner. Auch im Zusammenhang
mit den Plänen für einen Wechsel zur RWE AG liegen
der Bundesregierung keinerlei Hinweise vor, die Zweifel
an einer unparteiischen Führung der Deutschen Energie-
Agentur GmbH entstehen lassen könnten.
Anlage 16
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die
Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 23):
Ist es immer noch Ziel der Bundesregierung, das Energie-
effizienzgesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verab-
schieden?
Der Entwurf eines Energieeffizienzgesetzes befindet
sich in der Ressortabstimmung. Der Gesetzentwurf dient
der Umsetzung der europäischen Energiedienstleistungs-
richtlinie (2006/32/EG). Deshalb besteht grundsätzlich
erhebliches Interesse an einem zügigen Abschluss des
Vorhabens. Da zwischen dem federführenden Bundes-
ministerium für Wirtschaft und Technologie und dem
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit inhaltlicher Dissens besteht, über den noch
nicht abschließend auf politischer Ebene entschieden ist,
ist jedoch offen, ob das Gesetz noch in dieser Legislatur-
periode verabschiedet werden kann.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24287
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 17
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die
Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 24):
Welche Aussagen hat die Bundesanstalt für Geowissen-
schaften und Rohstoffe, BGR, bzw. haben in der BGR zustän-
dige Mitarbeiter im Laufe der Jahre bis dato über die Eignung
der Asse, des Bergwerks Morsleben sowie von Gorleben als
Endlager für Atommüll getroffen?
Die Untersuchung der Eignung eines Endlagers ein-
schließlich des Standortes obliegt dem Antragsteller und
späteren Betreiber. Die Entscheidung über die Zulassung
eines Endlagers mit der Bestätigung und Feststellung
seiner Eignung nach den Anforderungen des Atomgeset-
zes obliegt der zuständigen atomrechtlichen Genehmi-
gungsbehörde für den erforderlichen Planfeststellungs-
beschluss nach § 9 b des Atomgesetzes. Antragsteller ist
gemäß Atomgesetz das Bundesamt für Strahlenschutz.
Zuständige Genehmigungsbehörde ist die von der Lan-
desregierung des entsprechenden Bundeslandes be-
stimmte oberste Landesbehörde. Die BGR ist weder An-
tragstellerin noch Genehmigungsbehörde.
Die BGR hat im Laufe der Jahre im Rahmen ihrer Zu-
ständigkeit spezifische geowissenschaftliche Fragestel-
lungen zur Asse, zu Morsleben und zu Gorleben bearbei-
tet. Dies erfolgte immer im Auftrag des jeweiligen
Antragstellers/Betreibers oder als Gutachter für die zu-
ständige Landesgenehmigungsbehörde. Aussagen über
die „Eignung“ einer bestimmten Anlage „als Endlager
für“ radioaktive Abfälle hatte die BGR dabei nicht zu
treffen.
Anlage 18
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Klaus Brandner auf die Fragen
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12922, Fragen 25 und 26):
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, um Perso-
nen, die 1945 im Zusammenhang mit dem Kriegsende bereits
als Kinder interniert waren und schwere Arbeit verrichten
mussten, zu einem Rentenanspruch für die Zeit, in der sie
noch nicht 14 Jahre alt waren, zu verhelfen, und wie beurteilt
die Bundesregierung die im Petitionsverfahren Pet 3-15-15-
8213-030095 zu den Problemen ehemals internierter Kinder
wiedergegebene Auffassung des damaligen Bundesministe-
riums für Gesundheit und Soziale Sicherung, dass Kinder un-
ter 14 Jahren typischerweise ihre Schulpflicht erfüllen?
Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl
der heute noch Lebenden, die im Zusammenhang mit dem
Kriegsende 1945 als unter 14-Jährige interniert wurden und
arbeiten mussten?
Zu Frage 25:
Ich sehe keine Möglichkeit, Zeiten, in denen Kinder
schon vor Vollendung des 14. Lebensjahres interniert
waren und schwere Arbeit verrichten mussten, renten-
rechtlich zu berücksichtigen.
Im Rentenrecht können bestimmte Zeiten, in denen
durch außergewöhnliche Umstände keine Beiträge ge-
zahlt werden konnten, als Ersatzzeiten berücksichtigt
werden. Zu den Ersatzzeiten zählen zum Beispiel
Kriegsgefangenschaft, Internierung und Verschlep-
pung. Ersatzzeiten haben jedoch keinen allgemeinen
Entschädigungscharakter. Sie werden erst ab Voll-
endung des 14. Lebensjahres berücksichtigt, da bei
typisierender Betrachtung erst ab diesem Alter Heran-
wachsende eine rentenversicherungspflichtige Beschäf-
tigung aufgenommen haben und ihnen erst von da an
durch eine Internierung ein Nachteil in ihrer Rentenbio-
graphie entstehen konnte.
In dem in Ihrer Frage angesprochenen Petitionsver-
fahren wurde diese Argumentation zusätzlich um den
Aspekt der im Regelfall geltenden Schulpflicht von Kin-
dern unter 14 Jahren ergänzt. Dieser Aspekt ist zwar
grundsätzlich geeignet, das kritisierte Mindestalter für
die Anerkennung von Ersatzzeiten ergänzend zu be-
gründen. Allerdings hätte die Stellungnahme an den
Petitionsausschuss mit Rücksicht auf den Personenkreis,
dem zusätzliche Ansprüche verwehrt werden, einfühlsa-
mer formuliert werden sollen.
Zu Frage 26:
Die Zahl ist der Bundesregierung nicht bekannt.
Anlage 19
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Klaus Brandner auf die Fragen
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12922, Fragen 27 und 28):
Wie viele europäische Parkausweise für Behinderte wur-
den entsprechend der Empfehlung des EU-Rates vom 4. Juni
1998 bisher in der Bundesrepublik Deutschland ausgestellt,
und inwieweit haben sich diese Ausweise bewährt?
In welcher Weise hat sich die Bundesregierung bisher in
der Europäischen Union für die Einführung eines europäi-
schen Behindertenausweises eingesetzt, und welche Gründe
gibt es für das Fehlen eines solchen Ausweises, obwohl dies
schon seit längerer Zeit aus den Reihen der Behindertenbewe-
gung vorgeschlagen wird?
Zu Frage 27:
Der Bundesregierung liegen keine bundesweiten Sta-
tistiken über die Anzahl der europäischen Parkausweise
vor.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die euro-
päischen Parkausweise die Mobilität behinderter Men-
schen in Europa fördern.
Zu Frage 28:
Der Schwerbehindertenausweis dient dem Nachweis
für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsaus-
gleichen, die schwerbehinderten Menschen in Deutsch-
land zustehen. Gültigkeit hat er folglich nur in Deutsch-
land, genauso wie entsprechende ausländische Ausweise
keine Gültigkeit in Deutschland haben. In den letzten
Jahren sind immer wieder Forderungen laut geworden,
in der Europäischen Union einen einheitlichen Europäi-
schen Behindertenausweis einzuführen. Ein solcher
24288 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Ausweis käme nur dann Betracht, wenn der berechtigte
Personenkreis der behinderten Menschen und die Rege-
lungen in den Mitgliedstaaten über Sozialleistungen für
behinderte und schwerbehinderte Menschen annähernd
gleich wären. Dies ist aber gegenwärtig nicht der Fall,
sie sind vielmehr sehr unterschiedlich. Daher schätzt die
Bundesregierung die Chancen für einen einheitlichen eu-
ropäischen Behindertenausweis eher gering ein.
Eine Harmonisierung ist in der Vergangenheit ge-
scheitert. So versuchten bereits in den 80er-Jahren
Frankreich, Italien und Deutschland einen gemeinsamen
Schwerbehindertenausweis einzuführen. Bei den mehr-
jährigen und langwierigen Abstimmungen konnte man
sich, nicht zuletzt aus Kostengründen, nur über geringe
Vorteile einigen, die über den Ausweis erreicht werden
sollten. Das nährte die Befürchtung, dass an einen neuen
Ausweis zu große Erwartungen gestellt würden, die in
der Praxis zu Enttäuschungen führen könnten. Das Pro-
jekt wurde dann nicht weiter verfolgt, zumal andere EU-
Staaten kein Interesse an einem gemeinsamen Ausweis
zeigten.
Die Bundesregierung war damals der Auffassung, ein
solcher Ausweis nütze dann den behinderten Menschen,
wenn die Nachteilsausgleiche, die damit in Anspruch ge-
nommen werden können, in den verschiedenen Ländern
annähernd gleich sind. Dies war damals und ist auch
heute nicht der Fall. Eine Harmonisierung auf dem größ-
ten gemeinsamen Nenner erscheint nicht wahrschein-
lich. Eine Harmonisierung aber, die zum Wegfall von
Vorteilen im eigenen Land führt, dürfte von den Verbän-
den behinderter Menschen kaum begrüßt werden.
Gleichwohl wird die Bundesregierung, sollte die Euro-
päische Kommission eine weitere Initiative für einen
europäischen Schwerbehindertenausweis starten, diese
konstruktiv begleiten.
Anlage 20
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Ulrich Kasparick auf die Frage
der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU)
(Drucksache 16/12922, Frage 29):
Welche TEN-V-Infrastrukturprojekte meldet die Bundes-
regierung – aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Kosten-
volumen – auf die Aufforderung der Europäischen Kommis-
sion zur Einreichung von Vorschlägen 2009 für das
Transeuropäische Verkehrsnetz – TEN-V –, für deren Finan-
zierung Mittel in Höhe von knapp 1 Milliarde Euro – beste-
hend aus 500 Millionen Euro aus dem Europäischen Konjunk-
turprogramm, höchstens 370 Millionen Euro aus dem
mehrjährigen Arbeitsprogramm sowie dem flexiblen jährli-
chen Arbeitsprogramm mit 140 Millionen Euro – zur Verfü-
gung stehen?
Die Anträge sind derzeit noch in der Bearbeitung, Ab-
gabetermin ist der 15. Mai 2009. Hinzu kommt, dass die
Anträge in Form einer Ausschreibung eingereicht wer-
den müssen und es daher nicht statthaft ist, vor Eröff-
nung durch die Dienststellen der Kommission Einzelhei-
ten zu veröffentlichen.
Anlage 21
Antwort
des Staatsministers Ulrich Kasparick auf die Frage des
Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 30):
Welche Lärmsanierungsprojekte an Bundesfernstraßen, ins-
besondere in den verkehrslärmbelasteten Ballungszentren,
sind in den Konjunkturpaketen enthalten, und inwieweit wer-
den Mittel aus dem Mautaufkommen auch für die Lärmsanie-
rung an bestehenden Bundesfernstraßen verwendet?
In den Konjunkturprogrammen I und II sind keine
Lärmsanierungsprojekte an Bundesfernstraßen in der
Baulast des Bundes enthalten. Aus Kapitel 1202, Titel-
gruppe 05 (Maut) werden ebenfalls keine Mittel für die
Lärmsanierung an bestehenden Bundesfernstraßen ver-
wendet.
Lärmsanierung erfolgt auf freiwilliger Basis mit dem
laufenden Bundesprogramm, dessen Mittelansätze be-
reits vor den Konjunkturprogrammen erhöht wurden.
Inwieweit Mittel aus dem Konjunkturprogramm II für
Lärmsanierung an Bundesstraßen in der Baulast der
Kommunen verwendet werden, ist dem Bundesministe-
rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht be-
kannt.
Anlage 22
Antwort
des Staatsministers Ulrich Kasparick auf die Frage des
Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 31):
Wie steht die Bundesregierung zu Geschwindigkeitsredu-
zierungen auf Autobahnen tagsüber auf 120 Kilometer pro
Stunde und nachts von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr für Pkw auf
80 Kilometer pro Stunde und Lkw auf 60 Kilometer pro
Stunde aus Lärmschutzgründen?
Dort, wo Geschwindigkeitsbeschränkungen aus
Lärmschutzgründen geboten sind, haben die Straßenver-
kehrsbehörden der Länder die Möglichkeit, diese nach
umfassender Abwägung der konkreten Umstände des
Einzelfalls anzuordnen. In die Abwägung ist zum Bei-
spiel die konkrete Funktion der jeweiligen Straße einzu-
stellen. Um den besonderen Bedürfnissen im Einzelfall
Rechnung zu tragen, haben die Straßenverkehrsbehörden
auch die Möglichkeit, die Geschwindigkeitsanordnun-
gen auf bestimmte Kraftfahrzeugarten oder zeitlich zu
beschränken. Die konkrete Situation vor Ort im Einzel-
fall kann durch die Bundesregierung nicht beurteilt wer-
den.
Die Wirksamkeit einer Geschwindigkeitsbeschrän-
kung zum Zweck der Lärmverminderung ist allerdings
relativ gering. Bei einem (für Autobahnen realistischen)
Lkw-Anteil am Gesamtverkehr von 25 Prozent errechnet
sich beispielsweise aus einer Reduzierung der Ge-
schwindigkeit von 130 km/h auf 100 km/h ein Rückgang
des Mittelungspegels von 1,0 dB(A) und von 100 km/h
auf 80 km/h ein Rückgang des Mittelungspegels von
0,5 dB(A).
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24289
(A) (C)
(B) (D)
Diese geringen Differenzen können vom menschli-
chen Ohr nicht als Verbesserung wahrgenommen wer-
den.
Anlage 23
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Fragen-
der Abgeordneten Cornelia Pieper (FDP) (Druck-
sache 16/12922, Frage 36):
Muss davon ausgegangen werden, dass der am 6. Mai
2009 durch die Bundesministerin für Bildung und Forschung
vorgestellte Acht-Punkte-Plan für Innovation und Wachstum
(Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung vom 6. Mai 2009) ebenfalls infrage gestellt werden
wird?
Der Acht-Punkte-Plan für Innovation und Wachstum
ist eine politische Initiative der Bundesministerin für
Bildung und Forschung, der die aus ihrer Sicht erforder-
lichen zentralen Maßnahmen der Innovationspolitik in
den kommenden Jahren umfasst.
Zur Fortsetzung der drei Pakte, die in dem Acht-
Punkte-Plan angesprochen sind, wird auf die Entschei-
dung der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten
der Länder am 4. Juni 2009 verwiesen.
Anlage 24
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12922, Frage 37):
Inwiefern hält die Bundesregierung an ihrem im Koali-
tionsvertrag vereinbarten Ziel fest, die Studierendenquote ei-
nes Altersjahrganges auf 40 Prozent zu steigern, wenn gleich-
zeitig die Bereitstellung der Mittel für den Hochschulpakt II
auf die nächste Legislaturperiode verschoben wird?
Die Bundesregierung hat keinen Grund, von ihrem
Ziel einer Studienanfängerquote von 40 Prozent abzurü-
cken. Dank des Hochschulpakts, dessen erste Pro-
grammphase bis zum 31. Dezember 2010 dauert, konnte
die Studienanfängerquote bereits von 37 Prozent im Jahr
2005 auf voraussichtlich 39,3 Prozent im Jahr 2008 er-
höht werden. Damit ist ein Rekordniveau erreicht. In den
kommenden Jahren wird der Pakt seine Wirkung weiter
entfalten und die Studienanfängerquote erhöhen.
Anlage 25
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12922, Frage 38):
Weshalb vertagt die Bundesregierung ihre Entscheidung,
Mittel für die Fortschreibung des Paktes für Forschung und
Innovation, den Hochschulpakt II, der 274 000 zusätzliche
Studienplätze an den Hochschulen bringen soll, und die Ex-
zellenzinitiative bereitzustellen, auf die Zeit nach der Bundes-
tagswahl im September 2009 vor dem Hintergrund, durch
diese Programme auch Arbeitsplätze erhalten und schaffen zu
können?
Die Bundesregierung hat die Entscheidung über die
Fortsetzung der drei Initiativen nicht vertagt. Die Regie-
rungschefs von Bund und Ländern haben sich bereits am
22. Oktober 2008 anlässlich des Qualifizierungsgipfels
auf die Fortsetzung der drei Initiativen Hochschulpakt
2020, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und In-
novation verständigt. In Umsetzung dieser Beschlüsse
haben sich die Fachminister von Bund und Ländern auf
der Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz
am 22. April 2009 auf konkrete Vorschläge für eine Fort-
setzung verständigt, diese Einigung aber unter Vorbehalt
der Haushaltsaufstellung durch die jeweiligen Regierun-
gen von Bund und Ländern gestellt.
Diesen Haushaltsvorbehalt haben die Finanzminister
der Länder mit ihrem Beschluss vom 30. April 2009 be-
stätigt. Wie vorgesehen, beraten die Regierungschefs
von Bund und Ländern am 4. Juni 2009 über die Fortset-
zung von Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und Pakt
für Forschung und Innovation.
Anlage 26
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Böhmer auf die
Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE
LINKE) (Drucksache 16/12922, Frage 39):
Welche NS-Konzentrationslager hat die Bundeskanzlerin
wann in ihrer Amtszeit besucht?
Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat in ihrer Amts-
zeit bislang keine Gedenkstätte in ehemaligen Konzen-
trationslagern besucht. Sie hat den Ort der Information
des Denkmals für die ermordeten Juden Europas besucht
(am 26. Januar 2009) und dreimal die Gedenkstätte Yad
Vashem in Israel (am 30. Januar 2006, am 1. April 2007
und am 17. März 2008). An diesen Orten wird an das
singuläre Menschheitsverbrechen des Holocausts er-
innert.
Die Bundesrepublik Deutschland trägt eine besondere
Verantwortung für die Opfer der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft und für die Folgen des Zweiten Welt-
krieges. Wie in der Fortschreibung der Gedenkstätten-
konzeption des Bundes „Verantwortung wahrnehmen,
Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen“ von 2008
bekräftigt wird, unterstützt die Bundesregierung – ergän-
zend zu dem Engagement der Länder und Kommunen –
eine Reihe von national bedeutsamen Gedenkstätten,
Mahnmalen und Erinnerungsorten zur nationalsozialis-
tischen Terrorherrschaft, darunter auch Gedenkstätten in
ehemaligen Konzentrationslagern. Hierzu gehören die
KZ-Gedenkstätten Buchenwald, Sachsenhausen und Ra-
vensbrück. In diesem Jahr werden darüber hinaus die
KZ-Gedenkstätten Dachau, Bergen-Belsen, Neuen-
gamme und Flossenbürg in die anteilige institutionelle
Bundesförderung aufgenommen.
24290 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 27
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Böhmer auf die
Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12922, Frage 40):
Wie begründet die Staatsministerin Dr. Maria Böhmer ihre
Auffassung, das Einbürgerungsrecht sei mit dem EU-Richtli-
nienumsetzungsgesetz nicht erschwert, sondern erleichtert
worden (vergleiche dpa vom 29. April 2009), angesichts des
Umstandes, dass der Anteil von nach § 10 Abs. 3 des Staats-
angehörigkeitsgesetzes Eingebürgerten im Jahr 2008 bei-
spielsweise in Berlin gerade einmal 2,5 Prozent und in Ham-
burg nur 1,4 Prozent betrug (Abgeordnetenhaus Berlin –
Drucksache 16/13073 und Bürgerschaft der Freien und Han-
sestadt Hamburg – Drucksache 19/2636) und ein Großteil
hiervon nach Satz 1 – erfolgreiche Integrationskursteilnahme –
erfolgt sein dürfte und nicht nach Satz 2, der mit dem Richtli-
nienumsetzungsgesetz hinzugefügt wurde – „besondere Inte-
grationsleistungen“ –, während der allgemeine Rückgang der
Einbürgerungen im Jahr 2008 vermutlich mindestens 15 Pro-
zent betrug (Süddeutsche Zeitung vom 29. April 2009), und
welche Gründe sind nach ihrer Auffassung für diesen erhebli-
chen Rückgang verantwortlich, wenn nicht die überwiegende
Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts im August
2007?
