Protokoll:
16221

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 221

  • date_rangeDatum: 13. Mai 2009

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:07 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/221 Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 16/12922). . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 4 Inge Höger (DIE LINKE) 24158 B 24159 A 24159 B 24159 D 24160 A 24160 B 24160 C 24160 D 24164 A 24164 B 24165 A 24165 A 24165 D Deutscher B Stenografisc 221. Si Berlin, Mittwoch, I n h a Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Gesetzent- wurf zur Fortentwicklung der Finanz- marktstabilisierung und Eckpunkte zum Konsolidierungsbank-Modell Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Kampeter (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 24155 B 24157 A 24157 A 24157 B 24157 C 24157 D Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . 24160 D 24161 A undestag her Bericht tzung den 13. Mai 2009 l t : Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24161 A 24161 B 24161 B 24161 D 24162 A 24162 D 24163 A 24163 C 24163 D Gewährleistung einer rechtsstaatlichen B handlung durch afghanische Behörden fü den durch das Kommando Spezialkräf festgenommenen Abdul Rasek e- r te II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 5 Inge Höger (DIE LINKE) Beschaffung einer dritten Tranche von Eu- rofightern noch in diesem Jahr angesichts knapper Haushaltsmittel Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 13 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Voraussichtliche Verabschiedung des Haushaltsplans für 2010 sowie geschätzte Nettoneuverschuldung Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 14 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Einladung von Luxemburg, Liechtenstein, Schweiz, Österreich und der Hauptstadt von Burkina Faso zu einer Steuerkonferenz nach Berlin Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 16 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Haltung der Bundesregierung zur ange- kündigten Arbeitszeitverlängerung und zur Verschiebung der für Dezember 2009 geplanten Gehaltserhöhung bei der Deut- schen Post AG Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 24166 A 24166 B 24167 A 24167 B 24168 A 24168 A 24168 D 24168 D 24169 C 24170 A 24170 C Mündliche Frage 17 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Von der Deutschen Post im Jahr 2009 an ihre Aktionäre ausgeschüttete Dividende und Haltung der Bundesregierung zur gleichzeitigen Forderung nach Einsparun- gen bei den Beschäftigten Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Mündliche Fragen 20 und 21 Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) Fehlende Erfassung eines externen Mitar- beiters von PricewaterhouseCoopers beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Zweiten Bericht des Bun- desministeriums des Innern über den Ein- satz externer Personen in der Bundesver- waltung und Bezahlung dieses Mitarbeiters für die Zeit der Tätigkeit im Bundesminis- terium für Wirtschaft und Technologie Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 32 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zustimmung zu weiteren Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen an der Hohen- saaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und der Oder Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 33 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzielle Vereinbarungen zu den Aus- bau- und Unterhaltungsmaßnahmen an der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasser- straße und der Oder 24171 A 24171 A 24171 C 24172 A 24173 B 24173 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 III Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 34 Gitta Connemann (CDU/CSU) Vorlage des Gutachtens der Bundesanstalt für Wasserbau über die Schlickverminde- rung im Rahmen des Aktionsprogramms Ems Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 35 Gitta Connemann (CDU/CSU) Auswirkungen der niederländischen Aus- baumaßnahmen der Ems und des Eemsha- vens auf die Fischereibetriebe in Ditzum und Greetsiel sowie Erstellung eines Gut- achtens von niederländischer Seite unter Einbezug deutscher Fischereibetriebe Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Mündliche Fragen 45 und 46 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Position der Bundesregierung zur Haltung des israelischen Außenministers Lieberman zu einer Zweistaatenlösung im Nahen Osten und zu den beschlossenen Verknüp- fungen der Beziehungen zwischen Israel und der EU Antwort Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24174 B 24174 C 24174 D 24175 A 24175 B 24175 D 24176 A 24177 A 24177 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kompetenz- streit der Bundesregierung bei der Siche- rung des Schiffsverkehrs vor Somalia Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Siebert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Lintner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Kauder, Renate Schmidt (Nürnberg), Johannes Singhammer und weiteren Abgeordne- ten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (Drucksachen 16/11106, 16/12970) . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt, Andrea Nahles und weiteren Abgeordneten einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ver- meidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Drucksachen 16/11347, 16/12970) . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Ulrike Flach und weiteren Abgeordneten eingebrachten Ent- wurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Schwangerschaftskonflikt- gesetzes (Drucksachen 16/11330, 16/12970) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner 24178 B 24179 C 24180 B 24182 A 24183 B 24184 B 24186 A 24187 C 24188 C 24189 C 24190 B 24191 A 24192 A 24193 A 24193 A 24193 A IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 und weiteren Abgeordneten einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwanger- schaftskonfliktgesetzes (Drucksachen 16/12664, 16/12970) . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und weiterer Abgeordne- ter: Späte Schwangerschaftsab- brüche – Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe- Gerigk, Elke Ferner und weiterer Ab- geordneter: Wirkungsvolle Hilfen in Konfliktsituationen während der Schwangerschaft ausbauen – Volle Teilhabe für Menschen mit Behinde- rung sicherstellen (Drucksachen 16/11377, 16/11342, 16/12970) Ilse Falk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD) . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24193 A 24193 B 24193 C 24194 C 24195 D 24196 D 24198 B 24199 B 24200 A 24201 B 24202 B 24203 B 24204 A 24205 A 24205 D 24206 C 24207 B 24207 D 24208 D 24209 D 24211 C 24213 B, 24213 C 24218 D, 24221 B 24224 B, 24224 D 24213 D, 24216 C 24219 C, 24221 D 24226 C, 24228 D Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der interna- tionalen Sicherheitspräsenz im Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Natio- nen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch- Technischen Abkommens zwischen der in- ternationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 (Drucksache 16/12881) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerd Höfer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Grietje Staffelt, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Informationsfreiheitsgesetz konsequent weiterentwickeln (Drucksache 16/10880) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Hartfrid Wolff (Rems- Murr), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Vollzug des Informa- tionsfreiheitsgesetzes verbessern (Drucksache 16/8893) . . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Dr. Michael Bürsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses 24224 D 24225 A 24231 A 24232 B 24233 B 24234 A 24235 A 24235 D 24237 A 24237 A 24237 B 24238 B 24240 A 24241 B 24241 D 24243 A 24243 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 V – zu dem Antrag des Bundesministeri- ums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushalts- jahr 2007 – Vorlage der Haushalts- und Vermö- gensrechnung des Bundes – (Jahres- rechnung 2007) – zu der Unterrichtung durch den Bun- desrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Fest- stellungen zur Jahresrechnung 2007) (Drucksachen 16/8834, 16/11000, 16/12907) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des
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    Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2008 – Einzelplan 20 – (Drucksachen 16/12091, 16/12906) . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Michael Kauch, Daniel Bahr (Münster), Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Lebendspenden bei der Transplantation von Organen erleich- tern (Drucksache 16/9806) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über die Akkreditie- rungsstelle (Akkreditierungsstellengesetz – AkkStelleG) (Drucksache 16/12983) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Abschaffung des Progressionsvor- 24244 C 24244 D 24245 B 24245 B 24246 C 24247 D 24248 A 24248 D 24249 B 24250 A 24250 C behalts für Kurzarbeitergeld (Drucksache 16/12888) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Deutsche Anpassungsstrategie an den Kli- mawandel (Drucksache 16/11595) . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen (Drucksachen 16/11919, 16/12841) . . . . . . . . Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Markus Löning, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Glo- balen Freihandel stärken – Protektionis- mus bekämpfen (Drucksache 16/10311) . . . . . . . . . . . . . . . . . Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . 24251 B 24251 B 24251 C 24252 C 24254 A 24254 C 24255 B 24256 A 24256 B 24258 A 24259 C 24261 B 24262 A 24263 C 24278 C 24263 C 24263 D 24265 D 24266 D 24267 D 24268 C VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- ten Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neue Kohlekraftwerke verhindern – Genehmi- gungsrecht verschärfen (Drucksachen 16/10617, 16/12916) . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . . Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Presse- und Medienvielfalt sichern – Wettbewerb stärken, Werbung entbüro- kratisieren (Drucksache 16/12472) . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Monika Griefahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . . Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Grietje Staffelt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Mündliche Frage 1 Christoph Waitz (FDP) Schutz der Urheberrechte deutscher Auto- ren bei der von Google geplanten Einstel- lung vergriffener Bücher ins Internet Antwort Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24269 A 24269 B 24269 D 24270 D 24271 B 24272 A 24272 D 24273 A 24273 D 24274 B 24275 B 24276 C 24277 B 24280 D 24281 A 24281 D Anlage 3 Mündliche Frage 2 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Stand der Vorbereitung zur Errichtung ei- nes Standortes des Bundesinstituts für Risi- kobewertung in Neuruppin Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 3 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Bewertung des Zulassungsantrags und des Freisetzungsversuchs der Amflora-Kartof- fel im Hinblick auf die Freisetzungsrichtli- nie 2001/18/EG und wissenschaftliche Be- gründung für eine 20 Hektar große Freisetzungsfläche in Mecklenburg-Vor- pommern nach Ansicht der Bundesregie- rung Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 6 Frank Spieth (DIE LINKE) Erkenntnisgewinn im Bundesministerium für Gesundheit durch den Einsatz externer Mitarbeiter aus dem Gesundheitssektor in dieser Wahlperiode; Beschäftigung von Vertretern der Patientenorganisationen als externe Mitarbeiter Antwort Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Frage 7 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vor der Übergabe von Akten zur Schacht- anlage Asse II an das Bundesamt für Strah- lenschutz kopierte oder digitalisierte Doku- mente und Nichtberücksichtigung des gravierenden Vorfalls vom 18. Dezember 1973 in der Liste über Betriebsstörungen bei der Einlagerung von Atommüll auf der Schachtanlage Asse II Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24282 C 24282 D 24283 A 24283 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 VII Anlage 7 Mündliche Frage 8 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Studien zum Aufbau einer Solarunion mit einer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien rund um das Mittelmeer; Ausbau der Netze und Kostenbetrachtung Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Mündliche Frage 9 Frank Spieth (DIE LINKE) Derzeit bei den Bundesministerien beschäf- tigte externe Mitarbeiter aus Unternehmen oder Verbänden Antwort Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Mündliche Frage 10 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Sachstand bei den Anträgen auf Entschädi- gung nach dem Häftlingshilfegesetz Antwort Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 11 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Aktivitäten der Bundesregierung anläss- lich des Jahrestages der Befreiung Deutschlands vom Faschismus am 8. Mai 2009 Antwort Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 12 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufhebung der Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Dezember 2008 zum Zwecke des unein- 24238 C 24284 B 24284 C 24285 A geschränkten Zugangs der Bürger zu ihrer Steuerakte Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Mündliche Frage 15 Cornelia Pieper (FDP) Haushaltsvorbehalt für die drei Wissen- schafts- und Forschungsprogramme Exzel- lenzinitiative, Hochschulpakt und Pakt für Innovation und Forschung Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Mündliche Frage 18 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) Forderung nach einer telekommunika- tionsspezifischen Regulierung der Fernseh- bzw. Koaxialnetze sowie Regelungen im EU-Raum Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Mündliche Frage 19 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung der vorgesehenen Methoden zur Reinigung der Ostseepipeline Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Frage 22 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eignung und Unabhängigkeit des Ge- schäftsführers der Deutschen Energie- Agentur angesichts einer zwischenzeitlich vorgesehenen Führungsposition bei RWE Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24285 B 24285 D 24286 A 24286 B 24286 C VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 Anlage 16 Mündliche Frage 23 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verabschiedung eines Energieeffizienzge- setzes noch in der 16. Legislaturperiode Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Mündliche Frage 24 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aussagen der Bundesanstalt für Geowis- senschaften und Rohstoffe zur Eignung der Asse, des Bergwerks Morsleben sowie von Gorleben als Endlager für Atommüll in den letzten Jahren Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Mündliche Fragen 25 und 26 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Gewährung eines Rentenanspruchs für zu Kriegsende 1945 inhaftierte Kinder und Anzahl der heute noch Lebenden Antwort Klaus Brandner, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Mündliche Fragen 27 und 28 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Bisher ausgestellte europäische Parkaus- weise für Behinderte, Erfahrungswerte so- wie Einführung eines europäischen Behin- dertenausweises Antwort Klaus Brandner, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Mündliche Frage 29 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Einreichung von Vorschlägen 2009 für das transeuropäische Verkehrsnetz 24286 D 24287 A 24287 B 24287 C Antwort Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Mündliche Frage 30 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzierung von Lärmsanierungsprojek- ten an Bundesfernstraßen durch Mittel aus den Konjunkturpaketen und aus den Mauteinahmen Antwort Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 22 Mündliche Frage 31 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Lärmschutz durch Geschwindigkeitsredu- zierungen auf Autobahnen Antwort Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 23 Mündliche Frage 36 Cornelia Pieper (FDP) Haushaltsvorbehalt für den Achtpunkte- plan Innovation und Wachstum des Bun- desministeriums für Bildung und For- schung Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 24 Mündliche Frage 37 Cornelia Hirsch (DIE LINKE) Steigerung der Studierendenquote auf 40 Prozent laut Koalitionsvertrag bei gleichzeitiger Verschiebung der Finanzie- rung des Hochschulpakts II auf die nächste Legislaturperiode Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24288 B 24288 C 24288 D 24289 A 24289 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 IX Anlage 25 Mündliche Frage 38 Cornelia Hirsch (DIE LINKE) Vertagung der Entscheidung zur Bereit- stellung von Mitteln für die Fortschreibung des Paktes für Forschung und Innovation, für den Hochschulpakt II und für die Exzellenzinitiative Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 26 Mündliche Frage 39 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Von der Bundeskanzlerin während ihrer Amtszeit besuchte KZ-Gedenkstätten Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 27 Mündliche Frage 40 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Auswirkungen des EU-Richtlinienumset- zungsgesetzes auf die Anzahl der Einbür- gerungen und Haltung der Staatsministe- rin Dr. Maria Böhmer dazu Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 28 Mündliche Frage 41 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Stellung der Einbürgerung im Integra- tionsprozess und daraus resultierende Schlussfolgerungen für eine Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes nach Auffas- sung der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 29 Mündliche Frage 42 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24289 B 24289 C 24290 A 24290 B Lage in Afghanistan und Schlussfolgerun- gen für die Fortsetzung des Einsatzes deut- scher Soldaten Antwort Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 30 Mündliche Frage 43 Reinhard Grindel (CDU/CSU) Kenntnisse der Bundesregierung über Vor- würfe gegen den türkischen Generalkon- sul in Düsseldorf Hakan Kivanc wegen ras- sistischer Äußerungen gegen Deutsche Antwort Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 31 Mündliche Frage 44 Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) Maßnahmen der Bundesregierung hin- sichtlich Vorwürfen gegen den türkischen Generalkonsul Hakan Kivanc wegen ras- sistischer Äußerungen gegen Deutsche Antwort Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 32 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstim- mung über den zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwan- gerschaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord- nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 33 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Abge- ordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . 24290 C 24291 A 24291 B 24291 C 24292 A X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 Anlage 34 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den zu- sammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonflikt- gesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) Anlage 35 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubert Hüppe (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über Art. 1 Nr. 1 bis 3 und Art. 2 des zusammengeführten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwanger- schaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter und zu der namentlichen Abstimmung über Art. Nr. 4 des zusammengeführten Entwurfs eines … Ge- setzes zur Änderung des Schwanger- schaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord- nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 36 Erklärung des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) zu dem zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Abge- ordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 37 Erklärung des Abgeordneten Sigmar Gabriel (SPD) zu dem zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwan- gerschaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord- nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 38 Erklärung der Abgeordneten Miriam Gruß (FDP) zu dem zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwan- gerschaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord- nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24294 A 24294 B 24296 B 24297 A 24297 A Anlage 39 Erklärung der Abgeordneten Cornelia Pieper (FDP) zu dem zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwan- gerschaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesord- nungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 40 Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und Bericht: Anbau von gentechnisch verän- dertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11) Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Anlage 41 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Konrad Schily (FDP) und Otto Schily (SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und Bericht: Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 42 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Wolfgang Zöller, Maria Eichhorn, Dr. Max Lehmer und Max Straubinger (alle CDU/ CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und Bericht: Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 43 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer, Hartmut Koschyk, Norbert Geis, Josef Göppel, Dr. Wolfgang Götzer, Gerda Hasselfeldt, Ernst Hinsken, Klaus Hofbauer, Bartholomäus Kalb, Alois Karl, Eduard Lintner, Stephan Mayer (Alt- ötting), Dr. h. c. Hans Michelbach, Marlene Mortler. Dr. Gerd Müller, Stefan Müller (Er- langen), Dr. Georg Nüßlein, Eduard Oswald, Daniela Raab, Albert Rupprecht (Weiden), Dr. Andreas Scheuer, Christian Schmidt (Fürth), Thomas Silberhorn, Johannes Singhammer, Matthäus Strebl und Dr. Hans- Peter Uhl (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht Anbau von gentechnisch verän- dertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11) 24297 B 24297 B 24297 C 24297 D 24298 B 24298 C 24298 D 24299 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 XI Anlage 44 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Ulrich Kelber, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Marianne Schieder, Volker Blumentritt, Josip Juratovic, Dr. Wolfgang Wodarg, Gabriele Fograscher, Jella Teuchner, Anette Kramme, Hilde Mattheis, Johannes Jung (Karlsruhe), Dr. h. c. Susanne Kastner, Heinz Paula, Engelbert Wistuba, Lothar Binding (Heidel- berg), Ewald Schurer, Heidi Wright, Petra Ernstberger, Marco Bülow, Martin Burkert, Dr. Carl-Christian Dressel, Dr. Bärbel Kofler, – zu der Unterrichtung durch den Bundes- rechnungshof: Bemerkungen des Bun- desrechnungshofes 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2007) – Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2008 – Einzelplan 20 – (Tagesordnungspunkt 6 a und b) Steffen Kampeter (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Bernhard Brinkmann (Hildesheim) 24300 C Jörg Tauss, Hedi Wegener, Holger Ortel, Christoph Pries, Rita Schwarzelühr-Sutter, Heinz Schmitt (Landau), René Röspel, Mechthild Rawert, Angelika Graf (Rosen- heim), Jürgen Kucharczyk, Ulla Burchardt, Rainer Arnold, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Lothar Mark, Dr. Angelica Schwall-Düren, Sören Bartol, Florian Pronold, Klaus Barthel, Christoph Strässer, Walter Kolbow, Dr. h. c. Gerd Andres, Dr. Reinhold Hemker, Renate Gradistanac, Gustav Herzog, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Peter Friedrich, Gesine Multhaupt, Bettina Hagedorn, Dieter Steinecke, Gerd Bollmann, Dr. Gerhard Botz, Katja Mast, Detlef Müller (Chemnitz), Ute Kumpf, Detlef Dzembritzki, Gabriele Hiller-Ohm, Uta Zapf und Christel Riemann-Hanewinckel (alle SPD) zur na- mentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung und den Bericht Anbau von gen- technisch verändertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 45 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesre- gierung für das Haushaltsjahr 2007 – Vorlage der Haushalts- und Vermögens- rechnung des Bundes – (Jahresrech- nung 2007) 24299 C (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 46 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Lebendspenden bei der Trans- plantation von Organen erleichtern (Tagesord- nungspunkt 7) Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 47 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Progres- sionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld (Tages- ordnungspunkt 9) Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 24301 B 24302 A 24302 D 24303 B 24304 A 24305 D 24306 C 24307 A 24308 A 24308 D 24309 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24155 (A) (C) (B) (D) 221. Si Berlin, Mittwoch, Beginn: 1 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sit- zung und begrüße Sie sehr herzlich zu den heutigen Be- ratungen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Fort- entwicklung der Finanzmarktstabilisierung und Eck- punkte zum Konsolidierungsbank-Modell. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück. Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich heute erneut mit der Frage der Stabilität auf den Finanzmärkten beschäf- tigt. Sie nehmen genauso wie die Bundesregierung wahr, dass die Vertrauensbildung, die notwendig ist, um diese Finanzmarktkrise auch mit ihren Übersprungseffekten auf die Realwirtschaft zu bekämpfen, immer noch nicht so weit gediehen ist, wie es wünschenswert wäre. Der Rettungsschirm, den wir mit Ihrer Hilfe im Herbst des Rede letzten Jahres verabschiedet haben, ist sicherlich not- wendig gewesen, aber erkennbar noch nicht hinreichend. Wir haben das Problem, dass es eine Reihe von Ban- ken gibt, deren Bilanzen mit faulen oder Problemaktiva so stark belastet sind, dass sie im Zusammenhang mit der Rating-Migration einem ständigen weiteren Abwer- tungsprozess unterworfen sind. Sie müssen zunehmend abschreiben und dabei einen zunehmenden Eigenkapital- verzehr in Kauf nehmen. Dieser Eigenkapitalverzehr in- folge der Belastung ihrer Bilanzen durch solche Papiere ist das eigentliche Problem; denn im Extremfall, der hof- fentlich nicht eintritt, kann es infolge des Eigenkapital- verzehrs zu einem Solvenzproblem kommen. Näherlie- gend ist die Tatsache – das bekümmert uns dieses Eigenkapital nicht mehr für das zu steht, was wir in dieser Konjunktursituati brauchen, nämlich für die Unterlegung vo schäften, für Kredite. Ich sage das nicht nur mit Blick tzung den 13. Mai 2009 3.01 Uhr auf die Finanzierung des Mittelstandes, sondern auch mit Blick auf die Finanzierung großer Unternehmen. Die Papiere, über die wir reden, lassen sich in drei Kategorien aufteilen: In der ersten Kategorie sind struk- turierte Wertpapiere – im normalen Sprachgebrauch werden sie als giftige Papiere bezeichnet; Sie alle ken- nen die englischen Abkürzungen –, die zweite Kategorie bilden illiquide Papiere – das sind Staats- und Unterneh- mensanleihen –, und die dritte Kategorie umfasst das, was die Banken selber als nichtstrategische Aktiva be- zeichnen. Das sind Papiere, von denen sie sich möglichst trennen wollen – das ist ihre Zukunftsstrategie –, um sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Sie suchen nach einer Gelegenheit, diese nichtstrategischen Wert- papiere loszuwerden. Einige gehen dabei allerdings so weit, das damit beschäftigte Personal möglichst gleich mit abzugeben. Wir haben uns heute auf einen Gesetzentwurf zu den toxischen Papieren konzentriert. Dabei geht es um eine Art Zweckgesellschaftsmodell. Ich will versuchen, es im Telegrammstil zu beschreiben: Die Rechtsform ist selbstverständlich neutral. Alle Banken können davon Gebrauch machen. Ihnen wird die Möglichkeit einge- räumt, eine Zweckgesellschaft zu gründen. Auf diese text Zweckgesellschaft können sie die strukturierten Wertpa- piere verlagern. Dafür bekommen sie von dieser Zweck- gesellschaft Schuldverschreibungen. Diese werden von der Zweckgesellschaft durch die Begebung einer An- leihe finanziert. Die Schuldverschreibungen werden staatlich garantiert. – Das hat den Effekt, dass die Bank hochvolatile Assets abgeben kann und dafür höchst sta- bile, werthaltige und vor allem staatlich garantierte Schuldverschreibungen bekommt, die sie nicht mit Eigenkapital unterlegen muss. Die Bundesbank ist bereit – das ist ganz wichtig –, diese Papiere als Sicherheit zu akzeptieren, wenn es darum geht, für die Banken Liqui- dität bereitzustellen. Das ist der enorme Vorteil. so um Bilanzbereinigung. Den Gegenwert rten Wertpapiere bekommen die Banken in huldverschreibungen; sie müssen nicht ei- erlegt sein. Diese Schuldverschreibungen alle –, dass r Verfügung on dringend n neuen Ge- Es geht al der ausgelage Form von Sc genkapitalunt können auch als Sicherheiten, als Collateral, bei der 24156 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Bundesminister Peer Steinbrück Bundesbank eingereicht werden, um Liquidität zu be- kommen. Bei jeder dieser Lösungen – dafür werbe ich jetzt – befindet man sich in einem Zieldreieck; dies führt zu Spannungen. Je effektiver die Bilanzbereinigung ist, die man braucht, damit die Banken freigeschaufelt werden und Eigenkapital zur Verfügung haben, desto aktueller wird die Frage, wer für diese Operation die Haftung und die Risiken übernimmt. Dann stellt sich automatisch die Frage: Ist das der Bundeshaushalt, sind das die Steuer- zahler? Das heißt, je effektiver die Bilanzbereinigung, desto scharfkantiger das Problem, wer haftet bzw. mögli- cherweise zahlen muss. Wenn man dieses Risiko zugunsten des Steuerzahlers minimieren will, muss man den Banken Auflagen ertei- len. Wenn die Auflagen allerdings zu prohibitiv sind, wenn sie den Vorteil, den die Banken bekommen, über- kompensieren, werden die Banken von einem solchen Modell keinen Gebrauch machen. Insofern ist die Dosis dessen, was wir dort machen, von entscheidender Be- deutung. Wir sind zu einer Lösung gekommen, bei der wir, wie wir glauben, die Risiken für den Steuerzahler sehr deut- lich minimieren können. Die Auflagen, die erfüllt wer- den müssen, beinhalten im Wesentlichen vier Punkte. Erstens. Die Banken müssen für die Garantie eine Ge- bühr zahlen. Dies ist schon vor dem Hintergrund der No- tifizierung in Brüssel notwendig. Zweitens. Die Banken geben ihre Schrottpapiere, um es umgangssprachlich zu formulieren, zum Buchwert ab, minus 10 Prozent. Auch dies ist eine Notwendigkeit, um in Brüssel Einigung herzustellen. Drittens. Diesem Buchwert wird von einer neutralen Instanz in der Zuständigkeit der SoFFin, der sich Exter- ner bedienen wird, ein Fundamentalwert, eine Ein- schätzung des tatsächlichen ökonomischen Wertes, ge- genübergestellt. Die Banken werden verpflichtet, eine mögliche Differenz zum Zeitpunkt der Überführung die- ser Papiere auf die Zweckgesellschaft über 20 Jahre ab- zustottern. Das reicht aber noch nicht. Viertens. Nach Ende der Laufzeit der Papiere wird festgestellt, ob der dann bestehende Wert dieser Papiere noch einmal geringer ist als der berechnete Fundamen- talwert. Wenn er geringer ist, wird es ein Ausschüttungs- verbot für die Alteigentümer oder – im Falle einer Aktiengesellschaft – Altaktionäre geben. Wir glauben, dass wir so den Steuerzahler über die Laufzeit weitestgehend entlasten können. Ob er belastet wird, stellt sich heraus, wenn eine Bank nicht mehr sol- vent sein sollte. Genau das gilt es zu verhindern. Ich habe angedeutet, dass sich das nur auf die erste Kategorie, nämlich auf die toxischen Papiere bezieht. Wir planen – wir würden Sie gern mit den entsprechen- den Vorarbeiten versorgen –, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unterstützen!) auf dieses Zweckgesellschaftsmodell ein sogenanntes Konsolidierungsbank-Modell zu setzen, das insbeson- dere für die Landesbanken von Bedeutung sein mag. Denn die Landesbanken haben nicht nur sehr massive Probleme aufgrund der toxischen Papiere, sondern auch aufgrund der illiquiden und sogenannten nichtstrategi- schen. Sie kennen das umgangssprachlich unter der Über- schrift „AIDA“, das Modell „Anstalt in der Anstalt“, das aber eine ganze Reihe von Fragen aufwirft. Dies ist wahrscheinlich nicht allein durch eine Novelle des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes umzusetzen – es muss rechtssicher sein –, sondern auch das KWG und andere Aspekte sind davon erheblich berührt. Insofern sind wir nach wie vor in Abstimmungen, nicht nur intern, son- dern auch mit den Ländern. Die Bereitschaft, dieses Modell gerade für die Lan- desbanken attraktiv zu machen, verbindet sich aus Sicht der Bundesregierung mit der strikten Auflage, dass es bei dieser Gelegenheit zu einer Rekonstruktion oder Re- strukturierung im Landesbankensektor kommt. Dies ist zwingend erforderlich. Das heißt, die Träger der Landes- banken, insbesondere die verantwortlichen Landesregie- rungen, sollen, auch durch klare Commitments, veran- lasst werden – gegebenenfalls auf Vorschlag eines Ministerpräsidenten; zu denken ist etwa an einen identi- schen Entschließungsantrag im Bundestag und im Bun- desrat –, eine Konsolidierung, eine Rekonstruktion, wie immer man es nennen will, der Landesbanken vorzuneh- men. Daran sind viele Länder interessiert; ob es alle sind, wird sich in den weiteren Gesprächen herausstellen. Ich halte es für zwingend erforderlich, dass wir bei dieser Gelegenheit zu einem Ergebnis kommen, wobei klar ist, dass der Bund für solche Papiere nicht in Haftung geht, keine Risiken übernimmt. Das ist Sache der Träger der Landesbanken. Abschließend: Die jetzt vorgesehene Konstruktion – es ist die erste Stufe – ist noch über das zu bedienen, was Sie der Bundesregierung im Rahmen der Banken- abschirmung eingeräumt haben. Die Garantien, die ge- geben werden sollen, können aus den 400 Milliarden Euro, die Sie bewilligt haben, geschöpft werden. Sie wissen: Das ist Bestandteil der 500 Milliarden Euro, die seinerzeit für die Bankenabschirmung gewährt worden sind; dort ist genügend Spielraum. Ob sich das gegebe- nenfalls ändert, wenn das zweistufige Modell mit Blick auf das, was ich „Konsolidierungsbank-Modell“ oder „AIDA-Modell“ nenne, umgesetzt wird, wird sich im Verlauf der weiteren Beratungen herausstellen. Ich will an dieser Stelle abbrechen, damit mein Vor- trag nicht zu lang wird, und sehe Ihren Fragen gerne ent- gegen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Wir kommen zunächst zu den Fragen zu diesem Themenbereich. Als Erster hat der Kollege Koppelin das Wort. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24157 (A) (C) (B) (D) Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Herr Minister, ich habe im Januar dieses Jahres mit Interesse zur Kenntnis genommen, was Sie zu Bad Banks gesagt haben. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung heißt es: Eine Bank, die faule Wert- papiere aufkaufen würde, könne er sich, also Steinbrück, „ökonomisch und vor allem politisch“ nicht vorstellen. Des Weiteren haben Sie gesagt: Das Publikum würde uns für verrückt erklären. So lauteten Ihre Aussagen am 18. Januar. Nun kommen diese Bad Banks doch. Ich darf Sie fra- gen, Herr Minister: Erstens. Was hat zu dem Um- schwung Ihrer Meinung geführt? Zweitens. Können in diese neu zu gründenden Bad Banks nur Wertpapiere verlagert werden oder auch Kredite oder auch sonstige im Augenblick nicht mehr benötigte Aktiva? Was kann verlagert werden? Drittens. Brauchen diese Bad Banks Eigenkapital? Wenn ja, wie viel? Müsste dafür eventuell das Kreditwesengesetz geändert werden? Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Sie zitieren mich nur zur Hälfte, Herr Koppelin. (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Das macht der immer!) Ich habe in meinen Ausführungen immer auf ein zentra- les Institut, eine zentrale Bad Bank, abgehoben. Sie ken- nen meine Haltung dazu, dass ich institutsspezifische Lösungen keineswegs ausgeschlossen habe. Insofern be- wegen wir uns in der Kontinuität dessen, was ich damals öffentlich sagte. Wir reden von institutsspezifischen Zweckgesellschaften. Hier gibt es keinerlei Wider- spruch. Verlagert werden können die Wertpapiere, die ich ge- rade genannt habe: toxische Papiere, illiquide Papiere, sogenannte nichtstrategische Wertpapiere oder Aktiva. Die Zweckgesellschaft muss nicht mit Kapital unter- legt werden. Insofern stellt sich die Frage einer Rekapi- talisierung der Zweckgesellschaften nicht. Es kann sich die Frage einer Rekapitalisierung der Kernbank, der ab- gebenden Bank, stellen. Sie wird dann das in Anspruch nehmen können, was dem SoFFin mit Blick auf mögli- che Kapitalinjektionen gewährt wurde. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Dr. Lötzsch. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Jetzt kommt der ökonomische Sachverstand der Linken zum Tragen!) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, nun haben wir alle in den letzten Monaten mit den Banken nicht nur positive Erfahrungen gemacht, um das einmal sehr freundlich zu formulieren. Wir können nicht unbe- dingt davon ausgehen, dass die Banken uns gegenüber ehrlich sind und zum Wohle der Allgemeinheit handeln. Ich möchte meine Frage an einem Beispiel illustrieren. Es geht mir darum, ob Sie in Ihrem Gesetzentwurf einen Umstand bedacht haben. Die Commerzbank ist nicht verstaatlicht worden, son- dern die Bundesregierung bzw. die entsprechenden Gre- mien haben der Commerzbank 16 Milliarden Euro als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Der Verzicht der Bun- desregierung auf Einfluss wurde damit begründet, dass die Commerzbank jährlich 9 Prozent Zinsen zahlen werde. Nun hat sich herausgestellt, dass die Commerz- bank auf Jahre hinaus nicht 1 Cent an Zinsen an den Staat zahlen wird. Haben Sie dieses Spiel der Banken bei Ihrem Gesetzesentwurf zu den Bad Banks eingeplant und, wenn ja, wie? Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Erstens. Die Bundesregierung hat die Kapitalinjektion des SoFFin durchaus mit einer Reihe von Auflagen ver- bunden. Wir haben bisher stille Einlagen erworben. Sie werden in der nächsten Hauptversammlung in, wie ich glaube, Vorzugsaktien umgewandelt; nageln Sie mich aber nicht darauf fest; ich weiß nicht, ob es Vorzugs- aktien oder Stammaktien sind. Zweitens. Eine Bank kann nur dann Zinsen und Ge- bühren zahlen, wenn sie ein positives Ergebnis erreicht hat. Ich verlange einer Bank in Zeiten, in denen sie kein positives Ergebnis vorlegen kann, keine Zinsen oder Ge- bühren ab, weil ich die ökonomische Position der Bank nicht verschlechtern will. Im Gegenteil: Ich möchte sie stabilisieren. Es gibt dafür bestimmte Bilder, die ich aber nicht wiederhole, weil man mit Bildern vorsichtig sein soll. Aber ich kann einer Bank nicht etwas abverlangen, was sie nicht zahlen kann. Vielmehr möchte ich die Bank gern in den Stand versetzen, wieder schwarze Zah- len zu schreiben. Dann wird sie auch die entsprechenden Auflagen, was Gebühren und Zinsen betrifft, erfüllen müssen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die nächste Frage stellt der Kollege Kampeter. Steffen Kampeter (CDU/CSU): Herr Minister, erst einmal herzlichen Dank für die Unterrichtung. (Zuruf des Abg. Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP] – Gegenruf des Bundesministers Peer Steinbrück) – Es hat ja noch keiner etwas gesagt. Wir wollen doch die Höflichkeitsregeln einhalten. Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Ich reagiere auf Herrn Koppelin. Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ach so. Dann brauchen wir aber nicht über Höflich- keitsregeln zu sprechen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) 24158 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Er hat sich sehr höflich verhalten. Steffen Kampeter (CDU/CSU): Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Koppelin. – Wir diskutieren dieses Thema sehr breit in der Öffent- lichkeit, Herr Minister. Bei dem von Ihnen vorgetrage- nen Lösungsvorschlag sehen Sie den Staat in der Not- wendigkeit, zu handeln. Ich möchte Sie auch vor dem Hintergrund der interna- tionalen Entwicklung fragen: Wie beurteilen Sie eigent- lich den Vorschlag, der sowohl im Parlament als auch in Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern geäußert wird, der lautet: Im Prinzip ist Nichthandeln die vernünftigere Lösung, sowohl für den Steuerzahler als auch für alle an- deren Beteiligten. Wir haben so viele Probleme. Warum sollten wir uns zur Rettung des Bankensystems zusätz- lich engagieren? Ich möchte Sie herzlich bitten, bei der Beantwortung dieser Frage auch zu erläutern, warum sich die Bundes- regierung für den Aktivtausch entschieden hat. Andere Länder haben mit dem Aufkauf von Problemaktiva, die Herr Koppelin angesprochen hat, bereits Erfahrungen gemacht. Könnten Sie bitte auch diese Erfahrungen be- werten? Das Gleiche gilt für eine Versicherungslösung, wie sie zum Beispiel in Großbritannien praktiziert wird. Ich glaube, wenn Sie Ihre Lösung diesen beiden Maß- nahmen gegenüberstellen, würden dem Parlament die Gründe für die Entscheidung der Bundesregierung etwas klarer werden. Herzlichen Dank. Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Den Aufkauf der Problemaktiva wollten wir verhin- dern, weil er unmittelbar zu einer Haushaltsbelastung und damit zu einer Belastung der Steuerzahler geführt hätte. Das ist der entscheidende Grund, aus dem wir uns gegen einen Aufkauf vergifteter oder fauler Wertpapiere – wie auch immer man sie umgangssprachlich bezeich- nen möchte – entschieden haben. Die Modelle, die in anderen Staaten angewandt wer- den, haben wir untersucht. Das britische Versicherungs- modell birgt das Risiko, dass es in bilanzrechtlicher und -technischer Hinsicht nicht zu einer Bilanzbereinigung kommt. Wir haben uns bei einschlägigen Fachleuten, insbesondere beim Institut der Wirtschaftsprüfer, verge- wissert, dass es bei unserem Modell im bilanzrechtlichen und -technischen Sinne zu einer Bilanzbereinigung kommt. Das amerikanische PPIP ist in unseren Augen die dritte Überarbeitung eines amerikanischen Modells; beide Vorläufer haben nicht funktioniert. Dieses Pro- gramm beinhaltet einen sehr problematischen Prozess, nämlich ein Auktionierungsverfahren, das nur unter Heranziehung möglicher Interessenten wie Hedgefonds und Private-Equity-Fonds funktioniert. Eine solche Konstruktion ist auf die Finanzmarktbedingungen in Deutschland nicht übertragbar. Dieses Modell wird von uns nicht präferiert, weil die genannten Finanzmarkteilnehmer nach unserer Auffas- sung eher reguliert werden müssen als motiviert werden sollten, an solchen Auktionierungsverfahren teilzuneh- men und dabei spekulative Interessen zu verfolgen. Sie würden dies nämlich in der Annahme tun, dass sie die Papiere, um die es geht, zu einem sehr günstigen Preis bekommen und dass auch solche toxischen Papiere im Laufe der nächsten Jahre in einer Art und Weise handel- bar sind, dass sie mit ihnen Gewinn machen können. Andere Interessen, die diese Finanzmarktteilnehmer ver- anlassen könnten, sich an einem solchen Auktionie- rungsverfahren zu beteiligen, sind nicht ersichtlich. Sie treffen den Nagel auf den Kopf, wenn Sie darauf hinweisen, wie schwer es ist, den Menschen, auch de- nen, die uns hier und heute zuhören, zu erklären, warum wir dem Bankensektor mit solch ungeheuren Summen behilflich sind. Inzwischen ist 1 Milliarde fast zur kleinsten Recheneinheit der Republik geworden. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung, weil dabei die Pro- portionen verloren gehen. Die Antwort der Bundesregierung lautet, dass jeder Bürger und jede Bürgerin ein eigenes, unmittelbares In- teresse an einem stabilen, funktionsfähigen Finanzmarkt haben muss: Pensionäre, Sparer, junge Leute, die anfan- gen, Altersvorsorge zu betreiben, Gewerbetreibende, Handwerksmeister, die einen Betriebsmittelkredit brau- chen, große Unternehmen, die arbeitsplatzerhaltende oder -schaffende Investitionen auf dem Kapitalmarkt finanzieren müssen, und kleine und mittelständische Un- ternehmen, die beim Export und bei entsprechenden Er- schließungsstrategien Unterstützung brauchen. Alle, die heute hier sind und uns zuhören, müssen ein massives Interesse daran haben, dass eine der größten Volkswirt- schaften der Welt mit ihrer Güter- und Dienstleistungs- wirtschaft auch über einen stabilen und funktionsfähigen Finanzmarkt verfügt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber nicht ohne Kontrolle! – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!) Inzwischen sind die Banken sehr stark miteinander vernetzt. Fast fühlt man sich an ein Spiel erinnert, das man als Kind gespielt hat und das Sie vielleicht heute mit Ihren Kindern und Enkelkindern spielen: an Do- mino. Allerdings hat man nicht das Bild vor Augen, dass die Zwei an die Zwei gelegt wird, sondern das Bild, dass ein Stein der Dominosteinreihe angestoßen wird und alle anderen Steine umfallen. In dieser Situation befinden wir uns, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die Bundesregierung ist der Auffassung: Wenn eine Bank fällt, wäre die Erschütterungsdynamik so groß, dass möglicherweise ein Flächenbrand entsteht. Dies gilt es zu verhindern. Daher brauchen wir eine Abschirmung. Das ist das Motiv der Bundesregierung. Aus diesem Grunde versuchen wir, die Finanzmärkte in Deutschland und anderswo mit Ihrer Unterstützung zu stabilisieren. (Beifall des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24159 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Schick, bitte. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Herr Minister, schon seit mehreren Monaten wird in Deutschland versucht, Maßnahmen zur Bankenrettung zu ergreifen. Dabei gibt es drei zentrale Probleme: Das erste ist die mangelnde Transparenz, das zweite ist die Freiwilligkeit, und das dritte ist die Unterschätzung der jeweiligen Situation, was dazu führt, dass ein Rettungs- paket auf das nächste folgt. Vor diesem Hintergrund lautet meine erste Frage: Wird die Bundesregierung die Konditionen, die dem jetzt vorgelegten Modell zugrunde liegen, diesmal im Einzelnen veröffentlichen, oder wird sie sie weiterhin nur den Mitgliedern des geheim tagenden Finanzmarkt- gremiums zur Verfügung stellen, sodass die Öffentlich- keit nach wie vor nicht einschätzen kann, was genau ge- tan wird? Zweitens. Ist im Kabinett darüber gesprochen wor- den, ob dies verpflichtend oder freiwillig geschehen soll? Mit einer Verpflichtung würde man den Fehler be- enden, immer noch darauf zu vertrauen, dass die Banken am besten wissen, was für den Finanzmarkt insgesamt gut ist. Drittens. Ist diskutiert worden – und, wenn ja: Wie ist die Einschätzung? –, ob man Stresstests braucht, um eine langfristigere Perspektive zu gewinnen, welche Banken eigentlich welche Form von Rettung nötig haben? Die EU-Kommission hat für den europäischen Raum und da- mit auch für die deutschen Banken solche Tests vorge- schlagen. Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Ich fange mit dem Letzten an, Herr Abgeordneter Schick. Die EU-Kommission hat die Bundesregierung mit dem Vorschlag, Stresstests durchzuführen, etwas überrascht. Wir hätten uns gewünscht, dass zu der Frage, ob man Stresstests fordert, intern Überlegungen ange- strengt werden, ehe man damit an die Öffentlichkeit geht. Warum? Man muss sich genau überlegen, ob sol- che Stresstests einen prozyklischen, das heißt negativ verstärkenden Effekt haben können. Es nützt nichts, wenn man, wie in den USA, solche Stresstests durch- führt und die Ergebnisse anschließend von der Treasury oder der Fed korrigiert werden. Das hat einen kontrapro- duktiven Effekt. Deshalb muss man sich das vorher ge- nau überlegen, und dafür sollte man sich Zeit nehmen. Einfach Stresstests zu fordern, macht in meinen Augen keinen Sinn. Man muss sich über die Konsequenzen im Klaren sein und auch darüber, welche Eigendynamik Er- gebnisse haben können, die für die Stabilisierung und für die Wiedergewinnung von Vertrauen eher schädlich sind. Deshalb ist meine Haltung dazu: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Wir haben alle diese Überlegungen an- gestellt. Ihr zweiter Punkt war: Freiwillige Lösung oder Zwangslösung? Ich mache keinen Hehl daraus, dass für die Bundesregierung nur eine freiwillige Lösung infrage kommt, und zwar aus materiell-rechtlichen Gründen, aber auch aus verfahrensrechtlichen Gründen. Wenn man einer Bank Aktiva abnimmt, sie zwangsverpflichtet, diese zum Buchwert abzugeben und dabei auch noch ei- nen Abschlag von 10 Prozent hinzunehmen, dann sind die Banken – da bin ich mir ziemlich sicher – in einer sehr starken Rechtsposition, wenn es drum geht, sich dem zu entziehen oder dies in Zweifel zu ziehen. So et- was würde also nicht funktionieren. Es gäbe auch beihil- ferechtliche Probleme mit der EU-Kommission. Im Übrigen müsste das Gesetz für so etwas völlig an- ders aussehen. Bei einer freiwilligen Regelung gibt es die Möglichkeit, dem SoFFin Ermessensspielräume zu öffnen, während im Falle einer Zwangslösung sehr prä- zise, sehr klare Formulierungen im Gesetz gefunden werden müssten. Das widerspricht dem, was wir bisher mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz gemacht ha- ben: sich auf der Basis einer optionalen Lösung zu bewe- gen. Ich kann nicht verstehen, was Sie mit Geheimgremien meinen. Es gibt bei der Abwicklung von einigen Fällen betriebsinterne oder schützenswerte unternehmerische Daten. Diese Daten können in meinen Augen nicht Ge- genstand öffentlicher Debatten sein. Ansonsten möchte ich sagen: Sie finden in diesem Gesetzentwurf, ich glaube, in dem neu formulierten § 6 a bis d, die genauen Bedingungen, unter denen die Einrichtung von Zweck- gesellschaften möglich ist, einschließlich der Auflagen, einschließlich der Gebührenberechnungen, einschließ- lich – ich nenne es untechnisch – des Abstotterns eines Differenzbetrages zwischen Buchwert und Fundamen- talwert, einschließlich eines Ausschüttungsverbotes. Das alles ist genau definiert und Gegenstand der Formulie- rungen, die Ihnen jetzt zugeleitet werden. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Fragesteller ist der Kollege Otto Bernhardt. Otto Bernhardt (CDU/CSU): Weltweit haben die Kreditinstitute bekanntlich schlechte Papiere im Wert von vielen Billionen in den Büchern. Weltweit bemüht man sich, Lösungen zu fin- den. Als einer, der das ziemlich genau verfolgt, habe ich den Eindruck: Noch ist es keinem Land der Welt gelun- gen, eine vernünftige Lösung zu finden. Sie sagten es schon, Herr Minister: Die Amerikaner sind das dritte Mal dabei, und auch die Versicherungslösung der Eng- länder entlastet die Bilanzen nicht. Insofern bin ich froh, dass die Bundesregierung jetzt einen ersten Schritt vorschlägt. Was Sie vorgetragen ha- ben, hat aber aus meiner Sicht zwei Problempunkte. Ich bin sicher, Sie haben darüber diskutiert und haben Ant- worten darauf. Der erste Punkt. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, muss eine Bank, die Papiere im Wert von 10 Milliarden Euro übertragen will, zunächst einmal 1 Milliarde Euro davon abschreiben. Diese Größenord- nung – 10 Milliarden Euro – ist für die zur Diskussion stehenden Banken ein eher kleiner Betrag. Aber können die Banken, um die es geht – ich denke an vier Landes- 24160 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Otto Bernhardt banken und an zwei weitere Banken –, den Betrag, der dann automatisch abzuschreiben ist, im Hinblick auf ihre Eigenkapitalquote noch verkraften? Ist diese Abschrei- bung nicht eine Schwelle, die es einigen Instituten un- möglich macht, diese Lösung in Anspruch zu nehmen? Der zweite Punkt. Wenn ich Sie weiter richtig ver- standen habe, sagen Sie – um bei meinem Beispiel zu bleiben –: 10 Milliarden Euro sind in den Büchern, für 9 Milliarden Euro wird übertragen. Die Papiere werden von unabhängigen Leuten bewertet – das ist sehr schwie- rig; aber das ist ein anderes Thema – (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!) mit, sagen wir, 600 Millionen Euro. Dann bleibt eine Differenz, die über einen Zeitraum von zwanzig Jahren schrittweise abgebaut werden soll. Bedeutet dies nicht, dass man für dieses Risiko eine Rückstellung bilden muss – so habe ich das jedenfalls als Betriebswirt gelernt –, die dann gleich wieder auf den Gewinn – in diesem Fall handelt es sich um einen Verlust – und auf das Eigenka- pital durchschlägt? Wie ist dieses Problem gelöst? Aus- gehend von dem, was ich weiß, gibt es hierzu aus meiner Sicht noch offene Fragen. Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Zum ersten Punkt. Es handelt sich unabweisbar um eine Bedingung der Brüsseler Kommission. Das heißt, dass wir zur Notifizierung dieses Modells um eine sol- che Auflage nicht herumkommen werden. Maßgebend sind die sogenannten Prinzipien, die die Brüsseler Kom- mission im Rahmen der Behandlung der Problemaktiva – „Impaired Assets“ genannt – verabschiedet hat. Zum zweiten Punkt. Wir haben in der Tat zuerst mit der Rückstellung operiert und sind dann zu dem Ergeb- nis gekommen, dass aus dem jeweiligen Ergebnis der Bank ein Verlust, der sich aus der Differenz zwischen Buchwert und Fundamentalwert ergibt, über einen Zeit- raum von 20 Jahren abgetragen werden sollte. Aus dem Stand bin ich überfragt, ob dies zwingend zu einer Rückstellung führt. Meiner Meinung nach ist dies nicht der Fall. Wir möchten das aus bilanztechnischen Gründen gern vermeiden, um die Banken zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu belasten. Wir kaufen ihnen quasi Zeit. Dies führt zu einer Entzerrung der Probleme auf der Zeitachse. Das ist das Entscheidende. Ich bleibe Ihnen die Antwort auf Ihre Frage, wie dies bilanzrechtlich von den herangezogenen Fachleuten begründet worden ist, also schuldig. Ich liefere sie gern nach. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Dr. Solms bitte. Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Herr Minister, aus unserer Sicht geht die Lösung der Probleme durch zweifelhafte Papiere und der notwen- dige Abschreibungen, die Sie hier vorschlagen, in die richtige Richtung – wenn sie auch spät kommt. Trotz- dem bleiben im Detail viele Fragen offen. Wir haben ge- rade die Erstunterrichtung bekommen. Meine Frage schließt an die des Kollegen Bernhardt an. Sie hatten dargestellt, dass es ein Spannungsfeld zwi- schen der Schonung der Steuerzahler, der Ingangsetzung des Geldkreislaufs zwischen den Banken und der Haf- tung und Mitverantwortung der Altaktionäre für die Ri- siken und die entstandenen Verluste gibt. Ich habe dem Papier entnommen, dass die Dividenden in den nächsten 20 Jahren möglicherweise total ausfallen werden. Wären das nicht eine starke Benachteiligung der Banken im Wettbewerb und eine Beeinträchtigung ihrer Möglich- keiten, sich Eigenkapital zu verschaffen? Denkt man an dieser Stelle über Kompromisslösungen nach? Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Herr Solms, wenn Sie erlauben, richte ich mich zu- nächst noch einmal an Herrn Bernhardt. Herr Bernhardt, die Frage, die Sie aufgeworfen haben, haben wir erörtert, sowohl mit dem Institut der Wirtschaftsprüfer wie auch mit dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Com- mittee; das gibt es. Wir haben uns also vorher bei Sach- verständigen erkundigt und sie um eine Stellungnahme gebeten, damit wir auf der sicheren Seite sind. Ich komme nun zur Frage von Herrn Solms. Ein Divi- dendenausschüttungsverbot betrifft allein die Altaktio- näre. Die Bank muss in der Lage sein, neue Aktien zu emittieren, die selbstverständlich von Dividendenaus- schüttungen profitieren. Ansonsten würde man kaum je- manden finden, der Interesse daran hat. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Belastung der Altaktio- näre anstelle einer Belastung der Steuerzahler absolut le- gitim und in unseren Augen sogar notwendig ist. Im elektronischen Handel ist es inzwischen relativ einfach, indem man den Altaktien eine Art Stempel auf- drückt. Diese Aktien können dann auch weiter veräußert werden. Interessierte Käufer werden sich dann aber na- türlich sehr selten finden, weil sie wissen, dass es sich um eine Altaktie handelt, die möglicherweise, im Fall von weiteren Verlusten, nicht mehr an entsprechenden Dividendenausschüttungen teilhat. Die Banken sollen selbstverständlich durch die Emission von neuen Aktien, die von Dividenden profitieren müssen, in die Lage ver- setzt werden, sich zu refinanzieren. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Fromme, bitte. Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Herr Minister, es ist immer von toxischen Papieren die Rede. Man hat dadurch den Eindruck, sie seien nichts wert. Können Sie mir einmal beschreiben, warum es dennoch Sinn macht, eine Zeitachse zu schaffen, um aus den Papieren vielleicht doch noch etwas herauszuho- len? Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Das ist ganz einfach, Herr Fromme. Es wird eine Reihe von toxischen Papieren geben, die – so die Ein- schätzung vieler Fachleute – nach Überwindung dieser Krise durchaus wieder einen Markt und einen Preis fin- den können und somit auch handelbar sind. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24161 (A) (C) (B) (D) Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Danke. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Minister, auch das Dominoprinzip funktioniert nur durch Kontrolle, damit die Steine nicht links und rechts wegkippen. Nun reden wir hier nicht über Domino, sondern über Milliarden. Ich habe folgende Frage: Plant die Bundesregierung so etwas wie eine gesetzliche Ober- grenze für die Menge an Wertpapieren, die entweder ins- gesamt oder pro Bank in eine Bad Bank eingebracht werden kann? Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Vor dem Hintergrund eines offenen, grenzüberschrei- tenden Marktes, von Kapitalverkehrsfreiheit etc. kann die Bundesregierung keine Obergrenze definieren. Wie könnten wir denn dort irgendwelche Obergrenzen defi- nieren? Im Übrigen hat die Bundesregierung nicht die Ab- sicht, in die operativen Verantwortlichkeiten der Banken einzugreifen, sondern die Bundesregierung wird durch bankenaufsichtsrechtliche Schritte – auch verbessernde Schritte; erste Schritte haben wir unternommen – neben vielen anderen Maßnahmen, die man nachlesen kann und die insbesondere auf der internationalen Ebene ver- abredet wurden – im Rahmen einiger Gesetzentwürfe sind Sie schon damit befasst worden –, dafür Sorge tra- gen, dass es nicht wieder zu ähnlichen Exzessen und Übertreibungen kommt, durch die wir in diese Krise hineingeraten sind. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Fuchtel, bitte. Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Herr Minister, es war zu Beginn der Debatte davon die Rede, dass wir mit einem Risikowert von 859 Mil- liarden Euro – wer immer ihn so genau berechnet hat – zu rechnen haben. Wie würden Sie das jetzt gewählte Modell bezüglich dieses Risikowertes taxieren? Können Sie mir hinsichtlich der möglicherweise be- troffenen Banken etwas konkreter sagen, um welche Größenordnung es hier eigentlich geht? Ich möchte auch noch wissen, wann genau das Verbot der Ausschüttung eintreten wird. Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Das Ausschüttungsverbot wird nach der Beendigung der Laufzeit der Papiere aktuell. Wenn der Schlusswert eines Papiers von dem vorher berechneten Fundamental- wert abweicht, es dort also eine Differenz, ein Delta, gibt, dann ist sie durch die Alteigentümer auszugleichen. Bei einer Aktiengesellschaft sind das die Altaktionäre. Wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Bank han- delt, sind das die sonstigen Träger. Die Liste, die Sie ansprechen, Herr Fuchtel, geht auf eine Abfrage der Bundesbank oder der BaFin – nageln Sie mich jetzt nicht fest – zurück. Sie ist, wenn Sie so wollen, eine „Wunschliste“ der Banken und nichts ande- res. Die Banken haben im Rahmen dieser Abfrage defi- niert, von welchen Aktiva sie sich trennen wollen. Das sind ganz unterschiedliche Aktiva. (Otto Bernhardt [CDU/CSU]: Wünsch Dir was!) – Genau. – Nur so kommt diese exorbitante Summe zu- stande. Um Ihre Frage präzise zu beantworten: Die Bundes- bank schätzt, dass von diesen 850 bzw. 855 Milliarden Euro, die in Rede stehen, ungefähr 230 Milliarden Euro auf die sogenannten toxischen, strukturierten Wertpa- piere entfallen. Nach Aussage der Bundesbank sind da- von inzwischen ungefähr 30 bis 40 Milliarden Euro „eingezäunt“; ich nenne das jetzt einmal so. Das heißt, wir reden konkret über toxische, strukturierte Wert- papiere in einer Größenordnung von ungefähr 180 Mil- liarden Euro – ich bitte darum, mich für die dritte Ziffer nicht haftbar zu machen –, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Für die ersten beiden schon!) die möglicherweise betroffen sein könnten. Hinsichtlich eines weiteren Spielraums bezogen auf die Garantieposition in dem 500-Milliarden-Euro-Schirm: Davon sind ungefähr noch 250 Milliarden bis 260 Mil- liarden Euro frei. Nach Lage der Dinge – das ist jeden- falls absehbar – brauche ich Sie, bezogen auf dieses Mo- dell, vor der Sommerpause nicht um eine Erweiterung des Garantierahmens zu bitten, was, so glaube ich, in Ih- rem und auch im Sinne der Bundesregierung ist, um die Menschen nicht dadurch weiter zu verunsichern, dass wir plötzlich noch mehr Geld für die Bankenabschir- mung benötigen. Es ist sehr schwer, der Öffentlichkeit den Unterschied zwischen Garantien oder Bürgschaften und Kapitalinjektionen zu beschreiben. Das bedarf ja ei- ner sehr präzisen und umgangssprachlich nachvollzieh- baren Erklärung. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Toncar, bitte. Florian Toncar (FDP): Herr Minister, ich habe drei Fragen: Die erste Frage bezieht sich auf die Wirksamkeit des Modells. Es geht sicherlich auch darum, dass diese Zweckgesellschaften schnell eingerichtet werden kön- nen, wobei wir das Problem haben, dass die Bewertungs- vorgänge komplex sind und es dort kein schematisches Vorgehen gibt, sondern jedes Papier einzeln bewertet werden muss. Sie haben davon gesprochen, dass das eine neutrale Instanz vornehmen soll, die beim SoFFin ange- siedelt ist. Wie schnell wird sie operativ handlungsfähig sein, und was genau kann man sich unter dieser neutra- len Instanz vorstellen? Ich glaube, dass die Geschwin- digkeit mitentscheidend für die Wirksamkeit ist. 24162 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Florian Toncar Die zweite Frage bezieht sich auf die Konsolidierung der Landesbanken. Sie haben deutlich gemacht, dass Sie diese wünschen. Werden Sie den Ländern Bedingungen stellen, die Voraussetzung dafür sind, dass sie dieses Modell nutzen können? In welcher Form werden Sie für Verbindlichkeit sorgen, auch angesichts der Argumenta- tion der Länder, dass das Vorhaben in absehbarer Zeit noch nicht vollzogen werden kann? Die Form der Ver- bindlichkeit interessiert mich, bevor wir über einen sol- chen Gesetzentwurf abstimmen können. Die dritte Frage bezieht sich ebenfalls auf die Länder. Durch die Garantielaufzeit von bis zu 20 Jahren verzö- gert sich die Liquidation des Fonds beträchtlich. Eine Regelung im Finanzmarktstabilisierungsgesetz sieht vor, dass der Verlustanteil der Länder gedeckelt ist, sodass die Inflation für die Länder arbeitet, und zwar für wei- tere 20 Jahre. Ist das aus Sicht des Bundeshaushalts ver- tretbar, oder sehen Sie die Notwendigkeit, mit den Län- dern nachzuverhandeln? Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Die Länder werden nur dann in den Genuss des AIDA-Modells kommen, wenn sie die Voraussetzung er- füllen, eine hinsichtlich des Geschäftsmodells tragfähige Perspektive für die Restrukturierung der Landesbanken zu bieten. Dies wird auch als Bedingung in den Gesetz- entwurf Eingang finden. Aber das wird noch nachgelie- fert, weil es nicht Bestandteil des Zweckgesellschafts- teils ist, sondern erst in dem Modell der Anstalt in der Anstalt zum Tragen kommt, das nach Lage der Dinge noch eine Reihe von Fragen aufwirft, die ich vorhin an- gedeutet habe. Aber es wird zu einer Bedingung ge- macht werden müssen. Im Übrigen wird bei dieser Gelegenheit dafür Sorge getragen werden müssen, dass der Bund für die Weiter- gabe oder Verschiebung von solchen illiquiden und nichtstrategischen Assets nicht in eine Haftungs- und Risikoposition kommt, sondern dass diese bei den Trä- gern der Landesbanken bleibt. Sie haben inzwischen ebenso wie ich nachvollzogen – Herr de Maizière und ich hatten die Gelegenheit, meh- rere Gespräche mit den Ministerpräsidenten der Länder oder ihren Finanzministern zu führen –, dass eine Reihe von Ländern massiv daran interessiert ist. Sie selber ha- ben bereits eine Art Holdingmodell entworfen. Einige von ihnen haben es „Bank deutscher Länder“ genannt. Ich bin mit dem Namen nicht ganz zufrieden, weil er an die Zeit nach der Währungsreform 1948 bis 1957 erin- nert, als die Deutsche Bundesbank „Bank deutscher Län- der“ hieß. Dahinter steht aber in einer Stufenabfolge et- was, das sich, glaube ich, durchaus positiv von den bisherigen Überlegungen abhebt. Ihre erste Frage ist mir gerade entfallen. (Florian Toncar [FDP]: Die operative Um- setzung und die neutrale Instanz!) – Ja, richtig. Das ist sehr wichtig. Der SoFFin wird sich externer Sachverständiger bedienen. Das sind nach Lage der Dinge Assetmanager oder Wirtschaftsprüfer, die al- lerdings danach ausgewählt werden müssen, dass sie nicht in einer Interessenkollision zu dem Institut stehen, das die strukturierten Wertpapiere abgeben will. Die methodischen Möglichkeiten liegen vor, aber ich stimme Ihnen absolut zu – das hat vorhin auch Herr Bernhardt angedeutet –: Die Feststellung des Fundamen- talwertes ist durchaus nicht ganz leicht. Darin liegen Probleme, aber wir glauben, dass das die einzige Mög- lichkeit ist, die auch im Sinne des Steuerzahlers notwen- dig ist. Denn wir wollen vermeiden, dass die Steuerzah- ler mit den bisher aufgelaufenen Verlusten und letzten Endes auch mit den in der Zukunft anfallenden Verlusten belastet werden. Darauf erstreckt sich das Ausschüt- tungsverbot. Anschließend ist die Bankenaufsicht gefragt, noch einmal die Validität dieser Bewertungen durch Externe zu prüfen. Das heißt, es sind sozusagen mehrere Siche- rungsringe eingezogen worden, damit dies so professio- nell und solide wie möglich erfolgt. Es muss auch schnell erfolgen; Sie haben völlig recht. Insofern sind wir Ihnen fast zwangsläufig sehr dankbar, dass dieses Gesetzgebungsverfahren vor der Sommerpause zu einem Abschluss gebracht wird, damit wir nicht der Diskonti- nuität unterliegen, und die interessierten Banken in den Stand versetzt werden, relativ schnell solche Zweck- gesellschaften zu gründen. (Florian Toncar [FDP]: Können Sie noch et- was zur Verlustdeckung der Länder und zur Verzögerung der Liquidität sagen?) – Es wird wahrscheinlich eine Ergänzung geben müssen, ohne dass ich Ihnen das jetzt präzise sagen kann, weil wir die zweite Stufe erst noch entwickeln. Sie werden so schnell wie möglich mit dem befasst, was wir heute im Kabinett beraten haben. Das AIDA-Modell haben wir heute im Kabinett nicht behandelt. Es wird klargemacht – gegebenenfalls über entsprechende Novellierungen des jetzigen Finanzmarktstabilisierungsgesetzes –, dass der Bund nicht bereit ist, für solche illiquiden, nichtstrategi- schen Assets in den Bilanzen der jetzigen Landesbanken in eine Risikoposition zu gehen. Das heißt, das müssen die Träger der jetzigen Landesbanken übernehmen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Fragesteller ist der Kollege Norbert Barthle. Norbert Barthle (CDU/CSU): Herr Minister, ich will zunächst in einer Vorbemer- kung festhalten, dass das von Ihnen vorgelegte Konsoli- dierungsbank-Modell – ich nenne es Kaba-Modell – dazu geeignet ist, das anstehende Problem der toxischen Papiere zu lösen, und insbesondere eine für mich essen- zielle Forderung erfüllt. Das ist die Tatsache, dass die Verantwortung für diese Papiere bei den Banken bleibt und der Steuerzahler entweder gar nicht oder sehr spät in Haftung genommen wird, und zwar zu einem Zeitpunkt, wenn die Situation schon ganz anders aussehen kann. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Kann!) Meine konkrete Frage betrifft einen Detailpunkt hin- sichtlich Bedingungen und Auflagen, die mit diesem Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24163 (A) (C) (B) (D) Norbert Barthle Modell verbunden sind. Sie selbst haben gesagt, dass sie nicht zu prohibitiv sein dürfen. Entscheidend ist für mich dabei die Höhe der Gebühren, von der die Akzeptanz des Modells abhängt. Wer stellt zu welchem Zeitpunkt und auf welcher Grundlage die Höhe der Gebühren fest? Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Die Höhe der Gebühren wird vom SoFFin festgestellt werden müssen, und zwar auf der Basis der Vorgaben der Europäischen Kommission, die unter dem Gesichts- punkt der Wettbewerbsgleichheit ganz klare Spielregeln vorgegeben hat. Das hat sie übrigens schon im Rahmen der jetzigen Lösungen für die Zinsberechnungen bei denjenigen getan, die Kapitalinjektionen in Anspruch nehmen. Wie Sie wissen, sind diese Zinsen teilweise sehr hoch. Damit kommen wir zu einer früheren Frage- stellung zurück. Einige Institute könnten möglicher- weise – weil sie Verluste schreiben – einmal nicht in der Lage sein, Zinsen oder Gebühren zu zahlen; das will ich gar nicht ausschließen. Man wird eine Lösung finden müssen, um diese Institute nicht unter Wasser zu halten, sondern über Wasser zu bringen. Daran haben wir ein massives Interesse. Bezogen auf manche Frage bzw. Zwischentöne, die ich von der linken Seite gehört habe: Man muss sehen, was man möchte. Wenn man die Banken von Problemen entlasten möchte, dann kommt man bei der Lösungs- suche mit Vorurteilen gegenüber dem Bankensektor nicht weiter; denn es ist für dieses Land von existenziel- ler Bedeutung, den Bankensektor zu stabilisieren. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber doch nicht für null! Da muss es doch eine Kontrolle geben!) – Entschuldigen Sie bitte, ich nehme als einer der verant- wortlichen Minister nicht billigend in Kauf, dass eine Entwicklung Raum greift, an deren Ende eine schwere Erschütterung des deutschen Bankensektors steht. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Das können sich nur Leute leisten, die glauben, man könnte einen Laborversuch durchführen. Das kann man aber nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir reden hier über eine Volkswirtschaft mit 80 Milli- onen Menschen. Die Realwirtschaft braucht gerade in einer Situation, in der gegebenenfalls große Unterneh- men spielend einen Refinanzierungsbedarf in Höhe von 4 Milliarden, 5 Milliarden oder 6 Milliarden Euro haben, dringend stabile und verlässliche Finanzdienstleistun- gen. Das alles geschieht vor dem Hintergrund deutlich veränderter Finanzierungsstrukturen; denn die klassi- schen Konsortialfinanzierungen der vergangenen Jahre sind aufgrund des Rückzugs der Banken – auch auslän- discher – schwieriger denn je. Deutsche Institute müssen daher durch Abschirmung und Stabilisierung in die Lage versetzt werden, dort tätig zu werden. – Bin ich Ihnen ir- gendeine Antwort schuldig geblieben? (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nein, das war’s! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Wahrheit!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Fragesteller ist der Kollege Dr. Troost. Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Herr Minister, ich bin gar nicht in der Lage, so viele Fragen zu stellen, wie Ihre Antworten bei mir auslösen. (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie werden es nie begreifen!) Ich nehme zur Kenntnis, dass es demnächst verschie- dene Aktien gibt: solche mit Stempel und solche ohne Stempel. Das löst bei mir im Hinblick auf den elektroni- schen Aktienhandel viele Fragen aus. Worauf ich eigentlich hinaus will, ist Folgendes: Sie sagen, ein Stresstest sei ein Problem, und man solle ei- nen solchen Test besser nicht durchführen, weil er Panik auslösen könne. Damit verhält es sich etwa so, als ob man nicht zum Arzt ginge und keine Blutuntersuchung durchführen ließe, weil man nicht wissen will, ob man krank ist. Nach Ihrem Verfahren ist mit einem Abschlag in Höhe von 10 Prozent zu rechnen. Kollege Bernhardt hat gefragt, ob 10 Prozent noch zu verkraften seien. Wissen- schaftler vom DIW zum Beispiel gehen davon aus, dass viele Papiere einen Wert von null haben. Das bedeutet also nicht minus 10 Prozent, sondern minus 100 Prozent. Nun sollen die Fundamentalwerte von neutralen Institu- tionen, wie Sie sagen, festgestellt werden. Die entschei- denden Fragen sind: Erstens. Gibt es solche neutralen In- stitutionen wirklich, die nicht in Geschäftsbeziehungen standen oder stehen? Zweitens. Wird die Politik nicht dahin gehend Einfluss nehmen – genauso haben Sie es im Hinblick auf den Stresstest geschildert –, dass die Fundamentalwerte möglichst gut sind, damit im Moment keine zu großen Verluste ausgewiesen werden müssen und möglichst viel in die Zukunft verlagert werden kann, um die Probleme nicht schon jetzt bewältigen zu müs- sen? Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Soweit ich Ihre Frage nachvollziehen kann, basiert sie auf einer ganzen Reihe von Missverständnissen; ob kon- struiert oder nicht, kann ich nicht genau beurteilen. Dass es unterschiedliche Aktientypen gibt, ist schon heute gängige Praxis. So kennen wir zum Beispiel Stamm- aktien und Vorzugsaktien. Wo ist also das Problem, das Sie mit Ihrer Frage insinuieren, Herr Troost? Das macht keinen Sinn. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das ist schon ein Unterschied!) Das Gleiche gilt im Hinblick auf den Stresstest. Ich habe mich keineswegs so geäußert, wie Sie es dargelegt haben. Ich habe mich dahin gehend geäußert, dass man sich das sehr genau überlegen muss. Nichts anderes habe ich gesagt, nicht weniger und nicht mehr. Man darf nicht 24164 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Bundesminister Peer Steinbrück aus der Hüfte schießen, nur weil „Stresstest“ so toll klingt und modisch sein mag. Ich möchte vorher überlegen, was sich damit verbin- det und wie das aussieht. Zu Ihren beiden Fragen sage ich: Man wird fachlich versierte Leute für die Berechnung solcher Fundamen- talwerte finden müssen. Ich habe darauf hingewiesen, dass eine Validierung durch die Bankenaufsicht stattfin- den muss. Insofern hat man, wie ich glaube, eine neu- trale, hinlänglich respektierte Instanz. Ich kann mir kei- nen anderen Weg vorstellen. Ich verstehe auch nicht die Verdächtigungen. Eine politische Einflussnahme verbie- tet sich. Die würde sofort von den Märkten, von den Wirtschaftsprüfern und von all denjenigen, die Bilanzen zu prüfen haben, registriert werden. Wir machen gerade die Erfahrung, dass dieser Stresstest in den USA deshalb nichts mehr wert ist, weil es eine Einflussnahme der dortigen Zentralbank und des Finanzministeriums, des Treasury, gegeben hat. Daran können Sie sehen, wie ambivalent das sein kann und dass der Schuss nach hin- ten losgehen kann. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Thiele, bitte. Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr geehrter Herr Minister, als FDP teilen wir die Meinung, dass es Aufgabe des Staates ist, dafür zu sor- gen, dass die Realwirtschaft und die Bürger unseres Lan- des wieder Vertrauen in den Finanzplatz fassen. Deshalb haben auch wir dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz zugestimmt. Zu dem Punkt, um welche Papiere es geht, habe ich eine Nachfrage – Sie hatten gerade schon eine Teilant- wort gegeben –: Geht es dabei um die Nominalbeträge oder um die abgewerteten Beträge, die derzeit als Risiko in den Bilanzen der Banken vorhanden sind? Wie ver- teilt sich das auf Privatbanken und Landesbanken? Denn einen Großteil der Probleme haben die Landesbanken. Ich wäre dankbar, wenn Sie sagen könnten, wie sich das aus Ihrer Sicht heute in etwa verteilt. Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Ich kann Ihnen, Herr Thiele, aus dem Stand nicht be- antworten, wie sich die von mir genannten strukturierten Wertpapiere in Höhe von 180 Milliarden oder 190 Mil- liarden Euro auf private Geschäftsbanken und Landes- banken verteilen. Die Bundesregierung muss mit einem rechtsformneutralen Gesetz operieren. Das heißt, es steht allen Banken jedweder Art offen. Anders geht es gar nicht. Wer wie davon Gebrauch macht, ist im Augen- blick nicht absehbar. Ich halte dieses Handeln für not- wendig; ob es im Hinblick auf unser gemeinsames Ziel hinreichend ist, wird sich im Zeitablauf erweisen. Ich glaube, Ihre Frage dahin gehend beantworten zu können, dass viele Landesbanken insbesondere mit Blick auf die illiquiden Wertpapiere und nichtstrategischen Wertpa- piere ein massives Interesse daran haben, dass die jetzt vorgestellte Lösung durch das ergänzt wird, was wir ge- meinsam vorgeschlagen haben. Stichworte sind in die- sem Zusammenhang: AIDA, Konsolidierungsbank-Mo- dell, Kaba- oder Koba-Modell; mit der Bezeichnung „Kaba“ wird vielleicht eine falsche Assoziation ausge- löst. Das wird sich also herausstellen. Sie fragten dann noch, ob es um die nominalen Werte oder die abgeschriebenen Werte geht. Ich versuche, das an einem Beispiel wie folgt zu beschreiben: Eine Bank hat ein solches Wertpapier zu einem Wert von 100 in die Bilanz genommen. Inzwischen hat es einen Buchwert von im Durchschnitt 60. Das heißt, dass schon 40 Pro- zent abgeschrieben worden sind. Von diesen 60 müssen dann, wenn das Wertpapier auf die Zweckgesellschaft übertragen wird, 10 Prozent abgezogen werden. Dann beträgt der Buchwert, zu dem die Zweckgesellschaft das Papier übernehmen soll, 54. Jetzt stellen Wirtschafts- prüfer und Assetmanager fest, dass der Buchwert von 54 zu hoch und der Fundamentalwert 40 ist. Das heißt, dass in diesem Beispiel über die nächsten 20 Jahre ein Wert von 14 abgestottert werden muss. Nun wird nach der Laufzeit festgestellt, dass das Papier nur noch einen Wert von 30 hat. Dann muss noch einmal ein Betrag von 10 über ein Ausschüttungsverbot abgedeckt werden. Das ist der Mechanismus. Inwieweit diese Papiere werthaltig sind oder wie der Buchwert ist, verstehen Sie als Fachmann genauso gut wie ich; denn es gibt ganz unterschiedlich klassifizierte Wertpapiere. Wir machen teilweise die Erfahrung, dass selbst mit AAA bewertete strukturierte Papiere nicht mehr zum Buchwert von 100, also zum Einkaufspreis, in der Bilanz stehen, sondern nur zu 80 oder zu 70. Ande- rerseits sind mit BBB bewertete Papiere nur noch mit ei- nem Wert von 30 oder 20, einige sogar mit 0 – das sind richtige Schrottpapiere – aufgeführt. Die Frage, die vor- hin Herr Fromme stellte, war berechtigt. Es gibt viele Papiere, die ein durchaus gutes Rating haben, die aber trotzdem im Augenblick nicht handelbar sind. Wenn sich der Markt aber in nicht allzu weiter Ferne, also nicht in 15 oder 20 Jahren, sondern möglichst in 2, 3 oder 4 Jah- ren, stabilisiert – das hoffen wir –, dann erzielen diese Papiere wieder einen Preis und können gegebenenfalls veräußert werden. (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Und wenn der Wert 70 ist?) – Wenn der Wert 70 ist, fragt Herr Solms. Darf ich die Frage beantworten? Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Von mir aus schon, Herr Minister. Nur, wir haben die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit schon überschritten. Wenn Sie anschließend noch eine Frage beantworten, dann haben wir, glaube ich, das ganze Haus zufriedengestellt. Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Herr Solms trifft einen wichtigen Punkt: Wenn sie ei- nen Wert von 70 statt von 40 haben, dann haben die Ban- ken einen Gewinn gemacht; denn die öffentliche Hand übernimmt ja auch keinen Verlust. Das heißt, da kein Verlust übernommen wird, kann sie den Banken den Ge- winn dann auch nicht streitig machen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24165 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Als letztem Fragesteller erteile ich nun dem Kollegen Carsten Schneider das Wort. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Minister, Sie haben erstens die Problematik der Landesbanken angesprochen. Haben Sie den Eindruck, dass bei den Ministerpräsidenten ein hinreichendes Pro- blembewusstsein für die Situation der Landesbanken und in Bezug auf die Existenz der Bundesländer vorhan- den ist? Zweitens haben Sie die Alteigentümerhaftung bei den Landesbanken angesprochen. Betrifft dies dann auch die Sparkassen, die teilweise noch Alteigentümer bzw. Mit- aktionäre sind? Drittens hat der Bundesbankpräsident vorgeschlagen, die prozyklischen Bewertungsstandards unter anderem im Rahmen der IFRS zu entschärfen. Wie ist dies inter- national bei Ihren Kollegen im Hinblick darauf ange- kommen, den Bilanzdruck von den Banken zu nehmen? Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: Es gibt einige Länder – einige sind auch deshalb von Bedeutung, weil sie Standort der noch verbliebenen sie- ben selbstständigen Landesbanken sind –, die ausgespro- chen aufgeschlossen gegenüber der genannten Proble- matik sind. Nun muss man anerkennen, dass sich die Situation der Landesbanken durchaus unterscheidet. Man kann es ja beim Namen nennen: Die Helaba und die Nord/LB sind – jedenfalls aktuell – erkennbar in einer anderen Situation als manch andere Landesbank. Dem- entsprechend ist auch die Interessenlage der betroffenen Länder definiert. Trotzdem ist mein Eindruck, dass die Landesbanken und die dahinterstehenden Träger, also vornehmlich die Landesregierungen, interessiert sind, einige davon in be- sonderem Maße. Sie brauchen nur die gestrige Entschei- dung der EU-Kommission betreffend die WestLB vor Ihrem geistigen Auge ablaufen zu lassen; dann wissen Sie, wie hoch das Interesse an einer solchen Lösung ist. Das Gleiche gilt für einige andere. Insofern glaube ich nach den jüngsten Gesprächen, dass unser Vorgehen richtig ist. Ich mache allerdings keinen Hehl daraus, dass ich ein Höchstmaß an Eigenverantwortung insbesondere der Landesregierungen gegeben sehe. Das ist der Grund, wa- rum ich in den letzten zwei Jahren sehr zurückhaltend gewesen bin, die Landesbanken in der Bundesregierung oder im Bundestag zum Thema zu machen. Ebenso ma- che ich keinen Hehl daraus, dass bei mir eine gewisse Enttäuschung mitschwingt, in welch geringem Maße es den Beteiligten, insbesondere den Landesregierungen, bislang gelungen ist, das Problem der Landesbanken zu lösen. Sie haben in den letzten zwei Jahren weder eine horizontale noch eine vertikale Lösung, keine Stand- alone-Lösung, kein Privatinvestormodell und auch keine internationalen Lösungen hinbekommen. Keine dieser Lösungen ist bisher zustande gekommen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass das Problem sehr gezielt so eskaliert, dass es eines Tages dem Bund, also Ihnen auf parlamentarischer Ebene genauso wie mir in der Exeku- tive, auf die Füße fallen soll. Deshalb bin ich da sehr vorsichtig. Die Bilanzierungsstandards sind ein ständiges Thema im internationalen Bereich. Dazu wird der IASB – das ist der International Accounting Standards Board – ein- geladen, um festzustellen, ob es im Zusammenhang mit den amerikanischen Bilanzierungsregelungen inzwi- schen ein gleiches Wettbewerbsfeld gibt oder ob Nach- teile für europäische Banken bestehen. Insbesondere ist Gegenstand der Debatte des Baseler Ausschusses, ob die Bilanzierungsregeln in dem Sinne flexibilisiert werden müssen, dass ihnen das Risiko prozyklischer Wirkungen genommen wird. Darüber gehen die Meinungen etwas auseinander, insbesondere mit Blick auf die Handhabung von Basel II. Der Bundesbankpräsident hat darauf hinge- wiesen, dass die Anwendung von Basel II für deutsche Banken deutliche Vorteile gegenüber dem alten Basel-I- Regime hat. Dies ist also ein sehr komplexes Feld, das in der Tat nur in internationalen Bezügen debattiert werden kann, weil klar ist, dass börsennotierte, grenzüberschreitende Unternehmen nicht nach HGB bilanziert werden kön- nen, sondern zwingend nach internationalen Bilanzie- rungsregeln bilanziert werden müssen. Diese kann ich allein in der Zuständigkeit des Bundes nicht ändern; vielmehr bin ich auf internationale Abstimmungen ange- wiesen. Sie hatten eine weitere Frage. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Die Sparkassenhaftung!) – Die Sparkassen sind als Träger, als Anteilseigner selbstverständlich mitbeteiligt. Ich kann nur darauf hin- weisen: Jede Sparkasse muss ein Interesse daran haben und mit an diesem Strang ziehen; denn für den Fall, dass der entsprechenden Landesbank etwas passiert, werden die Sparkassen ihre Beteiligungen in ihren eigenen Bi- lanzen sämtlich abschreiben müssen. Damit würde ein Infektionskanal gelegt, den wir in jedem Fall verhindern müssen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir haben die für die Regierungsbefragung ursprüng- lich vorgesehene Zeit etwas überzogen. Ich schließe jetzt den Tagesordnungspunkt der Befragung der Bundesre- gierung. – Herr Bundesminister, ich danke Ihnen sehr herzlich für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde – Drucksache 16/12922 – Ich darf Sie darauf hinweisen, dass interfraktionell vereinbart wurde, die Zeit für die Fragestunde heute auf eine Stunde zu reduzieren. Die Frage 1 des Kollegen Christoph Waitz – sie be- zieht sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministe- riums der Justiz – wird schriftlich beantwortet. Entspre- chendes gilt für die Fragen 2 und 3 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann, die den Geschäftsbereich des 24166 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz betreffen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- riums der Verteidigung auf. Für die Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Inge Höger auf: Wie will die Bundesregierung angesichts von wiederhol- ten Warnungen durch Menschenrechtsorganisationen wie zum Beispiel Amnesty International vor Folter und anderen For- men der Misshandlung in afghanischen Gefängnissen sicher- stellen, dass der von Angehörigen des Kommandos Spezial- kräfte, KSK, am 7. Mai 2009 in Afghanistan festgenommene Abdul Rasek nach seiner Übergabe an die afghanische Staats- anwaltschaft und den afghanischen Geheimdienst entspre- chend rechtsstaatlichen Prinzipien behandelt wird? Herr Staatssekretär, bitte. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Verteidigung: Frau Kollegin, ich antworte auf Frage 4 wie folgt: Deutsche ISAF-Spezialkräfte führten in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 2009 zur Unterstützung der afghani- schen Sicherheitskräfte in der Provinz Badakschan, Dis- trikt Varduj, eine gemeinsame Operation gegen den mut- maßlichen Straftäter Abdul Rasek durch. Dabei gelang es den afghanischen Kräften, die Festnahme von Abdul Rasek durchzuführen, den sie anschließend mit deut- scher Unterstützung an die Schwerpunktstaatsanwalt- schaft des National Directorate of Security in Kabul, also an die afghanische Staatsanwaltschaft, überstellten. Eigenen Gewahrsam an Abdul Rasek haben deutsche Kräfte zu keinem Zeitpunkt begründet. Die Bundesre- gierung wird die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien sowie menschenrechtlicher Mindeststandards durch af- ghanische Behörden aufmerksam beobachten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? Inge Höger (DIE LINKE): Ja. – Wollen Sie tatsächlich genau überprüfen, ob über- stellte Gefangene nicht der Folter ausgesetzt sind? Es gibt Berichte von Amnesty International, die darauf hinwei- sen, dass mehrere Personen nach der Übergabe durch die ISAF gefoltert wurden oder verschwunden sind. Amnesty International fordert die ISAF daher auf, Übergaben an den afghanischen Geheimdienst einzustellen. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Verteidigung: Die Bundesregierung nimmt die von Ihnen in An- spruch genommenen Informationen von Amnesty Inter- national sehr ernst; diese Informationen sind schon 2007 artikuliert worden. Sie hat deshalb ausdrücklich die Ent- schlossenheit der afghanischen Regierung begrüßt, die Vorwürfe, mit denen die afghanische Regierung kon- frontiert worden ist, durch die zuständigen afghanischen Regierungsstellen umfänglich aufzuklären. Den souveränen Staat Afghanistan darin zu unterstüt- zen, selbst für den Schutz der Menschenrechte auf sei- nem Territorium zu sorgen, ist ein entscheidendes Motiv für den Einsatz der internationalen Gemeinschaft und für den deutschen Beitrag hierzu. Die Bundesregierung legt größten Wert auf die Einhaltung menschenrechtlicher Standards gegenüber durch deutsche ISAF-Kräfte fest- gesetzten Personen, auch nach Überstellungen an afgha- nische Institutionen. Ich darf darauf hinweisen, dass die Festsetzung in diesem konkreten Fall durch afghanische Kräfte erfolgt ist. Wenn es sich um durch deutsche Kräfte festgesetzte Personen handelte, würden wir im Einzelfall anstreben, uns die Einhaltung entsprechender Verhaltensweisen der afghanischen Seite erneut zusagen zu lassen. Angesichts der konkreten Vorwürfe im Zusammenhang mit der Ver- haftung von Abdul Rasek betone ich: Wir haben mehr- fach darauf hingewiesen, dass wir dies grundsätzlich für angemessen halten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte sehr. Inge Höger (DIE LINKE): Sie haben eben gesagt, der Talibanführer sei von af- ghanischen Streitkräften festgesetzt worden. Den Me- dien hatte ich bisher entnommen, dass er von KSK-Kräf- ten festgesetzt und dann übergeben wurde. Ich möchte genau wissen: War es ein KSK-Einsatz? Wenn ja, wie lautete der Auftrag? Lautete der Auftrag, diesen Taliban- führer bzw. andere Personen gezielt gefangen zu neh- men? Auf welcher rechtlichen Grundlage ist das Ganze abgelaufen? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Verteidigung: Die Grundlage ist das Mandat ISAF, das die Unter- stützung der afghanischen Kräfte vorsieht. Die Opera- tion mit Beteiligung deutscher Spezialkräfte war – ich habe das bereits ausgeführt – auf die Ergreifung dieses Straftäters ausgerichtet. Dass wir seitens der Bundeswehr und seitens unseres Landes ein großes Interesse an der Ergreifung und Ver- urteilung des Straftäters haben, ergibt sich schon daraus, dass ihm vorgeworfen wird, Anschläge auf Bundeswehr- einrichtungen in Afghanistan vorbereitet bzw. ausgeübt zu haben. Wir können auch für die Zukunft nicht aus- schließen, dass er so etwas machen würde. Daraus ergibt sich ein nachhaltiges Interesse daran, dass diese Figur aus dem Verkehr gezogen – gestatten Sie mir, diese sa- loppe Formulierung zu gebrauchen – (Beifall des Abg. Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]) und der gerechten Strafe zugeführt wird. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin Inge Höger. Erwägt die Bundesregierung angesichts knapper werden- der Haushaltsmittel dennoch, den Vertrag über die Beschaf- fung der dritten Tranche des insgesamt 22 Milliarden Euro teuren Eurofighters noch in diesem Jahr abzuschließen? Herr Staatssekretär. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24167 (A) (C) (B) (D) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Verteidigung: Frau Präsidentin! Ich bin dem Bundestag sehr dank- bar, dass er in der vorliegenden Drucksache einen offen- kundigen Schreibfehler korrigiert hat, der in meiner Vor- lage noch enthalten war. Gemäß dieser hätte die Frage der Kollegin nämlich gelautet, ob wir den Vertrag „ab- schießen“ wollen. Sie meinte natürlich „abschließen“. Ich gestehe zwar zu, dass das Fluggerät durchaus die Fä- higkeit zum Abschießen haben soll, bedanke mich aber trotzdem für die Korrektur. Wir haben unverändert die Absicht – dieser Bedarf ist operationell begründet und parlamentarisch auch gebil- ligt –, 180 Kampfflugzeuge des Typs Eurofighter und davon 68 in der von Ihnen genannten dritten Tranche zu beschaffen. Wir beabsichtigen auf Grundlage der am 22. September 1997 mit den Partnernationen Großbri- tannien, Spanien und Italien geschlossenen Regierungs- vereinbarung, die eine Verpflichtung zur Abnahme von insgesamt 620 Luftfahrzeugen des Typs Eurofighter be- inhaltet, von denen 180 Luftfahrzeuge auf Deutschland entfallen, noch Mitte 2009 in einem ersten Schritt die Teiltranche 3a mit 31 Luftfahrzeugen für die Luftwaffe zu beauftragen. Deswegen werden wir dem Verteidi- gungsausschuss und dem Haushaltsausschuss des Deut- schen Bundestages eine entsprechende Vorlage zuleiten lassen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte. Inge Höger (DIE LINKE): In der Süddeutschen Zeitung von gestern konnte man lesen, dass Großbritannien offenbar durchrechnen lässt, was es kosten würde, wenn man den Auftrag stornieren und die bestellte dritte Tranche nicht abnehmen würde. Gibt es im Verteidigungsministerium ähnliche Überle- gungen oder Überprüfungen, welche Folgen es für Deutschland hätte, wenn andere Partnerländer ausstie- gen, und ob Deutschland dann eventuell auch aussteigen sollte? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Verteidigung: Die Staatssekretäre der Bestellerländer haben sich vor einigen Wochen getroffen und haben über die Beauftra- gung grundsätzliche Einigung erzielt. Es gab einen Wunsch der britischen Seite, diese Frage noch einmal im eigenen Land zu besprechen. Wir gehen davon aus, dass jedes Land die Kosten-Nutzen-Rechnung vor dem Hin- tergrund finanzieller und materieller Fragen sowie auch im Sinne der Notwendigkeit von Fähigkeiten anstellt. Mir ist nicht bekannt, ob und, wenn ja, welche Berech- nungen die britische Seite vorgenommen hat. Unser Kenntnisstand ist, dass sich alle Länder grundsätzlich zu der vertraglichen Vereinbarung der Beauftragung der dritten Tranche, die die Teiltranchen 3a und 3b umfasst, bekennen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie noch eine weitere Nachfrage? Inge Höger (DIE LINKE): Die Planungen für den Eurofighter stammen ja aus den 80er-Jahren. Viele Experten sagen, dass er den heu- tigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Auch wenn andere Länder bereits daran denken, die dritte Tranche nicht mehr abzunehmen, wollen Sie diese offen- bar abnehmen. Welche konkreten militärischen Notwen- digkeiten sehen Sie denn dafür, zu den bereits bestellten 112 noch weitere 68 Eurofighter zu erwerben? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Verteidigung: Frau Kollegin, die Zahl von 180 Eurofightern ist gut begründet und übrigens auch eingebettet in die Reduzie- rung der Zahl an notwendigen Gerätschaften, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und im Zuge der sich daraus ergebenden Neuorientierung bzw. Transforma- tion der Streitkräfte erfolgte. Der Eurofighter ist ja nicht das einzige Kampfflug- zeug der Bundeswehr. Das Rückgrat bildet gegenwärtig das Flugzeug vom Typ Tornado. Insofern bleibt es bei den nicht aus den 80er-Jahren stammenden, sondern in der jüngeren Zeit angestellten Berechnungen. Ein Flug- zeug, das in den 80er-Jahren für die Aufgaben, die es da- mals zu erfüllen hatte, konstruiert worden ist, kann in seiner Ausführung, Ausstattung und Befähigung nicht mit einem Flugzeug identisch sein, wie es sich im Jahre 2009 darzustellen hat. Daraus ergibt sich, dass der kon- struktive Ansatz zwischen dem Ende der 80er-Jahre und heute sehr viele Modifikationen erfahren hat, sodass man dem Eurofighter so, wie er heute in die Luftwaffe eingeführt worden ist oder werden wird, die Befähigung zur Bewältigung der zu erwartenden Anforderungen und Aufgaben zubilligen kann. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beant- wortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes- ministeriums für Gesundheit. Die Frage 6 des Kollegen Frank Spieth wird schriftlich beantwortet. Gleiches gilt für die Frage 7 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl und die Frage 8 des Kollegen Hans-Josef Fell aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern werden die Frage 9 des Kollegen Frank Spieth, die Frage 10 der Kollegin Veronika Bellmann und die Frage 11 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch schriftlich beantwortet. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen wird die Frage 12 des Kollegen Hans- Christian Ströbele schriftlich beantwortet. Für die Beant- wortung der weiteren Fragen aus diesem Geschäftsbe- reich steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller zur Verfügung. 24168 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Ich rufe nun die Frage 13 des Kollegen Jürgen Koppelin auf: Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Entwurf des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 zu verabschieden, und wie hoch schätzt die Bundesregierung die Nettoneuver- schuldung im Bundeshaushalt 2010? Herr Staatssekretär, bitte. Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Koppelin, wie ich Ihnen bereits im Haushaltsausschuss in der letzten Woche mitgeteilt habe, wird sich das Kabinett am 24. Juni mit dem Regierungs- entwurf für 2010 befassen. Bezüglich Ihrer Frage nach dem Umfang der Netto- neuverschuldung müssen wir in Geduld abwarten, wel- che voraussichtlichen Mindereinnahmen die Steuer- schätzer heute und morgen in Bad Kreuznach ermitteln. Im Übrigen sind die Ressortverhandlungen noch nicht abgeschlossen, sodass ich Ihnen nicht sagen kann, wel- che möglichen Neuverschuldungen sich aus den Ressort- verhandlungen ergeben. Kurzum: Ich bitte um etwas Ge- duld. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie Nachfragen? – Herr Kollege, bitte. Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob, wenn das Kabi- nett den Entwurf für den Bundeshaushalt 2010 verab- schiedet hat, die Bundesregierung beabsichtigt, noch vor der Bundestagswahl in einer zusätzlichen Sitzung oder wie auch immer zumindest diesen Entwurf im Plenum diskutieren zu lassen. Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, der von mir genannte 24. Juni liegt nicht in einer Sitzungswoche. Aber die Woche darauf ist eine Sitzungswoche. Es steht selbstverständlich dem Deutschen Bundestag frei, sich dann mit dem Regie- rungsentwurf zu beschäftigen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte. Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Herr Staatssekretär, ist Ihnen aufgefallen, dass Sie meine Frage nicht beantwortet haben? Ich habe nämlich gefragt, ob die Bundesregierung beabsichtigt, den Haus- haltsentwurf dem Plenum nicht nur vorzulegen, sondern hier auch diskutieren zu lassen. Nach der Bundeshaus- haltsordnung ist vorgesehen, den Haushaltsentwurf je- weils in der ersten Sitzungswoche im September durch das Plenum diskutieren zu lassen. Aufgrund der Bundes- tagswahl haben wir in dem Monat bisher keine Sitzungs- woche vorgesehen. Auf Wunsch der Regierung könnte man das aber gerne machen. Auch meine Fraktion wäre natürlich gerne bereit, Anfang September diesen Ent- wurf zu diskutieren. Ich frage Sie noch einmal: Ist die Bundesregierung bereit, den Haushaltsentwurf zu disku- tieren? Wenn Sie sagen – ich komme auf Ihre Antwort zurück –, es lägen noch keine Zahlen vor, dann frage ich Sie: Können Sie mir erklären, wieso Minister Steinbrück, der ja Ihr Chef ist, jetzt landauf, landab er- klärt, wie hoch die Nettoneuverschuldung sein wird? Woher hat er diese Zahlen? (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Gute Frage!) Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Koppelin, das Parlament hat das Recht, zu beantragen, dass die Regierung zu bestimmten Punk- ten berichtet. Die Regierung wird dazu gerne an dem entsprechenden Mittwoch nach der Kabinettssitzung be- reit sein. Ansonsten kann der Minister nach der Kabi- nettssitzung im Parlament, so wie es heute (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Er beant- wortet meine Frage nicht!) bei dem Regierungsentwurf zum Thema Bad Banks der Fall war, zu dem Haushaltsplanentwurf für 2010 Fragen beantworten. Wenn das der Wunsch Ihrer Fraktion ist, werden wir dem gerne entsprechen. Der zweite Punkt ist Ihre Frage bezüglich der Zahlen. Es gibt Plausibilitätsannahmen, nach denen in dem Zeit- raum bis zum Ende der nächsten Finanzplanung – die gegenwärtige Finanzplanung geht bis 2012; die nächste Finanzplanung, die mit dem Regierungsentwurf für den Haushalt 2010 verbunden ist, geht bis 2013 – eine Neu- verschuldung in einer Größenordnung von roundabout 300 Milliarden Euro denkbar ist. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir kommen zur Frage 14 des Kollegen Jürgen Koppelin: Beabsichtigt der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, Öster- reich und Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina Faso, zu einer Steuerkonferenz nach Berlin einzuladen, wie er in Brüs- sel angekündigt hat (Spiegel Online vom 5. Mai 2009)? Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Koppelin, zu der Konferenz am 23. Juni 2009 sind die gleichen Staaten eingeladen worden, die auch zu dem vorangegangenen Treffen in Paris, zu dem der französische Haushaltsminister und Minister Peer Steinbrück gebeten hatten, eingeladen waren. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine Nachfrage? – Bitte. Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Ich bin erstaunt, dass Herr Staatssekretär Diller in sei- nen Antworten heute so kurz angebunden ist. Das ist sonst gar nicht seine Art. Deshalb muss ich nachfragen. Meine konkrete Frage bezog sich auf die Ankündigung von Minister Steinbrück in Brüssel, nach der zu dieser Konferenz Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24169 (A) (C) (B) (D) Dr. h. c. Jürgen Koppelin Österreich und Ouagadougou eingeladen werden sollten. Ouagadougou ist allerdings nur eine Hauptstadt. Jetzt frage ich Sie: Wer von denen wird eingeladen und wer nicht? Ich will gar nicht auf Ouagadougou eingehen, Herr Staatssekretär, sondern nur feststellen, dass Ihre Staatssekretärskollegin – der Kollege Schäffler hat mir die Information aus dem Finanzausschuss zur Verfügung gestellt – mitteilt, dass Liechtenstein nicht dabei sei. Das finde ich sehr spannend. Wie kommt also der Minister dazu, in Brüssel solche Ankündigungen zu machen, wenn er das anschließend nicht umsetzt? Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Koppelin, Minister Peer Steinbrück hat in Brüssel auf die Frage eines österreichischen Journalis- ten, nämlich ob in Berlin eine Closed-Shop-Veranstal- tung stattfinde, geantwortet, dass es um ein weltumspan- nendes Problem gehe und deshalb weltumspannend dazu eingeladen werde. Zutreffend ist, dass OECD-Staaten eingeladen werden. Das hat folgenden Grund: Es gibt einerseits seit 2002 das Musterabkommen für Aus- kunftsaustausch der OECD und andererseits seit 2005 das Muster für Doppelbesteuerungsabkommen, in dem Art. 26 den Informationsaustausch regelt. Mit diesen Musterabkommen wollte die OECD sich an Nicht- OECD-Staaten wenden nach dem Motto: Seid ihr bereit, mit uns OECD-Staaten solche Abkommen zu schlie- ßen? – Daraufhin haben die Nicht-OECD-Staaten gefor- dert, dass die OECD zunächst durchsetzen soll, dass die OECD-Staaten das umsetzen, was an Musterabkommen von der OECD entwickelt worden ist. Deswegen hat es diese Konferenz der OECD-Staaten in Paris gegeben. An dieser Konferenz haben Australien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Dänemark, Finnland, Irland, Island, Italien, Japan, Korea, Mexiko, die Niederlande, Norwegen, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich teilgenommen. Österreich und Luxemburg waren eingeladen, sind aber nicht gekommen. Sie sind auch diesmal wieder eingeladen, und es bleibt abzuwar- ten, ob sie kommen werden. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wollen Sie eine weitere Nachfrage stellen? Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Ja, gerne. Ich habe es heute wirklich schwer mit dem Herrn Staatssekretär, zumal ich speziell nach Liechten- stein gefragt hatte. Es war ja angekündigt worden, dass es eingeladen wird. Also versuche ich, die Frage einmal anders zu stellen, Herr Staatssekretär, um von Ihnen eine konkrete Antwort zu bekommen: Ist meine Information richtig, dass es sich Bundesminister Steinbrück, nach- dem er diese Erklärungen in Brüssel abgegeben hat, überlegt, sich beruflich zu verändern und nach der Bun- destagswahl deutscher Botschafter in der Schweiz zu werden? Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Koppelin, Sie haben schon launigere Bemerkungen gemacht. (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein?) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine Nachfrage zu diesem Themenkomplex hat noch der Kollege Frank Schäffler. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Er sagt uns jetzt, wie die Hauptstadt von Malawi heißt!) Frank Schäffler (FDP): Herr Staatssekretär, die Äußerung des Finanzminis- ters hat im Ausland zu Recht zu einer großen Empörung geführt. Erste Frage: Beabsichtigt der Finanzminister, sich bei diesen Ländern wegen seiner Äußerung zu ent- schuldigen? (Rainer Brüderle [FDP]: Schriftlich!) Zweite Frage: Wie ist der Widerspruch zwischen der Aussage der Finanzstaatssekretärin, die sie im Finanz- ausschuss gemacht hat, und der öffentlichen Äußerung des Finanzministers zu erklären? Wer hat jetzt recht: der Finanzminister oder seine Staatssekretärin? Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Was hat die Kollegin im Finanzausschuss gesagt? Frank Schäffler (FDP): Die Kollegin Kressl hat im Finanzausschuss gesagt, dass Liechtenstein nicht Mitglied der OECD und deshalb nicht eingeladen worden sei. Sinngemäß hat sie weiter gesagt, dass Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina Faso, ebenfalls nicht eingeladen sei. Das ist aber ein Wi- derspruch zu der Aussage des Finanzministers, die er öf- fentlich gemacht hat und die er nicht zurückgenommen hat. Das hat letztendlich zu der großen Empörung in der Schweiz, in Luxemburg, in Liechtenstein, in Österreich und natürlich in Ouagadougou geführt. Meine Frage lau- tet daher: Wird der Bundesfinanzminister seine Aussage korrigieren oder seiner Finanzstaatssekretärin widerspre- chen und damit seine Aussage aufrechterhalten? Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Zunächst einmal will ich sagen: Belgien, Luxemburg, die Schweiz und Österreich waren für die Konferenz in Paris ausdrücklich eingeladen. Aber nur Belgien ist ge- kommen und hat sich die dortigen Beschlüsse zu eigen gemacht. Zweiter Punkt. Österreich, die Schweiz und Luxem- burg haben mittlerweile signalisiert, dass auch sie bereit sind, über die OECD-Musterabkommen mit uns zu ver- handeln. Insofern gibt es ein Einlenken in der Sache, was im Vorfeld der Pariser Konferenz noch nicht der Fall war. Dritter Punkt. Richtig ist, dass sowohl Burkina Faso als auch Liechtenstein keine OECD-Staaten sind. Im Übrigen ist Burkina Faso überhaupt keine Steueroase. 24170 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Parl. Staatssekretär Karl Diller Man hat mir gesagt, dass die Übersetzung von Burkina Faso „Land der ehrbaren Menschen“ lautet. Herr Kol- lege, dieses Land ist also überhaupt kein negatives Bei- spiel in dieser Aufzählung. Deswegen kann sich auch niemand aufgrund dieser Erwähnung auf den Fuß getre- ten fühlen. Nicht zutreffend ist allerdings, dass es sich bei diesen beiden Staaten um OECD-Staaten handelt. Daher sind sie – diese Feststellung ist richtig – nicht ein- geladen worden. Die Hauptsache ist, es kommt Bewegung in die Sa- che. Man kann schon sehen: In die Sache kommt tat- sächlich Bewegung. Das müsste Sie doch freuen. Im Übrigen darf ich noch darauf hinweisen, dass ein Ge- spräch zwischen dem Abteilungsleiter Steuern und dem Botschafter von Burkina Faso zur allseitigen Zufrieden- heit stattgefunden hat. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Frage 15 der Kollegin Cornelia Pieper wird schriftlich beantwortet. Damit rufe ich die Frage 16 der Kollegin Sabine Zimmermann auf: Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Arbeitszeitver- längerung eine richtige Antwort auf die Auftragsrückgänge in der Krise ist, und wie haben sich die Vertreter der Bundes- regierung im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG bisher ge- genüber den Ankündigungen des Chefs der Deutschen Post AG, Dr. Frank Appel, verhalten, mit der Gewerkschaft über längere Arbeitszeiten und eine Verschiebung der für De- zember 2009 geplanten Gehaltserhöhung von 3 Prozent ver- handeln zu wollen? Herr Staatssekretär, bitte. Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Zimmermann, die Reaktion der einzel- nen Unternehmen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise liegt in der Verantwortung der jeweiligen Geschäftsfüh- rungen. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die von den Unternehmensgeschäftsführungen getroffenen Einzelmaßnahmen zu kommentieren. Der Vorstand der Deutschen Post AG hat in seinen Presseverlautbarungen dargelegt, dass er auf die im Er- gebnis des ersten Quartals 2009 sichtbar gewordenen Er- tragsrückgänge mit Vorschlägen zu Kosteneinsparungen reagieren muss. Maßnahmen des Vorstandes der Deut- schen Post AG zur Kostensenkung im Unternehmensbe- reich Brief gehören zum operativen Geschäft der Deut- schen Post AG und fallen in die alleinige Zuständigkeit des Vorstandes der Deutschen Post AG. Eine Einfluss- nahme des Aufsichtsrates und von Aktionären auf das operative Geschäft ist nach deutschem Aktienrecht nicht zulässig; ich unterstreiche: nicht zulässig. Änderungen am Tarifvertrag, wie sie von Herrn Dr. Appel angekündigt wurden, fallen in die alleinige Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien. Eine Einfluss- nahme der Bundesregierung auf eine der Parteien würde dem Neutralitätsprinzip der Politik bei Tarifverhandlun- gen widersprechen; das gilt auch, wenn sie über den Aufsichtsrat erfolgt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Danke schön für die Beantwortung der Frage. Ich habe eine Nachfrage: Teilt die Bundesregierung die Auf- fassung von Postchef Appel, dass die Krise für einen Angriff auf gewerkschaftliche Errungenschaften genutzt werden kann? Ich zitiere aus der Financial Times vom letzten Donnerstag: „Wenn die Konjunkturerholung schnell kommt, verlieren wir all unsere Argumente“, sagt Appel of- fen. Er will die Krise nutzen, um Verdis Macht zu brechen. Wie verhalten sich die Bundesregierung und ihre Ver- treter im Aufsichtsrat dazu? Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, ich weiß nicht, wie Sie diesem Zitat entnehmen können, von wem die Auskunft stammt, ob das die Meinung des Herrn Dr. Appel oder Interpretation der Zeitung ist. Ich jedenfalls glaube nicht, dass der Chef der Post AG einen Angriff auf Gewerkschaften plant. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine weitere Nachfrage? Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Der Text steht in Anführungsstrichen, dann muss es ein wörtliches Zitat von ihm sein. Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Dann müssten Sie ihn fragen. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Ich wollte noch einmal nachsetzen. Meine zweite Nachfrage: Ist der Bundesregierung be- kannt, dass der jüngste Gewinnrückgang im Briefge- schäft der Deutschen Post zu großen Teilen auf Verlusten bei den Aktivitäten in den USA beruht? Welche Schluss- folgerungen ziehen Sie daraus? Immerhin ist der Bund der größte Einzelaktionär. Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Mir ist bekannt, dass es einen Umsatzrückgang von 4,5 Prozent und einen noch viel heftigeren Rückgang be- zogen auf das EBIT gibt. Dem hat sich der Vorstand zu stellen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Damit kommen wir zur Frage 17 der Kollegin Sabine Zimmermann: Wie viele Millionen Euro hat die Deutsche Post AG in diesem Jahr an ihre Aktionäre als Dividende ausgeschüttet – bitte Betrag insgesamt nennen, nicht pro Aktie –, und wie steht die Bundesregierung als größter Einzelaktionär der Deutschen Post AG dazu, dass der Vorstand zugleich Einspa- rungen bei den Beschäftigten des Unternehmens fordert? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24171 (A) (C) (B) (D) Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Hauptversammlung der Deutschen Post AG hat am 21. April 2009 beschlossen, an die Aktionäre der Deutschen Post AG eine Dividende in Höhe von 60 Cent je dividendenberechtigter Stückaktie auszuschütten. Der Gesamtbetrag der Dividendenausschüttung an alle Aktionäre belief sich damit auf 725 409 524,40 Euro. Die Dividende für das Geschäftsjahr 2008 fiel somit um rund ein Drittel geringer aus als die Dividende für das Geschäftsjahr 2007. Die Festlegung der Dividendenhöhe erfolgt in dem nach Aktienrecht vorgesehenen Gre- mium: Das ist die Hauptversammlung. Eine Einfluss- nahme der Bundesregierung auf die Festlegung der Divi- dendenhöhe hat nicht stattgefunden. Abschließend möchte ich sagen, dass aus Sicht der Bundesregierung die Reduzierung der Dividende durchaus nachvollzieh- bar und eine angemessene Reaktion auf das rückläufige Ergebnis ist. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Nachfrage? Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Ja, ich habe eine Nachfrage. – Werden sich die Vertre- ter des Bundes im Aufsichtsrat der Deutschen Post dafür einsetzen, dass zumindest in wirtschaftlich schwierigen Zeiten keine Dividende ausgeschüttet wird? Schließlich müssen die Beschäftigten mit einer Geldeinbuße und ei- ner Arbeitszeitverlängerung rechnen. Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, ich habe Ihnen gerade erklärt, dass die Festsetzung der Dividende und die Diskussion über die Dividendenhöhe Sache der Hauptversammlung sind. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine weitere Nachfrage? Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Meine Frage ist, ob Sie sich dafür einsetzen werden. Den Vorschlag können Sie ja unterbreiten. Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Es ist zunächst einmal Sache des Unternehmensvor- stands, einen Vorschlag zu unterbreiten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. – Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Beantwor- tung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes- ministeriums für Wirtschaft und Technologie. Für die Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte zur Verfügung. Die Frage 18 des Kollegen Hans-Joachim Otto und die Frage 19 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet. Damit rufe ich die Frage 20 des Kollegen Michael Hartmann auf: Warum wird der Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers, PwC, der (vergleiche Spiegel Online vom 23. April 2009: „PwC-Mitarbeiter in Ministerium empört Lobbywächter“) seit Anfang 2009 als externer Mitarbeiter im Referat V C 2 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie – Exportfinanzierung, Exportkreditversicherung – beschäftigt ist, aus dem sein Arbeitgeber Aufträge bekommt, trotz seines Arbeitsplatzes im Bundesministerium nicht im Zweiten Be- richt des Bundesministeriums des Innern über den Einsatz ex- terner Personen in der Bundesverwaltung aufgeführt? Herr Staatssekretär, bitte. Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Der im Spiegel-Online-Bericht erwähnte Mitarbeiter von PwC ist kein externer Mitarbeiter in der Bundesver- waltung. Er ist im Rahmen eines Mandatarvertrages mit PwC und der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, de- nen die Bundesregierung die Geschäftsführung für die Außenwirtschaftsförderinstrumente, Exportkreditgaran- tien, Investitionsgarantien und Garantien für ungebun- dene Finanzkredite übertragen hat, im BMWi tätig. Euler Hermes und PwC handeln im Rahmen der im Mandatarvertrag festgelegten Aufgaben und Befugnisse ausschließlich weisungsgebunden. Um es deutlich zu machen: Die Bundesregierung hat PwC und Euler Hermes beauftragt, für sie konkret bestimmte Vorgänge zu bearbeiten und zu erarbeiten. Für Einsätze von Mitarbeitern in der Mandatargesell- schaft ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Be- schäftigten (externen Personen) in der Bundesverwal- tung vom 17. Juli 2008 nicht einschlägig. Der Einsatz von externen Personen, die in einem entgeltlichen Auf- tragsverhältnis mit der Bundesverwaltung stehen, wel- ches Beratungs- oder sonstige Dienstleistungen zum Gegenstand hat, liegt ausdrücklich nicht im Anwen- dungsbereich der Verwaltungsvorschrift. Frau Präsidentin, ich würde gerne Frage 21 gleich mitbeantworten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Dann rufe ich Frage 21 des Kollegen Hartmann auf: Von wem wird der PwC-Mitarbeiter während seiner Tätig- keit im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie bezahlt, und wie erfolgte die Vergabe dieses Arbeitsplatzes an PwC? Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Entsprechend dem, was ich ausgeführt habe, ist lo- gisch, dass während der Tätigkeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die im Rahmen des Man- datarvertrages tätige Person weiterhin von PwC bezahlt wird. PwC bekommt von uns einen Auftrag mit einer Pauschalvergütung. In der Ausführung dieses Auftrags 24172 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerte schickt das Unternehmen einen oder zwei Mitarbeiter in das Wirtschaftsministerium, um die notwendigen kurzen Wege und Kontakte sicherzustellen, damit PwC den Auftrag nach unseren Weisungen erfüllen kann. Der hier vorliegende Fall ist also völlig anders als der seit 2006 problematisierte Einsatz von Personen aus Ver- bänden oder sonstigen Institutionen, die bei uns im Ministerium oder in anderen Ministerien arbeiteten und durchaus in den Verdacht der Lobbytätigkeit geraten konnten. Das ist hier eindeutig nicht der Fall. Hier geht es um die Erledigung eines von uns erteilten klar defi- nierten Auftrags. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? – Bitte. Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Vielen Dank für diese Klarstellung. Erlauben Sie mir zunächst eine Nachfrage. Sind Sie mit mir der Meinung, dass die Richtlinien der Bundesregierung für die Be- schäftigung Externer insoweit nicht ausreichend sind, als beispielsweise eine solche beauftragte Beratertätigkeit dort nicht erfasst ist? Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Nein, Herr Kollege, ich bin entschieden anderer Mei- nung. Die Entscheidung für diese Ausnahme, für die Nichterfassung dieser Art von Beschäftigung, ist seiner- zeit aus gutem Grund getroffen worden. Es muss uns als Auftraggeber möglich sein, Beauftragten zu sagen: Erle- digt einen Teil der beauftragten Arbeit bei uns. Es ist im Beratungsgeschäft bei einem konkreten Beratungsauf- trag ganz normal, dass der Mitarbeiter des Unterneh- mens durch den Auftraggeber begleitet und beraten wird. Insoweit ist das hier – es geht ja um eine Beauftra- gung über einen längeren Zeitraum – einfach nur prak- tisch und hat mit Lobbyarbeit nichts zu tun. Euler Hermes und PwC haben das zu erledigen, was die Bundesregierung – sprich: der Bundeswirtschafts- minister – beauftragt hat. Zu diesem Zweck können wir uns Mitarbeiter aus einem solchen Beauftragtenverhält- nis ins Haus holen. Das ist aus guten Gründen unter dem Gesichtspunkt „Beschäftigung Externer“ nicht erfasst. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine weitere Nachfrage? Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Ja, gerne, Frau Präsidentin. – Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass es so etwas geben muss und soll und dass es für die erfolgreiche Aufgabenerledigung Ihres Hauses hilfreich ist. Aber wäre es, gerade weil es eben nicht an- rüchig ist, im Sinne einer allgemeinen Transparenz nicht von Vorteil, auch dem Parlament mitzuteilen, wenn sol- che Verträge geschlossen werden und dadurch Mitarbei- ter externer Firmen ihren Schreibtisch über eine gewisse Zeit im Ministerium haben und damit Informationen aus den Ministerien erhalten und auch informelle Erfahrun- gen machen können? Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Bei einer absoluten Überempfindlichkeit kann man eine so weitgehende Regelung treffen. Aber ich denke, dass es hier um einen Kernbereich von Regierungshan- deln geht. Die von uns getroffenen Regelungen darüber, was externe Mitarbeiter sind, sind sauber, transparent und klar. Unterhalb dieser Linie muss man nicht mehr wer weiß welche Angaben machen. Auch die Regierung sollte vom Parlament nicht gezwungen werden, zusätzli- che Angaben zu machen. Das gehört zum schlichten Re- gierungshandeln. Dadurch, dass es aufgebauscht wurde und zunächst der Verdacht – er hat sich als falsch erwiesen – aufkam, dass es eine nicht gemeldete externe Tätigkeit im Sinne der Vorschriften sein könnte, ist hier eine gewisse Aufre- gung entstanden. Aber das lässt sich alles aufklären. Eine Erweiterung der Berichtspflicht halte ich deswegen für nicht sinnvoll. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir kommen zur Frage 21. Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Die Frage 21, Frau Präsidentin, hatte ich schon beant- wortet: Der Mitarbeiter wird ganz klar von PwC bezahlt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ich will nur dem Kollegen Hartmann die Möglichkeit geben, seine berechtigten Zusatzfragen zu stellen. – Herr Kollege, bitte sehr. Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Vielen Dank für die Freundlichkeit, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, ich möchte diese Gelegenheit nutzen und nachfragen, warum es beispielsweise in diesem kon- kreten Falle nicht möglich war, die Aufgabe, die extern vergeben wurde, im Haus erledigen zu lassen. Fehlt dem Ministerium dafür der Sachverstand? Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Nein, das hat ganz einfach einen praktischen Grund. Wenn Sie ein Beratungsunternehmen über eine längere Zeit mit einer Vielzahl von Einzelfällen – hier geht es um die Hermesbürgschaften – weisungsgebunden beauf- tragen, dann ist es einfach praktisch, wenn ein Mitarbei- ter dieses Unternehmens eine Brückenfunktion zwischen den beiden Häusern, dem Auftraggeber und dem Auf- tragnehmer, übernimmt und bei uns im Hause sitzt. Es könnte auch einer unserer Beamten bei Euler Hermes sit- zen. Das ist völlig problemlos so entschieden und er- leichtert die Kommunikation bei uns im Haus. Ein Beispiel sind permanente Anfragen aus dem poli- tischen Bereich. Wie sieht das aus? Sie wissen, dass gerade die Vergabe von Hermesbürgschaften hin und wieder kritisch gesehen wird. Heute Morgen im Wirt- schaftsausschuss haben wir über dieses Problem gespro- chen. Es ist eine Erleichterung, wenn man einen kompe- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24173 (A) (C) (B) (D) Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerte tenten Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens im Haus hat, dem man die Frage zur schnellen Beantwor- tung vorlegen kann. Das ist eine reine Frage der Prakti- kabilität. Ich sehe hier keine Vermischung von Zustän- digkeiten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine weitere Frage? Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Gerne. – Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Staats- sekretär, dass die Forderung nach Transparenz keines- wegs einer Überempfindlichkeit geschuldet ist, sondern ein hohes Maß an Transparenz das Vertrauen in die Neu- tralität staatlichen Handelns befördern kann? Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Darin bin ich mit Ihnen völlig einig. Deswegen haben wir diese Richtlinien sehr transparent gestaltet. Aber es kann Grenzen geben. Man kann es auch mit der Transpa- renz, so wertvoll sie ihrem Wesen nach ist, übertreiben. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Fragen 22 und 23 der Kollegin Bärbel Höhn und die Frage 24 des Kollegen Hans-Josef Fell werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung. Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ar- beit und Soziales werden die Fragen 25 und 26 der Kol- legin Dr. Martina Bunge ebenso wie die Fragen 27 und 28 des Kollegen Dr. Ilja Seifert schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun- desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Für die Beantwortung der Fragen steht die Parlamentari- sche Staatssekretärin Karin Roth zur Verfügung. Die Frage 29 der Kollegin Veronika Bellmann und die Fragen 30 und 31 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter wer- den schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 32 der Kollegin Cornelia Behm auf: Welchen weiteren Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen an der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und der Oder wurde seitens der Bundesregierung neben Unterhal- tungsbaggerungen der Klützer Querfahrt und einer Initialbag- gerung im auf polnischem Territorium befindlichen Damm- schen See für die Einigung mit der polnischen Seite zugestimmt? Frau Staatssekretärin, bitte sehr. Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Kollegin Behm, in Ergänzung meiner Antwort auf eine Frage, die Sie beim letzten Mal gestellt haben, möchte ich Sie heute weiter informieren. Das zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der polnischen Landesverwaltung für Wasserwirtschaft abgestimmte Eckpunktepapier, das noch der völkerrechtlichen Umset- zung bedarf, beinhaltet Folgendes – jetzt folgen viele Details; danach haben Sie allerdings gefragt –: Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasser- straße für die Fahrt von Küstenmotorschiffen zwischen dem Hafen Schwedt und der Ostsee über die Trasse Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße–Westoder– Klützer Querfahrt–Reglitz–Parnitz–Möllnfahrt–Fahrwas- ser Stettin/Swinemünde; Maßnahmen in der Klützer Querfahrt, das heißt Baggerungen, gegebenenfalls auch die Beseitigung von Uferschwachstellen und gegebenen- falls die Errichtung von Wartestellen sowie gegebenen- falls Ufersicherungen in der Westoder; Unterhaltungs- maßnahmen, das heißt die Beseitigung punktuell vorhandener unzureichender Tiefen zur Sicherung des Eisaufbruchs, der Eisabfuhr und der Schifffahrt an der Grenzoder und Baggerungen im Dammschen See zur Si- cherung des Eisaufbruchs und der Eisabfuhr; Unterhal- tungsmaßnahmen auf der deutschen Seite sind Reitwein und Hohenwutzen, auf der polnischen Seite Słubice, Kostrzyn, Gozdowice und Rudnica. – Ich hoffe, dass ich die Namen richtig ausgesprochen habe. Ich bin des Pol- nischen nämlich nicht mächtig. Neben der völkerrechtlichen Umsetzung des Eck- punktepapiers müssen für die Ausführung der einzelnen Maßnahmen die Zulassungsverfahren entsprechend den nationalen Vorschriften und zwischenstaatlichen Ab- kommen durchgeführt werden. Die Maßnahmen, die ich gerade genannt habe, sind geplant und im Rahmen des Eckpunktepapiers festgelegt. Allerdings finden dazu noch Verhandlungen statt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, Ihre Nachfragen, bitte. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, vor allen Dingen, weil Sie so große Mühe mit den polnischen Namen hat- ten. Ich glaube, fast allen von uns geht es so. Ich würde gerne wissen, ob im Zusammenhang mit der Eisabfuhr auch alternative Maßnahmen geprüft wor- den sind, um das Eis auf einem ökologischen Weg ab- führen zu können, zum Beispiel eine Verbreiterung der Oder. Diese hätte zur Folge, dass kein Ausbau der Ho- hensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße nötig gewesen wäre. Sind solche alternativen Maßnahmen geprüft wor- den? Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich gehe davon aus, dass die Maßnahmen sowohl von deutscher als auch von polnischer Seite geprüft worden sind, bevor dieses Eckpunktepapier erstellt worden ist. Natürlich wird man die Maßnahmen im weiteren Verlauf des Verfahrens beurteilen, und zum Teil finden auch Planfeststellungsverfahren statt. Wie gesagt, gehe ich al- lerdings davon aus, dass beide Seiten, bevor sie das Eck- punktepapier verabredet haben, geprüft haben, welche Maßnahmen notwendig sind. Wie Sie gehört haben, be- darf es an einigen Stellen gegebenenfalls noch weiterer Untersuchungen. 24174 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine weitere Nachfrage? Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bitte. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Sie haben die Unterhaltungsbaggerun- gen an der Klützer Querfahrt und die Initialbaggerungen im auf polnischem Territorium befindlichen Dammschen See angesprochen. Da dies im Zusammenhang mit der Eisabführung zu sehen ist, frage ich Sie: Können Sie die Kosten dafür beziffern? Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Da Sie im Hinblick auf die Kosten eine weitere Frage gestellt haben, würde ich Ihnen in diesem Zusammen- hang gerne meine Antwort auf Ihre Frage 33 vortragen. Dann könnte ich Ihnen auch im Detail über die Vertei- lung der Kosten berichten. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Dann rufe ich auch die Frage 33 der Kollegin Behm auf: Welche finanziellen Vereinbarungen zu den Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen an der Hohensaaten-Friedrichstha- ler Wasserstraße und der Oder wurden getroffen, und wie wer- den die finanziellen Lasten für die einzelnen Maßnahmen ver- teilt? Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Hinsichtlich der Kostenregelungen findet zurzeit eine Abschätzung statt. Der Ausbau der Hohensaaten-Fried- richsthaler Wasserstraße wird von der deutschen Seite finanziert. Was die Maßnahmen in der Klützer Querfahrt angeht, ist die Kostenbeteiligung der deutschen Seite mit rund 5 Millionen Euro angesetzt. Bei den Ufersicherun- gen in der Westoder beträgt die deutsche Beteiligung 0,5 Millionen Euro. Bei den Unterhaltungsmaßnahmen an der Grenzoder finanziert jede Seite die Maßnahmen auf dem eigenen Territorium selbst. Im Hinblick auf die Bag- gerungen im Dammschen See beteiligt sich der Bund zu 50 Prozent, höchstens allerdings mit 12 Millionen Euro, an den Kosten. Das sind die Kosten, die in den einzelnen Bereichen anfallen. Sie sehen, es gibt auch Kostenteilun- gen, weil wir von deutscher Seite ein Interesse daran ha- ben, dass diese Maßnahmen erledigt werden. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie dazu noch Nachfragen? Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, vor allen Dingen dafür, dass Sie das so aufgeschlüsselt haben. Jetzt noch eine Frage – auf die Gefahr hin, dass Sie sie nicht sofort beantworten können –: Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Hohensaaten- Friedrichsthaler Wasserstraße sind auf deutschem und auf polnischem Gebiet Brückenbaumaßnahmen erfor- derlich. Die Kosten dafür haben Sie jetzt nicht benannt. Sind diese Kosten schon enthalten? Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Kollegin Behm, ich werde prüfen, ob das ein Teil der Wasserstraßenfrage ist und ob zwi- schen Polen und Deutschland unstrittig ist, dass die Brü- cken auf seinem Gebiet jeder selbst finanziert; ich gehe davon aus, dass das so ist. Ich werde Ihnen das zukom- men lassen. Die Brücken sind nicht Teil dieses Eckpunktepapiers. Für den Ausbau dieser Wasserstraße braucht man entwe- der einen Staatsvertrag oder ein Regierungsübereinkom- men. Bei den Brücken ist das eher nicht so. Für die Brü- cken gibt es wahrscheinlich unabhängig von einem Staatsvertrag eine zusätzliche Verabredung; denn sie be- finden sich ja auf deutscher bzw. auf polnischer Seite. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Noch eine Nachfrage? Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne. – Beabsichtigt die Bundesregierung im Zu- sammenhang mit dem Ausbau der Hohensaaten-Fried- richsthaler Wasserstraße, auf die Erhebung von Kanalge- bühren zu verzichten? Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Da das keine Maßnahme nur vonseiten des Bundes ist, muss das mit der polnischen Seite geklärt werden. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine Nachfrage hat die Kollegin Dr. Dückert. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä- rin, ich habe nur eine kurze Frage. Sie haben eben er- wähnt, dass bei der Überprüfung der alternativen Mög- lichkeiten für eine Eisabfuhr vermutlich gutachterliche Stellungnahmen eingeholt worden sind und Überprüfun- gen stattgefunden haben. Ich würde Sie bitten, uns die Ergebnisse dieser Gutachten zur Verfügung zu stellen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24175 (A) (C) (B) (D) Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Es ist üblicherweise so: Wenn wir eine Bundeswas- serstraße ausbauen oder verändern, brauchen wir die Ex- pertise unserer eigenen Behörden oder aber von anderer Seite. Wenn die polnische Seite damit einverstanden ist – das ist ja ein gemeinsames Projekt von deutscher und polnischer Seite –, dass wir die Expertisen vorlegen, dann werden wir das tun. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir kommen zur Frage 34 der Kollegin Gitta Connemann: Wann wird die Vorlage des Gutachtens der Bundesanstalt für Wasserbau über die Schlickverminderung im Rahmen des Aktionsprogramms Ems durch die Bundesregierung/das Bun- desministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erfol- gen? Frau Staatssekretärin. Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Connemann, es gibt schon ein erstes Zwischenergebnis. Wir haben im März 2009 vonseiten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest eine erste Studie der Bundesanstalt für Wasserbau vorgelegt bekommen, die zeigt, dass eine Sohlschwelle im Bereich des Emssperr- werkes grundsätzlich technisch machbar ist und eine Re- duzierung des stromaufwärts gerichteten Schwebstoff- transportes bewirken kann. Es ist offensichtlich eine technische Lösung gefunden worden, die den Schlick- eintrag vermindert. Um das wirklich beurteilen zu kön- nen, brauchen wir allerdings weitere Untersuchungen. Deshalb haben wir die Wasser- und Schifffahrtsdirektion aufgefordert, diese einzuleiten. Wir sind aber noch nicht so weit, dass wir beurteilen können, ob das das Richtige ist. Wir müssen das noch weiter prüfen und dann natür- lich auch die Kosten-Nutzen-Frage stellen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, Ihre Nachfrage bitte. Gitta Connemann (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä- rin, Sie haben gesagt, die Wasser- und Schifffahrtsdirek- tion Nordwest ist beauftragt worden, weitere Daten zu erheben. Vor dem Hintergrund des Drucks, der in den Häfen vor Orten wie Leer, Weener, Jemgum oder Papen- burg gegeben ist, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Verschlickung ein immer größeres Problem wird, weil sie dazu führt, dass Schiffe nicht mehr ausfah- ren können, frage ich Sie explizit: Wie ist der zeitliche Rahmen dafür bemessen? Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Connemann, wir wollen die Untersuchung natürlich so schnell wie mög- lich voranbringen. Sie haben gesehen, dass wir schon ein Zwischenergebnis haben, was positiv zu werten ist. Wir brauchen aber die weiteren Untersuchungen und die Kosten-Nutzen-Analyse. Insofern brauchen wir Zeit. Sie sehen, dass wir mit Hochdruck arbeiten. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, dass wir bis zum Ende des Jahres fertig sein werden; das wäre nicht angemessen. Wir arbeiten aber mit Hochdruck an diesen Untersuchungen, weil wir das Thema genauso einschätzen wie Sie. Gitta Connemann (CDU/CSU): Vielen Dank. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine weitere Frage zu diesem Thema? Gitta Connemann (CDU/CSU): Ja, vielen Dank. – Ich weiß, dass das Verkehrsminis- terium sehr bemüht ist und die dortige Wasserschiff- fahrtsdirektion alles möglich zu machen versucht. Aus- schlaggebend ist aber das Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau. In diesem Rahmen habe ich eine Nach- frage: Werden zeitliche Vorgaben gesetzt? Jetzt neue Un- tersuchungen in Auftrag zu geben und abzuwarten, bis etwas Neues vorliegt, ist vor dem Hintergrund der Tatsa- che, dass die Erstellung dieses Gutachtens mehrere Jahre in Anspruch genommen hat, und vor dem Hintergrund der aktuellen Situation vor Ort wenig befriedigend. Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- nister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Connemann, ich kann verstehen, dass Sie alles so schnell wie möglich ha- ben möchten. Es geht hier aber um Gründlichkeit und Fi- nanzierbarkeit im Sinne der Steuerzahler. Wir müssen uns klar darüber sein, was zu machen ist. Daher brau- chen wir einfach Zeit. Wir haben kein Interesse an Ver- zögerungen. Wir haben auch kein Interesse an langfristi- gen Planungen oder Untersuchungen. Wir haben aber ein Interesse daran, vor einer möglichen Investition zu wis- sen, ob es wirkt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir kommen zur Frage 35 der Kollegin Gitta Connemann zum gleichen Themenkomplex: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der am 9. Februar 2009 im Rahmen einer Informationsveranstal- tung für Fischer in Greetsiel vorgestellten Pläne der niederlän- dischen Behörden über Art und Umfang der geplanten Bagge- rungs- und Verklappungsmaßnahmen in der Ems im Zusammenhang mit dem Ausbau des Eemshavens sowie der Vertiefung der Zufahrt zum Eemshaven auf die Fischereibe- triebe in Ditzum und Greetsiel, und hat die Bundesregierung sich bei den niederländischen Behörden dafür eingesetzt, dass analog der Vereinbarungen in Deutschland mit der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest auch in den Niederlanden ein fischerwirtschaftliches Gutachten unter Einbeziehung der deutschen Fischereibetriebe in Auftrag gegeben wird? Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Bundesregierung nimmt die Sorgen der Küsten- fischer sehr ernst. Deshalb hat sich das Bundesministe- rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bereits im Sommer des letzten Jahres mit der Bitte an das nieder- 24176 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Parl. Staatssekretärin Karin Roth ländische Verkehrsministerium gewandt, die Belange von Fischerei und Tourismus bei der niederländischen Planung möglichst frühzeitig zu berücksichtigen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die in der angesprochenen Informationsveranstaltung vorgestellten und bisher in Form von Literaturstudien angelegten Be- trachtungen der Effekte des niederländischen Ausbaus auf den Krabben- und Fischbestand durch fischereibiolo- gische Untersuchungen ergänzt werden. Dabei stellt sich auch die Frage nach einem fischereiwirtschaftlichen Gutachten im Zusammenhang mit dem Tourismus. Diese Position hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegenüber dem niederländi- schen Verkehrsministerium schriftlich dargelegt. Ich hoffe, dass unsere Position von der niederländischen Seite berücksichtigt wird. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, Ihre Nachfrage bitte. Gitta Connemann (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die Problematik liegt auf der Hand. Wir haben es mit einem anderen Na- tionalstaat und damit natürlich auch mit eingeschränkten Möglichkeiten für die Bundesregierung zu tun. Gestatten Sie mir deshalb die folgende Nachfrage: Welche Mög- lichkeiten und Maßnahmen sieht oder erwägt die Bun- desregierung außerhalb des niederländischen Verwal- tungsverfahrens bzw. der beiden Verfahren, um die Fanggebiete der Fischer in der Außenems zu sichern und sie vor den Auswirkungen der Ausbau- und Unterhal- tungsarbeiten zu schützen? Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bitte sehr. Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Liebe Kollegin Connemann, das ist eine schwierige Thematik. Wir können von unserer Seite nicht in die Ausbaupläne der niederländischen Seite eingreifen. Gleichzeitig sehen wir aber das Problem. Wir haben des- halb Gespräche mit den Niederlanden geführt und unsere Position nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich klargemacht. Minister Tiefensee hat sie gegenüber dem Verkehrsministerium deutlich gemacht und war, wie Sie wissen, vor Ort und hat dieses Thema aufgegriffen. Wir müssen darauf bestehen, dass jedes Land, jeder Nationalstaat berücksichtigt, was bei einem Grenzfluss zu berücksichtigen ist. Deshalb möchten wir diese Gut- achten gern haben. Deshalb wollen wir auch mit einer relativ zeitnahen Planung gemeinsam vorankommen. Da die Niederländer auch ein Interesse am Ausbau haben, glaube ich, dass wir zeitlich nicht ganz so weit auseinan- der liegen. Aber auch hier gilt: Untersuchungen brau- chen ihre Zeit. Ich hoffe, dass die niederländische Regie- rung, genauso wie wir, schnell vorankommt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie noch eine Nachfrage? Gitta Connemann (CDU/CSU): Von entscheidender Bedeutung ist natürlich die Ent- wicklung der Fangwertigkeit der Gebiete. In diesem Re- vier liegt ein hohes wirtschaftliches Interesse der Fischer. Werden nach Abschluss der Ausbauarbeiten auf deut- scher und niederländischer Seite, soweit Sie das für die deutsche Seite beurteilen können, Beweissicherungs- maßnahmen durchgeführt werden, mit denen die Ent- wicklung der Fangwertigkeit des Reviers über die Jahre dokumentiert wird? Ist das jedenfalls für die deutsche Seite angedacht? Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Connemann, wir ha- ben natürlich ein Interesse daran, dass dieses Thema ei- nigermaßen wissenschaftlich abgesichert ist, aber wir können Untersuchungen ja nicht vorgreifen. Wir werden auch sehen, was das bedeutet und ob es tatsächlich zu Veränderungen kommt. Dann müssen auch die Investi- tionsmaßnahmen entsprechend abgestimmt werden. Sonst brauchen wir keine Untersuchungen. Wenn durch die Untersuchungen also Hinweise da- rauf gegeben werden, dass es schwierig ist, dann muss sowohl die deutsche als auch die niederländische Seite mit den Ausbaumaßnahmen entsprechend reagieren. Ich glaube, das ist das Vorgehen: erst die Untersuchung, dann die Entscheidung. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor- tung dieser Fragen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- ministeriums für Bildung und Forschung. Die Frage 36 der Kollegin Cornelia Pieper und die Fragen 37 und 38 der Kollegin Cornelia Hirsch werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich der Bun- deskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Auch diese Fragen, die Frage 39 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch und die Fragen 40 und 41 der Kolle- gin Sevim Dağdelen, werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär- tigen Amts. Die Frage 42 des Kollegen Hans-Christian Ströbele, die Frage 43 des Kollegen Reinhard Grindel und die Frage 44 der Kollegin Dr. Kristina Köhler wer- den ebenfalls schriftlich beantwortet. Zur Beantwortung der letzten beiden Fragen dieser Fragestunde aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts steht Herr Staatsminister Gernot Erler zur Verfü- gung. Ich rufe die Frage 45 der Kollegin Kerstin Müller auf: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Aussagen des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman während seiner Europareise, in denen er die Zwei- staatenlösung als „Slogan“ bezeichnet hat und sich vom bis- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24177 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt herigen Friedensprozess distanziert, und welche Position hat sie bei den direkten Zusammentreffen mit Avigdor Lieberman vertreten, insbesondere in der Frage der Siedlungspolitik und der ausstehenden EU-Vertiefung? Herr Staatsminister, bitte. Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärti- gen Amt: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin Kerstin Müller, die Bundesregierung hat seit dem Amts- antritt der neuen israelischen Regierung bei zahlreichen Gelegenheiten ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die israelische Regierung im Nahostfriedensprozess an den Ergebnissen bisheriger Verhandlungen und am Ziel einer Zweistaatenlösung festhält. Nach der am 19. November 2003 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen indossierten Roadmap ist Israel zu einem Abbau der Siedlungsaußenposten und zur Ein- stellung jeder Siedlungsaktivität einschließlich des na- türlichen Wachstums verpflichtet. Angesichts dieser Ver- pflichtung hält die Bundesregierung den fortgesetzten Siedlungsbau in der Westbank und in Ostjerusalem für nicht akzeptabel und für eine Gefahr für die Realisier- barkeit der Zweistaatenlösung. Die Bundesregierung und ihre europäischen Partner haben ihre Haltung zur Siedlungsproblematik wiederholt und unmissverständlich deutlich gemacht und fordern ei- nen Stopp des Siedlungsaus- und -neubaus in der West- bank und in Ostjerusalem sowie die Räumung illegaler Außenposten. Diese Position hat der Bundesminister des Auswärti- gen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, auch bei seinem Treffen mit dem israelischen Außenminister Avigdor Lieberman am 7. Mai 2009 in Berlin vertreten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre Nachfrage, bitte. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): So weit, so gut, Herr Staatsminister. Wenn dem so ist, habe ich eine Nachfrage. Weder der Außenminister Lieberman noch der neue Premierminister Netanjahu ha- ben bisher ein klares Bekenntnis zur Zweistaatenlösung abgegeben. Hinsichtlich des Siedlungsbaus haben sie sich – vor allen Dingen Lieberman – im Gegenteil sehr klar für einen Ausbau ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund frage ich: Wie verhält sich die Bundesregierung zu der anstehenden Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und Israel? Ist sie wie Ferrero-Waldner auch der Meinung, dass diese Vertie- fung an einen Fortgang in der Siedlungspolitik und an ein klares Bekenntnis der neuen Regierung zur Zwei- staatenlösung geknüpft werden muss? Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärti- gen Amt: Frau Kollegin Müller, jetzt haben Sie praktisch Ihre zweite Frage mündlich gestellt. Frau Präsidentin, die Frage ist, ob ich bei dieser Gelegenheit nicht einfach die zweite Frage beantworten soll. Ansonsten müsste ich sie jetzt sozusagen noch einmal frei beantworten. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Fragestellerin ist einverstanden. Natürlich, Herr Staatsminister. Ich rufe jetzt zusätzlich die Frage 46 auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung der EU-Kom- mission, dass die weitere Umsetzung der beschlossenen Ver- tiefung der Beziehungen mit der Europäischen Union von ei- nem klaren Bekenntnis zur Zweistaatenlösung der neuen israelischen Regierung und dem Fortgang in der Siedlungs- politik abhängig gemacht werden soll und, falls nicht, warum nicht? Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärti- gen Amt: Die Antwort auf die Frage lautet wie folgt: Die Bun- desregierung hat ihre Erwartung, dass die israelische Re- gierung am Ziel einer Zweistaatenlösung festhält, und ihre Position zur Siedlungsproblematik bei zahlreichen Gelegenheiten deutlich gemacht. Mit Blick auf die Ver- tiefung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel haben die Außenminister der Europäi- schen Union am 8. Dezember 2008 ihre Entschlossen- heit bekräftigt, die bilateralen Beziehungen qualitativ und quantitativ zu verstärken. Dabei haben sie wieder- holt, dass der Prozess zur Vertiefung der Beziehungen im Kontext der gemeinsamen Interessen und Ziele be- trachtet werden muss, zu denen auch eine Lösung des is- raelisch-palästinensischen Konflikts durch Umsetzung der Zweistaatenlösung zählt. Diese Beschlusslage gilt fort. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine weitere Zusatzfrage. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ihre Formulierung „im Kontext“ beantwortet meine Frage nicht konkret. Am 15. Juni findet die nächste Sit- zung des Assoziationsrates EU-Israel statt. Ich wüsste gerne klipp und klar, wofür die deutsche Bundesregie- rung innerhalb der EU eintritt: für eine kritische Be- standsaufnahme und zeitlichen Aufschub – so jedenfalls die Mehrheit der EU-Partner – oder eine rasche Umset- zung der 2008 beschlossenen Vertiefung? Sind Sie dabei Bremser, oder unterstützen Sie Ferrero-Waldner und die Mehrheit der EU-Partner in der Frage der Fortführung der Vertiefung jetzt, ohne Ansehen der Position der neuen Rechtsregierung? Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärti- gen Amt: Kollegin Müller, zunächst einmal ist klar, dass der Beschluss des Rates vom 8. Dezember nicht aufgehoben 24178 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Staatsminister Dr. h. c. Gernot Erler worden ist. Mit dem Kontext ist aber durchaus ein ver- bindliches Junktim hergestellt worden. Wenn Sie mich jetzt persönlich fragen, was am 15. Juni passieren wird, dann muss ich Ihnen antworten, dass ich mir unter die- sen Umständen zurzeit nicht vorstellen kann, dass es zu einer Umsetzung der Vertiefung kommt. Allerdings hat der Abschluss der Policy Review, wie es auch in Israel genannt wird, bisher noch nicht stattge- funden. Zum Beispiel steht am 18. dieses Monats ein Besuch Netanjahus in den USA bevor. Es wird erwartet, dass die Policy Review bis dahin abgeschlossen ist, so- dass wir dann genauer wissen, wie es um die Zweistaa- tenlösung steht. Inzwischen ist auf die neue israelische Regierung ein erheblicher Druck ausgeübt worden, unter anderem am 11. Mai mit einer Präsidentialerklärung der Vereinten Nationen – hinter der ein einstimmiges Votum steht –, in der noch einmal direkt auf die Zweistaatenlö- sung hingewiesen wird. Wir wissen nicht, wie sich das auswirkt. Insofern hängt es auch von dem weiteren Ver- halten der neuen israelischen Regierung ab, wann und wie schnell es zu einer Umsetzung der Ratsschlussfolge- rungen vom Dezember letzten Jahres kommt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ich bitte um Verständnis, was Nachfragen angeht. Wir haben die zur Verfügung stehende Zeit schon überschrit- ten. Ich würde deshalb gerne die Fragestunde abschlie- ßen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wenn Herr Erler mit Ja oder Nein ge- antwortet hätte, wäre es schneller gegangen!) Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für die Beant- wortung der Fragen und schließe die Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kompetenzstreit der Bundesregierung bei der Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- ner dem Kollegen Jürgen Trittin für die Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen das Wort. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass der Versuch abgebrochen worden ist, die Gei- seln der MS Stavanger gewaltsam zu befreien. Trotz die- ser richtigen Entscheidung muss ich feststellen, dass sich die Bundesregierung mit dieser Operation schwer bla- miert hat. Sie wollten mit einem Husarenstück international in der ersten Liga spielen, und das ging völlig daneben. Es fing mit dem Transport an. 200 Polizisten und Hub- schrauber konnten nicht dorthin gebracht werden, weil auf dem internationalen Markt keine ausreichenden Charterkapazitäten zur Verfügung standen. Diese Operation war dann so geheim, dass Sie zwar mit Falschinformationen Abgeordnete an einem Besuch der Truppe in Mombasa gehindert haben, aber während der ganzen Vorbereitungszeit unter ständiger Begleitung von Spiegel Online standen. Das war sozusagen die erste Kommandoaktion mit Embedded Journalists. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf von der FDP: Das ist aber nicht neu!) Von dieser Posse – wenn man das so nennen will – möchte Frau Merkel nun mit einer Debatte um die Kom- petenzen der Bundeswehr ablenken und das Grundgesetz ändern. Wenn man sich diese Operation anschaut, stellt man fest: Es gibt kein verfassungsrechtliches Problem, das diese Operation auch nur eine Sekunde behindert hätte. Das sagt selbst die Bundesregierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) In allen Unterrichtungen in den Ausschüssen war völlig klar: Dieser Einsatz ist nicht an verfassungsrechtlichen Kompetenzproblemen gescheitert, sondern daran, dass es einfach nicht ging und dass ausschließlich die GSG 9 und nicht das KSK die Fähigkeit hat, eine solche Opera- tion durchzuführen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist im Übrigen der Grund, warum die Bundesregie- rung schon im Herbst 2008 beschlossen hat – nicht ir- gendeine rot-grüne Bundesregierung, sondern Ihre – (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Unser aller Bundesregierung!) – auch deine, wenn Du darauf so stolz bist –, (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ihre auch! Ob Sie das nun wollen oder nicht!) dass die GSG 9 im Rahmen von „Atalanta“ bei solchen Operationen zum Einsatz kommt. Noch einmal: Es fehlte also nicht an Kompetenzen. Vielmehr ging es ein- fach nicht. Wenn Sie in einer solchen Situation erneut – ich weiß nicht, zum wievielten Mal – darüber diskutieren, wie es sich mit dem Grundgesetz und den Rechten des Militärs verhält, dann tun Sie so, als fände „Atalanta“ in einer rechtlichen Grauzone statt. Ich sage Ihnen: Das ist falsch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese Mission beruht auf Beschlüssen des UN-Sicher- heitsrats, einem EU-Mandat und einem Mandat des Deutschen Bundestages. Sie ist zudem durch Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes gedeckt. Dadurch ist auch ein möglicher Einsatz des KSK abgedeckt. Hören Sie end- lich auf, die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten durch solche Verdächtigungen sozusagen an den Rand der Verfassungswidrigkeit zu stellen! Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24179 (A) (C) (B) (D) Jürgen Trittin (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vor dem Hintergrund eines solchen nicht ganz unge- fährlichen Einsatzes im Ausland wollen Sie erneut eine Debatte über die Trennung von äußerer und innerer Sicherheit führen. Sie wollen die Trennung zwischen Polizei und Militär aufheben. Sie wollen – so heißt es in Ihrem Fraktionspapier – die Trennung zwischen Krieg und Frieden beenden. Das alles haben die dort eingesetz- ten Soldatinnen und Soldaten sowie die Polizeibeamten vor Ort nicht verdient. Das alles stellt im Übrigen einen Anschlag auf das Grundgesetz dar, angestoßen von der Bundeskanzlerin und gedeckt durch den Verfassungs- minister, und das nur, weil Sie sich aus der Verantwor- tung für diese Aktion „Wasserschlacht“ stehlen wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben allerdings ein eklatantes Führungsproblem. Wir wären froh, wenn es ein einheitliches Vorgehen bei im Rahmen von „Atalanta“ gefassten, der Piraterie Ver- dächtigen gäbe. Aber das ist nicht der Fall. Das ist wirk- lich ein rechtliches Problem. Die einen lässt man laufen. Die anderen schickt man nach Hause vor Gericht. Wie- derum andere schickt man nach Kenia. Aber eine recht- lich einwandfreie Strafverfolgung solcher Täter ist nicht sichergestellt. Ich empfehle Ihnen: Betreiben Sie mit dem gleichen Aufwand und der gleichen Emphase, die Sie bei einer Grundgesetzänderung an den Tag legen, die Durchsetzung eines internationalen Gerichtshofs! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist doch die Position der Bundesregierung! Das ist die deutsche Position!) – Herr Wiefelspütz, die Bundesregierung tut gar nichts; das haben alle Unterrichtungen im Ausschuss ergeben. Sie müssen sich gar nicht dazwischenwerfen. Die Wahrheit ist: Sie wollten ein Exempel statuieren und nicht länger Lösegeld zahlen. Das ist legitim, ge- nauso wie die Erwägung, Gewalt in solchen Fällen an- zuwenden. Aber das Risiko für 24 Geiseln auf einem 150 Meter langen Schiff war zu hoch. Das hat übrigens auch die Bundespolizei so gesehen. Warum sind Sie nicht gleich der Analyse des Bundespolizeipräsidiums gefolgt? Warum galt für Sie bei unterschiedlichen Risiko- analysen nicht der Grundsatz „Im Zweifelsfall geht das Leben der Geiseln vor“, Herr Minister? Warum mussten Sie sich von den USA zu dieser Entscheidung drängen lassen? Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich bin James Jones dankbar. Die USA haben mit ihrer Entscheidung ein Fiasko verhindert. Sie haben bewiesen, dass sie in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. Ihnen da- gegen, Herr Minister, und der Bundesregierung fehlt es an Verantwortungsbewusstsein und Fähigkeiten. Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU, fehlt es an Respekt vor der Verfassung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ein bayerischer Pirat!) Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die unerträglichen Äußerungen des Kollegen Trittin eingehe, möchte ich etwas ganz an- deres tun. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das freut mich! Das muss gesessen ha- ben!) – Schweigen Sie! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Bei der Bundeswehr und bei der Bundespolizei arbeiten Menschen, die bereit sind, ihr eigenes Leben zu opfern, um das Leben anderer Menschen zu retten, anstatt dass sie so daherschwadronieren, wie Sie es getan haben. Da- für ganz herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie waren zum Einsatz bereit, und dann wurde am Ende eines mehrwöchigen Abwägungsprozesses von der Bun- desregierung die politische Entscheidung getroffen, an- gesichts dieses Risikos den Einsatz doch nicht durch- zuführen, weil das Leben der Menschen in zu großer Gefahr war. Die Entscheidung war richtig. Jetzt kommt der Grüne Trittin, stellt sich ans Rednerpult und versteigt sich zu der unsäglichen Infamie, zu sagen, der Bundesin- nenminister habe sich aus der Verantwortung davonge- stohlen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Unerhört!) Widerwärtig. Sie können dem Bundesinnenminister Schäuble alles Mögliche vorwerfen, aber zu behaupten, dass sich dieser Minister aus der Verantwortung stiehlt – da hört es wirklich auf. (Beifall bei der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sehen Sie denn einen Vorgang, der von den USA ent- schieden worden ist und nicht vom Minister?) Der Minister war bereit, die volle Verantwortung zu übernehmen, und zwar unabhängig vom Ausgang dieses Einsatzes. Lassen Sie mich jetzt einige Anmerkungen zu Ihren Ausführungen zum Grundgesetz machen. Es gab keinen Streit über die Ressortvereinbarung. Insoweit haben Sie richtig zitiert. Man war sich von Anfang an einig, dass die GSG 9, militärisch unterstützt, zum Einsatz kommen soll. Dass man zum Schluss die Amerikaner brauchte, weil der nötige Helikopterträger nicht zur Verfügung stand, hat vielleicht auch etwas mit einer verfehlten Be- 24180 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Dr. Hans-Peter Uhl schaffungspolitik während der siebenjährigen rot-grünen Regierungszeit zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie hätten sieben Jahre Zeit gehabt, einen Helikopterträ- ger zu beschaffen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Den hätten wir zufällig da im Gelände gehabt! Sie haben keine Ahnung! Ein schlech- tes Argument!) Jetzt komme ich zum Grundgesetz. Art. 87 a des Grundgesetzes sagt klipp und klar – hören Sie zu, wenn ich aus dem Grundgesetz zitiere, statt herumzuplärren, Herr Trittin –: (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Mit Zwischenrufen müssen Sie schon leben!) (1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf … (2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Wenn Sie im Grundgesetz weiterlesen, dann finden Sie natürlich nirgendwo etwas zur Pirateriebekämpfung. (Rainer Arnold [SPD]: Kennen Sie das Verfas- sungsgerichtsurteil? Dann müssen Sie das auch vorlesen! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt geht es wieder los! Uhl und Linkspartei Seit’ an Seit’!) Also macht man sich mühsam auf die Suche nach einer Legitimation und landet bei Art. 24 Abs. 2 des Grundge- setzes. Dort heißt es: Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens ei- nem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen … Dieses wird als Legitimation herangezogen. Das kann man juristisch machen, das ist nicht falsch. Nur, es zeigt eben, dass wir nach geltendem Grundgesetz nicht in der Lage sind, ohne ein EU-Mandat oder VN-Mandat auto- nom als deutscher Staat die Bundeswehr bei neuen Be- drohungslagen zum Einsatz zu bringen. (Rainer Arnold [SPD]: Dann hat Ihr Minister oft in der letzten Zeit die Verfassung gebro- chen!) Wir sind immer von einem solchen Mandat abhängig, auf das wir uns zurückziehen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Jenseits der Vereinten Nationen! Das muss man sich einmal anhören!) Das heißt, wir haben auf die asymmetrische Bedrohung, die zur Folge hat, dass die innere von der äußeren Si- cherheit natürlich nicht mehr zu trennen ist, noch nicht die richtige juristische Antwort gefunden. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zurück ins Kaiserreich!) Wir werden uns also entscheiden müssen, ob wir die GSG 9, das KSK oder beide zum Einsatz bringen wol- len. Diese Entscheidung muss getroffen werden. Die Fä- higkeiten müssen auf jeden Fall da sein. Wenn eine ent- sprechende Entscheidung gefällt wird, dann muss die Truppe für Wochen und Monate in die Region geschickt werden, und dann fehlt sie in Deutschland, wenn es die GSG 9 sein sollte. Das will wohlbedacht sein. Das heißt, in der derzeitigen Situation können wir die Piraterie nicht wirksam bekämpfen. Hier muss noch nachgebes- sert werden, sowohl was die richtige Ausrüstung als auch was die richtige Struktur betrifft. Wir müssen die Piraterie bekämpfen wollen und bekämpfen können. (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das kleine Ein- maleins des Völkerrechts, Herr Uhl!) Es ist die freie Entscheidung von Hamburger Ree- dern, ihre Schiffe unter einer Billigflagge und mit einer Besatzung, die zu Niedriglöhnen arbeitet, über die Meere fahren zu lassen. Früher nannte man sie „Ham- burger Pfeffersäcke“. Aber es ist die alleinige Entscheidung des deutschen Staates, im Kampf gegen Piraterie vom Gewaltmonopol Gebrauch zu machen. Der deutsche Staat und die Regie- rung in Berlin entscheiden, ob geschossen wird oder nicht, und dabei soll es auch bleiben. Wir sollten uns auf den Weg machen, die Strukturen so zu organisieren, dass wir dieser Bedrohung Herr wer- den. Dazu gehört vielleicht auch, noch einmal darüber nachzudenken, wie die Befehlsstrukturen aussehen, da- rüber nachzudenken, ob es klug ist, neben militärischen Einheiten Polizeieinheiten einzusetzen oder doch eine reinrassige militärische Lösung zu wählen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: „Reinrassig“?) Das alles ist noch nicht zu Ende diskutiert. Wir stehen für eine solche Diskussion selbstverständ- lich zur Verfügung. Aber wir müssen handlungsfähig werden und können uns nicht so verhalten wie Sie, Herr Trittin, von dem ich bis heute noch nicht weiß, was Sie eigentlich mit Ihrer seltsamen, diffamierenden Rede wollten. (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Birgit Homburger (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu der Diskussion, die wir heute führen, mache ich eine Vorbemerkung. Meines Erachtens ist es gut und wichtig, dass wir als Bundesrepublik Deutschland mit der GSG 9 bei der Bundespolizei und mit dem KSK bei der Bundes- wehr zwei Spezialeinheiten haben; beide brauchen wir Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24181 (A) (C) (B) (D) Birgit Homburger auch weiterhin. Beide haben exzellente Fähigkeiten; sie sind in der Vergangenheit in schwierigen Situationen eingesetzt worden und haben sich darin unter Beweis ge- stellt. Sie haben hohe Einsatzbereitschaft gezeigt; diese ist nach wie vor vorhanden. Deswegen sage ich an dieser Stelle erst einmal ein herzliches Dankeschön an die Poli- zisten und an die Soldaten, die in diesen Einheiten ihren Dienst tun. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bezogen auf den konkreten Fall der „Hansa Stavanger“ unterstreiche ich: Erstens halte ich es für richtig, dass man den Versuch unternommen hat, zu helfen. Zweitens glaube ich nicht, dass das Parlament wirklich die kon- kreten Umstände beurteilen kann, die am Ende zum Ab- bruch dieser Aktion geführt haben. Ich sage jedenfalls für meine Fraktion: Wir haben vollstes Vertrauen in die Kompetenz und in die Lagebeurteilung der Einsatzführer vor Ort. Sie tragen eine hohe Verantwortung; sie verdie- nen unser aller Respekt und unsere Unterstützung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Kein Verständnis habe ich allerdings für das Verhal- ten der Bundesregierung, und dies in mehrfacher Hin- sicht. Der Fachverbandsvorsitzende für die Bundespoli- zei der Polizeigewerkschaft, Herr Zastrow, hat in einem Interview geäußert, dass die Verzögerungen und der Ab- bruch die Folge von langwierigen Abstimmungsprozes- sen gewesen seien. Solche Kompetenzstreitigkeiten sind nicht hinnehmbar. Sie gefährden nicht nur die effektive Pirateriebekämpfung, sondern unter Umständen auch Leib und Leben der Betroffenen. Deswegen sage ich ganz klar: Die Bundesregierung hat alle Betroffenen in eine schwierige Situation gebracht. Es braucht klare Zu- ständigkeiten; das ist das A und O jedes Einsatzes. Da- her fordern wir die Bundesregierung auf, hier Klarheit zu schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Dabei hat vorher angeblich alles gestimmt, denn man hatte ja alles geklärt. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Bundesregierung: Theoretisch, auf dem Papier, war es so, aber praktisch waren Sie in keiner Weise vorbereitet. Wenn wir dann hören, was die inter- nationalen Partner sagen, dann entsteht zumindest der Eindruck, dass die unterschiedlichen Ministerien, die ja vielfältig zuständig waren, sich offensichtlich unter- schiedlich geäußert haben. Ein solches Verhalten ist ab- solut kontraproduktiv. An dieser Stelle betone ich: Hier ist die Bundeskanz- lerin gefordert, dem ein Ende zu bereiten und Klarheit zu schaffen. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Vorsicht! Das setzt aber Kenntnisse der Verfassung voraus! Das setzt genaue Kenntnisse der Verfassung voraus!) Stattdessen führt sie eine Diskussion über eine Grund- gesetzänderung, zusammen mit Bundesinnenminister Schäuble und Bundesverteidigungsminister Jung, von denen wir nichts anderes gewohnt sind und die jede er- denkliche Gelegenheit dazu nutzen, einen Bundeswehr- einsatz im Inneren über die Hintertür durchzusetzen. Die Abläufe bei der „Hansa Stavanger“ haben jedoch nichts, aber auch gar nichts mit der Verfassung zu tun. (Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben auch nichts mit einer mangelnden rechtlichen Grundlage zu tun. Vielmehr haben sie etwas mit Ver- säumnissen der Bundesregierung zu tun. Deswegen sa- gen wir: Schluss mit den Ablenkungsmanövern! (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Uhl, Sie haben hier gesagt, im Grundgesetz stehe nichts von Piraterie. Da steht auch nichts von Af- ghanistan, von UNIFIL und von Kosovo. Wenn wir Ihrer Argumentation folgten, dürften wir keinen einzigen Aus- landseinsatz durchführen. (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Uhl, ich sage Ihnen weiter: Wir haben hier im Deutschen Bundestag das Mandat „Atalanta“ beschlos- sen. In diesem Mandat ist ausdrücklich vorgesehen – ich zitiere –: die „Durchführung der erforderlichen Maßnah- men, einschließlich des Einsatzes von Gewalt, zur Been- digung von seeräuberischen Handlungen …“. Das deckt die Geiselbefreiung ab. Die Probleme liegen also nicht in fehlender Rechtsgrundlage, sondern in fehlenden Fä- higkeiten vor Ort. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich sage an dieser Stelle, an die Adresse der Bundes- regierung gerichtet: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die Bundeswehr in einen Einsatz mit einem klaren Auftrag und einem zu erwartenden Szenario schickt, der muss der Bundeswehr die für einen solchen Einsatz notwendigen Fähigkeiten mitgeben. Das ist er- kennbar nicht der Fall gewesen. (Beifall bei der FDP) Es braucht deshalb strukturelle Schlussfolgerungen, und zwar sowohl was das KSK als auch was die GSG 9 angeht. Beide sind exzellent ausgebildet. Sie sind gut ausgerüstet. Sie sind einsatzfähig, und sie sind auch ein- satzwillig. Wenn dieser militärische Einsatz eine Geisel- befreiung umfasst, dann muss es vor Ort – wie beim Mandat „Atalanta“ – entsprechende Fähigkeiten und Ka- pazitäten geben, (Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]) schon allein deshalb, weil schnelles Handeln mehr Er- folgsaussichten hat. (Beifall bei der FDP) 24182 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Birgit Homburger Das bedeutet: In militärischen Missionen sollte das KSK die Zuständigkeit haben und sollte von vornherein dabei sein. Das hat mehrere Vorteile: eine klare Zuständigkeit, klare Verantwortung, kein Zeitverlust und die Kenntnis der Strukturen. Das heißt, wir würden damit optimale Bedingungen herstellen. Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Sowohl bei dem KSK als auch bei der GSG 9 besteht erkennbar die Notwendigkeit, bestehende Lücken bei Ausrüstung, Ausstattung und spezifischem Training zu schließen. Dass die Bundesregierung das mit Blick auf die Heraus- forderungen, vor denen wir zunehmend stehen, nicht er- kannt hat, ist ein schweres politisches Versäumnis, das nicht weiter auf dem Rücken der betroffenen Polizisten und Soldatinnen und Soldaten ausgetragen werden darf. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit den Ablen- kungsmanövern endlich aufzuhören und ihrer Verant- wortung gerecht zu werden. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann von der SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- ren! Zunächst einmal darf ich auch für die SPD-Fraktion zum Ausdruck bringen, dass wir, Herr Bundesinnen- minister, mit großem Respekt auf den Einsatz der GSG 9 in Somalia blicken. Auch wenn der Einsatz im Endeffekt nicht stattgefunden hat, wissen wir, dass da Enormes ge- leistet wurde – bis hin zur Bereitschaft, das eigene Leben für unser Land und für deutsche Staatsbürger einzuset- zen. Man kann den Dank dafür nicht oft genug wieder- holen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, meine Da- men und Herren, Respekt verlangt uns aber auch die Po- sition der Bundesregierung ab, die – keineswegs nach ei- nen Kompetenzstreit – zu dem Ergebnis kam: Es muss Schluss sein mit dieser Lösegeldpolitik; es darf nicht sein, dass ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland durch Piraten oder anderes Gesindel auf Dauer erpress- bar ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Respekt zollen wir auch allen, die sich der Schwere dieser Entscheidung in Krisenstäben und anderswo zu jedem Zeitpunkt bewusst waren, die keineswegs leicht- fertig abgewogen haben, um dann schließlich – unter wel- chen Rahmenbedingungen auch immer, Herr Trittin – zum Ergebnis zu kommen: Wir machen das nicht. Res- pekt verlangt nämlich auch der Mut, zu sagen – das hat nichts mit Feigheit zu tun –: Nein, wir schicken unsere Bundespolizeibeamten nicht in dieses Risiko hinein; nein, wir wollen die Geiseln der Todesgefahr nicht aus- setzen. – Es kann klug und richtig sein, so zu entschei- den. Wie wir heute wissen, war es klug und richtig, dass so entschieden wurde. Wir als Abgeordnete dieses Parlaments sollten mit manchen Urteilen, wie sie in allen Lagern getroffen wor- den sind, deshalb vorsichtig sein. Wir als Deutscher Bundestag können wahrhaftig nicht die Polizeiführer vor Ort ersetzen. Manche Äußerungen der letzten Tage und Wochen haben den Anschein erweckt, als wüssten wir besser Bescheid als ein gut ausgebildeter GSG-9-Mann vor Ort. Das ist Unsinn. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Jetzt ist aber zu überlegen: Welche Konsequenzen sind zu ziehen? Soweit wir politisch gefordert sind, wol- len wir einen Beitrag dazu leisten. Dieser Beitrag kann so aussehen, dass wir gemeinsam mit dem Bundesvertei- digungsminister und gemeinsam mit dem Bundesinnen- minister darüber nachdenken, wie wir die Mannschaft optimal ausstatten. Stimmt da alles in puncto Ausstat- tung? Offensichtlich nicht. Wir müssen uns auch überle- gen, wie wir in puncto Ausbildung helfen können. Gege- benenfalls müssen wir bereit sein, dafür Geld in die Hand zu nehmen. Nur eines brauchen wir nicht: eine er- neute Diskussion um eine in diesem Falle völlig über- flüssige Grundgesetzänderung. (Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese Diskussion verläuft ja ein bisschen nach der Methode: Und ewig grüßt das Murmeltier. Jedes Mal, wenn sich eine Gelegenheit bietet, redet man darüber, ob man nicht die Bundeswehr im Innern einsetzen kann, ob die Bundeswehr nicht verstärkt Polizeiaufgaben wahr- nehmen kann. (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist „man“?) Ich möchte einmal daran erinnern, was die Kanzlerin – auch sie hat sich ja in diese Diskussion eingeschaltet – richtigerweise vor dem Kongress der Gewerkschaft der Polizei vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat: Eine der Sorgen der Polizistinnen und Polizisten ist, dass die Bundeswehr jetzt klassische Polizeiaufga- ben ausführt. Meine Damen und Herren, ich sage ganz eindeutig: Das ist nicht geplant. Ich sage das jetzt einfach auch einmal als CDU-Vorsitzende: Das ist auch von der Christlich Demokratischen Union nicht geplant. Sie brauchen daran nicht zu zweifeln. Das ist so. Ich nehme die Kanzlerin beim Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind Sie aber der Einzige! Das tun ja nicht ein- mal die in der CDU!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24183 (A) (C) (B) (D) Michael Hartmann (Wackernheim) – Na ja, sehen Sie, ich bin da naiver als Sie, Herr Trittin. Sie sind schon länger im Geschäft und deshalb etwas ab- gebrühter. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen also, wir brauchen keine Debatten dieser Art, sondern wir brauchen Debatten um eine optimale Aufstellung so- wohl der Bundeswehr als auch der Polizei. Die Frage lautete ja nicht: „Wer darf es?“, sondern: „Wer kann es?“. Wir mussten viele Notnägel benutzen, um das überhaupt zu können, auch wenn der Einsatz am Schluss nicht stattgefunden hat. Im Übrigen sollten wir uns, wenn wir solche Debatten führen, daran erinnern, dass diese auch in die Mannschaft hineinwirken, Herr Bundesinnenminister. Ich glaube nicht, dass die Bundespolizistinnen und Bundespolizis- ten glücklich darüber sind, dass sie immer wieder als Ve- hikel benutzt werden, um das Thema „Bundeswehrein- sätze im Innern“ voranzutreiben. Ich glaube auch nicht, dass die Bundeswehr, die es in vielen Bereichen schwer genug hat, glücklich darüber ist, dass mit ihr so verfahren wird, als könne man sie beliebig selbst für Debatten, die innerparteilich befriedend wirken sollen, instrumentali- sieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Im Übrigen stellt sich doch die Frage – das ist mein letzter Satz –: Mit wem will man das eigentlich machen? Einen Theaterdonner kann man jederzeit aufführen. Herr Schäuble, ich weiß mittlerweile, dass Sie sich sehr ver- antwortungsbewusst und auch durchaus besorgt um die innere Sicherheit kümmern. Ich kenne Sie aber auch als gewieften Parteipolitiker. Diesem gewieften Parteipoliti- ker sage ich: Herr Bundesinnenminister, es gibt Wunsch- koalitionen auf Ihrer Seite, es gibt Wunschkoalitionen auf anderer Seite. Eine Koalition bzw. Konstellation gibt es allerdings in diesem Hause nicht, und zwar auf Dauer nicht, nämlich eine Koalition bzw. Konstellation, die es möglich machen wird, dass eine Grundgesetzänderung herbeigeführt wird, damit die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden kann. Hören wir also mit dieser ver- unsichernden Debatte auf! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Dr. Norman Paech von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- gen! Ich habe lange darüber gegrübelt, was der verschro- bene, ursprünglich vorgesehene Titel der Aktuellen Stunde eigentlich bedeuten sollte: „Kompetenzstreit aus mangelnder Verantwortung der Bundesregierung bei der Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia“. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ein Zitat ist aus einem Ihrer Aufsätze, Herr Paech!) Jetzt ist er etwas verschlankt worden. Schließlich habe ich mir gesagt, das kann doch nur ein Ausdruck totaler Frustration über das sein, was bei der Piratenjagd alles fehlläuft, und darüber, dass man überhaupt nicht weiß, wie es weiterlaufen soll. In der Tat, die Bilanz ist wirklich kümmerlich. Nicht nur, dass die Befreiung der Besatzung der „Hansa Sta- vanger“ – zum Glück, muss man sagen – abgesagt wer- den musste, bevor die GSG 9 zum Einsatz kam. Übri- gens sagen Sie, Herr Schäuble, den Bürgerinnen und Bürgern doch auch einmal, wie viel dieses schlecht ge- plante Abenteuer gekostet hat. Demnächst – wahrschein- lich schon bald, wie Herr Uhl meint – wollen Sie sich so- gar noch einen eigenen Hubschrauberträger leisten, um von den USA ganz unabhängig zu werden und so etwas selber machen zu können. Viel schlimmer ist: Seitdem sich die Kriegsmarine vor dem Horn von Afrika tummelt, haben auch die Pira- ten aufgerüstet und ihre Angriffe um 20 Prozent gestei- gert. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Angriffe im ersten Quartal 2009 sogar verdoppelt und die Löse- gelder wahrscheinlich vervielfacht. Das Fazit kann doch nur lauten: Diese Militärmission ist gescheitert. Jetzt ist guter Rat teuer. (Beifall bei der LINKEN) Nur einer hat offensichtlich einen Plan, unser Innen- minister, der hartnäckig am Grundgesetz gräbt. Jeder hat seine eigene Art, Jubiläen zu feiern. Herr Schäuble will offensichtlich den 60. Jahrestag unseres Grundgesetzes mit einem Piratenartikel krönen. Die SPD hat schon ka- tegorisch ihre Ablehnung signalisiert, und dafür sind Sie zu loben. Aber wer weiß schon, was die SPD in der nächsten Großen Koalition sagen wird? Deswegen eine Anmerkung dazu: Herr Schäuble und die CDU möchten mit der Grundgesetzänderung zwei langgehegte Träume auf einen Streich wahrmachen: endgültig die Trennung von Polizei und Militär aufheben, um sie je nach Belie- ben und ohne Bundestagsmandat einsetzen zu können, und zweitens den Einsatz der Bundeswehr im Innern er- möglichen. Ich sage Ihnen: Das werden wir nicht mitma- chen, und ich hoffe, die jetzige diesbezügliche Mehrheit in diesem Plenum, die das nicht mitmacht, wird noch lange erhalten bleiben. (Beifall bei der LINKEN) Wir müssen ehrlich sein: Die Piratenbekämpfung ist bei diesen Plänen nur ein Vorwand. Sie wird nicht nur missbraucht, um die strikte Trennung von Polizei- und Militäraufgaben aufzuheben und schließlich den Einsatz der Bundeswehr im Innern vorzubereiten. Sie wird auch missbraucht – und da sitzt leider die SPD mit im Boot –, um den Einsatz der Bundeswehr zum Schutz strategi- scher Seetransporte zu legitimieren und um eine weitere massive Aufrüstung der Bundeswehr zu rechtfertigen. (Eduard Lintner [CDU/CSU]: Sollen wir das Feld den Piraten überlassen?) Nur eines ist Ihnen offensichtlich vollkommen aus den Augen geraten, nämlich die Piraterie bei den Wurzeln zu packen. Sie haben vom Aufbau und der Stabilisierung 24184 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Dr. Norman Paech – ich erinnere an die letzte Debatte – der staatlichen Strukturen in Somalia geredet, aber nichts Konkretes un- ternommen. Sie haben die Autoritäten von Somaliland und Puntland, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Pi- raterie haben, überhaupt nicht in Ihre Überlegungen ein- gebunden. Was haben Sie für die Beendigung der Anti- Terror-Angriffe der USA auf Somalia und zur Durchset- zung des Waffenembargos der UNO getan? Nichts! Den Vorschlag einer internationalen, zeitlich begrenzten Küs- tenwache unter Führung der UNO und der AU haben Sie nicht einmal aufgegriffen. Und was hat die EU gegen den illegalen Fischfang und die Müllverklappung vor der Küste Somalias getan, die den Fischern die Existenz ge- raubt haben, sodass sie vom Fischfang zum Schiffsfang übergehen mussten? Gar nichts! Es sind ja nicht nur koreanische oder japanische Fischfangflotten, die dort räubern, sondern auch Euro- päer unter den Billigflaggen Kambodschas – stellen Sie sich vor: Kambodscha, ohne jegliche Küste, aber mit ei- ner Billigflagge – und Panamas. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Kambodscha hat eine Küste!) Wieso setzen Sie sich nicht gegen diese Art der Piraterie ein, die die Lebensgrundlagen der Küstenbevölkerung zerstört hat? Geben Sie – das zum Schluss – den Fischern ihre Fanggründe zurück! Dann würden Sie sehr viel mehr gegen die Piraterie machen als mit den Fregat- ten und der GSG 9. Danke sehr. (Beifall bei der LINKEN – Eduard Lintner [CDU/CSU]: So viel Naivität!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In- nern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte in dieser Debatte doch erwähnen, dass sich die Besat- zung der am 4. April um 7.20 Uhr gekaperten „Hansa Stavanger“ – fünf deutsche Staatsangehörige und 19 weitere Personen – noch immer in Geiselhaft befin- det. Ich finde schon, wir sollten nicht mit Fischfangpro- blemen davon ablenken, dass Piraterie, Geiselnahme und die Kaperung von Schiffen menschenwidrige Verbre- chen sind und dass wir dieser Form von organisierter Kriminalität wirklich ein Ende machen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich hatte durchaus meine Probleme mit der Formulie- rung des Themas dieser Aktuellen Stunde, Herr Kollege Trittin; denn alle beteiligten Bundesminister haben wie- derholt erklärt, dass es zu keinem Zeitpunkt irgendeine Differenz zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Bun- desministerium der Verteidigung und dem Bundesminis- terium des Innern in dieser Frage gegeben hat. Wir wa- ren uns im Krisenstab, in dem unter der Federführung des Auswärtigen Amtes alle beteiligten Bundesbehörden zusammenarbeiten, von Anfang an einig, dass man un- mittelbar nach der Entführung versuchen muss, zu ver- hindern, dass das Schiff in der Nähe der somalischen Küste auf Reede kommt. Das hat der Kapitän der Fre- gatte der Bundeswehr nicht verwirklichen können, weil das aus seiner Sicht – und er musste diese Entscheidung treffen – mit einer nicht zu verantwortenden Gefahr für das Leben der Geiseln verbunden gewesen wäre. Da- raufhin haben wir im Krisenstab völlig einvernehmlich entschieden, dass der Versuch unternommen werden müsse, die Geiseln zu befreien. Ob das zum Erfolg füh- ren würde, konnten wir nicht wissen. Wir haben immer gesagt, dass am Ende der vor Ort führende Komman- deur, Herr Lindner, beurteilen und entscheiden muss, was zu tun ist. Ich bedanke mich für die anerkennenden Worte für die GSG 9 wie für die KSK. Beide Einheiten haben den Respekt und den Dank des ganzen Hauses verdient. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auf jeden Fall haben wir im Krisenstab entschieden, dass die GSG 9 – mit dem damit notwendigerweise ver- bundenen Aufwand – in die Nähe des Frachters verlegt werden muss; denn sonst hätten wir von vornherein nicht einmal den Versuch unternommen, die in Geiselhaft Ge- nommenen zu befreien und zu retten. In dieser Frage hat es – das will ich angesichts der Debatten über Rechtsfragen hinzufügen – nie ein Rechtsproblem gegeben; das hat auch niemand behaup- tet. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aha! – Wolfgang Wieland [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum kommt dann wieder die Forderung nach Grundgesetzände- rung?) – Sie haben eines nicht erwähnt: Die Bundeswehr ist im Rahmen der europäischen Mission „Atalanta“ mit drei Fregatten und weiteren Kräften dort im Einsatz; das ist völlig unstreitig. Zu ihren Aufträgen gehören die Pirate- riebekämpfung und notfalls auch die Rettung und Befreiung von Geiseln. Sie wissen aber, dass die militä- rische Führung der Mission „Atalanta“, die bei Großbri- tannien liegt, bisher nicht in einem einzigen Fall eine Initiative zur Befreiung eines gekaperten Schiffes ergrif- fen hat. Das ist ein Faktum. Ich habe das nicht zu kom- mentieren, aber es ist Realität. Alle Aktionen, die bisher zur Befreiung von gekaperten Schiffen unternommen worden sind, gehen ausschließlich auf nationale Initiati- ven und in keinem Fall auf Initiativen von europäischen oder sonstigen internationalen Missionen zurück. Nun ist wiederum unstreitig, dass auf Grundlage der geltenden Verfassung eine nationale Aktion zur Befrei- ung eines gekaperten Schiffes zweifelsfrei originäre Aufgabe der Bundespolizei – so steht es auch im Bun- despolizeigesetz – und nicht der Bundeswehr ist. So ist die Rechtslage. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24185 (A) (C) (B) (D) Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble (Rainer Arnold [SPD]: Was ist mit dem Parla- mentsbeteiligungsgesetz? Ist das verfassungs- widrig?) – Nein, überhaupt nicht. Das Parlamentsbeteiligungsge- setz – das muss ich Ihnen nicht erklären, Herr Kollege Arnold – sieht vor, dass bei verfassungsrechtlich zulässi- gen Einsätzen der Bundeswehr das Parlament zu ent- scheiden hat. Aber das Parlamentsbeteiligungsgesetz er- setzt natürlich nicht die verfassungsrechtliche Grundlage für einen Einsatz der Bundeswehr, und die ist nun einmal so, dass der Einsatz der Bundeswehr nach Art. 87 a nur zur Verteidigung und darüber hinaus ausdrücklich nur in den vom Grundgesetz geregelten Fällen zulässig ist. Pi- rateriebekämpfung gehört unstreitig nicht dazu. Es gibt eine weite Auslegung des Grundgesetzes, nach der auch Piraterie als Angriff zählt. Nach der engen Interpretation ist das allerdings nicht der Fall. Deswegen haben wir im- mer vorgeschlagen, eine klarstellende Ergänzung im Grundgesetz vorzunehmen, wenn man zur Pirateriebe- kämpfung die Bundeswehr außerhalb internationaler oder europäischer Missionen einsetzen will. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Genau darum ging es!) – Im Rahmen der Operation „Atalanta“ ist ein solcher Einsatz nicht streitig, Herr Kollege Trittin; das hat auch niemand behauptet. Unstreitig ist auch, dass bei dieser Operation solche Aktionen bisher in keinem einzigen Fall durchgeführt wurden, also auch nicht im Fall der „Hansa Stavanger“. Mit all diesen brotlosen Debatten helfen wir den in Geiselhaft befindlichen Deutschen und den anderen Besatzungsmitgliedern der „Hansa Stavan- ger“ nicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine zweite Bemerkung. Ich habe mich noch heute Morgen beim Verteidigungsminister und auch beim Au- ßenminister vergewissert, dass wir in der Beurteilung völlig übereinstimmen. Es hat zu keinem Zeitpunkt ir- gendeine Meinungsverschiedenheit, geschweige denn ein Kompetenzgerangel zwischen den beteiligten Minis- terien gegeben. Wahrheitswidrige Behauptungen werden auch durch Wiederholung nicht wahr. Ich muss sie mit Entschiedenheit zurückweisen. Die Bundeswehr hat keinen Hubschrauberträger. An- gesichts der Tatsache, dass die „Hansa Stavanger“ vor der Küste Somalias auf Reede liegt – Somalia ist be- kanntlich ein „failed state“ – und somit eine Operation von Land aus nicht möglich gewesen ist, benötigte die GSG 9 für einen möglichen Einsatz eine Basis, um von See aus operieren zu können. Dazu brauchte sie einen Hubschrauberträger für sechs gleichzeitig operierende Hubschrauber, so die Lagebeurteilung des zuständigen Kommandoführers. Einen solchen Hubschrauberträger hat die Bundesmarine aber nicht. Er ist auch nicht inner- halb von ein paar Wochen zu beschaffen; es dauert schon ein bisschen länger. Dies sage ich, damit alle wissen, worüber wir reden. Auch die Bundespolizei hat keinen derartigen Hubschrauberträger. Deswegen waren wir dankbar, dass die Vereinigten Staaten von Amerika be- reit gewesen sind, den Hubschrauberträger USS „Boxer“ für den Einsatz zur Verfügung zu stellen. Damit nicht solch sinnlose Debatten geführt werden, die einfach nur zur Verdrehung der Tatsachen führen, will ich deutlich sagen, dass die Vereinigten Staaten das Einsatzkom- mando über die USS „Boxer“ nicht an die Bundeswehr und schon gar nicht an die Bundespolizei abgetreten ha- ben. Das hat auch niemand erwartet. Und nun haben wir gesagt: Wenn man es nicht ver- sucht, hat man keine Chance. Wir sind alle traurig, dass das Vorhaben nicht gelungen ist. Am Ende haben wir die Entscheidung gemeinsam und ohne irgendwelche Mei- nungsunterschiede bei der Lagebeurteilung – und sei es nur in Nuancen – getroffen. Wir haben es Ihnen auch ge- sagt – einige von Ihnen waren dabei anwesend –: Ange- sichts des schwierigen Einsatzes war die Beurteilung der Beteiligten vor Ort: Es handelt sich zwar um einen ris- kanten Einsatz, aber das Risiko ist beherrschbar. So war die Beurteilung der Verantwortlichen der GSG 9 vor Ort und der verantwortlichen Offiziere auf der USS „Boxer“. Die amerikanischen Freunde und Partner konnten bei ei- ner Übung der GSG 9 sehen, wie leistungsfähig sie ist. Aber es gab auch die gegenteilige Auffassung. Die eine Auffassung ist so legitim wie die andere. Da wir am Ende nicht zu der einvernehmlichen Beurteilung gekom- men sind, dass der Einsatz vertretbar und das Risiko be- herrschbar ist, musste der für den Einsatz der Bundes- polizei im Ausland zuständige Bundesinnenminister – nur er und niemand sonst ist zuständig; man kann das im Bundespolizeigesetz nachlesen – im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt die Entscheidung treffen: Wir rufen die GSG 9 zurück. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Die Entschei- dung war richtig, Herr Schäuble! Eine sehr richtige Entscheidung!) – Aber es war auch die Entscheidung richtig, es wenigs- tens zu versuchen, indem wir die GSG 9 dorthin verlegt haben. (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wies- loch] [SPD] – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Auch richtig!) Es ist nicht zutreffend – ich weise diese Unterstellung mit Entrüstung zurück –, dass unterschiedliche Auffas- sungen innerhalb der Bundesregierung diese Aktion in irgendeiner Weise behindert hätten. Es ist auch nicht richtig, dass die GSG 9 für einen solchen Einsatz nicht ausreichend ausgerüstet ist. Ich behaupte, die GSG 9 ist wahrscheinlich die beste Polizeieinheit auf der Welt, wenn es darum geht, ein gekapertes Schiff zu befreien. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD und der FDP) Aber sie braucht für eine Operation von Seeseite – und das hat sie nicht – eine entsprechende Basis. So ist die Lage entstanden. Das ist der Sachverhalt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit allem Res- pekt: Wenn wir wollen – dafür spricht manches –, dass in Zukunft die Bundeswehr solche Einsätze fern von Europa durchführt, müssen wir eine verfassungsrechtli- che Klarstellung schaffen. Wenn die Bundespolizei das 24186 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble machen soll, dann braucht sie die logistischen Möglich- keiten für einen schnellen Transport – die hat sie nicht – und eine Basis, wenn sie von See aus operieren muss. Im Übrigen kann ich es nicht verantworten, dass sich prak- tisch die gesamte GSG 9 wochenlang fern von Deutsch- land befindet; (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Völlig richtig!) denn sie hat einen Auftrag im eigenen Land. Wenn wir über Konsequenzen aus diesen Erfahrungen reden wollen, dann lassen Sie uns in diesem Sinne da- rüber reden und nicht den Vorwurf erheben, irgendwel- che Kompetenzstreitigkeiten seien die Ursache dafür ge- wesen, dass diese Aktion am Ende nicht zum Erfolg geführt wurde. Ich bleibe dabei: Wir müssen Piraterie und Geiselnahme mit aller Entschiedenheit bekämpfen. Dazu werden wir unsere nationalen wie internationalen Anstrengungen weiter verstärken müssen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Omid Nouripour von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun- desminister, ich habe Sie am Ende Ihrer Rede wirklich nicht mehr verstanden. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Hätten Sie einmal zugehört!) Sie haben eingangs gesagt, dass vor Ort entschieden wird, ob das Risiko tragbar ist. Sie haben gesagt, dass vor Ort entschieden wurde, dass das Risiko nicht tragbar sei, und die Mission deswegen abgebrochen wurde. Auf der anderen Seite aber haben Sie gesagt, dass wir eine Grundgesetzänderung brauchen, weil „Atalanta“ solche Einsätze gar nicht vorsieht. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wo waren Sie denn gerade bei der Rede?) So, wie Sie das formuliert haben, macht es aus meiner Sicht keinen Sinn. Ich bitte Sie auch, auf den Titel der Aktuelle Stunde, die wir beantragt haben, zu schauen. Es geht nicht um ei- nen Kompetenzstreit innerhalb der Bundesregierung, was Sie mit großer Empörung zurückgewiesen haben, sondern um einen Kompetenzstreit, der dadurch ausge- löst wurde, dass Sie angefangen haben, über genau diese Grundgesetzänderung zu sprechen; denn das verunsi- chert die Bundespolizei. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die Aktuelle Stunde heißt aber anders!) Wir haben bei der Mission beobachtet, dass es einen Kompetenzstreit mit den Amerikanern gab, die bei die- ser Mission am Ende faktisch entschieden haben, was passieren soll. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Die haben entschieden!) Wir reden heute über ein eigentlich wahnsinnig lang- weiliges Thema. Die Union hat wieder einmal einen An- lass gefunden, über den Einsatz der Bundeswehr im In- nern zu sprechen. Eigentlich geht es Ihnen nur darum. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wer hat denn die Aktuelle Stunde beantragt? Wir doch nicht! Sie haben sie doch beantragt!) – Wir haben sie beantragt, weil die Langeweile in dem Augenblick ein Stück weit an Brisanz gewinnt, in dem die Bundeskanzlerin so agiert, wie wir es eigentlich von Oskar Lafontaine kennen. (Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Na, na, na!) – Doch. – Oskar Lafontaine macht das so. Er nimmt ir- gendeinen Anlass und redet dann darüber, dass die Bun- deswehr aus der ganzen Welt abgezogen werden muss. Die Bundeskanzlerin nimmt etwas, was mit dem Thema nichts zu tun hat, um zu sagen, dass wir das Grundgesetz ändern müssen, um das Trennungsgebot aufheben zu können. Mit diesem Trennungsgebot leben wir aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, seit 60 Jahren hervorragend. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieser Populismus ist der Grund, warum wir diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Heute habe ich eine Aussage von Horst Seehofer gelesen, nach der Sie gegen Populismus eigentlich gar nicht viel haben. Das sei ein- mal dahingestellt; dennoch: Diese Debatte ist aus unse- rer Sicht brandgefährlich. Das Geschenk, das die Bun- deskanzlerin und der Bundesinnenminister diesem Land zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes machen, ist wirk- lich fragwürdig. Vor allem aber muss bedacht werden – Herr Minister, Sie haben es selbst gesagt –, dass es immer noch 24 Geiseln gibt. Es geht um das Leben dieser Menschen. Deshalb muss man sich überlegen, ob dies die richtige Zeit ist und ob diese Grundsatzdebatte eine Hilfe für die Menschen ist, die sich noch immer in den Fängen der Pi- raten befinden; denn eine Debatte über eine Grundge- setzänderung verunsichert die GSG 9, das KSK und die Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Das ist aus unserer Sicht der tollen Arbeit, die diese Kräfte vor Ort leisten, nicht angemessen. Wenn wir uns diese Debatte genau anschauen, kommen wir aber zu dem Schluss, dass Sie die für eine Grundgesetzänderung erforderlich Mehrheit niemals bekommen werden. Wir schöpfen Hoffnung, dass die SPD doch nicht jeden Unsinn mitmacht, der in- nerhalb der Koalition vorgelegt wird. Die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, legen die- sen Schluss nicht unbedingt nahe. Ein Punkt ist noch offen. Wir reden hier über Pirate- rie. Sie machen sich ein Stück weit darüber lustig, dass die Fischerei vor Ort, die auch von deutschen Fische- reiflotten betrieben wird, ein Problem ist. Das ist aber ein sehr ernstes Thema. „Atalanta“ ist zwar notwendig, um Symptome zu bekämpfen; „Atalanta“ reicht aber Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24187 (A) (C) (B) (D) Omid Nouripour nicht aus, um die Ursachen zu bekämpfen. Darum aber geht es. Wenn wir gegen Piraterie erfolgreich sein wol- len, müssen wir auch auf der Landseite etwas tun. Wir brauchen endlich ein politisches Konzept für die ge- samte Region. Seitens der Bundesregierung ist dazu bis- her nichts zu hören. Wir haben auch auf der Seeseite Verpflichtungen, zum Beispiel wenn es um Müllentsor- gung geht. Es geht beispielsweise auch darum, dass un- sere eigenen Fischfangflotten den Boden für soziale Pro- bleme bereiten, die die Menschen in die Piraterie treiben. Es gibt auch auf der militärischen Seite Probleme. Es ist ein Wirrwarr ohnegleichen; es gibt ganz wenig Koor- dination. Es gibt die Operation „Atalanta“, aber auch Operationen der NATO und anderer. Herr Minister, Sie haben gerade davon gesprochen, es gebe drei deutsche Fregatten im Rahmen der Operation „Atalanta“. Das stimmt nicht. Wir sind dort auch noch im Rahmen der Operation Enduring Freedom. Wir können eigentlich nur hoffen, dass die Flaggenoffiziere jeweils rechtzeitig re- agieren. Es gibt auch noch Schiffe aus China, Japan, dem Iran, Pakistan, Indonesien, Singapur usw. Die Koor- dination funktioniert überhaupt nicht. Die Bundesregie- rung sollte auch auf UN-Ebene Druck machen, dass sich das ändert. Die Arbeit ist nicht nur unkoordiniert, son- dern es gibt auch kein Konzept, keinerlei Richtung sei- tens der Bundesregierung. Es ist jetzt mehrfach gesagt worden, dass die Bundes- wehr die benötigten Hubschrauberträger nicht hat. Wir haben gar nicht bemängelt, dass die Amerikaner einge- schaltet worden sind. Wir haben auch nichts dagegen, dass die Amerikaner helfen. Aber vor über einem Jahr haben die Verteidigungsminister der EU beschlossen, dass die EU in Notlagen, speziell in Fällen von Geisel- nahmen, zusammenarbeitet und dass es Koordination und Kooperation gibt. Wir wissen, dass die Holländer ei- nen solchen Hubschraubträger haben. Aber bisher ist auch da nichts passiert. Das Einzige, das wir zum Thema europäische Kooperation hören, ist ein Lamenti vom In- nenminister, der sagt: Was sollen wir machen? Im Rah- men der Operation „Atalanta“ wird ja nicht das Richtige getan. Es stellt sich die Frage, ob versucht wurde, diese Ko- operation zustande zu bringen. In der Europäischen Union gibt es genügend Kapazitäten; aber sie werden nicht ausreichend koordiniert. Wir sind der Meinung, dass Kooperation und Koordination vorangebracht wer- den müssen. Dies kann nicht ersetzt werden durch das, was in den letzten Tagen in einer Zeitung „Operation En- terhaken“ genannt wurde, eine Operation, durch die Sie versuchen, unter dem Deckmantel der Pirateriebekämp- fung das zu erreichen, was Sie immer schon wollten, nämlich die Möglichkeit eines Einsatzes der Bundes- wehr im Inland. Das wird weder dem Problem gerecht noch der Ernsthaftigkeit der Lage, der Todesgefahr, in der sich die Geiseln befinden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Rainer Arnold von der SPD-Fraktion. Rainer Arnold (SPD): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist sicherlich richtig, dass bei Entführungsfällen alle Op- tionen bis hin zu einer gewaltsamen Befreiung auf dem Tisch liegen müssen. Allerdings ist ebenso richtig, dass Deutschland diese Option in der Vergangenheit nicht wirklich gezogen hat, weil man gewusst hat, wie gefähr- lich das ist. Das gilt umso mehr, wenn es darum geht, ein 170 Meter langes Schiff, auf dem sich Piraten eingerich- tet haben, zu befreien. Deshalb glaube ich, dass wir auf- passen müssen, Herr Kollege Uhl, nicht mit leichtferti- gen starken Sprüchen in der deutschen Öffentlichkeit „Schiffe versenken“ vom Abgeordnetenschreibtisch aus zu spielen. Dazu ist die Situation zu ernst. Es geht nicht darum, ein Zeichen zu setzen. Es geht auch nicht darum, Staatsräson zu zeigen, wenn es in Entführungsfällen um Geld geht und Menschenleben in Gefahr sind. Es geht letztendlich darum, die entführten Menschen gesund und wohlbehalten nach Hause zu bringen und die Polizisten und die Soldaten nicht zu gefährden. Das ist das Ziel. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Hier wird kritisiert, es gebe innerhalb der Bundes- regierung Streit. Herr Trittin, meine Beobachtung im Verteidigungsausschuss ist das nicht. Ich habe allerdings in der Vergangenheit und auch in diesem Fall immer wieder beobachtet: Das Ressortprinzip in Deutschland hat nicht nur Nachteile, sondern bietet auch Chancen, weil im Krisenstab unterschiedliche Sichtweisen der un- terschiedlichen Ressorts auf den Tisch kommen. Ich sage Ihnen als Verteidigungspolitiker: Mich beruhigt sehr, dass gerade die führenden Militärs in solchen Si- tuationen besonders nachdenklich, sorgsam und risiko- abwägend sind. Ich bin den Soldaten dafür dankbar. (Beifall bei der SPD) Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, be- trifft die Äußerungen des Innenministers. Herr Schäuble, ich glaube, dass Sie auch heute wieder nur die halbe Wahrheit berichtet haben. Ich erinnere daran, dass es für manchen in Ihren Reihen sehr mühsam war, überhaupt zu akzeptieren, dass die Marine unter einer Bundestags- mandatierung die Piraterie bekämpfen darf. (Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister: Das ist absurd!) Es hat ein paar Wochen gedauert, bis man so weit war. Inzwischen sind wir auf einem gemeinsamen Stand. Sie lassen aber Folgendes weg: Es gibt eine Legitimation für einen möglichen Einsatz. Ich bin der Meinung – viele Verfassungs- und Völkerrechtler haben das bestätigt –, dass die schon von uns unterzeichnete internationale Seerechtsübereinkunft in Verbindung mit Art. 25 unserer Verfassung unseren Einsatz legitimiert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Es ist nicht richtig, was Sie hier sagen. Herr Schäuble, Sie verwirren – das finde ich ziemlich schlimm – die Soldaten. 24188 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Rainer Arnold Es gibt noch eine weitere Legitimation. Wir haben in den letzten Jahren bei Geiselnahmen immer wieder Teile der Bundeswehr zur Vorbereitung von möglichen Befrei- ungsaktionen mit ins Ausland geschickt. Haben wir das ohne Rechtsgrundlage getan? War das, was der Innenmi- nister da getan hat, etwa verfassungswidrig? Nach Ihrer heutigen Rede wäre das tatsächlich verfassungswidrig. Schließlich sagen Sie, dass das nach dem Parlamentsbe- teiligungsgesetz nicht zulässig ist. Sie haben es aber sel- ber gemacht. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht dies auch vor. In § 5 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Bundes- wehr zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefah- renlagen, wenn Gefahr im Verzug ist, auch mit einer nachgelagerten Beschlussfassung des Bundestages ein- gesetzt werden darf. Das ist eindeutig. Dieses Gesetz ist verfassungskonform. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde es ziemlich traurig, dass Sie Irritation bei den Soldaten schaffen, die wir in einen schwierigen Ein- satz schicken. Mein Anliegen ist, dass wir in solch erns- ten Situationen in der Koalition die Verantwortung gemeinsam deutlich machen und nicht unnötige Verfas- sungsdebatten lostreten. Ansonsten entsteht hier sehr schnell der Eindruck: In diesen Debatten steht vor unse- rer Verantwortung gelegentlich parteitaktisches Verhal- ten. – Dies hilft den Menschen auf den Schiffen nun wirklich nicht. Es geht darum, aus den Vorgängen zu den Entführun- gen die richtigen Folgerungen zu ziehen. Eine ganze Reihe von Folgerungen wurde schon genannt. Ich habe noch ein weiteres Anliegen: Ich bitte die Bundesregie- rung, zumindest mittelfristig darauf zu drängen, dass pa- rallele Mandate wie OEF, Operation „Atalanta“, Opera- tionen der NATO und vieler anderer Nationen unter der Führung der UNO ausgeübt und dadurch legitimiert wer- den. Dies würde Sinn machen und Synergieeffekte schaffen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ein letzter Punkt. Auch wenn die Bundesregierung hier sehr kollegial und kooperativ zusammengearbeitet hat, sehen wir: In der operativen Praxis knirscht es gele- gentlich zwischen Polizei und Truppe. Dies kann man ändern, (Dr. Max Stadler [FDP]: Das muss man!) wenn der politische Wille da ist. Sie müssen auch zu- sammen üben, weil wir über Nacht über keine anderen Fähigkeiten verfügen werden. Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als die vorhandenen Kräfte in den nächsten Jahren sinnvoll zu bündeln. Diese Zusammen- arbeit wird allerdings nur dann gut gelingen, wenn die sensiblen Teile – Elitetruppen haben ein komplexes in- neres Gefüge – am Ende nicht das Gefühl haben: Die ei- nen sind die Helden und werden gefeiert, wenn sie aus dem Flugzeug steigen; die anderen leisten nur die Unter- stützung. – Wir brauchen hier wirklich eine gute und faire Partnerschaft auf Augenhöhe. Damit will ich sagen: Wir könnten eine ganze Menge tun, um die Situation am Horn von Afrika zu verbessern. Gesetzesänderungen helfen uns da nicht weiter, weil sie nicht notwendig sind. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Und das in einer Regierung! Das kann doch wohl nicht wahr sein! – Gegenruf des Abg. Hellmut Königshaus [FDP]: Was für eine Re- gierung?) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Bernd Siebert von der CDU/CSU-Fraktion. Bernd Siebert (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorwurf der Grünen, es gebe innerhalb dieser Bundesre- gierung einen Kompetenzstreit im Zusammenhang mit der Überwachung des internationalen Seeverkehrs vor der Küste Somalias, hat sich durch diese Debatte in Luft aufgelöst. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein, bestätigt!) Von diesen Vorwürfen haben wir in Ihren Reden nichts mehr gehört, Herr Trittin. (Beifall bei der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Siebert hat offensichtlich nicht aufgepasst!) Ich jedenfalls habe einen solchen Kompetenzstreit zu keinem Zeitpunkt erkennen können. Vielmehr war es eine Frage der Vernunft, angesichts der unübersichtli- chen Lage für die Geiseln auf einen Einsatz zu verzich- ten. Das war eine politische Entscheidung unter Feder- führung des Außenministeriums gemeinsam mit dem Innenministerium und dem Verteidigungsministerium. Das ist in den Diskussionsbeiträgen deutlich geworden. Das Leben der Geiseln – übrigens sind sie immer noch Geiseln – stand und steht im Vordergrund. Dies sollte auch bei unseren zukünftigen Diskussionen und Ent- scheidungen so bleiben. Die Bundesregierung hat im Dezember 2008, als es um die Beteiligung an der EU-geführten Operation „Ata- lanta“ ging, entschieden, der Piraterie auf hoher See Ein- halt zu gebieten. Um diesen Auftrag der Vereinten Nationen und der Europäischen Union zu erfüllen, dür- fen alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt ergriffen werden; so jedenfalls steht es im vom Deutschen Bundestag verab- schiedeten Mandatstext. Dieses Mandat sollte die Grundlage für Einsätze zur Evakuierung oder Befreiung von Geiseln sein. Ich plädiere dabei für ein pragmati- sches Vorgehen, das heißt, dass in einem Fall wie dem der „Hansa Stavanger“ alle verfügbaren deutschen Kräfte, ob militärisch oder polizeilich, an der Operation beteiligt werden sollten. Wenn man erfolgreich sein will, muss man das Beste, was man hat, zusammenführen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24189 (A) (C) (B) (D) Bernd Siebert An dieser Stelle möchte ich den Soldatinnen und Sol- daten der Bundeswehr, die seit Dezember 2008 im Ein- satz sind, meine besondere Hochachtung für ihre Leis- tungen vor Ort aussprechen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich möchte aber auch den Polizeibeamten der GSG 9 danken für den professionellen Einsatz, den sie in den letzten Wochen am Horn von Afrika bewiesen haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD und des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Eine Änderung des Grundgesetzes, über die derzeit diskutiert wird, wäre wünschenswert – dazu bekenne ich mich eindeutig – und würde zu mehr Rechtssicherheit führen. Sie sollte daher mittelfristig auf der politischen Tagesordnung bleiben, auch wenn im Moment – hier sind wir sehr wohl realistisch – keine Mehrheit im Deut- schen Bundestag vorhanden zu sein scheint, um eine sol- che Entscheidung zu treffen. Was den aktuellen Einsatz angeht, ist es wichtig, un- terhalb einer grundgesetzlichen Änderung für klare Ver- hältnisse zu sorgen. (Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP]) Die Erfahrungen, die beim abgebrochenen Einsatz gegen die Piraten im Fall der „Hansa Stavanger“ gemacht wor- den sind, müssen im Hinblick auf zukünftige Rechtsaus- legungen Berücksichtigung finden. Die Übertragung von Befreiungsoperationen in die Zuständigkeit der Bundes- polizei ist, so glaube ich, eine deutsche Verengung, die nicht durch das „Atalanta“-Mandat erzwungen wird. Im Falle von Geiselnahmen steht die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zur Disposition. Hier muss die Politik entscheiden, und sie hat entschieden. Dies sollte sie natürlich auf rechtlich sicherem Fundament tun. Sie sollte sich aber nicht selbst zur Geisel juristischer Grundsatzdiskussionen machen. Dafür hat die Bevölke- rung – davon bin ich zutiefst überzeugt; viele Gespräche machen dies deutlich – zu Recht wenig Verständnis. Sie hat auch kein Verständnis dafür, dass sich die internatio- nale Gemeinschaft gegenüber einer Gruppe von Piraten als ohnmächtig erweist. Die Handlungsfähigkeit des Staates gegenüber Krimi- nellen und die Sicherstellung des Schutzes unserer Staatsbürger stehen auf dem Spiel. Ich weiß, dass so- wohl die GSG 9 als auch das KSK über Fähigkeiten zur Geiselbefreiung verfügen. Diese Fähigkeiten könnten trotz unterschiedlicher Ausrüstung und Taktik sogar Sy- nergieeffekte zur Folge haben, die wir nutzen sollten. Beide Kommandos arbeiten hochprofessionell und leis- ten Hervorragendes. Es sollte ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der es ermöglicht, diese Professiona- lität massiert zum Einsatz zu bringen. Ich bedanke mich herzlich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Rolf Mützenich von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Herr Präsident, auch wenn Sie das einem Rheinländer nicht zutrauen: Ich habe meine Promotion ordentlich ab- geschlossen und dafür auch geschwitzt. Es wäre also schön, wenn das in Zukunft auch beim Aufruf manchmal berücksichtigt wird. Sie wissen, ich bin da nicht klein- lich; aber das als Hinweis. Meine Damen und Herren, Herr Bundesinnenminis- ter, ich glaube, es ist vollkommen richtig, dass man in den letzten Wochen erwogen hat, die Geiseln mithilfe der GSG 9 bzw. des KSK zu befreien. Es war aber rich- tig, zum Schluss zu sagen: Das Risiko ist zu groß. Es geht um die Sicherheit und um den Schutz der Gei- seln, es geht auf der anderen Seite aber auch um das ange- messene Mittel. Ich kann nicht verstehen – das muss ich sagen, Herr Bundesinnenminister –, dass die Bundeskanz- lerin am Wochenende ohne Not eine Debatte über eine an- gebliche Lücke innerhalb der Verfassung vom Zaun ge- brochen hat. Diese Debatte war bereits am Montag wieder verpufft, und zwar weil es diese Lücke nicht gibt: Für die Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika im Rah- men der Mission der Vereinten Nationen ist der rechtliche Rahmen geschaffen worden, und auch bei der EU-Mis- sion „Atalanta“ gibt es rechtlich genügend Spielraum für entsprechendes Handeln. Es war falsch, dass die Bundes- kanzlerin diese Debatte provoziert hat. Schon am Montag, als das Schauspiel der unterschiedlichen Ressorts zu beo- bachten gewesen ist, haben die einen gesagt, dass der rechtliche Rahmen reicht. So muss der Bundesinnenmi- nister heute feststellen, dass es im Bundestag für das, was die Bundeskanzlerin angemahnt hat, keine Mehrheit gibt. Wir hätten uns diese Debatte ersparen müssen, und wir hätten sie uns bei einer richtigen Bewertung dieses Vorge- hens auch ersparen können. Ich glaube, das Mandat für die Bekämpfung der Pira- terie, das wir im Rahmen der EU-Mission „Atalanta“ er- teilt haben, ist vorbildhaft. Wir müssen daran erinnern, dass in den vergangenen Wochen und Monaten mit meh- reren Missionen erfolgreich gegen Piraterie vorgegangen worden ist. Das muss man sowohl gegenüber den Solda- ten, die dort im Einsatz sind, als auch gegenüber denjeni- gen, die diese Mission geplant haben, an dieser Stelle an- erkennend feststellen. Ich kann, weil die Uhr nicht läuft, nicht sehen, wie viel Redezeit ich noch habe. – Ich hoffe, ich habe zu Be- ginn keine Verwirrung hineingebracht. Ich meinte das wirklich nicht böse. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Meine Uhr läuft. Sie haben noch zwei Minuten. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So viel wie für Ihre Doktorarbeit nicht! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Minuten! Das andere waren Jahre!) 24190 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Nein, nein, nein; es hat lange genug gedauert. Ist doch nicht so schlimm. Regen Sie sich doch nicht so auf! Meine Güte! Lassen Sie mich auf eine Frage zurückkommen, die, wie ich finde, auch zu dieser Debatte gehört. Ich glaube, es ist, wie es der Kollege Struck vor einigen Tagen getan hat, notwendig, zu sagen, dass es sich der ein oder an- dere deutsche Reeder relativ leicht macht, wenn er die Schiffe ausflaggt, unter anderer Flagge fährt, aber die Bundesregierung bemühen will, Schutz herzustellen, und sich in den öffentlichen Debatten beschwert, dass die Bundeswehr bzw. die Bundesregierung nicht genug macht. Ich frage mich auch: Was machen Kreuzfahrtschiffe heute noch in dieser Region, die doch so stark gefährdet ist? Ich finde, es gehört zu einer ernsthaften Debatte, sich zu fragen, ob sich das Risiko, das der ein oder an- dere eingeht, rechtfertigen lässt. Zum Schluss. Ich glaube, es ist richtig, dass die Bun- desregierung die Mission „Atalanta“ außenpolitisch so eingeordnet hat, dass sie gesagt hat: Wir müssen den Wiederaufbau am Horn von Afrika mit politischen und finanziellen Maßnahmen unterstützen, insbesondere aber durch die Einrichtung eines regionalen Sicherheits- systems, das nicht allein von Somalia aus gewährleistet werden kann, sondern in das die anderen Anrainerstaa- ten ebenso einbezogen werden müssen. Es ist richtig, dass die afrikanischen Staaten versuchen, sich der He- rausforderung der Bekämpfung der Piraterie zu stellen. Sinnvoll ist auch, dass sich der russische Präsident Medwedew – Russland ist Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen – dafür ausgesprochen hat, zu überlegen, zur Bekämpfung der Piraterie einen Interna- tionalen Strafgerichtshof einzurichten. Ich glaube, die Bundesregierung täte gut daran, dieses Projekt zu unter- stützen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich möchte die weiteren Redner darauf hinweisen, dass die Uhr am Rednerpult ausgefallen ist. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr gut, Herr Präsident!) Ich mache aber die Redner durch Blinkzeichen darauf aufmerksam, dass ihre Redezeit abgelaufen ist. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wir können eine Piratenflagge aufziehen!) Das Wort hat jetzt der Herr Kollege Eduard Lintner von der CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön. Eduard Lintner (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- nen und Kollegen! Diese Veranstaltung trägt zwar den Namen „Aktuelle Stunde“, unsere Überlegungen aber müssen in der Tat über den Tag hinausgehen. Dazu ge- hört zunächst einmal die Feststellung, dass der Einsatz von Marine und Seestreitkräften anderer Staaten oder auch unserer Bundespolizei durchaus Erfolge aufzuwei- sen hat. Trotzdem müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass wir von einer endgültigen Beseitigung des Phänomens natürlich noch weit entfernt sind. So begierig die internationale Öffentlichkeit Einzeler- folge bei Einsätzen zur Kenntnis nimmt, so problema- tisch ist natürlich der Misserfolg. Dennoch möchte ich – wie viele Kollegen auch – feststellen: Die Entschei- dung musste so fallen, wie sie gefallen ist. Das sollte man eindeutig klarstellen. Wir müssen uns wirksame Al- ternativen zum ständigen Zahlen von Lösegeld schaffen; auch das ist bereits festgestellt worden. Daraus folgt für uns natürlich die wichtige Pflicht, sorgfältig zu analysie- ren, welche die tatsächlichen Ursachen für das Scheitern der Pläne zur Befreiung des deutschen Frachters waren, um daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen zu können. Diese Konsequenzen können natürlich nicht heißen, sich zurückzuziehen und den Piraten das Feld zu überlassen, wie es von den Linken empfohlen wurde. Es ist in diesem Zusammenhang durchaus bemer- kenswert, dass plötzlich alle der Meinung zu sein schei- nen, die Beauftragung durch die UNO für den Einsatz der Bundesmarine zur Geiselbefreiung sei ausreichend. Wenn Sie sich ehrlich erinnern, stellen Sie fest, dass dies in der Vergangenheit keineswegs immer so gewesen ist. Heute noch wird von Fachleuten – auch das sollten wir ehrlich zugeben – die Meinung vertreten, die Bundes- wehr bzw. die Bundespolizei bewegen sich bei bestimm- ten, durchaus möglichen Fallgestaltungen auf rechtlich unsicherem Terrain. Das hat nichts mit Verniedlichung, Verunsicherung oder gar Polizeipolitik zu tun, wie be- hauptet wurde. Ich denke, der Bundesinnenminister hat das gegebene Problem sehr präzise und zutreffend dar- gelegt. Da die rechtlich präzise Regelung für die natio- nale und internationale Realität im Interesse der aktiv beteiligten Soldaten und Polizeibeamten unverzichtbar ist, sollte eine Diskussion über angebliche oder tatsäch- lich vorhandene rechtliche Lücken sachlich möglich ge- macht werden. Die Diskussion der vergangenen Tage um eine not- wendige Grundgesetzänderung habe ich als Mahnung verstanden, rechtliche Unsicherheiten alsbald zu beseiti- gen. Ich fürchte nämlich, die jetzt gezeigte Einmütigkeit darüber, dass im Zusammenhang mit dem Einsatz gegen die Piraten alles rechtlich unproblematisch und voll ge- deckt sei, könnte schnell zerbrechen, wenn eine Aktion einmal misslingt und womöglich sogar Opfer zu bekla- gen sind. Wir alle wissen, in Wahlkampfzeiten ist die Versuchung besonders groß, es im Nachhinein schon im- mer besser gewusst zu haben. Einer solchen Situation dürfen wir die Entscheidungs- träger nicht aussetzen, weder in der Politik noch bei der Bundeswehr oder der Bundespolizei. Das käme einer Art Verweigerung von Verantwortung gegenüber Handeln- den gleich. Deshalb sollten wir in Ruhe – gegebenenfalls in der nächsten Legislaturperiode – darüber nachdenken, wie wir einen sicheren juristischen Boden für solche und ähnliche Einsätze schaffen können. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24191 (A) (C) (B) (D) Eduard Lintner Neben rechtlichen Mängeln wurden durch die ge- scheiterte Mission aber auch – darauf ist ebenfalls schon hingewiesen worden – Unzulänglichkeiten bei der Aus- stattung unserer Sicherheitsorgane aufgedeckt. Wir sind uns hoffentlich darin einig: Nur wenn wir für unsere Ein- satzkräfte eine gute und vollständige Ausstattung bereit- stellen – Stichworte sind hier Transportflugzeuge und Hubschrauberträger –, sind die Soldaten und Polizeibe- amten auch in der Lage, solche Situationen angemessen zu meistern. Ich finde, darüber müssen sich die Bundesregierung und auch der Bundestag schnell Gedanken machen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dieter Wiefelspütz von der SPD-Fraktion. Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klipp und klar am Anfang: Es wird mit der SPD weder in dieser Legislaturperiode noch in irgendeiner der zukünftigen Legislaturperioden eine (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Mehrwertsteuer- erhöhung geben!) Verfassungsänderung in Sachen Piraterie geben. (Beifall bei der SPD) Es wird keine Verfassungsänderung geben, weil wir sie nicht benötigen. Solange der Deutsche Bundestag Ver- stand hat, wird es keine Verfassungsänderung in Sachen Piraterie geben. Herr Bundesminister Schäuble, Sie wer- den uns nicht einreden können, dass wir an dieser Stelle nicht optimal aufgestellt sind. Wir haben in Deutschland keine verfassungsrechtli- chen Probleme und auch keine völkerrechtlichen Pro- bleme, wenn es um Piraterie geht. Wir haben möglicher- weise tatsächliche Probleme mit den operativen Fähigkeiten an der einen oder anderen Stelle. Ich will das gar nicht einmal kritisieren, weil die Bundeswehr heute Aufgaben hat, die sie vor einigen Jahren noch nicht hatte, und weil möglicherweise auch erst Kräfte ausgebildet und herangeführt werden müssen, um das zu tun, was man von ihr erwartet. Verfassungs- und völker- rechtliche Probleme haben wir an dieser Stelle aber nicht im Geringsten. Ich bin zunächst einmal froh, Herr Minister, dass es Übereinstimmung darin gibt, dass der Einsatz der Bun- deswehr im Rahmen der Operation „Atalanta“ voll und ganz durch das Völkerrecht und das Grundgesetz ge- deckt ist. Es würde mich allerdings auch sehr befremden, wenn der Verfassungsminister der Auffassung wäre, dass wir etwas Verfassungswidriges vor den Küsten von So- malia tun. Insoweit haben Sie also unsere volle Zustim- mung. Wir haben an dieser Stelle kein Problem. (Beifall bei der SPD) Ich will auch ausdrücklich hervorheben, Herr Minis- ter, dass es meinen ausdrücklichen Respekt hat – ich glaube, auch den Respekt meiner Fraktion –, dass die Operation der GSG 9 abgebrochen worden ist, weil es immer klüger ist, eine solche Entscheidung zu treffen, wenn das nicht zu verantworten ist, als wenn man vor Ort so etwas durchzieht, was dann in einem Blutbad en- det. Insoweit ist die Entscheidung, die Sie getroffen ha- ben, die richtige Entscheidung gewesen, die wir sehr re- spektieren. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eduard Lintner [CDU/CSU]) Ich will darauf hinweisen, dass Ihre Position, wir hätten ein Problem, wenn im Rahmen der Operation „Atalanta“ keine Geiselbefreiung durchgeführt werden würde, weswegen es zu einer Verfassungsänderung kommen müsse, nicht mit der Rechtslage in Überein- stimmung zu bringen ist. Ich will auch darauf hinweisen, dass die Piraterie seit Jahrhunderten mit Militärschiffen auf hoher See bekämpft wird. Das ist Völkergewohn- heitsrecht. Seit 1982 gibt es ein Seerechtsübereinkommen zur Bekämpfung der Piraterie, das allgemeines Völkerrecht ist. Dies ist über Art. 25 des Grundgesetzes und über Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes Gegenstand des Bun- desrechts, weil der Deutsche Bundestag dieses Überein- kommen ratifiziert hat. Die Bundeswehr ist in erster Linie beauftragt, ihre Einsätze im Rahmen von Systemen kollektiver Sicher- heit vorzunehmen. Das ist im Moment die Operation „Atalanta“. Wir sind nach allgemeinem Völkerrecht aber selbstverständlich auch befugt, die Bundeswehr auch au- ßerhalb von Systemen kollektiver Sicherheit einzuset- zen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was haben wir denn gemacht, Herr Minister, als wir die „Aktion Libelle“ in Albanien hier im Jahre 1997 durch den Bundestag genehmigt haben? Das war ein mi- litärischer Einsatz der Bundeswehr zur Rettung deut- scher Staatsbürger. Wir haben bei der Piraterie weder völkerrechtlich noch staatsrechtlich das geringste Pro- blem. Alles andere hinsichtlich der tatsächlichen Fähig- keiten der Bundeswehr und auch der GSG 9 sollten wir an anderer Stelle debattieren und vorantreiben. Ich persönlich bin durchaus aufgeschlossen, wenn es darum geht, dass auch KSK-Kräfte dort sind und ausge- bildet werden. Aber dies ist kein Problem unserer Ver- fassung, und es ist auch kein völkerrechtliches Problem. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Diese Debatte über die Ergänzung des Grundgesetzes zur Bekämpfung der Piraterie ist komplett überflüssig. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) 24192 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der Kollege Clemens Binninger von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. Clemens Binninger (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Anliegen der Grünen ist etwas wider- sprüchlich und wenig überzeugend. Wer glaubt, aus der Distanz vom Deutschen Bundestag in Berlin aus einen so schwierigen und komplexen Einsatz bewerten zu wol- len und dabei mit Worten um sich wirft wie mein Vor- redner Trittin, der von einer blamablen Operation ge- sprochen hat, mit der man in der ersten Liga mitspielen wollte und versagt habe, ist wenig überzeugend; das ist verantwortungslos. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Unsinn!) Es ist auch bezeichnend, dass beide Redner der Grü- nen die einzigen Redner waren – Herrn Paech lasse ich dabei aus –, die kein einziges anerkennendes oder loben- des Wort für die GSG 9 und ihre Beamten gefunden ha- ben. Das ist ungeheuerlich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Da haben Sie einfach nicht zugehört! Da haben Sie kurz weggehört! Das ist selek- tive Wahrnehmung!) Die Entscheidung des Bundesinnenministers ist von hohem Verantwortungsbewusstsein geprägt. Bei einem solchen Einsatz, bei dem sich die Lage nahezu täglich ändern kann, sind die Einschätzung der Lage und die Ri- sikoabwägung, um zu einer Entscheidung für oder gegen den Einsatz zu kommen, schwierig. Wenn der Einsatz für zu riskant gehalten wird, dann ist es richtig, so viel Verantwortung zu zeigen, sich gegen den Einsatz zu ent- scheiden, und zwar nicht aus rechtlichen, sondern aus tatsächlichen Gründen. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das haben aber faktisch die Amerika- ner entschieden!) Diese mutige und richtige Entscheidung verdient die Hochachtung unseres Hauses. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Hätte er die Entscheidung von Anfang an selber getroffen!) Das Phänomen der organisierten Piraterie zeigt, dass wir es mit einer typischen Bedrohungssituation des 21. Jahrhunderts zu tun haben, in der äußere und innere Sicherheit ineinander übergehen und militärische und polizeiliche Arbeit näher zusammenrücken. Ob Sie das hören wollen oder nicht, es resultiert aus einer asymme- trischen Bedrohung. Wir wären schlecht beraten, wenn wir diese Phänomene nicht in unsere Beurteilung einflie- ßen lassen würden. Wir müssen uns fragen, welches die richtige Stelle ist, um das Phänomen der organisierten Piraterie zu bekämpfen, und den Mut haben, zu erken- nen, dass es durchaus beide sein können: die Polizei, wenn sie das besonders gut kann, aber auch die Bundes- wehr, wenn ihre Unterstützung notwendig ist. Zudem bedarf es der Zusammenarbeit nationaler und internatio- naler Stellen. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Warum brauchen wir eine Grundge- setzänderung?) Wir sollten nicht so tun – bei der SPD klang das ein bisschen an –, als ob wir das einfach auseinanderhalten könnten und als ginge es um völlig problemlose Ein- sätze. Das sind sie eben nicht, und das müssen wir, glaube ich, auch berücksichtigen. Aus dem Einsatz müssen wir ein paar Schlussfolge- rungen ziehen. Die Bevölkerung fragt sich zu Recht, wa- rum viele Nationen mit einem großen Militärapparat es nicht schaffen, das Phänomen in den Griff zu bekom- men. Deswegen müssen wir uns fragen, ob wir neben der militärischen Komponente vor Ort mehr gegen die Hin- termänner dieser Form des organisierten Verbrechens tun müssen. Wenn es stimmt, worüber in den Medien be- richtet wurde, nämlich dass die Piraten mit Informatio- nen über Schiffsrouten bestimmter Reedereien versehen werden, um dann gezielt zuschlagen zu können, dann sollten wir, glaube ich, auch nachrichtendienstlich zu- sammenarbeiten, um den Hintermännern dieser Verbre- chensform das Handwerk zu legen, statt nur mit militäri- scher Präsenz vor Ort dagegen vorzugehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD – Omid Nouripour [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch dafür brauchen wir keine Grundgesetzänderung!) Wenn klar ist, dass wir für solche Einsätze Polizei und/ oder Militär bzw. nur Militär brauchen, dann ist eine weitere Schlussfolgerung, dass die Stelle, die einen Ein- satz durchführen muss, über die notwendige Ausrüstung verfügen muss. Es wurde viel über rechtliche Fragen debattiert. Das gehört zwar nicht zum Thema der Aktuellen Stunde, aber es wurde förmlich herbeigeredet. Das Innenministe- rium und das Außenministerium haben deutlich ge- macht, dass der konkrete Einsatz nicht aufgrund rechtli- cher, sondern tatsächlicher Probleme nicht fortgeführt werden konnte. Darin sind wir uns einig. Aber Sie soll- ten genau zuhören, wenn der Innenminister sagt: Gibt es Einsatzszenarien, bei denen es möglicherweise eine ver- fassungsrechtliche Lücke gibt? Dann wären wir gut be- raten, über diese Lücken zu diskutieren. Das von Ihnen, Herr Kollege Wiefelspütz, zitierte Völkerrechtsabkom- men – in Verbindung mit Art. 25 des Grundgesetzes – re- gelt zwar die Bekämpfung der Piraterie und gibt auch den Auftrag. Aber es regelt nicht, wer innerhalb eines Landes zuständig sein soll. Es besagt eben nicht, ob die Bundeswehr das machen soll. An dieser Stelle wäre eine Klarstellung in der Verfassung durchaus hilfreich. An- sonsten könnte es sein, dass irgendwann die Kräfte, die eingesetzt werden müssen, ganz alleine stehen. Das dür- fen wir nicht zulassen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24193 (A) (C) (B) (D) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- neten Volker Kauder, Renate Schmidt (Nürnberg), Johannes Singhammer und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Än- derung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes – Drucksache 16/11106 – – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- neten Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt, Andrea Nahles und weiteren Abgeordneten ein- gebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes zur Vermeidung und Be- wältigung von Schwangerschaftskonflikten – Drucksache 16/11347 – – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- neten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Ulrike Flach und weiteren Abgeordneten eingebrachten Ent- wurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes – Drucksache 16/11330 – – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordne- ten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner und weiteren Abgeordneten einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes – Drucksache 16/12664 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Aus- schuss) – Drucksache 16/12970 – Berichterstattung: Abgeordnete Johannes Singhammer Kerstin Griese Caren Marks Ina Lenke Jörn Wunderlich Irmingard Schewe-Gerigk b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und wei- terer Abgeordneter Späte Schwangerschaftsabbrüche – Selbst- bestimmungsrecht von Frauen stärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner und weiterer Abgeordneter Wirkungsvolle Hilfen in Konfliktsituationen während der Schwangerschaft ausbauen – Volle Teilhabe für Menschen mit Behinde- rung sicherstellen – Drucksachen 16/11377, 16/11342, 16/12970 – Berichterstattung: Abgeordnete Johannes Singhammer Kerstin Griese Caren Marks Ina Lenke Jörn Wunderlich Irmingard Schewe-Gerigk Im Anschluss an die Aussprache werden wir mehrere namentliche Abstimmungen durchführen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Diese Zeit soll nach dem Stärkeverhältnis der Unterzeichner der Vorlagen verteilt werden. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- nerin das Wort der Kollegin Ilse Falk. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ilse Falk (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich zu Beginn dieser nicht einfachen Debatte vor: Sie als werdende Mutter oder als werdender Vater sind voller Vorfreude, weil aus Ihrer Partnerschaft eine Familie werden wird, oder Sie freuen sich als Eltern auf ein weiteres Kind. Sie erwarten ein Wunschkind. Die Mutter nimmt regelmäßig – möglicherweise gemeinsam mit dem Vater des Kindes – die Schwangerschaftsvor- sorge wahr. Dann, eines Tages – die Schwangerschaft ist schon über die zwölfte oder sogar die zweiundzwanzigste Woche hinaus, oder das Kind wäre bereits außerhalb des Mutterleibes lebensfähig –, werden Sie mit einem Unter- suchungsergebnis konfrontiert, das signalisiert, dass ir- gendetwas mit dem Kind nicht in Ordnung ist. Plötzlich bricht eine Welt für Sie zusammen. Es wird dunkel oder nebelig im Kopf, und jedes logische Denken setzt aus. – So beschreiben sich Frauen, die eine solche Schocksitua- tion erlebt haben. Sie reagieren mehr oder weniger me- chanisch, um das vage „nicht in Ordnung“ abzuklären. Viel zu häufig setzt nach der Diagnose einer eventuellen Behinderung des ungeborenen Kindes ein Automatismus ein, der schnell dazu führt, dass Frauen zu einem Schwangerschaftsabbruch gedrängt werden. Sie ent- scheiden sich übereilt für einen Spätabbruch und merken erst zu spät, dass diese Entscheidung nicht trägt. Drei Dinge sind deshalb unabdingbar, damit Mutter und Vater eine gutbedachte Entscheidung für sich und ihr Kind treffen können. Erstens braucht die Mutter die Nähe und Begleitung eines vertrauten Menschen. Zwei- tens braucht sie das Angebot verständnisvoller fachli- cher Beratung. Drittens braucht sie Zeit. Den ersten Punkt kann Politik nicht regeln. Aber die beiden anderen Voraussetzungen können wir sehr wohl in das Schwan- gerschaftskonfliktgesetz aufnehmen. Ich bin froh, dass wir heute nach einer langen Zeit schwieriger und manch- mal heftig geführter Diskussionen die Chance haben, zu einem guten Abschluss zu kommen. Alle, die sich am Diskussionsprozess beteiligt haben, haben das gemein- same Ziel verfolgt, Frauen und ihren Partnern wirkungs- voller als bisher Beratung und Hilfe in einem kaum lös- baren Konflikt anzubieten. 24194 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Ilse Falk Schon bei der ersten Lesung zeigte sich, dass die drei Gesetzentwürfe – Kauder/Schmidt/Singhammer, Griese/ Göring-Eckardt/Nahles und Lenke/Laurischk/Flach – eng beieinanderliegende Vorstellungen über die Mittel zur Erreichung des gemeinsamen Ziels beinhalten. Ich bin dankbar und erleichtert, dass es gelungen ist, diese drei Entwürfe zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf zusam- menzuführen. Dabei waren alle Beteiligten bereit, einen Teil ihrer Vorstellungen aufzugeben und Kompromisse zu schließen. Wesentlicher Schwerpunkt in dem gruppenübergrei- fenden Gesetzentwurf, für den ich hier spreche, ist die Umsetzung der Forderung nach guter Beratung. Wir greifen sie auf, indem wir einen gewissen Druck auf Ärzte und Ärztinnen ausüben und festschreiben, noch stärker auf die Schwangere in großer Bedrängnis zuzu- gehen, sich in ihre Situation einzufühlen und ihr die Hand zu reichen, um mit ihr und ihrem Partner gemein- sam herauszufinden, ob und wie auch mit einem kranken oder behinderten Kind ein glückliches Leben gelingen kann. Viele machen das bereits mit großer Sorgfalt, aber wir hören auch immer wieder von dramatischen anderen Erfahrungen, und dem wollen wir begegnen: Schriftliche Informationsmaterialien, medizinisch-fachliche Bera- tung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von mit der Schädigung erfahrenen Kollegen, und der Hinweis auf bzw. die Vermittlung in psychosoziale Beratung sind als Pflicht für den Arzt bzw. die Ärztin festgeschrieben, werden aber ganz klar von der freien Entscheidung der Schwangeren abhängig gemacht, dieses Angebot in An- spruch nehmen zu wollen. Uns hier Zwangsberatung zu unterstellen, ist einfach unredlich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das zweite wesentliche Element unseres Gesetzent- wurfs ist die Antwort auf die Forderung nach mehr Zeit für den Klärungsprozess. Hier fehlt mir schlicht und er- greifend das Verständnis für die heftigen Angriffe auf unseren Vorschlag. Selbst wenn die Diagnose eine Be- fürchtung bestätigt und sich eine bereits gemachte Erfah- rung wiederholt, braucht man doch Zeit, um die Realität zu erfassen. Deshalb noch einmal klar und deutlich: Wir wollen, dass eine mindestens dreitägige Bedenkzeit nach der Diagnose und vor der schriftlichen Feststellung der Indikation eingehalten wird – nicht kürzer, aber bei Be- darf so lange wie gewünscht. Eine Ausnahme besteht dann, wenn eine akute Gefahr für das Leben der Schwangeren besteht. Geben wir doch den werdenden Eltern das Signal, in Ruhe über ihre Situation nachden- ken zu können, um dann gut informiert und gut bedacht eine Entscheidung zu treffen, die ein ganzes Leben trägt. Wegen der Kürze der Redezeit habe ich mich auf zwei der für uns wichtigen Aspekte beschränkt. Die Kollegin- nen und Kollegen, die nach mir sprechen, werden wei- tere wichtige Punkte benennen. Ich bitte Sie deshalb, alle Argumente gut abzuwägen, zu versuchen, sich in die Si- tuation der werdenden Eltern zu versetzen, die vor einer Entscheidung stehen, in der es um Leben und Tod geht, und am Ende eine gute Entscheidung zu treffen, indem Sie dem gruppenübergreifenden Gesetzentwurf Ihre Stimme geben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Christel Humme. Christel Humme (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Wir beenden heute eine lange und intensive Debatte. Ich danke ausnahmslos allen, die sich konstruktiv beteiligt haben, eine Lösung für Frauen in Konfliktsituationen während einer Schwangerschaft zu finden. Ich danke al- len Kollegen und Kolleginnen, den Ärzten, den Ärztin- nen, den Verbänden, und ich danke den Juristen und Ju- ristinnen und den Praktikerinnen und Praktikern in den Beratungsstellen für ihre inhaltliche Zuarbeit; denn erst dadurch ist es möglich geworden, heute einen zweiten Gesetzentwurf vorzulegen, über den es zu entscheiden gilt. Jeder einzelne Abgeordnete hat heute die Chance, eine klare Entscheidung über zwei Gesetzentwürfe zu treffen – über einen Gesetzentwurf, der in der Öffentlichkeit „Singhammer/Griese/und-andere-Vorschlag“, und einen anderen Gesetzentwurf, der in der Öffentlichkeit „Humme/ Schewe-Gerigk/und-andere-Vorschlag“ genannt wird. Worüber entscheiden wir heute? Was ist der entschei- dende Unterschied zwischen den Gesetzentwürfen, die heute zur Abstimmung stehen? Ich konzentriere mich auf drei wesentliche Unterschiede. Die drei zentralen Unterschiede betreffen erstens die Beratung, zweitens die Bedenkzeit und drittens die Regelung der Ordnungs- widrigkeiten. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wir möchten mit der Regelung zur Beratung in unserem Gesetz die Frauen unterstützen, indem wir die Beratung sehr früh ansetzen, nämlich schon vor den vorgeburtlichen Unter- suchungen. Dies geschieht auf zweierlei Weise. Erstens. Wir möchten die Frauen im Zusammenhang mit dem Mutterpass über ihren heute schon bestehenden Rechtsanspruch nach dem Schwangerschaftskonfliktge- setz informieren, denn häufig wissen Frauen gar nicht, dass sie diesen Rechtsanspruch haben. Damit erfüllen wir eine langjährige Forderung nach stärkerer Vernet- zung zwischen Arztpraxen und Beratungsstellen. Zweitens verpflichten wir die Ärzte, eine bessere Be- ratung über Chancen und Risiken von vorgeburtlichen Untersuchungen durchzuführen. Dies scheint uns sehr wichtig zu sein. Eine Frau soll sich gut informiert ent- scheiden können, welche vorgeburtlichen Untersuchun- gen sie machen lassen möchte und ob sie gar auf eine weitergehende derartige Untersuchung verzichtet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Denn wenn es uns wichtig ist, behindertes Leben zu schützen – das schwingt ja immer mit –, dann ist das Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24195 (A) (C) (B) (D) Christel Humme Recht auf Nichtwissen eine wichtige Voraussetzung da- für. Unser Gesetz sieht hierfür bessere Informationen und Beratungen zu Beginn der Schwangerschaft und vor den vorgeburtlichen Untersuchungen vor; dies fehlt in dem Gesetzentwurf Singhammer/Griese völlig. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wir verbessern natürlich die Beratungssituation auch dann – genau so, Frau Falk, wie Sie es gerade gesagt haben –, wenn ein Befund beim ungeborenen Kind und bei der Schwange- ren vorliegt; beides muss man zusammen sehen. Wir verpflichten auch in diesem Fall den Arzt, die Schwan- gere nochmals darauf hinzuweisen, dass sie sich in einer schwierigen Situation Hilfe und Unterstützung in einer unabhängigen Beratungsstelle holen kann. Dabei ist für uns ebenso wie für Sie zentral: In allen Fällen der Bera- tung setzen wir auf Freiwilligkeit, denn wir wissen, dass nur eine freiwillige Beratung tatsächlich angenommen wird. Ich komme nun zu dem Punkt, der in der Öffentlich- keit die größte Aufmerksamkeit gefunden hat, nämlich zur Ausgestaltung der Bedenkzeit. Wir legen gesetzlich fest, dass der Arzt zwischen dem Befund und der Fest- stellung der medizinischen Indikation eine ausreichende Bedenkzeit – in der Regel mindestens drei Tage – sicher- stellt. Damit machen wir die drei Tage zur Regel; aller- dings lassen wir Ausnahmen zu. Warum? Wir sind da- von überzeugt, dass der Gesetzgeber eine Öffnung für Härtefälle vornehmen muss. Alles andere würde die Notsituation der in Konflikt geratenen Frauen unnötig verschärfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was kann eine solche Notlage sein? Sie kann eintre- ten, wenn, wie in der Anhörung vorgetragen, zum Bei- spiel eine zweite Schwangerschaft mit dem gleichen Gendefekt des Ungeborenen auftritt wie bei der ersten und erneut eine Schwangerschaft abgebrochen werden muss. Die davon betroffene Frau beschäftigt sich seit Monaten, vielleicht seit Jahren mit der Frage, was pas- siert, wenn dieser traurige Fall ein zweites Mal eintritt. Braucht diese Frau zwingend, gesetzlich vorgeschrieben, zusätzlich drei Tage oder mehr Bedenkzeit? Was ist in einem anderen Fall, wenn das Kind ohne Hirn, ohne Lunge definitiv nicht überlebensfähig ist, aber keine ak- tuelle Lebensgefahr der Mutter besteht? Muss ich ihr zwingend gesetzlich drei oder mehr Tage Bedenkzeit aufbürden? Wir meinen, das ist grausam. Wir müssen für unter- schiedliche, schwere individuelle Schicksale eine ent- sprechend flexible gesetzliche Regelung vorsehen. Wir sind überzeugt: Zusätzlicher Druck hilft Frauen und Paa- ren in dieser Notlage überhaupt nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zum dritten Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir regeln in unserem Gesetz keine Androhung von Buß- geld. In allen Anhörungen seit 2005 haben wir deutlich gehört, dass sich die Ärzte in der Mehrheit verantwor- tungsvoll verhalten. Dürfen wir alle Ärzte unter General- verdacht stellen? Wir meinen: Nein. Dürfen wir mit der Androhung eines Bußgeldes das Vertrauen zwischen Arzt und Patientin unterhöhlen? Auch darauf antworten wir mit Nein. Ich halte ein Bußgeld für überflüssig, denn Ärzte, die ihre Pflicht verletzen, sind heute schon nach einem sehr scharfen Gesetz, dem Strafgesetzbuch, mit einer Freiheitsstrafe oder mit einem Bußgeld bedroht. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich bedanke mich bei all denen von Ihnen, die uns für unseren Gesetzent- wurf ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Ich werbe um Unterstützung für unseren Weg bei all denjenigen von Ihnen, die das bislang noch nicht gemacht haben. Wir haben heute zu entscheiden, welche Art von Re- gelungen wir für emotionale Grenzsituationen in einer Vielzahl trauriger Einzelschicksale treffen wollen. Dabei müssen wir heute die Frage beantworten: Dürfen wir Ärztinnen und Ärzten sowie den betroffenen Frauen in diesen Grenzsituationen rigide und starre Regeln vor- schreiben? Können wir als Gesetzgeber allen traurigen Einzelschicksalen gerecht werden, wenn wir das gleiche Schema von Regelungen für alle Fälle vorschreiben? Unsere Antwort lautet: Nein. Der Gesetzgeber muss Raum lassen für das Ermessen von Ärztinnen und Ärz- ten. Er muss vor allem Raum lassen für einen menschli- chen Umgang mit Einzelfällen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ermöglicht unser Gesetzentwurf. Deshalb bitte ich um Ihre Stimme. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sagen wir doch ehrlich und offen, worum es heute wirklich geht: De facto soll mit beiden Gesetzent- würfen der Kompromiss zum Schwangerschaftsab- bruchsrecht von 1995 aufgekündigt werden, und zwar auf Kosten der betroffenen Frauen und der Fachärzte- schaft. (Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!) Statt die 1995er-Regelung mit uns gemeinsam gegen die Verschärfung durch die Kollegen Singhammer und Co zu verteidigen, haben Kolleginnen der SPD, der Grü- nen und der FDP unter hohem Druck der eigenen Frak- tionen (Ernst Burgbacher [FDP]: Was?) leider einen ebenso inakzeptablen Gesetzentwurf vorge- legt. (Beifall bei der LINKEN) 24196 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Dr. Kirsten Tackmann Dabei war die Anhörung im Ausschuss eindeutig: Es gibt keinen Grund für eine Gesetzesänderung. Das sag- ten vor allem die, die es wirklich wissen müssen, näm- lich die Vertreter der Beratungsorganisationen. Angeblich soll mit den Gesetzentwürfen der Bera- tungsanspruch bei Schwangerschaftskonflikten sicher- gestellt werden. Nur: Dieses Recht auf Beratung gibt es bereits seit 1995. Wenn dringender Handlungsbedarf be- steht, dann an ganz anderer Stelle: Die Länder haben zwar die Pflicht, die Beratungseinrichtungen zu finan- zieren und dafür zu sorgen, dass es eine wohnortnahe Beratung gibt. In der Realität sind die dafür erforderli- chen Angebote derzeit jedoch weder kostenfrei noch flä- chendeckend erreichbar. Das Rote Kreuz hat in Branden- burg gerade Alarm geschlagen: Weil die Finanzierung seit 2007 nur noch zu 80 Prozent aus Landesmitteln er- folgt, stehen Beratungsstrukturen vor dem Aus. Ange- sichts dieser Situation soll heute eine Beratungspflicht mit Androhung einer Strafe gegen die Ärzteschaft be- schlossen werden. Ich nenne das scheinheilig. (Beifall bei der LINKEN) Scheinheilig ist auch, dass die Diskussion über Bera- tungs- und Unterstützungsangebote genau dann endet, wenn es eine Entscheidung für die Schwangerschaft ge- geben hat. Die Familien brauchen aber auch eine Unter- stützung für das Leben nach dieser Entscheidung. Aber gerade da fehlt es an Angeboten, gar nicht zu reden von integrativer Kinderbetreuung oder schulischer Bildung. Die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe lehnt die Linke ab, weil sie § 218 a StGB deutlich verschärfen. (Beifall bei der LINKEN) Für Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischen Grün- den soll eine faktische Pflichtberatung neu eingeführt werden. Die aber hat der Gesetzgeber 1995 ausdrücklich nicht vorgesehen. Offensichtlich unterscheidet sich das Frauenbild der Linken von dem anderer Fraktionen. Wir sind davon überzeugt, dass Frauen auch in schwierigen Konflikt- situationen nicht vor sich selbst geschützt werden müs- sen. Sie brauchen stattdessen Unterstützung durch eine vertrauensvolle, ergebnisoffene und kostenlose Bera- tung. (Beifall bei der LINKEN) Durch die Gesetzentwürfe sollen Gesprächs- und Mit- wirkungsbereitschaft dagegen mehr oder weniger er- zwungen werden. Daran ändert auch nichts, dass die Dokumentationspflicht für Ärztinnen und Ärzte im Singhammer-Entwurf jetzt nur noch in der Begründung steht. Die erzwungene dreitägige Bedenkzeit – ich be- tone, für Ärztinnen und Ärzte, nicht für die betroffenen Frauen – zwischen Diagnose und Feststellung der ge- setzlichen Voraussetzungen für einen Abbruch, sendet ein bedrohliches Signal an die Ärzteschaft: Wer Abbrü- che vornimmt, entscheidet unter hohem Risiko. Unter diesem Druck verringert sich die Bereitschaft, Abbrüche überhaupt vorzunehmen. Das ist wohl das eigentliche Ziel der Gesetzentwürfe. (Zuruf von der LINKEN: So ist es! – Ina Lenke [FDP]: Ach nein!) Nur: Das spitzt die ohnehin schwierige Situation der be- troffenen Frauen und ihrer Familien weiter zu. Die Folge wird ein Ausweichen in Länder mit liberaleren Regelun- gen sein. Wir bleiben dabei: Es wird zu jedem Zeitpunkt eine Entscheidung der Frau sein und auch sein müssen, eine Schwangerschaft auszutragen oder nicht. (Beifall bei der LINKEN) Der Gesetzgeber muss sichere und legale Rahmenbedin- gungen schaffen. Dazu gehört für uns erstens die Durch- setzung des Rechtsanspruchs jeder Schwangeren auf me- dizinische und psychosoziale Beratung. Diese muss umfassend, vertrauensvoll und ergebnisoffen sein; das gilt für jede Phase der Schwangerschaft. Zweitens brau- chen wir die Sensibilisierung und Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten sowie dem Klinikpersonal für Schwangerschaftskonfliktlagen, insbesondere vor und nach der Diagnosestellung. Darüber hinaus müssen wir in Zusammenarbeit mit den Ländern die Rahmenbedin- gungen für Kinder mit Handicap und ihre Eltern deutlich verbessern. (Beifall bei der LINKEN) Die Linke, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wäre sehr dafür, wenn wir gemeinsam wirklich etwas für Schwangere in Konfliktsituationen tun würden. Nur: Die Verschärfung des § 218 a ist der falsche Weg. (Ina Lenke [FDP]: Ist doch gar nicht der Fall!) Hören Sie auf, Schwangere und Ärzteschaft unter Generalverdacht zu stellen! Der Gruppenantrag aus den Reihen der Linken geht sehr ausführlich und verantwortungsvoll auf die viel- schichtigen Probleme rund um Schwangerschaftskonf- liktsituationen ein. Deshalb kann man ihm eigentlich nur zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat die Kollegin Kerstin Griese. Kerstin Griese (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen und wir sollten uns in dieser Debatte darauf kon- zentrieren, wie wir Frauen in einer schwierigen Kon- fliktsituation am besten helfen können, und nicht neue Ängste schüren oder Dinge unterstellen, die nicht stim- men. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Im Mittelpunkt unserer Bemühungen – dafür bedanke ich mich sehr herzlich bei allen Kolleginnen und Kolle- gen, mit denen wir in den letzten Wochen und Monaten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24197 (A) (C) (B) (D) Kerstin Griese viele sehr intensive Gespräche geführt haben – steht, wie wir Frauen helfen können. Ich möchte die Situation, um die es hier geht, noch einmal vor Augen führen: Wir sprechen über Schwan- gerschaften nach der zwölften Woche, also über Schwangerschaften, bei denen die Entscheidung für das Kind schon gefallen ist, aber im Zuge einer Untersu- chung eine eventuelle Behinderung des Kindes festge- stellt wurde. Das ist eine schwierige Situation: Die wer- denden Eltern freuen sich auf das Wunschkind und müssen nun damit umgehen, dass das Kind behindert, eventuell sogar schwerbehindert sein kann; vielleicht lautet die Diagnose sogar: nicht lebensfähig. In all die- sen Fällen müssen wir dafür sorgen, dass die Betroffenen – die Schwangeren, aber auch die Eltern insgesamt – die bestmögliche Unterstützung erhalten. (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Richtig!) Unsere Gruppe, die ja erst einen eigenen Gesetzent- wurf eingebracht hat, hat sich nun auf einen neuen grup- penübergreifenden Gesetzentwurf verständigt, weil wir darin unsere wichtigsten Punkte wiederfinden: eine bes- sere Beratung und Unterstützung der betroffenen Frauen und eine Bedenkzeit. Ziel dieses gemeinsamen Gesetz- entwurfes ist es, dass die betroffenen Frauen eine Ent- scheidung fällen können, mit der sie später leben kön- nen. Dafür brauchen sie Zeit und Ruhe – ohne Druck – und dafür brauchen sie eine gute psychosoziale Bera- tung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wichtig ist in unserem Gesetzentwurf: Die Ärztinnen und Ärzte werden verpflichtet, die Frauen ergebnisoffen zu beraten, sie in eine psychosoziale Beratung zu vermit- teln und zu Selbsthilfegruppen oder Eltern behinderter Kinder. Die Ärztinnen und Ärzte verpflichten wir dazu, die Frauen können aber – das ist wichtig – diese Bera- tung ablehnen. Die Ärzte haben also Pflichten, die schwangeren Frauen haben Rechte. Gerade in dieser schwierigen Situation, über die wir hier sprechen, ist es bislang nicht gesichert, dass Frauen eine psychosoziale Beratung wahrnehmen können. Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä- rung besagt, dass nur ein Fünftel der Frauen, die mit ei- nem pathologischen Befund konfrontiert werden, also mit einer eventuellen Behinderung ihres Kindes, beraten werden. Auch das haben wir in der Anhörung gehört, die übrigens sehr deutlich gezeigt hat, dass hier Änderungs- bedarf besteht. Unser zentrales Anliegen, liebe Kolleginnen und Kol- legen, ist, den schleichenden Automatismus zu durch- brechen, der die Diagnose einer eventuellen Behinde- rung sehr schnell zu einer Empfehlung zum Abbruch der Schwangerschaft werden lässt. Damit unterstelle ich ausdrücklich nicht allen Ärztinnen und Ärzten, dass sie so beraten. Aber wir wissen aus Studien und Fachge- sprächen, aus der Anhörung im Bundestag und auch aus Berichten von Betroffenen, dass diese Tendenz vorhan- den ist. Uns hat bewegt, zu erfahren, dass europaweit – für Deutschland gibt es keine genauen Zahlen – über 90 Pro- zent der Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben wer- den. Wir tasten mit unserem Gesetzentwurf die Möglich- keiten der medizinischen Indikation und erst recht nicht den § 218 StGB – der bleibt so erhalten, wie er ist – an. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber wir wollen sicherstellen, dass eine solche Diagnose nicht automatisch bedeutet, dass Kinder mit Down-Syn- drom gar nicht mehr auf die Welt kommen. Ich bin übri- gens davon überzeugt, dass es nicht darum geht, quanti- tativ die Zahl der Spätabbrüche zu senken – man kann und soll nicht meinen, dies gesetzlich regeln zu können –, sondern es geht um bessere Beratung und darum, eine gute Entscheidung fällen zu können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Punkt ist mir sehr wichtig: Wir sind uns in allen Forderungen einig, eine bessere Beratung vor der Pränataldiagnostik zu er- möglichen. Darüber haben wir oft gesprochen. Hier kommt es darauf an, dass Frauen wissen, was diese Un- tersuchungen bedeuten, dass sie gut informiert sind. Dies unterstützen wir. Ich weise darauf hin: In diesem Gesetz geht es um Schwangerschaftskonflikte. Deshalb muss man gerade für die schwierige Situation, wenn eine sol- che Diagnose vorliegt, besondere Vorkehrungen treffen. Die Beratung davor ist natürlich genauso wichtig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sind uns sicherlich alle einig, dass die Bedingun- gen für das Leben mit behinderten Kindern, für eine echte Inklusion von Menschen mit Behinderung in unse- rer Gesellschaft verbessert werden müssen. Deshalb empfiehlt unsere Gruppe, dem ursprünglichen Entschlie- ßungsantrag von Christel Humme und anderen zuzu- stimmen, in dem viele richtige untergesetzliche Forde- rungen aufgeführt sind. Die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen mit Behinderungen gehört dazu. Dazu gehört übrigens auch die Verbesserung der medizinischen Versorgung. Ich bin sehr froh, dass im Bundesgesundheitsministe- rium zurzeit geplant ist, behinderten Menschen mit Bril- len und verschreibungsfreien Arzneimitteln weiterzuhel- fen. Das wäre ein wichtiger Schritt. Hier bitte ich um Unterstützung aus allen Fraktionen. Ich will mich ganz herzlich bei den vielen Verbänden aus dem Behindertenbereich, bei den Wohlfahrtsorgani- sationen, den Beratungsstellen, den Ärztinnen und Ärz- ten, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die uns geholfen haben, bedanken. Wir unterstützen diesen Gesetzentwurf. Dieser unter- scheidet sich von dem Gesetzentwurf, den die Kollegin Humme vorgestellt hat, deutlich: Erstens. In unserem Gesetzentwurf wird klarer und eindeutiger geregelt, dass die Ärzte verpflichtet sind, zu beraten und eine psycho- soziale Beratung zu vermitteln, und zwar im Einverneh- 24198 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Kerstin Griese men mit der Frau. Zweitens. Die drei Tage Bedenkzeit sind uns wichtig. Sie gilt nicht, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht. Dazu gehört physische und psychi- sche Gefahr. Entgegen anderen Pressemeldungen von heute gilt diese Frist von drei Tagen natürlich nicht, wenn die Gesundheit der Frau gefährdet wäre. Diese drei Tage sind ein Schutz für die Frauen. Die Formulierung „drei Tage“ ist nicht so ein ungenauer Rechtsbegriff wie die Formulierung „ausreichende Bedenkzeit“. Diese Be- denkzeit von drei Tagen ist uns wichtig. Sie bedeutet Rechtssicherheit für die Frau und ist wichtig, um eine Entscheidung fällen zu können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir empfehlen, dem zweiten Teil des Gesetzentwurfs, dem kleineren Teil, zur statistischen Erfassung nicht zu- zustimmen, denn hier geht es nicht um eine Verbesse- rung der Hilfen für die Frauen, sondern nur um eine ge- nauere statistische Erfassung. Damit ist nicht den Frauen, sondern nur der Statistik geholfen. Ich glaube, dass der wichtigere, große Teil des Gesetzentwurfs eine Mehrheit im Parlament finden kann. Ich werbe deshalb dafür und bitte um Unterstützung, und zwar aus drei Gründen: erstens damit wir sicherstellen, dass Frauen psychosoziale Beratung und Hilfe in dieser schwierigen Situation bekommen, zweitens damit sie Zeit und Unter- stützung zur Entscheidungsfindung haben und drittens damit die Gesellschaft und wir alle daran erinnert wer- den, dass wir mehr tun müssen, damit behindertes Leben gelingendes Leben ist. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon zu Recht darauf hingewiesen, dass wir uns für die Beratung dieses Themas einige Zeit genommen haben. In der ersten Lesung der vorliegenden Gesetzentwürfe haben viele – ich denke, fast alle – Rednerinnen und Redner betont, wie wichtig es uns ist, für eine Gesell- schaft zu kämpfen, in der Menschen mit Behinderungen ihren selbstverständlichen Platz haben. Ich finde, dass seither – das möchte ich ausdrücklich anerkennen – die Sensibilität dafür, was pränatale Diagnostik dazu bei- trägt bzw. welche Gefahren sie beinhaltet, gestiegen ist. Ich freue mich sehr darüber, dass es gelungen ist, im Gendiagnostikgesetz festzuschreiben, dass man Em- bryos nicht auf Krankheiten testen darf, die erst im Er- wachsenenalter ausbrechen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD) Das ist nicht notwendigerweise eine Frage der Abtrei- bung. Es kann das Thema „Recht auf Nichtwissen“ sein. Dieses Recht auf Nichtwissen ist schützenswert. Auch das sollten wir im Auge behalten, wenn wir über die heute vorliegenden Gesetzentwürfe reden. Ich gehöre zu der Gruppe um die Kollegin Humme und andere, die ursprünglich gesagt hat, dass bei Kon- flikten in der Schwangerschaft den betroffenen Frauen mehr Informationen, mehr Beratung und mehr Unter- stützung ermöglicht werden müssen, ohne dass man da- für das Gesetz ändern muss. Wir haben uns bewegt. Auch andere haben sich bewegt; das will ich ausdrück- lich anerkennen. Heute haben wir zwei Gesetzentwürfe vorliegen, die sich gegenüberstehen. Leider ist es nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu einigen. Wir haben oft gemeinsam am Tisch gesessen, und das hat von allen verlangt, sich von der jeweiligen Verdachtsperspektive gegenüber der anderen Gruppe zu verabschieden. Ich gestehe, dass das nicht immer leicht war. Sie haben vorhin zugestanden – Frau Griese hat es ge- sagt –, dass Einigkeit darüber herrscht, dass eine umfas- sende Beratung der Frauen vor einer vorgeburtlichen Untersuchung notwendig ist. Deshalb kann ich nur schwer verstehen, dass es nicht möglich war, in den Ver- handlungsrunden übereinzukommen und sich auf eine Regelung zu verständigen, die genau das festschreibt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Auf den Einwand, wir würden auf diese Weise bei Rou- tineuntersuchungen zu viel Aufwand erzeugen, haben wir reagiert und das Beratungserfordernis nur noch für solche Untersuchungen festgeschrieben, die nicht über- wiegend der Überwachung einer normal verlaufenden Schwangerschaft dienen, also mithin der Suche nach Auffälligkeiten. Ich frage Sie: Was gibt es daran auszu- setzen? Frau Falk, Frauen, die sich gut aufgeklärt für eine solche Untersuchung entscheiden und wissen, was für ein Befund möglicherweise zu erwarten ist, werden eine größere Chance haben, nicht in den Schockzustand zu geraten, den Sie vorhin beschrieben haben, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) sondern sehr viel besser vorbereitet sein auf die Ent- scheidung, vor der sie dann möglicherweise stehen. Frau Falk, Sie sprachen von einem gewissen Druck auf Ärzte. Da werde ich hellhörig. Uns geht es nicht da- rum, Druck auszuüben. Vielmehr betonen wir die Ver- netzung, die Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten einerseits und den Beraterinnen in den Bera- tungsstellen mit ihrer Kompetenz andererseits. Wir wol- len die Kompetenz im medizinischen und psychosozia- len Bereich zusammenführen, damit Frauen optimale Unterstützung und Beratung erfahren. Streitig blieb zwischen uns auch die Frage der Frist. Wir haben uns da – durchaus schweren Herzens – bewegt, nachdem wir nach der Anhörung zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangt sind. Sie haben die Schlussfolge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24199 (A) (C) (B) (D) Birgitt Bender rung gezogen, dass in der Mehrzahl der Fälle eine Frist, wie sie vorgesehen werden soll, bisher nicht eingehalten wird. Wir haben es eher so verstanden, dass der Zeitraum zwischen Diagnose und einem möglichen Abbruch in der Regel sehr viel länger ist als drei Tage. Aber wie dem auch sei, wir sind uns einig, dass es eine Bedenkzeit ge- ben soll. Wir haben jetzt den Vorschlag gemacht, „eine ausreichende Bedenkzeit, in der Regel … drei Tage“ fest- zuschreiben. Darauf haben wir uns nicht verständigen können. Wir verstehen nicht, warum man mit Rigidität an den drei Tagen festhalten soll, auch wenn die Frau höchst verzweifelt ist, beispielsweise weil sie bereits ein behin- dertes Kind hat und weiß, dass sie sich ein zweites nicht zutraut. Ich glaube, dass wir da mit dem Regel-Aus- nahme-Verhältnis die bessere Lösung gefunden haben. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Ich fasse zusammen: Uns geht es um Beratung und Unterstützung der Frauen. Wir wollen vermeiden, dass Frauen und/oder Ärztinnen und Ärzte unter Druck gera- ten, weil das einer Lösung, mit der die betroffenen Frauen und Paare später leben können, eher entgegen- steht, als dass es sie fördert. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Ina Lenke. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ina Lenke (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorab ein Wort an Frau Tackmann richten. Frau Tackmann, Ihre Behauptung, dass innerhalb der FDP- Bundestagsfraktion in einem solchen Fall und in anderen Fällen Druck ausgeübt werde, entbehrt jeder Grundlage. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie versuchen, hier mit solchen wesensfremden Argumenten zu punkten. Liebe Kollegen und Kolleginnen, Ende letzten Jahres hat eine Gruppe von FDP-Bundestagsabgeordneten ei- nen Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschafts- konfliktgesetzes – nicht zur Änderung des § 218 – vorge- legt. In vielen intensiven Gesprächsrunden – das haben die Kolleginnen und Kollegen vor mir schon gesagt – wurde unser Gesetzentwurf mit dem der CDU/CSU und von Teilen der SPD um Kerstin Griese zusammenge- führt. Auch mit Ihnen, Frau Humme, haben wir bis fast zum Schluss zusammengesessen. Das Ziel der liberalen Abgeordneten war es, zur Verbesserung der Situation von schwangeren Frauen bei fortgeschrittener Schwan- gerschaft in Konfliktsituationen beizutragen. Ich will die wichtigen Ziele in dem gemeinsamen Gesetzentwurf nennen: Erstens. Der Frau wird Zeit gegeben, nach der Prä- nataldiagnostik – also nach der vorgeburtlichen Untersu- chung – bei einer möglichen schweren Behinderung des Kindes psychosoziale Beratung durch eine anerkannte Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen. Unser Text dazu lautet: Deshalb darf die Indikation nicht vor Ablauf von drei Tagen gestellt werden. – Das bedeutet natürlich – das hat bisher noch keiner gesagt –, dass die Bera- tungszeit länger als drei Tage dauern kann. Frau Humme und Frau Marks, ich möchte noch anmerken: Der Begriff „ausreichend“ ist meines Erachtens nicht zu fassen. Für einen Arzt kann ein Tag ausreichend sein. Wir waren uns deshalb einig, die Beratungszeit mit drei Tagen konkret anzugeben. Ich komme gleich noch einmal darauf zu- rück. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber auch das ist wichtig: Wenn Gefahr für Leib und Le- ben der Frau besteht, gilt diese Dreitagefrist nicht. Zweitens. Die Ärztin oder der Arzt hat die Frau auf ihren Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung hinzu- weisen. Im Schwangerschaftskonfliktgesetz ist dieser Rechtsanspruch zwar enthalten, aber viele Frauen wis- sen nichts davon. Deshalb ist es wichtig, dass der Arzt, der die Frauen in der Schwangerschaft begleitet, an die- ser Stelle hilft. Der Arzt wird verpflichtet – diesen Punkt haben wir übernommen –, der Frau mit ihrem Einver- ständnis ein Angebot für die medizinische Beratung zu machen. Damit hat jede Frau die Möglichkeit, eine ent- sprechende Beratung anzunehmen. Für uns ist auch noch wichtig, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zusätzliches Informationsmaterial für das Leben mit einem geistig oder körperlich behinderten Kind erstellt. Damit werden Eltern, die sich für eine Ge- burt entscheiden, begleitet und unterstützt. Wir haben einige Forderungen der Gruppe Humme in unseren Gesetzentwurf integriert. Aber angesichts des Dissenses bei der Dreitageregelung muss man sich schon die Frage stellen, was „ausreichend“ bedeutet. Darauf, auf eine konkrete Festlegung zu verzichten, haben wir uns nicht eingelassen. Auch die Bundesvereinigung Le- benshilfe unterstützt die Dreitageregelung. Hier hätten wir einen Konsens erreichen können. Ich bedauere es sehr, dass wir an dieser Stelle nicht zusammengekom- men sind. Für die Gruppe der liberalen Abgeordneten fasse ich zusammen: § 218 wird nicht berührt. Die Ärzte haben die schwangere Frau auf ihren Rechtsanspruch auf Bera- tung hinzuweisen und sind verpflichtet, zu beraten. Aber die Frau ist nicht verpflichtet, eine Beratung anzuneh- men. Zum Schluss: Was steht nicht mehr in dem gemeinsa- men Gesetzentwurf? Wir Liberale haben dafür gesorgt, dass das Bußgeld für Ärzte nicht verdoppelt wird und keine zusätzliche Dokumentation für Ärzte vorgeschrie- ben wird, auf die die Landesbehörden Zugriff haben. Unsere weiteren Positionen werden mein Kollege Herr Goldmann und meine Kollegin Frau Laurischk hier vor- tragen. 24200 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Ina Lenke (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Irmingard Schewe- Gerigk. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man etwas verändert, ist es gut, den Blick noch einmal zurückzurichten. Im Jahre 1995 wurde die soge- nannte embryopathische Indikation abgeschafft, die ei- nen Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer schwer- wiegenden gesundheitlichen Schädigung des Embryos bis zur 22. Woche ermöglichte. Diese Entscheidung war richtig. Voraussetzungen für die Straffreiheit waren da- mals eine Pflichtberatung und die Einhaltung der Drei- tagefrist. Mit der Reform von 1995 wurde eine neue, die medi- zinische Indikation eingeführt. Ich sage es hier noch ein- mal deutlich: Die Behinderung des Embryos allein ist kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch auf- grund einer medizinischen Indikation. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und der LINKEN) Voraussetzung für die Indikation ist vielmehr, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft eine Gefahr für das Leben bzw. die physische oder psychische Gesundheit der Schwangeren darstellt. Dass mit dieser Regelung verantwortungsbewusst umgegangen wird, zeigt sich da- ran, dass die Zahl der medizinisch indizierten Schwan- gerschaftsabbrüche ab der 12. Woche in der Zeit zwi- schen der Einführung dieser Regelung und dem Jahr 2007 um 36 Prozent zurückgegangen ist. Darum ist für mich nicht nachvollziehbar, warum die Union seit über zehn Jahren versucht, diese medizini- sche Indikation mit dem Hinweis auf sogenannte Spätab- brüche auszuhöhlen. In vielen interfraktionellen Runden und einer Vielzahl von Einzel- und Ausschussanhörun- gen sollte ein Handlungsbedarf nachgewiesen werden. Bis 2005 wurde dieser von einer übergroßen Mehrheit verneint. Heute liegen zwei Gesetzentwürfe und zwei Anträge vor. Alle Beteiligten haben sich in einem intensiven Pro- zess aufeinander zubewegt. Ich danke Ihnen dafür. Es bleiben aber Differenzen, die unüberbrückbar sind. An der Frage, woran das liegt, zeigt sich, dass wir offen- sichtlich unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie sich Frauen sowie Ärzte und Ärztinnen in dieser schwierigen Situation verhalten. Ich kenne keinen Fall, in dem ein Arzt, wenn er die Diagnose bekannt gibt, bereits ein freies Bett bereithält. Er würde sich damit im Übrigen strafbar machen; denn es muss ein anderer sein, der den Abbruch vornimmt. (Beifall der Abg. Elke Ferner [SPD]) Ich kenne auch keine Frau, die sich leichtfertig für den Abbruch einer Wunschschwangerschaft entscheidet. In- sofern sehe ich keine Notwendigkeit, Frauen in Grenz- situationen zu drangsalieren oder Ärzte zu kriminalisie- ren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LIN- KEN) Mir ist dieses Misstrauen gegenüber Frauen und Ärzten fremd. Darum unterstütze ich auch nicht den Vorschlag, be- zogen auf Ärzte zusätzliche Ordnungswidrigkeiten ein- zuführen. Eine gesetzeswidrige Indikation oder ein ge- setzeswidriger Abbruch sind schon heute strafbar. Das Strafgesetzbuch sieht hierfür Geld- oder Freiheitsstrafen vor. Ich lehne aber auch weitergehende statistische Erhe- bungen ab. Herr Kollege Singhammer, warum glauben Sie eigentlich, dass ein Arzt einen Fetozid verschweigt und in der Statistik eine Fehlgeburt oder eine Totgeburt angibt? Wenn dem so wäre, müssten deren Zahlen an- steigen. Das ist aber nicht der Fall. Ich weiß nicht, was man mit einer solchen Statistik erreichen will. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LIN- KEN) Ich komme zu einem Punkt, bei dem wir uns einig sind. Das ist die verbesserte Beratung Schwangerer, ge- rade bei einem auffälligen Befund. Schon heute haben Schwangere einen Rechtsanspruch auf Beratung, und zwar sowohl auf eine medizinische als auch auf eine psychosoziale Beratung. Aus der Praxis wissen wir aber, dass diese vielfach nur unzureichend erfolgt. Darum wird der Arzt nach dem Gesetzentwurf von Christel Humme, mir und anderen dazu verpflichtet, die Schwan- gere auf ihren Rechtsanspruch hinzuweisen und im Ein- vernehmen mit ihr einen Kontakt zu einer Beratungs- stelle zu vermitteln, wobei die Schwangere dieses Vermittlungsangebot ablehnen kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere ältere Schwangere – in der heutigen Zeit ist es häufig so, dass Frauen das erste Kind erst sehr spät bekommen – sind ei- nem Automatismus von pränataldiagnostischen Untersu- chungen ausgesetzt, ohne über Chancen und Risiken ausreichend informiert zu werden. Das wollen wir än- dern. Wir wollen, dass Schwangere die Untersuchung ablehnen können und dass so ihr Recht auf Nichtwissen gewahrt wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt; denn wir wissen, wie häufig Frauen Probleme haben, dem Arzt zu sagen: Ich will diese Untersuchung nicht. – Wir schrei- ben dieses Recht fest. Ein wesentlicher Punkt, in dem sich die beiden Ge- setzentwürfe unterscheiden, ist die Bedenkzeit zwischen Diagnose und medizinischer Indikation. Wir sind uns darüber einig, dass Frauen in dieser Situation eine aus- reichende Bedenkzeit benötigen – in der Regel sind das drei Tage; das können aber auch 14 Tage sein –, um sich mit Menschen ihres Vertrauens zu beraten. Aber eine Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24201 (A) (C) (B) (D) Irmingard Schewe-Gerigk starre Frist von mindestens drei Tagen ist in manchen Si- tuationen – das ist individuell verschieden – eine Zumu- tung für die Frauen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN – Widerspruch der Abg. Ina Lenke [FDP]) Warum muss man eine Frau quälen, die aufgrund einer schweren genetischen Veränderung zum wiederholten Mal die Schwangerschaft abbrechen musste und sich schon mit dieser Situation auseinandergesetzt hat? Ich muss Ihnen sagen: Ich empfinde es als eine Anmaßung der Politik, dieser Frau eine Frist von drei Tagen vorzu- schreiben. Politik kann nicht alles regeln. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Schewe-Gerigk. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ich komme zum Schluss. Ich möchte nicht, dass gut zehn Jahre nach der Ab- schaffung der embryopathischen Indikation deren Rege- lungen in die medizinische Indikation übernommen wer- den. Daher bitte ich Sie um die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf, aber auch zu dem Antrag von Christel Humme, mir und anderen, in dem der Ausbau der Früh- förderung und weitere Verbesserungen für das Leben von Kindern mit Behinderungen vorgesehen sind. Men- schen mit Behinderungen gehören in die Mitte unserer Gesellschaft. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Ingrid Fischbach. Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh und dankbar, dass sich so viele Kolleginnen und Kollegen bewegt haben, dass sie alles versucht haben, um einen Kompromiss zu erzielen, der denen zugute- kommt, die am meisten betroffen sind, nämlich den Vä- tern und Müttern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich freue mich, dass wir persönliche Befindlichkeiten, die sicherlich jeder an der einen oder anderen Stelle hat, zurückgestellt haben, weil wir eine Lösung für die Eltern wollen. Diese haben wir heute vorgelegt. Dass dies nach zehn Jahren geschafft wurde – ich bin so lange im Parla- ment und habe die Beratungen miterlebt –, ist für mich eine gute, eine wichtige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Denn die Beratungen erfolgten in einer Art und Weise, die zeigt, dass wir im Parlament die Sache im Auge haben. Das hat gutgetan. Insofern sage ich ein herzliches Dankeschön an alle. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die allermeisten Schwangerschaften, die aufgrund ei- ner medizinischen Indikation abgebrochen werden, wer- den beendet, weil in einer vorgeburtlichen Untersuchung festgestellt wurde, dass das Kind schwerkrank oder schwerbehindert sein wird. In diesen besonderen Fällen liegt es auf der Hand, dass die Eltern vor allem zwei Dinge brauchen. Erstens brauchen sie eine fundierte Aufklärung da- rüber, was das Ergebnis der vorgeburtlichen Untersu- chung eigentlich bedeutet: Wie wird sich diese Krankheit oder Behinderung auf das Leben des Kindes auswirken? Welche Auswirkungen hat dieses Ergebnis auf das ge- meinsame Familienleben, auf die Eltern? (Christel Humme [SPD]: Und das in drei Tagen?) Deshalb ist es gut, dass wir in dem Gesetzentwurf festgeschrieben haben, dass der Arzt, der den Eltern das Untersuchungsergebnis übermittelt, andere Ärzte hinzu- zieht, die Erfahrung mit der diagnostizierten Gesund- heitsschädigung bei geborenen Kindern haben. Bei ih- nen können die Eltern sofort Fragen stellen. Sie erhalten keine abstrakte Mitteilung, sondern sie können fragen: Wie geht es weiter? Wie sieht das Leben aus? Was pas- siert da? Das ist eine gute Regelung. Deshalb sage ich an der Stelle ein herzliches Dankeschön dafür, dass wir das einbezogen haben. Frau Bender, es ist anders, als Sie gesagt haben. Selbst wenn man so eine Untersuchung durchführen lässt, geht man immer vom Prinzip Hoffnung aus. Das heißt, die Eltern, die die Untersuchung durchführen las- sen, hoffen, dass das Ergebnis nicht schwerwiegend sein wird. Deshalb sind sie schockiert, wenn das Ergebnis so ist, wie es ist – da widerspreche ich Ihnen eindeutig –, und deshalb brauchen sie Zeit, um das Gehörte zu ver- arbeiten. Zweitens brauchen die Eltern eine fundierte Beratung, die über die medizinischen Aspekte des Befundes hin- ausgeht. Schon längst ist im Schwangerschaftskonflikt- gesetz festgeschrieben, dass Eltern in jeder Schwanger- schaft das Recht haben, unabhängige Beratung in Anspruch zu nehmen. Dieser Gesprächsrahmen, in dem Eltern offen ihre Fragen stellen und ihre Ängste ausspre- chen können, ist nach einem auffälligen Untersuchungs- ergebnis besonders wichtig. Eltern, die in einer solchen Konfliktsituation das Glück hatten, an eine gute Bera- tungsstelle zu geraten, sind später sehr dankbar dafür. Aber es kann doch nicht sein, dass es als Glücksfall be- trachtet werden muss, wenn die Eltern so eine Beratung bekommen. Sie haben einen Rechtsanspruch auf Bera- tung. Es gibt gute Beratungsstellen; aber sie sind zu we- nig bekannt. Ich denke deshalb, dass wir hier eine sehr gute Rege- lung gefunden haben: Der Arzt muss nicht nur auf die 24202 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Ingrid Fischbach psychosozialen Beratungsangebote hinweisen, sondern muss den Eltern auch den Kontakt zu den entsprechen- den Beratungsstellen vermitteln; er hat zukünftig die Be- ratungspflicht. Bei den Eltern bleibt es, wie gehabt – das ist deutlich festzustellen –, bei einem Beratungsrecht. Die Eltern brauchen ein Weiteres – unsere Ansichten hierzu unterscheiden sich eindeutig –: Sie brauchen Zeit, um eine tragfähige Entscheidung über ihr weiteres Vor- gehen zu treffen; denn diese Entscheidung wird sie ihr ganzes Leben begleiten. Sprechen Sie mit den Eltern, die diese Entscheidung getroffen haben! Sie sind dankbar, wenn sie in Ruhe darüber nachdenken können, wenn sie sich beraten können. Deshalb werbe ich an dieser Stelle sehr dafür, den gemeinsamen Gruppenantrag zu unter- stützen, der eine Bedenkzeit von mindestens drei Tagen festschreibt. Die Bedenkzeit ist eine Hilfestellung für die Eltern; diese Möglichkeit sollten wir nicht ungenutzt las- sen. Die Entscheidung darüber, ob die Schwangerschaft beendet wird, wenn eine medizinische Indikation vor- liegt, ist so schwerwiegend, dass die Eltern in Ruhe da- rüber nachdenken sollten, und zwar unabhängig davon, ob sie sich im Zweifelsfall für das Kind mit einer schwe- ren Behinderung entscheiden oder die Entscheidung tref- fen, dass sie das nicht können. (Christel Humme [SPD]: Das haben wir heute schon!) Ich denke, beide Entscheidungen sind wertfrei. Die El- tern müssen aber die Zeit und die Möglichkeit haben, diese Entscheidung in Ruhe zu treffen. Ich glaube, wir werden nicht umhinkommen, im An- schluss an die Verabschiedung eine Evaluierung des Ge- setzes durchzuführen und zu schauen: Ist das, was wir auf den Weg bringen wollen, richtig? Kommen die Hil- festellungen an? Haben beispielsweise die Ärzte die Möglichkeit, in ihren Praxen zu beraten? Diese Fragen sollten nach der Verabschiedung des Gesetzes beantwor- tet werden. Am Ende möchte ich einräumen, dass es nicht reicht, zu glauben, mit diesem Gesetzentwurf habe man alles erledigt. Wir müssen es in unserer Gesellschaft schaffen – hier spreche ich auch die Kirchen und die Wohlfahrts- verbände an –, gemeinsam nach langfristigen Ansätzen zu suchen, die es Familien erleichtern, ein Kind anzu- nehmen, unabhängig davon, ob es behindert ist oder nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wolfgang Spanier ist der nächste Redner. Wolfgang Spanier (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich noch gut an die äußerst schwierigen Diskus- sionen im Deutschen Bundestag über die Reform des § 218 erinnern. Damals war ich neu in den Bundestag gekommen. Ich weiß, wie schwer dieser Kompromiss zustande gekommen ist. Ich weiß, dass er ein hohes Gut darstellt. Ich hoffe, dass weder dieser Deutsche Bundes- tag noch der nächste an diesem Kompromiss rüttelt. (Ilse Falk [CDU/CSU]: Das will keiner!) Ich weiß aber auch, dass seit 1995 immer wieder ver- sucht wurde, genau an der Stelle der medizinisch-sozia- len Indikation anzusetzen. Mich treibt die Sorge um, ob wir hier vielleicht nicht doch – fassen Sie es nicht als Unterstellung auf! – die Tür ein Stückchen öffnen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ein Stückchen? Ein ganz schön großes Stück- chen!) Wir diskutieren – das weiß ich – über das Schwanger- schaftskonfliktgesetz. Die Debatte hat sich aber im Laufe der Zeit verschoben: vom Thema Spätabtreibun- gen – 231 Fälle im Jahr 2008 – hin zur medizinisch-so- zialen Indikation, aufgrund der es im Jahr 2008 zu 3 000 Abbrüchen kam. Ich glaube, man muss diese Zah- len einmal nennen; die Bewertung überlasse ich jedem Einzelnen von Ihnen. Natürlich handelt es sich hier um eine Gewissensent- scheidung. Jeder Einzelne von uns muss diese Entschei- dung treffen. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Frauen aber auch! Es betrifft Frauen vor allen Din- gen!) Es ist selbstverständlich, dass man die Entscheidung des Andersdenkenden respektiert. Die Entscheidung ver- langt eine sorgfältige Prüfung. Es muss auch möglich sein – davon nehme ich mich selbst nicht aus –, aufgrund dieser Debatte heute seine ursprüngliche Position zu kor- rigieren, selbst wenn man eine der Vorlagen unterzeich- net hat. Wir sind uns einig: Die betroffenen Frauen und Paare befinden sich in einer äußerst schwierigen Situation, in der Tat in einer Grenzsituation. Wir sind uns auch einig: Es bedarf einer sorgfältigen Beratung, und es bedarf der Hilfe und Unterstützung der Frauen. Wir sind uns ferner einig – das ist wichtig –: Wir schützen das Recht der Frauen, diese Angebote nicht anzunehmen. Ist es dann aber richtig, dass vorgeschlagen wird, eine starre Zeit- vorgabe von drei Tagen vorzusehen? Wird durch diese Zwangsfrist nicht doch Druck auf die Frauen ausgeübt? Dass man Zeit braucht, ist schließlich völlig unbestritten. (Ina Lenke [FDP]: Aber das ist nicht starr! Es heißt doch: mindestens drei Tage! Mein Gott, haben Sie das denn immer noch nicht verstan- den?) Was die zusätzlichen Sanktionen gegenüber Ärzten angeht, ist klar gesagt worden: Auch dabei handelt es sich um Druck, der auf die Ärzte ausgeübt wird. Steckt dahinter nicht möglicherweise ein Misstrauen gegenüber den Ärzten? Stehen diese beiden Aspekte nicht im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, Frauen, die sich in dieser Grenzsituation befinden, bei ihrer Gewissensentschei- dung zu helfen? Meiner Meinung nach sollte in dieser Situation kein Druck ausgeübt werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24203 (A) (C) (B) (D) Wolfgang Spanier (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) Das Argument, mit dieser Regelung werde sicherge- stellt, dass eine Beratung durchgeführt wird, ist für mich nicht überzeugend. Besonders problematisch finde ich den zweiten Teil des Gesetzentwurfes, den sogenannten Statistikteil. Si- cherlich haben Sie alle die Begründung des Gesetzent- wurfes sehr sorgfältig gelesen, wie auch ich es getan habe; sie gehört schließlich dazu. Darin ist wieder ein- mal nur von der medizinischen Indikation die Rede. Das zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Ge- setzentwurf von Singhammer, Griese und anderen. Aufschlussreich ist, dass alle Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs mit minutiöser Genauigkeit erfasst werden sollen. Es soll auch erfasst werden, wie häufig Abbrüche nach dieser medizinischen Indikation vorgenommen werden. Ich stelle die Frage: Brauchen wir als Parlament diese Informationen überhaupt, wenn es uns um die Hilfe und Unterstützung der Frauen geht? Das bezweifle ich. Deswegen habe ich mich nicht ge- wundert, dass selbst Frau Griese als eine der Verfasserin- nen dieses Gesetzentwurfes dem Parlament empfohlen hat, seinen zweiten Teil abzulehnen. Noch einmal: Lesen Sie bitte die Begründung; denn sie gehört dazu. Ich glaube, dass sie meine Sorgen ein Stück weit rechtfer- tigt. Mein Fazit: Wir sollten auf keinen Fall den 1995 er- reichten Kompromiss antasten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sollten auf Menschen, die sich in einer äußerst schwierigen Situation befinden – ich habe diese Situa- tion vor wenigen Monaten bei meiner eigenen Schwie- gertochter miterlebt –, keinen Druck ausüben. Wir soll- ten auch keinen Druck auf die Ärzte ausüben. Wir sind uns einig: Wir sollten den schwangeren Frauen und ihren Partnern in dieser sehr schwierigen Konfliktsituation über die Beratungsphase hinaus ein umfassendes Ange- bot an wirkungsvoller Hilfe und Unterstützung machen. (Elke Ferner [SPD]: Ja! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Eben!) Ich persönlich unterstütze aus voller Überzeugung den Gesetzentwurf der Kollegin Humme und anderer. Ich bedanke mich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Sibylle Laurischk. (Beifall bei der FDP) Sibylle Laurischk (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bun- desverfassungsgericht hat uns in seiner Entscheidung vom Mai 1993 aufgegeben, aus Gründen des Schutzes des ungeborenen Lebens die weitere Entwicklung des Konzepts zu beobachten und gegebenenfalls Korrektu- ren vorzunehmen. Wir wollen nicht den § 218 StGB än- dern. (Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD]) Diese sehr grundsätzliche Aussage ist aus Sicht der FDP notwendig, und sie entspricht unserem Selbstverständ- nis. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]) Die öffentliche Diskussion über Spätabtreibungen er- fordert allerdings eine Antwort des Bundestages. Es geht um eine Situation, in der die werdenden Eltern, insbe- sondere aber die schwangeren Frauen aufgrund der me- dizinischen Möglichkeiten vielleicht zum ersten Mal und auf sehr dramatische Weise mit der Frage konfrontiert werden, wie sie als Eltern bzw. als Mütter mit dieser gro- ßen Belastung und mit dieser Konfliktlage umgehen sol- len. Ein schneller Entscheidungsprozess ist hier weder möglich noch sinnvoll. Es ist notwendig, dass eine Frau in dieser Situation nachdenken kann, dass sie die Zeit und die Möglichkeit hat, Beratung zu finden. Das ist das Anliegen, das wir Abgeordnete der FDP-Fraktion schon mit unserem ursprünglichen Gesetzentwurf verfolgten. Wir wollen, dass eine Frau – sie steht nicht vor einer Abtreibung, sondern vor der Geburt; nichts anderes ist der Fall bei einer sogenannten Spätabtreibung – weiß, worüber sie entscheidet, wie sie die weitere Entwicklung verkraften kann, wie sie Abschied nehmen kann, wie sie mit der Möglichkeit, dieses Kind zu bekommen, umge- hen kann, wie sie vielleicht auch damit umgehen kann, ein Kind, das nicht lebensfähig ist, auszutragen und dann Abschied von ihm zu nehmen. Bei dieser Frage geht es auch um die Problematik – dessen ist man sich vielleicht noch zu wenig bewusst –: Wie geht es weiter, nachdem ein behindertes Kind, das lebensfähig ist, geboren wurde? Ist es der Mutter, den Eltern vielleicht möglich, es nach der Geburt abzuge- ben? Wir müssen uns fragen: Wie wird mit behinderten Kindern, über die in einer Konfliktlage entschieden wor- den ist, umgegangen? Wir brauchen gute psychosoziale Beratung. Ich glaube, es ist auch für Ärzte eine Entlastung, zu wissen, dass, wenn sie eine medizinische Indikation stellen, der Frau diese zusätzliche Beratung angeboten wird. Nichts anderes wollen wir Abgeordnete der FDP, die diesen ge- meinsamen Gesetzentwurf unterstützen. Wir sind aller- dings kritisch, was den Statistikteil des Gesetzentwurfs angeht, zumindest in Teilen. Wir wollen nämlich nicht, dass hier eine Plattform für weitere Diskussionen aufge- macht wird. Ich möchte mich bei den Kollegen aus der Gruppe Humme/Schewe-Gerigk ausdrücklich für die sehr kon- struktive und sehr tief gehende Diskussion bedanken. Ich glaube, ich habe in meiner Tätigkeit als Abgeordnete noch keine Diskussion erlebt, bei der so sehr um eine gute Lösung gerungen wurde wie hier. Wir haben uns 24204 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Sibylle Laurischk mit der Fragestellung sehr ernsthaft und grundsätzlich befasst. Vielen Dank dafür allen Kollegen! (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir heute zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen – im Inte- resse der Frauen, der Kinder, der Ärzte, ganz besonders aber im Interesse einer humanen Gesellschaft. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Dr. Harald Terpe ist der nächste Redner. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Frau, kein Paar entscheidet sich leichtfertig für ei- nen Schwangerschaftsabbruch. Wenn die Schwangere bei einer Vorsorgeuntersuchung erfährt, dass ihr Kind möglicherweise schwer krank oder behindert zur Welt kommt, dann geschieht dies zu einem Zeitpunkt, zu dem sie zu ihrem Kind meist schon eine Beziehung aufgebaut hat. Umso schwerer wird für sie die Entscheidung, die Schwangerschaft abzubrechen. Wir haben heute bereits gehört, wie entscheidend in einer solchen Situation medizinische und psychosoziale Beratung ist und wie wichtig es sein kann, der betroffe- nen Frau bzw. dem Paar auch nichtärztliche Beratung zu vermitteln; denn diese Beratung kann helfen, die seeli- sche Not zu bewältigen, und eine individuelle Zukunfts- entscheidung ermöglichen. In der Diskussion wird oft vergessen, wie grundsätz- lich der Entschluss ist, die Schwangerschaft mit dem ei- gentlich gewünschten Kind abzubrechen, und wie wich- tig es daher für die Schwangere bzw. das Paar ist, vor einer solch schweren Entscheidung innezuhalten, zur Ruhe zu kommen. Rund die Hälfte aller betroffenen Frauen sagen im Nachhinein, sie wüssten nicht, ob diese Entscheidung die richtige gewesen sei. Wir sollten daher alles tun, da- mit die betroffenen Frauen Zeit zur Entschleunigung be- kommen, (Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD]) Zeit für eine durchdachte Entscheidung, mit der sie auch langfristig leben können. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Das Nachdenken, das Abwägen von Konsequenzen und die Möglichkeit zum Innehalten sind entscheidend für die seelische Verarbeitung. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Schwangerschaft fortgesetzt wird, sondern auch für den Fall des Abbruchs der Schwangerschaft mit Blick auf das Abschiednehmen und die Trauer um das Kind. In der Diskussion der letzten Monate haben wir erfah- ren, dass rund einem Drittel der Frauen diese Zeit nicht gegeben wird. Es werden Abbrüche vorgenommen, ob- wohl die Diagnose einer möglichen Behinderung nicht einmal 48 Stunden zurückliegt. Als Arzt frage ich mich natürlich, wie in einer solch kurzen Zeit eine zuverläs- sige medizinische Indikation gestellt werden kann, wenn nicht gerade das Leben der Schwangeren akut bedroht ist. Vor diesem Hintergrund sind wir als Gesetzgeber in der Pflicht, den betroffenen Frauen die Zeit zu garantie- ren, die sie für ihre Entscheidung brauchen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Wir dürfen die Frauen in dieser Schocksituation nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen, zum Beispiel dem Drängen auf eine schnelle Entscheidung, sei es von- seiten der Ärzte, des Partners oder auch allgemein von einer nicht immer behindertenfreundlichen Gesell- schaft. Das Wissen, sich nicht sofort entscheiden zu müssen, kann viel dazu beitragen, den Druck auf Frauen zu vermindern. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Die Mindestzeit von drei Tagen entspricht bereits heute in vielen Fällen der Praxis und stellt sicher, dass niemand die Schwangere zu einer vorschnellen Ent- scheidung drängen kann. Im Gegensatz zum Gesetzent- wurf der Kollegin Humme und anderer beginnt diese Frist bereits zum Zeitpunkt der Diagnose und nicht erst, nachdem der Arzt bereits die medizinische Indikation für einen Abbruch gestellt hat. (Christel Humme [SPD]: Das stimmt so nicht!) Letzteres kann nämlich wirklich zu einer Verzögerung und unnötigen Belastung der betroffenen Frauen führen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu dem Vor- wurf sagen, wir würden mit unserem Gesetzentwurf ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Ärztinnen und Ärzten zum Ausdruck bringen. Das ist falsch. Die Ärzte- schaft selbst hat um eine gesetzliche Regelung – auch der dreitägigen Bedenkfrist – gebeten. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aber nicht die Gynäkologen!) Diese Bitte nach einer gesetzlichen Klarstellung kommt von Menschen, die in der Praxis mit diesem Thema befasst sind. Es handelt sich hier also nicht um einen Akt des Misstrauens. Im Gegenteil: Wir schaffen auch für Ärztinnen und Ärzte Rechtssicherheit. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir niemanden gängeln. Wir wollen Frauen und Paaren helfen. Wir wol- len sie bei einer der unbestreitbar schwersten Entschei- dungen unterstützen, die sie in ihrem Leben zu treffen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24205 (A) (C) (B) (D) Dr. Harald Terpe haben. Ich bitte die Unentschiedenen, den Gesetzentwurf der Gruppen Griese, Lenke und Singhammer zu unter- stützen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Rednerin ist die Kollegin Maria Eichhorn. Maria Eichhorn (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Schwangerschaft ist ein herausragendes Ereignis im Leben einer Frau und ihres Partners. Wenn der Arzt bei der Untersuchung aber sagt, dass bei ihrem Kind et- was nicht in Ordnung ist, bricht für diese Frau die Welt zusammen. Viele Fragen, Lähmung und Schock. Wie geht es weiter? Die betroffenen Frauen wollen nicht wahrhaben, dass ausgerechnet ihr Kind behindert sein soll. Wenn dann der Arzt auf eine mögliche Abtreibung hinweist, erscheint das schnell als Lösung. Nippert hat in einer Untersuchung festgestellt, dass ein Drittel der Spätabbrüche innerhalb von drei Tagen stattfindet. Die Fachleute sind der Meinung, dass es be- rechtigte Zweifel daran gibt, ob eine solche Entschei- dung auf Dauer verkraftet werden kann, wenn der Ab- bruch im Schockzustand erfolgt. Bei der Neuformulierung des Abtreibungsrechts von 1995 – Frau Schewe-Gerigk hat bereits darauf hingewie- sen – wurde die sogenannte embryopathische Indikation als eigener Tatbestand abgeschafft und bei der medizini- schen Indikation aufgenommen. In der Begründung dazu wurde damals klargestellt – ich zitiere –, „dass eine Be- hinderung niemals zu einer Minderung des Lebensschut- zes führen kann“. Die Praxis der Spätabtreibung ist je- doch anders verlaufen als beabsichtigt. Allein der Verdacht auf eine Behinderung ist heute Grund für eine Abtreibung. Durch die sogenannte Kind-als-Schaden- Rechtsprechung sehen sich Ärztinnen und Ärzte genö- tigt, in Richtung Abbruch zu beraten. Als damalige Verhandlungsführerin hat mich diese Entwicklung betroffen gemacht. Seit Anfang 1999 hat die Unionsfraktion nach Lösungen gesucht, um diese Entwicklung aufzuhalten. Bereits zweimal wurde von uns ein Antrag zur Vermeidung von Spätabtreibungen eingebracht – leider ohne Erfolg. Bedauerlicherweise ist es trotz Koalitionsvertrag nicht gelungen, mit unserem Koalitionspartner einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu formulieren. Dass heute ein fraktionsübergreifender Kompromiss zur Abstimmung steht, ist eine große parla- mentarische Leistung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Ich bin mir sicher, dass es durch die Umsetzung des vorliegenden Gruppengesetzentwurfes zu einer wesent- lichen Verbesserung der im Zusammenhang mit Spätab- treibungen bestehenden Situation kommen wird. Wenn die Schwangere erfährt, dass sie ein behinder- tes Kind erwartet, darf sie mit dieser Diagnose nicht al- leingelassen werden. Während der Arzt über die Behin- derung selbst und mögliche Folgen aufklärt, ist ebenso eine psychosoziale Beratung notwendig, wie das heute schon öfter erklärt wurde. Liebe Kolleginnen und Kolle- gen von der Linken, diese Beratung begleitet die Frau, wenn sie es wünscht, weit über den Tag der Entschei- dung hinaus – wenn es notwendig ist, drei Jahre lang. Das wird von den Beratungsstellen geleistet. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wenn sie eine findet, ja!) In einer Untersuchung von Rohde/Woopen wird festge- stellt, dass die psychosoziale Beratung dann von den Be- troffenen wahrgenommen wird, wenn der Arzt sie ver- mittelt. Ein reiner Hinweis ist nicht ausreichend. Daher wird der Arzt in unserem Gesetzentwurf zur Beratung und zur Vermittlung an eine psychosoziale Beratungs- stelle verpflichtet. Selbstverständlich hat jede Schwangere das Recht auf Nichtwissen. Wenn jedoch ein auffälliger Befund vor- liegt, dann sind genauere Kenntnisse der Diagnose für die Schwangere eher entlastend und ist eine Beratung dringend erforderlich und hilfreich, wie die Untersu- chungen ergeben. Das oft zitierte Selbstbestimmungs- recht der Frauen wird nicht gestärkt, wenn ihr in einer so schweren Krisensituation Hilfe und Unterstützung vor- enthalten würden. Die betroffenen Frauen müssen in Ruhe überlegen können, und deswegen ist eine rechtlich geschützte Mindestbedenkzeit von drei Tagen ab dem Zeitpunkt der Diagnose notwendig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind uns dessen bewusst: In diesem Dilemma gibt es keine gute Entscheidung. Es gibt nur eine, die eher zu ertragen ist. Diese Entscheidung muss reifen können, um sich später nicht quälende Vorwürfe machen zu müssen. Die heutige Abstimmung ist eine Gewissensentschei- dung, unabhängig von Partei- und Verbandspolitik. Jeder von uns hat heute zu entscheiden, wie in einer so extre- men Konfliktsituation der Schwangeren und deren Part- ner am besten geholfen werden kann. Ebenso muss uns allen aber bewusst sein, dass auch behinderte ungebo- rene Kinder unseres Schutzes bedürfen. Ich bin über- zeugt, dass der gemeinsame Gruppengesetzentwurf die richtige Antwort ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Michael Goldmann. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hans-Michael Goldmann (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele von Ihnen kennen das große Glück – ich 24206 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Hans-Michael Goldmann habe es vor kurzem als Opa erlebt –, wenn ein gesundes Kind geboren wird. Leider erleben aber auch viele Men- schen in unserer Gesellschaft den Albtraum, dass mög- licherweise ein schwerstbehindertes Kind zu Welt ge- bracht wird. Dass wir uns heute mit diesem Sachverhalt beschäftigen, ist notwendig; denn die Zahlen sind bedrü- ckend. Zwar sterben in vielen Bereichen unserer Gesell- schaft täglich viel mehr Menschen aus anderen Gründen; aber wenn man bedenkt, dass die Lebensfähigkeit schon nach der 20. Schwangerschaftswoche besteht, sind es durch Spätabtreibungen immerhin zwei Menschen pro Werktag. 600 pro Jahr sind für uns Verpflichtung, sich um diesen Sachverhalt zu kümmern. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass wir nach langem Ringen in guter, gemeinsamer Arbeit heute über Gesetzentwürfe beraten, die von Respekt gegenüber der Position der einzelnen Gruppen getragen sind. Die Abgeordneten Humme, Singhammer, Griese und Lenke liegen in ihren Positionen dicht beieinander. Sie wollen mit ihren Gesetzentwürfen in einer sehr schwieri- gen Situation Hilfe bieten. Ich finde, Aufgabe des Ge- setzgebers in dieser Situation ist, den Weg zur Hilfe auf- zuzeigen. Ich bin enttäuscht von der Position, liebe Kirsten Tackmann, die du vorhin eingenommen hast. Niemand will die Tür zum § 218 Strafgesetzbuch wieder aufma- chen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das sage ich ganz persönlich. Liebe Kollegin Tackmann, vielleicht können wir uns einmal darüber unterhalten, wie es war, wenn man als katholischer Christ in der FDP für die Regelung des § 218 eingetreten ist. Man hat das eine oder andere ertragen müssen. Deswegen bitte ich sehr darum, auch die Positionen derjenigen mit Respekt zu behandeln, die eine andere Position als die der Links- partei vertreten, die du vorhin in deinen Ausführungen zum Ausdruck gebracht hast. Wir stehen vor der Herausforderung, eine Konfliktsi- tuation möglichst auf gesetzgeberischem Wege zu lösen. Ich bin dankbar für das, was Herr Dr. Terpe vorhin ge- sagt hat. Es geht um Aufklärung und Beratung, und zwar um freie Beratung. Es geht nicht so sehr darum, jeman- dem ein Informationsrecht aufzuzwingen; es geht auch um ein Recht auf Nichtwissen. Es ist eine sehr wichtige Entscheidung für die betroffenen Menschen, weil sie mit ihrer Entscheidung auf ihrem späteren Lebensweg wahr- scheinlich sehr häufig konfrontiert werden. Lassen Sie mich noch etwas zu der dreitägigen Be- denkzeit sagen. Ich finde es nicht korrekt, wenn so getan wird, als ob es nur um einen Block von drei Tagen gehe. Das stimmt doch nicht. Es geht um mindestens drei Tage Bedenkzeit. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es gerade in dieser Situation entscheidend darauf ankommt, eine Bedenkzeit im Gesetz zu verankern, weil es in einer solchen Schocksituation notwendig ist, Bedenkzeit zu haben. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD) Insofern liegt ein kluger Kompromiss vor. Deswegen bitte ich darum: Lassen Sie uns gemeinsam eine mög- lichst gute Lösung finden. Ich bin der Meinung, dass sich beide Gruppengesetzentwürfe relativ überzeugungs- orientiert auf einen Kompromiss zubewegen lassen. Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Kollegin Andrea Nahles hat nun das Wort. Andrea Nahles (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt im Deutschen eine sehr schöne Um- schreibung für die Schwangerschaft, nämlich „guter Hoffnung sein“. Mit guter Hoffnung gehen 85 Prozent der Schwangeren zu einer vorgeburtlichen Untersu- chung. Immer ist damit die Erwartung verbunden, dass es die Bestätigung gibt: Mein Kind ist gesund. Aber lei- der ist das nicht immer der Fall. In dem Moment entsteht Druck. Er kommt nicht von außen, sondern er entsteht tief im Inneren. Denn nach dieser Diagnose steht nur noch eine Entscheidung im Raum: Für welchen Schmerz soll man sich entscheiden: den Schmerz, sein Wunschkind nicht zu bekommen, oder den Schmerz, ein Kind zu bekommen, das ganz an- ders ist, als man es sich gewünscht hat? Darum geht es. Ich finde es wichtig, dass man sich in einer solchen Si- tuation darüber klar wird, was man will. Die Frauen müssen spüren können, dass sie Zeit haben, dies in der Familie zu erörtern. Handelt es sich um Bevormundung, wenn wir dafür Zeit garantieren wollen? Ich meine, nein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich höre oft: Die betroffenen Frauen müssen das al- leine entscheiden. – Letztendlich entscheidet niemand anderes als die Betroffenen. Aber bitte „allein entschei- den“ nicht mit „allein lassen“ verwechseln! Das ist ein ganz wichtiger Punkt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 18 Prozent der Betroffenen sagen, dass sie sich ausrei- chend beraten gefühlt haben. 18 Prozent! Wir wollen, dass der Arzt die Pflicht hat, darauf hinzuwirken, dass es eine psychosoziale Beratung an einem anderen Ort als in der Arztpraxis gibt. Psychosoziale Beratung bedeutet, dass man sich nicht nur mit der eigenen Familie austau- schen kann, die selber betroffen ist und Abschied von Hoffnungen nehmen muss, sondern dass man auch je- mand Drittes anhört, der einem vielleicht ein Fenster öff- net und andere Vorstellungen in einer solchen Situation ermöglicht. Das ist für mich Hilfe, damit die Betroffenen mündig entscheiden können, und keine Bevormundung. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24207 (A) (C) (B) (D) Andrea Nahles Die Bedenkzeit muss ernst genommen werden. Ich habe in meiner Familie erlebt, dass man sich die Reak- tionen des Umfeldes nicht immer so schönmalen darf, wie hier manchmal unterstellt wird. Nicht alle sagen, dass behindertes Leben auch gelingendes Leben ist. Das ist eine schöne Vorstellung. Aber oft sehen die Reaktio- nen ganz anders aus. Von Betroffenen haben wir oft ge- hört, dass dann solche Sätze kommen wie „Das kann man heute doch vorher wissen“. Damit wird die Frage impliziert, ob man das nicht rechtzeitig hätte verhindern können. Offen gesagt geht es mir bei der Bedenkzeit da- rum – das ist meine Hoffnung –, dass den Betroffenen eine Chance gegeben wird und sich ein Fenster öffnet, damit sie vielleicht Mut fassen, sich für ein behindertes Kind zu entscheiden. Das darf natürlich nicht mit Zwang oder Druck geschehen. Aber es sollte sich um eine Op- tion handeln, die erwogen werden kann. Wenn man in ei- ner Schocksituation ist und einem nicht die notwendige Bedenkzeit garantiert wird, ist es vielleicht schwerer. Um diese Chance geht es mir. Es ist gut, dass sich im Laufe der Zeit eine sachliche Debatte herauskristallisiert hat. Es geht um Beratung und Abwägung. Die Bedenkzeit stellt eine Hilfe und keine Bevormundung dar. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Göring- Eckardt. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Tod des eigenen Kindes ist wohl das Schlimmste, was Eltern widerfahren kann. Was bedeutet es dann erst, darüber entscheiden zu müssen? Mit der Diagnose, die nicht der Erwartung und der Hoffnung entspricht, be- ginnt für Eltern die schwerste Zeit, eine Zeit voller exis- tenzieller Fragen, Verzweiflung, Wut und Hilflosigkeit. Nein, niemand handelt dann leichtfertig. Alles, was von außen getan werden kann, sind Beratung, Gespräch und Zuspruch. Dass jemand da ist – enge Vertraute, Fami- lie –, ist wichtig. Dass jemand über die Krankheit und die Erwartung informiert, die man an ein Leben mit ei- nem behinderten Kind haben kann, ist unabdingbar. Dass jemand professionell berät – ein Psychologe, eine Seel- sorgerin –, ist mehr als wichtig. Der Kontakt zu Eltern behinderter Kinder kann helfen, sich über die Herausfor- derung klar zu werden, aber auch über die Chance, ein Leben mit Behinderung zu meistern und Freude daran zu haben. Die Gespräche können auch zu dem Schluss führen, dass es zu schwer ist, oder zu dem Schluss – oft schmerzlich –, dass man loslassen muss. Es kann ein Ge- spräch sein, das geführt wird, oder es können drei, zehn oder mehr Gespräche sein. Die Zeit dafür muss vorhan- den sein, und sie muss vor allem selbstverständlich ge- währt werden. Die Debatte hier konzentriert sich darauf, ob ein Zeit- raum von drei Tagen festzulegen ist und ob dies über- haupt notwendig ist. Ich sage ganz klar: Nur wenn diese Spanne im Gesetz verankert ist, nimmt man die Ent- scheidung aus der Hand anderer und gibt sie in die Hand der Frau und des Vaters. Darum geht es, nicht um Aus- nahmefälle. Es geht darum, dass wir nicht sagen, dass es auch eine angemessene Zeit sein kann. Wer legt diese angemessene Zeit denn fest? Die Ärztin, der Arzt? Ist es ein Tag, sind es zehn Tage? Was ist angemessen in einem Moment, der von Erschrecken und von Schock geprägt ist, der davon geprägt ist, nicht mehr ein noch aus zu wissen? Oft haben Ärztinnen und Ärzte für diese Art Be- ratung keine Ausbildung, arbeiten nicht in einem Zen- trum und sehen vielleicht in einem Fall von ein- oder zweitausend Fällen eine Auffälligkeit im Ultraschall. Wie sollen sie eine Beratung – und das in kurzer Zeit – leisten können? Gerade darum sind die Beraterinnen und Berater in den psychosozialen Beratungsstellen so wich- tig. Der Weg dorthin muss einfach sein. Man muss den Menschen helfen, den Weg so einfach wie möglich ge- hen zu können. Darum geht es. Nach all dem kann die Entscheidung zugunsten des Lebens des Kindes fallen oder dagegen. Sie kann sich richtig anfühlen oder noch nach Jahren als falsch. Ich bitte Sie sehr: Stimmen Sie für die Mütter und Väter, die es schwer mit ihrem Wunschkind haben. Stimmen Sie dafür, dass sie Zeit für einen schweren Gang haben, Zeit, die ihnen niemand nehmen kann, Zeit für eine Entschei- dung. Sie kann in Unsicherheit gefällt worden sein und sich am Ende doch bestätigen, aber es soll eine Entschei- dung sein, mit der Mütter und Väter ihr Leben leben können. Wenn es uns gelingt, dass nicht Verzweiflung den Prozess bestimmt, sondern dass Eltern wegen der Art der Entscheidungsfindung besser oder gar gut mit ih- rer Entscheidung leben können, dann haben wir etwas erreicht. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Kollegin Ulla Jelpke ist die nächste Rednerin. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An so ei- nem Tag wie heute möchte ich am liebsten nur eine Stimme abgeben, nämlich die für die ersatzlose Strei- chung des § 218 StGB. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) Seit mehr als 30 Jahren kämpfe ich mit und in der Frau- enbewegung dafür, dass Frauen selbst bestimmen kön- 24208 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Ulla Jelpke nen, wann und unter welchen Bedingungen sie sich für ein Kind entscheiden. Sie wollen keinen Druck und keine Drohung, sie wollen weder Geld- noch Gefängnis- strafen. Meines Erachtens wird mit der heutigen Debatte erneut die Diskussion über den § 218 eröffnet und damit ein neues, dunkles Kapitel dieser Geschichte aufgeschla- gen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Die Gesetzentwürfe, die heute vorliegen, führen einen Angriff gegen den 1995 gefundenen sogenannten Ab- treibungskompromiss. Damals entschied der Bundestag, dass bei medizinischer und kriminologischer Indikation der Abbruch der Schwangerschaft moralisch und juris- tisch legitim ist. Deshalb war in diesen Fällen keine Beratungspflicht vorgesehen. Damals wurde Frauen zu- gestanden, wenigstens in bestimmten Situationen selbst- verantwortlich und ohne staatliche Bevormundung zu entscheiden. Selbst diese, aus Sicht unserer Fraktion noch viel zurückhaltende liberale Grundhaltung hat zu wütenden Protesten selbsternannter Lebensschützer ge- führt. Heute geht man in den vorliegenden Entwürfen einen Schritt zurück: Die Indikationslösung des § 218 a wird zur Disposition gestellt. Der Singhammer-Entwurf stig- matisiert Frauen außerdem als beratungsbedürftig und unfähig, selbstverantwortlich über ihre Schwanger- schaft zu entscheiden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Ina Lenke [FDP]: Das stimmt nicht!) Ich stelle mir durchaus die Frage, warum auf einmal Namen von Abgeordneten der SPD und auch der Grü- nen, die sich immer sehr frauenbewegt geben, auf Anträ- gen von Lebensschützern aus CDU und CSU wiederzu- finden sind. Ich frage gerade diese Frauen und Abgeordneten von der SPD und den Grünen: Haben Sie eigentlich vergessen, dass in Ihren Programmen einmal die Streichung des § 218 gestanden hat und Ihre Frauen- organisationen dafür eintraten? Warum unterstützen Sie heute eine Verschärfung, die vor allen Dingen Frauen bevormundet? (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) Es geht nicht um die 229 Spätabtreibungen, die pro Jahr vorgenommen werden, sondern um folgende Frage: Wie viele Rechte sollen Frauen eigentlich noch haben? Das konservative, rückschrittliche Weltbild sieht ohnehin vor, dass Frauen nur Kinder gebären – mehr nicht. Die Fraktion Die Linke gesteht Frauen hingegen die Fähigkeit zu, in Konfliktsituationen selbst eine verant- wortliche Entscheidung zu treffen. Wir wollen Lösun- gen, die Frauen nicht bevormunden; dies sage ich ganz deutlich. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) Auch wir sehen es so, dass in den Gesetzentwürfen kein direkter Druck auf die Frauen ausgeübt wird. Viel- mehr wirken sie über Umwege: über die Ärzte. Denn Sie wissen ganz genau, was passieren wird: Immer weniger Ärztinnen und Ärzte werden bereit sein, Abtreibungen vorzunehmen, besonders im ländlichen Raum und in den katholisch geprägten Bundesländern. Damit leisten Sie einen Beitrag zum Abtreibungstourismus und ver- schlechtern die Situation der Frauen, die ohnehin schon einen starken Konflikt durchleben. Meine Fraktion wird deshalb die Gesetzentwürfe ab- lehnen. Es ist leider nicht das erste Mal, dass wir als ein- zige Fraktion ein Gesetz gegen weitere Verschlechterun- gen verteidigen müssen, obwohl wir es eigentlich abschaffen wollen. Dies ist auch kein Zufall; denn die geplante Verschärfung des § 218 a reiht sich ein in das konservative Rollback der letzten Jahre gegenüber den Frauen und auch der Frauenbewegung. (Beifall bei der LINKEN) Doch ich bin ganz sicher: Der Rückschritt, den Sie heute beschließen werden, wird nicht das letzte Wort sein. Die Frauenbewegung und auch wir an ihrer Seite werden weiterhin für die Abschaffung des § 218 kämp- fen. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Renate Schmidt. Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Frau Jelpke, gerade nach Ihrem Beitrag unterstreiche ich hier sehr deutlich: Diese Debatte war und ist keine Aus- einandersetzung zwischen Feministinnen und Lebens- schützern; (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) denn weder wollen Frau Griese, Frau Lenke, Herr Singhammer oder gar ich Frauen bevormunden noch wollen Frau Humme, Frau Schewe-Gerigk und andere das Selbstbestimmungsrecht der Frauen gegen das Le- bensrecht von Behinderten ausspielen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) Die Schlachten der 80er- und 90er-Jahre müssen Gott sei Dank nicht erneut geführt werden; (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) denn niemand, der einen der Gesetzentwürfe unterstützt, will den erreichten Kompromiss zum § 218 StGB in ir- gendeiner Form infrage stellen. Gegen Ende unserer Debatte nenne ich ganz kurz die drei Elemente, die für Kerstin Griese, Frau Lenke, Herrn Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24209 (A) (C) (B) (D) Renate Schmidt (Nürnberg) Singhammer und mich unverzichtbar sind. Dies ist ers- tens eine verbindliche dreitägige Bedenkzeit, von der – dies sei noch einmal verdeutlicht – bei einer für die Schwangere aus physischen oder psychischen Gründen bedrohlichen Situation selbstverständlich abgewichen werden kann, die aber in den anderen Fällen mindestens eingehalten werden soll. Uns ist die verbindliche Min- destdauer dieser Bedenkzeit wichtig, um Automatismen, von denen uns sehr viele in Zuschriften berichtet haben, zu verhindern und vor allen Dingen um Zeit zu gewin- nen – Zeit für eine Entscheidung, mit der die Frau, mit der die ganze Familie nicht nur eine kurze Frist, sondern ein Leben lang leben kann, aber auch Zeit, um trauern zu können, wenn man sich – aus welchen Gründen auch im- mer – gegen das Kind entscheidet und vor allen Dingen wenn man ein nicht lebensfähiges Kind erwartet. Unverzichtbar ist für uns zweitens eine Pflicht – und nicht nur ein Hinweis – zur Vermittlung von psycho- sozialer Beratung durch die Ärztinnen und Ärzte. Drittens wollen wir die Verstöße dagegen mit einer Ordnungswidrigkeit ahnden, weil dies bisher nirgendwo geregelt ist. Es geht um Ordnungswidrigkeiten, wie sie übrigens im Schwangerschaftskonfliktgesetz schon heute bei anderen Verstößen vorgesehen sind, ohne dass deshalb das Vertrauensverhältnis von Ärzten und Ärztin- nen und Patientinnen irgendwie untergraben wird. Diese drei Punkte sind in unserem Gesetzentwurf, insbesondere für Frauen, eindeutig besser geregelt. Dies wurde von der erdrückenden Mehrheit der Sachverstän- digen und der Gutachten bestätigt. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, mit unserem Ge- setzentwurf wird viel erreicht. Die gesamte medizinisch- psychosoziale Indikation wird auf ein neues Fundament gestellt. Es geht eben nicht nur um sogenannte Spätab- treibungen jenseits der 22./23. Woche, nicht an erster Stelle um die nicht lebensfähigen behinderten Kinder, sondern auch um die Möglichkeit des Lebens mit einem behinderten Kind, etwa mit Down-Syndrom. Diese Möglichkeit wollen wir verbessern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP) Vor allen Dingen werden mit unserem Gesetzentwurf die Frauen gestärkt; denn Beratung – so hat es einer der Sachverständigen ausgedrückt – ist in diesem Fall Frei- heitsvorsorge: Die Frauen können dadurch von ihrer Freiheit, von ihrem unantastbaren Selbstbestimmungs- recht besser Gebrauch machen, weil sie informierter sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich werde auch dem Statistikteil zustimmen, weil die Anonymität gesichert ist und es – das wurde durch den Bundesdatenschutzbeauftragten bestätigt – keinerlei da- tenschutzrechtliche Probleme gibt, weil wir mehr wissen müssen, wenn wir helfen wollen, und weil wir damit auch verfassungsrechtlichen Vorgaben nachkommen. Ich werde dem Antrag von Christel Humme und anderen zu- stimmen, weil er unseren Gesetzentwurf wirkungsvoll ergänzt. Ich bitte Sie, ein Gleiches zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP) Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, gestatten Sie mir zum Schluss noch eine ganz kurze persönliche Anmer- kung. Dies ist wahrscheinlich meine letzte Rede in die- sem Parlament – nach 29 Jahren hauptberuflicher politi- scher Tätigkeit, davon 21 Jahre auf Bundesebene. Ich bin froh, dass ich diese Rede zu einem mir sehr wichti- gen Thema und zu diesem gruppenübergreifenden Ge- setzentwurf halten darf. Ich möchte Ihnen allen, den Mit- gliedern aller Fraktionen, für diese Zeit danken; denn ich habe in allen Fraktionen Freunde und Freundinnen ge- wonnen. Die 29 Jahre Politik waren für mich die inten- sivste Zeit meines Lebens. Ich habe mich mit Themen beschäftigt, mit denen ich mich sonst nie beschäftigt hätte. Ich habe Menschen kennengelernt, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Ich habe natürlich auch Enttäu- schungen erlebt, aber vieles – so wird es hoffentlich auch heute sein – mit durchsetzen können. Das Positive hat insgesamt überwogen. Ich glaube, die meisten von uns empfinden es ähnlich; deshalb mein Dank. Mein Wunsch an Sie, die Sie weitermachen: Strahlen Sie Freude und Befriedigung über unsere Man- datstätigkeit aus, um damit vor allen Dingen bei jungen Menschen das Engagement für Parlamentarismus, für Demokratie und für unser Land zu stärken. (Anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LIN- KEN und des Abg. Gert Winkelmeier [frak- tionslos]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Liebe Kollegin Schmidt, ich möchte den Respekt, den Ihnen das Haus gerade mit demonstrativem Beifall zum Ausdruck gebracht hat, auch für das Präsidium des Bun- destages ausdrücklich bekräftigen. Wir alle trösten uns mit dem Gedanken, dass Sie uns noch einige Monate hier im Hause erhalten bleiben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nun hat die Kollegin Elke Ferner das Wort. Elke Ferner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist für mich jetzt das zweite Mal, dass ich in diesem Haus zum Themenkreis „Schwangerschaftskonflikte, § 218 und Schwangerschaftskonfliktgesetz“ reden kann. Wir haben 1992 mit dem Schwangeren- und Familien- hilfegesetz die embryopathische Indikation aus guten Gründen abgeschafft. Das bedeutet, dass eine mögliche Behinderung des Kindes seit 1992 kein Rechtfertigungs- grund mehr für einen Schwangerschaftsabbruch ist. Stattdessen haben wir damals eine weitgefasste medizi- nisch-soziale Indikation beschlossen; und diese Indika- tion ist damals auch bewusst weitgefasst worden. Sie 24210 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Elke Ferner umfasst eben kein alleiniges Entscheidungsrecht der Schwangeren. Auch das ist bewusst so entschieden wor- den, weil es für diese Indikation im Gegensatz zur Fris- tenregelung gemäß Abs. 1 des § 218 a keinerlei Fristen gibt. Die medizinisch-soziale Indikation umfasst außerdem nicht nur die sogenannten Spätabbrüche, sondern auch alle Schwangerschaftsabbrüche in einem früheren Sta- dium. Es entscheidet der Arzt bzw. die Ärztin im Ge- spräch mit der Schwangeren, ob die Voraussetzungen für eine solche Indikation gegeben sind, und zwar anhand der jeweils sehr unterschiedlichen, sehr individuellen Si- tuation und der Lebensumstände der Frau. Diese passen eben nicht in irgendein Schema hinein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) In jedem Fall – das ist unstrittig – handelt es sich da- bei für die Schwangere um eine sehr schwerwiegende, eine tiefgreifende Grenzsituation, zumal, wenn es sich nicht um eine ungewollte Schwangerschaft, sondern um ein Wunschkind handelt. Keine Frau geht mit einer sol- chen Situation leichtfertig um. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie braucht Information und Unterstützung, und zwar nicht nur in der Phase, in der möglicherweise ganz schwere und existenzielle Entscheidungen zu treffen sind. Wir wollen Beratung und Information von Anfang an. Wir wollen, dass die Frauen bereits mit der Aushändi- gung des Mutterpasses auch Informationen über ihre Rechtsansprüche nach dem Schwangerschaftskonflikt- gesetz erhalten. Das sind eben nicht nur Informationen über oder eine Beratung hin zu einem Schwangerschafts- konflikt, sondern Informationen und Beratung hinsicht- lich der Schwangerschaft als solcher. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen, dass Frauen bereits vor einer Pränataldia- gnostik umfassende Informationen und Beratung durch ihren Arzt bzw. ihre Ärztin erhalten, und zwar über die Chancen und die Risiken, aber auch über die Aussage- kraft der Diagnostik und auch darüber, dass sie ein Recht auf Nichtwissen haben und nicht jede mögliche Dia- gnostik durchführen lassen müssen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dies haben wir im Gendiagnostikgesetz bereits gesetz- lich verankert, und dies wollen wir jetzt auch für die übrige Pränataldiagnostik ebenso regeln. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Ferner, entschuldigen Sie bitte. Darf ich vielleicht insbesondere diejenigen Kollegin- nen und Kollegen, die jetzt zu den bevorstehenden Ab- stimmungen ins Plenum kommen, bitten, sich auf die Plätze zu begeben und den beiden letzten Rednern mit der gleichen Konzentration zuzuhören, wie das in der bisherigen Debatte, wie ich finde, in angemessener Weise der Fall gewesen ist. (Beifall im ganzen Hause) Wir setzen Ihre Rede, Frau Ferner, fort, wenn mög- lichst alle dieser gutgemeinten Aufforderung tatsächlich Folge geleistet haben. – Verehrte Kolleginnen und Kol- legen! Bitte schön, Frau Ferner. Elke Ferner (SPD): Wir sind der Überzeugung, dass die Frauen bereits vor der Pränataldiagnostik gut informiert werden müs- sen, damit sie dann, wenn sie gut informiert sind, nicht zu einer Pränataldiagnostik gedrängt werden können, was wir leider viel zu häufig hören. Diese frühe umfas- sende Information und Beratung sehen wir in unserem Gesetzentwurf vor. Im Gesetzentwurf Singhammer, Griese, Lenke ist dies nicht vorgesehen. (Beifall der Abg. Christel Humme [SPD]) Wir wollen eine ausreichende Bedenkzeit und keine starre Frist. Wenn nach einer Diagnostik ein Befund vor- liegt, der eine medizinisch-soziale Indikation rechtferti- gen würde, braucht die Schwangere auch nach unserer Auffassung Zeit und Unterstützung, um sich mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin, ihrem Partner und ihrer Familie zu beraten oder um sich bei einer anerkannten Bera- tungsstelle Rat und Hilfe zu suchen. Denn sie, die Schwangere, muss zum Schluss alleine eine Entschei- dung treffen, mit der sie auch leben kann. Wie viel Zeit eine Schwangere dafür braucht, ist sehr unterschiedlich. Das hängt von ihrer ganz persönlichen, ganz individuel- len Lebenssituation ab. Deshalb sehen wir in unserem Gesetzentwurf eine „ausreichende Bedenkzeit“ und keine starre Frist vor, von der nur sehr schwer abgewi- chen werden kann, wie dies im Gesetzentwurf von Singhammer, Griese, Lenke der Fall ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Welche Frist im Einzelfall ausreichend ist, kann nach unserer Auffassung nicht der Gesetzgeber vorschreiben, sondern dies kann nur von der Schwangeren selbst und ihrem Arzt oder ihrer Ärztin entschieden werden. In den meisten Fällen werden dies mehr als drei Tage sein. Es gibt aber auch Konstellationen, in denen es weniger als drei Tage sein können. Wir wollen den Frauen, die sich bereits sehr intensiv und umfassend informiert haben und keine zusätzliche Bedenkzeit mehr brauchen, diese auch nicht zumuten, damit sie nicht länger warten müs- sen. Warum sollen wir einer Frau, deren Kind nicht le- bensfähig sein wird, weil es beispielsweise kein Gehirn hat oder lebensnotwendige Organe fehlen, eine weitere Wartezeit auferlegen? Warum sollen wir einer Frau, die einen schwerwiegenden Gendefekt vererben kann und sich mit dieser Problematik möglicherweise schon wäh- rend einer früheren Schwangerschaft sehr intensiv aus- einandergesetzt hat, über diesen Umweg der Dreitage- frist für den Arzt zwischen Befund und Indikationsstellung noch eine Wartezeit auferlegen? Und warum sollen wir Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24211 (A) (C) (B) (D) Elke Ferner einer Frau, die bereits ein schwerstbehindertes Kind hat und all ihre Liebe, Zeit und Kraft für dieses Kind und ihre Familie braucht, eine Wartezeit auferlegen? Das ist unbarmherzig und verletzt die Würde der Frau. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Neben dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes müssen wir auch die Würde der Frau achten und den Respekt für ihre ganz persönliche, für eine tiefgreifende und schwerwiegende Entscheidung aufbringen, eine Entscheidung, die sie für sich selber in einer ihr ange- messenen Frist treffen können muss. Auch die Androhung von Ordnungswidrigkeiten – das ist bereits gesagt worden – trägt nicht dazu bei, das Ver- trauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin zu stär- ken, sondern wird ein Abweichen von der Dreitagefrist sehr viel weniger möglich machen. Ob ausreichend Zeit vorhanden ist, hängt nach unserer Auffassung nicht von diesen drei Tagen ab; denn in diesen drei Tagen kann eben nicht geklärt werden, wie sich die Situation später darstellt, ob das Kind in eine Regelkita, in eine Regel- schule gehen kann oder ob es, wie leider viel zu oft in unserem Land, Sondereinrichtungen besuchen muss. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin, Sie müssen langsam zum Ende Ihrer Rede kommen. Elke Ferner (SPD): Bei den anderen ist es auch immer sehr großzügig ge- handhabt worden. Aber ich komme zum Schluss. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe einen relativ guten Überblick, Frau Ferner. Elke Ferner (SPD): Die Entschleunigung, über die immer geredet wird, wird nach unserer Auffassung besser dadurch erreicht, dass wir bereits sehr frühzeitig Informationen bereitstel- len und den Frauen die Möglichkeit geben, sich mit einer möglichen Situation auseinanderzusetzen, als alles auf drei Tage zu konzentrieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass Frauen das Recht auf umfassende Information und Beratung bereits vor einer Pränataldiagnostik erhalten sollen, damit sie ohne Be- drängung gut informiert zu einer verantwortlichen Ent- scheidung gelangen können, wenn Sie mit uns der Mei- nung sind, dass nicht wir als Gesetzgeber festlegen sollten, was eine ausreichende Bedenkzeit ist, sondern die Frauen gemeinsam mit ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin dies entscheiden sollten, damit auch in schwierigen La- gen die Würde der Frau geachtet und gewahrt wird, und wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass das Vertrauens- verhältnis zwischen der Schwangeren und ihrem Arzt sowie dessen freie Berufsausübung nicht durch die An- drohung von Ordnungswidrigkeit belastet werden sollen, dann stimmen Sie mit uns gegen den Gesetzentwurf von Singhammer, Griese und Lenke und für unseren Gesetz- entwurf mit seiner liberalen Regelung. Unser Gesetzent- wurf hält fest an dem Konsens von 1992. Bei ihm stehen Hilfen statt Sanktionen im Mittelpunkt, und er achtet die Würde der Frau ebenso wie den Schutz des ungeborenen Lebens. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Johannes Singhammer. Johannes Singhammer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- ren! Heute ist ein guter Tag für dieses Parlament. Vor ei- nem Jahr hätte sich kaum jemand vorstellen können, dass es eine breite parlamentarische Basis für zumindest ein Ziel gibt: die Änderung des Schwangerschaftskon- fliktgesetzes. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aha!) Bei unserem Gruppenantrag haben sich Kolleginnen und Kollegen zusammengefunden, die nicht in einem fort- währenden engsten Schulterschluss stehen, sondern aus verschiedensten Fraktionen kommen, wie es bester par- lamentarischer Tradition entspricht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Unser gruppenübergreifender Antrag hat ein Ziel: Wir wollen Frauen und ihren Angehörigen in einer existen- ziellen Notlage helfen, und wir hoffen darauf, dass die Zahl der Spätabtreibungen sich verringert. Wir wollen nachprüfbare Verbesserungen und es nicht bei weißer Salbe belassen. Was ist die wichtigste Hilfe, die man anbieten kann? Die wichtigste Hilfe für eine schwangere Frau, die in ei- nem Gespräch mit dem Arzt mit einer für sie so schlim- men Nachricht konfrontiert wird, ist das Recht auf um- fassende Beratung und die Verpflichtung des beratenden Arztes, darauf einzugehen. Diese Verpflichtung ist Teil eines Bündels von Pflichten. Neben der Beratungspflicht hat der Arzt die Pflicht, weitere Ärzte hinzuzuziehen, die spezielle Erfahrungen haben. Außerdem gibt es eine Hinweispflicht in Bezug auf psychosoziale Beratungs- stellen und eine Vermittlungspflicht in Bezug auf psy- chosoziale Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen. Eine Mindestbedenkzeit ab Diagnosestellung ist keine zusätzliche Belastung, sondern in diesem Pro- gramm der erweiterten Unterstützung notwendig. Dabei ist uns besonders wichtig, dass die Zeit zum Nachdenken mit der Diagnosestellung beginnt, also mit dem Zeit- punkt, an dem die Frau mit der Nachricht konfrontiert wird, denn dann braucht sie diese Zeit. Nach dem ande- ren Gesetzentwurf soll dieser Zeitraum erst beginnen, wenn der Arzt seinen Entscheidungsprozess mit der In- 24212 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Johannes Singhammer dikation beendet hat. Das ist ein späterer Zeitpunkt, was wir als nicht so günstig empfinden. Ich möchte mich an dieser Stelle vor allem für die po- sitive Begleitung bedanken, die wir von Verbänden und Institutionen erhalten haben. Ich möchte gerade zu dem Punkt der Zeitdauer des Nachdenkens für die Unterstüt- zung durch viele Zuschriften danken, beispielsweise der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, die noch am 4. Mai dieses Jahres erklärt hat, dass die Mindestbe- denkzeit von wenigstens drei Tagen „zeitlich vor der Zu- mutung möglichst rascher Entscheidung“ geschützt zu werdender Frauen dient. Es ist immer wieder die Frage nach der Statistik auf- getaucht. Statistik ist in diesem Gesamtzusammenhang sicherlich eine Thematik, die nicht direkt im Zentrum steht. Warum brauchen wir also eine statistische Verbes- serung? Wir brauchen sie deshalb, weil Politik, Experten und Ärzte keine belastbaren Zahlen haben. Das hat bei- spielsweise die Bundesärztekammer bei der Anhörung im Familienausschuss erklärt und darauf hingewiesen, dass es noch Lücken gibt, die präzise Aussagen verhin- dern. In den letzten Tagen hat die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung noch einmal eindringlich dafür geworben, klare Erkennt- nisse darüber zu gewinnen, welche Zahlen zutreffen und welche Dimension die Problematik, über die wir heute reden, hat. Deshalb werbe ich für diese statistische Erhe- bung. Am Ende einer manchmal sicherlich auch emotional, aber immer mit großer Ernsthaftigkeit geführten Debatte außerhalb und innerhalb des Deutschen Bundestages möchte ich allen danken, die in einem langen und sehr intensiven Diskussionsprozess das Trennende verklei- nert und das Gemeinsame erweitert haben. Ich danke al- len, die über Fraktionsgrenzen und über sonst festgefüg- ten politischen Blöcken hinweg die gesetzlichen Rahmenbedingungen verbessern wollen. Ich weiß, dass dabei viele bis an die Grenze des Zumutbaren für sich selbst und für ihre politischen Freunde gegangen sind. Ihnen allen danke ich. Die Mühe hat sich gelohnt. Ich bitte um Zustimmung für unseren Gesetzentwurf. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Ich bitte darum, dass Sie noch einen Augenblick Platz nehmen, weil noch eine Reihe von Erläuterungen zu dem Abstimmungsverfahren notwendig sind, das nicht dem entspricht, was sonst in Gesetzgebungsverfahren üblich ist. Es muss aber niemand Sorge habe, er könnte den Aufruf der ersten von zahlreichen namentlichen Ab- stimmungen verpassen. Ich möchte zunächst allen Kolleginnen und Kollegen – nicht nur denen, die in dieser Debatte gesprochen ha- ben – herzlich dafür danken, dass sie sich über viele Mo- nate und über die Fraktionsgrenzen hinweg in bemer- kenswerter Weise um eine angemessene, sachgerechte und tragfähige Lösung einer besonders schwierigen Fra- gestellung bemüht haben, die den Gesetzgeber vor ganz besondere Herausforderungen stellt. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese Bemühungen sind vorhin von vielen Rednerin- nen und Rednern zu Recht wechselseitig anerkannt und gewürdigt worden. Ich will zur Ergänzung nur noch da- rauf hinweisen, dass diese Bemühungen nicht heute im Plenarsaal begonnen haben. Sie gab es schon über Mo- nate hinweg in eher unauffälliger Weise. Da sich das öf- fentliche Bild parlamentarischer Entscheidungsprozesse ganz wesentlich über diesen Schlussakt vermittelt, ist der Hinweis vielleicht nicht gänzlich überflüssig, dass ein beachtlicher Teil dieser – in diesem Fall – besonders langwierigen und sorgfältigen Urteilsbildung eher un- auffällig über Monate hinweg stattgefunden hat. Ich weise ferner darauf hin, dass es zu den Gesetzent- würfen, zu deren Alternative bzw. zu deren Zusammen- führung ich nachher einige Erläuterungen vortragen werde, einige Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung gibt. Die Kolleginnen und Kollegen Marieluise Beck, Ilja Seifert, Hubert Hüppe, Thilo Hoppe und Michael Brand haben solche Erklärun- gen abgegeben. Frau Pieper wie Frau Gruß weisen im Übrigen darauf hin, dass sie fälschlicherweise im Rubrum des zusammengeführten Gesetzentwurfes „Singhammer, Griese und Lenke“ aufgeführt werden. Das wird im Protokoll entsprechend korrigiert.1) Ich darf Sie nun auf das Abstimmungsverfahren hin- weisen, über das es Einverständnis zwischen den Frak- tionen auf der Basis der Vorberatungen im federführen- den Ausschuss gibt. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend hat in seiner Beschlussempfehlung auf der Druck- sache 16/12970, die Ihnen vorliegt, empfohlen, über die Vorlagen einen Beschluss herbeizuführen. Dabei hat er ein bestimmtes Votum nicht abgegeben. Zunächst wird über den zusammengeführten Gesetz- entwurf der drei Gruppen – Singhammer, Griese und Lenke – abgestimmt. Dazu wird in zweiter Lesung eine getrennte Abstimmung verlangt, wobei über beide Teile dieses Gesetzentwurfs jeweils namentlich abgestimmt wird. Danach müssen wir die Sitzung bis zur Auszäh- lung dieser Abstimmungsergebnisse unterbrechen, weil das Ergebnis die Voraussetzung für die Schlussabstim- mung ist. Sollte ein Teil des Gesetzentwurfs nicht die Mehrheit finden, müssen wir über den verbleibenden Teil des Gesetzes erneut in zweiter Lesung befinden. Auch in dieser zweiten Lesung würde dann namentlich abgestimmt werden. Die Schlussabstimmung nach der zweiten Lesung soll ebenfalls namentlich erfolgen. Wir würden dann das Abstimmungsergebnis auszählen und die Sitzung dafür unterbrechen müssen. Über den Gesetzentwurf der Gruppe Humme wird nur dann abgestimmt, wenn der zusammengeführte Gesetz- 1) Anlagen 32 bis 39 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24213 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert entwurf, über den wir zuerst abstimmen, keine Mehrheit gefunden haben sollte. Wenn er zur Abstimmung kommt, wird auch über diesen Gesetzentwurf nament- lich abgestimmt. Nachdem wir dann über die Gesetzentwürfe abschlie- ßend befunden haben, rufe ich die beiden Anträge der Gruppen Dr. Tackmann und Humme auf, über die eben- falls namentlich abgestimmt wird. Ich werde mich bemühen, vor den jeweiligen Abstim- mungen noch einmal zu verdeutlichen, was gerade kon- kret Gegenstand der aufgerufenen Abstimmung ist. Wir sind uns sicher alle einig, dass dieses Thema eine beson- dere Sorgfalt verdient. Wir kommen nun zu den Abstimmungen unter dem Tagesordnungspunkt 3 a. Hier geht es um die Abstim- mung über den von den Abgeordneten Volker Kauder, Renate Schmidt, Johannes Singhammer und weiteren Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände- rung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auf der Drucksache 16/11106 sowie über den von den Abgeord- neten Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt, Andrea Nahles und weiteren Abgeordneten eingebrachten Ge- setzentwurf auf der Drucksache 16/11347 und über den von den Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Ulrike Flach und weiteren Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskon- fliktgesetzes auf der Drucksache 16/11330. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussempfeh- lung auf der vorhin zitierten Drucksache, die genannten drei Gesetzentwürfe zusammenzuführen und über die vom Ausschuss vorgelegte Fassung eines Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes einen Beschluss herbeizuführen. Dazu regt der Ausschuss die von mir vorhin vorgetragene Trennung in die beiden Teile des Gesetzentwurfs an. Wir stimmen also zunächst über die Artikel außerhalb des Statistikteils ab. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir zu diesem zu- sammengeführten Gesetzentwurf insgesamt bis zu vier namentliche Abstimmungen durchführen müssen. Da getrennte Abstimmung beantragt ist, stimmen wir zu- nächst über Art. 1 Nr. 1 bis Art. 1 Nr. 3, Art. 2 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschussfassung ab. Ich hoffe, dass niemand Zweifel über den Gegenstand der Abstimmung hat; jedenfalls wird er nicht geltend ge- macht. Ich habe auch den Eindruck, dass alle Abstim- mungsurnen mit Schriftführerinnen und Schriftführern versehen sind. – Das ist der Fall. Dann eröffne ich hier- mit die erste namentliche Abstimmung. Ich möchte die erste namentliche Abstimmung schließen. Vorher möchte ich mich vergewissern, ob noch ein Kollege oder eine Kollegin anwesend ist, der oder die seine oder ihre Stimmkarte noch nicht abgege- ben hat. – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen. Wir geben das Ergebnis dieser Abstimmung später bekannt. Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen nun zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 4 in der Ausschussfas- sung. Das ist die Abstimmung über den Statistikteil des Gesetzentwurfes, der vorhin in der Aussprache mehrfach erläutert worden ist. Ich darf darum bitten, die ausgetauschten, nun hof- fentlich leeren Abstimmungsurnen mit den Schriftführe- rinnen und Schriftführern von Koalition und Opposition wieder paritätisch zu besetzen. Kann man mir bitte si- gnalisieren, ob dies geschehen ist? – Das ist so. Dann eröffne ich die zweite namentliche Abstim- mung. Darf ich mich vergewissern, ob für die zweite na- mentliche Abstimmung alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkarte abgegeben haben? – Ich mache auch darauf aufmerksam, dass das Probesitzen auf der Regierungsbank die Teilnahme an namentlichen Abstimmungen nicht ersetzen kann. – Keine weiteren Meldungen. Dann schließe ich die zweite namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung dieser Abstimmung zu beginnen.1) Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der beiden nament- lichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung, weil deren Ergebnis Voraussetzung für die dritte Lesung oder den Wiedereinstieg in die zweite Lesung sein wird. (Unterbrechung von 18.31 bis 18.37 Uhr) Präsident Dr. Norbert Lammert: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir das Ganze jetzt nicht in Form eines Sit-ins fortführten, sondern für die Bekanntgabe der Ergebnisse eine halbwegs geordnete Plenarformation einnehmen könnten. Ich teile Ihnen nun die Ergebnisse der beiden nament- lichen Abstimmungen mit. Zunächst teile ich Ihnen das von den Schriftführerin- nen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der nament- lichen Abstimmung über die Art. 1 Nr. 1 bis 3, Art. 2 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschussfas- sung mit – die davon betroffenen Drucksachen können wir, wie ich glaube, als bekannt voraussetzen –: Abgege- bene Stimmen 566. Mit Ja haben gestimmt 329, mit Nein haben gestimmt 237, Enthaltungen gab es nicht. Damit sind die gerade genannten Artikel sowie Einleitung und Überschrift dieses Gesetzentwurfes mit Mehrheit ange- nommen. 1) Ergebnis Seite 24216 C 24214 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 565; davon ja: 328 nein: 237 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung (Konstanz) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer (Altötting) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer (Hamm) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht (Weiden) Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Ingo Schmitt (Berlin) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Elisabeth Winkelmeier- Becker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Sabine Bätzing Dirk Becker Dr. Axel Berg Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Marion Caspers-Merk Karl Diller Garrelt Duin Siegmund Ehrmann Peter Friedrich Sigmar Gabriel Dieter Grasedieck Kerstin Griese Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Michael Hartmann (Wackernheim) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Dr. Eva Högl Johannes Jung (Karlsruhe) Josip Juratovic Ulrich Kasparick Hans-Ulrich Klose Angelika Krüger-Leißner Katja Mast Markus Meckel Ursula Mogg Gesine Multhaupt Franz Müntefering Andrea Nahles Thomas Oppermann Dr. Wilhelm Priesmeier Steffen Reiche (Cottbus) René Röspel Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24215 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert Michael Roth (Heringen) Marianne Schieder Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Renate Schmidt (Nürnberg) Carsten Schneider (Erfurt) Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Dr. Marlies Volkmer Andreas Weigel Gert Weisskirchen (Wiesloch) Lydia Westrich Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Heidi Wright FDP Christian Ahrendt Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Dr. Hermann Otto Solms Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Cornelia Behm Hans Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Ulrike Höfken Thilo Hoppe Markus Kurth Kerstin Müller (Köln) Omid Nouripour Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Dr. Harald Terpe Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Rainer Arnold Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Klaus Uwe Benneter Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding (Heidelberg) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Detlef Dzembritzki Hans Eichel Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Monika Griefahn Gabriele Groneberg Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Marko Mühlstein Detlef Müller (Chemnitz) Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Rolf Mützenich Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Otto Schily Heinz Schmitt (Landau) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Reinhard Schultz (Everswinkel) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Wolfgang Spanier Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Petra Weis Gunter Weißgerber Hildegard Wester Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Horst Friedrich (Bayreuth) Miriam Gruß Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Markus Löning Horst Meierhofer Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann 24216 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert nein: 301 Cajus Caesar Gitta Connemann Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung (Konstanz) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer (Altötting) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer (Hamm) Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Ja CDU/CSU Ulrich Adam Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek enthalten: 3 Leo Dautzenberg Markus Grübel Julia Klöckner Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Cornelia Hirsch Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer (Beifall bei Abgeordnet SPD, der FDP und des B GRÜNEN) Nun teile ich Ihnen das v und Schriftführern ermittelte Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 559; davon ja: 255 Dorothée Menzner Kornelia Möller Kersten Naumann Dr. Norman Paech Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer (Köln) Volker Schneider (Saarbrücken) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann en der CDU/CSU, der ÜNDNISSES 90/DIE on den Schriftführerinnen Ergebnis der namentli- Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth (Quedlinburg) chen Abstimmung über den der Statistikteil dieses Gese 561 Stimmen abgegeben wo gen, mit Ja haben gestimmt stimmt 302. Damit ist diese mehrheitlich abgelehnt. Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Irmingard Schewe-Gerigk Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Art. 1 Nr. 4 mit – das ist tzentwurfes –: Hierzu sind rden. Es gab 3 Enthaltun- 256, mit Nein haben ge- r Teil des Gesetzentwurfes Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Volker Kauder Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24217 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Gerd Müller Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht (Weiden) Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Ingo Schmitt (Berlin) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Elisabeth Winkelmeier- Becker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Ulrich Kasparick Franz Müntefering Renate Schmidt (Nürnberg) Dr. Margrit Spielmann Dr. Marlies Volkmer Dr. Wolfgang Wodarg FDP Christian Ahrendt Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Ina Lenke Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Jan Mücke Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Frank Schäffler Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Cornelia Behm Ulrike Höfken Thilo Hoppe Dr. Gerhard Schick Dr. Harald Terpe Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank Peter Hintze SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding (Heidelberg) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann (Wackernheim) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz (Essen) Gerd Höfer Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Johannes Jung (Karlsruhe) Josip Juratovic Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel (Berlin) Ulrike Merten 24218 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche (Cottbus) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Heinz Schmitt (Landau) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Reinhard Schultz (Everswinkel) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Wolfgang Spanier Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck (Beifall bei Abgeordnet SPD und d Da ein Teil des Gesetzent abgelehnt ist, müssen wir, au die unter den Gruppen und über das Verfahren herbeige insoweit geänderten Gesetze erneut abstimmen. Auch hier Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Hildegard Wester Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Uwe Barth Patrick Döring Paul K. Friedhoff Horst Friedrich (Bayreuth) Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Birgit Homburger Michael Kauch Hellmut Königshaus Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Michael Link (Heilbronn) Horst Meierhofer Dirk Niebel Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Marina Schuster Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Dr. Guido Westerwelle Hartfrid Wolff (Rems-Murr) en der CDU/CSU, der er FDP) wurfes in zweiter Beratung ch nach der Verständigung, zwischen den Fraktionen führt worden ist, über den ntwurf in zweiter Beratung zu ist eine namentliche Ab- Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Cornelia Hirsch Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kornelia Möller Kersten Naumann Dr. Norman Paech Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer (Köln) Volker Schneider (Saarbrücken) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Birgitt Bender Alexander Bonde stimmung verlangt. Ich bitte chenden Urnen zu besetzen u wann mit der dritten nament nen werden kann. – Ich erö Abstimmung. Ich frage, ob noch eine Ko wesend ist, die ihre oder der gegeben hat. – Das ist offensi Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth (Quedlinburg) Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Enthalten FDP Sibylle Laurischk Dr. Konrad Schily BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn also wieder, die entspre- nd mir ein Signal zu geben, lichen Abstimmung begon- ffne die dritte namentliche llegin oder ein Kollege an- seine Stimmkarte nicht ab- chtlich nicht der Fall. Dann Holger Ortel Heinz Paula Christoph Pries Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Andreas Weigel Dr. Dagmar Enkelmann Diana Golze Dr. Gregor Gysi Peter Hettlich Priska Hinz (Herborn) Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller (Chemnitz) Michael Müller (Düsseldorf) Gesine Multhaupt Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24219 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert (Bönstrup) Dr. Karl-Theodor Freiherr Helmut Lamp Albert Rupprecht (Weiden) Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Ilse Falk Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer (Altötting) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer (Hamm) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Anita Schäfer (Saalstadt) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Ingo Schmitt (Berlin) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Wolfgang Bosbach zu Guttenberg Katharina Landgraf Peter Rzepka schließe ich die dritte nam bitte die Schriftführerinnen Auszählung zu beginnen. Wir unterbrechen auch hi gebnis dieser namentlichen A und treten dann in die Schlus setzentwurf ein. Diejenigen die in der Zwischenzeit Wich müssen, bitte ich, von eine Pause auszugehen und nicht h ten in der Hand um Ausn schlossene Abstimmungen zu (Unterbrechung von 1 Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 560; davon ja: 326 nein: 234 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen entliche Abstimmung und und Schriftführer, mit der er die Sitzung, bis das Er- bstimmung ausgezählt ist, sabstimmung über den Ge- Kolleginnen und Kollegen, tiges erledigen wollen oder r nicht allzu großzügigen interher mit mehreren Kar- ahmeregelungen für abge- bitten. 