Mit der im Richtlinienumsetzungsgesetz vorgesehe-
nen Möglichkeit der vorgezogenen Einbürgerung nach
sechsjährigem Aufenthalt bei Vorliegen besonderer Inte-
grationsleistungen ist das Staatsangehörigkeitsrecht um
eine Einbürgerungsprivilegierung ergänzt worden. Hier-
mit sollen neben guten Deutschkenntnissen auch andere
besondere Leistungen, die die Integration fördern, hono-
riert werden, etwa besondere schulische oder berufliche
Leistungen oder ein ehrenamtliches Engagement. Dass
die im Staatsangehörigkeitsrecht vorgesehenen Möglich-
keiten zur Erleichterung von Einbürgerungen in der Pra-
xis noch so wenig angewendet werden, finde ich sehr be-
dauerlich. Ich setze mich aber dafür ein, dass über diese
Möglichkeiten noch besser informiert wird und sie öfter
angewendet werden.
Für eine abschließende Bewertung der Einbürge-
rungszahlen 2008 ist es derzeit noch zu früh. Der Ver-
gleich mit den Entwicklungen der letzten Jahre legt al-
lerdings nahe, dass der sich abzeichnende Trend eine
ganze Reihe von Ursachen haben wird. Neben bereits
seit Jahren rückläufigen Einbürgerungszahlen bei türki-
schen Migranten und abnehmendem Einbürgerungsinte-
resse bei Bürgern aus vielen EU-Mitgliedstaaten ist auch
eine Veränderung des Einbürgerungspotenzials zu beob-
achten: Kinder zum Beispiel, die mit der Geburt Deut-
sche sind, kommen nicht mehr für eine (Mit-)Einbürge-
rung in Betracht.
Anlage 28
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Böhmer auf die
Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12922, Frage 41):
Ist nach Auffassung der Staatsministerin Dr. Maria
Böhmer die Einbürgerung das Ende einer „erfolgreichen Inte-
gration“, sodass es bei der Einbürgerung „hoher Hürden“ be-
dürfe, wie der Abgeordnete Stephan Mayer (Altötting) für die
Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag erklärte
(vergleiche Plenarprotokoll 16/120, Seite 12543 f.), also ge-
rade kein Schritt in einem länger andauernden, gegebenenfalls
auch generationsübergreifenden Prozess, der zudem die Inte-
gration zu fördern vermag, und welche Schlussfolgerungen
zieht die Staatsministerin hieraus – bitte begründen – in Be-
zug auf mögliche künftige Verschärfungen oder Erleichterun-
gen des Staatsangehörigkeitsgesetzes?
Nach Auffassung der Bundesregierung stellt die Inte-
gration einen Prozess dar, der in manchen Fällen der
Einwanderung lebenslang dauern und sich auch noch in
den nächsten Generationen fortsetzen kann. Diese Auf-
fassung wird auch von der Migrationsforschung gestützt.
Erfolgreiche Integration lässt sich daher nicht am Er-
werb eines bestimmten Rechtsstatus festmachen. Die
Einbürgerung kann in diesem Prozess den Abschluss der
Integration bedeuten, die Integration kann aber auch da-
rüber hinaus noch andauern. Dies hängt von der indivi-
duellen Situation des Einbürgerungsbewerbers und von
seinem Bemühen um Integration ab. In jedem Fall ist die
Einbürgerung ein entscheidender Schritt oder Abschnitt
auf dem Weg der Integration, da der Bewerber für die
Einbürgerung bereits vielfache Integrationsleistungen
erbracht haben muss, wie zum Beispiel die Fähigkeit,
seinen Lebensunterhalt grundsätzlich selbst zu bestrei-
ten, ausreichende Deutschkenntnisse und Kenntnisse der
Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensver-
hältnisse in Deutschland.
Anlage 29
Antwort
des Staatsministers Dr. h. c. Gernot Erler auf die Frage
des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 42):
Teilt die Bundesregierung die pessimistische Prognose für
die Entwicklung in Afghanistan seitens des dortigen großen
Truppenstellers Kanada (Regierungschef Stephen Harper:
ISAF-Truppen dürfen „nicht einfach nur dableiben“. „Offen
gesagt glaube ich, dass wir die Aufstände niemals nieder-
schlagen werden“, Financial Times Deutschland vom 3. März
2009), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregie-
rung angesichts einer offenbar ohnehin nicht zu kontrollieren-
den und zu verbessernden Lage für die Fortsetzung des Ein-
satzes deutscher Soldaten an dem Krieg in Afghanistan?
Die Aussage des kanadischen Premierministers, Stephen
Harper, ist im Zusammenhang mit Anpassungen des ka-
nadischen militärischen Einsatzes in Afghanistan zu se-
hen. Kanada beabsichtigt, sein Engagement auf die Aus-
bildung afghanischer Sicherheitskräfte und den zivilen
Wiederaufbau zu konzentrieren. Im Übrigen kommen-
tiert die Bundesregierung öffentliche Äußerungen be-
freundeter Regierungschefs nicht.
Es ist eine der Kernaufgaben der von den Vereinten
Nationen mandatierten ISAF, die afghanische Regierung
mit internationaler Hilfe dazu zu befähigen, selbst für Si-
cherheit zu sorgen und extremistischen und terroristi-
schen Gruppierungen zu begegnen.
Die Bundesregierung unterstützt dies im Rahmen der
ISAF.
Sie hat dazu in den letzten Jahren kontinuierlich ihre
Anstrengungen, unter anderem bei der Ausbildung afgha-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24291
(A) (C)
(B) (D)
nischer Sicherheitskräfte, Armee und Polizei, erhöht und
wird dieses Engagement auf hohem Niveau fortsetzen.
Die Bundesregierung ist überzeugt, dass mithilfe des
anhaltenden Engagements der Internationalen Gemein-
schaft die afghanischen Sicherheitskräfte in die Lage ge-
bracht werden können, nachhaltig für die Sicherheit in
Afghanistan zu sorgen.
Anlage 30
Antwort
des Staatsministers Dr. h. c. Gernot Erler auf die Frage
des Abgeordneten Reinhard Grindel (CDU/CSU) (Druck-
sache 16/12922, Frage 43):
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich
der Vorwürfe gegen den türkischen Generalkonsul in Düssel-
dorf, Hakan Kivanc, die besagen, dieser habe behauptet, dass
die Deutschen, wenn sie es könnten, allen Türkeistämmigen
das Gleiche antun würden, was sie während der Nazidiktatur
den Juden angetan haben, und dass in den Adern der Deut-
schen braunes Blut fließe?
Die Vorwürfe gegen den türkischen Generalkonsul in
Düsseldorf sind durch die Pressemitteilung der „Initia-
tive Mor Gabriel“ vom 25. April 2009 bekannt gewor-
den.
Die vom türkischen Generalkonsul am 28. April 2009
abgegebene Klarstellung hat das Auswärtige Amt ebenso
zur Kenntnis genommen wie das Vorliegen zweier eides-
stattlicher Erklärungen, die Teilnehmer an dem Gespräch
mit dem türkischen Generalkonsul vom 22. Februar
2009 abgegeben haben und die die Vorwürfe gegen ihn
bekräftigen.
Das Auswärtige Amt stand hierzu in hochrangigem
Kontakt mit der türkischen Seite und hat ihr das große
öffentliche Interesse an der Angelegenheit mit Nach-
druck erläutert.
Es wurde Übereinstimmung erzielt, dass eine schnelle
Beilegung der Sache im gemeinsamen Interesse liege.
Das türkische Außenministerium hat den Generalkon-
sul am 11. Mai 2009 mit sofortiger Wirkung beurlaubt.
Anlage 31
Antwort
des Staatsministers Dr. h. c. Gernot Erler auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden)
(CDU/CSU) (Drucksache 16/12922, Frage 44):
Was hat die Bundesregierung in der Angelegenheit des
türkischen Generalkonsuls Hakan Kivanc, dem rassistische
Äußerungen gegen Deutsche vorgeworfen werden, bereits un-
ternommen, und was gedenkt sie noch zu tun?
Das Auswärtige Amt hat die türkische Botschaft in
Berlin unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe
um Aufklärung gebeten.
Die vom türkischen Generalkonsul am 28. April 2009
abgegebene Klarstellung hat das Auswärtige Amt
ebenso zur Kenntnis genommen wie das Vorliegen
zweier eidesstattlicher Erklärungen, die Teilnehmer an
dem Gespräch mit dem türkischen Generalkonsul vom
22. Februar 2009 abgegeben haben und die die Vorwürfe
gegen ihn bekräftigen.
Das Auswärtige Amt stand hierzu in hochrangigem
Kontakt mit der türkischen Seite und hat ihr das große
öffentliche Interesse an der Angelegenheit mit Nach-
druck erläutert.
Es wurde Übereinstimmung erzielt, dass eine schnelle
Beilegung der Sache im gemeinsamen Interesse liege.
Das türkische Außenministerium hat den Generalkon-
sul am 11. Mai 2009 mit sofortiger Wirkung beurlaubt.
Anlage 32
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen)
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentli-
chen Abstimmung über den zusammengeführ-
ten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung
des Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Ab-
geordneten Johannes Singhammer, Kerstin
Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter
(Tagesordnungspunkt 3 a)
Ich stimme dem Gesetzentwurf „Änderung des Schwan-
gerschaftskonfliktgesetzes“, Drucksache 16/11347, zu,
nachdem ich mich in einer Praxis für Humangenetik aus-
führlich habe beraten lassen, wohl wissend, dass keine
Frau eine so tiefgreifende Entscheidung leichtfertig fällt;
weil die Entscheidung zu einer Spätabtreibung weniger
nach dem Ergebnis einer Fruchtwasseruntersuchung mit
den Diagnosen Down-Syndrom, Gaumenspalte oder of-
fener Rücken fällt, sondern häufiger Folge einer Ultra-
schalldiagnose ist, die erst in der 24. Woche oder später
sehr schwere Hirnfehlbildungen oder schwere Knochen-
wachstumsstörungen feststellt, die die ethisch sehr
schwer zu entscheidende Frage nach sich zieht, mit wel-
chen Hypotheken ein extrem schwer behindertes Kind
durch das Leben gehen muss; weil man nicht davon aus-
gehen kann, dass jede gynäkologische Praxis Kenntnis,
psychologische Ausbildung, Zeit und Raum bietet, um
Eltern bei dieser existenziellen Entscheidung zu beglei-
ten; weil in einer zunehmend durch Einwanderung ge-
kennzeichneten Gesellschaft in einer Beratung Kenntnis
über kulturelle Differenz vorhanden sein muss und eine
Sprachvermittlung notwendig sein kann; weil eine Ent-
scheidung, die so tief in das Leben einer Frau, eines Kin-
des, auch eines Vaters eingreift, Zeit und Umfeld für
einen Prozess braucht, der auch Raum für ein Abschied-
nehmen eröffnet.
Nach dem Gespräch mit der humangenetischcn Bera-
tung nehme ich erleichtert zur Kenntnis, dass entgegen
landläufiger Vorurteile die Bereitschaft von Eltern eher
wächst, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen und
mit ihm zu leben, und bin erfreut zu hören, dass außer-
dem die Zahl der Frauen eher abnimmt, die eine Frucht-
wasseruntersuchung machen lassen, und auf diese Weise
immer mehr Frauen ihr Recht auf „Nichtwissen“ in An-
spruch nehmen.
24292 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Ich stimme diesem Gesetz zu, wohl wissend, dass ein
solches Gesetz die ethische Frage nach dem Recht oder
Unrecht der Tötung eines Embryos nicht definitiv beant-
worten, sondern lediglich Hilfestellungen für eine mög-
lichst informierte, reiflich erwogene Entscheidung bie-
ten kann.
Anlage 33
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU)
zur namentlichen Abstimmung über den zusam-
mengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Än-
derung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
der Abgeordneten Johannes Singhammer,
Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abge-
ordneter (Tagesordnungspunkt 3 a)
Unser Staat ist – wie jeder Rechtsstaat auf der Erde –
zuallererst dem Schutz des Lebens verpflichtet. Von der
Verfassung bis hin in viele Einzelregelungen findet die-
ser Kernkonsens unserer Zivilisation seinen Nieder-
schlag.
Die heutige Beratung und Abstimmung über das
Schwangerschaftskonfliktgesetz behandelt eine der wohl
grundsätzlichsten Fragen zum Schutz des Lebens. Dabei
ist meine Position eine, die mich aus christlichem Glau-
ben heraus dazu verpflichtet, alle Möglichkeiten zum
Schutz des Lebens auszuschöpfen. Natürlich gilt dies in
ganz besonderer Weise für Leben, das Schwangere als
noch ungeborenes Leben in sich tragen. Dabei ist völlig
klar, dass jeder Ansatz ein gemeinsamer Ansatz mit den
betroffenen Frauen sein muss und dass wir so viel Hilfe
und Unterstützung wie irgend möglich zur Verfügung
stellen müssen.
Der gemeinsame Gruppenantrag von Kollegen
Singhammer und einer großen Zahl weiterer Kollegin-
nen und Kollegen verbindet im Rahmen des möglichen
Kompromisses von sehr unterschiedlichen Positionen
am Ende doch mehrere Elemente, die den Schutz des un-
geborenen Lebens wie auch den Schutz von Schwange-
ren vor übereilten Entscheidungen unter allzu großem
Druck schützen.
Wie viele andere hier im Hause und in unserem Lande
bin auch ich Pate eines prima Jungen, der heute acht
Jahre alt ist. Während der Schwangerschaft wurde der
Mutter dieses Jungen von einem Gynäkologen für ihr
noch ungeborenes Kind eine schwerste Behinderung,
hier Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom, di-
agnostiziert. Mutter wie Vater hatten sich schon auf eine
schwere Zeit nach der Geburt eingestellt. Sie waren im
Übrigen trotz der erwarteten Schwierigkeiten zu keiner
Zeit bereit, dieses Kind nicht das Licht der Welt erbli-
cken zu lassen.
Heute hat dieser Junge, der gerne und gut Fußball
spielt, mit vier Jahren und zehn Monaten früh einge-
schult wurde, eine Gymnasialempfehlung und wird ab
dem nächsten Schuljahr auf eine Hochbegabtenklasse
des CJD in Königswinter bei Bonn gehen.
Ob Hochbegabter oder Kind mit Down-Syndrom: Es
darf keine schweigende Übereinkunft geben, dass Men-
schen mit vermuteter oder tatsächlicher schwerer ge-
sundheitlicher Beeinträchtigung sozusagen besser nicht
leben sollten. Das ist am Ende des menschlichen Lebens
ebenso wie am Beginn eine zentrale Frage der Würde
des Menschen. Gerade deshalb ist das Thema Spätabtrei-
bung eines der so grundsätzlich erörterten Themen.
Was sagt uns ein solcher Fall für unsere Debatte um
Konflikte in der Schwangerschaft und ärztlichen Dia-
gnosen, insbesondere vor dem Hintergrund von Spätab-
treibungen? Erstens ist es in unserem Lande Gott sei
Dank noch immer so, dass Eltern auch bei prognostizier-
ten Schwierigkeiten in bewusster und überlegter Weise
eine Entscheidung für das Leben auch von solchen Kin-
dern treffen, deren Behinderung zum Zeitpunkt dieser
Entscheidung den Eltern klar vor Augen steht.
Zweitens zeigt dieser Fall – wie viele andere Fälle,
die zum Beispiel der Kollege Hoppe von den Grünen in
seinem heutigen Schreiben an alle Bundestagskolleginnen
und -kollegen zu diesem Thema ebenfalls anspricht –, wie
ganz wichtig auch für diejenigen Schwangeren und ihr
Umfeld eine Beratung und ein Sich-Sammeln ist. Dies
gilt umso mehr, wenn eine belastende Prognose für die
Gesundheit des Kindes gestellt wird, auf das sich die El-
tern in diesem Lande Gott sei Dank auch in der Regel
sehr freuen.
Drittens zeigt dieser Fall, dass wir uns ganz dringend
auch in dieser speziellen, sehr grundsätzlichen und sehr
ethischen Frage einen guten und möglichst umfassenden
Überblick über die Lage der Schwangeren wie auch der
aufgrund einer Indikation getöteten Föten verschaffen
müssen. Nur wenn wir diese Frage nicht nur von einem
ethisch klaren Fundament, sondern auch anhand von
umfassender Kenntnis nicht nur der sozialen und der
psychologischen, sondern vor allem medizinischen Fak-
ten bewerten können, stärken wir mit entsprechenden
Hilfsmaßnahmen die Betroffenen darin, eine bewusste
und überlegte Entscheidung für das Leben treffen zu
können.
Dazu brauchen wir genaue Angaben, und diese ge-
naueren Angaben wollen wir mit dem datenschutzrecht-
lich hart geprüften und vom Bundesdatenschutzbeauf-
tragten bejahten Statistikteil dieses Gesetzes erreichen.
Es ist in jedem Falle der Mühe wert, sich die genauen
Ursachen auch deshalb anzuschauen, weil wir von Be-
troffenen und aus Untersuchungen um die Fehldiagno-
sen wissen. Dies waren Diagnosen, die nach bestem
Wissen und Gewissen erstellt worden sind und dennoch
dazu beigetragen haben, dass ungeborenes Leben getötet
wurde.
In diesem Zusammenhang schließe ich mich denjeni-
gen an, die davor warnen, dass sich eine fatale Bereit-
schaft allzu weit ausbreiten könnte, je nach Ergebnis der
vorgeburtlichen Diagnostik immer mehr und immer
schneller eine Entscheidung gegen das ungeborene Le-
ben zu treffen. Auch dieser Zweig der Humanwissen-
schaften muss sich seiner Risiken bewusst bleiben. Wir
wollen keine gezüchteten Kinder mit lupenreinem
Stammbaum. Wir Menschen sind zu Empathie, Freud
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24293
(A) (C)
(B) (D)
und Leid befähigt und auch dazu, mit gesundheitlich be-
nachteiligten Menschen diese Freude und das Leid zu
teilen und dennoch das Leben für sehr lebenswert zu hal-
ten. Dies sage ich aus eigener Anschauung wie auch aus
der vielfältigen Erfahrung aus dem privaten wie dem ge-
sellschaftlichen Umfeld.
So ist es doch sehr begrüßens- und auch sehr bemer-
kenswert, dass über 85 Prozent der Schwangeren bzw.
der Paare, die das Angebot auf eine psychosoziale Bera-
tung wahrgenommen haben, dies als sehr hilfreich emp-
fanden. Wenn wir dazu betrachten, dass allerdings die
große Mehrheit der angesichts dramatischer Diagnosen
unter schweren Druck geratenen Frauen und Paare – wie
häufig auch deren familiäres Umfeld – diese offensicht-
lich sehr hilfreichen und sicherlich auch seelisch entlas-
tenden Angebote gar nicht wahrnimmt, weil sie schlicht
nicht bekannt sind, dann ist die Pflicht des Arztes zum
Hinweis auf diese Beratungsmöglichkeit der exakt pas-
sende Schlüssel, um Druck und Fehlentscheidungen zu
minimieren und eine gute und überlegte Entscheidung in
vielen Fällen überhaupt erst zu ermöglichen.