8.44 bis 18.49 Uhr) Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Präsident Dr. Norbert L Die unterbrochene Sitzung Ich gebe das von den Sch führern ermittelte Ergebnis d mung zur zweiten Beratung Abgeordneten Johannes Sin Ina Lenke und weiterer Abge fassung einschließlich der b bekannt: abgegebene Stimme Mit Ja haben gestimmt 327, 234. Damit ist der Gesetzent genommen. Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung (Konstanz) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert ammert: ist wieder eröffnet. riftführerinnen und Schrift- er namentlichen Abstim- des Gesetzentwurfes der ghammer, Kerstin Griese, ordneter in der Ausschuss- eschlossenen Änderungen n 561, Enthaltungen keine. mit Nein haben gestimmt wurf in zweiter Lesung an- Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen 24220 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Elisabeth Winkelmeier- Becker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Sabine Bätzing Dirk Becker Dr. Axel Berg Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Marion Caspers-Merk Karl Diller Garrelt Duin Siegmund Ehrmann Peter Friedrich Sigmar Gabriel Dieter Grasedieck Kerstin Griese Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Michael Hartmann (Wackernheim) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Dr. Eva Högl Johannes Jung (Karlsruhe) Josip Juratovic Ulrich Kasparick Hans-Ulrich Klose Angelika Krüger-Leißner Katja Mast Markus Meckel Ursula Mogg Gesine Multhaupt Franz Müntefering Andrea Nahles Thomas Oppermann Dr. Wilhelm Priesmeier Steffen Reiche (Cottbus) René Röspel Michael Roth (Heringen) Marianne Schieder Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Renate Schmidt (Nürnberg) Carsten Schneider (Erfurt) Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Dr. Marlies Volkmer Andreas Weigel Gert Weisskirchen (Wiesloch) Lydia Westrich Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Heidi Wright FDP Christian Ahrendt Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Dr. Konrad Schily Dr. Hermann Otto Solms Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Cornelia Behm Hans Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Ulrike Höfken Thilo Hoppe Markus Kurth Kerstin Müller (Köln) Omid Nouripour Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Dr. Harald Terpe Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Rainer Arnold Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Klaus Uwe Benneter Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding (Heidelberg) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Detlef Dzembritzki Hans Eichel Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Monika Griefahn Gabriele Groneberg Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Marko Mühlstein Detlef Müller (Chemnitz) Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Rolf Mützenich Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24221 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Irmingard Schewe-Gerigk Jella Teuchner Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Petra Weis (Beifall bei Abgeordnet SPD, der FDP und des B GRÜNEN) Wir treten unmittelbar in d dritte Be und Schlussabstimmung ein. Widerspruch. Dann stimmen wiederum in namentlicher Ab mengeführten Gesetzentwurf und Kollegen ab. Ich bitte wi nen und Schriftführer, ihre P namentliche Abstimmung ist Darf ich fragen, ob noch stimmberechtigt ist, aber se abgegeben hat? – Das ist nic wir auch diese namentliche Schriftführerinnen und Schr lung zu beginnen. Die Sitzung wird jetzt wie des Ergebnisses unterbrochen weitere namentliche Abstim Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann Diana Golze en der CDU/CSU, der ÜNDNISSES 90/DIE ie ratung – Ich sehe dagegen keinen wir jetzt in dritter Lesung stimmung über den zusam- der genannten Kolleginnen ederum die Schriftführerin- lätze einzunehmen. – Die eröffnet. jemand anwesend ist, der ine Stimmkarte noch nicht ht der Fall. Dann schließen Abstimmung. Ich bitte die iftführer, mit der Auszäh- derum bis zur Auszählung . Anschließend finden zwei mungen über die Anträge Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann statt, die vorhin vorgetragen sind. Die Sitzung ist unterbroch (Unterbrechung von 1 Präsident Dr. Norbert L Die Sitzung ist wieder erö Ich darf Sie bitten, Platz das Ergebnis der namentlich schließend haben wir zwei w mungen durchzuführen. Ich gebe das von den Sch führern ermittelte Ergebnis d mung über den von den Singhammer, Kerstin Griese Abgeordneten eingebrachten Änderung des Schwangers kannt: Es wurden 560 Stimm gen gibt es keine. Mit Ja hab nen und Kollegen, mit N Gesetzentwurf in dritter Bera Hans-Christian Ströbele Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier und angekündigt worden en. 8.55 bis 19.01 Uhr) ammert: ffnet. zu nehmen. Ich teile Ihnen en Abstimmung mit. An- eitere namentliche Abstim- riftführerinnen und Schrift- er namentlichen Abstim- Abgeordneten Johannes , Ina Lenke und weiteren Entwurf eines Gesetzes zur chaftskonfliktgesetzes be- en abgegeben. Enthaltun- en gestimmt 326 Kollegin- ein 234. Damit ist der tung angenommen. Jörg Tauss Heidrun Bluhm Dr. Petra Sitte Rainder Steenblock Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Otto Schily Heinz Schmitt (Landau) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Wolfgang Spanier Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Gunter Weißgerber Hildegard Wester Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Horst Friedrich (Bayreuth) Miriam Gruß Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Horst Meierhofer Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Cornelia Hirsch Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Dr. Norman Paech Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer (Köln) Volker Schneider (Saarbrücken) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg 24222 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 560; davon ja: 326 nein: 234 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung (Konstanz) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer (Altötting) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer (Hamm) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht (Weiden) Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Ingo Schmitt (Berlin) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Elisabeth Winkelmeier- Becker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Sabine Bätzing Dirk Becker Dr. Axel Berg Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Marion Caspers-Merk Karl Diller Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Peter Friedrich Sigmar Gabriel Dieter Grasedieck Kerstin Griese Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Michael Hartmann (Wackernheim) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Johannes Jung (Karlsruhe) Josip Juratovic Ulrich Kasparick Hans-Ulrich Klose Angelika Krüger-Leißner Katja Mast Markus Meckel Ursula Mogg Franz Müntefering Andrea Nahles Thomas Oppermann Dr. Wilhelm Priesmeier Steffen Reiche (Cottbus) René Röspel Michael Roth (Heringen) Marianne Schieder Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24223 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Renate Schmidt (Nürnberg) Carsten Schneider (Erfurt) Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Dr. Marlies Volkmer Andreas Weigel Gert Weisskirchen (Wiesloch) Lydia Westrich Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Heidi Wright FDP Christian Ahrendt Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Dr. Konrad Schily Dr. Hermann Otto Solms Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Cornelia Behm Hans Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Ulrike Höfken Thilo Hoppe Markus Kurth Kerstin Müller (Köln) Omid Nouripour Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Dr. Harald Terpe Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Rainer Arnold Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Klaus Uwe Benneter Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding (Heidelberg) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Hans Eichel Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Monika Griefahn Gabriele Groneberg Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Marko Mühlstein Detlef Müller (Chemnitz) Michael Müller (Düsseldorf) Gesine Multhaupt Dr. Rolf Mützenich Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Otto Schily Heinz Schmitt (Landau) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz (Everswinkel) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Wolfgang Spanier Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Petra Weis Gunter Weißgerber Hildegard Wester Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Horst Friedrich (Bayreuth) Miriam Gruß Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Horst Meierhofer Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann Diana Golze Dr. Gregor Gysi 24224 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert Antrag. Tagesordnungspunkt fort. Es wäre nur schön, wenn die- Ich habe den Eindruck, da mungsvorgang jetzt abschließ kundig der Fall. Dann bitte und Schriftführer, mit der Au Wir stimmen jetzt sofort, gezählt werden, über den Christel Humme, Irmingard S und weiterer Abgeordneter volle Hilfen in Konfliktsituat gerschaft ausbauen – Volle T Behinderung sicherstellen“ a lie, Senioren, Frauen und Jug seiner Beschlussempfehlung über den Antrag auf Drucks schussfassung einen Beschlu 1) Ergebnis Seite 24226 C ss wir auch diesen Abstim- en können. – Das ist offen- ich die Schriftführerinnen szählung zu beginnen.1) während die Stimmen aus- Antrag der Abgeordneten chewe-Gerigk, Elke Ferner mit dem Titel „Wirkungs- ionen während der Schwan- eilhabe für Menschen mit b. Der Ausschuss für Fami- end empfiehlt unter Nr. III auf Drucksache 16/12970, ache 16/11342 in der Aus- ss herbeizuführen. Eine in- ben, zügig den Plenarsaal ve für den nächsten Tagesordnun merksamkeit haben. Vizepräsidentin Dr. h. c Ich rufe Tagesordnungspu Beratung des Antrags Fortsetzung der deu internationalen Siche auf der Grundlage d des Sicherheitsrates vom 10. Juni 1999 u nischen Abkommen tionalen Sicherheitsp 2) Ergebnis Seite 24228 B rlassen könnten, damit wir gspunkt die gebotene Auf- . Susanne Kastner: nkt 4 auf: der Bundesregierung tschen Beteiligung an der rheitspräsenz im Kosovo er Resolution 1244 (1999) der Vereinten Nationen nd des Militärisch-Tech- s zwischen der interna- räsenz (KFOR) und den jenigen, die nun andere wichtige Dinge zu erledigen ha- Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Cornelia Hirsch Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Dr. Norman Paech Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer (Köln) Volker Schneider (Saarbrücken) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Mit der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf ent- fällt die weitere Abstimmung über den Gesetzentwurf der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe- Gerigk, Elke Ferner und weiterer Abgeordneter auf Drucksache 16/12664. Tagesordnungspunkt 3 b. Wir stimmen nun ab über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und weiterer Abgeordneter mit dem Titel „Späte Schwangerschaftsabbrüche – Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken“. Der Aus- schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend emp- fiehlt unter Ziffer IV seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12970, über diesen Antrag einen Be- schluss herbeizuführen. Er gibt dazu wiederum kein ei- genes Votum ab. Wir stimmen über diesen Antrag na- mentlich ab. – Ich darf die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, mir ein Zeichen zu geben, wann wir mit der Abstimmung beginnen können. Ich eröffne die namentliche Abstimmung über diesen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Irmingard Schewe-Gerigk Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier haltliche Beschlussempfehlung gibt der Ausschuss nicht. Auch über diesen Antrag stimmen wir auf Wunsch der Initiatoren namentlich ab. Ich bitte, mir wieder ein Zei- chen zu geben, wenn alle Urnen besetzt sind. Da vermutlich viele Kolleginnen und Kollegen nach Einwerfen ihrer Stimmkarte für andere Geschäfte das Plenum zwischenzeitlich verlassen wollen, weise ich darauf hin, dass eine weitere namentliche Abstimmung im späteren Verlauf des Abends, nach augenblicklicher Berechnung der Redezeiten, so sich die dafür gemelde- ten Rednerinnen und Redner daran halten, gegen 22 Uhr, stattfindet. – Mit dieser fröhlichen Nachricht eröffne ich nun die vorletzte namentliche Abstimmung des heutigen Tages. Gibt es noch jemanden, der für die letzte namentliche Abstimmung zu dem vorhin aufgerufenen Themen- komplex seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? – Dann schließe ich die letzte namentliche Abstimmung zu die- sem Tagesordnungspunkt und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.2) Wir setzen die Beratungen sofort mit dem nächsten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24225 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 – Drucksache 16/12881 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes- außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]) Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern habe ich gemeinsam mit dem Zeithistoriker Conze seine neue Geschichte der Bundesrepublik vorgestellt. Das Kapitel zum Kosovo-Krieg ist mit dem Titel „Die Rück- kehr des Krieges nach Europa“ überschrieben. Dies hat mir noch einmal die leidenschaftlichen Diskussionen in Erinnerung gerufen, die wir in Deutschland – auch hier im Hohen Hause – damals, vor zehn Jahren, miteinander geführt haben. Die Entscheidung, uns auf dem Balkan auch militärisch zu engagieren, haben wir uns miteinan- der nicht leicht gemacht. Diese Entscheidung hat Ge- schichte geschrieben. Selbstverständlich ist dies auch Anlass, dass wir uns selbst immer wieder Rechenschaft darüber ablegen, was wir erreicht haben. Ethnische Spannungen auf dem Balkan sind geblie- ben; aber das Gespenst des Krieges – das ist das Ent- scheidende – wurde gebannt. Das haben wir gemeinsam mit anderen erreicht. Darauf können wir stolz sein. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch all die Horrorszenarien, die noch vor einem Jahr mit Blick auf die Unabhängigkeit des Kosovo an die Wand gemalt wurden, sind nicht eingetreten. Mittlerweile haben 58 Staaten den Kosovo anerkannt, darunter – mit Ausnahme Bosniens und Serbiens – sämtliche Nachfolge- staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Die überwältigende Mehrzahl der Staaten in der Region setzt auf Kooperation und auf Stabilität. Das bedeutet für die Menschen Chan- cen auf Aussöhnung und die Perspektive einer friedlichen gemeinsamen Zukunft. Das ist doch das, was wir gemein- sam wollten. Das ist das, was wir erreicht haben. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch Serbien – das sollten wir nicht übersehen – agiert inzwischen besonnener, bei allem Beharren auf seinem vermeintlichen Rechtsanspruch. Auch Serbien ist bemüht, kein Öl ins Feuer zu gießen. Sowohl die Fei- erlichkeiten zum Jahrestag der Unabhängigkeit des Ko- sovo als auch eine Reihe von Gedenktagen im Februar und im März sind einigermaßen friedlich verlaufen. Wer sich erinnert, wer die Bedeutung symbolträchtiger Jah- restage auf dem Balkan kennt, der weiß, dass das alles andere als selbstverständlich ist. Dass es diesmal ruhig geblieben ist, ist auch ein Fortschritt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dennoch sind die Herausforderungen, vor denen der Kosovo steht, gewaltig. Der Aufbau der Wirtschaft ist durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise jetzt besonders schwierig. Hinzu kommt der Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität. All das sind Riesenaufgaben. Manches geht voran. Letzte Woche ist Kosovo Mitglied im Internationalen Währungsfonds ge- worden. Vergangenen Sommer ist die kosovarische Ver- fassung in Kraft getreten. Das ist ein wichtiger, nicht zu unterschätzender Grundstein dafür, dass Kosovo-Alba- ner, Kosovo-Serben und Angehörige anderer Volksgrup- pen – wenn auch noch nicht miteinander – jetzt fürs Erste friedlich nebeneinander leben können. Mit EULEX hat die Europäische Union die bisher größte zivile EU-Stabilisierungsmission geschaffen. Sie wird von allen maßgeblichen Akteuren unterstützt: vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, von der Regierung Kosovos, auch von der Regierung Serbiens. Wie Sie wis- sen, hat Präsident Tadic dies schon Ende 2008 in seinem Schreiben an Javier Solana ausdrücklich bekräftigt. Auch hier fragen wir uns noch einmal: Wer hätte vor zwei Jah- ren gedacht, dass wir miteinander so weit kommen? Des- halb sage ich: Auch das sollten wir bei allen Schwierig- keiten, die es noch gibt, wahrlich nicht gering schätzen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir reden heute über ein Mandat. Trotz aller Fort- schritte im Kosovo, in der Gesamtregion, von denen ich ein paar skizziert habe, wird militärische Präsenz vorerst weiterhin erforderlich sein. KFOR ist ein Stabilitäts- garant, das sehen nicht nur die Menschen im Kosovo so, sondern auch die in der gesamten Region, selbst die in Serbien, wie wir inzwischen wissen. Leider gibt es im- mer noch einige, die zündeln, Stichwort „Mitrovica“, um ein Beispiel aus jüngster Zeit zu nennen. Trotzdem spiegelt die Absenkung der Truppenstärke im diesjährigen Mandat die insgesamt positiven Ent- wicklungen in der Gesamtregion wider. Damit der unab- hängige Kosovo sobald wie möglich Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen kann, hilft KFOR eben auch beim Aufbau und bei der Ausbildung kosova- rischer Sicherheitskräfte. Die Fortschritte im Kosovo sind sicherlich das Ergeb- nis unserer beharrlichen, wie ich mich erinnere, nicht im- mer einfachen, aber immer an den Realitäten ausgerichte- ten Politik. Es sind vor allen Dingen Ergebnisse des engagierten Einsatzes unserer Soldatinnen und Soldaten über die letzten Jahre hinweg. Deshalb sage ich: Ihnen gilt unser ganz besonderer Dank, unsere Anerkennung. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 24226 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier Monika Knoche Dr. Christoph Bergner Ute Granold Dr. Martina Krogmann Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Dr. Norman Paech Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer (Köln) Volker Schneider (Saarbrücken) Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer (Altötting) Wolfgang Meckelburg Katrin Kunert Otto Bernhardt Reinhard Grindel Dr. Hermann Kues Sie sollten auch im kommen stützung zählen können. Deshalb, meine Damen u breite Unterstützung dieses H längerung des Mandates. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD, de BÜNDNIS 90/DIE GR geordneten der FDP) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 557; davon ja: 48 nein: 498 enthalten: 11 Ja SPD Michael Roth (Heringen) DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Cornelia Hirsch Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping den Jahr auf unsere Unter- nd Herren, hoffe ich auf ohen Hauses für die Ver- r CDU/CSU und dem ÜNEN sowie bei Ab- Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bettina Herlitzius Sylvia Kotting-Uhl Irmingard Schewe-Gerigk Hans-Christian Ströbele fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Vizepräsidentin Dr. h. c Ich komme nun zurück z und gebe das von den Schrift rern ermittelte Ergebnis de mung über den Antrag der Tackmann, Diana Golze, Elk geordneter mit dem Titel „S brüche – Selbstbestimmungs Drucksachen 16/11377 und 1 bene Stimmen 559. Mit Ja ha haben gestimmt 501, Enthal damit abgelehnt. Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer . Susanne Kastner: u Tagesordnungspunkt 3 b führerinnen und Schriftfüh- r namentlichen Abstim- Abgeordneten Dr. Kirsten e Reinke und weiterer Ab- päte Schwangerschaftsab- recht von Frauen stärken“, 6/12970, bekannt: abgege- ben gestimmt 47, mit Nein tungen 11. Der Antrag ist Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung (Konstanz) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24227 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer (Hamm) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht (Weiden) Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Ingo Schmitt (Berlin) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Elisabeth Winkelmeier- Becker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding (Heidelberg) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann (Wackernheim) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz (Essen) Gerd Höfer Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Johannes Jung (Karlsruhe) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel (Berlin) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller (Chemnitz) Michael Müller (Düsseldorf) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche (Cottbus) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Renate Schmidt (Nürnberg) Heinz Schmitt (Landau) Carsten Schneider (Erfurt) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz (Everswinkel) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker 24228 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Cornelia Behm Alexander Bonde DIE LINKE Christian Ahrendt Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Weiterhin gebe ich das v und Schriftführern ermittelte chen Abstimmung über den Christel Humme, Irmingard S und weiterer Abgeordneter volle Hilfen in Konfliktsituat Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 556; davon ja: 461 nein: 62 enthalten: 33 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) on den Schriftführerinnen Ergebnis der namentli- Antrag der Abgeordneten chewe-Gerigk, Elke Ferner mit dem Titel „Wirkungs- ionen während der Schwan- Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Renate Künast Undine Kurth (Quedlinburg) Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann gerschaft ausbauen – Volle T Behinderung sicherstellen“, D 16/12970, in der Ausschussfa Stimmen 558. Mit Ja haben g ben gestimmt 62, Enthaltung angenommen. Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Ute Koczy Nicole Maisch Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Rainder Steenblock eilhabe für Menschen mit rucksachen 16/11342 und ssung bekannt: abgegebene estimmt 463, mit Nein ha- en 33. Der Antrag ist damit Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer FDP Patrick Meinhardt Thilo Hoppe Priska Hinz (Herborn) Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Horst Meierhofer Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Winfried Hermann Peter Hettlich Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Dr. Ilja Seifert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Birgitt Bender Kai Gehring Britta Haßelmann Dr. Dieter Wiefelspütz Heinz Lanfermann Ekin Deligöz Dr. Herbert Schui Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Hildegard Wester Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Horst Friedrich (Bayreuth) Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Dr. Harald Terpe Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Enthalten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24229 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung (Konstanz) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer (Hamm) Maria Michalk Dr. h.c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt (Mülheim) Ingo Schmitt (Berlin) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl (Heilbronn) Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Elisabeth Winkelmeier- Becker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h.c. Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding (Heidelberg) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Dr. h.c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann (Wackernheim) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz (Essen) Gerd Höfer Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Johannes Jung (Karlsruhe) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis 24230 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Markus Meckel Petra Merkel (Berlin) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller (Chemnitz) Michael Müller (Düsseldorf) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche (Cottbus) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Renate Schmidt (Nürnberg) Heinz Schmitt (Landau) Carsten Schneider (Erfurt) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz (Everswinkel) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. h.c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Hildegard Wester Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Mechthild Dyckmans Horst Friedrich (Bayreuth) Miriam Gruß Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Dr. Erwin Lotter Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Hermann Otto Solms BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth (Quedlinburg) Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank Dr. Michael Fuchs Stephan Mayer (Altötting) Peter Rzepka Christian Schmidt (Fürth) Michael Stübgen SPD Ernst Kranz FDP Rainer Brüderle Paul K. Friedhoff Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Dr. h. c. Jürgen Koppelin Michael Link (Heilbronn) Patrick Meinhardt Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Dr. Volker Wissing DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Cornelia Hirsch Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer (Köln) Volker Schneider (Saarbrücken) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Enthalten FDP Christian Ahrendt Uwe Barth Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Patrick Döring Jörg van Essen Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Michael Kauch Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Horst Meierhofer Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Gisela Piltz Dr. Max Stadler Florian Toncar Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24231 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Stinner, FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Dr. Rainer Stinner (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es richtig, dass wir uns angesichts veränderter Rahmenbe- dingungen im Kosovo heute wieder einmal in einer De- batte im Bundestag mit der Verlängerung dieses wichti- gen Mandates beschäftigen, das ja nicht mehr so sehr im Lichte der Öffentlichkeit steht, aber dennoch sehr wich- tig ist. Wir als FDP-Fraktion werden diesem Antrag auf Ver- längerung des Mandates zustimmen, weil wir der Mei- nung sind, dass auch im Jahre 2009 militärische Präsenz im Kosovo notwendig ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die NATO hat im Kosovo mit über 50 000 Soldaten angefangen. Jetzt sind es noch 15 000 Soldaten. Das ist der richtige Weg, die richtige Richtung. Die Bundesre- gierung hat sinnvollerweise den Mandatsumfang ange- passt. Das begrüßen wir. Wir stimmen Ihnen da völlig zu. Die Soldaten haben hervorragende Arbeit geleistet, zum Teil unter sehr schwierigen Bedingungen, zumin- dest am Anfang. Dafür möchten wir ihnen auch von hier aus eindeutig unseren Dank und unsere Anerkennung aussprechen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sind aber der Meinung, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Zahl der dort stationierten Soldaten insgesamt noch schneller und drastischer, deutlicher und stärker reduziert werden kann. Der Auffassung, dass wir nicht allen populistischen Darstellungen von angeblicher Nichtbeschäftigung gleich nachgeben sollten, stimme ich zu. Wir sollten aber sehr wohl die bei der NATO vor- handenen konkreten Überlegungen und Planungen ernst nehmen, jetzt damit anzufangen, die Truppenzahl im Kosovo deutlich zu reduzieren, und zwar auf eine ab- schreckende Präsenz, auf eine „deterrent presence“, wie der Fachausdruck lautet. Das halten wir für richtig. Wir wissen, dass wir im Notfall Truppen heranziehen kön- nen. Eine solche abschreckende Präsenz würde circa 2 000 Soldaten im Kosovo bedeuten. Wenn man die Re- lationen, die jetzt bestehen, zugrunde legt, würde das circa 400 deutsche Soldaten bedeuten. Das ist ein Um- fang, der, wie ich glaube, auch für uns Deutsche eine we- sentliche Erleichterung bringen würde. Wir halten das für den richtigen Weg. Wir müssen aber leider feststellen, dass sich die Bundesregierung nicht gerade durch große Aktivität hervortut, um dafür zu sorgen, dass dieser Weg beschritten wird, oder um das auch nur zu kommentieren. Auch heute habe ich vom Herrn Außenminister darüber nichts gehört. Ich hoffe, dass der Verteidigungsminister dazu gleich noch Stel- lung nehmen wird. Die Bundesregierung erweckt jeden- falls nicht den Eindruck, als stehe sie an der Speerspitze der Bewegung hin zu einer sinnvollen Reduzierung der Soldaten im Kosovo. (Beifall bei der FDP) Das sollte sie aber; denn wir alle wissen – das bekom- men wir ja täglich mit; wir im Verteidigungsausschuss vielleicht noch stärker als andere Kolleginnen und Kol- legen –, wie angespannt die Situation der Bundeswehr angesichts der Vielzahl derzeitiger Aufträge ist. Da wäre eine Erleichterung sehr willkommen. Stationierung darf kein Selbstzweck sein. Lassen Sie mich hier zwei sicherlich kritische Punkte ansprechen: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Deutschland an der Stationierung in der Größenordnung festhalten möchte, weil eine drastische Reduzierung zu einer Veränderung der regionalen Zuständigkeit und der regionalen Schwerpunkte – wir fühlen uns ja so wohl; wir sind ja auch in Prizren so bekannt – führt. Dies darf auch nicht dazu führen, dass wir Angst davor haben, eventuell logistische Systeme zu verändern. Diese Dis- kussionen werden durchaus geführt. Ich spitze es zu: Darüber hinaus darf unter gar keinen Umständen inter- national der Eindruck entstehen, dass wir mit einem Ab- zug aus dem Kosovo eher zurückhaltend sind, um Solda- ten nicht woanders einsetzen zu müssen. Das ist eine zuspitzende Bemerkung, aber ich sage das; denn dieser Eindruck darf unter keinen Umständen entstehen. Des- halb fordere ich die Bundesregierung auf, sich aktiv im Deutschen Bundestag, im Verteidigungsausschuss, im Auswärtigen Ausschuss, aber insbesondere in den Pla- nungsstäben der NATO mit diesem Thema zu beschäfti- gen und uns hier reinen Wein einzuschenken. (Beifall bei der FDP) Meine Damen und Herren, die Präsenz von Soldaten soll den zivilen Aufbau absichern. Das ist ihre Funktion. Die Soldaten haben hier wirklich ein fabelhaftes Ergeb- nis erreicht. Aber wir können mit dem erreichten zivilen Aufbau im Kosovo nicht zufrieden sein. Ich sage es so deutlich, wie ich es empfinde. Die UNMIK hat in den neun oder zehn Jahren ihrer Präsenz nicht das erreicht, was sie erreichen sollte, was wir erwarten konnten und mussten. Die EULEX-Mission hatte einen sehr schwe- ren Start. Das ist kein Vorwurf an die Bundesregierung, meine Herren Minister, aber es ist eine Tatsache. Wir müssen bedauernd feststellen, dass es der EU bis zum heutigen Tage nicht gelungen ist, eine gemeinsame poli- tische Position zum Thema Kosovo zu finden. Wir haben jetzt eine durch EULEX überwachte Selbstständigkeit des Kosovo. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kol- legen, bei jeder Debatte – ich weiß, Sie können es bald nicht mehr hören, aber es ist die Wahrheit –: Das hätten Sie einfacher haben können, wenn Sie im Jahre 2004 dem Antrag der FDP-Fraktion zugestimmt hätten, in dem wir genau das skizziert haben, was heute in etwa dort vorhanden ist. Im Jahre 2004 hätte es ein völlig an- deres psychologisch-politisches Umfeld sowohl in Russ- land als auch vor allem in Serbien gegeben. Es hätte die Chance bestanden, gemeinsam eine saubere, legale Lö- sung zu erreichen. 24232 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Dr. Rainer Stinner Wir sind uns bewusst, dass EULEX unter schwierigen Bedingungen gestartet ist. Nichtsdestotrotz muss festge- halten werden: Der Fall EULEX zeigt ein weiteres Mal die mangelnde Handlungsfähigkeit der EU, und zwar nicht nur in politischen Abstimmungsprozessen, sondern auch bei ganz einfachen operativen Dingen zur Einrich- tung der Mission, bei den Kommunikationsleistungen, den Fahrzeugen, Papieren usw. Es gab einen holprigen Start. Das wirft kein gutes Licht auf die Fähigkeit der EU, solche Missionen durchzuführen. Die Bundesregierung ist dafür nicht verantwortlich, aber Deutschland ist das größte Land in Europa. Wir ha- ben eine besondere Bedeutung für den Kosovo und der Kosovo für uns. Von daher erwarten wir von der Bun- desregierung, dass sie ihren Einfluss geltend macht. Die Bundesregierung und speziell der Redner, der nach mir kommt – Herr Präsident, ich komme zum Schluss –, redet gerne von vernetzter Sicherheit. Das ist sinnvoll und richtig. Die würden wir uns aber auch im Kosovo wünschen. Denn es ist nicht akzeptabel, weder in Afghanistan noch im Kosovo, dass mangelnde politi- sche Handlungsfähigkeit durch Präsenz von Soldaten er- setzt werden muss. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi- gung: Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- legen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer zurückschaut und sich an den Prozess der deutschen Ein- heit erinnert – wir haben ja in diesem Jahr den 20. Jah- restag des Falls der Berliner Mauer –, nämlich dass wir die Einheit in Freiheit erreicht haben, ohne dass ein Tropfen Blut vergossen worden ist, dem wird die damals herrschende Euphorie wieder bewusst werden. Damals konnte man noch nicht ahnen – das nehme ich zumindest für mich in Anspruch –, dass wir ein paar Jahre später auf dem Balkan, also in Europa, wieder Massenhinrich- tungen, Massenvergewaltigungen, Massenvertreibun- gen und kriegerische Auseinandersetzungen würden er- leben müssen. Ohne den Einsatz der NATO und damit der Bundeswehr wären dort keine stabilen Verhältnisse eingetreten. Wir haben bisher rund 100 000 Soldatinnen und Soldaten in diesen Einsatz geschickt. Das zeigt, wel- chen Beitrag die Bundeswehr zur Stabilität und zu einer friedlichen Perspektive in Europa geleistet hat. Dafür möchte ich unseren Soldatinnen und Soldaten in dieser Debatte sehr herzlich danken. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch in der Frage der weiteren Stabilisierung sind wir einen weiteren Schritt vorangekommen. EULEX, die Rechtsstaats- und Polizeimission Europas, die im April dieses Jahres ihre volle Einsatzbereitschaft erreicht hat, wird entscheidend zum Aufbau einer effektiven Polizei und rechtsstaatlicher Strukturen im Kosovo beitragen. Wir leisten auch unseren Beitrag, um weiterhin die Ko- sovo Security Force aufzubauen. Im Zuge dessen wird das Kosovo Protection Corps abgebaut. Rund 1 500 Kräfte werden übernommen, weitere 400 werden hinzukommen. Dieser Großteil des Gesamtumfangs von 2 500 Kräften, die – davon gehen wir aus – im September der Kosovo Security Force angehören werden, befindet sich zurzeit in der Ausbildung. Mit EULEX und durch die Eigenver- antwortung der Kräfte im Kosovo ist unserer Ansicht nach ein Übergang im Hinblick auf die Gewährleistung der Sicherheit möglich. Kollege Stinner, ich kann Ihre Kritik nur zurückwei- sen. Wir sind in diesen Prozess sehr mit eingebunden, auch in der Frage, was die zukünftige Stärke betrifft; ich sage gleich noch etwas dazu. Wir dürfen aber aus meiner Sicht jetzt nicht durch Ad-hoc-Reaktionen und einen überschnellen Abzug die Stabilität und die friedliche Perspektive im Kosovo gefährden. Vielmehr müssen wir einen schrittweisen Übergang vollziehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden auch beim KSF-Trust-Fonds, also bei der Ausstattung und Ausrüstung dieser Kräfte, einen erheb- lichen Beitrag leisten. Wir werden uns mit 12 Millionen Euro, ungefähr einem Drittel des Gesamtvolumens von rund 37 Millionen Euro, daran beteiligen. 204 Bundes- wehrfahrzeuge werden an die Kosovo Security Force übergeben; 185 sind schon geliefert worden. Das zeigt, welchen Beitrag wir leisten, um den Kosovo in die Lage zu versetzen, selbst für seine Sicherheit und für Stabilität Sorge zu tragen. Aber lassen Sie mich zu der Frage der zukünftigen Entwicklung, die Sie angesprochen haben, etwas sagen. Erstens halte ich es für richtig, dass wir jetzt, da wir noch rund 2 300 Soldaten im Kosovo haben, die Ober- grenze von 8 500 auf 3 500 reduzieren. Zweitens haben wir uns vorgenommen, im Rahmen der NATO-Verteidi- gungsminister-Konferenz, die im Juni stattfindet, das Konzept „Deterrent Presence“ – Sie haben es angespro- chen –, „abschreckende Präsenz“, zu entwickeln, mit dessen Hilfe die Verantwortung der KFOR schrittweise auf die zivilen Strukturen und die eigenen Kosovo- Strukturen übergehen soll. Bisher ist beabsichtigt, die Zahl der Kräfte von 15 000 in der ersten Stufe auf 10 000 abzusenken und dann je nach Entwicklung der Lage einen weiteren Schritt in den Blick zu nehmen, um nicht letztlich das zu gefährden, was wir gemeinsam in den zurückliegenden Jahren aufgebaut haben. Eins muss klar sein: Das Ziel von KFOR ist weiter- hin, ein sicheres Umfeld für alle Bewohner des Kosovo zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Der Außenminister hat – zu Recht, wie ich finde – auf die eine oder andere kritische Entwicklung im Norden des Kosovo hingewie- sen. Aber trotz größerer Demonstrationen in der letzten Zeit dort konnte die Lage bisher insgesamt stabil gehal- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24233 (A) (C) (B) (D) Bundesminister Dr. Franz Josef Jung ten werden. Unser Auftrag wird weiterhin sein, die zivi- len Missionen zu unterstützen – auch hier ist also das Konzept der vernetzten Sicherheit in der Umsetzung – und selbsttragende Sicherheitsstrukturen im Kosovo zu schaffen. Ab August dieses Jahres werden wir im Rahmen die- ses Mandates wieder die Führungsverantwortung von KFOR übernehmen; auch das ist ein Beitrag zur Ge- währleistung eines sicheren Umfeldes im Kosovo. Wir müssen den Prozess der Stabilisierung und der Umstrukturierung in einem verantwortungsvollen Um- feld gestalten. Deshalb bitte ich um Zustimmung für die Verlängerung dieses Mandats. Wir müssen die weitere Entwicklung der politischen Lage im Blick behalten. Wir sollten über eine Reduzierung in einem abgestuften Verfahren nach einer entsprechenden Einschätzung der Lage entscheiden. Aber zunächst ist es notwendig, dass wir weiterhin unseren Beitrag zur Gewährleistung einer stabilen Entwicklung im Kosovo leisten. Damit schaffen wir eine europäische Perspektive, die in eine friedliche Zukunft führt. Das ist unser Auftrag, den wir weiterhin erfüllen wollen. Ich bitte Sie dafür um Ihre Unterstüt- zung. Besten Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich gebe das Wort der Kollegin Monika Knoche, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) Monika Knoche (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Bei diesem Mandat sehen wir Linke im Beson- deren nicht, dass ein wesentliches Kriterium für eine verfassungsgemäße Mission im Kosovo erfüllt wäre, und zwar die völkerrechtliche Legitimation. Seit der An- erkennung des Kosovo im Februar 2008 gibt es für eine deutsche Militärpräsenz keine rechtliche Grundlage mehr. Das ist unsere Position, die wir auch, wie Sie wis- sen, vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen un- serer Klage vertreten. Wir sehen also nur eine Möglich- keit: Deutsche Soldaten sind aus diesem Auslandseinsatz abzuziehen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) Ohne ein neues Mandat der Vereinten Nationen kann es keine Entscheidung über einen weiteren Auslandseinsatz Deutschlands geben. Ein neues Mandat aber wird die UN nicht erteilen; sie kann auch gar nichts anderes tun, als die Statusneutralität zu bestätigen, will sie nicht ih- rerseits gegen das Völkerrecht verstoßen. Das ist die Lage. Eine neuerliche Mandatsverlängerung ist nach unse- rer Auffassung nicht möglich. Mit dieser Völkerrechts- position stehen wir Linke nicht allein, nicht in Europa und auch nicht in der UN-Vollversammlung. Spanien hat den Kosovo nicht anerkannt. Die spanische Verteidi- gungsministerin Carme Chacón kündigte am 19. März an, ihre Soldaten aus dem Kosovo abzuziehen. Überdies haben nur 58 Länder der Welt die Separation von Ser- bien für rechtens gehalten. Die Mehrheit der Staaten geht mit Serbien den Weg der Begutachtung vor dem In- ternationalen Gerichtshof. Wenn nun die KFOR weiter- hin zum Aufbau einer eigenständigen Armee beitragen soll, dann würde das noch mal die Eigenstaatlichkeit des Kosovo unterstreichen und die Integrität des serbischen Staates unterlaufen. All diese gravierenden Einwände gegen die deutsche Truppenpräsenz wollen Sie kleinreden oder schlechter- dings übergehen. Gerade jüngst bei der Entscheidung über die zivile Rechtsstaatsmission der EU, EULEX, haben die Verein- ten Nationen die Statusneutralität des Vorhabens unter- strichen und EULEX unter die UN-Mission UNMIK ge- stellt. Die UN ist nämlich der Meinung, dass die Statusfrage noch offen ist. Die neue serbische Regierung hat hart um diese Klarstellung gekämpft, und sie hat ob- siegt. Die Bundesregierung aber wollte die Ablösung der UNMIK erreichen. Die UN ist dieser Argumentation der Bundesregierung nicht gefolgt und hat EULEX unter die UN-Mission UNMIK gestellt. Das ist rechtens. Es ist wichtig, dass wir dies im Bundestag deutlich ausspre- chen. Wir sehen also: Die im Antrag enthaltene Aussage der Bundesregierung, dass der Einsatz auf Grundlage der seit 1999 bestehenden Resolution 1244 des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen erfolgt, kann nicht ange- führt werden; denn die Lage im Kosovo hat sich seit dem Februar 2008 durch die Anerkennung verändert. Ich war vor 14 Tagen im Kosovo, und zwar in Mitro- vica. Ich kann sagen, die UNMIK hat es nicht vermocht, Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit der Ethnien durchzu- setzen sowie Kriminalität und Korruption zu bekämpfen, obwohl sie die Unterstützung der NATO-Schutztruppe KFOR für diese zivile Mission hat. Der Westen hat mei- nes Erachtens viel zu wenig Mut, den neuen Machtha- benden im Kosovo einmal die harte Kante zu zeigen. Schauen wir uns die Situation im Kosovo, in Mitrovica an: Die Roma können nicht zurückkehren, die Flücht- lingsfrage ist nicht geregelt, und die Regierung in Pris- tina überlässt alles EULEX oder KFOR. Der Kosovo ist – das will ich an dieser Stelle sagen – Dreh- und Angelpunkt des Drogen- und Menschenhan- dels. Auch über diese Frage können wir hier im Bundes- tag nicht hinweggehen. Ich möchte auf Carla del Ponte, die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Straf- gerichtshofs in Den Haag, hinweisen, die in ihrem Buch deutlich zum Ausdruck bringt, dass es nicht möglich war, Kriegsverbrecher aus dem Kosovo vor Gericht zu bringen, weil Zeugen getötet oder mundtot gemacht wurden. All das gehört dazu, wenn man die Lage im Kosovo bewerten will. Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass sich an diesem Übel durch eine Fortführung der KFOR-Prä- 24234 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Monika Knoche senz etwas ändern wird. Großbritannien plant, sein ge- samtes Kontingent im September abzuziehen. Ich finde, wir müssen unbedingt – auch aus Gründen der Rechts- staatlichkeit und der Rechtmäßigkeit – gleichziehen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich gebe das Wort der Kollegin Marieluise Beck, Bündnis 90/Die Grünen. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, man muss immer und immer wie- der, auch noch zehn Jahre nach der Intervention, daran erinnern – der Herr Außenminister hat das schon ge- tan –, was der historische Hintergrund der KFOR-Mis- sion ist. Die Intervention war in der Tat äußerst schwierig, weil der UN-Sicherheitsrat – wie häufig in Konfliktsi- tuationen, in denen wir ihn bräuchten – nicht handlungs- fähig war, aber unter dem Eindruck des Krieges in Bos- nien und eines Massakers in Europa, vor unserer eigenen Haustür, nämlich in Srebrenica, eine Entscheidung zu treffen war. Wir haben lernen müssen, dass ein Nation- Building-Prozess viel schwieriger ist, als wir alle uns das vorgestellt haben. Manche Probleme haben wir geerbt, manche sind neu geschaffen worden. Im Kosovo geht es nur langsam voran. Warum? Die serbischen Menschen im Norden Mitrovicas, die unter dem starken Einfluss der radikalen serbischen Partei le- ben, haben nicht gleich ihre Zustimmung gegeben und sich nicht plötzlich als Bürgerinnen und Bürger des Ko- sovo gefühlt. War das anders zu erwarten? Ich möchte daran erinnern, dass das Gerichtsgebäude in Mitrovica nach der Unabhängigkeitserklärung von den Menschen besetzt wurde, die die Kosovo-Albaner über Jahre hin- weg mit einem Apartheidsystem unterdrückt haben. Dass diese über einen Staat Kosovo nicht begeistert wa- ren, ist leicht nachvollziehbar. Wie schwierig es ist, den Nationalismus zu überwin- den, erfahren wir im Alltag: In einem von Serben be- wohnten Dorf im Kosovo hat die Dorfbevölkerung über Monate hinweg den Strom nicht bezahlt. Als der Strom abgestellt wurde, fand eine gewalttätige Demonstration statt, in der die Dorfbewohner zum Ausdruck brachten, dass sie nur Strom aus Serbien beziehen wollen. Das sind die Blüten des Nationalismus, mit denen wir es auf dem Balkan zu tun haben. Das schwierige Geflecht von EULEX, UNMIK und KFOR dient dazu, dieses gefährli- che Nationalismusgefühl, von dem wir wissen, dass es wieder aufflammen kann, abzukühlen, damit eine Beru- higung eintreten kann und Brücken gebaut werden kön- nen, wie sie für das Entstehen dieses Staates notwendig sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU]) Wir haben ein Institutionengewirr; das ist wahr. Mit der EULEX-Mission wird im Süden der Staat Kosovo aufgebaut, während im Norden EULEX UNMIK unter- steht. Im Norden wird nach wie vor – so würde ich sagen – eine Quasi-Angliederung an serbisches Gebiet geduldet. Damit haben wir faktisch unterschiedliche Rechtsgebiete. Das ist keine gute Basis, wenn man einen funktionierenden Rechtsstaat aufbauen will. Noch viel weniger ist das eine gute Basis, wenn schwierige Fragen wie die, wie mit verstaatlichtem Eigentum aus jugosla- wischer oder serbischer Zeit umgegangen werden soll, zu behandeln sind. Diese Fragen sind in den kommenden Jahren zu klären. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass manche die- ser Dilemmata mit einer Obstruktionspolitik sowohl aus Russland als auch aus Serbien zusammenhängen; denn sie haben klare Lösungen verhindert. Der Sicherheitsrat hat seine Verantwortung, völkerrechtlich klare Lösungen zu schaffen, nicht wahrgenommen; das ist immer wieder deutlich zu sagen. Insofern, Frau Kollegin Knoche, ist es absurd, wenn Sie jetzt versuchen, den Einsatz dort, wo ein klares Mandat besteht – das Mandat für KFOR ist wirklich klar –, infrage zu stellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP) Ich möchte noch kurz etwas zu einer Debatte sagen, mit der wir es inzwischen zu tun haben. Von russischer Seite wird immer wieder versucht, die Intervention in Georgien und die Anerkennung von Abchasien und Süd- ossetien in den Windschatten des Kosovo zu stellen nach dem Motto: Da habt ihr eure Retourkutsche. Ich sage ganz klar: Wer diese Vorgänge gleichsetzt, der hat sich mit ihnen nicht beschäftigt. Der georgische Angriff auf Zchinwali war verwerflich, aber er ist nicht zu verglei- chen mit der jahrzehntelangen Unterdrückung der Alba- ner im Kosovo. Über das Kosovo wurde unter Beteili- gung aller Kontrahenten acht Jahre lang verhandelt. Russland hat Südossetien und Abchasien nach zwei Ta- gen anerkannt und jetzt fast annektiert. Wer hier – wie die russische Seite – versucht, sich auf das Völkerrecht zu berufen, der ist unglaubwürdig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Zurück zum Kosovo. Die Situation bleibt kompliziert. Fortschritte brauchen Zeit und Geduld. Es handelt sich um einen Staat mit einer eingeschränkten Souveränität. Folgerichtig gewährleistet KFOR – neben allen anderen zivilen Missionen, die es dort gibt – das Stück an militä- rischer Sicherheit, das die Menschen nach wie vor dort brauchen. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24235 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächster Redner ist der Kollege Gerd Höfer, SPD- Fraktion. (Beifall bei der SPD) Gerd Höfer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die Einlassungen der Kollegin Knoche möchte ich nicht mehr eingehen. Das hat in beeindruckender Weise meine Vorrednerin, Marieluise Beck, getan. (Zuruf von der CDU/CSU: Ja, das hat sie gut gemacht!) Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich kann mir aber nicht verkneifen, darauf hinzuwei- sen, dass eine OSZE-Parlamentarierversammlung ein- stimmig eine Resolution angenommen hat, in der sinn- gemäß steht: Wenn ein souveräner Staat nicht souverän mit seinen Staatsbürgern umgeht, ist das ein Grund, zu intervenieren. – Ich denke, das war im Kosovo auf jeden Fall gegeben. Über Bosnien-Herzegowina und anderes möchte ich nicht weiter reden. (Beifall bei der SPD) Die Einlassungen des Kollegen Stinner haben mich etwas irritiert. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein!) – Doch. Das ist mein und nicht Ihr Problem. – Wenn man eine abschreckende Präsenz fordert, stellt sich die Frage, wie die Abschreckung erreicht werden kann, ob durch Quantität oder Qualität. Nach dem, was der Bun- desaußenminister vorgetragen hat, stellt sich überhaupt die Frage: Braucht man eine abschreckende Präsenz, wenn dort ein friedliches Nebeneinander konstatiert wird? Die Frage ist im Prinzip offen. Wenn man keine abschreckende Präsenz braucht, sondern die Truppen der KFOR einer vorbeugenden Sicherheitspräsenz dienen, kann man sich anderen Aufgaben widmen – das hat der Bundesverteidigungsminister vorgetragen –, nämlich der Ausbildung derer, die nach Abzug der Truppen selbst die Sicherheit im eigenen Land gewährleisten sollen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Daher macht es Sinn, die Truppenstärke so zu belassen, wie sie ist. Völlig abstrus fand ich Ihr Argument, Herr Kollege Stinner – Sie haben diesen Verdacht geäußert –, dass die Bundesrepublik Deutschland, wenn man die Truppen im Kosovo zu stark reduziert, gezwungen wäre, die Solda- ten, die dort nicht mehr gebraucht werden, woanders ein- zusetzen. Ich appelliere an Ihr Selbstbewusstsein, lieber Kollege: Wenn dies der Fall sein sollte, ist ein Bundes- tagsbeschluss notwendig. (Beifall bei der SPD) Ich glaube nicht, dass der Deutsche Bundestag unter die- ser Voraussetzung – es wäre nicht einmal eine Ausrede – eine Verbringung dieser Truppen in andere Mandatsge- biete billigen würde. Dazu käme es nicht, schon gar nicht mit Ihrer Stimme. (Beifall bei der SPD) Ich darf darauf hinweisen, dass ein wesentlicher Bei- trag der Soldaten zur Stabilisierung des Kosovo von den LOTs, den Liaison and Observation Teams, geleistet worden ist, die mit ihrer Arbeit vor Ort, in den Dörfern, die Sicherheit erhöht haben. Es gibt ein anderes Problem, das mir bei Besuchen im Kosovo und in Serbien deutlich aufgefallen ist. Beide Teile sind erwartungsfroh, der EU beitreten zu können. Hier gibt es ein riesiges mentales Problem: Beide Teile, sowohl das Kosovo als auch Serbien, blenden aus, was wäre, wenn sie Mitglieder der EU wären. Sie müssten dann ein friedliches Miteinander organisieren, wie es nach EU-Standards rechtsstaatlich notwendig wäre. Eine entsprechende Mentalität ist noch nicht vorhanden, aller- dings die Erwartung, dass Serbien oder das Kosovo gleich übermorgen reich sein werden, wenn sie der EU beitreten, dass alle Probleme gelöst wären, weil die EU Geld geben würde. Man muss sehr aufpassen, Initiativen nicht dadurch abzubremsen, dass man die Kolleginnen und Kollegen dort in dieser Hoffnung lässt. Ein Beispiel ist die Ener- gieversorgung. Noch immer wird der Strom im Kosovo nach A-, B- und C-Kriterien verteilt. Schon längst hätte ein Kohlekraftwerk gebaut werden können; das Kosovo ist reich an Braunkohle. Bisher haben interne Schwierig- keiten – wie ich weiß, handelt es sich um Verteilungs- schwierigkeiten – den Bau eines Kraftwerks verhindert. Die Ausschreibung wurde zeitweilig aufgehoben. Das Kraftwerk hätte schon längst gebaut sein können. Diese Faktoren führen zu einer internen Destabilisie- rung des Kosovo: die Frage der Energieversorgung, aber auch die Frage, was man mit den Jugendlichen machen soll. Die jungen Menschen machen einen erheblichen Anteil der Bevölkerung im Kosovo aus. Sie haben häu- fig keine Arbeit und keine vernünftige Ausbildung. Wenn sie Wohlstand erreichen wollen, sind sie noch im- mer gezwungen, auszuwandern und sich woanders mit ihrer Arbeitskraft zu verdingen. Bei diesem Problem muss man ansetzen. Um es zu lösen, ist es notwendig, dass KFOR und die Bundeswehr ein sicheres Umfeld ge- stalten. Es geht hier nicht um eine militärische Präsenz zur Abschreckung, sondern im Gegenteil darum, dass das Militär hilft, die zivilen Strukturen zu organisieren und aufrechtzuerhalten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Thomas Silberhorn, CDU/CSU-Fraktion. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich richtig gerechnet habe, beraten wir 24236 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Thomas Silberhorn hier über die zehnte Mandatsverlängerung, über die zweite seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008. Es ist erfreulich, feststellen zu können, dass sich die Lage seither weitgehend stabilisiert hat, auch wenn es im größten Teil des Landes noch vereinzelt Zwischenfälle gibt. Es gibt aber insbesondere seit dem Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung keine erneute Eskalation. Ich denke, das hat eine Reihe von Gründen, die es verdienen, hier ausdrücklich genannt zu werden. Ein Grund ist die umfangreiche internationale Prä- senz. Insbesondere die Rechtsstaatsmission EULEX hat beim Wiederaufbau und beim Übergang der Verantwor- tung auf kosovarische Institutionen eine wichtige Funk- tion. Die Mission wirkt insbesondere dadurch stabilisie- rend, dass sie in allen Teilen des Kosovo präsent ist. Viele andere wirken mit: die OSZE-Mission, die interna- tionale Verwaltungsbehörde, das UN-Entwicklungspro- gramm, die Weltbank. Es gibt also insgesamt eine sehr umfangreiche internationale Präsenz, die dazu beigetra- gen hat, die positive Entwicklung zu befördern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- wie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es gibt allerdings auch eine Reihe von wichtigen Wei- chenstellungen der kosovarischen Politik, die stabilisie- rend gewirkt haben. Die ersten Schritte zum Aufbau der Institutionen sind erfolgt, insbesondere in Bezug auf die kosovarischen Sicherheitskräfte, die hier schon ausführ- lich gewürdigt worden sind. Entscheidungen wie die des Staatspräsidenten Sejdiu, die allgemeinen Parlaments- wahlen auf das Jahr 2011 zu verschieben, sind sicherlich auch ein Beitrag zur Entspannung des politischen Kli- mas. Nach meiner Einschätzung gibt es einen weiteren Grund für die stabile Entwicklung des Kosovo, der heute noch gar nicht gewürdigt worden ist: die besonnene Hal- tung Serbiens, die wir nicht unterschätzen sollten. Dro- hungen, die ausgesprochen wurden, sind nicht verwirk- licht worden; es wurden keine Sanktionen verhängt, und es hat keine Gewaltanwendung stattgefunden. Ich denke, darin kommt auch eine erhebliche Integrationsleistung der serbischen Bevölkerung zum Ausdruck, die wir aus- drücklich anerkennen sollten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE]) Entgegen allen Erwartungen haben die Serben bei den letzten Parlamentswahlen mit klarer Mehrheit eine Re- gierung mit europäischer Orientierung gewählt. (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Deswegen muss die Union den Serben auch unbedingt eine Perspektive für die EU geben!) Durch die Anrufung des Internationalen Gerichtshofes hat es die serbische Regierung immerhin geschafft, die Fragen der Zulässigkeit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo, ihrer Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht, von der politischen auf eine juristische Ebene zu heben und die Diskussion zu versachlichen. Damit hat sie den nationalistischen Kräften in Serbien ein wichtiges Mo- mentum der Emotionalisierung und Mobilisierung ge- nommen. (Beifall der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE]) All dies hat zur Stabilisierung der Lage beigetragen, die uns eine substanzielle Reduzierung des deutschen Kontingents von 8 500 auf 3 500 Soldaten erlaubt. Es steht zu erwarten, dass die NATO-Verteidigungsminister im Juni dieses Jahres ein ähnlich starkes Signal aussen- den werden. Auch wenn man heute feststellen kann, dass die Konfliktbeilegung oftmals länger dauert, als man an- fangs wahrhaben wollte, ist es so, dass der Einstieg in den Ausstieg zu gelingen scheint und dass wir von der Beilegung militärischen Streits über den Aufbau von Po- lizei- und Verwaltungsstrukturen zunehmend in Rich- tung eines erfolgreichen zivilen Wiederaufbaus gehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auch erwähnen, dass die europäische Perspektive für die Aufrechterhaltung der stabilen Situation im Ko- sovo außerordentlich bedeutsam ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- wie der Abg. Gerd Höfer [SPD] und Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Die Europäische Union hat eine strategische Schlüssel- rolle, nicht nur im Kosovo, sondern auf dem gesamten westlichen Balkan. Deswegen ist es wichtig, durch Sta- bilisierungs- und Assoziierungsabkommen dafür zu sor- gen, dass eine enge Anbindung dieser Länder an die EU gelingt, auch wenn die Frage eines EU-Beitritts nicht nur in Bezug auf das Kosovo im Moment nicht auf der Ta- gesordnung steht. Gerade wir Deutsche haben ausgesprochen enge Be- ziehungen zum Kosovo. Deutschland ist nicht nur der größte Truppensteller, sondern auch eines der zehn Län- der, in denen das Kosovo eine Auslandsvertretung unter- hält. Nicht zuletzt ist Deutschland Aufenthaltsort zahl- reicher kosovarischer Flüchtlinge. Außerdem sind unsere Institutionen, zum Beispiel die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Gesellschaft für Technische Zu- sammenarbeit, vor Ort erfolgreich tätig. Lassen Sie mich abschließend all denen, die am Wie- deraufbau des Kosovo beteiligt sind, namentlich den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, für ihren ver- antwortungsvollen und nicht immer ungefährlichen Ein- satz sehr herzlich danken. Wir werden der Mandatsver- längerung heute zustimmen. Viele Mandate dauern länger als eine Legislaturperiode. Ich wünsche mir, dass diese Mandatsverlängerung eine breite Mehrheit findet. Die Soldatinnen und Soldaten, die im Auslandseinsatz sind, haben eine breite Mehrheit für ihre Aufgabe ver- dient. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24237 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/12881 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkt 5 a und 5 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Grietje Staffelt, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Informationsfreiheitsgesetz konsequent wei- terentwickeln – Drucksache 16/10880 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Kultur und Medien b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Hartfrid Wolff (Rems- Murr), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Vollzug des Informationsfreiheitsgesetzes ver- bessern – Drucksache 16/8893 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Kultur und Medien Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Widersprich. Dann ist das so be- schlossen. Ich eröffne die Aussprache. Ich gebe das Wort der Kollegin Silke Stokar, Bündnis 90/Die Grünen. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erin- nere mich noch sehr gut daran: Das Informationsfrei- heitsgesetz war das Last-Minute-Gesetz der letzten Le- gislaturperiode. In der letzten Bundesratssitzung, in der letzten Bundestagssitzung gab es die entsprechende Mehrheit für das Informationsfreiheitsgesetz. Es war ein ungeliebtes Kind: Über dieses Gesetz wurde lange verhandelt, es wurde von allen Seiten aus- gebremst. Dieses Gesetz war – das muss man sagen – ein Gesetz, das überhaupt nur deshalb in Kraft treten konnte, weil es die Unterstützung des Parlamentes hatte. Es ist ein Gesetz, erarbeitet aus der Mitte des Parlamentes, ver- abschiedet vom Parlament. Die Bundesregierung, die Verwaltung wollte dieses Gesetz nicht. Wenn ich jetzt nach vier Jahren eine Bilanz des Informationsfreiheitsgesetzes ziehe, muss ich leider sagen, dass zwar die Bürgerinnen und Bürger Interesse an diesem Gesetz haben, Fragen stellen, Fragen einschi- cken, aber bis heute in der alten Kultur, in der Kultur des Amtsgeheimnisses, in der Regel und viel zu oft nur die Antwort bekommen: VS – Nur für den Dienstgebrauch. Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein Beleg dafür, dass es nicht ausreicht, ein Gesetz zu machen und es in Kraft treten zu lassen. Nein, ein Gesetz braucht die Kul- tur der Implementierung. Ich möchte hier – das ist auch Teil unseres Antrages – noch einmal dafür werben, dass wir in Deutschland ankommen, wo fast alle skandinavi- schen Länder, wo fast alle europäischen Länder längst angekommen sind: zu begreifen, dass Transparenz und Informationsfreiheit wichtige Grundpfeiler der Demo- kratie sind und dass es normal ist, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr wissen wollen, als in der Presseerklä- rung oder auf der Internetseite steht. Die Bürgerinnen und Bürger begreifen Beteiligung in dem Sinne, dass sie sich informieren können. Sie wollen keine unangemes- sen hohen Gebühren zahlen müssen, sie wollen keine muffigen Antworten bekommen, sie möchten, dass die Aktendeckel geöffnet werden und dass ihnen die Ver- waltung bereitwillig und offen Auskunft gibt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]) Peter Schaars erster Tätigkeitsbericht zum Informa- tionsfreiheitsgesetz liegt vor. In diesem Tätigkeitsbericht werden helle und dunkle Seiten aufgezeigt. Gut ist, dass so viele Menschen von ihrem Recht, an die Bundesregie- rung, an die Verwaltung Fragen zu stellen, Gebrauch ma- chen und dass wir es im Laufe der Zeit erreicht haben, dass die Gebühren, die am Anfang wirklich sehr hoch waren, zumindest etwas zurückgenommen worden sind. Nicht schön ist, dass es zu diesem Tätigkeitsbericht nach wie vor keine Stellungnahme des BMI, immer noch keine Stellungnahme der Bundesregierung gibt. Wir mussten diesen Antrag stellen, weil die Verwaltung nicht in der Lage ist, den Tätigkeitsbericht im Parlament vor- stellen zu lassen, eine Debatte im Innenausschuss da- rüber zuzulassen oder eine Stellungnahme dazu zu ver- fassen. Unser Vehikel, damit wir auch am Ende dieser Legislaturperiode noch einmal über das Informations- freiheitsgesetz reden können, war deshalb der vorlie- gende Antrag. Zwei Punkte halte ich für unbedingt änderungsbe- dürftig. Wir müssen feststellen – das sind die Schwächen im Gesetz; das Gesetz war ja damals ein Kompromiss, mehr haben wir gemeinsam mit der SPD gegenüber der Verwaltung nicht hinbekommen, und auch der Bundes- rat hat das ja nicht gerade beflügelt, sondern eher ge- bremst –, dass der Begriff des Betriebs- und Geschäfts- geheimnisses zu eng gefasst ist. Das geht so nicht. Wir brauchen eine Regelung, die es der Verwaltung unter- 24238 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Silke Stokar von Neuforn sagt, Bereiche, die von öffentlichem Interesse sind, als vertraulich einzustufen. Die Entscheidung, wann was wie eingestuft werden darf, können wir nicht länger der Verwaltung überlassen. Wir brauchen aber auch eine an- dere Kultur. Ich wünsche mir, dass die Bundesregierung und die Ministerien einen Blick auf die Homepage von Ministe- rien Estlands oder auch Rumäniens werfen. Mit Selbst- verständlichkeit wird auf der ersten Seite auf die Infor- mationsfreiheit hingewiesen. Die Bürgerinnen und Bürger werden über Links zu öffentlich zugänglichen In- formationen geleitet. Immer mehr Informationen werden freiwillig ins Internet gestellt. Es muss gar nicht mehr gefragt und geantwortet werden. Mit einem Mausklick werden die Akten freigegeben, die freigegeben werden können. Wir liegen weit hinter diesen Ländern zurück. Deutschland ist im Hinblick auf Informationsfreiheit und Transparenz nach wie vor ein Entwicklungsland. Wir müssen vonseiten des Parlaments und auch vonseiten der Öffentlichkeit von Neuem für das Gesetz werben. Wir brauchen Stellen, die dieses Gesetz begleiten. Wir müs- sen eine Kultur für Informationsfreiheit und Transparenz weiter in die Verwaltung hineintragen. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer, CDU/CSU- Fraktion. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle- ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Frau Kollegin Stokar, Sie haben bereits darauf hingewiesen: Das Informations- freiheitsgesetz war ein Lieblingskind der rot-grünen Bundesregierung. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur der Grünen!) Sie hat sich aber mit diesem Gesetz außerordentlich schwergetan. Die Verhandlungen begannen bereits in der 14. Legislaturperiode und haben knapp sieben Jahre ge- dauert. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Eine Zangen- geburt!) Kurz vor Toresschluss – das haben Sie ebenfalls er- wähnt – wurde dieses Gesetz als eines der letzten Ge- setze der rot-grünen Bundesregierung verabschiedet. Daran sieht man, wie schwer Sie sich selber mit diesem Gesetz getan haben. Eines möchte ich gleich zu Beginn meiner Rede beto- nen: Die CDU/CSU-Fraktion ist dezidiert der Auffas- sung, dass wir einen sachgerechten und ordnungsgemä- ßen Zugang der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu Informationen brauchen. Wir haben uns im Gesetzge- bungsverfahren nur dagegen gewandt, dass ein schran- kenloser Zugang ohne die Geltendmachung jeglicher be- rechtigter Interessen zu diesen Informationen möglich sein soll. Ich möchte noch eines deutlich machen: Verwaltungs- handeln bedarf einer ordnungsgemäßen Kontrolle. Ich halte aber genauso wenig davon, die Verwaltung in Deutschland bzw. sämtliches Verwaltungshandeln in Deutschland unter Generalverdacht zu stellen. Die Ver- waltung in Deutschland ist gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an Recht und Gesetz gebunden. Natürlich bedarf es der Möglichkeit und auch der Notwendigkeit, jeden Verwaltungsakt und jedes verwaltungsrechtliche Handeln auf seine Rechtmäßigkeit und seine Ordnungs- mäßigkeit zu überprüfen. Dafür sind aber die Gerichte zuständig. Die Rechtsweggarantie ist im Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verankert. Es ist neben den Grundrechten mit Sicherheit eines der höchststehenden Bürgerrechte, die wir in unserer Verfassung haben; sie feiert in weni- gen Tagen ihren 60. Geburtstag. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass es falsch war, zu versuchen, einen Kul- turwandel, einen Paradigmenwechsel dahin gehend vor- zunehmen, dass jedermann ohne Geltendmachung eines berechtigten Interesses Zugang zu allen Informationen in der Verwaltung in Deutschland haben soll. Es gibt unsererseits aufgrund des nicht zu unterschät- zenden Datenabflusses, der dem wichtigen Gut des Da- tenschutzes unterliegt, natürlich nach wie vor berech- tigte Bedenken. Gerade in der jüngsten Zeit bekommen wir deutlich vor Augen geführt, wie wichtig das Grund- recht auf Datenschutz und Datensicherheit in Deutsch- land ist. Dies läuft an dieser Stelle Gefahr, ausgehöhlt zu werden. Des Weiteren sehe ich im Gesetz nach wie vor einen strukturellen Fehler: Das verfassungsrechtliche Gebot, dass Datenfreigabe an bestimmte Zwecke gebunden ist, wird mit dem Informationsfreiheitsgesetz ausgehöhlt. Eines der höchststehenden und wertvollsten Gebote im Verwaltungsverfahrensgesetz insgesamt ist, dass nur derjenige eine Klage einreichen kann, der geltend ma- chen kann, in seinen subjektiv öffentlichen und persönli- chen Rechten verletzt zu sein. Dieser hochstehende ver- waltungsverfahrensrechtliche Grundsatz wird durch das Informationsfreiheitsgesetz in nicht unbeträchtlicher Weise ausgehöhlt. (Beifall bei der CDU/CSU) Ganz abgesehen davon hat sich in der Vergangenheit herausgestellt, dass diese Informationsgewinnung mit großem bürokratischen Aufwand und mit hohen Kosten verbunden ist. Die Verwaltung wird natürlich auch in nicht unbeträchtlicher Weise durch die Anfragen be- schäftigt, die gestellt werden. Ein struktureller Fehler besteht nach wie vor im Ge- setz: Es besteht dahin gehend Rechtsunsicherheit, dass die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht sauber de- finiert sind. Das ist ein struktureller Fehler im Gesetz, den es mit Sicherheit irgendwann einmal zu heilen gilt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24239 (A) (C) (B) Stephan Mayer (Altötting) Ein weiterer struktureller Fehler, der nach wie vor im Gesetz vorhanden ist, ist, dass nicht klar ist, in welcher Form, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß derjenige, der die Auskunft erbittet, auch Auskunft er- halten darf und inwiefern Einblick in Verfahrensmaß- nahmen, Überwachungsmaßnahmen und Genehmi- gungsmaßnahmen gewährt werden muss. Dies ist im Informationsfreiheitsgesetz zu weitgehend und zügellos gewährt. Wie sieht denn die Realität aus? – In 2008 sind insge- samt 1 548 Anträge bei Bundesministerien bzw. bei nachgeordneten Bundesbehörden gestellt worden. Da- von sind 618 Anträge vollständig bewilligt worden. Dem Informationsbedürfnis der Bürger ist hier also in vollem Umfang Rechnung getragen worden. In 193 Fällen ist der Antrag teilweise angenommen bzw. dem Ansinnen teilweise Rechnung getragen worden. 536 Anträge sind abgelehnt worden. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu viele!) Durch das Gesetz wird natürlich auch gezeigt, dass es durchaus auch gute Gründe dafür gibt, dass mancher An- trag abgelehnt wird. In 85 Fällen ist Widerspruch einge- legt worden, und es ist gar keinem unbeträchtlichen Anteil dieser Widersprüche stattgegeben worden. Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist 133-mal angefragt worden, 83-mal davon wegen eines abgelehnten Be- scheides. Ein schrankenloser, immer und jederzeit und von je- dermann geltend zu machender Anspruch ohne Rück- sicht auf entgegenstehende und durchaus auch berech- tigte Belange war nie die Position der CDU/CSU- Bundestagsfraktion und ist auf unser Betreiben hin so auch nicht im Informationsfreiheitsgesetz verankert wor- den. (Beifall bei der CDU/CSU) Es gibt richtigerweise berechtigte Ausnahmen, zum Beispiel den Schutz von personenbezogenen Daten. Es darf zum Beispiel zu Recht nicht auf einen Terminkalen- der eines Ministers Zugriff genommen werden. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollte auch nie jemand!) Es gibt den berechtigten Schutz geistigen Eigentums und auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnis- sen, wobei eben diese Unklarheit besteht, wie die Be- triebs- und Geschäftsgeheimnisse im Detail definiert sind. Daneben gibt es natürlich auch Dokumente – wir erleben das in der aktuellen Diskussion im BND-Unter- suchungsausschuss –, die nun einmal der Geheimhaltung bedürfen und Verschlusssachen darstellen. Auch auf diese darf kein Zugriff genommen werden. Die Anträge der Grünen und der FDP, die nun vorlie- gen, haben eines gemeinsam: Sie sind voreilig gestellt worden, weil überhaupt noch nicht klar ist, wie groß der Nachbesserungsbedarf im Informationsfreiheitsgesetz überhaupt ist. Das Informationsfreiheitsgesetz ist seit dem 1. Januar 2006 in Kraft, und die Summe der Anfra- gen hält sich, wie schon erwähnt, wirklich noch in Gren- zen. Allein aufgrund der bisher vorliegenden Statistiken lässt sich noch gar kein ausreichender und vollumfängli- cher Rückschluss darauf ziehen, inwiefern tatsächlich Nachbesserungsbedarf besteht. Zu einigen Forderungen im Einzelnen: Es ist der Vor- schlag der Grünen abzulehnen, dass das Informations- freiheitsgesetz stets Vorrang vor abweichenden spezial- gesetzlichen Regelungen hat. Es ist nun einmal guter Brauch im Verwaltungsverfahrensrecht, dass die lex spe- cialis vor die lex generalis geht, und dies sollte auch beim Informationsfreiheitsgesetz so bleiben. Des Weiteren ist die Forderung abzulehnen, dass die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes und des Umweltinformationsgesetzes zu vereinheitlichen und zusammenzufassen seien. Diese Forderung ist, wie von mir schon erwähnt, voreilig. Meines Erachtens sollten wir zunächst einmal die im nächsten Jahr anstehende Eva- luierung des Verbraucherinformationsgesetzes abwarten und uns dann im Lichte dieser Evaluation wirklich auch noch einmal Gedanken darüber machen, inwiefern ein Nachbesserungsbedarf beim Informationsfreiheitsgesetz besteht. Ich habe schon erwähnt, dass der Schutz geistigen Ei- gentums und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsge- heimnissen in Deutschland hohe Güter und die Art. 12 und 14 des Grundgesetzes Kernbestandteile unserer frei- heitlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung sind. Deswe- gen kann es meines Erachtens nicht angehen, dass dieses hohe Gut der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse da- durch ausgehöhlt wird, dass in größerem Maße darauf zugegriffen werden kann. Des Weiteren besteht kein Nachbesserungsbedarf da- hin gehend, dass Bürgerinnen und Bürger, wie gesagt, ohne Geltendmachung jeglichen persönlichen Interesses von unseren Nachrichtendiensten Informationen abgrei- fen können. Nachrichtendienste heißen auch deshalb Geheimdienste, weil sie geheim vorgehen. Ich denke, wir haben im Bundestag gute Erfahrungen mit dem Par- lamentarischen Kontrollgremium gemacht. An dieser Stelle wird zwar – um das klar zu sagen – insbesondere im Lichte der Erfahrungen des BND-Untersuchungsaus- schusses nachgebessert werden müssen, aber im Parla- mentarischen Kontrollgremium sind diese Angelegen- heiten gut aufgehoben. Es geht nicht an, dass jedermann in Deutschland erfahren darf, was unsere Nachrichten- dienste im Inland und Ausland machen und wo sie tätig sind. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will auch keiner! So ein Quatsch!) Insgesamt werfen Sie mit Ihren Anträgen Nebelker- zen. Wie gesagt, wir sollten uns erst einmal im Lichte der Evaluierung des Verbraucherinformationsgesetzes – Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege. (D) 24240 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): – im nächsten Jahr damit befassen, wie wir die Infor- mationsrechte insgesamt auf neue Beine stellen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege, Sie hatten neun Minuten Redezeit. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Aber wert- volle und gut genutzte!) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Davon ab- gesehen sind die Anträge jetzt im federführenden Innen- ausschuss intensiv zu beraten. Ich darf aber an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir diesen Anträgen nicht zustimmen werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort dem Kolle- gen Hartfrid Wolff. (Beifall bei der FDP) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Charmantes Präsidium! (Heiterkeit – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Einschleimen am späten Abend!) – Das kannst du doch wohl kaum verneinen, oder? (Zuruf von der FDP: Das sehe ich genauso!) Das Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes feierte zum Jahreswechsel sein dreijähriges Jubiläum. Auch wenn das Gesetz damit erst das Kindergartenalter erreicht hat, sollte man doch annehmen dürfen, dass sich mit zunehmender Geltungsdauer auch die Zahl der Aus- kunftsersuchen signifikant erhöht hat. Diese Erwar- tungshaltung teilte jedenfalls auch der Bundesbeauf- tragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in seinen Tätigkeitsberichten für die Jahre 2006 und 2007. Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache. Die Zahl der gestellten Anträge ist sogar rückläufig. So gin- gen im ersten Halbjahr des Jahres 2008 gerade einmal 987 Auskunftsersuchen bei den Behörden des Bundes ein. (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das kann ver- schiedene Gründe haben!) Gemessen an der Gesamtbevölkerungszahl ist das ein Anteil von 0,0012 Prozent. Lieber Herr Kollege Mayer, von einer unverhältnismäßigen Belastung durch das In- formationsfreiheitsgesetz kann mithin keine Rede sein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Man kann es den Bürgern auch nicht verdenken, dass nicht mehr Anträge auf Auskunft gestellt worden sind. Die Bürger müssen sich doch veräppelt vorkommen, wenn ihre Auskunftsersuchen regelmäßig mehr oder we- niger pauschal und ohne konkrete Begründung abgelehnt werden. Dieses Phänomen ist ausweislich des bereits ge- nannten Tätigkeitsberichts insbesondere bei Auskunfts- ersuchen in Bezug auf Verträge mit der öffentlichen Hand zu beobachten. Diese Verträge nehmen immer mehr Raum in einem grundsätzlich vernünftigen und konstruktiven Verwaltungshandeln ein. Umso wichtiger ist es aber, dann auch die notwendige Transparenz zu schaffen, weshalb Pauschalbegründungen bei der Ableh- nung nicht helfen. Im Gegenteil: Ausgangspunkt jeder Abwägung muss sein, dass grundsätzlich ein Auskunftsanspruch der Bür- gerinnen und Bürger besteht. Das steht im Übrigen auch so im Gesetz. Allein dann, wenn die Voraussetzungen der insoweit eng auszulegenden Ausnahmetatbestände vorliegen, ist das Zurückweisen eines Auskunftsersu- chens gerechtfertigt. Die derzeitige Praxis im Umgang mit Auskunftsersu- chen führt jedoch nicht selten dazu, dass dieses Regel- Ausnahme-Verhältnis zulasten des Bürgers gekippt wird. Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion ist völlig klar, dass die unausgegorene Regelung des § 6 Satz 2 IFG nicht die einzige Baustelle im Informationsfreiheitsge- setz ist, die dringend angegangen werden muss. Als zweiten Punkt haben wir in unserem Antrag die in weiten Teilen mangelhaft ausgestaltete Zusammenarbeit mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit angemahnt. Um uns das noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: § 24 Abs. 4 des Bundes- datenschutzgesetzes normiert in Verbindung mit dem IFG die Pflicht, den Bundesbeauftragten zu unterstützen und auf Fragen Auskünfte zu erteilen. Wer sich aber mit dem Tätigkeitsbericht des Bundes- beauftragten etwas genauer befasst, gewinnt leider nur allzu schnell den Eindruck, dass Auskunftsersuchen der Bürger allenfalls als lästiges Beiwerk zum Tagesgesche- hen angesehen werden. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ ist schon eine der Maximen, die eine Demo- kratie kennzeichnet. Insofern kann auch dann, wenn der Souverän kontrollieren will, keine Pauschalabweisung erfolgen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es kann nicht angehen, dass man Auskunftsersuchen schlicht unter Verweis auf die gängige Verwaltungspra- xis ablehnt. Dass etwas ständige Übung ist, heißt noch lange nicht, dass es nach Recht und Gesetz erfolgt. Auf Seite 10 des besagten Tätigkeitsberichtes spricht der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informa- tionsfreiheit vom „langen Weg zur Informationsfreiheit“. Augenscheinlich ist dieser Weg noch längst nicht zu Ende beschritten. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, zu wissen, was in den Behörden vor sich geht. Das ist aus unserer Sicht auch gut so. (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24241 (A) (C) (B) (D) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Übrigens hat die Union bei der Erarbeitung des Informa- tionsfreiheitsgesetzes durchaus mitgewirkt, Kollege Grindel. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist alles gut!) Die Forderungen nach mehr direkter Demokratie im Grundgesetz korrespondieren dabei mit dem Informa- tionsanspruch. Das Informationsfreiheitsgesetz bietet eine gute Möglichkeit, dem einzelnen Bürger staatliches Handeln näherzubringen und dadurch mehr Eigenverant- wortung und Partizipation zu gewinnen. Gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen in diesem Jahr wäre dies ein Zeichen, ein Signal an den Bürger, dass er die Geschicke in der Hand hält. Wir brauchen mehr Wer- bung für das Informationsfreiheitsgesetz und eine ver- lässliche Richtschnur für den Bürger, die deutlich macht, ob seine Auskunftsersuchen Aussicht auf Erfolg haben. Der Antrag der FDP trägt dieser Zielsetzung nach kla- ren und transparenten Regelungen Rechnung. Dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Bürsch, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Michael Bürsch (SPD): Ich habe nach zwölf Jahren als Mitglied des Parla- ments gelernt, dass ich keine Zwischenfrage stellen darf, wenn ich später noch rede. Daher schließe ich das, was ich fragen wollte, in meine Rede ein. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- gen! Nach der Rede von Herrn Mayer bin ich geneigt, meiner Rede einen kleinen Teil für Fort- und Weiterbil- dung voranzustellen. (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) Deutschland war im Jahr 2005 eines von drei oder vier „fortschrittlichen“ Industrieländern – darunter Länder wie Malta und Andorra –, die kein Informationsfreiheits- gesetz hatten. Schweden hat ein solches Gesetz schon seit rund 200 Jahren. Die USA kennen solche Regelun- gen seit 100 Jahren. In diesen Ländern gilt – genauso wie bei uns nun – der Grundsatz: Jedermann hat An- spruch auf Auskunft aus der Verwaltung, und zwar nicht nur wenn er ein berechtigtes Interesse hat. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Hoffentlich die Frauen auch!) Wenn Sie Lust haben und es wirklich wissen wollen, empfehle ich Ihnen, die Gesetzesbegründung nachzu- lesen. Ich mache es kurz und verweise auf das, was für Sie die Erhellung des Tages sein kann. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Oberlehrer!) Es ist wirklich ein Paradigmenwechsel eingeleitet wor- den. Ich möchte Sie gerne im 21. Jahrhundert willkom- men heißen. Die Begründung heißt nämlich, Herr Kol- lege: Der Zugang zu Informationen und die Transparenz behördlicher Entscheidungen sind eine wichtige Voraus- setzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrech- ten. (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) Das gilt angesichts der wachsenden Informationsmacht des Staates heute mehr denn je. Eine lebendige Demo- kratie verlangt, dass die Bürger die Aktivitäten des Staa- tes kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen. Das heißt, es gibt einen Paradigmenwechsel, einen Übergang vom Obrigkeitsstaat zum Bürgerstaat, von der abgeschotteten Verwaltung, der Blackbox des 19. Jahrhunderts, zu einer offenen Verwaltung im 21. Jahrhundert, um Bürger- rechte wahrzunehmen; das wollen wir. (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) Ich beende meinen Informationsteil und lege Ihnen ans Herz: Machen Sie sich ein bisschen kundig, bevor Sie in der rückständigen Art und Weise von 1998 über dieses Gesetz reden. Ich mache drei Bemerkungen. Es gibt erste Erfolge. Das merkt auch Herr Schaar in Gesprächen wohlmei- nend kritisch an. Es gibt deutlich mehr Licht in den Amtsstuben. Wir wollen mit diesem Gesetz keine Zwangsbeglückung der Verwaltung erreichen. Vielmehr wollen Bürger wie Verwaltung auf der Grundlage dieses Gesetzes eine neue, transparente Form des Umgangs miteinander finden. Wie gesagt, hier gibt es erste Er- folge. Dafür sprechen bestimmte Anfragen. – Frau Präsi- dentin, ich sehe, dass sich der Kollege Tauss, der an der Erarbeitung des Gesetzes namhaft mitgearbeitet hat, zu einer Zwischenfrage meldet. Ist es möglich, seine Zwi- schenfrage zuzulassen? Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss, Herr Kollege Bürsch? Dr. Michael Bürsch (SPD): So viel Zeit muss sein. Jörg Tauss (SPD): Lieber Kollege Bürsch, ich würde es in der Tat bedau- ern, wenn Sie den Aufklärungsteil etwas zu früh been- den würden; denn es scheint doch hoher Aufklärungsbe- darf zu bestehen. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das Wort „Aufklärungsbedarf“ ist natürlich vielschich- tig!) – Regen Sie sich doch nicht gleich wieder auf, lieber Ko- alitionspartner. – Deswegen stelle ich als Bürger, dessen Antrag auf Akteneinsicht – es ging um den Mautvertrag, der 17 000 Seiten umfasst – abgelehnt worden ist, meine Frage. Würden Sie es wirklich für unzumutbar halten, dass ein Bürger und Abgeordneter des Deutschen Bun- 24242 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Jörg Tauss destages in einen derart öffentlich diskutierten Vertrag von 17 000 Seiten Einblick erhält? Halten Sie unter die- sem Gesichtspunkt die Befürchtung der Union, dass die Verwaltung durch den Einblick von Abgeordneten in Verträge der öffentlichen Hand zu sehr beeinträchtigt wird und das Wohl des Staates auf dem Spiel steht, für gerechtfertigt? Dr. Michael Bürsch (SPD): Ich bin der Meinung, dass es genug Abwägungs- gründe in den §§ 1 bis 6 des Gesetzes gibt, in denen von den Geheimnissen der Verwaltung bis hin zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen alle Kriterien genannt sind, unter denen Informationen aus der Verwaltung zurück- gehalten werden können. Aber die Maut und deren Be- gleitumstände waren für mich im Prinzip ein Vorgang von öffentlichem Interesse und insofern ein Paradebei- spiel dafür, dass Bürgerinnen und Bürger einen An- spruch darauf haben, zu sehen und nachzuvollziehen, was da passiert. Die Barriere liegt in dem, was im Gesetz angelegt ist. Ich kann noch einen anderen Fall nennen, den auch der Datenschutzbeauftragte genannt hat. So ist die Aus- kunft über die Empfänger von EU-Agrarsubventionen mit Verweis auf das allgemeine Betriebs- und Geschäfts- geheimnis verweigert worden. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Zu Recht!) Das ist ein vergleichbarer Fall. Es gibt kein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung dieser Angaben. Weder gibt es einen Wettbewerb um Subven- tionen, noch droht den Subventionsempfängern ein Imageverlust. Solche Fälle gibt es in der Tat. In dieser Hinsicht bin ich bei dem Kollegen Tauss. Es bedarf of- fenbar noch – auf diesen Punkt wollte ich noch kommen – einer entsprechenden Umsetzung dieses Gesetzes. Es hat nur 15 Paragrafen, aber die sind offenbar nicht ganz einfach anzuwenden. – Vielen Dank für die Frage. (Jörg Tauss [SPD]: Gerne!) Ich habe gesagt, dass es erste Erfolge und mehr Licht in den Amtsstuben gibt. Darauf ruhen wir uns nicht aus. Der Weg ist richtig, und diesen Weg müssen wir weiter- gehen. Zweitens. Es gibt aber auch berechtigte Kritik. Die habe ich eben schon nennen können. So wird zum Teil auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verwiesen, wenn die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Information anmeldet. Das gilt jetzt in der Krise auch für den großen Bereich der Finanzinstitute. Es gibt Bestrebungen von eingeweihten Kreisen, Informationen zu verweigern. Es hat auch einen Antrag aus Bayern gegeben, das Informa- tionsfreiheitsgesetz zu verändern. Dem ist aber nicht stattgegeben worden. (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) An dieser Stelle einen neuen Ausschließungsgrund ein- zuführen, hat hier im Hause keine Mehrheit gefunden. Es gibt auch zum Beispiel – das hat der Datenschutzbe- auftragte zu Recht kritisiert – eine Reihe von Anträgen, die wegen „unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwan- des“ abgelehnt worden sind. Einen solchen Ablehnungs- grund gibt es im Gesetz nicht. Man kann im Rahmen der Gebührenerhebung darauf eingehen. Wenn man einen geringen Aufwand hat, dann werden gar keine Gebühren erhoben, und wenn man einen großen oder größeren Aufwand hat, können entsprechende Gebühren verlangt werden. Das aber ist kein Ablehnungsgrund. Ich halte es für ausgesprochen sinnvoll, genauer hinzuschauen und den Monita des Datenschutzbeauftragten nachzugehen. Drittens. Ich komme zu den Zukunftsperspektiven. Weil ich ein Freund und Förderer von Evaluierung und seriöser Bewertung bin, schließe ich mich Ihnen an, Herr Mayer. Ich würde in der Tat gerne eine mit dem Daten- schutzbeauftragten abgestimmte Evaluierung des Geset- zes abwarten. Ich bin vor allem in einer Hinsicht vor- sichtig. Das richte ich an die Adresse der FDP und der Grünen. Natürlich ist das Gesetz ein Kompromiss. Wir haben bei den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen keine Abwägungsformel ins Gesetz geschrieben. Das heißt, wir haben nicht gesagt, dass Betriebs- und Ge- schäftsgeheimnisse nur schützenswert sind, wenn das In- teresse des Einzelnen gegenüber dem Interesse der Öf- fentlichkeit überwiegt. Wir haben formuliert, dass die Entscheidung des Einzelnen genügt. Das Ganze war aber aus meiner und aus SPD-Sicht damals ein Kompromiss, um vertrauensbildend zu wirken; denn ich halte nichts von einem Gesetz, das die Verwaltung auf einen anderen Dampfer bringt, das einen Paradigmenwechsel bringt, das von der Verwaltung als ausgesprochen störend und lästig empfunden wird und das zu einer Verweigerungs- haltung führt. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau da sind sie jetzt trotz- dem!) – Frau Kollegin Silke Stokar, dahinter steht meine Über- legung, dass das auch mit Psychologie zu tun hat. Wir sind mit dem Gesetz also auf einige Vorbehalte, einiges großes Misstrauen und einige Befürchtungen eingegan- gen und haben gesagt: Wir gehen einmal den Schritt in Richtung Informationsfreiheit bis zu diesem Punkt und lassen darüber hinaus durchaus noch etwas für künftige Erweiterungen und Entwicklungen offen. Meine Idealvorstellung ist, dass die Verwaltung je- denfalls konstatiert – wir werden sie nicht an der Spitze der Bewegung haben –: Das ist ein richtiges Gesetz; auch wir halten die Informationsfreiheit für etwas, was ins 21. Jahrhundert gehört, wir sind dabei und verhin- dern es nicht. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke, Frak- tion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24243 (A) (C) (B) (D) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die An- träge, die zur heutigen Sitzung von den Grünen und von der FDP zur Ausweitung und Verbesserung der Anwen- dung des Informationsfreiheitsgesetzes vorgelegt wur- den, wird die Linksfraktion unterstützen. (Zuruf von der FDP: Sehr gut!) Mit diesem Informationsfreiheitsgesetz – hier wurde schon gesagt, dass es in anderen Ländern längst existiert – ist unserer Meinung nach ein wichtiger Schritt getan worden, um mehr Transparenz in Behördenhandeln hi- neinzubringen. Der geltende Grundsatz, dass behördli- che Vorgänge grundsätzlich nicht öffentlich sind, wurde in diesem Gesetz umgekehrt. Das halten wir für richtig. (Beifall bei der LINKEN) Herr Mayer, die begründeten Ausnahmen wie die, dass Auskunft in Bezug auf den Ministerkalender verweigert werden darf, müssen meines Erachtens tatsächlich genau belegt werden; so weit zumindest die Theorie. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wie ist das mit Ihrem Demonstrationskalender?) In der Praxis beobachten auch wir, dass sich die Be- hörden weiterhin gegen dieses Informationsbegehren der Bürgerinnen und Bürger abschotten. Immer mehr Men- schen machen die Erfahrung, dass die Behörden ihnen die beantragte Auskunft verweigern, konkret in über ei- nem Drittel der Fälle. Da werden Informationen als Ver- schlusssache eingestuft, da werden ganze Bereiche staat- lichen Handelns komplett und pauschal von dem Gesetz ausgenommen, und da werden Betriebs- und Geschäfts- geheimnisse vorgeschoben. Wer sich als Bürger oder als Journalist um die Aufklärung eines Bauskandals bemü- hen will, stößt allzu oft auf geschlossene Aktenschränke, weil angeblich die Rechte von Dritten verletzt werden. Dafür ein Beispiel: In meinem Büro hat sich voriges Jahr ein Student gemeldet, der vom Bundeskriminalamt die Lagebilder zur Korruptionsbekämpfung haben wollte. Sie sind ihm verweigert worden, weil sie angeb- lich Rückschlüsse auf die Polizeitaktik zuließen. Interes- santerweise hat das BKA diese Details aber bisher auf seiner Homepage veröffentlicht. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum jetzt plötzlich dieses im We- sentlichen statistische Material diesem Menschen nicht mehr zugänglich gemacht werden soll. Dieses Beispiel zeigt zweierlei: Die Begründungen für die Auskunftsverweigerung sind für die Bürgerinnen und Bürger in der Regel kaum nachvollziehbar. Zudem ist der Sinn des Gesetzes bei den Behörden noch nicht angekommen. Sie versuchen sich weiterhin geheimnis- krämerisch zu betätigen. Bürgerinnen und Bürger, die Akten einsehen und Informationen haben wollen, wer- den als lästige Störenfriede behandelt, die eine Gefahr für die jahrzehntelang geübte Behördenroutine darstel- len. Meine Damen und Herren, man muss sich noch aus einem anderen Grund fragen, ob das Gesetz seinen Na- men überhaupt verdient: Die Informationen sind frei, aber sie können teuer sein. Die staatlich veranschlagte Gebührentabelle für die Informationserteilung reicht bis zu vierstelligen Beträgen. Aus Sicht der Fraktion Die Linke reichten niedrige Schutzgebühren völlig aus, um einer etwaigen Missbrauchsgefahr vorzubeugen. (Beifall bei der LINKEN) Es ist also einiges zu tun, um Transparenz und öffent- liche Kontrolle von Behördenhandeln in der Bundes- republik zu verbessern. Eine Rückkehr zur obrigkeits- staatlichen Geheimniskrämerei muss auf jeden Fall verhindert werden. Daher begrüßen wir die vorliegenden Anträge. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Die Gebühren sind gedeckelt!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß, SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum ich als Verbraucherpolitikerin hier in Ihrer illustren Runde spreche, (Jörg Tauss [SPD]: Das freut uns!) aber dies ist ganz einfach erklärt: Ich möchte mich später auf das Verbraucherinformationsgesetz beziehen, denn auch wir fordern Transparenz und Informationszugangs- rechte, die einfach vorhanden sein müssen, und zwar nicht nur, um die demokratische Kontrolle der Behörden sicherzustellen, sondern auch, weil sie dabei helfen, etwa Korruption einzudämmen. (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) Sie sind auch Voraussetzung dafür, dass Verbraucherin- nen und Verbraucher selbstbestimmt am Markt teilneh- men können. Ohne ausreichende Informationen nämlich haben die Verbraucherinnen und Verbraucher keine Möglichkeit – meist jedenfalls nicht –, Qualität zu er- kennen und die besten Angebote auszuwählen, vom nachhaltigen Konsum ganz zu schweigen. Ein möglichst weitgehender Zugang zu Informationen ist deshalb ele- mentar für das Funktionieren unserer sozialen und öko- logischen Marktwirtschaft. (Beifall bei der SPD) Wir haben deshalb im Bereich von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen das Verbraucherinformationsge- setz geschaffen; das ist schon vorher kurz angeklungen. Verbraucher wollen nämlich nicht nur wissen, ob Le- bensmittel sicher sind, sondern auch, ob Kinderspiel- plätze sicher sind, ob das GS-Zeichen für geprüfte Pro- duktsicherheit durch Anbieter missbraucht wurde oder ob die Behörden Tricksereien bei der Preisangabe im Bereich der Finanzdienstleistungen aufdecken konnten. Ein Zugang zu den entsprechenden Untersuchungser- gebnissen ist deshalb unbedingt notwendig. Hier sind die Verbraucher bisher auf die allgemeinen Akteneinsichts- 24244 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Elvira Drobinski-Weiß rechte in den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder angewiesen. Am 21. April 2009 hat die SPD-Fraktion in einem Positionspapier zum Verbraucherinformationsgesetz be- schlossen, dass die speziellen Informationsrechte im VIG ausgeweitet und verbessert werden sollen. Darüber hinaus streben wir an, dass die Informationsrechte im Informationsfreiheitsgesetz, Umweltinformationsgesetz und Verbraucherinformationsgesetz in einem konsisten- ten Rahmen zusammengeführt werden. Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum ich hier das Wort ergreife. In ihrem Antrag geriert sich die FDP als Bürgerrechtspartei. Aus den Diskussionen über das Verbraucherinformationsgesetz kennen wir die FDP aber ganz anders, und darauf möchte ich aufmerksam machen. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschussver- fahren im Jahr 2005 hat die FDP bis zuletzt versucht, über die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat ein Akteneinsichtsrecht zu verhindern. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Unglaublich!) Unternehmensinteressen waren wichtiger als Transpa- renz und Verbraucherrechte. (Gisela Piltz [FDP]: Das haben Sie nicht ganz verstanden!) Gleichzeitig wurde versucht, das Akteneinsichtsrecht zu verwässern und zusätzliche Ausschluss- und Beschrän- kungsgründe in das Gesetz hineinzuverhandeln. Wenn ich jetzt im FDP-Antrag lese, es müsse präzi- siert werden, wann Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorlägen, dann geht mir der Hut hoch. (Gisela Piltz [FDP]: Wollen Sie mit uns koalie- ren oder wir mit Ihnen?) Damals hat die FDP dafür gesorgt, dass neben Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auch sonstige wettbewerbs- relevante Informationen vom Informationsrecht der Ver- braucher ausgeschlossen werden. Das ist doch wohl kaum ein präziser Begriff. Wir haben dann im Gesetzes- wortlaut durchgesetzt, dass Informationen über Rechts- verstöße keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sein können. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin! Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Sie wer- den sicherlich verstehen, dass wir Ihrem Antrag aus die- sen Gründen nicht zustimmen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD – Gisela Piltz [FDP]: Wir laufen ja nicht Ihnen hinterher, sondern Sie uns!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Über- weisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/10880 und 16/8893 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos- sen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2007 – Vorlage der Haushalts- und Vermögensrech- nung des Bundes – (Jahresrechnung 2007) – zu der Unterrichtung durch den Bundesrech- nungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsfüh- rung des Bundes (einschließlich der Feststel- lungen zur Jahresrechnung 2007) – Drucksachen 16/8834, 16/11000, 16/12907 – Berichterstattung: Abgeordneter Bernhard Brinkmann (Hildesheim) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrech- nungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2008 – Einzelplan 20 – – Drucksachen 16/12091, 16/12906 – Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Petra Merkel (Berlin) Dr. Claudia Winterstein Michael Leutert Omid Nouripour Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Steffen Kampeter, CDU/CSU, Bernhard Brinkmann, SPD, Dr. Claudia Winterstein, FDP, Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke, Alexander Bonde, Bündnis 90/Die Grünen.1) Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Haus- haltsausschusses auf Drucksache 16/12907. 1) Anlage 45 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24245 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung schlägt der Haushaltsausschuss die Erteilung der Entlastung für das Haushaltsjahr 2007 vor, Drucksachen 16/8834 und 16/11000. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss- empfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke angenommen. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufor- dern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der Bundeshaushaltspläne die Feststellungen des Haushalts- ausschusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungs- hofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entschei- dungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzuführen und c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, da- mit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den Haushaltsberatungen gewährleistet ist. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 16/12906 zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes „Rechnung des Bundesrechnungs- hofes für das Haushaltsjahr 2008 – Einzelplan 20 –“, Drucksache 16/12091. Wer stimmt für Nr. 1 der Beschlussempfehlung, Fest- stellung der Erfüllung der Vorlagepflicht? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Wer stimmt für Nr. 2 der Beschlussempfehlung, Ertei- lung der Entlastung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- tungen? – Die Beschlussempfehlung ist ebenfalls mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Daniel Bahr (Münster), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP Lebendspenden bei der Transplantation von Organen erleichtern – Drucksache 16/9806 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Rechtsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Michael Kauch, FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Michael Kauch (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch immer herrscht in Deutschland ein Mangel an Spender- organen. 2008 ging die Zahl der Organtransplantationen sogar um etwa 9 Prozent zurück. Etwa 12 000 Menschen stehen auf den Wartelisten, davon warten allein 8 000 auf eine Niere. Viele versterben in dieser Zeit oder leiden über viele Jahre mit den Einschränkungen durch die Dialyse. Es sind deshalb alle Anstrengungen zu unternehmen, zunächst einmal die postmortale Spende, also die Spende von Organen Verstorbener, voranzubringen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dazu müssen wir die Spendenbereitschaft erhöhen. Dazu müssten wir es auch schaffen, dass in den Kran- kenhäusern tatsächlich die Organe, die potenziell vor- handen sind, auch entsprechend transplantiert werden. Dazu sind organisatorische, aber eben auch personelle Voraussetzungen in den Krankenhäusern zu schaffen. Wir sollten auch – das dürfen wir nicht vergessen – keine falschen Anreize geben, eine Organspende nicht zu machen. So haben wir als FDP beispielsweise kriti- siert, dass das Gewebegesetz, das die schwarz-rote Koalition verabschiedet hat, kommerzielle Anreize für die Gewebespende setzt. Wenn es einen kommerziellen Anreiz für die Gewebespende, aber nicht für die Organ- spende gibt, dann wird möglicherweise der falsche An- reiz gesetzt, die Möglichkeiten zur Organspende im Krankenhaus nicht ausreichend wahrzunehmen. Es steht zu befürchten, dass der Rückgang der Zahlen mit dem Inkrafttreten des Gewebegesetzes einhergeht. Wir wer- den genau beobachten müssen, ob sich eine solche Ent- wicklung in den Zahlen der postmortalen Spenden wi- derspiegelt. All dies entbindet uns allerdings nicht von der Ver- pflichtung, über Verbesserungsmöglichkeiten bei der Le- bendspende von Organen nachzudenken. Während die meisten Organe nur nach dem Tod gespendet werden können, ist es bei Leber und Niere medizinisch möglich, auch unter Lebenden zu spenden. Doch das derzeitige Transplantationsgesetz setzt dem Helfen enge Grenzen. So dürfen nur Verwandte und enge Freunde einem Tod- kranken ein Organ spenden. Die FDP-Bundestagsfraktion will das Transplanta- tionsgesetz im Bereich der Lebendspenden von unnöti- gen Vorschriften befreien. Um es ganz klar zu sagen: Der Organhandel soll und muss weiter unter Strafe ste- hen und verfolgt werden. Aber wir wollen mehr Freiheit zum Helfen geben. Nächstenliebe darf eben nicht weiter unter Strafe stehen. (Beifall bei der FDP) Mit unserem Antrag wollen wir den Kreis der zulässi- gen Spender erweitern. So sollen zum Beispiel Ehepaare mit Blutgruppenunverträglichkeit über Kreuz dem ande- ren Ehepartner eines Schicksalsgenossen spenden dür- fen. Heute müssen sie sich kennenlernen und dadurch ein Näheverhältnis entwickeln. Erst dann wird die Trans- plantation genehmigt. Dieses Näheverhältnis ist eine Fiktion, die gemacht wird, weil das Transplantationsge- setz es so bestimmt, und nicht, weil die Lebensrealität dieser Menschen so ist. Man wird bei einem Ehepaar, 24246 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Michael Kauch das eine Blutgruppenunverträglichkeit hat und das spen- den will, nicht ernsthaft sagen können, dass hier die Ge- fahr eines Organhandels besteht. Diesem Punkt können wahrscheinlich auch andere Fraktionen beitreten. Die Enquete-Kommission hat bereits in ihrer Arbeit deutlich gemacht, dass es auch unter den Experten unterschiedli- che Haltungen gibt, auch solche, die es generell befür- worten. Außerdem will die FDP die Nachrangigkeit der Le- bendspende gegenüber der postmortalen Spende aufhe- ben. Heute ist es selbst dann verboten, ein Organ von ei- nem lebenden Spender zu nehmen, wenn es die beste Therapie wäre. Organe von Lebenden haben bessere Funktionsraten als die Organe von Toten. Selbst wenn ich heute einen Lebendspender habe, wenn beispiels- weise mein Ehegatte oder ein enger Freund sagt, ich spende dir meine Niere, damit du eine optimale Therapie bekommst, ist es verboten, wenn es ein Organ eines To- ten gibt, ein Organ eines Toten, das man einem anderen Menschen auf der Warteliste transplantieren könnte. Das ist nicht sinnvoll. Selbst die Bundesregierung hat in ih- ren Teilbericht, den sie dem Deutschen Bundestag jetzt vorgelegt hat, einen Prüfauftrag hineingeschrieben. Also selbst im Ministerium scheint man hier langsam ins Grü- beln zu kommen. Wir sagen: Nicht prüfen, sondern han- deln! Deshalb müssen wir die Nachrangigkeit der Le- bendspenden aus dem Transplantationsgesetz streichen. (Beifall bei der FDP) In anderen Bereichen geht unser Gesetzentwurf über die genannten Punkte hinaus, auch wenn es Fallgruppen sind, die keine großen Entwicklungen haben werden. Ich nenne ein Beispiel: Die anonyme Lebendspende in einen Pool, die in den USA zulässig ist, generiert in einem so großen Land wie den USA vielleicht 40 Spenden pro Jahr. Es geht also an den anderen Stellen neben den ge- rade genannten nicht so sehr darum, dass wir große Fall- zahlen erreichen. Es geht uns darum, dass ein gerettetes Leben es schon wert ist, über dieses Transplantationsge- setz nachzudenken. Wenn wir mit einer Lockerung ein Leben retten können, dann sollte dieses Parlament da- rüber nachdenken, es zu tun. (Beifall bei der FDP) Selbst wenn man nicht so weit gehen will, beispiels- weise die anonyme Spende in einen Pool zuzulassen, ist Helfen kein strafwertes Unrecht. Deshalb meinen wir, dass Übertretungen durch den Arzt, die gegen das Trans- plantationsgesetz verstoßen, als Ordnungswidrigkeit ausreichend geahndet wären. Es ist kein strafwertes Un- recht. Man muss hier nicht mit Gefängnis drohen. Schließlich müssen wir die Versicherungssituation der Lebendspender verbessern. Es kann nicht sein, dass beispielsweise Streitigkeiten zwischen einer privaten Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallver- sicherung auf dem Rücken des Patienten ausgetragen werden, der nur seinem Nächsten helfen will. Da müssen wir wirklich in der nächsten Wahlperiode Verbesserun- gen im Versicherungsrecht schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD) Damit wir es mehr Menschen ermöglichen können, zu helfen, stimmen Sie in den bevorstehenden Ausschuss- beratungen unserem Antrag zu, sodass das Transplanta- tionsgesetz im Sinne der Lebendspende gelockert wird. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächste Rednerin ist die Kollegin Julia Klöckner, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Julia Klöckner (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher auf den Tribünen! Ich weiß nicht, wer einen ausgefüllten Organspendeausweis im Portemonnaie hat. Einige von Ihnen haben ihn sicher- lich. Ich habe diesen Ausweis seit vielen Jahren. Wir stellen fest, dass die grundsätzliche Zustimmung zur Or- ganspende vorliegt. Das Gesetz ist ja 1997 unter Horst Seehofer verabschiedet worden. Es gab eine sehr inten- sive Debatte. Beispielsweise ist über die Definition des Todes diskutiert worden, Hirntod, Herztod? Ist der Hirn- tod der Zeitpunkt, zu dem man Organe entnehmen kann? Um diese Frage geht es heute nicht. Heute geht es da- rum, ob dieses Gesetz akzeptiert ist, ob die Bevölkerung einer Organtransplantation gegenüber aufgeschlossen ist. Ich denke, das ist sie. Umfragen ergeben, dass etwa 80 Prozent – ich weiß nicht, wie valide diese Studien sind – der Befragten es gutheißen, dass Leben durch die Spende von Organen gerettet werden können – postmor- tal, aber auch durch Lebendspenden. Erschreckend ist al- lerdings, dass nur etwa 12 Prozent einen Organspen- deausweis ausgefüllt haben. Es gibt also eine sehr große Lücke zwischen der grundsätzlichen Zustimmung und der Bereitschaft, diese Zustimmung durch einen Organ- spendeausweis zu deklarieren. Wir haben ja hier die Zu- stimmungslösung und nicht die Widerspruchslösung, bei der schon derjenige als Organspender infrage kommt, der nicht widerspricht. Sehr verehrter Kollege Kauch, ich stimme Ihnen in Ihrer Analyse zu, dass sehr viele Menschen auf der War- teliste stehen, deren Uhr tickt. Ich selbst habe Bekannte, die Dialysepatienten sind, und weiß, dass nicht nur die Betroffenen selbst durch den Krankheitsverlauf und die ständige Dialyse beeinträchtigt sind, sondern auch die Menschen in ihrer Umgebung, Verwandte und die engs- ten Freunde. Ich weiß von einem Dialysepatienten, dass er sehr oft durstig ist, aber aufgrund der Dialyse nicht viel trinken darf. Es ist klar, dass wir den Menschen helfen müssen. Eine Organspende kann Leben retten. Es geht um die Bereitschaft von Menschen, auch noch nach ihrem Tod barmherzig und solidarisch zu sein. Ich bin Anhängerin des Subsidiaritätsprinzips der postmortalen Organ- spende. Ich stimme allerdings mit Ihnen, Herr Kauch, nicht darin überein, dass wir, weil es nicht genügend postmor- tale Organspenden gibt, die Lebendspende ausweiten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24247 (A) (C) (B) (D) Julia Klöckner müssen. In diesem Punkt habe ich schon damals nicht mit Ihnen übereingestimmt, als wir zusammen in der Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“ waren. Aktuell sind Lebendspenden möglich. Schwierig ist immer die Frage, ob die Blutgruppen zu- einander passen, ob sie kompatibel sind, zum Beispiel bei Partnern, Geschwistern oder unter anderen Familien- angehörigen. Ich halte aber ein besonderes Näheverhält- nis für eine notwendige Voraussetzung für eine Le- bendspende. Denn hier geht es nicht um eine anonyme Blutspende, nach der sich neues Blut bildet, sondern hier geht es um einen ernsthaften körperlichen Eingriff. Dem Menschen, der ein Organ gespendet hat und nun ein Pa- tient ist, geht es nach einer solchen Operation bestenfalls so gut wie vorher. Beide Beteiligten, sowohl der Spender als auch derjenige, der ein Transplantat erhält, sind auf- gefordert, auch nach der Transplantation weiter mitzuar- beiten und sich der ärztlichen Betreuung und Versorgung zu unterziehen. Der Organspender hat durchaus auch ein vitales Interesse daran, dass derjenige, der das Organ er- halten hat, seine Medikamente nimmt, Immunsuppres- siva etc. Ich habe sehr große Bauchschmerzen – das ist der Hauptgrund, warum ich Ihren Antrag ablehne – ange- sichts des sogenannten Pooling, was bedeutet, dass Or- ganspender Organe anonym in einen sogenannten Pool geben können. Wenn jemand, der zum Beispiel eine Niere benötigt, keinen geeigneten Spender in seiner Um- gebung hat, muss er nur eine ihm nahestehende Person ansprechen, eine Niere in diesen Pool zu geben, um seine Chance zu erhöhen, von jemand anderem eine Niere zu bekommen. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Das halte ich für sehr problematisch, weil auf diese Weise in einer engen Beziehung keine Freiwilligkeit mehr gegeben ist. Wer kann sich dem Leid eines Ange- hörigen entziehen, wenn dieser bittet, eine Niere in einen Pool zu geben, damit er seine Chance erhöht, selber eine zu bekommen? Ich finde, dadurch ist das Selbstbestim- mungsrecht sehr eingeschränkt, und das setzt Menschen unter einen Druck, der bei einer solchen schwerwiegen- den Entscheidung nicht sein darf. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir von der CDU/CSU wollen, dass das Thema Or- ganspende im öffentlichen Bewusstsein bleibt. Wir wol- len weiter aufklären. Deshalb hat unsere Fraktion 2008 ein Symposium mit dem Titel „Organspende: Ja zum Le- ben“ veranstaltet. Viele unserer Mitglieder haben bereits einen Organspendeausweis. Ich nenne stellvertretend Volker Kauder und Angela Merkel. Wann immer wir über dieses Thema reden, wird auch die Öffentlichkeit darauf aufmerksam. Bei den „Jungen Helden“ handelt es sich um Jugend- liche, die schon ein Organ gespendet bekamen oder noch auf ein Spenderorgan warten. Sie wollen aber, dass wir andere nicht unter Druck setzen, ein Organ zu spenden. Es geht darum, das vorhandene Potenzial zu heben. Wir müssen in diesem Zusammenhang an die Krankenhäuser und die Krankenkassen appellieren, die bei der Gemein- schaftsaufgabe Transplantationsmedizin gefordert sind. Meine Krankenkasse möchte sehr viele Daten von mir erfahren. Aber ich wurde noch nie gefragt, ob ich Organ- spenderin sein möchte. Viele, die im Krankenhaus tätig sind, haben Berührungsängste, wenn es um dieses Thema geht. Es ist natürlich eine Schocksituation, wenn man er- fährt, dass ein Angehöriger hirntot ist. Dies ist der denk- bar ungünstigste Zeitpunkt, eine Zustimmung für eine Organspende zu bekommen. Wir müssen daher das ganze Jahr in regelmäßigen Abständen über dieses Thema aufklären. Ich hätte mir gewünscht, dass die Arbeit der soge- nannten Streetworker fortgesetzt wird. Die CDU/CSU- Bundestagsfraktion möchte, dass in den Schulen mehr informiert wird und dass diejenigen in die Pflicht ge- nommen werden, die sozusagen an der Front stehen. Es geht natürlich nicht an, dass Krankenhäuser die Kosten, die ein Hirntoter, der auf der Intensivstation unterge- bracht ist, verursacht, nicht erstattet bekommen. Es handelt sich um eine sehr diffizile Angelegenheit. Die Lebendspende auszuweiten, ist sicherlich die falsche Antwort. Ich habe Sorge vor einer Kommerzialisierung der Lebendspende. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir auch!) Es besteht nämlich die Gefahr, dass Geld gezahlt wird oder Versprechungen – vielleicht auch beruflicher Art – gemacht werden und dass wir die Tür, die wir heute ei- nen Spalt öffnen, nicht mehr schließen können. Deshalb lehnen wir die Ausweitung der Lebendspende ab und wollen sie auf das spezielle Näheverhältnis beschränken. Wir setzen weiterhin auf Aufklärung und Sensibilisie- rung. Denjenigen, die auf ein Organ warten, sprechen wir unsere Solidarität aus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der LINKEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Die Kollegen Dr. Martina Bunge, Fraktion Die Linke, Peter Friedrich, SPD-Fraktion, und Elisabeth Scharfen- berg, Bündnis 90/Die Grünen, haben ihre Reden zu Pro- tokoll gegeben.1) Deshalb schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/9806 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Akkreditierungsstelle (Akkreditierungsstellengesetz – AkkStelleG) – Drucksache 16/12983 – 1) Anlage 46 24248 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Überweisungsvorschlag: Ausschuss fürWirtschaft und Technologie (f) Ausschuss fürErnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss fürArbeit und Soziales Ausschuss für Gesundheit Ausschuss fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss fürBildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden der Kolleginnen und Kollegen Dr. Georg Nüßlein, CDU/CSU, Andrea Wicklein, SPD, Ernst Burgbacher, FDP, Dr. Herbert Schui, Die Linke, und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grü- nen. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Mitunter komme ich mir hier vor wie bei den alten Griechen. Besonders im Vorfeld der Einbringung des Ge- setzes über die Akkreditierungsstelle haben sich inner-, aber auch zwischenparteilich wahre Tragödien und auch einige Komödien abgespielt. Mit dem Öffnen der Büchse der Pandora brach nach der griechischen Mythologie alles Schlechte, aber auch die Hoffnung über die Welt herein. Ähnliches ist uns mit der Umsetzung der euro- päischen Verordnung über die Anforderung an Akkredi- tierung und Marktüberwachung bei der Vermarktung von Produkten passiert. Diese Verordnung zwingt uns bis zum 1. Januar 2010, eine nationale Akkreditierungsstelle zu errichten. Die Büchse der Pandora war ein Geschenk von Zeus. Als sie geöffnet wurde, kam alles Schlechte über die Welt. Bevor jedoch auch elpis, griechisch für „Hoffnung“, aus der Büchse entweichen konnte, wurde sie wieder ge- schlossen. So wurde die Welt ein trostloser Ort, bis Pan- dora die Büchse erneut öffnete und so auch die Hoffnung in die Welt ließ. Wir haben die Büchse leider bisher nur einmal geöffnet. Die EU hat, indem Sie uns zwingt, das Thema Akkreditierungsstellen aufzugreifen und eine einheitliche Aufsicht für Prüflabore einzurichten, alte Ängste geschürt und an Kompetenzen gerüttelt. In Deutschland führen circa 4 000 Zertifizierungsstellen und Laboratorien – darunter Unternehmen wie der TÜV – verschiedenste Prüfungen von Produkten und Dienstleis- tungen durch. Ihre Befähigung hierzu weisen sie in Akkre- ditierungsverfahren nach. Die Zuständigkeit für die Akkreditierung ist bisher auf über 20 verschiedene Ein- richtungen verteilt. Neben Stellen des Bundes und der Länder sind auch private Akkreditierungsstellen vertre- ten. Genauso bunt wie die deutsche Zertifizierungsland- schaft ist auch die Interessenlage bei ihrer Neuorganisa- tion. Die EU möchte einheitliche Standards und einen einzigen nationalen Ansprechpartner. Gleichzeitig beste- hen die privaten Akkreditierungsstellen – meiner Mei- nung nach zu Recht – auf der Berücksichtigung ihrer In- teressen. Das Bundesgesundheitsministerium plädierte, besonders wegen Bedenken bei der Sicherheit von Medi- zinprodukten, dafür, eine Behörde zu schaffen. Einige Bundesländer sahen ihre Kompetenzen schwinden und beanspruchten, die Verantwortung für Akkreditierungen lieber selber zu tragen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis lan- ger und zäher Verhandlungen zwischen den Ressorts und sieht vor, eine privatrechtliche Gesellschaft zu gründen, an der Bund, die Länder und die Wirtschaft jeweils zu einem Drittel beteiligt sind. Diese Gesellschaft soll mit ihrer Aufgabe beliehen werden und wie eine Behörde agieren können. Somit hätten wir eine Kapitalbeteiligung der öffentlichen Hand und zugleich eine Beleihung. Auf diesem Wege läßt sich durch den Staat noch umfassend Einfluss nehmen. In den Bereichen Gesundheit und Verbraucherschutz gibt es aber auch weiterhin erhebliche Bedenken gegen- über dem jetzt gefundenen Kompromiss. Meine Kollegen vom Wirtschaftsausschuss und ich sehen diesen Gesetz- entwurf jedoch als eine Chance. Erstmals könnte es ge- lingen, diese Stellen unter einem Dach zu bündeln. Durch die Zusammenführung der unterschiedlichen Prüfungs- und Zertifizierungsstellen könnten wir eine Vereinheitli- chung der Standards, größere Effizienz und geringere Kosten im Akkreditierungsverfahren erreichen. Wir werden uns in den kommenden Wochen also inten- siv mit der Prüfung des Für und Wider dieses Gesetzent- wurfs beschäftigen. Allen Gegnern unseres Gesetzent- wurfs möchte ich aber schon heute die aufmerksame Lektüre ans Herz legen. Dort heißt es in § 1 Abs. 2: Die in anderen Rechtsvorschriften geregelte Zu- ständigkeit von Behörden, Stellen die Befugnis zu erteilen, als Konformitätsbewertungsstelle zustän- dig zu werden, bleibt unberührt. Insbesondere gilt dies für die Bereiche Medizinprodukte, Gendia- gnostika, Sicherheitstechnik sowie Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz einschließ- lich Lebensmittelsicherheit. Wir geben den vorhandenen Strukturen lediglich ein gemeinsames Dach, sonst bleibt alles, wie es ist. Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie hier- mit bitten, die – um im Bild zu bleiben – Büchse der Pan- dora im parlamentarischen Verfahren ein zweites Mal zu öffnen, um auch die Hoffnung herauszulassen. Es geht schließlich nicht um eine Lappalie, sondern um das Sys- tem der Qualitätssicherung in Deutschland und damit auch um die Glaubwürdigkeit deutscher Produkte und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt. Die deutsche Ex- portwirtschaft ist auch weiterhin auf den hohen Stellen- wert angewiesen, den das Label „Made in Germany“ seit Jahrzehnten verkörpert. Es wäre unvorstellbar, wenn der Exportweltmeister Deutschland keine nationale Akkredi- tierungsstelle zustande bringen würde. Andrea Wicklein (SPD): Die Qualität deutscher Produkte ist ein hohes Gut. „Made in Germany“ ist in der Welt Ausdruck für die Qualität der Produkte und die Prozessqualität ihrer Herstellung. Der Staat hat wirtschaftspolitisch, aber auch umweltpolitisch, sicherheitspolitisch und verbrau- cherschutzpolitisch ein Interesse an einem hohen Stan- dard der in Deutschland hergestellten und verkauften Wa- (A) (C) (B) (D) Andrea Wicklein ren und Dienstleistungen. Es ist daher grundsätzlich zu begrüßen, dass die Europäische Union die Aufgaben der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen, die bestätigen, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung spe- zifischen Anforderungen entspricht, als staatliche Auf- gabe definiert und eine zentrale nationale Akkreditie- rungsstelle fordert. Die Bedeutung der Akkreditierung von Konformitäts- bewertungsstellen hat in den vergangenen Jahren deut- lich zugenommen. Nur durch eine Akkreditierung haben Verbraucher und Unternehmen die Sicherheit, dass die Konformitätsfeststellung für ein Produkt den Anforderun- gen entspricht. Nur so kann auch der Staat sicher sein, dass seine Anforderungen in Bezug auf öffentliche Inte- ressen wie Gesundheit, Sicherheit am Arbeitsplatz, Ver- braucherschutz oder Umweltschutz befolgt werden. Das Akkreditierungswesen in Deutschland entspricht heute nicht den in der EG-Verordnung vom 13. August 2008 geforderten Ansprüchen. In Deutschland hat sich im Gegensatz zu anderen Ländern in der EU keine zentrale Stelle herausgebildet. Vielmehr wird das deutsche Akkre- ditierungswesen durch den Deutschen Akkreditierungsrat repräsentiert, in dem die meisten Akkreditierungsstellen des Bundes, der Länder und der Wirtschaft vertreten sind. Die Aufgabe der Kompetenzüberprüfung und -bestäti- gung von Konformitätsbewertungsstellen ist also organi- satorisch und inhaltlich weder dem Staat noch der Wirt- schaft eindeutig zugeordnet. Das soll sich nun ändern. Die Besonderheiten des deutschen Akkreditierungswe- sens, vor allem seine Zersplitterung, haben auch bereits zu einem Vertrauens- und Einflussverlust auf den Märk- ten geführt. Eine nationale Akkreditierungsstelle, die dann auch ein einheitliches Symbol tragen soll, wird zu neuer Akzeptanz führen. Über die genaue Ausgestaltung der deutschen Akkre- ditierungsstelle wird noch zu diskutieren sein. Das Gesetz zur Einrichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle muss den hohen Akkreditierungsstandard – auch in sen- siblen Bereichen wie dem Gesundheitssektor und dem Verbraucherschutz – Rechnung tragen. Die Erwartungs- haltung der Bevölkerung ist groß, dass ein Höchstmaß an Sicherheit beim Einsatz zum Beispiel von Medizinproduk- ten gewahrt bleibt. Insofern muss die Akkreditierungs- stelle objektiv und unabhängig bewerten und beurteilen können. Ernst Burgbacher (FDP): Mit dem heute zu debattierenden Gesetzentwurf soll eine nationale Akkreditierungsstelle geschaffen werden. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Verordnung EG Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008. Dass diese Verordnung überhaupt noch in nationales Recht umgesetzt wird, ist beachtlich. Fast wäre auch dieses Vorhaben am Zwist innerhalb der Regierungskoalition gescheitert. Noch vor gerade einmal zwei Monaten konnten sich das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie nicht auf die Struktur der einheitlichen Akkreditierungsstelle einigen. Zu Protokoll Das SPD-geführte Gesundheitsministerium, die Staatsgläubigen in dieser Bundesregierung wollten eine weitere nationale Mammutbehörde aufbauen. Indes hat sich das Wirtschaftsministerium für eine privatwirt- schaftlich ausgerichtete Akkreditierungsstelle ausgespro- chen, die durch den hoheitlichen Akt der Beleihung die Aufgaben übertragen bekommen sollte. Auch wenn aus meiner Sicht dieser Gesetzentwurf Anlass für eine Reihe von Kritikpunkten bietet, ist doch zumindest festzustellen, dass sich das unionsgeführte Wirtschaftsministerium in diesem Punkt gegen die SPD durchsetzen konnte. Die neue nationale Akkreditierungsstelle wird als privat- rechtliche Gesellschaft gegründet, an der Bund, Länder und Wirtschaft zu gleichen Teilen beteiligt sind. Die Verordnung ist umzusetzen. Daran lässt sich nun nichts mehr ändern, denn zum 1. Januar 2010 würde die Verordnung auch für die Bundesrepublik in allen ihren Teilen verbindlichen Regelungscharakter entfalten. Wir hätten uns jedoch erhofft, dass sich die Bundesregierung im Vorfeld, das heißt auf europäischer Ebene, dafür ein- gesetzt hätte, dass die dezentrale Struktur in Deutschland erhalten geblieben wäre. In Deutschland gibt es mehr als 4 000 Akkreditierungsstellen, die Dienstleistungen und Produkte prüfen und zertifizieren. Diese Stellen arbeiten unmittelbar dort, wo Ihre Dienste gefragt sind, und schaf- fen damit in föderaler Struktur ein engmaschiges Netz an Prüfstellen. Dieses Netz führt letztlich dazu, dass die Ak- kreditierung auch kostengünstig erfolgen kann. Davon profitieren sowohl die Wirtschaft als auch die Verbrau- cher. Durch die privatwirtschaftliche Gesellschaftsstruktur ist es immerhin gelungen, die Kräfte bewährter, erfahre- ner Einrichtungen zu erhalten. Dennoch wird diesen er- fahrenen Stellen nun ein Überbau verordnet, der unnötig ist und zudem erhebliche Kosten verursachen wird. Die Bundesregierung geht selbst davon aus, dass Kosten von mehr als 7 Millionen Euro allein auch für die Anschubfi- nanzierung notwendig sein werden. Auf die Wirtschaft werden fast 2,5 Millionen Euro entfallen. Zu den Kosten für den weiteren Betrieb dieser übergeordneten „zentra- len Überwachungseinheit“ macht die Bundesregierung hingegen keine Aussage. Auch hier ist zu erwarten, dass auf die Träger gemeinsam erhebliche jährliche Kosten zukommen werden. Gleichzeitig stellt die Bundesregierung jedoch in der Gesetzesbegründung fest, dass „die Wirtschaft durch das vorgelegte Gesetz in geringem und nicht quantifizierba- rem Umfang“ entlastet wird. Gerade eine deutliche Ent- lastung hätte aber das Ziel einer Bündelung von Akkredi- tierungsfunktionen sein müssen. Wenn schon eine einheitliche, übergeordnete, nationale Stelle eingerichtet wird, dann darf man hier auch erwarten, dass die Wirt- schaft in erheblichem und gut quantifizierbarem Maße entlastet wird. Stattdessen schafft die Bundesregierung neue Belastungen und stellt fest, dass „Auswirkungen auf die Einzelpreise nicht auszuschließen“ sind. Diese Bundesregierung schafft mit fast jedem Gesetz, welches sie in den Deutschen Bundestag einbringt, neue Belastungen für die Unternehmen in Deutschland und die Verbraucherinnen und Verbraucher. Dies war auch bei Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24249 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Ernst Burgbacher der Dienstleistungsrichtlinie der Fall, über die wir in der letzten Woche an dieser Stelle debattiert haben, und dies ist auch heute wieder so. Der umgekehrte Weg ist der richtige: Entlastung statt Belastung. Hierfür hätte sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene einsetzen müssen. Leider haben Sie dies abermals versäumt. Ob die Bundesregierung mit dem Gesetz über die Ein- richtung einer nationalen Akkreditierungsstelle „einen wichtigen Baustein für die Qualitätssicherung in Deutschland beschlossen“ hat, wie dies der Parlamenta- rische Staatssekretär Peter Hintze erklärte, bleibt für die FDP abzuwarten. Der Stand der Qualitätssicherung war und ist in Deutschland auf international anerkanntem, sehr hohem Niveau. Im Sinne der Qualitätssicherung hätte es einer nationalen Akkreditierungsstelle nicht be- durft, denn die deutschen Stellen haben dieses hohe Ni- veau auch ohne eine Überaufsicht bereits erreicht. Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Nach langem Hin und Her hat es die Regierung end- lich geschafft, den Gesetzentwurf zur Errichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle vorzulegen. Grund für die Verzögerung war bekanntlich Streit zwischen zwei Ministerien. Das Bundeswirtschaftsministerium war der Ansicht, dass die Akkreditierungsstelle privatrechtlich organisiert sein soll. Das Bundesgesundheitsministerium dagegen hielt eine Anstalt öffentlichen Rechts für zweck- mäßig. Leider konnte sich das Wirtschaftsministerium durchsetzen. Es stellt sich die Frage, warum eine im Gesetz selbst so bezeichnete hoheitliche Aufgabe von einer privatrechtli- chen Institution übernommen werden sollte. Schließlich muss – auch das steht im Gesetz und in der dazugehöri- gen EU-Verordnung – Unparteilichkeit und Objektivität bei der Arbeit der Akkreditierungsstelle gewahrt sein. Die Akkreditierungsstelle soll die Kompetenz der Konformi- tätsbewertungsstellen bestätigen, die ihrerseits prüfen, ob Produkte oder Dienstleistungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, und Kalibrierungen, Zerti- fizierungen und Inspektionen durchführen. Warum ist dann die Wirtschaft zu einem Drittel an einer Institution beteiligt, die den Prüfstellen von Produkten ebendiese Kompetenz bescheinigt? Ist es nicht vorstellbar, dass Konformitätsbewertungsstellen nach zu vielen ablehnen- den Prüfungen die erneute Akkreditierung auf Druck der Wirtschaft verweigert werden könnte? Es besteht der Verdacht, dass hier Prüfstellen ausge- mustert werden sollen. Zwar liegt die Rechtsaufsicht noch beim Wirtschaftsministerium. Warum dann aber nicht gleich eine öffentliche Institution? Das einzige in der Ge- setzesbegründung genannte Gegenargument – Probleme im Personalübergang – jedenfalls ist offenbar vorgescho- ben. Die Vermutung liegt nahe, dass eine privatrechtliche Lösung bevorzugt wurde, um der Wirtschaft einmal mehr Einfluss zu garantieren, und dafür die üblichen ideologi- schen Gründe vorgeschoben wurden. Es geht um mehr Einfluss der Privatwirtschaft. Wenn aber der besondere Zweck der Akkreditierungs- stelle in der Stärkung der deutschen Exportwirtschaft be- steht – denn ohne nationale Akkreditierungsstelle, so der Zu Protokoll Text, „entfiele … ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Marktstellung und damit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft“ –, dann ist die Frage ge- stellt, ob nicht eine öffentliche Lösung besser gewesen wäre. Es ist mehr als fraglich, ob das noch im Einklang mit der geforderten Objektivität und Unparteilichkeit steht. Noch besser wäre es, die Konformitätsbewertungsstel- len, also renommierte Institutionen wie der TÜV, selbst wieder in die öffentliche Hand zurückzuführen. Dann bräuchten sie gar keine zusätzliche Akkreditierung mehr. Auch die Unparteilichkeit wäre eher gewahrt, da die zu Prüfenden nicht mehr die Prüfstellen überwachen wür- den. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): In dem Gesetzentwurf über die Errichtung einer na- tionalen Akkreditierungsstelle geht es um die Umsetzung einer EU-Verordnung. Lieber Herr Guttenberg, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, man muss ja schon froh sein, dass dem Parlament über- haupt ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Schon bis zum 1. Januar 2010 muss eine nationale Akkreditierungsstelle eingerichtet werden. Das ist lange bekannt. Und was macht die ach so handlungsfähige Große Koalition? Sie streitet und streitet und kann sich nicht einigen. Der Grund für die späte Einbringung ist ja bekannt. Das Bundesministerium für Wirtschaft konnte sich mit den anderen betroffenen Ministerien bezüglich der Trä- gerschaft der nationalen Akkreditierungsstelle nicht eini- gen. Das ist schon bezeichnend für die große Koalition. Bei dem Antritt der Großen Koalition wurde den Bürge- rinnen und Bürgern viel versprochen und herausposaunt, was diese Große Koalition alles leisten könne. Die Bilanz ist mehr als ernüchternd. Das ist mittlerweile allen klar. Und die Vorgänge, die dem jetzt endlich vorliegenden Ge- setzentwurf vorangingen, sind bezeichnend für die Große Koalition. Die Große Koalition blockiert sich, weil sie sich nicht einigen kann. Und was ist die Konsequenz? Der Gesetzentwurf wird viel zu spät in den Bundestag einge- bracht. Bei dem Konflikt ging es um eine sehr entscheidende Frage. Soll die nationale Akkreditierungsstelle als eine beliehene wirtschaftsgetragene GmbH organisiert wer- den oder soll eine Behörde eingerichtet werden? Es ging also um die Frage private Trägerschaft oder öffentliche Trägerschaft. Ich möchte hier noch einmal daran erin- nern: Es geht um die Stelle, die kontrolliert, welche Stel- len darüber entscheiden dürfen, dass Produkte für den gemeinsamen Markt zugelassen werden. Wollen wir diese Kontrolle in privater Hand oder in öffentlicher Hand? Das ist die Frage. Wenn die Akkreditierungsstelle als eine beliehene Stelle eingerichtet wird, dann steht diese zwar noch unter behördlicher Oberaufsicht. Es ist aber nicht ausgeschlos- sen, dass sie stark von der Industrie bestimmt und gelenkt wird, deren Produkte der Akkreditierung unterliegen. Der Durchgriff der Behörde in den operationellen Teil wäre dann nur mittelbar mit zum Teil zeitraubenden Maßnah- men möglich. Das ist die Linie, die das Bundeswirt- 24250 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 gegebene Reden Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24251 (A) (C) (B) (D) Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn schaftsministerium, also Sie, Herr Bundesminister Guttenberg, dogmatisch verfolgt haben und von der Sie nur durch die Intervention der anderen Ministerien abge- gangen sind. Ich frage mich: Ist das die Lehre, die Sie, Herr Bun- desminister Guttenberg, aus der Wirtschafts- und Finanz- krise ziehen? Glauben Sie wirklich, dass sie heute noch jemandem erzählen können, dass die beste Kontrolle der Märkte und auch die indirekte Kontrolle von der Wirt- schaft selbst gemacht wird? Die Wirtschaft kann sich nicht selbst kontrollieren, und sie soll es auch nicht. Das ist die Lehre aus der Finanzkrise. Und das würde auch der ordoliberalen Position entsprechen, mit der Sie sich sonst immer gerne schmücken. Und jetzt ist eine mit der heißen Nadel gestrickte, scheinbare Kompromisslösung herausgekommen, die Drittellösung. Neben dem Bund sitzen nun die Industrie und wahrscheinlich auch die Länder mit am Tisch. Statt sich klar für die öffentliche Kontrolle zu entscheiden, soll hier ein fragwürdiger Kompromiss beschlossen werden. Dabei befürchte ich, dass sich diese Drittellösung in der Praxis als ineffizient und nicht steuerbar erweist. Diese Fragen müssten wir intensiv im Parlament dis- kutieren. Diese Zeit wollten und wollen Sie dem Parla- ment nicht lassen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur- fes auf Drucksache 16/12983 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Erste Beratung des von der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ab- schaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld – Drucksache 16/12888 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Die Kollegen Olav Gutting, CDU/CSU, Gabriele Frechen, SPD, Carl-Ludwig Thiele, FDP, Dr. Barbara Höll, Fraktion Die Linke, und Christine Scheel1), Bündnis 90/Die Grünen, haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.2) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- wurfs auf Drucksache 16/12888 an die in der Tagesord- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Beratung der Unterrichtung durch die Bundes- regierung 1) Rede lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird zu einem späte- ren Zeitpunkt abgedruckt. 2) Anlage 47 Deutsche Anpassungsstrategie an den Klima- wandel – Drucksache 16/11595 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Andreas Jung, CDU/CSU, Frank Schwabe, SPD, Michael Kauch, FDP, Eva Bulling-Schröter, Die Linke, und Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen. Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU): Es gibt keinen vernünftigen Zweifel mehr: Der Klima- wandel schreitet weiter voran. Wir dürfen nicht innehal- ten in unseren Bemühungen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und damit die Re- duktion der Emissionen von Treibhausgasen weiter deut- lich voranzutreiben. Dies erfordert massive Maßnahmen für mehr Klimaschutz. Diese dürfen durch Anpassungs- maßnahmen nicht infrage gestellt werden. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht die Augen verschließen vor den schon eingetretenen und noch zu erwartenden Verände- rungen. Deshalb brauchen wir Maßnahmen zur Anpas- sung an den Klimawandel. Ich begrüße es deshalb sehr, dass die Bundesregierung mit der „Deutschen Anpassungsstrategie an den Klima- wandel“ die im Klimaschutzprogramm 2005 angekün- digte Konzeption einer deutschen Anpassungsstrategie vorlegt und damit Programme erarbeitet, die eine ange- messene Anpassung an die Klimaänderungen erleichtert und zudem eine Hilfe und Orientierung für die beteiligten Akteure bietet. Trotz aller wissenschaftlichen Szenarien lässt sich nicht leugnen, dass wir nicht exakt voraussagen können, wie sich das Klima global, in Europa, in Deutschland oder in unseren Heimatregionen verändern wird. Dass es sich aber verändert, das erleben wir schon heute. Die vorliegende Strategie der Bundesregierung ist ein Beitrag zur Fortentwicklung der notwendigen Zusam- menarbeit mit den Bundesländern und weiteren Beteilig- ten, die zum Ziel hat, die Verminderung der Verletzlichkeit bzw. den Erhalt und die Steigerung der Anpassungsfähig- keit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer Systeme an die unvermeidbaren Auswirkungen des globa- len Klimawandels zu sichern. Die Bundesregierung betont in ihrer Strategie, dass ihr an einer offenen Kooperation gelegen ist. Dies begrüße ich ausdrücklich. Die gemeinsamen Anstrengungen wer- den nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn es gelingt, Vorbehalte und Sorgen abzubauen und damit das Ver- ständnis sowie die Bereitschaft zum Handeln zu erhöhen. Dies kann durch die von der Bundesregierung avisierte Kooperation, aber auch durch die Bereitstellung neuester (A) (C) (B) (D) Andreas Jung (Konstanz) Daten erfolgen. Denn nicht allen Betroffenen wird es möglich sein, entsprechende Analysen und Auswertungen selbst zu erstellen. Diese sind aber als Grundlage für ein zielgerichtetes und erfolgreiches Handeln unerlässlich. Wenn sich die Bundesregierung in ihrer Strategie zu Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit bekennt, ist dies eben auch Ausdruck der Erkenntnis, dass die Auswirkun- gen des Klimawandels regional unterschiedlich sein wer- den und deshalb örtliche Gegebenheiten und Entschei- dungsprozesse berücksichtigt werden müssen. Dabei ist wichtig, dass alle Lebensbereiche einbezogen werden. In ihrer Anpassungsstrategie betont die Bundesregie- rung, dass „das Thema Anpassung an die Folgen des Kli- mawandels … neben den angestrebten Vereinbarungen über die deutlichen Verminderungen der Treibhausgas- emissionen ein zentraler Gegenstand der Verhandlungen im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen über ein künftiges internationales Klimare- gime“ ist. „Auch für die entwicklungs-, sicherheits- und umweltpolitische Zusammenarbeit sowie für die Migra- tionspolitik gewinnt das Thema zunehmend an Bedeu- tung.