Dabei dürfen wir in gar keiner Weise unterschätzen,
dass Gynäkologen und andere Fachärzte zwar über ein
hohes Maß an Kenntnissen und in der Regel auch an
Verantwortung in medizinischen Fragen und im Umgang
mit Schwangeren verfügen. Dennoch ist dies eine sehr
andere Perspektive als die einer die gesamte Lebenslage
der Schwangeren und der Paare sowie deren Umfeld be-
trachtende Hilfe, die eine solide psychosoziale Bera-
tungsstelle als direkte Lebenshilfe auch in schwierigem
Umfeld geben kann.
Zudem ist es auch kein Einzelfall, was der zu Anfang
erwähnten Mutter von inzwischen drei Kindern gleich zu
Beginn ihrer ersten Schwangerschaft in Hamburg wider-
fahren ist. Sie wurde nach Feststellung der Schwanger-
schaft vom Gynäkologen sofort nach ihrem damaligen
Status – sie war Musikstudentin – und dem ihres Partner
– ebenfalls Student – gefragt. Die unmittelbar anschlie-
ßende Frage, ob dieses Kind denn ein geplantes bzw. ein
Wunschkind sei, zeigt eine Richtung auf, die es weder in
Konfliktsituationen noch im Normalfall geben sollte.
Eine Schwangerschaft sollte in unserem Lande auch
weiterhin wie überall auf der Welt als ein zutiefst freudi-
ges Ereignis betrachtet und unterstützt werden. Die nicht
aus Deutschland stammende Mutter war entsetzt über
die mangelnde Freude und die nüchterne, vielleicht ty-
pisch deutsche „Risikoanalyse“ mit klar durchscheinen-
der Tendenz zur „Problematisierung“ der Schwanger-
schaft eines damaligen Studentenpaares. Als Antwort hat
der Arzt übrigens erhalten, dass es sich nicht um eine ge-
plante Schwangerschaft, sehr wohl aber um ein Wunsch-
kind handele. So etwas soll es ja hierzulande, trotz aller
Diagnostik, öfter geben.
Was also müssen wir beachten, wenn wir über die
sehr grundsätzliche Frage entscheiden, wie Schwangere
mit einer schweren Diagnose für ihr noch ungeborenes
Kind umgehen sollen? Die erste Antwort ist die Einfüh-
rung einer Pflicht der Ärzte zur Beratung – immer im
Einvernehmen mit der Frau –, wenn bei einer diagnosti-
zierten Behinderung des ungeborenen Kindes gegebe-
nenfalls ein Schwangerschaftsabbruch vorgesehen ist.
Zweitens müssen bei der jeweiligen diagnostizierten
Schädigung des ungeborenen Kindes zwingend in die-
sem Feld erfahrene Ärzte hinzugezogen werden. Fehl-
diagnosen, die zum Töten ungeborener Kinder führen
können, müssen nach allem, was möglich ist, ausge-
schlossen werden.
Drittens müssen Ärzte zum ausdrücklichen Hinweis
auf die Angebote zur Beratung auch außerhalb der Arzt-
praxis in dafür geeigneten Beratungsstellen bzw. Selbst-
hilfegruppen verpflichtet werden, an die er im Einver-
ständnis mit der Schwangeren viertens diese vermitteln
muss.
Fünftens ist die dreitägige Bedenkzeit für die
Schwangere, die Partner, das gesamte private Umfeld
und das ungeborene Kind eine zentrale Chance, dass es
keine Entscheidungen unter Schock oder unter unerträg-
lichem Druck geben muss.
Sechstens soll ein gewissenhafter Ablauf dadurch si-
chergestellt werden, dass der Arzt die Pflicht auferlegt
erhält, in diesen besonderen Fällen eine schriftliche Be-
stätigung darüber von der Frau einzuholen, dass es eine
Beratung bei einer Beratungsstelle gab oder darauf ver-
zichtet wurde.
Zudem müssen alle diese Pflichten der Ärzte so klar
geregelt werden, dass möglichst viel Druck von der
Schwangeren genommen und gleichzeitig dem Arzt vor
Augen geführt wird, dass es aus diesem konstruktiven
Ansatz zu einem Hinweis auf Beratung keinen Ausweg
gibt. Dies drückt auch die Höhe des Bußgeldes aus.
Dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
rung zudem ihre Möglichkeiten zur Erstellung und Ver-
teilung entsprechender Informationen für Ärzte und
Betroffene einzusetzen hat, dokumentiert unsere Ent-
schlossenheit, zu diesem ernsten Thema auch ernsthafte
Aufklärungsarbeit zu erreichen.
Alles in allem ist der gefundene Kompromiss ein
wichtiger Schritt nach Jahren der ernsten Diskussion zu
einem schweren Thema. Es steht diesem Parlament gut
an, sich in einer Entscheidung zugunsten des Schutzes
der Schwangeren und ihrer ungeborenen Kinder klar für
den Gesetzentwurf auszusprechen, der über alle Frak-
tionsgrenzen hinweg in verantwortlichem und zähem
Ringen den Kompromiss ermöglicht, der ein Mehr an
Schutz für die Zukunft vorsieht und rechtliche Lücken
schließt, die zwingend geschlossen werden müssen.
Der Eingriff der Spätabtreibung ist und bleibt ein
schwerster und für alle schwer erträglicher Eingriff. Es
ist ein spätes, aber zugleich hoffnungsvolles Zeichen
dieser Wahlperiode, dass sich der Deutsche Bundestag in
intensiver und verantwortungsvoller Weise damit be-
fasst. Das menschliche Leben und die schweren Belas-
tungen der hier betroffenen Frauen und Eltern sind diese
Mühe allemal Wert.
Dass dieses Thema ein zentrales bleibt, ist uns allen
bewusst. Kindern und ihren Eltern weiter zum Leben zu
24294 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
verhelfen und im Leben zur Seite zu stehen, bleibt eine
hohe moralische und eine sehr konkrete Verpflichtung.
Anlage 34
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung
über den zusammengeführten Entwurf eines …
Gesetzes zur Änderung des Schwangerschafts-
konfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes
Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und an-
derer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 3 a)
Obwohl ich mich in der ersten Lesung für eine Bera-
tungspflicht ausgesprochen habe und nach wie vor der
Meinung bin, dass es besser wäre, gerade auch in den
schwerwiegenden Konfliktfällen nach einem embryopa-
thischen Befund zu einem späten Zeitpunkt der Schwan-
gerschaft eine qualifizierte psychosoziale Beratung
durch eine unabhängige Beratungsstelle verbindlich zu
machen, kann ich jetzt dem veränderten gemeinsamen
Gesetzentwurf von Singhammer, Griese und Lenke zu-
stimmen.
Für eine wirkliche Pflichtberatung hätte es keine
Mehrheit im Deutschen Bundestag gegeben. Deshalb
habe ich keinen entsprechenden Änderungsantrag mehr
eingebracht. Es ist jedoch gelungen, in dem gemeinsa-
men Gesetzentwurf von Singhammer, Griese und Lenke
einen Passus zu verankern, der die Bedeutung der unab-
hängigen psychosozialen Beratung stärker betont und
die Chance erhöht, dass sie auch in Anspruch genommen
wird.
Anlage 35
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Hubert Hüppe (CDU/CSU)
zur namentlichen Abstimmung über Art. 1
Nr. 1 bis 3 und Art. 2 des zusammengeführten
Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Abgeord-
neten Johannes Singhammer, Kerstin Griese,
Ina Lenke und anderer Abgeordneter und zu
der namentlichen Abstimmung über Art. 1
Nr. 4 des zusammengeführten Entwurfs eines …
Gesetzes zur Änderung des Schwangerschafts-
konfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes
Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und an-
derer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 3 a)
Ich stimme heute für den gruppenübergreifenden Ge-
setzentwurf von Johannes Singhammer, Renate Schmidt
und anderen, obwohl ich ein Verbot von Spätabtreibun-
gen befürworte. Dennoch ist der Gesetzentwurf ein
Schritt in die richtige Richtung.
Die Möglichkeit, ungeborene Kinder, vor allem Kin-
der mit Behinderungen bis kurz vor der Geburt rechtmä-
ßig und zulasten der Versichertengemeinschaft zu töten,
obwohl keine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder
die Gesundheit der Schwangeren vorliegt, ist nicht hin-
nehmbar. So wird es weiter möglich sein, Kinder im
achten Monat im Mutterleib im Krankenhaus zu töten,
während im selben Haus ein „Frühchen“ mit allen Mög-
lichkeiten der Medizin gerettet wird. Entscheidend für
die Legalität dieses Handelns ist nur der Aufenthaltsort
des Kindes: Das Kind muss noch im Mutterleib getötet
werden.
Mir ist ein Fall aus Berlin bekannt, wo bei einer Zwil-
lingsschwangerschaft im achten Monat nur wenige Mi-
nuten vor der Geburt durch Kaiserschnitt einer der Zwil-
linge, bei dem ein pränataldiagnostischer Befund vorlag,
durch eine gezielte Kaliumchloridinjektion ins Herz ge-
tötet wurde. Diesen Fall schilderte der durchführende
Professor auf dem Berliner Perinatalmedizin-Kongress.
In der Zeitschrift des Menschenrechtszentrums der
Universität Potsdam wurde 2002 folgender Fall geschil-
dert:
Unlängst hatte das Landgericht Görlitz den Fall ei-
ner ,misslungenen‘ Spätabtreibung zu entscheiden.
Hier hatte der Chefarzt der Zittauer Frauenklinik in
der 29. Schwangerschaftswoche eine Abtreibung
nach § 218 a Abs. 2 StGB versucht. Weil das Kind
außerhalb des Mutterleibs noch zu leben schien,
hielt der Arzt ihm Mund und Nase zu, um es zu er-
sticken. Im Prozeß ließ sich nicht mehr klären, ob
das Kind hieran tatsächlich erstickte oder zu diesem
Zeitpunkt bereits tot war. Deshalb wurde der Arzt
auch nur wegen versuchter Abtreibung in Tateinheit
mit versuchtem Totschlag verurteilt; das Strafmaß
wurde auf zwei Jahre Strafhaft auf Bewährung fest-
gesetzt.
Um sicherzustellen, dass Kinder nicht mehr, wie in
der Vergangenheit Tim K., der als „Oldenburger Baby“
bekannt wurde, ihre eigene Abtreibung überleben, wer-
den heute die meisten Kinder bei späten Abtreibungen
bereits im Mutterleib getötet, indem man ihnen Kalium-
chlorid direkt ins Herz injiziert. Eine weitere Methode
besteht darin, das Desinfektionsmittel Ethacridinsäure
– „Rivanol“ – in das Fruchtwasser zu spritzen. So be-
richteten deutsche Mediziner aus führenden Zentren in
Bonn, Hamburg und Lübeck in einer 2006 erschienenen
Veröffentlichung, in ihren Zentren werde Ethacridinsäure
allen Patientinnen zur Abtreibung im zweiten Trimester
angeboten, obwohl es dafür offiziell nicht zugelassen
sei. Die Abtreibung dauere im Mittel 40,5 Stunden. Bei
Schwangerschaften über 22 Wochen werde grundsätz-
lich zusätzlich ein Fetozid durch Injektion von Kalium-
chlorid in die Nabelschnurvene durchgeführt.
In der Anhörung vom 16. März 2009 mussten wir er-
leben, wie der als Sachverständiger geladene Vorsit-
zende eines Frauenärzteverbandes Menschen mit Down-
Syndrom wiederholt mit der diskriminierenden Vokabel
„mongoloid“ belegte, obwohl die Weltgesundheitsorga-
nisation – vergleiche Wikipedia – bereits 1965 diesen
und ähnliche Begriffe aus ihrem Vokabular entfernt hat.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24295
(A) (C)
(B) (D)
Wieso werden Frauen, die sofort nach der Geburt ihr
Kind abnabeln und töten, bestraft? Diese Frauen trifft re-
gelmäßig die Empörung der ganzen Gesellschaft. Wür-
den hingegen dieselben Kinder mit einer medizinischen
Indikation wenige Stunden oder – wie im Berliner Zwil-
lingsfall – gar Minuten vor der Geburt getötet, wäre dies
nicht nur formal rechtmäßig, sondern könnte im Kran-
kenhaus durchgeführt werden und würde durch die Ge-
meinschaft der Krankenkassenmitglieder finanziert.
Irgendwann wird möglicherweise die Frage gestellt
werden, warum ein neugeborenes Kind vollen Lebens-
schutz auch dann genießen soll wenn es durch die Ge-
burt – zum Beispiel nach Sauerstoffmangel – schwerst-
behindert ist oder wenn seine Behinderung erst nach der
Geburt festgestellt wird. Die heutige Praxis der Pränatal-
diagnostik und die bei auffälligem Befund folgende Ab-
treibung zeigen das Bild einer Gesellschaft, die die Ge-
burt eines Menschen mit Behinderung als vermeidbaren
Schaden ansieht. Die Praxis leistet dem impliziten Vor-
wurf gegenüber Eltern behinderter Kinder, sie hätten
„das doch vorher wissen können“, Vorschub und stellt
letztlich die Existenzberechtigung unserer behinderten
Mitbürger in Frage. Damit will und werde ich mich nicht
abfinden.
Ich stimme weiterhin der heute separat zur Abstim-
mung gestellten Verbesserung der Bundesstatistik für
Schwangerschaftsabbrüche zu und würde es außeror-
dentlich bedauern, wenn diese Initiative keine Mehrheit
fände. Denn der deutsche Gesetzgeber weiß bislang
nicht, wie viele Kinder etwa mit Down-Syndrom abge-
trieben werden, weil die einer medizinischen Indikation
möglicherweise zugrunde liegenden pränataldiagnosti-
schen Befunde für die Bundesstatistik nicht erfasst wer-
den. Hierzu kann der deutsche Gesetzgeber allenfalls
Schätzungen auf Basis ausländischer Studien anstellen,
die bei pränatal diagnostiziertem Down-Syndrom 92 Pro-
zent Abtreibungen benennen. Der deutsche Gesetzgeber
weiß heute nicht, wie vielen der unter medizinischer In-
dikation gemeldeten Abtreibungen überhaupt ein prä-
nataldiagnostischer Befund zugrunde liegt. Umgekehrt
weiß der deutsche Gesetzgeber nicht, bei wie vielen der
unter medizinischer Indikation gemeldeten Abtreibun-
gen eine schwere Erkrankung, ein Unfall oder eine an-
dere direkte Lebens- oder Gesundheitsgefahr für die
Mutter ausschlaggebend ist, aber kein auffälliger prä-
nataldiagnostischer Befund zugrunde liegt. Zudem weiß
der deutsche Gesetzgeber heute nicht, in wie vielen Fäl-
len ein Fetozid durchgeführt wird, etwa zur sogenannten
Mehrlingsreduktion nach Hormonstimulation im Rah-
men medizinischer Fruchtbarkeitsbehandlung oder nach
IVF.
Wir wissen, dass heute vielfach Fetozide unter Ultra-
schall von niedergelassenen Ärzten durchgeführt wer-
den, diese den Fetozid aber nicht notwendig als Schwan-
gerschaftsabbruch zur Bundesstatistik melden, da sie
schließlich keinen Schwangerschaftsabbruch im Sinne
des Gesetzes durchgeführt haben. Die Schwangeren be-
geben sich mit dem sterbenden oder bereits toten Kind in
ein Krankenhaus, wo das Kind tot zur Welt kommt, und
die betreffenden Krankenhäuser müssen ebenfalls kei-
nen Schwangerschaftsabbruch zur Bundesstatistik mel-
den, da sie schließlich keinen Abbruch der Schwanger-
schaft im Sinne des Gesetzes durchgeführt haben. Die
Vermutung ist begründet, dass hierdurch eine hohe Zahl
von Fällen in der Bundesstatistik nicht aufscheint.
Wir wissen, dass die Erhebungsbögen, die das Statis-
tische Bundesamt an die in seiner Kartei enthaltenen
Meldepflichtigen versendet, den Fetozid nicht als eige-
nes Erhebungsmerkmal vorsehen. Die Bundesärztekam-
mer und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und
Geburtshilfe hat uns mehrfach mehr als deutlich auf die-
sen Missstand hinsichtlich der Meldung des Fetozids
hingewiesen.
Zu Beginn der 14. Wahlperiode hat im Rahmen der
damaligen interfraktionellen Gespräche zur Spätabtrei-
bung eine Kollegin, stellvertretende Vorsitzende ihrer
Fraktion, der eingeforderten Verbesserung der Bundes-
statistik eine kategorische Absage erteilt mit der Begrün-
dung, dann bekämen wir Zahlen, die uns eine Debatte
bescheren könnte, die niemand von uns wollen könne.
Mitunter wurde der geforderten Verbesserung der
Bundesstatistik auch entgegengehalten, dies würde an-
gesichts der geringen Zahl der Fälle Rückschlüsse auf
die Person der betroffenen Schwangeren ermöglichen.
Dieser möglichen Befürchtung ist der Bundesbeauftragte
für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter
Schaar, in seinem Schreiben an den Familienausschuss
vom 1. April 2009 deutlich entgegengetreten:
Anlässlich der Diskussion um die Änderung des
SchKG bin ich aus der Mitte des Deutschen Bun-
destages um datenschutzrechtliche Prüfung der in
dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes (Bundestagsdruck-
sache 16/11106) vorgeschlagenen Ergänzungen zu
Paragraph 16 SchKG gebeten worden. Dabei steht
zunächst die Frage im Vordergrund, ob wegen der
kleinen Fallzahlen, die durch die Erhebung zusätz-
licher statistischer Merkmale bei der statistischen
Auswertung entstehen können, datenschutzrechtli-
che Bedenken bestehen. Dies ist nicht der Fall. Die
kleinen Fallzahlen stellen kein Problem bei der Er-
hebung statistischer Daten dar, wohl aber bei der
Veröffentlichung statistischer Ergebnisse. Es han-
delt sich hier um eine Konstellation, die bei vielen
Statistiken auftreten kann, dass zum Beispiel für be-
stimmte Fallgruppen nur ein oder zwei Erhebungs-
einheiten vorhanden sind. In solchen Fällen ist es
ein Gebot der statistischen Geheimhaltung (§ 16
Bundesstatistikgesetz – BStatG –), derartige Zahlen
nicht zu veröffentlichen, sondern sie mit Hilfe sta-
tistisch mathematischer Methoden in ausreichend
große Fallzahlen zu überführen. Hierdurch wird si-
chergestellt, dass nur tatsächlich anonymisierte Er-
gebnisse veröffentlicht werden. Es besteht auch
keine Gefahr, dass die für statistische Zwecke gemäß
§§ 15 bis 18 SchKG durch das Statistische Bundes-
amt erhobenen Daten für andere als rein statistische
Zwecke genutzt werden könnten, also etwa für
Strafverfolgungszwecke oder für Verwaltungsmaß-
nahmen. Die strenge Zweckbindung der für die Sta-
tistik erhobenen Daten ist ein hergebrachter Grund-
24296 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
satz der amtlichen Statistik, dessen strikte
Beachtung vor allem durch das Volkszählungsurteil
des Bundesverfassungsgerichts von 1983 nochmals
besonders hervorgehoben wurde. Alle Rechts-
grundlagen der Bundesstatistik und insbesondere
das Bundesstatistikgesetz berücksichtigen diesen
Zweckbindungsgrundsatz. Auch die nach dem
Schwangerschaftskonfliktgesetz erhobenen Daten
werden nur für statistische Zwecke und nur im
streng abgeschotteten Bereich der amtlichen Statis-
tik verarbeitet. Dabei werden gemäß § 12 BStatG
die eine Identifizierung ermöglichenden Merkmale
(Hilfsmerkmale) zum frühestmöglichen Zeitpunkt
gelöscht. Bereits vorher werden sie von den Erhe-
bungsmerkmalen getrennt und gesondert aufbe-
wahrt. Damit ist sichergestellt, dass die erhobenen
Daten nur für statistische Zwecke verwendet und
nur in anonymisierter Form veröffentlicht werden.
Auch angesichts der in letzter Zeit bekannt gewor-
denen Datenskandale besteht für den Bereich der
amtlichen Statistik kein Anlass zur Besorgnis. Mir
ist, auch aus weiter zurückliegender Zeit, kein ein-
ziger Fall der Verletzung des Statistikgeheimnisses
bekannt geworden.
Der Gesetzgeber hat eine Beobachtungspflicht für die
Wirkung seiner Gesetze, die gegebenenfalls eine Nach-
besserungspflicht auslöst. Dies hat das Bundesverfas-
sungsgericht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
Ein Recht auf Nichtwissen hinsichtlich des unter seiner
gesetzgeberischen Verantwortung stattfindenden Ge-
schehens kann und darf der Gesetzgeber für sich gerade
nicht beanspruchen.
Daher werde ich der heute zur Abstimmung gestellten
Verbesserung der Bundesstatistik für Schwangerschafts-
abbrüche zustimmen.
Anlage 36
Erklärung
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE
LINKE) zu dem zusammengeführten Entwurf
eines … Gesetzes zur Änderung des Schwanger-
schaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten
Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina
Lenke (FDP) und anderer Abgeordneter (Tages-
ordnungspunkt 3 a)
Den vorliegenden Gesetzentwürfen und Anträgen
zum Thema Schwangerschaftskonfliktgesetz werde ich
nicht zustimmen.
Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass sich El-
tern die Entscheidung für oder gegen ein Kind nicht
leicht machen, wenn bei einer vorgeburtlichen Untersu-
chung – ob in einem frühen oder späten Stadium – der
Schwangerschaft „Auffälligkeiten“ festgestellt wurden.
Aber genau hier beginnen meine Schwierigkeiten. Was
heißt das: eine „Auffälligkeit“? Ein bestimmtes Ge-
schlecht, die Haarfarbe, die Größe, eine Behinderung?
Was ist denn das für ein Menschenbild? Eine Gesell-
schaft, die Kinder nicht haben will, weil sie nicht einer
wie auch immer konstruierten Normvorstellung entspre-
chen, kann ich nicht unterstützen.
Ich komme aus einer Bewegung, die stets die Erinne-
rungen an Euthanasieverbrechen mit sich trägt. Vor die-
sem Hintergrund stehe ich jedem Ansatz von Aussonde-
rung sehr kritisch gegenüber. Gleichzeitig ist mir
bewusst, dass ein Leben mit Behinderungen nicht ein-
fach ist, weder für die Betroffenen selbst noch für deren
Eltern. Nein, diese Gesellschaft steht nicht an ihrer Seite,
nein, sie inkludiert nicht. Sie hält Barrieren aufrecht und
stellt neue auf. Sich für ein Kind mit Behinderungen zu
entscheiden, bedeutet, sich für ein Leben gegen die
Norm zu entscheiden. Das ist eine schwere Entschei-
dung; ein einfaches „Ja, das ist das einzig Richtige“ gibt
es nicht. Auch nicht von mir.
Aber die heutige Debatte wird in der öffentlichen
Wahrnehmung auf die Fragen verkürzt: Spätabtreibung
ja oder nein? Zwangsbedenkzeit oder Vertrauen? So
dringen weder die Differenzierungen noch gar die sehr
detaillierten Vorschläge im Antrag der Linken durch, die
das vielfältige Leben mit Beeinträchtigungen nicht nur
erleichtern, sondern es sogar als Bereicherung für die ge-
samte Gesellschaft begreifen lassen würden. Deswegen
bräuchten wir genauso engagierte Debatten – dann aber
mit den Betroffenen als Hauptprotagonisten – über eine
Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in der all-
täglichen Wirklichkeit. Und wir bräuchten Wertedebat-
ten, in denen wir uns darüber verständigen, was es heißt,
dass noch immer 86 Prozent der Bundesbürger der Mei-
nung sind, dass es unverantwortlich ist, ein behindertes
Kind zur Welt zu bringen.
Die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik bringen
heute Schwangere sofort in einen unerträglichen Recht-
fertigungszwang, wenn sie einfach ihr Kind auf altherge-
brachte Weise zur Welt bringen wollen. Und wenn ein
Kind mit Behinderungen geboren wird, müssen sich so-
wohl seine Eltern als das Heranwachsende für seine
Existenz rechtfertigen. Ich frage noch einmal: Was ist
denn das für ein Menschenbild? Ich möchte eine Gesell-
schaft, die Vielfalt lebt, das Recht auf Vielfalt stärkt, ja,
die Vielfalt will.
Lassen Sie mich dennoch feststellen – darauf lege ich
großen Wert –: Ich stelle das Selbstbestimmungsrecht
der Schwangeren sowie ihres Partners oder ihrer Partne-
rin nicht infrage. Ich stimme dem Satz im Antrag der
Linken ausdrücklich zu, dass Frauen auch in schwieri-
gen Situationen nicht vor sich selbst geschützt werden
müssen. Jegliche Verschärfung des repressiven Abtrei-
bungsrechts weise ich entschieden zurück. Zwang ist kein
gutes Mittel, auch nicht bei Beratungen. Schwangere und
deren Partner oder Partnerin sollen die Möglichkeit und
den Anspruch auf umfassende, vertrauensvolle und er-
gebnisoffene medizinische und psychosoziale Beratung
und Unterstützung haben. Aber diese Beratung muss ei-
gentlich in der Schule beginnen. Entscheidend ist für
mich, welches Menschenbild dabei transportiert wird.
Eines, das auf „Normalitätskonstruktionen“ setzt, wird
immer zu dem Ergebnis führen, „Abweichungen“ nega-
tiv zu bewerten.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24297
(A) (C)
(B) (D)
Mit dieser Erklärung zur Abstimmung gebe ich zu,
dass ich mich in einem tiefen Dilemma befinde.
Anlage 37
Erklärung
des Abgeordneten Sigmar Gabriel (SPD) zu dem
zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes
zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktge-
setzes der Abgeordneten Johannes Singhammer,
Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abge-
ordneter (Tagesordnungspunkt 3 a)
Ich werde fälschlicherweise als Abgeordneter ge-
nannt, der den Entwurf der Kollegin Humme zum
Schwangerschaftskonfliktgesetz unterzeichnet hat. Dies
ist nicht der Fall. Ich habe dagegen den Entwurf der Kol-
legin Griese zu dem entsprechenden Gesetz unterschrie-
ben – und bin dort ebenfalls genannt.
Anlage 38
Erklärung
der Abgeordneten Miriam Gruß (FDP) zu dem
zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes
zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktge-
setzes der Abgeordneten Johannes Singhammer,
Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abge-
ordneter (Tagesordnungspunkt 3 a)
Hiermit bitte ich, meinen Namen aus dem Rubrum
des zusammengeführten Gesetzentwurfs der Abgeordne-
ten Singhammer, Griese, Lenke und anderer – betrifft
„Spätabtreibungen“ – zu nehmen.
Anlage 39
Erklärung
der Abgeordneten Cornelia Pieper (FDP) zu dem
zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes
zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktge-
setzes der Abgeordneten Johannes Singhammer,
Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abge-
ordneter (Tagesordnungspunkt 3 a)
Der Name Pieper, Cornelia im Rubrum des zusammen-
geführten Gesetzentwurfs der Abgeordneten Singhammer,
Griese, Lenke und anderer ist falsch und zu streichen.
Anlage 40
Erklärungen nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung und den Bericht: Anbau von
gentechnisch verändertem Mais stoppen (Tages-
ordnungspunkt 11)
Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Die SPD-Bundes-
tagsfraktion war in der Koalitionsregierung die treibende
Kraft für einen Stopp von gentechnisch verändertem
Mais. An den Beratungen der SPD-Bundestagsfraktion
war ich intensiv beteiligt. Meine Vorstellungen wurden
zwar aufgegriffen, konnten jedoch angesichts der Koali-
tionsvereinbarungen gegenüber der CDU/CSU-Fraktion
nicht durchgesetzt werden.
Im Landkreis Kitzingen sollte Genmais auf einer Flä-
che von 65 Hektar, von 67 Hektar in ganz Bayern, ange-
baut werden. Ich habe mich in meinem Wahlkreis auf
mehreren Demonstrationen und auch in Presseveröffent-
lichungen gegen den Genmaisanbau konkret ausgespro-
chen.
Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in meinem
Wahlkreis stimme ich dem vorliegenden Antrag zu.
Paul Lehrieder (CDU/CSU): Auf Weisung von Bun-
desministerin Ilse Aigner hat das BVL am 14. April
2009 in einer Einzelfallentscheidung das Ruhen der Ge-
nehmigung von MON 810 angeordnet. Damit ist der An-
trag in seinem Hauptanliegen gegenstandslos.
Entscheidungen über innovative Technologien wie
die Grüne Gentechnik dürfen nur auf Basis wissen-
schaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. Hierbei ist
die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt oberstes
Gebot. Eine intensive Forschung, insbesondere Sicher-
heitsforschung, ist damit unerlässlich. Der Antrag von
Bündnis 90/Die Grünen bekennt sich nicht klar zu dieser
Notwendigkeit.
Seit der Formulierung der Beschlussempfehlung durch
den zuständigen Ausschuss für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz sind keine neuen wissen-
schaftlichen Erkenntnisse hinzugekommen, die eine neue
Beurteilung erfordern.
Aus diesen Gründen stimmen wir der Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz zu.
Dr. Matthias Miersch (SPD): Im April 2009 hat die
zuständige Bundesministerin Ilse Aigner den Anbau des
einzigen zu kommerziellen Zwecken zugelassenen GVO-
Konstruktes, des Bt-Mais Mon 810, verboten. Wir unter-
stützen dieses Verbot.
Im März 2009 hatte Bundesminister Gabriel gegen
die Untersagung des in Österreich und Ungarn bereits
seit längerem bestehenden Verbots des Anbaus von
Mon 810 gestimmt. Wir unterstützen dieses Vorgehen.
Auch Frankreich, Polen, Griechenland und Luxem-
burg, wo der Anbau von Mon 810 ebenfalls untersagt ist,
dürfen von der EU nicht gezwungen werden, den Anbau
wieder zuzulassen. Einen Eilantrag der Firma Monsanto
gegen das Verbot, Genmais der Linie MON 810 anzu-
bauen, hat das Verwaltungsgericht Braunschweig am
5. Mai 2009 abgelehnt. In der Begründung heißt es, dass
neuere Untersuchungen darauf hindeuten könnten, dass
der im Genmais produzierte Giftstoff nicht nur gegen
den Schädling wirke, der damit bekämpft werden solle,
sondern auch gegen weitere Insekten. Außerdem sei
nach aktuellen Studien davon auszugehen, dass sich die
24298 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Genmaispollen deutlich weiter verbreiten können, als
dies bisher angenommen wurde.
Das Verbot des kommerziellen Anbaus von Mon 810
ist die Konsequenz aus dem im Koalitionsvertrag verein-
barten Schutz von Mensch und Umwelt als oberstem
Ziel gemäß dem Vorsorgegrundsatz. Weitere Konse-
quenzen müssen auf EU-Ebene die Ablehnung der Neu-
zulassung von Mon 810 und der Zulassungen der gen-
technisch veränderten Maissorten Bt 11 und 1507 sein,
denn ähnlich wie bei Mon 810 können auch bei diesen
Konstrukten negative Effekte auf Insekten und andere
Organismen nicht ausgeschlossen werden.
Nach meiner Überzeugung muss dem Vorsorgegrund-
satz im EU-Zulassungsverfahren stärker Rechnung ge-
tragen werden. Unsere Fraktion hatte deshalb mehrere
Entwürfe für Anträge erarbeitet, mit denen die Bundes-
regierung beauftragt werden sollte, sich auf EU-Ebene
für eine Überarbeitung der Gentechnikregelungen einzu-
setzen. Darin haben wir unter anderem ein transparentes
und demokratisches Zulassungsverfahren gefordert, das
sicherstellt, dass neben der unbedingten Einhaltung des
Vorsorgeprinzips weitere Aspekte des gesellschaftlichen
Interessensausgleichs – zum Beispiel Folgekosten – ein-
bezogen werden. Auch die Absicherung der gentechnik-
freien Regionen ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir
wollten zum einen die Bundesregierung beauftragen,
sich auf EU-Ebene für eine verbindliche Regelung für
gentechnikfreie Regionen einzusetzen, zum anderen ha-
ben wir einen Weg aufgezeigt, wie auch auf nationaler
Ebene mit einer fruchtartspezifischen Lösung bereits
jetzt mehr Verbindlichkeit für gentechnikfreie Regionen
geschaffen werden könnte. Unsere Entwürfe konnten
nicht eingebracht werden, weil der Koalitionspartner die
Unterstützung verweigert hat. Auch die CSU-Kollegen
waren nicht bereit, unsere Initiativen zu unterstützen –
obwohl die CSU in Bayern diese Forderungen öffentlich
vertritt.
Wir stimmen der vorliegenden Beschlussempfehlung
zu, die die Ablehnung des Antrags der Grünen vorsieht,
denn in wesentlichen Punkten ist der Antrag erledigt. Es
ist uns aber ein Anliegen, hier zu erklären, dass es uns
nicht ausreicht, wenn in diesem Jahr kein kommerzieller
Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutsch-
land mehr stattfindet. Wir sehen uns dem Vorsorgeprinzip
verpflichtet und werden uns für seine konsequente
Durchsetzung auch auf EU-Ebene einsetzen. Und dies
nicht nur in diesem (Wahl-)Jahr und mit Worten sondern
auch weiterhin und mit Taten.
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Auf Weisung von
Bundesministerin Ilse Aigner hat das BVL am 14. April
2009 in einer Einzelfallentscheidung das Ruhen der Ge-
nehmigung von MON 810 angeordnet. Damit ist der An-
trag in seinem Hauptanliegen gegenstandslos.
Entscheidungen über innovative Technologien wie
die Grüne Gentechnik dürfen nur auf Basis wissen-
schaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. Hierbei ist
die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt oberstes
Gebot. Eine intensive Forschung – insbesondere Sicher-
heitsforschung – ist damit unerlässlich. Der Antrag von
Bündnis 90/Die Grünen bekennt sich nicht klar zu dieser
Notwendigkeit.
Seit der Formulierung der Beschlussempfehlung
durch den zuständigen Ausschuss für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz sind keine neuen wis-
senschaftlichen Erkenntnisse hinzugekommen, die eine
neue Beurteilung erfordern.
Aus diesen Gründen stimme ich der Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz zu.
Anlage 41
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Konrad Schily (FDP) und
Otto Schily (SPD) zur namentlichen Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung und den
Bericht: Anbau von gentechnisch verändertem
Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11)
Gegen eine gentechnische Forschung auch in der
Pflanzenzüchtung ist im Prinzip nichts einzuwenden.
Der letzte Welternährungsbericht jedoch, der sich mit
dem Hunger in der Welt beschäftigt, konstatiert keine
Verbesserungen der Ernährungslage aufgrund der soge-
nannten Grünen Gentechnik und hebt in seinen Schluss-
folgerungen darauf ab, dass die kleinbäuerlichen Struk-
turen zu stärken seien und die traditionell gezüchteten
lokalen Sorten bewahrt werden sollten.
Außerdem besteht bei Verwendung patentgeschützten
Saatgutes zunehmend die Gefahr einer Oligopol- oder
sogar Monopolbildung auf der Anbieterseite des Saatgu-
tes und eine daraus resultierende Abhängigkeit auf der
Seite der bäuerlichen Betriebe. Diese Frage ist bisher
völlig ungelöst.
Letztlich ist es unverständlich, warum die Grüne Gen-
technik gegen den offenkundig mehrheitlichen Willen
der Bevölkerung behördlich duchgesetzt werden soll.
Aus diesem Grunde bejahen wir den Antrag der Grü-
nen und lehnen die Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz ab.
Anlage 42
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Wolfgang Zöller, Maria
Eichhorn, Dr. Max Lehmer und Max Straubinger
(alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung
über die Beschlussempfehlung und den Bericht:
Anbau von gentechnisch verändertem Mais
stoppen (Tagesordnungspunkt 11)
Auf Weisung von Bundesministerin Ilse Aigner hat
das BVL am 14. April 2009 in einer Einzelfallentschei-
dung das Ruhen der Genehmigung von MON 810 ange-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24299
(A) (C)
(B) (D)
ordnet. Damit ist der Antrag in seinem Hauptanliegen
gegenstandslos.
Entscheidungen über innovative Technologien wie
die Grüne Gentechnik dürfen nur auf Basis wissen-
schaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. Hierbei ist
die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt oberstes
Gebot. Eine intensive Forschung – insbesondere Sicher-
heitsforschung – ist damit unerlässlich. Der Antrag von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bekennt sich nicht klar zu
dieser Notwendigkeit.
Seit der Formulierung der Beschlussempfehlung
durch den zuständigen Ausschuss für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz sind keine neuen wis-
senschaftlichen Erkenntnisse hinzugekommen, die eine
neue Beurteilung erfordern.
Aus diesen Gründen stimmen wir der Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz zu.
Anlage 43
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer,
Hartmut Koschyk, Norbert Geis, Josef Göppel,
Dr. Wolfgang Götzer, Gerda Hasselfeldt, Ernst
Hinsken, Klaus Hofbauer, Bartholomäus Kalb,
Alois Karl, Eduard Lintner, Stephan Mayer
(Altötting), Dr. h. c. Hans Michelbach, Marlene
Mortler, Dr. Gerd Müller, Stefan Müller (Erlan-
gen), Dr. Georg Nüßlein, Eduard Oswald,
Daniela Raab, Albert Rupprecht (Weiden),
Dr. Andreas Scheuer, Christian Schmidt (Fürth),
Thomas Silberhorn, Johannes Singhammer,
Matthäus Strebl und Dr. Hans-Peter Uhl (alle
CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung
über die Beschlussempfehlung und den Bericht
Anbau von gentechnisch verändertem Mais
stoppen (Tagesordnungspunkt 11)
Das Kernanliegen des Antrags ist erfüllt. Anbau und
Verkauf der gentechnisch veränderten Maissorte
MON 810 sind in Deutschland nicht mehr zulässig.
Das Ruhen, der Genehmigung von MON 810 ist seit
14. April 2009 angeordnet. Diese Entscheidung der
Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz war angesichts der unterschiedli-
chen Risikobewertung durch die fachlich befassten
Bundesbehörden vom Vorsorgeprinzip geboten. Die Ent-
scheidung von Bundesministerin Ilse Aigner ist richtig
und wird von uns unterstützt. Deshalb lehnen wir den
Antrag nicht ab.
Die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz hat ihre Einzelfallentscheidung
zu MON 810 auf der Basis der vorliegenden wissen-
schaftlichen Untersuchungen getroffen. Entscheidungen
über innovative Technologien und ihre Anwendung
müssen in jedem Fall anhand fundierter wissenschaftli-
cher Erkenntnisse und unter Beachtung höchster Sicher-
heitsmaßstäbe getroffen werden. Forschung zur Grünen
Gentechnik bleibt insbesondere im Hinblick auf die Si-
cherheit für Mensch, Tier und Umwelt in vollem Um-
fang notwendig. Der Antrag bringt die erforderliche Of-
fenheit gerade gegenüber der Forschung zu
Sicherheitsfragen der Grünen Gentechnik nicht zum
Ausdruck. Die in dem Antrag enthaltenen Angriffe auf
die Sachkunde und die Integrität der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der zuständigen Behörden und For-
schungseinrichtungen weisen wir entschieden zurück.
Deshalb stimmen wir dem Antrag nicht zu.
Aus den genannten Gründen enthalten wir uns bei der
Abstimmung über die Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/12841.
Anlage 44
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß,
Ulrich Kelber, Waltraud Wolff (Wolmirstedt),
Marianne Schieder, Volker Blumentritt, Josip
Juratovic, Dr. Wolfgang Wodarg, Gabriele
Fograscher, Jella Teuchner, Anette Kramme,
Hilde Mattheis, Johannes Jung (Karlsruhe),
Dr. h. c. Susanne Kastner, Heinz Paula, Engelbert
Wistuba, Lothar Binding (Heidelberg), Ewald
Schurer, Heidi Wright, Petra Ernstberger,
Marco Bülow, Martin Burkert, Dr. Carl-
Christian Dressel, Dr. Bärbel Kofler, Jörg Tauss,
Hedi Wegener, Holger Ortel, Christoph Pries,
Rita Schwarzelühr-Sutter, Heinz Schmitt (Lan-
dau), René Röspel, Mechthild Rawert, Angelika
Graf (Rosenheim), Jürgen Kucharczyk, Ulla
Burchardt, Rainer Arnold, Dr. Hans-Ulrich
Krüger, Lothar Mark, Dr. Angelica Schwall-
Düren, Sören Bartol, Florian Pronold, Klaus
Barthel, Christoph Strässer, Walter Kolbow,
Dr. h. c. Gerd Andres, Dr. Reinhold Hemker,
Renate Gradistanac, Gustav Herzog, Marlene
Rupprecht (Tuchenbach), Peter Friedrich, Gesine
Multhaupt, Bettina Hagedorn, Dieter Steinecke,
Gerd Bollmann, Dr. Gerhard Botz, Katja Mast,
Detlef Müller (Chemnitz), Ute Kumpf, Detlef
Dzembritzki, Gabriele Hiller-Ohm, Uta Zapf
und Christel Riemann-Hanewinckel (alle SPD)
zur namentlichen Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung und den Bericht Anbau von
gentechnisch verändertem Mais stoppen (Tages-
ordnungspunkt 11)
Im April 2009 hat die zuständige Bundesministerin
Ilse Aigner den Anbau des einzigen zu kommerziellen
Zwecken zugelassenen GVO-Konstruktes, des Bt-Mais
MON 810 verboten. Wir unterstützen dieses Verbot. Im
März 2009 hatte Bundesminister Gabriel gegen die Un-
tersagung des in Österreich und Ungarn bereits seit län-
gerem bestehenden Verbots des Anbaus von MON 810
gestimmt. Wir unterstützen dieses Vorgehen.
Auch Frankreich, Polen, Griechenland und Luxem-
burg, wo der Anbau von MON 810 ebenfalls untersagt
ist, dürfen von der EU nicht gezwungen werden, den An-
bau wieder zuzulassen. Einen Eilantrag der Firma Mons-
24300 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
anto gegen das Verbot, Genmais der Linie MON 810 an-
zubauen, hat das Verwaltungsgericht Braunschweig am
5. Mai 2009 abgelehnt. In der Begründung heißt es, dass
neuere Untersuchungen darauf hindeuten könnten, dass
der im Genmais produzierte Giftstoff nicht nur gegen
den Schädling wirke, der damit bekämpft werden solle,
sondern auch gegen weitere Insekten. Außerdem sei
nach aktuellen Studien davon auszugehen, dass sich die
Genmaispollen deutlich weiter verbreiten können, als
dies bisher angenommen wurde.
Das Verbot des kommerziellen Anbaus von MON 810
ist die Konsequenz aus dem im Koalitionsvertrag verein-
barten Schutz von Mensch und Umwelt als oberstem
Ziel gemäß dem Vorsorgegrundsatz. Weitere Konse-
quenzen müssen auf EU-Ebene die Ablehnung der Neu-
zulassung von MON 810 und der Zulassungen der gen-
technisch veränderten Maissorten Bt 11 und Bt 1507
sein, denn ähnlich wie bei MON 810 können auch bei
diesen Konstrukten negative Effekte auf Insekten und
andere Organismen nicht ausgeschlossen werden.
Nach meiner Überzeugung muss dem Vorsorgegrund-
satz im EU-Zulassungsverfahren stärker Rechnung ge-
tragen werden. Unsere Fraktion hatte deshalb mehrere
Entwürfe für Anträge erarbeitet, mit denen die Bundes-
regierung beauftragt werden sollte, sich auf EU-Ebene
für eine Überarbeitung der Gentechnikregelungen einzu-
setzen. Darin haben wir unter anderem ein transparentes
und demokratisches Zulassungsverfahren gefordert, das
sicherstellt, dass neben der unbedingten Einhaltung des
Vorsorgeprinzips weitere Aspekte des gesellschaftlichen
Interessenausgleichs, zum Beispiel Folgekosten, einbe-
zogen werden.
Auch die Absicherung der gentechnikfreien Regionen
ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir wollten zum einen
die Bundesregierung beauftragen, sich auf EU-Ebene für
eine verbindliche Regelung für gentechnikfreie Regio-
nen einzusetzen; zum anderen haben wir einen Weg
aufgezeigt, wie auch auf nationaler Ebene mit einer
fruchtartspezifischen Lösung bereits jetzt mehr Verbind-
lichkeit für gentechnikfreie Regionen geschaffen werden
könnte.
Unsere Entwürfe konnten nicht eingebracht werden,
weil der Koalitionspartner die Unterstützung verweigert
hat. Auch die CSU-Kollegen waren nicht bereit, unsere
Initiativen zu unterstützen – obwohl die CSU in Bayern
diese Forderungen öffentlich vertritt.
Wir stimmen der vorliegenden Beschlussempfehlung
zu, die die Ablehnung des Antrags der Grünen vorsieht,
denn in wesentlichen Punkten ist der Antrag erledigt. Es
ist uns aber ein Anliegen hier zu erklären, dass es uns
nicht ausreicht, wenn in diesem Jahr kein kommerziel-
ler Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in
Deutschland mehr stattfindet. Wir sehen uns dem Vor-
sorgeprinzip verpflichtet und werden uns für seine kon-
sequente Durchsetzung auch auf EU-Ebene einsetzen.
Und dies nicht nur in diesem (Wahl-)Jahr und mit Wor-
ten sondern auch weiterhin und mit Taten.
Anlage 45
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts:
– zu dem Antrag des Bundesministeriums der
Finanzen: Entlastung der Bundesregierung
für das Haushaltsjahr 2007 – Vorlage der
Haushalts- und Vermögensrechnung des
Bundes – (Jahresrechnung 2007)
– zu der Unterrichtung durch den Bundes-
rechnungshof: Bemerkungen des Bundes-
rechnungshofes 2008 zur Haushalts- und
Wirtschaftsführung des Bundes (einschließ-
lich der Feststellungen zur Jahresrechnung
2007)
– Rechnung des Bundesrechnungshofes für
das Haushaltsjahr 2008 – Einzelplan 20
(Tagesordnungspunkt 6 a und b)
Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die Beratung zur
Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr
2007 und zu den Prüfbemerkungen des Bundesrech-
nungshofs, die heute auf der Tagesordnung steht, erfolgt
in einem gut eingespielten und überaus sachlichen Ver-
fahren. Der Bundesrechnungshof hat erneut umfangrei-
che Prüfungen durchgeführt und zahlreiche Bemerkun-
gen erarbeitet. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle
bedanken, denn die Arbeit des Bundesrechnungshofs
bietet uns wertvolle Hinweise und Anregungen. Über die
Details der Prüfungsergebnisse haben wir in den Aus-
schüssen intensiv beraten. Insgesamt sind wir zur Auf-
fassung gelangt, dass keinerlei Bedenken bestehen und
daher die Entlastung der Bundesregierung für 2007 er-
folgen kann.
2007 ist ein Jahr, auf das wir noch lange nicht ohne
Stolz zurückschauen werden. Die Einhaltung der
Maastricht-Kriterien war aufgrund kluger Politik kein
Thema mehr. Die Konsolidierungsanstrengungen der vo-
rangegangenen Jahre unter der Großen Koalition hatte
dazu geführt, dass wir endlich Licht am Ende des Tun-
nels sahen. In greifbarer Nähe schien das Ziel zu sein,
bis spätestens 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaus-
halt vorzulegen. Diese Konsolidierungserfolge sind der
Ausdruck erfolgreicher Unionspolitik.
Wie anders sieht im Vergleich dazu die Situation
heute aus, einen Tag vor der Bekanntgabe der Mai-Steu-
erschätzung. Diese wird wahrscheinlich einen erhebli-
chen Rückgang der Steuereinnahmen gegenüber der
Schätzung von vor einem Jahr beinhalten. Dies ist letzt-
lich der aktuellen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise ge-
schuldet, die uns mit großer Wucht in der zweiten Hälfte
des letzten Jahres getroffen hat.
Wir dürfen jetzt aber nicht verzagen oder populistisch
negative Stimmungen verbreiten. Die Union stellt sich
den Herausforderungen. Wir sind uneingeschränkt hand-
lungsfähig. Und eines muss deutlich gesagt werden:
Wenn wir nicht die Konsolidierungserfolge der letzten
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24301
(A) (C)
(B) (D)
Jahre gehabt hätten, worauf wollten wir nun unsere Poli-
tik der Krisenbewältigung aufbauen?
Die Konsolidierungserfolge sind die Basis für die nun
ergriffenen Maßnahmen zur Krisenbewältigung, die
richtigerweise letztlich zu Steuerausfällen und Ausga-
benerhöhungen führen. So haben wir im Herbst erste
Maßnahmen umgesetzt, um den für eine soziale Markt-
wirtschaft zentralen Finanzmarkt zu stabilisieren und das
verlorene Vertrauen wiederherzustellen. Weitere Stabili-
sierungsmaßnahmen folgten bzw. sind mit dem Kabi-
nettsbeschluss von heute Morgen auf gutem Wege. Zwei
Konjunkturprogramme haben wir angestoßen, deren
Umsetzung noch nicht abgeschlossen ist. Bei diesen Pro-
grammen handelt es sich letztlich um einen Mix aus
steuerlichen Erleichterungen, dringend notwendigen In-
vestitionen und weiteren Maßnahmen wie die Verlänge-
rung des Bezuges des Kurzarbeitergelds. Vor allem las-
sen wir die automatischen Stabilisatoren wirken.
Zur Krisenbewältigung gehört für die Union unbe-
dingt der Blick nach vorne. Jetzt müssen wir mit Investi-
tionen und verbesserten Rahmenbedingungen die Basis
für das künftige Wirtschaftswachstum legen. Damit ver-
bunden sind erhebliche Veränderungen, deren Ergebnis
wir noch gar nicht absehen können. Jedoch müssen wir
die aktuelle Situation auch als Chance begreifen und
Deutschland besser aufstellen, damit wir nach der Krise
gestärkt starten können. Mit dieser Politik stärken wir
die Basis für künftige Steuereinnahmen und sichern Ar-
beitsplätze. Steuerliche Erleichterungen sind daher kein
Widerspruch.
Deutschland muss die Aufrechterhaltung des Grund-
gedankens des Maastrichter Stabilitäts- und Wachstums-
pakts fest im Blick haben. Der europäische Stabilitäts-
und Wachstumspakt hat an Aktualität und Dringlichkeit
für die EU-Staaten nicht an Bedeutung verloren. Daher
muss Deutschland weiterhin als verlässlicher Stabilitäts-
anker gelten. Wir müssen möglichst bald wieder die
Maastricht-Kriterien einhalten und dafür auf den Pfad
der Konsolidierung des Bundeshaushalts zurückkehren.
Dafür steht die Union. Auch die Bundesländer sind hier
gefordert. Die Nachhaltigkeit der Haushalts- und Fi-
nanzpolitik wird dabei unterstützt durch die Ergebnisse
der Föderalismus-II-Kommission. Denn die Einführung
einer wirksamen Schuldenbremse für Bund und Länder
stellt einen qualitativen Quantensprung für die erfolgrei-
che Haushaltskonsolidierung dar.
Sicherlich ist die Situation nicht einfach. Sie ist aber
nicht so, dass wir den Kopf in den Sand stecken könnten
oder wie gelähmt in Untätigkeit verharren sollten. Wir
müssen den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land
die bestehenden Unsicherheiten und Ängste nehmen.
Wer aber solche auch noch schürt, der zündelt als Brand-
stifter.
Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Mit
Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom
11. April 2008 wurde dem Deutschen Bundestag die
Jahresrechnung 2007 gemäß Art. 114 Grundgesetz zuge-
leitet und der Antrag gestellt, nach Eingang der Bemer-
kungen des Bundesrechnungshofs und deren parlamen-
tarischen Beratung die Entscheidung des Deutschen
Bundestags über die Entlastung der Bundesregierung
herbeizuführen. Wichtigste Grundlage dieser Entschei-
dung sind die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs,
der diese Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und
Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsfüh-
rung geprüft hat.
Die Feststellungen des Bundesrechnungshofs zur
Jahresrechnung 2007 und Haushalts- und Wirtschaftsfüh-
rung sind im Rechnungsprüfungsausschuss in der
36. Sitzung am 24. April 2009 abschließend beraten wor-
den. Der Haushaltsausschuss hat in seiner 98. Sitzung am
6. Mai 2009 beschlossen, dem Deutschen Bundestag die
Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr
2007 zu empfehlen. Die Bemerkungen des Bundesrech-
nungshofs wurden einvernehmlich zur Kenntnis genom-
men.
In den Feststellungen zur Haushalts- und Vermögens-
rechnung 2007 bescheinigt der Bundesrechnungshof der
Bundesregierung eine im Wesentlichen ordnungsmä-
ßige Haushalts- und Wirtschafsführung. Wie in jedem
Jahr hat der Rechnungsprüfungsausschuss die vom Bun-
desrechnungshof festgestellten Unzulänglichkeiten in
der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Ressorts kri-
tisch untersucht und Abhilfe gefordert. Das Bundesmi-
nisterium der Finanzen – als die für die Rechnungsle-
gung zuständige Stelle – wurde aufgefordert, gemeinsam
mit den Ressorts die Beachtung der für sie geltenden
Vorschriften und Grundsätze sicherzustellen. Für die
Entlastung der Bundesregierung wesentliche Unstim-
migkeiten in der Haushalts- und Vermögensrechnung
wurden nicht festgestellt.
Der Bundesrat hat der Bundesregierung bereits am
13. Februar 2009 die Entlastung für das Haushaltsjahr
2007 erteilt.
Die aktuelle Haushaltsentwicklung, massiv durch die
internationale Finanz- und Wirtschaftskrise beeinflusst,
erfordert außergewöhnliche Maßnahmen. Um das Parla-
ment rechtzeitig über seine Bestandsaufnahme und Be-
wertung der Haushaltslage zu informieren, wird der
Bundesrechnungshof die Feststellungen zur finanzwirt-
schaftlichen Entwicklung dem Deutschen Bundestag ab
2010 bereits im September jeden Jahres als Unterlage für
die Haushaltsberatungen übermitteln.
Im Bundeshaushalt bestehen nach wie vor strukturelle
Herausforderungen, die durch die aktuelle Wirtschafts-
und Finanzkrise verstärkt werden. Nach Ende der Krise
ist der konsequente Konsolidierungskurs im Bundes-
haushalt wieder verstärkt fortzusetzen. Dies sollte durch
ein effizientes Verfahren der Haushaltsaufstellung sowie
eine stärker ergebnisorientierte Haushaltssystematik und
-struktur unterstützt werden.
Das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts ohne
Nettokreditaufnahme darf nicht aufgegeben werden. Die
Vorschläge der Bund-Länder-Föderalismuskommission II
für eine wirksame Schuldenregel und ein Frühwarnsys-
tem in Bezug auf Haushaltskrisen sollten noch in dieser
Legislaturperiode umgesetzt werden. Damit wird die
Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte verbessert, und
24302 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
die Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachs-
tumspaktes können dauerhaft eingehalten werden.
Die inzwischen vorliegenden Ergebnisse der Steuer-
schätzung bekräftigen diese Vorgehensweise mehr als
deutlich. Wer jetzt noch Steuersenkungen verspricht,
handelt unseriös, fahrlässig und verantwortungslos.
Abschließend bitte ich um Zustimmung zu der Entlas-
tung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2007,
das sehr erfolgreich war, und um Kenntnisnahme der Be-
merkungen des Bundesrechnungshofs 2008 zur Haus-
halts- und Wirtschaftsführung des Bundes einschließlich
der Feststellungen zur Jahresrechnung 2007.
Dr. Claudia Winterstein (FDP): Wir sprechen heute
über die Entlastung der Bundesregierung für das Haus-
haltsjahr 2007. Ich möchte dazu aus den Feststellungen
des Rechnungshofes zitieren. Es heißt: „Die finanzielle
Lage des Bundes hat sich weiter verbessert. Vor allem
aufgrund des gestiegenen Steueraufkommens geht die
Deckungslücke im Bundeshaushalt zurück.“ Wohlge-
merkt: Das war 2007. Damals hatte die Regierung auch
noch versprochen, die Neuverschuldung bis 2011 auf
null zurückzuführen. Jetzt im Mai 2009 klingt das ange-
sichts der aktuellen Haushaltslage wie ein Märchen aus
guter, alter Zeit.
Schauen wir auf die aktuellen Zahlen! Noch rechnet
der Finanzminister für 2009 mit einer Neuverschuldung
von 37 Milliarden Euro. Das ist völlig unrealistisch. Wir
alle wissen, dass diese Summe deutlich höher liegen
wird. Nicht nur ich gehe davon aus, dass die Neuver-
schuldung bei über 90 Milliarden Euro liegen wird.
Auch die Union rechnet in dieser Größenordnung. Für
die nächsten Jahre ist keine Besserung zu erwarten. Ein
Haushalt ohne neue Schulden steht nicht mehr zur De-
batte.
Was sind die Gründe für diese katastrophale Situa-
tion? Sicher, die Konjunktur ist angesichts der Krise ein-
gebrochen und damit auch die Steuereinnahmen. Wer
aber behauptet, die Gründe für das Riesendefizit liegen
ausschließlich in externen Faktoren außerhalb von politi-
schen Verantwortlichkeiten, der macht es sich zu ein-
fach.
Zunächst der Blick in die Vergangenheit: In den letz-
ten drei Jahren hat die schwarz-rote Koalition die histo-
rische Chance verpasst, erstmals seit 1969 wieder einen
Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen. Dabei
waren die Vorraussetzungen dafür geradezu optimal. In
den Jahren 2006 bis 2008 hat Herr Steinbrück insge-
samt 110 Milliarden Euro mehr an Steuern eingenom-
men. Trotzdem hat er im gleichen Zeitraum neue Schul-
den in Höhe von 54 Milliarden Euro angehäuft. Statt zu
sparen hat Schwarz-Rot weiter die Ausgaben erhöht und
den Schuldenberg erheblich vergrößert. Das ist die trau-
rige Bilanz nach einer einzigen Wahlperiode schwarz-
roter Haushaltspolitik.
Die Krise passte da gerade gut ins Konzept – ein will-
kommener Vorwand zum Lösen sämtlicher Bremsen der
Ausgabedisziplin. Das absurdeste Beispiel ist die ökono-
misch äußerst fragwürdige Abwrackprämie. 5 Milliarden
Euro neue Schulden, damit rechtzeitig vor der Bundes-
tagswahl neue Autos in den Garagen stehen, sponsored
by Schwarz-Rot. Ich glaube allerdings nicht, dass sich die
Wähler so einfach bestechen lassen. Steuerentlastungen
hätten dagegen nicht nur einigen, sondern allen Bürgern
und der ganzen Wirtschaft geholfen.
Dabei sind die wahren Ausmaße der schwarz-roten
Schuldenpolitik noch gar nicht absehbar. Beim Banken-
rettungsfonds und bei den Arbeitsmarktausgaben drohen
weitere Milliardenrisiken und der Gesundheitsfonds ist
ein Fass ohne Boden. Allein 2009 werden über 10 Mil-
liarden Euro Steuergelder in diese Fehlkonstruktion flie-
ßen. Das sind bereits 6 Milliarden mehr als ursprünglich
geplant. Nur eines ist sicher: Der Schuldenberg wächst
und wächst.
Was bleibt, ist der Blick nach vorne. Nach den
schwarz-roten Haushaltsexzessen ist es an der Zeit, wie-
der zur Vernunft in der Haushaltspolitik zurückzukehren.
Der Vorschlag der Föderalismuskommission ist leider
nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Besser
wäre ein umfassendes Verschuldungsverbot, auch für
den Bund. Neue Schulden sind nur in Notlagen zu ver-
antworten. Die FDP will eine klare und unmissverständ-
liche Regel. Die Kreditaufnahme darf nicht länger ein
normales Instrument zur Finanzierung der Staatsausga-
ben sein. Der Staat darf nur das ausgeben, was er ein-
nimmt. Diese einfache Regel muss endlich zum Leitsatz
einer vernünftigen und verantwortungsbewussten Haus-
haltspolitik werden.
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Die SPD wird
im Wahlkampf zu einer verbalradikalen Kampftruppe,
um dann nach der Wahl wieder lammfromm der Kanzle-
rin zu folgen. Der sozialdemokratische Finanzminister
hat bei der Steuerflucht jahrelang geholfen und beide
Augen zugedrückt. Er wandelt sich im Wahlkampf pol-
ternd vom Saulus zum Paulus.
Wenn es um die Bekämpfung von Steueroasen geht,
benimmt sich der Finanzminister wie ein Elefant im Por-
zellanladen – allerdings nur, wenn es um kleine Länder
wie Luxemburg oder Österreich geht. Er redet aber nicht
über die Steueroase Großbritannien, und er redet vor al-
lem nicht über die Steueroase Bundesrepublik Deutsch-
land. Jeder vernünftige Steuerbürger muss sich doch fra-
gen, warum Milliarden von nicht gezahlten Steuern aus
Deutschland nach Luxemburg transferiert werden konn-
ten. Sie konnten es, weil der Finanzminister diesen Mil-
liardentransfer nicht stoppen wollte.
Im November 2006 hat der Bundesrechnungshof fest-
gestellt, dass Einkunftsmillionäre in einigen Bundeslän-
dern nur alle 30 Jahre geprüft werden. Warum? Sind die
Prüfungen so unergiebig? Nein, im Gegenteil. Jede Prü-
fung bringt im Durchschnitt 135 000 Euro in die Steuer-
kassen. Der Bundesrechnungshof – nicht die Linke –
schlug vor, dass Einkommensmillionäre verpflichtet
werden sollten, ihre steuerrelevanten privaten Belege
aufzubewahren, um spätere Steuerprüfungen zu ermögli-
chen. Weiterhin sollte die Pflicht zur Begründung einer
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24303
(A) (C)
(B) (D)
Außenprüfung gestrichen werden. Man sollte meinen,
das wäre für den Bundesfinanzminister und die Länder-
finanzminister Anlass, die Prüfungsanstrengungen zu
verstärken. Doch weit gefehlt.
Der Bundesfinanzminister fürchtete angeblich mehr
Bürokratie und lehnte jede Veränderung der Prüfungs-
praxis ab. Ich zitiere aus der Stellungnahme des Finanz-
ministeriums: „… die Einführung einer Belegaufbe-
wahrungspflicht für diese Gruppe von Steuerpflich-
tigen“ – gemeint sind die Einkommensmillionäre – „so-
wie die Erleichterung bei der Begründung einer Prü-
fungsordnung werden nicht befürwortet, weil diese
Maßnahmen mit dem von der Bundesregierung mit Prio-
rität verfolgten Ziel des Bürokratieabbaus nicht verein-
bar sind“. Wenn man sich vorstellt, welche unglaubli-
chen bürokratischen Monster CDU/CSU und SPD
hervorgebracht haben – ich denke nur an die Hartz-Ge-
setze –, dann ist diese Position einfach abenteuerlich. Im
Wahlkampf hat der SPD-Finanzminister seine Meinung
um 180 Grad geändert. Er hat ein Gesetz zur Bekämp-
fung der Steuerhinterziehung vorgelegt, in dem die Auf-
bewahrungspflicht auf sechs Jahre festgelegt ist. Ist es
nicht erstaunlich, dass der Bürokratieabbau für den Fi-
nanzminister im Wahlkampf plötzlich gar kein Argu-
ment mehr ist?
Die Linke ist dafür, dass Steueroasen weltweit ausge-
trocknet werden. Doch der Finanzminister muss auch
endlich die Steueroase Deutschland austrocknen. Leider
bleibt mir nicht die Zeit, auf die unglaubliche Ver-
schwendung von Steuermitteln durch die Bundesregie-
rung einzugehen, die der Bundesrechnungshof beklagt.
Ich muss die Regierung davor warnen, die Finanz-
krise zum Anlass zu nehmen, um völlig unsinnige und
kostspielige Projekte zu verfolgen. Ich denke da zum
Beispiel an die völlig überflüssige Verlängerung der Au-
tobahn in Berlin. Die Krise wird von dieser Regierung
nicht als Chance für eine soziale und ökologische Wende
genutzt, sondern Sie folgen weiter dem Prinzip: Es muss
alles ganz anders bleiben. Dieses Prinzip lehnt die Linke
ab.
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Der Haushalt 2007 verletzt zahlreiche zentrale Ansprü-
che, welche die Bundeshaushaltsordnung an die Haus-
haltswirtschaft stellt. Das eingerichtete Sondervermögen
für den Ausbau der Kinderbetreuung in Höhe von
2,15 Milliarden Euro und die Mittel zur Förderung der
Kultur im Rahmen der Selbstbewirtschaftung in Höhe
von 400 Millionen Euro verstoßen gegen die fundamen-
talen Prinzipien Klarheit und Wahrheit. Des Weiteren
verstoßen sie gegen die ebenso wichtigen Maßgaben der
Jährlichkeit und der Etatreife. Unsere Auffassung wird
durch Stellungnahmen des Bundesrechnungshofes ge-
stützt. Damit ist eine Entlastung formal für uns nicht
tragbar. Neben dieser gravierend formalen Schwäche des
Haushaltes 2007 sind auch schwerwiegende inhaltliche
Fehlentscheidungen damit verbunden.
Zwar scheint im Vergleich zum aktuellen Haushalts-
jahr das Haushaltsjahr 2007 mit einer Nettokreditauf-
nahme von 14,3 Milliarden Euro fast als Hort haushalte-
rischer Seligkeit. 2007 stiegen die Steuereinnahmen
überraschend stark an, sodass ein Nachtragshaushalt ver-
abschiedet wurde, um mit zusätzlichen Einkünften neue
Ausgaben auf den Weg zu bringen. Die Koalition schlug
damals den gefährlichen Weg ein, der uns heute in eine
Situation gebracht hat, in der die Handlungsfähigkeit des
Staates durch die ernorme Ausweitung der Neuverschul-
dung ernsthaft bedroht ist. Die zusätzlichen Steuerein-
nahmen und die allgemein sehr gute Konjunktur wurden
nicht genutzt, um eine wirkliche Konsolidierung einzu-
leiten, die uns heute haushalterische Spielräume erlau-
ben würde. Das war ein schwerwiegender Fehler der
Großen Koalition, die immer nur im Geldausgeben groß
war.
Obwohl mit dem Versprechen einer Haushaltskonso-
lidierung angetreten, wurde niemals wirklich konsoli-
diert, sondern Steuererhöhungen und die daraus resultie-
renden sehr beträchtlichen Mehreinnahmen nur genutzt,
um noch mehr Geld auszugeben. Jetzt laufen wir auf
eine Neuverschuldung von fast 100 Milliarden Euro zu.
Und im nächsten Jahr wird sich die Situation wahr-
scheinlich noch verschärfen. Bei der Bundesagentur für
Arbeit, aber auch beim Gesundheitsfonds stecken Risi-
ken in Milliardenhöhe. Der Bund wird den Sozialversi-
cherungen aus der Patsche helfen müssen. Das muss mit
Steuermitteln geschehen, denn eine Erhöhung der Bei-
träge hätte in der Krise starke prozyklische Wirkung, das
heißt, die Krise auf dem Arbeitsmarkt würde weiter ver-
schärft werden. Dazu kommen für den Bundeshaushalt
weitere Belastungen aus der Bankenrettung.
Erst morgen werden wir die Ergebnisse der Steuer-
schätzung erfahren. Aber leider werden diese im Gegen-
satz zu 2007 ausgesprochen negativ ausfallen. In der
mittelfristigen Finanzplanung ist nicht mehr absehbar,
wie ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden kann.
Aber es wäre zu einfach, das alles als Kollateralschaden
der Finanz- und Wirtschaftskrise zu erklären. Die kata-
strophale Situation des Bundeshaushalts ist zurückzu-
führen auf eine verfehlte Haushaltspolitik der Großen
Koalition von Beginn an. Zwar ist heute auch die Kanz-
lerin endlich zurückgerudert von ihren Steuersenkungs-
plänen; dennoch gibt es Irrgänger in der Union, die die
Situation des Bundeshaushalts völlig unterschätzen,
wenn sie jetzt noch Steuersenkungen fordern. Das kann
nicht funktionieren. Diese Art von ungedeckter Scheck-
buchpolitik ist hochgefährlich, denn sie unterminiert das
Vertrauen in die Politik und letztlich auch in den Staat.
Es ist Zeit für Ehrlichkeit.
Schon 2007 haben Sie mit einem Sondervermögen
agiert, um Ihre Politik auf Pump zu verschleiern. Diese
Art von intransparenter Haushaltspolitik setzen Sie mit
den Schattenhaushalten bei der Bankenrettung und beim
Investitions- und Tilgungsfonds fort. Und die Einsätze
haben Sie verzehnfacht. Es wird Zeit, dass sich die
Große Koalition ehrlich macht. Die Haushaltskonsoli-
dierung war als zentrales Ziel ausgegeben worden. Nicht
nur damit ist die Große Koalition gescheitert.
24304 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 46
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Lebendspenden bei
der Transplantation von Organen erleichtern
(Tagesordnungspunkt 7)
Peter Friedrich (SPD): Wir haben in Deutschland
einen gravierenden Mangel an Spenderorganen. Nach
wie vor stehen 12 000 Menschen auf den Wartelisten für
dringend notwendige Organtransplantationen. Jeden Tag
sterben in Deutschland im Durchschnitt etwa drei Men-
schen, weil nicht genügend Spenderorgane zur Verfü-
gung stehen. Seit Inkrafttreten des Transplantationsge-
setzes stagniert die Anzahl der gespendeten Organe.
Trotz zahlreicher Öffentlichkeitskampagnen, mit denen
für die Organspende geworben wird, gingen die Spende-
zahlen im vergangenen Jahr sogar zurück. Gleichzeitig
legen Untersuchungen den Schluss nahe, dass bei wei-
tem nicht alle Organe, die nach dem Tod möglicher Or-
ganspender prinzipiell zur Verfügung stehen könnten,
auch wirklich erkannt und transplantiert werden.
Quer über die Grenzen unserer Fraktionen hinweg
sind wir deshalb gefordert, uns der Frage zu stellen, mit
welchen Maßnahmen wir uns dieser Entwicklung entge-
genstellen können. Es muss Gründe dafür geben, wes-
halb die Zahl der gespendeten Organe bei uns in
Deutschland zurückgeht, gleichzeitig aber in anderen eu-
ropäischen Ländern steigt. Die Ursachen für diese Un-
terschiede müssen wir finden und abstellen.
Ich danke den Kolleginnen und Kollegen aus der
FDP-Fraktion dafür, dass wir uns auf der Basis ihres An-
trages heute im Plenum des Deutschen Bundestages mit
dem Thema Organspende auseinandersetzen können. Ich
denke jedoch, es ist uns allen bewusst, dass wir mit un-
serer heutigen halbstündigen Debatte der Bedeutung die-
ses Themas nur im Ansatz genügen können. Wir sollten
die heutige Debatte deshalb in meinen Augen als Start-
punkt eines wichtigen Diskussionsprozesses begreifen,
an dessen Ende der Deutsche Bundestag in der kommen-
den Wahlperiode über eine Weiterentwicklung des
Transplantationsgesetzes zu entscheiden hat. Neben
rechtlichen und organisatorischen Fragen müssen wir
dabei auch ethischen Abwägungen umfassenden Raum
geben. Die Frage, inwieweit wir Lebendspenden bei der
Transplantation von Organen erleichtern wollen, gehört
zu diesen ethischen Aspekten.
Mit dem Transplantationsgesetz hat der Deutsche
Bundestag 1997 die Organspende auf eine gesetzliche
Grundlage gestellt. Mit der Verabschiedung des Gewe-
begesetzes vor zwei Jahren haben wir das Transplanta-
tionsgesetz an einigen Stellen an europäisches Recht an-
geglichen. Auf eine umfassendere Novellierung haben
wir damals verzichtet, da die Anpassung der deutschen
Rechtsnormen an europäisches Recht in Umsetzung der
europäischen Geweberichtlinie keinen Aufschub dul-
dete.
Für eine umfassendere Auseinandersetzung mit der
Frage, inwiefern die Rahmenbedingungen des Trans-
plantationsgesetzes für die Organspende in Deutschland
verbessert werden sollten, fehlte uns damals die notwen-
dige Zeit. Mit der Verabschiedung des Gewebegesetzes
im Mai 2007 haben wir mit den Stimmen der Mehrheit
dieses Hauses das Bundesministerium für Gesundheit
um einen Erfahrungsbericht zur Situation der Transplan-
tationsmedizin in Deutschland gebeten. Der erste Teil
dieses Berichtes liegt nun vor, ein zweiter Teil mit Aus-
führungen insbesondere zur Organisation der Organ-
spende soll bis zum Herbst folgen. Im September 2007
hat eine Delegation des Gesundheitsausschusses eine
Reise nach Spanien unternommen, um sich dort ausführ-
lich über die gesetzlichen und organisatorischen Rah-
menbedingungen der Transplantationsmedizin zu infor-
mieren.
Bereits im Frühjahr 2007 hatte der Nationale Ethikrat
in einer Stellungnahme eine Abkehr von der bei uns bis-
lang praktizierten erweiterten Zustimmungslösung zur
Entnahme von Organen vorgeschlagen. Anstelle dessen
sprach sich der Ethikrat für ein Stufenmodell aus, das
Elemente einer Erklärungsregelung mit einer Wider-
spruchsregelung verbindet. Dem Vorschlag des Ethikra-
tes zufolge sollte jeder und jedem die Möglichkeit gege-
ben werden, zu Lebzeiten eine Erklärung über die
persönliche Bereitschaft zur Organspende abzugeben.
Bei unterbliebener Erklärung sollte es möglich sein, Or-
gane nach dem Tod entnehmen zu dürfen, solange die
Angehörigen dieser Organentnahme nicht widerspre-
chen.
Persönlich bin ich davon überzeugt, dass wir zu dieser
Umkehr kommen müssen. Das setzt aber eine gesell-
schaftliche Diskussion darüber voraus, die eine belast-
bare Unterstützung für eine solche tiefgreifende Verän-
derung schafft.
Mit dem uns heute vorliegenden Antrag tritt die FDP-
Fraktion dafür ein, die Lebendspende von Organen zu
erleichtern. Es ist sicher richtig, diese Frage im Deut-
schen Bundestag zu erörtern. Es ist aber letztlich eine
Frage, die unser Gewissen berührt und die wir ebenfalls
in einem längeren Diskussionsprozess behandeln sollten.
Und es ist für mein Dafürhalten keine Frage, die wir iso-
liert betrachten dürfen. Vielmehr müssen wir über die
Lebendspende und die postmortale Spende von Organen
gemeinsam und auf ausgewogener Grundlage diskutie-
ren. Ich befürchte, dass die verbleibenden Wochen bis
zur Bundestagswahl in diesem Herbst für eine angemes-
sene Auseinandersetzung mit diesen Aspekten nicht aus-
reichend sein werden.
Persönlich habe ich mit zwei Punkten des Antrags zur
Erleichterung der Lebendspende Schwierigkeiten. Ich
denke beispielsweise nicht, dass wir den Grundsatz der
Subsidiarität der Lebendspende ersatzlos streichen soll-
ten. Nach wie vor sollte eine Lebendspende erst dann er-
laubt sein, wenn kein geeignetes postmortales Organ zur
Verfügung steht. Denkbar wäre allerdings in meinen Au-
gen, stärker als bislang auch medizinische Kriterien in
die Abwägung zwischen postmortaler Spende und Le-
bendspende einzubeziehen. Wenn aus medizinischer
Sicht durch eine Lebendspende bessere Ergebnisse als
durch eine postmortale Organspende erzielt werden kön-
nen, sollte die Lebendspende möglich sein. Der grund-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24305
(A) (C)
(B) (D)
sätzliche Vorrang der postmortalen Spende sollte aber
auch weiterhin gelten.
Auch die Forderung nach Zulassung der Überkreuz-
spende trage ich nicht mit. Hier gilt es, neben den Inte-
ressen der Organempfänger auch die Belange des Spen-
derschutzes und das Risiko einer Drucksituation zu be-
rücksichtigen. Ich glaube nicht, dass wir den Kreis der
Lebendspende beliebig ausdehnen können. Ich be-
fürchte, dass eine Zulassung der Lebendspende auch
zwischen Personen, die in keinem persönlichen oder ver-
wandtschaftlichen Näheverhältnis untereinander stehen,
dazu führen könnte, dass sich potenzielle Spender einem
hohen moralischen Druck zugunsten einer Organspende
ausgesetzt fühlen könnten. Auch könnte eine Auswei-
tung des Spenderkreises die Gefahr des Organhandels
erhöhen. Eine Überkreuzspende führt dazu, dass sich der
Kreis der Personen, die in die Entscheidung eingebun-
den sind, mindestens verdoppelt. Folglich tritt in der
Diskussion ein Beziehungsgeflecht ein. Fragen von
Freundschaft, Vertrauen, vielleicht auch Liebe gewinnen
damit an Bedeutung. Die Sorgen vor erhandelten Le-
bendspenden müssen wir ernst nehmen und darüber aus-
führlich diskutieren.
Auch wenn uns der zweite Teil des Erfahrungsberich-
tes mit dem Transplantationsgesetz, den das Bundesge-
sundheitsministerium derzeit vorbereitet, momentan
noch nicht vorliegt, geben uns zahlreiche Stellungnah-
men und Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeiten bereits
heute Hinweise darauf, dass wir die Anzahl der postmor-
tal gespendeten Organe deutlich steigern können. Eine
Umwandlung der Zustimmungslösung hin zu einer abge-
stuften Widerspruchslösung, wie vom Nationalen Ethik-
rat vor zwei Jahren angeregt, kann hierzu sicherlich ei-
nen wichtigen Beitrag leisten.
Unabhängig davon und jenseits von ethischen Aspek-
ten gibt es in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe
von organisatorischen und auch rechtlichen Fragestel-
lungen. Diesen Fragen sollten wir uns in der Debatte um
die Weiterentwicklung des Transplantationsgesetzes aus-
führlich widmen. Nach meiner Sicht der Dinge müssen
wir Fehlanreize innerhalb des bestehenden Organentnah-
meprozesses, die einer Steigerung der Zahl der Spende-
organe entgegenstehen, beseitigen. Der Nationale Ethik-
rat hat in seinem Votum auf zahlreiche organisatorische
Mängel im derzeit gelebten Transplantationssystem hin-
gewiesen, darunter unter anderem auf die mangelhafte
Erstattung bei der Explanation. Die Aufwandsentschädi-
gungen für Spendenkrankenhäuser – so der Ethikrat vor
zwei Jahren – sei nicht in allen Fällen geeignet, die tat-
sächlich entstehenden Kosten zu decken. Dem müssen
wir nachgehen.
Wir sind es den Menschen auf den Wartelisten für
Spenderorgane schuldig, dass die finanziellen und orga-
nisatorischen Risiken von Krankenhäusern, die mögli-
che Spenderorgane melden und entnehmen, finanziell
vollständig kompensiert werden. Keine Organspende
darf aufgrund einer nicht ausreichenden Vergütung un-
terbleiben. Ganz im Gegenteil: Wir müssen alles dafür
tun, die Bedingungen, auch finanzieller Art, für jedes
Krankenhaus so zu setzen, dass die Erkennung mögli-
cher Spenderorgane weiter gesteigert wird und dass je-
des mögliche Spenderorgan auch tatsächlich gemeldet
wird.
Nach meinem Dafürhalten sollten wir uns auch mit
der Frage auseinandersetzen, ob die Monopolstruktur
der Deutschen Stiftung für Organspende, die für die Ko-
ordinierung der Organspende in Deutschland verant-
wortlich ist und nur in geringem Maße der Rechtsauf-
sicht des Bundesgesundheitsministeriums unterliegt,
nach wie vor die richtige Antwort auf die Erfahrungen
der zurückliegenden Jahre sind. In meinen Augen würde
eine stärker regionalisierte Koordination der Organ-
spende unter der umfassenden Rechts- und Fachaufsicht
des Bundesministeriums für Gesundheit die bessere Ge-
währ für die Erfüllung einer so wichtigen Aufgabe bie-
ten. Gerade bei der Organvermittlung und der Organver-
gabe, bei der es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben
und Tod geht, ist es meines Erachtens von zentraler Be-
deutung, für eine umfassende Transparenz zu sorgen.
Mein Staatsverständnis sagt mir, dass dieses Maß an
Transparenz nur mit umfänglichen Kontroll- und Durch-
griffsrechten des Staates zuverlässig gewährleistet wer-
den kann.
Ich betrachte unsere heutige Debatte als Beginn der
parlamentarischen Auseinandersetzung um die Frage,
wie wir unser Transplantationsgesetz auf der Basis unse-
rer bisherigen Erfahrungen weiterentwickeln können,
um die Anzahl der Spenderorgane über das heutige Maß
hinaus zu steigern. Neben organisatorischen und rechtli-
chen Fragestellungen müssen wir uns hierbei auch wich-
tigen ethischen Aspekten widmen, die in der heutigen
Debatte sicherlich keinen ausreichenden Raum finden
können. Eine Entscheidung über die Lebendspende bei
der Transplantation von Organen sollte deshalb gemein-
sam mit Fragen zur Steigerung der Anzahl postmortaler
Spenderorgane getroffen werden.
Abschließend möchte ich nicht nur den vielen Men-
schen danken, die Organe spenden und zur Spende bereit
sind, sondern auch den Ärztinnen und Ärzten in unseren
Krankenhäusern meinen großen Respekt aussprechen.
Die Angehörigengespräche, die von ihnen vor einer Or-
ganentnahme zu führen sind, finden in einer schwierigen
emotionalen Situation statt. Organspenderinnen und Or-
ganspender sind meist Opfer von Verkehrsunfällen oder
unvorhergesehenen Hirnblutungen und werden mitten
aus dem Leben gerissen. Jeden Tag werden in unseren
Kliniken Gespräche mit den Angehörigen dieser oft jun-
gen Organspenderinnen und Organspender geführt, die
ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen erfordern und
unsere Anerkennung verdienen.
Martina Bunge (DIE LINKE): Gut gemeint, schlecht
gemacht und in der Wirkung fatal. – So lässt sich der
Antrag der FDP auf den Punkt bringen. Immerhin greift
die FDP-Fraktion mit ihrem Antrag ein wichtiges, ein le-
benswichtiges Thema auf: Die Transplantation von Or-
ganen. Nach wie vor warten in Deutschland fast 12 000
Menschen auf ein lebensrettendes Organ. Dem steht
nach wie vor eine vergleichsweise geringe Anzahl von
gespendeten Organen gegenüber.
24306 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Die FDP will diesem Problem begegnen, indem die
Organ-Lebendspende erleichtert werden soll. Das Trans-
plantationsgesetz soll von unnötigen Hürden befreit wer-
den.
Aber statt Probleme zu lösen, macht die FDP in ihrem
Antrag einen gefährlichen Denkfehler nach dem ande-
ren. Der ganze Antrag wird von der Idee getragen, Pro-
bleme bei den Organspenden mit mehr Lebendspenden
zu lösen. Das wird nicht funktionieren, und es setzt fal-
sche Zeichen. Postmortale Organspenden werden weiter
den Hauptanteil der Spenden bilden. Hier müsste der Fo-
kus des Antrags ansetzen. Aber im Gegenteil: Sie wollen
den Vorrang der postmortalen Spenden abschaffen.
Die Idee, anonyme Spenden an einen Pool zuzulas-
sen, birgt riesige Gefahren: Der Anreiz, einem Unbe-
kannten eine Niere zu spenden, dürfte sich bei den meis-
ten Menschen in Grenzen halten. Daher wird sich kaum
verhindern lassen, dass andere Anreize geschaffen wer-
den. Schnell könnten Begehrlichkeiten entstehen. Ge-
werbliche Anbieter werden ihr Interesse entdecken, und
es ist dann nur eine Frage der Zeit, wann Organe gekauft
und verkauft werden. Insofern stellt der Antrag für den
Organhandel den Fuß in der Tür.
Offen bleibt im FDP-Antrag, wie Freiwilligkeit, Ano-
nymität und Unentgeltlichkeit der Spende gewährleistet
werden sollen, um einem Missbrauch vorzubeugend. Die
FDP schreibt ja nicht einmal, wer diesen Pool verwalten
soll.
Schließlich will die FDP die Überkreuzspenden er-
möglichen. Ist Ihnen von der FDP eigentlich bewusst,
dass in der Schweiz, wo die Überkreuzspende erlaubt ist,
unter l l51 Nierenspenden, die im Lebendspendenregis-
ter erfasst sind, nur eine einzige Überkeuzspende ist. Das
zeigt: Der Antrag der FDP ist an Nutzen kaum zu unter-
bieten. Und der Schaden übertrifft den Nutzen bei wei-
tem.
Grundsätzlich muss festgehalten werden: Das Trans-
plantationsgesetz beschränkt aus guten Gründen den
Spenderkreis. Von „unnötigen Hürden“ kann also kei-
nesfalls die Rede sein.
Im Gegenteil: Der Organhandel soll verhindert und
die Freiwilligkeit der Spende sichergestellt werden.
Diese zentralen Ziele und Grundprinzipien genießen aus
Sicht der Fraktion Die Linke oberste Priorität und müssen
weiter gewährleist werden. Die Organspende und -trans-
plantation sind ein sehr sensibles Thema. Ein ganz ent-
scheidender Faktor ist das Vertrauen der Menschen in
das Gesundheitssystem, das Vertrauen, dass hier alles so-
lidarisch abläuft und nicht dem Kommerz unterliegt. Ein
Schnellschuss, wie ihn die FDP plant, wird dieser He-
rausforderung nicht gerecht. Im Gegenteil: Das Ver-
trauen der Menschen könnte nachhaltig zerstört werden
und die Spendenbereitschaft weiter zurückgehen. Das
darf nicht geschehen.
Wenn Sie ein Vorbild brauchen: Mecklenburg-Vor-
pommern ist mit 40 Organspenden pro 1 Million Ein-
wohner Spitze in Deutschland. Ich möchte den FDP-
Kolleginnen und -Kollegen raten, sich dort einmal die
Praxis anzusehen. Dort gibt es seit zehn Jahren ein
Transplantationsausführungsgesetz, das meine Hand-
schrift trägt und sich bewährt.
Kommen Sie hin! Die Buga versüßt Ihnen das Leben,
das wir auch denen wünschen, die dazu ein gespendetes
Organ benötigen. Dafür haben wir eine große Verant-
wortung.
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Es ist löblich, dass sich die FDP mit der Frage be-
schäftigt, wie man die Zahl von Organspenden in diesem
Land erhöhen kann. Wir sind auch einig mit der FDP,
dass wir mehr für die Aufklärung der Bevölkerung tun
und die Organisationsstrukturen in den Kliniken vor Ort
verbessern müssen, um die Zahl der postmortalen Or-
ganspenden zu erhöhen. Hier enden die Gemeinsamkei-
ten im Wesentlichen.
Kernthema dieses Antrags ist es, wie man die Bedin-
gungen für und damit die Zahl der Organlebendspenden
verbessern kann. Diese Frage ist sicherlich legitim. Mit
welch einer Selbstverständlichkeit die FDP jedoch in
ihrem Antrag jede ethische Fragestellung schlichtweg
ignoriert, die damit einhergeht, ist schon bemerkenswert.
Der gesamte Antrag vermittelt den Eindruck, als seien
die rechtlichen Grenzen der Lebendspende im Trans-
plantationsgesetz – kurz TPG – nichts weiter als lästige
bürokratische Hürden. Hürden, die man nur mal eben be-
seitigen müsse, und dann würde alles gut.
Die FDP fordert, das sogenannte Subsidiaritätsprinzip
im TPG zu streichen. Dieses sagt, dass die Übertragung
der Organe verstorbener Spender immer Vorrang vor der
Lebendspende hat. Dies geschieht aus ethischen Erwä-
gungen zum Schutz der potenziellen Lebendspender.
Denn es handelt sich bei der Lebendspende nicht, wie
die FDP letztlich suggeriert, um eine Bagatelle. Es han-
delt sich um einen schwerwiegenden operativen Eingriff,
der mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Die En-
quete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Me-
dizin“, deren Arbeit die FDP geflissentlich ignoriert, hat
deshalb in der letzten Wahlperiode zu Recht festgestellt:
„Der ethische Respekt vor der Leistung der Lebendspen-
der gebietet es, nicht unnötig auf sie zurückzugreifen.“
Die FDP fordert zudem die Erweiterung des Spender-
kreises. Nicht nur Verwandte oder nahe stehende Perso-
nen sollen spenden dürfen. Auch anonyme Lebend-
spenden in einen „Organpool“ sollen möglich sein.
Auch hierzu hat die Enquete-Kommission zu beden-
ken gegeben, dass die Selbstschädigung durch eine Le-
bendspende ethisch nur schwer zu rechtfertigen sei,
wenn sie nicht eben für eine nahe stehende Person er-
folge. Auch dazu kein Wort im Antrag der FDP.
Die FDP beteuert, dass sie natürlich gegen Organhan-
del sei. Dass sie aber mit ihren Vorschlägen die Gefahr
für kommerzielle Vermittlungs- oder „Verkaufs“-Aktivi-
täten zumindest erhöht, wird nicht thematisiert, ge-
schweige denn überzeugend entkräftet.
Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass die Aus-
weitung der Lebendspende, wie die FDP sie fordert,
nicht zuletzt den mentalen Druck auf Menschen immens
erhöht, zu Lebzeiten aus altruistischen Motiven Organe
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24307
(A) (C)
(B) (D)
gleichsam spenden zu müssen. Auch dazu kein Wort der
FDP.
Die FDP mag ihre Ideen ja nachvollziehbar und pfif-
fig finden. Es geht bei diesem Thema aber nicht um Pfif-
figkeit, sondern um sehr sensible, ethische Fragen. Dass
die selbsternannte Bürgerrechtspartei FDP darauf keinen
Gedanken verschwendet, finde ich schon überraschend.
So kann man mit diesem heiklen Thema nun wirklich
nicht umgehen.
Anlage 47
Zu Protokoll gegebene Reden
zum Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung
des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeiter-
geld (Tagesordnungspunkt 9)
Olav Gutting (CDU/CSU): Wir beschäftigen uns
heute in diesem Hohen Haus wieder einmal mit einem
klassisch populistischen Antrag der Linken. Wir brau-
chen in dieser finanzpolitisch und weltwirtschaftlich
schwierigen Zeit aber keine populistischen Anträge, mit
denen anerkannte steuerrechtliche Grundsätze – und dies
nicht einmal konsequent – ausgehebelt werden, sondern
Antworten auf die jetzt dringenden Fragen in Bezug auf
die Finanz- und Konjunkturkrise. Die Menschen wollen
Antworten, wie wir aus dieser Krise herauskommen.
Stattdessen debattieren wir hier über die Abschaffung
des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld. Damit
soll laut der Fraktion Die Linke erreicht werden, dass
das Kurzarbeitergeld tatsächlich steuerfrei bleibt, und
gleichzeitig verhindert werden, dass das Kurzarbeitergeld
bei der Festsetzung der steuerlichen Progression mitbe-
rücksichtigt wird. Der Progressionsvorbehalt stellt aber
die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sicher. Ich
dachte eigentlich immer, die Linken wären gerade die-
sem Prinzip verbunden. Wer mehr verdient und mehr er-
hält, muss höhere Steuern zahlen. Ihre Forderung nach
der Abschaffung des Progressionsvorbehalts ausgerech-
net und nur bei Kurzarbeit wundert da schon ein biss-
chen.
Die Lohnersatzleistungen sind selbst ja steuerfrei. Sie
werden lediglich zur Berechnung des individuellen Steu-
ersatzes einbezogen. Blieben bestimmte steuerfreie Ein-
künfte beim progressiven Verlauf des Einkommensteuer-
tarifs außer Ansatz, würde dies nicht nur den
Steuerausfall für diese Einkünfte bedeuten, sondern eben
auch die Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes für
die übrigen Einkünfte.
Schon 1995 hat das Bundesverfassungsgericht fest-
gestellt, dass der Progressionsvorbehalt für Lohnersatz-
leistungen – hierzu zählt auch das Kurzarbeitergeld –
verfassungsgemäß ist. Nach Ansicht des Bundesverfas-
sungsgerichts berücksichtigt der Progressionsvorbehalt
„das Leistungsvermögen des Steuerpflichtigen in der
verfassungsrechtlich gebotenen Weise“. Es liegt auf der
Hand, dass Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben
eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen ha-
ben, wirtschaftlich leistungsfähiger sind als Steuerpflich-
tige, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistun-
gen erzielt haben. So das BVerfG.
Im Übrigen ist die Fraktion Die Linke mit ihrem An-
trag auch – und das überrascht nicht – inkonsequent.
Wieso fordern Sie nur die Aufhebung beim Kurzarbei-
tergeld? Etwa weil aufgrund der aktuellen Krise die
Kurzarbeit in aller Munde ist? Die Inkonsequenz zeigt,
dass Sie die Tragweite Ihres Antrags selbst vorher nicht
bedacht haben.
Es wäre einfach nicht zu rechtfertigen, den Progres-
sionsvorbehalt nur für das Kurzarbeitergeld aufzuheben,
nicht aber für die anderen zahlreichen hiervon betroffe-
nen Einkünfte wie zum Beispiel das Arbeitslosengeld
oder Insolvenzgeld. Statt Veränderungen in Teilberei-
chen vorzunehmen und damit unser Steuersystem weiter
zu verkomplizieren, wären konstruktive Vorschläge zu
einer Reform der Einkommensteuer hilfreich. Ein kom-
pliziertes Einkommensteuersystem mit einer Vielzahl
von geregelten Ausnahmen und Ausnahmen von den
Ausnahmen haben wir ja schon. Meine Fraktion sieht
gerade auf diesem Feld dringenden Handlungsbedarf.
Dabei geht es uns in erster Linie um ein einfacheres und
schon allein deswegen gerechteres System. Dieser An-
trag der Fraktion Die Linke ist zur Vereinfachung aller-
dings nicht geeignet.
Bei aller berechtigten Kritik an der jetzigen Form der
Einkommensteuer und am komplizierten deutschen
Steuerrecht muss grundsätzlich gelten: Die Einkommen-
steuer ist eine Steuer, welche neben der objektiven auch
die subjektive Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuer-
pflichtigen berücksichtigt. Dazu gehört in diesem Sys-
tem der Progressionsvorbehalt. Jeder trägt zur Finanzie-
rung des Gemeinwesens seinen entsprechenden Teil
bei. Das entscheidende Kriterium sollte die Leistungs-
fähigkeit und nicht die Art der Einkünfte sein. Da gibt
es noch viel zu tun, ohne Zweifel. Wir in der Union
wollen eine Reform der Einkommensteuer, bei der ne-
ben der Vereinfachung auch die kleineren und mittleren
Einkommensteuerzahler eine Entlastung erfahren. Eine
solche Entlastung muss vor allem die kalte Progression
eindämmen. Das sind wir all den Menschen, die jeden
Morgen aufstehen, zur Arbeit gehen und sich Ihre Bröt-
chen mit engagierter Arbeit verdienen, schuldig.
Ich will nur noch einmal erwähnen, dass die oberen
50 Prozent der Einkommensteuerzahler circa 90 Prozent
des Gesamtaufkommens tragen. Das sind also diejeni-
gen, die die ganze Veranstaltung bezahlen. Wir wollen
den Menschen eine Perspektive bieten, wie wir aus die-
ser weltweiten Krise herauskommen. Dazu gehört, dass
wir weiterhin auf die soziale Marktwirtschaft setzen.
Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft heißt un-
ter anderem auch, bei der Besteuerung des Arbeitsein-
kommens der Menschen Maß zu halten.
Wenn wir wieder zurück auf den Pfad des Wirt-
schaftswachstums kommen wollen, dann müssen wir un-
ser Steuersystem leistungsgerechter machen und dürfen
gerade nicht die Leistungsfähigkeit – wie in Ihrem An-
trag geschehen – ausblenden. Erste Schritte sind hier im
Übrigen schon gemacht. Zusammen mit dem Bürgerent-
lastungsgesetz, der Absenkung des Eingangsteuersatzes,
24308 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
der Anhebung des Grundfreibetrags und der Rechtsver-
schiebung des Tarifs geben wir den Menschen weit mehr
als 15 Milliarden Euro zurück.
Abschließend darf ich als Fazit festhalten: Unter dem
Gesichtspunkt einer gerechten Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht ist der
Progressionsvorbehalt beim Kurzarbeitergeld nur folge-
richtig und dementsprechend beizubehalten.
Gabriele Frechen (SPD): Mit ihrem vorliegenden
Gesetzentwurf fordert die Fraktion Die Linke die Ab-
schaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeiter-
geld. Begründet wird dies auf den vier Seiten des Ge-
setzentwurfs zweimal. Und mit beiden Begründungen
liegen Sie falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Fraktion Die Linke.
Da ist zunächst die Begründung, der Progressionsvor-
behalt widerspreche dem Grundsatz der Besteuerung
nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ich weiß
nicht, wie Sie das sehen, aber in meinen Augen erhöht es
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer deutlich, wenn Ihnen bei Aus-
fall des Arbeitsentgelts Kurzarbeitergeld, Elterngeld,
Krankengeld, Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld
gezahlt wird. Und ich glaube, dieses „Ausfallgeld“ wird
von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern eher
als soziale Errungenschaft denn als Belastung angese-
hen.
Sie können es einfach nicht verknusen, dass die Ent-
scheidungen von Arbeitsminister Olaf Scholz und der
Koalitionsfraktionen bei den Menschen gut ankommen.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleiben auch in
schwieriger Situation des Betriebes in fester Beschäfti-
gung. Betriebe in der Krise brauchen ihre Mitarbeiter
nicht zu entlassen. Sie können Kurzarbeit in Anspruch
nehmen, ihre Mitarbeiter weiterbilden und haben nach
Beendigung der Krise ihre Fachkräfte weiter im Betrieb
und im besten Fall noch besser qualifiziert.
Irgendwie müssen Sie jetzt sticheln, und sind die Ar-
gumente noch so an den Haaren herbeigezogen. Denn es
stimmt einfach nicht: Weder direkt noch indirekt führt
der Progressionsvorbehalt zu einer Besteuerung von
Lohnersatzleistungen. Der Progressionsvorbehalt sorgt
gerade für die Berücksichtigung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit. So steht es auch in dem von Ihnen
als Begründung angeführten Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts: „Der Progressionsvorbehalt berücksich-
tigt das Leistungsvermögen des Steuerpflichtigen in der
verfassungsrechtlich gebotenen Weise. Es liegt auf der
Hand, dass Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben
eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben,
wirtschaftlich leistungsfähiger sind als Steuerpflichtige,
die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen er-
zielt haben. Die Einbeziehung der Lohnersatzleistungen
begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Beden-
ken.“
Ich möchte das ganz kurz an einem Beispiel darstel-
len: Ein lediger Steuerpflichtiger mit 34 000 Euro zu
versteuerndem Einkommen bezahlt 7 124 Euro, also
20,96 Prozent. Sind in diesen 34 000 Euro nun 4 000
Euro Kurzarbeitergeld enthalten, ist die Leistungsfähig-
keit doch genauso hoch, nämlich 34 000 Euro. Deshalb
wird dieser Prozentsatz von 20,96 auf die übrigen 30 000
Euro angewendet. Die Steuer beträgt 6 288 Euro,
836 Euro weniger als beim ersten Fall. Und Sie reden
davon, dass das Kurzarbeitergeld besteuert wird.
Ein lediger Steuerpflichtiger mit 30 000 Euro zu ver-
steuerndem Einkommen bezahlt 5 814 Euro, also
19,38 Prozent. Seine Leistungsfähigkeit ist aber auch um
4 000 Euro niedriger. Sie wollen jetzt, dass dieser Ar-
beitnehmer genauso viel Steuern bezahlt wie sein Kol-
lege, der neben den 30 000 Euro zusätzlich 4 000 Euro
Kurzarbeitergeld bezogen hat. Ich empfehle, den Steuer-
pflichtigen zu fragen, wer seiner Meinung nach finan-
ziell leistungsfähiger ist.
Ihre zweite Begründung besteht darin, dass Sie sich
auf das bereits zitierte Urteil des Bundesverfassungsge-
richts aus dem Jahr 1995 berufen. Der Progressionsvor-
behalt für Lohnersatzleistungen sei demnach gerechtfer-
tigt, wenn er die „Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme“
fördert. Das war zwar Teil der Begründung, aber nicht
alles. Im Gegenteil: Es wird extra ausgeführt, dass unge-
achtet dessen die angegriffene Regelung weder willkür-
lich noch verfassungswidrig ist. Das Bundesverfas-
sungsgericht kommt in seinem Urteil diesbezüglich zu
folgendem Schluss: „Die Erwägungen des Gesetzgebers,
die die Einführung des Progressionsvorbehaltes für ein-
zelne Lohnersatzleistungen tragen, sind einsichtig und
nachvollziehbar.“ Und weiter: „Auch das Vorbringen der
Beschwerdeführer im Übrigen lässt eine Verletzung des
Art. 3 Abs. 1 GG oder anderer Grundrechte nicht erken-
nen.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion
Die Linke, wenn Sie sich schon auf ein Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts berufen, dann sollten Sie es auch
komplett lesen. An keiner Stelle lässt dieses Urteil einen
Zweifel daran, dass der Progressionsvorbehalt für das
Kurzarbeitergeld verfassungsgemäß ist. Ich kann es nur
wiederholen: Es geht Ihnen nicht um die Sache, sondern
einzig und allein um sich selbst. Sie können es nicht er-
tragen, dass alle Beteiligten diese Maßnahme gut finden
und davon Gebrauch machen. Das dürfen sie aus ideolo-
gischen Gründen auf keinen Fall stehen lassen. Der Ver-
stand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen, sind zweier-
lei Fähigkeiten.
Carl-Ludwig Thiele (FDP): Der vorliegende Ge-
setzentwurf macht es wieder einmal deutlich: Die Frak-
tion Die Linke ist die Fraktion der Populisten; ihr kommt
es nur auf Effekthascherei an. Weil die Zahl der Kurz-
arbeiter im Verlauf dieser Wirtschaftskrise stark an-
gestiegen ist, versuchen die Linken, sich bei diesen Bür-
gerinnen und Bürgern anzubiedern. Dass dabei die
Steuergerechtigkeit gegenüber vergleichbaren Gruppen
von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter die
Räder kommt, interessiert die Linken nicht. Sie hoffen,
dass die anderen Bürgerinnen und Bürger die Ungerech-
tigkeit dieses Gesetzesvorschlags nicht bemerken. Die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24309
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(B) (D)
Menschen in unserem Land sind aber schlauer als die
Sozialisten glauben.
Seinen Ursprung hat der in § 32 b des Einkommen-
steuergesetzes geregelte Progressionsvorbehalt im inter-
nationalen Steuerrecht. Dieses Instrument gab es zu-
nächst nur bei ausländischen Einkünften, die nach einem
Doppelbesteuerungsabkommen im Inland von der Steuer
freigestellt sind. Anfang der 80er-Jahre wurde der Pro-
gressionsvorbehalt dann auf einen umfänglichen Katalog
steuerfreier Lohnersatzleistungen und Sozialleistungen
ausgedehnt. Damit wurde der Tatsache Rechnung getra-
gen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Bür-
gers, der neben steuerpflichtigen Einkünften noch steu-
erfreie Einkünfte bezieht, höher ist als die eines Bürgers,
der nur steuerpflichtige Einkünfte in gleicher Höhe und
keine steuerfreien Einkünfte hat.
Die steuerfreien Einkünfte bleiben zwar nach dem
Progressionsvorbehalt weiterhin steuerfrei, sie werden
jedoch bei der Bemessung des Steuersatzes für die übri-
gen Einkünfte einkalkuliert. Dies ist steuersystematisch
richtig und gerecht. Das Bundesverfassungsgericht hat
es in seiner Entscheidung vom 3. Mai 1995 wie folgt for-
muliert: „Der Progressionsvorbehalt berücksichtigt das
Leistungsvermögen des Steuerpflichtigen in der verfas-
sungsrechtlich gebotenen Weise. Es liegt auf der Hand,
daß Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben eigenen
Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, wirt-
schaftlich leistungsfähiger sind als Steuerpflichtige, die
gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen erzielt
haben.“
Bei Bürgerinnen und Bürgern, die ausschließlich
steuerfreie Lohnersatzleistungen oder Sozialleistungen
beziehen, für die der Progressionsvorbehalt gilt, wirkt
sich dieses Instrument aber nicht aus. Steuerliche Folgen
treten nur dann ein, wenn neben diesen steuerfreien Ein-
nahmen andere, steuerpflichtige Einkünfte bezogen wer-
den oder wenn der zusammen veranlagte Ehegatte sol-
che Einkünfte hat und nicht die getrennte Veranlagung
gewählt wird.
Die offenkundige Ungerechtigkeit des Vorschlags der
Linken liegt darin, dass aus dem Katalog der dem Pro-
gressionsvorbehalt unterworfenen Einnahmen nur eine
einzelne Leistung herausgenommen werden soll – das
Kurzarbeitergeld. Aber auch andere Leistungen unterlie-
gen dem Progressionsvorbehalt. Dazu gehören das Ar-
beitslosengeld, die Zuschüsse zum Arbeitslosengeld, das
Winterausfallgeld, das Insolvenzgeld, die Arbeitslosen-
hilfe, das Krankengeld, das Übergangsgeld oder ver-
gleichbare Lohnersatzleistungen nach dem Fünften,
Sechsten oder Siebten Buch Sozialgesetzbuch, die Auf-
stockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz, das El-
terngeld, das Überbrückungsgeld, das behinderten oder
von Behinderung bedrohten Menschen nach dem SGB
IX gewährt wird. Diese Aufzählung ist noch nicht ein-
mal vollständig.
Die Empfänger dieser dem Progressionsvorbehalt
gleichfalls unterworfenen Leistungen, die oft schlechter
dastehen als die Empfänger von Kurzarbeitergeld, wer-
den nicht verstehen, dass ihre steuerpflichtigen Ein-
künfte nach dem Willen der Linken einem höheren
Steuersatz unterliegen sollen als die gleich hohen steuer-
pflichtigen Einkünfte der Kurzarbeiter. Sie werden dies
als grobe Ungerechtigkeit empfinden.
Zur Begründung ihrer Forderung nach Streichung des
Progressionsvorbehalts für das Kurzarbeitergeld führt
die Fraktion Die Linke an, dass das Bundesverfassungs-
gericht in seiner Entscheidung vom 3. Mai 1995 den
Progressionsvorbehalt für Lohnersatzleistungen dann für
verfassungsgemäß halte, wenn er dem einsichtigen und
nachvollziehbaren Grund diene, die Bereitschaft zur Ar-
beitsaufnahme zu fördern. Dieses gesetzgeberische Mo-
tiv sei aber im Falle der Kurzarbeit nicht einschlägig. Es
ist schon verwegen, aus dieser Aussage des Bundesver-
fassungsgerichts den Umkehrschluss ziehen zu wollen,
der Progressionsvorbehalt sei dann nicht verfassungsge-
mäß, wenn er nicht die Arbeitsaufnahme fördere. Dies
aber wollen die Linken suggerieren. Unter den Tisch
fallen lassen sie dabei wohlweislich den vom Bundes-
verfassungsgericht zuvor dargelegten entscheidenden
Grund für den Progressionsvorbehalt: die Besteuerung
nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuer-
pflichtigen.
Der von der Fraktion Die Linke eingebrachte Entwurf
eines Gesetzes zur Abschaffung des Progressionsvorbe-
halts für Kurzarbeitergeld ist unredlich. Er ist das Papier
nicht wert, auf dem er gedruckt ist.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Die Krise ist im All-
tag der Menschen angekommen. Entlassungen und
Kurzarbeit sind an der Tagesordnung. Die Einkommen
sinken. Die Arbeitslosenzahlen steigen. Wir gehen auf
5 Millionen Arbeitslose zu, sagen die Wirtschaftsfor-
schungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten. Auch des-
halb fordert die Linke einen Schutzschirm für die Men-
schen. Dazu gehört für uns die Abschaffung des
Progressionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld.
Immerhin hat die Regierung im Konjunkturpaket I
den Zeitraum für den Bezug von Kurzarbeitergeld auf
18 Monate verlängert und den Arbeitgeberanteil bei den
Sozialabgaben gesenkt. Das ist eine direkte Hilfe für die
Beschäftigten. Erst einmal bewahrt es sie vor Arbeitslo-
sigkeit, wenn auch mit deutlichen Lohneinbußen. So be-
kommen auch die Unternehmen eine Atempause. Wir
begrüßen diese Maßnahme daher ausdrücklich. Aber das
war es dann auch schon für die Arbeitnehmerseite.
Jetzt richtet die Bundesregierung ihr Augenmerk vor-
rangig auf die Interessen der Unternehmen. Dazu passt
die Ankündigung von Ende April, wonach die Unterneh-
men demnächst von den Sozialversicherungsbeiträgen
ab dem siebten Monat der Kurzarbeit komplett entlastet
werden. Gleichzeitig will die Regierung die Bezugs-
dauer des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate verlängern,
ohne dabei eine Garantie für die Leistungen der Arbeits-
losenversicherung zu geben. Aber dazu später mehr.
Das Kurzarbeitergeld soll dagegen nicht erhöht wer-
den. Zur Erinnerung: Das Kurzarbeitergeld betrug in der
Bundesrepublik schon einmal einheitlich 68 Prozent des
Nettolohnverlusts. 1994 wurde es auf die heutigen Sätze
von 60 Prozent für Alleinstehende und 67 Prozent für
24310 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
(A) (C)
(B) (D)
Familien reduziert. Die Linke fordert die sofortige An-
hebung des Kurzarbeitergeldes auf 80 Prozent des Netto-
lohnverlusts bzw. 87 Prozent bei Familien. So meinen
wir das mit dem Schutzschirm für Menschen.
Der eigentliche Skandal aber ist: Die Bundesregie-
rung tut so, als zahle sie die Zeche. Dabei werden die
Kosten nicht vom Bund, sondern von der Bundesagentur
für Arbeit getragen. Die Zeche zahlen also die Beschäf-
tigten selber. Die Bundesagentur hat in diesem Jahr
2,1 Milliarden Euro für Kurzarbeit bereitgestellt. Wirt-
schaftsforschungsinstitute schätzen die Kosten aller-
dings bereits auf 10,5 Milliarden Euro. Richtig katastro-
phal ist aber, dass Sie gleichzeitig im Konjunkturpaket I
noch den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zum
1. Januar von 3 auf 2,8 Prozent gesenkt haben. Das reißt
riesige Löcher in die Kasse der Bundesagentur. Die FAZ
schreibt am 8. Mai: Die Bundesagentur rechnet bis zum
als Lohnsteuer an das Finanzamt ab; Steuerklasse I, ohne
Kind, kirchensteuerpflichtig. Die ist allerdings nach gel-
tendem Steuerrecht zu niedrig angesetzt, da der Betrof-
fene 2009 monatlich 378,34 Euro als Kurzarbeitergeld
erhält. Dies wird im Nachhinein beim Ermitteln des
Steuersatzes berücksichtigt. Es ergibt sich dadurch für
das Jahr 2009 eine Steuerschuld von insgesamt 1 297,20
Euro einschließlich Solidaritätszuschlag, aber ohne Kir-
chensteuer. Der Gerüstbauer wird 2010 voraussichtlich
649,20 Euro an Steuern nachzahlen müssen. Ein Un-
ding!
Niemand will freiwillig in Kurzarbeit und so Netto-
lohneinbußen hinnehmen. Wenn man dann aber auch
noch im Folgejahr Steuern nachzahlen muss, ist das Irr-
sinn. Für die Betroffenen ist das ein harter Schlag und
bringt sie oft in finanzielle Probleme. Fest steht doch,
dass ein Teil der heutigen Kurzarbeiter im nächsten Jahr
Jahr 2013 mit einem Defizit von 55 Milliarden Euro. Ich
frage Sie: Wer zahlt das am Ende? Sie versuchen doch
nur, sich über die Bundestagswahlen im September zu
retten. Danach die Sintflut! Das ist unverantwortlich,
sage ich Ihnen.
Auch beim Kurzarbeitergeld betreibt die Bundesre-
gierung ein falsches Spiel. Sie preist das Kurzarbeiter-
geld als Wohltat, verschweigt aber, dass Sie sich im Fol-
gejahr einen Teil des Geldes wieder zurückholt, und
zwar von den Kurzarbeiterinnen und -arbeitern. Dafür
sorgt der sogenannte Progressionsvorbehalt. Das heißt,
das Kurzarbeitergeld wird zwar selbst nicht direkt be-
steuert, da es nicht in das zu versteuernde Einkommen
einfließt. Wohl aber erfolgt eine indirekte Besteuerung.
Denn bei der Bestimmung des anzuwendenden Steuer-
satzes wird es berücksichtigt, und der steigt mit steigen-
dem Einkommen. Die Folge dieser auch steuersystema-
tisch umstrittenen Behandlung des Kurzarbeitergeldes
ist, dass Kurzarbeiterinnen und -arbeiter im Folgejahr
zum Teil erhebliche Steuernachzahlungen zu leisten ha-
ben.
Ein Beispiel: Die Arbeitszeit eines kinderlosen Ge-
rüstbauers wird für das komplette Jahr 2009 auf die
Hälfte reduziert. Er verdient nun monatlich statt 2 500
nur noch 1 250 Euro brutto. Von diesen Bruttobezügen
führt sein Arbeitgeber in diesem Jahr insgesamt 648 Euro
sellschaft mbH, Amsterdamer Str. 19
weiterhin kurzarbeiten wird bzw. arbeitslos wird. Sie
bürden Arbeitslosen auch noch Steuernachzahlungen
auf. Und das finden Sie gerecht, oder? Wir nicht.
Den sogenannten Lohnsteuerbonus aus ihrem Wahl-
programm können Sie sich, meine Damen und Herren
von der SPD, an den Hut stecken. Er nutzt den Betroffe-
nen gar nichts. Bezieherinnen und Bezieher von einem
Kurzarbeitergeld über 410 Euro sind rechtlich zur Ab-
gabe einer Steuererklärung verpflichtet. Das bezogene
Kurzarbeitergeld ist zudem beim Finanzamt gemeldet,
denn es wird auf der Lohnsteuerkarte vermerkt.
Dabei ist eine gerechte Lösung für die Betroffenen so
einfach: Heben Sie den Progressionsvorbehalt auf! Un-
ser Gesetzentwurf liegt Ihnen vor; es ist ein ganz konkre-
ter und leicht umzusetzender Vorschlag. Sie brauchen
dem nur zuzustimmen. Und tun Sie nicht so, als sei der
Progressionsvorbehalt für die große Koalition eine hei-
lige Kuh. Im letzten Jahressteuergesetz haben Sie mal
so eben ganz nebenbei die entsprechende Regelung für
bestimmte Kapitaleinkommen aus dem Ausland fallen
gelassen. Der Einkommensmillionär kann seine Miet-
erträge aus dem Ausland steuerfrei erzielen, während die
Kurzarbeiterin nachträglich Steuern für ihr Kurzarbeiter-
geld zahlen muss. Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst
sein. Bewegen Sie sich, und stimmen Sie unserem An-
trag zu!
nd 91, 1
2, 0, T
22
221. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16
Anlage 17
Anlage 18
Anlage 19
Anlage 20
Anlage 21
Anlage 22
Anlage 23
Anlage 24
Anlage 25
Anlage 26
Anlage 27
Anlage 28
Anlage 29
Anlage 30
Anlage 31
Anlage 32
Anlage 33
Anlage 34
Anlage 35
Anlage 36
Anlage 37
Anlage 38
Anlage 39
Anlage 40
Anlage 41
Anlage 42
Anlage 43
Anlage 44
Anlage 45
Anlage 46
Anlage 47