“ Ich kann dies nur unterstützen. Als Berichterstatter der Union für Klimaschutz konnte ich an den vergangenen UN-Konferenzen zum Klimawan- del teilnehmen. Dabei wurde deutlich, dass zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer ein Interesse an Maßnahmen zur Verminderung von Treibhausgasen ha- ben, dass sie die Frage nach Anpassungsstrategien je- doch mindestens genauso beschäftigt. Die Industrielän- der stehen in einer besonderen Verantwortung, sind doch sie die Hauptverursacher des Klimawandels. Die Haupt- leidtragenden sind allerdings die Schwellen- und Ent- wicklungsländer. Ende dieses Jahres findet die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen statt. Dort soll ein Nachfolgeprotokoll für das Kioto-Abkommen verabschiedet werden, das 2012 ausläuft. Ich begrüße es sehr, wenn sich die Bundesregie- rung in ihrer Anpassungsstrategie nicht nur zur ange- strebten Vereinbarung über die Verminderung der CO2- Emissionen bekennt, sondern darüber hinaus das Thema Anpassung stärker gewichten will. Die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klima- wandel“ hat Signalwirkung für alle Beteiligten. Sie bildet ein Fundament für einen ganzheitlichen Ansatz, wie den zum Teil bereits heute nicht mehr abwendbaren Verände- rungen des Klimas begegnet werden kann. Die Anpas- sungsstrategie bildet eine weitere Säule der deutschen Klimapolitik. Bis Ende März 2011 soll ein gemeinsam mit den Ländern erarbeiteter „Aktionsplan Anpassung“ vor- gelegt werden, der Grundsätze und Kriterien für die Iden- tifizierung und Priorisierung von Handlungserfordernis- sen, die Priorisierung von Maßnahmen des Bundes und einen Überblick über konkrete Maßnahmen anderer Ak- teure auf der Grundlage des Dialog- und Beteiligungs- prozesses, Aussagen zur Finanzierung, Vorschläge für eine Erfolgskontrolle – Indikatoren – sowie die Weiterent- wicklung der deutschen Anpassungsstrategie und Benen- nung der nächsten Schritte enthalten soll. Zu Protokoll Nicht nur der Klimaschutz macht ein weltweit abge- stimmtes Handeln erforderlich; dies ist auch bei den An- passungsmaßnahmen der Fall. Die „Deutsche Anpas- sungsstrategie an den Klimawandel“ sowie die weiteren Schritte bilden eine gute Grundlage für ein international abgestimmtes Handeln. Frank Schwabe (SPD): Wir beraten heute die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“, die letzen Dezember vom Kabinett verabschiedet wurde. Die Anpassung an den Klimawan- del ist ein Thema, das in vielen Diskussionen über Klima- schutz bis jetzt immer ein bisschen zu kurz kam. Denn ver- ständlicherweise steht im Mittelpunkt der Diskussion immer die Frage, wie wir den Ausstoß an Treibhausgasen reduzieren können. Wir müssen alles dafür tun, dass wir in Deutschland unser Ziel von 40 Prozent weniger CO2 bis zum Jahr 2020 erreichen und dass es diesen Dezem- ber in Kopenhagen zu einem ambitionierten Kioto- Anschlussabkommen kommt. Wir brauchen einen Kon- sens, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstempe- ratur auf weniger als zwei Grad Celsius über dem vorin- dustriellen Niveau zu begrenzen ist. An diesem sogenannten 2-Grad-Ziel müssen wir unsere Politik aus- richten. Aber selbst wenn wir den Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad begrenzen, werden Folgen des Kli- mawandels auftreten, auf die sich auch Deutschland ein- stellen muss. Eine zukunftsfähige Klimapolitik baut des- halb auf zwei Säulen auf: der Vermeidung von Treibhausgasen und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels, die schon heute nicht mehr zu vermeiden sind. Ziel der Strategie der Bundesregierung ist es, einen bundesweiten Handlungsrahmen zu schaffen, um Risiken für die Bevölkerung, der natürlichen Lebensräume und der Volkswirtschaft vorzubeugen. Dieser Rahmen soll es insbesondere den unterschiedlichen Handlungsebenen des Bundes, der Länder, der Kommunen sowie dem ein- zelnen betroffenen Bürger erleichtern, Betroffenheiten und Anpassungsnotwendigkeiten zu identifizieren, Hand- lungsmaßnahmen zu planen und umzusetzen. So können zum Beispiel durch eine frühzeitige Einbeziehung von An- passungsaspekten in Planungen später wirksam wer- dende Klimakosten vermieden werden. Die deutsche An- passungsstrategie fasst den aktuellen Kenntnisstand zu den erwarteten Klimaänderungen und zu den damit verbundenen möglichen Auswirkungen zusammen. Für 15 Handlungsfelder und ausgewählte Regionen werden mögliche Klimafolgen und Handlungsoptionen skizziert. Bis 2011 soll dann in Zusammenarbeit mit den Bundes- ländern der „Aktionsplan Anpassung“ erarbeitet wer- den. Ich komme ja aus dem Ruhrgebiet. Vor einigen Wochen hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK, eine Studie veröffentlicht, in der die Wissenschaftler die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf ver- schiedene Regionen und Sektoren im Ruhrgebiet unter- sucht haben. Die Auswirkungen der Klimaveränderungen werden auch NRW treffen. Die Wissenschaftler des re- nommiertesten deutschen Forschungsinstituts kommen zu dem Ergebnis, dass wir in der Stadtplanung berück- 24252 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Frank Schwabe sichtigen müssen, dass zukünftig städtische Gebiete ver- mehrt zu „Hitzeinseln“ werden können und deswegen Grünflächen und Baumreihen zur Kühlung des Stadtkli- mas immer wichtiger werden. Die Stadtplanung wird komplexer und muss die neuen Herausforderungen be- wältigen. Nur so ist sie zukunftsweisend. Vom Standpunkt der Klimawissenschaftler aus muss in Zukunft anders ge- baut und geplant werden. Eine der wichtigsten Aspekte des Klimawandels ist die Auswirkung von höheren Tem- peraturen. Davon sind besonders städtische Gebiete be- troffen, in denen sich Hitzeinseln bilden können. Parks, Baumreihen und andere Grünflächen können diesen Hitzeinseleffekt abmildern. Als Faustregel gelte ange- sichts der zu erwartenden Hitzephasen, dass die Men- schen innerhalb von fünf Gehminuten schattige Zonen aufsuchen können sollten. Der Klimawandel ist bereits heute zu spüren. Mehr noch als plötzliche Starkregen oder Stürme sind es aber vor allem die schleichenden Veränderungen, die auf lange Sicht das Lebensumfeld des Menschen verändern. Sie betreffen häufig nur eine bestimmte Bevölkerungs- gruppe oder Region und erscheinen beinahe banal: ein kleiner Fluss, der immer weniger Wasser führt. Wespen im November und aufgeweichte Straßenbeläge im Sommer. Kein Wunder, dass viele Veränderungen nicht als Folge des Klimawandels erkannt oder vielfach igno- riert werden. Warum sollen wir uns um einen Zentimeter weniger Strand kümmern, scheinbar unbedeutend im Ver- gleich zu einem Hochwasser in der Stadt? Der Klimawandel kommt langsam und auf leisen Soh- len. Oft merken wir es gar nicht – und wenn, sind uns die Konsequenzen nicht bewusst. Wenn wir zum Beispiel an lauen Sommerabenden immer öfter die Grillen zirpen hö- ren, denkt kaum jemand daran, dass diese Insekten Krankheitserreger aus Südeuropa importieren, denen un- sere Weinreben schlecht Widerstand leisten können. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch sehen, dass uns Expertinnen und Experten sagen, dass die langsamen Veränderungen Chancen bergen. Denn kleine, aber ste- tige Veränderungen sind besser berechenbar als Extrem- ereignisse und machen Anpassung überhaupt erst mög- lich. Anpassung geht uns alle etwas an. Zwar betreffen viele Veränderungen nur eine kleine Gruppe, einen bestimmten Wirtschaftszweig oder eine Region. Doch die Folgen des Klimawandels sind so vielfältig, dass kaum ein Bereich des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unbe- rührt bleiben wird. Hinzu kommt: Einige Bereiche sind über Umwege miteinander verbunden. So macht Niedrig- wasser eines Flusses nicht nur Fischen das Leben schwer. Die Schifffahrt, die Wasserwirtschaft und selbst die Ener- gieversorgung können davon betroffen sein, denn das Wasser vieler Flüsse kühlt die Kraftwerke der Strom- erzeuger. Aber nicht nur hier in Berlin wird über die Anpassung an den Klimawandel diskutiert. In Brüssel hat die EU- Kommission Anfang April ein Weißbuch über die Anpas- sung der EU an die unausweichlichen Konsequenzen des Klimawandels veröffentlicht. Die Kommission verfolgt in Zu Protokoll ihrem Weißbuch einen Zweiphasenansatz: In der ersten Phase bis Ende 2012 soll die Forschung über mögliche Maßnahmen zur Anpassung intensiviert werden, insbe- sondere im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten. Auf dieser Grundlage soll eine konkrete EU-Anpassungsstra- tegie entwickelt werden, die in der zweiten Phase – ab 2013 – umgesetzt werden soll. Die Kommission geht da- von aus, dass infolge des Klimawandels die Nieder- schlagsmengen und der Meeresspiegel steigen und wet- terbedingte Naturkatastrophen häufiger werden. Leider war es auf dem letzten informellen Treffen der EU-Umweltminister in Prag kein Konsens, dass es eine europäische Strategie zur Anpassung geben soll. Es ist ja richtig, dass die Klimaveränderungen regional sehr un- terschiedliche Ansätze erfordern. Dies ist jedoch kein Ar- gument gegen eine EU-weite Abstimmung und Koordinie- rung. Neben Deutschland haben erst sieben weitere Mitgliedstaaten eine nationale Anpassungsstrategie ent- worfen. Es ist zu wünschen, dass die anderen Mitglied- staaten bald folgen werden. Denn frühzeitige Anpassun- gen an die Folgen des Klimawandels sind ein Gebot ökonomischer Vernunft. Durch sie können wir spätere Schäden mit viel höheren Kosten vermeiden. Auch wenn wir heute die Anpassung an den Klima- wandel in Deutschland diskutieren, sei mir doch ein klei- ner Exkurs erlaubt. Die Anpassung an den Klimawandel ist vor allem eine internationale Herausforderung. Das Klimachaos ist ein radikaler Ausdruck globaler Unge- rechtigkeit. Es trifft diejenigen am härtesten, die am we- nigsten zu seinen Ursachen beitragen. Schon zu lange missbrauchen wir unsere Atmosphäre als Mülldeponie für CO2. Diese Deponie ist zu über 85 Prozent gefüllt mit den Emissionen der Industrieländer: Sie sind die Verant- wortlichen. Die Menschen in den sogenannten Entwick- lungsländern sind am härtesten vom Klimawandel betrof- fen und haben nicht die notwendigen finanziellen Mittel, um sich gegen den Klimawandel zu wappnen. Wenn wir verstärkte Klimaanstrengungen der Entwicklungsländer erwarten, müssen wir sie dabei unterstützen. Sonst wer- den wir keinen Erfolg auf der Klimakonferenz in Kopen- hagen erreichen. Um den Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad Celsius zu begrenzen, müssen die Industrie- länder den Entwicklungsländern Finanzmittel bereitstel- len. Wichtig ist, dass diese Gelder zusätzlich zur Entwick- lungshilfe gegeben werden. Beim globalen Klimaschutz müssen die Industrieländer vorangehen. Die Schwellen- und Entwicklungsländer werden einem Kioto-Nachfolge- abkommen nur zustimmen, wenn die Industrieländer klare Ziele für die Verminderung ihrer Treibhausgase vorgeben und ärmeren Ländern Finanzzusagen machen. Dies ist die politische Dimension der Gelder für An- passung, die ich noch einmal herausstellen wollte. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel weltweit zusätzliche Investitionen von 175 Milliarden Euro im Jahr erfordert. Für die EU läge der faire Anteil an diesen Investitionen bei mindestens 30 Milliarden Euro im Jahr. Dieser Anteil lässt sich nach den bisher freigesetzten Emissionen und der wirtschaftlichen Leis- tungskraft errechnen. Um nationalen und internationalen Klimaschutz finanzieren zu können, müssen hierfür die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24253 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Frank Schwabe gesamten Einnahmen des Emissionshandels verwendet werden. Die Anpassungsstrategie der Bundesregierung ist erst der erste Schritt. Nächsten Montag findet eine hochkarä- tige Konferenz des Bundesumweltministeriums zum Thema Anpassung statt. Die Konferenz will auch den „Aktionsplan Anpassung“ besprechen. Dieser „Aktions- plan Anpassung“ ist dann der zweite Schritt. Ihn will die Bundesregierung bis zum Frühjahr 2011 erarbeiten. Wichtig ist nun, den Erfahrungsaustausch und das Wissen zum Thema Anpassung voranzubringen, auch in unseren Wahlkreisen. Denn dort fehlt noch oft das Wissen, was zum Beispiel im zukünftigen Städtebau alles zu beachten ist. Eine Aufgabe, die uns in Zukunft immer häufiger be- schäftigen wird. Michael Kauch (FDP): Strategisches Handeln ist zielorientiertes Handeln. Es bedeutet, zielorientiert vorgehen nach einem umfassen- den Plan. Eine Strategie umfasst also alle erdenklichen Hand- lungen, die zur Verfügung stehen, um ein zuvor präzise definiertes Ziel am Ende zu erreichen, einen vollständi- gen Handlungsplan, der alle Zusammenhänge und alle möglichen Konstellationen berücksichtigt und umfasst, die sich auf dem Weg zu einem definierten Ziel ergeben können. Nützlich ist das Entwerfen einer Strategie natürlich nur dann, wenn man sich vorher darüber klar wird, wohin man eigentlich genau will und warum bestimmte Verhal- tensweisen dazu geeignet sind, an genau dieses Ziel zu gelangen. Man muss sich übrigens auch darüber klar werden, wann man angekommen ist. Das Ziel muss also präzise beschrieben sein, und man braucht Indikatoren zur Überprüfung. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Na- tionale Nachhaltigkeitsstrategie. Nichts hätte also näher gelegen, als sich an deren Struktur zu orientieren. Und was hat die Bundesregierung vorgelegt? Was da unter dem großspurigen Titel einer „Deutschen Anpas- sungsstrategie an den Klimawandel“ daherkommt, ist nicht mehr als eine hilflose Stichwortsammlung, eine Ideen- sammlung zu möglichen Zielen, Zielkonflikten und Maß- nahmen, außerdem noch ein lustlos flackernder und un- konzentrierter Blick über alles Mögliche, was schon irgendwo von irgendwem gemacht wird und was irgend- wie mit dem Problem Klimawandel zu tun hat. Die „An- passungsstrategie der Bundesregierung an den Klima- wandel“ hätte Mark Twain treffend beschrieben: „Kaum dass wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdop- pelten wir unsere Anstrengungen.“ Selbstverständlich enthält der „Kessel Buntes“ auch sinnvolle Einzelaktivitäten. Es fehlt aber das geistige Band. Eine lustlose Materialsammlung aller beteiligten Ministerien, das Ergebnis eines Brainstormings, das ist es, was Sie vorgelegt haben, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Wo ist der rote Faden, und wo ist eine Prioritätensetzung? Und was am schmerzlichsten vermisst wird: Wie lautet das konkrete Ziel, an das die Zu Protokoll Bundesregierung mit dieser Ideensammlung kommen will? Ihre Strategie ist eine Mogelpackung. Der Beschluss, eine solche Strategie zu erarbeiten, stammt aus dem Jahr 2005. Sie hatten eine ganze Legis- laturperiode Zeit. Im Jahr 2009 ist die Bundesregierung aber nicht viel weiter als am Anfang und braucht jetzt noch bis 2011 für einen Aktionsplan. Die FDP weist nachdrücklich darauf hin, dass die An- passung an den Klimawandel einen höheren Stellenwert braucht. Das Klimaschutzministerium in Niedersachsen hat dazu vor wenigen Wochen erneut eine mustergültige Vorlage gemacht. Es ist übrigens die FDP, die in Nieder- sachsen den Umweltminister stellt und das Anpassungs- thema hoch auf die Agenda gesetzt hat. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Wenn wir heute über Anpassungsstrategien reden, sei eines vorangestellt: Wir sind uns sicherlich einig, dass das wichtigste Ziel der Klimapolitik darin besteht, un- bedingt die Erwärmung der Erdatmosphäre auf maximal 2 Grad über vorindustrielle Werte zu begrenzen. Ansons- ten werden Kipppunkte erreicht, die chaotische und unbe- herrschbare Prozesse einleiten könnten, etwa wenn der sibirische Permafrost auftaut oder die grönländischen Gletscher weitgehend abschmelzen. Um dies zu verhin- dern, sind radikale Änderungen in Produktion und Kon- sum erforderlich. Dabei kommt der Energieeinsparung auf breiter Front genauso eine zentrale Rolle zu wie der regenerativen Energieversorgung. Leider erfordert bereits ein Anstieg der Erdmitteltem- peratur von 2 Grad erhebliche Anpassungsleistungen für Mensch und Natur, dies vor allem in jenen Ländern, die ohnehin von Armut geprägt sind und die in der Regel keine Verantwortung für den rasanten weltweiten Anstieg der CO2-Emissionen tragen. Die historische Verantwor- tung für den Klimawandel liegt klar bei den Industrielän- dern. Deshalb muss es für die Konferenz in Kopenhagen Ziel sein, für die Industriestaaten eine Minderung von mindestens 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 zu ver- einbaren. An dieser Stelle sollten wir uns zudem vor Augen füh- ren: Der weltweite Ausstoß von Klimakillern stieg trotz Kioto-Abkommen seit der Jahrtausendwende dreimal so schnell an wie in den 90er-Jahren. Dieser Trend liegt oberhalb des pessimistischsten Szenarios des UN-Klima- rates IPCC. Und dieses sagt uns eine Erwärmung der durchschnittlichen Oberflächentemperatur unseres Pla- neten von bis zu 6,4 Grad bis 2100 voraus. Wir bewegen uns also weit außerhalb des gerade noch als beherrsch- bar eingeschätzten Pfades. Dementsprechend dramatisch werden die Auswirkungen dieses Systemversagens sein. Vor diesem Hintergrund stimmen wir zwar der Bun- desregierung zu, wenn sie sich nicht auf ein Szenario und eine Anpassungsstrategie fokussiert, sondern die Spann- breite künftiger Entwicklungen berücksichtigen möchte. Die Linke fordert aber, dass auch gravierende Klima- änderungen als mittlerweile realistisch angesehen wer- den und nicht nur am unteren Rand manövriert wird. 24254 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Eva Bulling-Schröter (Die Linke) Dementsprechend ist in der Anpassungsstrategie Vor- sorge zu leisten. Dies gilt nicht für Deutschland, sondern ebenso für den deutschen Beitrag für Anpassungsleistungen in der Dritten Welt sowie für die internationalen Vereinbarun- gen über die UN-Anpassungsfonds. Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Germanwatch haben hier konkrete Vorschläge unterbreitet. Insbesondere muss der Fokus der Hilfe auch innerhalb der Länder auf den besonders Betroffenen liegen. Natürlich müssen entspre- chende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Germanwatch und das Wuppertal Institut haben dafür ge- meinsam Finanzierungsvorschläge erarbeitet, die über das hinausgehen, was gegenwärtig verhandelt wird. Ins- besondere der Vorschlag, auch einen Teil der Kioto-Emis- sionsrechte, AAU, die den jeweiligen Staaten zugeteilt werden, zu versteigern, ist unseres Erachtens überden- kenswert. Schließlich ist hier die Basis ungleich größer als beim anlagenbezogenen Emissionshandel, etwa im europäischen Emissionshandelssystem. Die deutsche Anpassungsstrategie ist vernünftiger- weise dynamisch konzipiert. Wir begrüßen ebenso die Entwicklung von Handlungsoptionen für 13 Lebens-, Umwelt- und Wirtschaftsbereiche. Das Gleiche gilt für die Thematisierung und Anpassung relevanter Quer- schnittsbereiche wie die Raum-, Regional- und Bauleit- planung sowie für die Analyse der regionalen Empfind- lichkeit. Denn der Durchschnitt hilft uns ja nicht weiter, wenn es beispielsweise in Ostdeutschland deutlich tro- ckener und am Rhein wesentlich feuchter wird. Das langfristige Ziel der Anpassungsstrategie muss sein, die Verletzlichkeit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer Systeme in Bezug auf den Klimawan- del zu vermindern. Das ist nicht zuletzt eine soziale Frage. Denn auch in der Bundesrepublik werden es zual- lererst die Armen sein, die unter den Folgen leiden. Sie sollten deshalb von der Finanzierung der Anpassungs- maßnahmen weitgehend verschont bleiben. Zur Kasse zu bitten sind dagegen vor allem die Konzerne, die am meis- ten vom Ausstoß der Klimakiller profitierten: die Ener- gieversorger sowie die Mineralöl- und Automobilindus- trie. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Klimawandel hat schon begonnen. Die Erderwär- mung findet längst statt. In den letzten 100 Jahren ist die globale Mitteltemperatur nach den Erkenntnissen des Weltklimarates IPCC um über 0,7 Grad Celsius angestie- gen. Worum es jetzt gehen muss, ist konsequenter Klima- schutz, um die Erwärmung zu begrenzen und unter der gefährlichen Marke von 2 Grad zu halten. Gleichzeitig müssen wir uns den negativen Auswirkungen des Klima- wandels stellen, die zum Teil heute schon nicht mehr ab- wendbar sind. Es geht darum, das Unbewältigbare zu vermeiden und das Unvermeidliche zu bewältigen. Mit der zweiten Aufgabe beschäftigt sich die Bundesregie- rung in ihrer vorgelegten Anpassungsstrategie. Die Ausarbeitung der Strategie ist zu begrüßen, auch wenn sie an manchen Stellen vage in den Aussagen und unbestimmt in den Maßnahmen bleibt. Hier wird es auf Zu Protokoll dem Weg zu einem Aktionsplan mit Sicherheit noch viel zu diskutieren und zu konkretisieren geben. Doch wird deut- lich, welche schwerwiegenden Folgen der Klimawandel für unser Land haben wird. Da ist im Gesundheitsbereich zum Beispiel von der erleichterten Ausbreitung von Krankheitserregern die Rede und von der Ansiedlung neuer Viren und Krankheitsüberträgern, von zunehmen- den Herz-Kreislauf-Problemen durch eine verstärkte Hitzebelastung, von Atemwegsbeschwerden durch mehr bodennahes Ozon und womöglich sogar von erhöhtem Hautkrebsrisiko durch die intensivere Sonneneinstrah- lung. Das sind Risiken, auf die sich Medizin und Gesund- heitsversorgung einrichten müssen. Die Risiken sollten uns zugleich Mahnung sein, konsequenter für den Klima- schutz einzutreten. Denn Vorsorge ist hier mit Sicherheit die beste Strategie. Das gilt auch für die umweltbezogenen Auswirkungen des Klimawandels, die in dem Bericht benannt werden, wie die steigende Wahrscheinlichkeit von Hochwassern und Sturmfluten, das häufigere Auftreten von Trockenpe- rioden und die Gefahr des Aussterbens von bis zu 30 Prozent der heimischen Tier- und Pflanzenarten. An- gesichts dieser Probleme werben wir Grüne für eine mög- lichst umweltverträgliche und naturnahe Anpassung an den Klimawandel. Es wäre fatal, wenn zur Bekämpfung der Folgen dieser globalen Umweltkatastrophe Strate- gien oder Technologien zur Anwendung kämen, die neue, unbeherrschbare Umweltgefahren mit sich bringen. Das gilt insbesondere für die Agrogentechnik. Für deren Ein- satz zeigt sich die Bundesregierung in ihrer Anpassungs- strategie leider offen, indem sie schreibt: „Im Bereich der Pflanzenzüchtung sollten im Hinblick auf die Anpassung an Klimaänderungen … Innovationen gefördert werden.“ Bemerkenswert ist auch der Passus, dass Kohle- und Atomkraftwerken durch Niedrigwasser und höhere Was- sertemperaturen das Kühlwasser ausgehen könnte. Koh- lekraftwerke sind mit ihrem hohen CO2-Ausstoß also nicht nur Mitverursacher des Klimawandels. Sie werden durch den Klimawandel auch unzuverlässig. Ein Grund mehr, die verfehlte Kohlepolitik der Bundesregierung endlich zu korrigieren. Bei all den negativen Folgen des Klimawandels für Deutschland sollten wir allerdings nicht vergessen, dass andere Menschen und Länder noch viel stärker von der Erderwärmung bedroht sind. Am härtesten wird der Kli- mawandel die Armen treffen. In Bangladesch drohen furchtbare Überschwemmungen. Die Malediven bereiten sich auf die Evakuierung ihrer Bevölkerung vor. In Afrika drohen regional verschärfte Hungersnöte, am Himalaja ist der Trinkwasservorrat von Millionen bedroht. Den be- troffenen Menschen und Staaten fehlen meist die Mittel, um sich gegen diese Klimafolgen zur Wehr zu setzen. Deshalb sind die Industriestaaten, die den Klimawan- del verursacht haben, in der Pflicht, zu helfen. Das ist eine Frage der globalen Gerechtigkeit und eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg des neuen Klimaabkom- mens, das im Dezember in Kopenhagen verabschiedet werden soll. Es wäre gut, wenn die EU und die Bundesre- gierung dazu bald konkretere Angebote auf den Tisch le- gen würden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24255 gegebene Reden 24256 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Bärbel Höhn Der Klimawandel hat schon begonnen und er wird uns noch lange beschäftigen. Lassen Sie uns gemeinsam da- ran arbeiten, ihn zu begrenzen und bessere Strategien zur Anpassung zu entwickeln. Lassen Sie uns alles tun, um das Unvermeidliche zu bewältigen und das Unbewältig- bare zu vermeiden. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/11595 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen – Drucksachen 16/11919, 16/12841 – Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Max Lehmer Elvira Drobinski-Weiß Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Ulrike Höfken Abweichend von der Tagesordnung soll – auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – eine Ausspra- che stattfinden. Für die Aussprache ist eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Johannes Röring, CDU/CSU-Fraktion. Johannes Röring (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst zwei klare Botschaf- ten an die Grünen senden: Zuallererst: Ich bin mittlerweile tief darüber entsetzt, in welcher Art und Weise Sie Politik betreiben. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was? Vorbildlich!) Sie schreiben sich die Verantwortung für zukünftige Ge- nerationen auf Ihre Fahne. (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Jawohl!) Auf Ihrem Parteitag am Wochenende haben Sie sogar ei- nen Green New Deal vereinbart. Wenn Sie aber nach Berlin in Ihre Abgeordnetenbüros zurückkommen, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ich war nie weg!) überlegen Sie sich gleich, wie Sie möglichst populistisch und reißerisch eine Schlüsseltechnologie wie die Grüne Gentechnik verdammen können. (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Meinen Sie Ihre Ministerin? Von wem reden Sie gerade?) Es wird ideologisch argumentiert, (Peter Bleser [CDU/CSU]: Reiner Populismus!) statt wissenschaftlich fundiert und verantwortungsbe- wusst zu diskutieren und die Bevölkerung zu informie- ren. (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ach so!) Zweitens. Frau Höfken, wir debattieren heute über ei- nen Antrag, der längst gegenstandslos ist, da das BVL den Anbau und jeden weiteren Verkauf von MON 810 der Firma Monsanto vor vier Wochen bis auf Weiteres untersagt hat. (Peter Friedrich [SPD]: Aber warum?) An dieser Stelle will ich klar betonen, dass das Verbot von MON 810 eine Einzelfallentscheidung darstellt. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Zukunftsfeindlich!) Die Entscheidung zu MON 810 ist keine Grundsatzent- scheidung gegen diese Technologie im Allgemeinen. (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wie finden Sie die?) Im Gegenteil: Die vielen offenen Fragen bezüglich gen- technisch veränderter Organismen zeigen die Notwen- digkeit einer verstärkten Forschung. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie machen einen Salto!) Sicherheitsforschung ist wichtig. Wie ich schon am 23. April in der Aktuellen Stunde zu diesem Thema ausgeführt habe, geht es Ihnen gar nicht um das Thema MON 810. Wir diskutieren zum wiederholten Mal über Gentechnik im Allgemeinen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das hat doch etwas miteinander zu tun!) Das bedeutet auch, dass wir erneut über die Chancen der Grünen Gentechnik zu sprechen haben. Wir müssen da- rüber reden, wie wir sie besser erforschen und ihre Po- tenziale nutzen können. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die werden nicht besser, wenn Sie sie immer wieder wiederholen!) Selbstverständlich müssen wir die Ängste der Bevöl- kerung ernst nehmen und ausschließen, dass Schäden für Mensch und Gesundheit entstehen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24257 (A) (C) (B) (D) Johannes Röring (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das können Sie aber nicht! Das hat selbst Seehofer gesagt!) Aus genau diesem Grund brauchen wir umfassende For- schungsanstrengungen. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Richtig!) Generelle Anbauverbote, wie die Grünen sie fordern, be- hindern unseren Forschungsstandort eigentlich nur. Ich glaube, dass wir mit der Verhinderung neuer Technolo- gien die Monopolisierung in Deutschland voranbringen und die Nutzung biotechnologischer Innovationen für Züchter, Landwirte und am Ende auch für die Verbrau- cher gefährden würden. Züchtung und Forschung brauchen zuverlässige Rah- menbedingungen, damit auf diesen Gebieten ohne ideo- logische Scheuklappen und wissensbasiert gearbeitet werden kann, damit Praxis und Theorie in der Forschung – dazu gehört auch die Anwendungsforschung – zusam- menkommen. Wir tragen für die Bevölkerung weltweit Verantwor- tung. Sie kann von unseren Erfahrungen und von unse- rem Wissen profitieren. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass das BVL vor wenigen Tagen den Versuchs- anbau für gentechnisch veränderte Gerste der Justus- Liebig-Universität in Gießen genehmigt hat, (Peter Bleser [CDU/CSU]: Sehr gut!) nachdem die Anbauflächen im letzten Jahr von Ökoakti- visten mutwillig zerstört worden waren. Dass auch die Freisetzung der gentechnisch veränder- ten Kartoffel Amflora erlaubt worden ist, ist ebenso wichtig. Der Zaun um die Anbaufläche wird wahr- scheinlich nur wegen der Ökoaktivisten gebaut worden sein. Diese Kartoffel produziert wesentlich mehr Stärke (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Die nicht ge- braucht wird!) als die herkömmliche Kartoffel. Es gilt jetzt, zu erfor- schen, ob die Kartoffel tatsächlich die ihr zugeschriebe- nen Eigenschaften besitzt und langfristig in der industri- ellen Produktion einsetzbar ist. Im Übrigen ist das auch für die Frage der Produktion von nachwachsenden Roh- stoffen sehr wichtig. Denn Effizienz ist angesichts der knapp bemessenen Ackerflächen extrem wichtig. Die Tatsache, dass die verfügbare Ackerfläche pro Erdbewohner nach wie vor dramatisch abnimmt – das meine ich sehr ernst; ich habe es schon wiederholt gesagt –, bringt uns in die Verantwortung, diese Technologie, die eine Effizienzsteigerung ermöglicht, für uns nutzbar zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir müssen in einigen Jahren mit 2 000 Quadratmeter pro Erdbewohner – das ist die Perspektive – auskom- men. Ich glaube, Sie alle sind sich nicht bewusst, was das heißt. Das ist ein Fünftel Hektar für jeden Erdbe- wohner. Da kann man vielleicht 1 Tonne Weizen an- bauen, wenn man es gut macht, oder, Frau Höfken, 300 Liter Biosprit produzieren. Man muss die Menschen aber auch noch mit Fleisch und Milch ernähren. Sie wol- len zudem nachwachsende Rohstoffe für die Industrie erzeugen. Sie müssen uns schon erklären, wie das funkti- onieren soll. (Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das tun wir schon die ganze Zeit!) Auch Umweltminister Gabriel, liebe Kollegen von der anderen Koalitionsfraktion, hat dies erkannt und vor einiger Zeit die Kartoffel Amflora als Option gesehen. Ich glaube, dass wir die Technologie nicht generell ab- lehnen sollten. Ich muss einige Verlautbarungen vom Kollegen Kelber, der uns sehr starke Nähe zu Monsanto und ande- ren Firmen nachsagt, zurückweisen. (Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zu wem denn sonst! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das kann man nicht abstreiten! Das ist eindeutig!) Ich glaube, wir sollten zur Sachpolitik zurückkommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP – Ulrike Höfken [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wen meint er denn damit?) Zurück zum Thema. Wir haben Verantwortung in ei- ner sich schnell verändernden Welt. Es gibt viele Men- schen, die nicht im Überfluss leben. Das hat sehr stark damit zu tun, dass sie nicht ausreichend über Trinkwas- ser und Nahrung verfügen. Ich glaube, wir sollten diese eine Option, diese neuen Technologien, nicht verwerfen. Abschließend noch eine sehr persönliche Sorge, die mich umtreibt. Wir tun sehr viel, um Wissenschaft und Bildung für junge Leute voranzubringen. Ich mache mir Sorge, dass wir durch die Art und Weise dieser Diskus- sion ein falsches Signal an junge Menschen senden, die sich mit dem Zukunftsthema Biotechnologie beschäfti- gen wollen. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Sie ha- ben einen eigenen Kopf zum Denken!) Ich habe Sorge, dass sie sich durch diese Debatten davon abwenden und wir zukünftige Chancen anderen überlas- sen. Wir müssen junge Menschen für dieses Thema be- geistern und dafür sorgen, dass sie Neugier für die welt- weiten Zukunftsthemen entwickeln. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Wer sagt das?) Sie müssen dieses Thema begeistert besetzen (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ihre Rede begeistert!) und diese Zukunftstechnologie zur Lösung der Probleme vieler Menschen in der Welt nach vorne bringen. Der Antrag der Grünen besagt genau das Gegenteil. Deswegen kann ich diesen Antrag ohne Bedenken ableh- nen. 24258 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Johannes Röring (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP – Zuruf vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ohne Nachdenken!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan, FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht wieder einmal um MON 810. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Richtig!) Ich will an Folgendes erinnern – das ist eine interessante Information –: Übermorgen beginnt in Rom, im Vatikan, die Studienwoche „Transgene Pflanzen zur Ernährungs- sicherheit im Kontext von Entwicklung“. Sie wird von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften ausgerich- tet. Über 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tragen vor und berichten darüber, welche realen Mög- lichkeiten es gibt, mit transgenen Pflanzen die Welter- nährung zu verbessern. Ich glaube, dass dies eine sehr gute Maßnahme des Vatikans ist, um Sachlichkeit in die Diskussion hineinzubringen und die Chancen dieser Züchtungsmethode aufzuzeigen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will hinzufügen: Diese Art der Diskussion gefällt mir um einiges besser als die ethischen Überlegungen, die ich von CSU-Politikern aus dem Bundesland Bayern hören muss, die sehr abstrakt Ethik einfordern. Stattdes- sen sollten sie fragen: Wie können wir den Menschen in der Dritten Welt, die an Hunger und Mangelernährung leiden, konkret helfen? Das scheint der Weg zu sein, den wir in Zukunft gehen müssen. (Beifall bei der FDP) Unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- lern, die im Vatikan vortragen werden, sind einige, die hier gut bekannt sind. Ich erinnere an Professor Beyer aus Freiburg und Professor Ingo Potrykus, die zusam- men das Golden-Rice-Konzept entwickelt haben. Ich hoffe sehr, dass sie es schaffen werden, dieses zur Um- setzung gelangen zu lassen. Auch Professor von Braun, ehemals Universität Bonn, jetzt Leiter des IFPRI, des In- ternational Food Policy Research Institute in Washing- ton, gehört zu den Wissenschaftlern, die dort vortragen werden. Von seinem Institut stammt die Studie, die be- sagt, dass der Anbau von Bt-Baumwolle in Indien dazu beigetragen hat, die Situation der Baumwollbauern zu verbessern, sodass tatsächlich und messbar festzustellen ist, dass inzwischen deutlich weniger Landwirte Selbsttötungen begehen als vor Beginn des Anbaus von Bt-Baumwolle. Vor diesem Hintergrund müssen wir sagen – ob sich die Menschen in Deutschland dafür begeistern oder nicht –: Gerade die armen Länder in der Dritten Welt brauchen die Grüne Gentechnik. Wir in Deutschland sollten uns für die Forschung in diesem Bereich engagieren. (Beifall bei der FDP) Professor Balling, Präsident des Verbandes Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland, hat das von Ministerin Aigner ausgesprochene Anbauverbot scharf kritisiert. Er sagte: Es handelt sich um eine rein politische Entschei- dung, die nichts mit wissenschaftlichen Erkenntnis- sen zu tun hat. Er hat dies auch ausgesprochen gut begründet: Er stellt fest, dass die sogenannten neuen Anhaltspunkte nichts als alte Erkenntnisse sind. Wir wissen seit Lan- gem, dass der Mais eine insektizide Wirkung hat. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Deswegen ist es ja gut, dass wir es endlich machen!) – Liebe Waltraud, kannst du nicht einmal den Mund hal- ten und zuhören, wenn jemand etwas sagt, das in der Diskussion tatsächlich weiterhilft? (Widerspruch bei der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Mein Gott! Nicht so empfindlich!) Ich glaube, wenn man so etwas dezidiert ablehnen möchte, ist es an der Zeit, sich intensiv damit zu be- schäftigen. Es gilt, was ein Kabarettist gesagt hat: 89 Prozent der Menschen in Deutschland haben sich nie mit Gentechnik beschäftigt, aber 104 Prozent sind dage- gen. Das muss uns doch aufmerken lassen. (Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Vielleicht sind die gar nicht so dumm!) – Danke; ihr habt es gemerkt. Man kann mit Fütterungsversuchen niemals die Wir- kung einer Pflanzensorte im Freiland nachweisen. Das sollte auch der Ministerin bekannt sein. Vor diesem Hin- tergrund hat Professor Balling sehr recht, wenn er darauf hinweist, dass Ministerin Aigner eine rein politische Entscheidung getroffen hat. (Beifall bei der FDP) Wenn wir uns aus der Forschung verabschieden, ver- abschieden wir uns auch von der Möglichkeit, selbst Er- kenntnisse zu gewinnen und selbst zu entscheiden, wie wir mit Grüner Gentechnik umgehen wollen. Wir haben schon jetzt gesehen: Unternehmen aus Deutschland en- gagieren sich finanziell in China, bauen dort For- schungsinstitute auf; Bayer hat sich aus Potsdam verab- schiedet und geht nach Gent in Belgien. All dies sind keine Maßnahmen, die in einer Wirtschaftskrise dazu an- getan sind, tatsächlich hier in Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Dann rechnen Sie mal die Ökobranche dage- gen, Frau Happach-Kasan!) – Ich weiß, die Grünen brauchen keine Arbeitsplätze; aber es gibt in diesem Land eine Menge Menschen, die ihr Geld mit eigener Arbeit verdienen wollen und nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sein wollen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24259 (A) (C) (B) (D) Dr. Christel Happach-Kasan Öffentliche Forschung kann nur dann private For- schung nach sich ziehen, wenn es eine echte Anwen- dungsperspektive gibt. Vor diesem Hintergrund kritisiere ich die Entscheidung von Frau Aigner und selbstver- ständlich den Antrag der Grünen. Ich will darauf hinweisen, dass drei Aussagen im An- trag der Grünen falsch sind. Es werden dort Behauptun- gen erhoben, die richtiggestellt werden müssen. Honig, der Bt-Mais-Pollen enthält, ist sehr wohl verkehrsfähig. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist nicht entschieden!) Das Augsburger Urteil ist nicht rechtskräftig. Es gibt aber viele rechtskräftige Urteile, nach denen dieser Ho- nig verkehrsfähig ist. Er ist in keiner Weise in seiner Qualität gemindert; das sollten wir den Imkerinnen und Imkern einmal deutlich sagen. Bt-Sorten sind keine kritischen Sorten, sondern haben erheblich dazu beigetragen – das Beispiel Indien habe ich genannt –, Leid in den Ländern der Dritten Welt und in Schwellenländern zu mindern; Stichwort: Ernäh- rungssicherheit. Somit sind die formulierten Feststellun- gen falsch, und die von Ihnen erhobenen Forderungen sind genauso falsch. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Immer diese alten Argumente! Die sind schon lange widerlegt!) – Das ist überhaupt nicht widerlegt. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Oh doch! Meine Güte, was erzählen Sie da nur, Frau Happach-Kasan?) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Ich komme zum Schluss. – Die an der Studienwoche teilnehmenden Wissenschaftler plädieren für eine Entbü- rokratisierung der Zulassungsverfahren. Ich halte dies für richtig. Ich möchte noch eines anmerken: Die Bundesregie- rung spricht sich immer für eine größtmögliche Transpa- renz der Zulassungsverfahren aus. Ich würde mich freuen, wenn ihre Institutionen genauso transparent han- deln würden. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Die Re- dezeit ist längst zu Ende!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin, ich muss Sie eindringlich mahnen, jetzt zum Ende zu kommen. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Mach endlich Feierabend!) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Ich bin bei meinem letzten Satz. – Ich finde es entsetz- lich, dass ein Institut, das für Transparenz plädiert – ich meine das Bundesamt für Naturschutz –, selbst keine Transparenz praktiziert und mir die Zusendung des Gut- achtens verweigert. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Frau Happach-Kasan kriegt mal wieder zwei Minu- ten mehr! Wie immer!) Das ist nicht in Ordnung. Danke schön. (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Rednerliste stehen noch drei Rednerinnen. Ich bitte Sie, die Laut- stärke so zu dämpfen, dass diejenigen, die den Rednerin- nen zuhören wollen, auch die Chance haben, sie zu hö- ren. Das Wort hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über das Thema MON 810 haben wir hier bereits ausführlich dis- kutiert, zuletzt in einer Aktuellen Stunde; der Kollege Röring hat das schon angesprochen. Deshalb fasse ich mich heute etwas kürzer. Ich denke, ich werde meine Re- dezeit nicht ausschöpfen müssen. Dass akuter Handlungsbedarf besteht, hat sich inzwi- schen erledigt. Im Koalitionsvertrag heißt es: Der Schutz von Mensch und Umwelt bleibt, ent- sprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des deutschen Gentechnikrechts. Vielleicht interessiert das ja auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU. Auf diesen Grundsatz ha- ben wir uns verpflichtet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mit dem Verbot des Anbaus von MON 810 hat Minis- terin Aigner am 14. April 2009 endlich der Koalitions- vereinbarung entsprochen. Bundesminister Gabriel hat im März 2009 gegen die Untersagung des in Österreich und Ungarn bereits seit längerem bestehenden Verbots des Anbaus von MON 810 gestimmt. Wir begrüßen die- ses Vorgehen ausdrücklich; denn das Verbot von MON 810 entspricht dem Vorsorgegrundsatz. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Die Firma Monsanto hat mit einem Eilantrag versucht zu erreichen, dass dieses Verbot aufgehoben wird. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat diesen Eilantrag abgewiesen. In der Begründung hoben die Richter her- vor – ich zitiere aus einer Pressemitteilung des Verwal- tungsgerichts Braunschweig –: 24260 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Elvira Drobinski-Weiß Nach vorläufiger Prüfung bestehe eine Gefahren- lage, wie sie das Gentechnikgesetz für ein solches Verbot verlange. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wo ist denn Frau Happach-Kasan? Jetzt sollte sie ei- gentlich genau zuhören!) Ich zitiere weiter aus dieser Presseerklärung (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Schon wieder? Muss das sein?) – ja, das muss sein; was wahr ist, muss formuliert wer- den, Frau Klöckner –: Es gebe zwar keine gesicherten Erkenntnisse da- rüber, dass der Genmais zu erhöhten Gefahren für die Umwelt führe. Neuere Untersuchungen könnten jedoch darauf hindeuten, (Peter Bleser [CDU/CSU]: Ja, „könnten“!) dass der im Genmais produzierte Giftstoff nicht nur gegen den Schädling wirke, der damit bekämpft werden solle, sondern auch gegen weitere Insekten. Außerdem sei nach aktuellen Studien davon auszu- gehen, dass sich die Genmais-Pollen deutlich wei- ter verbreiten können, als dies bisher angenommen wurde. So weit die Presseerklärung des Verwaltungsgerichts Braunschweig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in solchen Fällen muss der Vorsorgegrundsatz gelten und der Schutz von Mensch und Umwelt Vorrang haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben bereits seit langem das Verbot des kommerzi- ellen Anbaus von MON 810 gefordert; nun ist es endlich so weit. Wir haben aber auch gefordert, dass es einen klaren Kurs in Sachen Grüne Gentechnik geben muss. Einen solchen klaren Kurs kann ich bei unserem Koalitions- partner allerdings nicht erkennen. Mit MON 810 sind nicht alle Probleme vom Feld. Auch bei den demnächst auf der EU-Ebene zur Zulassung anstehenden Maiskon- strukten Bt 11 und Bt 1507 können negative Effekte auf Nichtzielorganismen nicht ausgeschlossen werden. Auch hier muss der Vorsorgegrundsatz gelten, muss die Zulas- sung abgelehnt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Wir brauchen Stringenz in Sachen Grüne Gentechnik; aber es ist bei dem Durcheinander bei unserem Koali- tionspartner nicht einfach, politisch etwas auf den Weg zu bringen. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist wohl wahr!) Die CSU positioniert sich in Bayern anders als in Berlin. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Hört! Hört! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die FDP auch!) Während in München ein Verbot der Grünen Gentechnik plötzlich ein Gebot der Ethik ist, wird in Berlin ihr Ein- satz unterstützt. Während die CSU in München Verbind- lichkeit für gentechnikfreie Regionen fordert, verweigert sie in Berlin unseren Anträgen zur Umsetzung dieser Forderung die Zustimmung. So kann man mit den Bür- gerinnen und Bürgern nicht umgehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Wir brauchen in Sachen Grüne Gentechnik einen kla- ren Kurs. Dieses Thema ist den Menschen zu wichtig, als dass sich Deutschland bei jeder Entscheidung auf EU-Ebene enthalten kann, weil sich CDU/CSU-geführte Ministerien nicht auf eine Linie einigen können. Die Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen die Grüne Gentechnik ab. Die Ergebnisse der Umfrage, die Emnid vor kurzem in Bayern zum Verbot des Anbaus von MON 810 durchgeführt hat, sind allen bekannt: 72 Prozent der bayerischen Bevölkerung und sogar 76 Prozent der CSU-Wähler (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Hört! Hört!) fordern, den Anbau von MON 810 zu verbieten. Sogar 59 Prozent der FDP-Wähler schließen sich dieser Forde- rung an. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Oh, oh! – Carl- Ludwig Thiele [FDP]: Woher kennen Sie denn die FDP-Wähler? Die SPD klont Haie und will die FDP kennen!) Zu einem klaren Kurs in Sachen Grüne Gentechnik gehört, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern keine gentechnisch veränderten Produkte aufgezwungen werden dürfen. Wir müssen gemeinsam auf EU-Ebene aktiv werden, damit die Kennzeichnungslücke bei den tierischen Produkten geschlossen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Auf nationaler Ebene müssen wir endlich die bereits ver- einbarte Informationskampagne zur „Ohne Gentechnik“- Kennzeichnung starten, zum Beispiel mit einem einheit- lichen Logo. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und zwar ganz schnell!) Gentechnikfreie Regionen brauchen Rechtssicherheit, brauchen Verbindlichkeit. Nach derzeitigem Recht kön- nen sie gefährdet werden, sobald sich einzelne Grund- stücksbesitzer dafür entscheiden, Parzellen mit gentech- nisch veränderten Pflanzen zu bestellen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24261 (A) (C) (B) (D) Elvira Drobinski-Weiß Wir haben Vorschläge zur Absicherung der gentech- nikfreien Regionen vorgelegt. Die CSU macht zwar Wahlkampf mit der Forderung nach Verbindlichkeit für gentechnikfreie Regionen, unsere Anträge dazu hat sie aber wie die CDU abgelehnt. Wie erklären Sie das den Menschen in Bayern eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU? Die Beschlussempfehlung, über die wir hier heute ab- stimmen, sieht die Ablehnung des Antrages der Grünen mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen“ vor. Wir stimmen dieser Beschlussemp- fehlung zu und lehnen den Antrag ab. Mit dem Verbot des Anbaus von MON 810 hat sich dieser Antrag näm- lich im Wesentlichen erledigt. Wir erwarten aber von Ministerin Aigner, dass sie nun, nach dem Verbot des Anbaus von MON 810, kon- sequent die Schritte einleitet, die zur Durchsetzung des Vorsorgeprinzips anstehen, sei es bei der Abstimmung über die Zulassung des Anbaus von Bt 11 oder Bt 1507, sei es bei der Abstimmung über eine Neuzulassung des Anbaus von MON 810, sei es beim Schutz der gentech- nikfreien Regionen. Trotz großer Sympathie für die Vorschläge der Grü- nen, wegen großer Sympathie für das Vorgehen von Frau Aigner in Sachen MON 810 stimme ich der Beschluss- empfehlung zu. Es ist mir aber ein Anliegen, hierzu ge- mäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundes- tages eine persönliche Erklärung abzugeben. Ich habe sie schriftlich eingereicht, und 60 Kolleginnen und Kol- legen haben sie mit mir unterzeichnet. Wir unterstützen die Aufforderung an Frau Aigner, sich weiterhin für den Schutz der Umwelt und des Menschen einzusetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Zu dem Entschluss, sich hier deutlich zu artikulieren und diese Möglichkeit der Geschäftsordnung zu nutzen, kann man der SPD nur gratulieren. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Durch das Verbot des kommerzi- ellen Anbaus des Genmais MON 810 wurde einiges er- reicht. Dieses Jahr sind die Risiken ungewollter Verbrei- tung von Pollen und Erntegut sowie die Risiken auf den hiesigen Äckern geringer. Forschungsversuche im Frei- land mit Mais, Kartoffeln und Gerste wurden allerdings erlaubt. Es gibt also keinen Grund zur Entwarnung. Laut der Statistik eines industrienahen Verbandes wurden im Jahr 2008 weltweit 125 Millionen Hektar mit transgenen Pflanzen bestellt. Was aber viele nicht wis- sen, ist, dass es sich dabei gerade einmal um vier Pflan- zenarten – Soja, Baumwolle, Mais und Raps – handelt. Es geht vor allen Dingen um zwei Eigenschaften, die ge- netisch verändert werden: die Unempfindlichkeit gegen Unkrautvernichtungsmittel und die Unempfindlichkeit gegen Schadinsekten. Allein das macht deutlich, dass es den Agrogentechnikkonzernen nicht um die Lösung von Menschheitsproblemen, sondern um die Eroberung eines lukrativen Marktes geht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Landwirtschaft soll an diesen Konzernen nicht mehr vorbeikommen. Deshalb befinden wir uns mitten in einem globalen Freilandversuch – Ausgang ungewiss. Die negativen Nachrichten mehren sich. Ernten und Le- bensmittel werden unkontrolliert und ungewollt konta- miniert und somit entwertet. Plötzlich bildet Mais keine Maiskolben mehr. Im Vergleich zu den Preisen für Sor- ten, für die gentechnikfreies Saatgut verfügbar ist, stei- gen manche Saatgutpreise deutlich. Die Umwelt wird nicht entlastet. Die biologische Vielfalt und die Kultur- pflanzenvielfalt nehmen ab. Der Saatgutmarkt wird mo- nopolisiert. Der Vormarsch von Monokulturen wird be- schleunigt. Regionale Sorten verschwinden. Die Esskultur wird internationalisiert. Ursprungszentren ur- alter Kulturpflanzen werden unwiederbringlich verunrei- nigt. Warum das alles? Monsanto und seine Unterstützer aus Wirtschaft und Politik haben einen Plan. Sie greifen nach Boden, nach dem Saatgutmarkt und nach den Landwirtschaftsbetrieben. Kurz: Sie wollen die Kon- trolle über unsere Lebensmittel und damit über einen zentralen Bestandteil unseres Lebens. Sie maximieren ihre Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit. Die Risiken trägt die Gesellschaft. (Beifall bei der LINKEN) Über das Patentrecht wird ein Grundrecht von Bäue- rinnen und Bauern zumindest eingeschränkt: der freie Austausch von Saatgut und die Verwendung eines Teils der Ernte für die Wiederaussaat. Dieses sogenannte Nachbaurecht ist aber die Grundlage der bäuerlichen Landwirtschaft, vor allen Dingen in sogenannten Ent- wicklungsländern. 75 Prozent des weltweit vorhandenen Saatguts befinden sich noch in den Händen der Bäuerin- nen und Bauern. Das ist ein riesiger Markt, den die mul- tinationalen Agrarkonzerne in ihre Hände bekommen wollen. Darum geht es bei der Agrogentechnik. Es geht nicht um die Lösung des Welthungerproblems oder die Heilung Tausender kranker Kinder in Indien. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Hunger ist nicht die Folge fehlender Nahrungsmittel- produktion, sondern die Folge ungerechter Verteilung und fehlender Zugänge zu Boden, Saatgut, Dünger und Wasser. Diese Probleme werden nicht durch Agrogen- technik gelöst, sondern verschärft. Bäuerinnen und Bau- ern dürfen zum Beispiel nicht mehr auf eigenes Saatgut zurückgreifen, wodurch eigene Kulturpflanzen verloren gehen. Sie müssen Lizenzgebühren bezahlen. Eigentlich müssen die Forderungen folgendermaßen aussehen: Ers- tens muss die Marktmacht von Saatgutkonzernen einge- 24262 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Dr. Kirsten Tackmann schränkt werden. Zweitens müssen die regionale Ernäh- rungssouveränität und das Recht auf Nahrung gesichert werden. Das bleibt das Ziel der Linken. (Beifall bei der LINKEN) Die Grünen fordern wenigstens erste Schritte, die wir unterstützen. Das Verbot von MON 810 ist erreicht. Die Genmaissorten Bt 11 und Bt 1507 dürfen nicht zugelas- sen werden. Die EU-Zulassungsverfahren für Genpflan- zen müssen die Vorsorge sichern. Risikoforschung muss unabhängig erfolgen und kritische Stimmen einbeziehen. Am Ende muss auf jeden Fall gelten: Wenn Genpflanzen nicht sicher sind, müssen sie sich vom Acker machen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Letzte Rednerin ist die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind jetzt nicht hier, weil wir kein Zu- hause haben, sondern deswegen, weil es im Rahmen ei- ner Abstimmung um die Glaubwürdigkeit dieses Parla- mentes, des Deutschen Bundestages, und eines großen Teils seiner Fraktionen geht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist nicht so, dass sich unser Antrag „Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen“ erledigt hat. Wir sind ungeheuer froh, dass es das Verbot von MON 810 gibt. Das ist das Verdienst der Umweltver- bände, der Verbraucher, der Imker, der Landwirte, der Grünen und all derjenigen, die sich dafür eingesetzt ha- ben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es geht aber natürlich nicht nur um eine Einzelfallent- scheidung, Herr Röring, sondern letztendlich darum, den Anbau von Genmais insgesamt zu stoppen, die Gefahren deutlich zu machen und Konsequenzen aus dem zu zie- hen, was das Bundesamt für Naturschutz und das BVL hierzu festgelegt haben. (Peter Bleser [CDU/CSU]: Die größte Gefahr sind die Grünen!) Darum muss es auch heißen: Es darf keine Verlängerung der EU-Zulassung geben. Frau Aigner und die Bundes- regierung müssen sich dagegen aussprechen. (Unruhe) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin Höfken, unterbrechen Sie Ihre Rede bitte einmal für eine kurze Zeit. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das tue ich. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Es ist unerträglich laut hier im Plenarsaal, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) und ich bin der Meinung, dass wir der Rednerin jetzt ge- meinsam zuhören sollten. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich glaube, das ist die Verlegenheit der CDU/CSU, die sie nicht anders verbergen kann. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Über einen sol- chen Unsinn kann ich nicht einmal lachen! Das ist so doof!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin Höfken, warten Sie bitte noch etwas, bevor Sie mit Ihrer Rede fortfahren. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht natürlich auch um das Verbot der weiteren noch in diesem Sommer zur Zulassung anstehenden Genmaissorten Bt 11 und Bt 1507, die zu allem Über- fluss auch noch resistent gegen das Herbizid Glufosinat sind, das wegen seiner extremen Giftigkeit nach der neuen EU-Pestizidverordnung vom Markt genommen werden muss. Diese Gefahren für Mensch und Umwelt müssen im zukünftigen Zulassungsverfahren endlich eine angemessene Berücksichtigung finden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich will auf eine aktuelle Meldung von heute zu spre- chen kommen, um das zu ergänzen, was meine Vorredne- rinnen und Vorredner gesagt haben. Ein großes Einfalls- tor der Agrogentechnik sind nämlich die importierten Gentechnikfuttermittel. Gerade heute lesen wir, dass Landwirte in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg auf verunreinigtem Saatgut sitzen bleiben. Klar ist: Hier sehen wir die Konsequenzen einer Technologie, die die Industrie nicht im Mindesten beherrscht und die im Üb- rigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU, einen unglaublichen volkswirtschaftlichen Scha- den verursacht. Wir alle hier müssen die Schäden der In- teressenpolitik der großen Agrarkonzerne tragen, die letztendlich zulasten unserer Umwelt, unserer Landwirt- schaft und auch unserer Verbraucher geht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Da es um Glaubwürdigkeit geht, will ich auf den Frei- setzungsversuch hinsichtlich der Genkartoffel Amflora zurückkommen, den die Ministerin Aigner leider erlaubt hat. Klar ist – das war auch heute Morgen Gegenstand der Diskussion im Ausschuss –, dass seit Dezember letz- ten Jahres eine solche Freisetzung rechtswidrig ist; denn es heißt in der EU-Freisetzungsrichtlinie, dass Gene, die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24263 (A) (C) (B) (D) Ulrike Höfken gegen therapeutisch relevante Antibiotika resistent ma- chen, nicht mehr als Marker verwendet werden dürfen. Ich kann mich wirklich nur wundern: Die EMEA, die Europäische Arzneimittel-Agentur, und die Weltgesund- heitsorganisation sagen, dass diese Marker eine Resistenz gegen Antibiotika bewirken, die therapeutisch relevant sein. Sie aber stellen fest: Die EU-Lebensmittelbehörde sagt, das sei anders, und deswegen könne man diese Kar- toffel zulassen. – Das ist meines Erachtens ein klarer Rechtsverstoß. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Eine solche riskante Freisetzung in der Nähe von Ros- tock in Mecklenburg-Vorpommern ist umso unverständ- licher, da wir mit der konventionell gezüchteten Kartof- fel Eliane der Firma AVEBE bereits ein Produkt haben, deren Potenzial das Potenzial der Genkartoffel für die Stärkeindustrie und übrigens auch hinsichtlich der nach- wachsenden Rohstoffe übertrifft. Heute muss die CSU endlich Farbe bekennen und aufhören, deutsche Meisterin im Positionsspagat zu sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) Im Bundestag erleben wir immer eine CSU, die der Agrogentechnik, Monsanto, BASF und Bayer huldigt wie einem neuen Gott. (Peter Bleser [CDU/CSU]: An die Arbeitsplätze denken die Grünen wohl gar nicht!) Wir hoffen nicht, dass das Wort „Monsanto“ irgendetwas mit dem Vatikan zu tun hat. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Allerdings steht auch Umweltministerin Conrad aus Rheinland-Pfalz – um noch eine kurze Anmerkung zu den Kollegen von der SPD zu machen – irgendwie auf der falschen Seite. Von den Linken in Rostock hört man ebenfalls wenig. Wir wollen die Menschen für Innovationen begeis- tern, Frau Happach-Kasan und Herr Röring. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin! Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jawohl. – Wir wollen die jungen Menschen für den Green New Deal begeistern. „Grün aus der Krise“, wie die Wirtschaftswoche schreibt. Das sagt übrigens auch Herr Keitel vom Bundesverband der Deutschen Indus- trie. Ganz falsch können wir nicht liegen. Wir wollen die bäuerliche Milchviehwirtschaft ohne Gentechnikfuttermittel erhalten. Ich hoffe, das wollen Sie alle mit uns. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verän- dertem Mais stoppen“. Zur Abstimmung über diese Be- schlussempfehlung liegen mir viele Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor.1) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 16/12841, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11919 abzu- lehnen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab- stimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2) Wir setzen die Be- ratungen fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Markus Löning, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Globalen Freihandel stärken – Protektionis- mus bekämpfen – Drucksache 16/10311 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Auswärtiger Ausschuss Finanzausschuss Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Erich Fritz, CDU/CSU, Rolf Hempelmann, SPD, Gudrun Kopp, FDP, Ulla Lötzer, Die Linke, und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen. Erich G. Fritz (CDU/CSU): Der Antrag der FDP, der zu diesem Tagesordnungs- punkt führte, stammt aus der Zeit zu Beginn der Finanz- krise und der Hochphase des US-amerikanischen Wahl- kampfes, als es viele Anzeichen gab, die berechtigte Befürchtungen laut werden ließen, es könne zu einer Spirale von Protektion kommen und die Fehler der 30er- Jahre könnten sich wiederholen. In der Zwischenzeit ist klar geworden, dass insbesondere in Europa eine Gleich- 1) Anlagen 40 bis 44 2) Ergebnis Seite 24278 C (A) (C) (B) (D) Erich G. Fritz setzung der Wirtschaftskrisen nicht möglich ist. In Europa bleiben die Märkte offen, stabile Sozialsysteme sichern die Stabilität von Gesellschaften ab, und die Staa- ten stützen die Wirtschaft und davon abhängige Arbeits- plätze. Seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben sich auch die internationalen Rahmenbedingun- gen völlig geändert und dafür gesorgt, dass die Märkte immer mehr miteinander verbunden wurden. Das macht gelegentlich schwierige Anpassungsprozesse nötig, hat aber auch den Vorteil, dass es zu einem abgestimmten Vorgehen in der Krise zwingt und jeden selbst schädigt, der versucht, eigene Vorteile mit den Nachteilen anderer zu erkaufen. Die Idee einer supranationalen Institution mit offenen Grenzen, einheitlichen Rahmenbedingungen, demokrati- schen und marktwirtschaftlichen Prinzipien wurde mit der Gründung der World Trade Organisation einen gro- ßen Schritt nach vorne gebracht. Die WTO steht für Frei- heit, klare Regeln und Offenheit im Warenverkehr. Auch wenn damit noch nicht die ideale Form weder des Welt- handels noch gar einer Global Governance gefunden ist, so ist doch ein stabiles, anerkanntes und vergleichsweise durchsetzungsfähiges internationales Instrument ent- standen, das auch den dauernden Erfindungsgeist von Protektionisten sehr begrenzt. Die Anziehungskraft auf Länder, die noch nicht Mitglied der WTO sind, zeigt im Übrigen, dass diese Ansicht weltweit verbreitet ist. Wie wichtig es ist, auf feste Institutionen zu vertrauen, erleben wir aktuell in der tiefsten Krise, der unser Land seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gegenübersteht. Die Finanzmärkte sind labil, und nie zuvor waren wir als Politiker derart gefordert, der Krise Herr zu werden. Noch nie waren auch die Erwartungen der Bürger an die Politik höher. Das lässt an vielen Stellen auch populisti- sche Verhaltensweisen entstehen, die vorgaukeln, der Staat könne mehr als das leisten, wozu er tatsächlich im- stande ist. Deshalb ist die Warnung vor protektionisti- schen Tendenzen durchaus berechtigt und Aufmerksam- keit geboten. Neben der WTO spielt hier auch die Europäische Union eine wichtige Rolle. Als Stimme von 27 Mitglied- staaten hat sie die Aufgabe, zur Bewältigung der globalen Finanzmarktkrise beizutragen. Die EU hat Handlungsfä- higkeit und -kompetenz bewiesen, indem sie schnell und richtig reagiert hat. Erste Maßnahmen wie zielgerichtete Konjunkturpakete wurden eingeleitet. Diese stabilisieren nicht nur die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedstaaten, sondern auch die Weltwirtschaft insgesamt. Sprach die Welthandelsorganisation in einer Presse- mitteilung vom 24. März 2009 noch von einem Einbruch des weltweiten Handels um 9 Prozent – „The collapse in global demand brought on by the biggest economic down- turn in decades will drive exports down by roughly 9 Pro- zent in 2009, the biggest such contraction since the Se- cond World War“ –, wurde jetzt aktuell in diesem Monat von der EU-Kommission die Hoffnung genährt, eine Ver- besserung der weltwirtschaftlichen Lage erwarten zu können. EU-Handelskommissarin Catherine Ashton sagte in einem Interview mit der Financial Times Zu Protokoll Deutschland: „… wir fangen an, einen Aufschwung zu se- hen“. Ich freue mich über diese erfreulichen Nachrichten aus Brüssel. Sie sind Bestätigung dafür, dass die in dem FDP- Antrag befürchtete Protektionismuswelle ausgeblieben ist und Länder Vertrauen in den globalen Freihandel ha- ben. Sie haben aus Angst vor dem Bankrott ihrer eigenen Unternehmen eben nicht ihre Märkte abgeschottet. Wer das tut, schneidet die eigenen Unternehmen durch Ge- genreaktionen eben auf Dauer auch von ihren Auslands- märkten ab. Es scheint angekommen zu sein, dass nur mit offenen Märkten auch wieder ein Aufschwung gelingen kann. Dies gilt es weiter zu kommunizieren! Die Bundes- regierung übernimmt hierbei bereits eine Vorbildfunktion und muss dies auch weiterhin tun. Gemäß der Aufforderung von Generaldirektor Pascal Lamy – „In London G 20 leaders will have a unique op- portunity to unite in moving from pledges to action and refrain from any further protectionist measure which will render global recovery efforts less effective“ – hat sich die Bundesregierung beim Gipfel der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer am 2. April 2009 in sinnvoller und wirkungsvoller Weise als Kämpfer gegen den Protektionismus präsentiert. Dem Entschluss der G-20-Staaten, den internationalen Handel mit einer Summe von 250 Milliarden US-Dollar zu unter- stützen, ist größte Bedeutung beizumessen. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion wird die Bundesregierung da- rin unterstützen, dass das Geld an der richtigen Stelle bei den Unternehmen ankommt. Wir sind zuversichtlich, dass sich dadurch die Lage verbessern wird. Auch die Kritik der FDP-Fraktion in Bezug auf die Än- derung des Außenwirtschaftsgesetzes ist nicht berechtigt. Das Außenwirtschaftsrecht bietet auch weiterhin kein Einfallstor für Protektionismus. Alleine im Jahr 2007 hat unsere exportorientierte Volkswirtschaft weltweit Direkt- investitionen von 167 Milliarden Euro getätigt. Gleich- zeitig gehört Deutschland zu den beliebtesten Investi- tionsstandorten der Welt. Ausländische Direktinvestitio- nen sind in Deutschland sehr willkommen. Wir wünschen uns von der Bundesregierung, dass sie auch weiterhin po- sitive Anreize für Auslandsinvestitionen setzt. Das von der FDP kritisierte Gesetz ist eine reine Vorsichtsmaß- nahme für extreme Ausnahmefälle, wie die meisten Län- der der Welt sie vorhalten. Die EU als größte Handelsmacht der Welt mit einem Bruttoinlandsprodukt von mehr als 12 Billionen Euro im Jahr 2008 übertraf selbst die USA mit 20 Prozent. Wie groß der Nutzen der Globalisierung und des freien Han- dels innerhalb der EU und über ihre Grenzen hinaus ist, belegen folgende Zahlen des Statistischen Bundesamtes: 64 Prozent der deutschen Warenexporte gingen im Jahr 2008 an das europäische Ausland. Rund 12 Prozent ent- fielen auf Asien, während circa 10 Prozent der Warenex- porte für den amerikanischen Markt bestimmt waren. Auch bei den Importen Deutschlands ist festzustellen, dass sie zu einem großen Teil auf Europa entfielen – 72 Prozent –, gefolgt von Asien – 16 Prozent – und Amerika – 9 Prozent –. Dieser rege internationale Waren- verkehr trägt für ein gutes Wirtschaftswachstum und zur 24264 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Erich G. Fritz Beschäftigungssicherung bei. Die deutsche Wirtschaft ist 2007 um 2,5 Prozent gewachsen, im Boomjahr 2006 so- gar um 3 Prozent. Und sowohl in Deutschland als auch Europa ist die Arbeitslosenquote im Jahr 2008 im Ver- gleich zum Vorjahr gesunken, zum Beispiel von 8,4 auf 7,3 Prozent in der Bundesrepublik. Es ist also deutlich zu sehen, dass offene Märkte der Garant für Wohlstand und Beschäftigung sind. Um an die positiven Effekte der Globalisierung zu er- innern, müssen wir in der Union uns dafür einsetzen, dass folgende Maßnahmen ergriffen werden: Allen protektio- nistischen Maßnahmen, die einige Nationalstaaten gegen die Rezession zum „Schutz“ ihrer heimischen Wirtschaft anstreben, ist entgegenzuwirken. Ich warne eindringlich davor, Abschottung auch nur in Erwägung zu ziehen. Laut Weltbank sind die Dumpingklagen – die sich gegen den Vorwurf richten, dass ein Unternehmen seine Waren auf den Weltmarkt billiger anbietet als auf dem Heimatmarkt – im zweiten Halbjahr 2008 um 17 Prozent gestiegen. Dies wird den Welthandel nicht zum Erliegen bringen, aber es gilt, diesen beunruhigenden Trend in die Schranken zu weisen. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Anträge in der EU zurückgegangen sind. Wir Christdemokraten werben auch dort, wo es Be- fürchtungen vieler Bürger im Zusammenhang mit dem freien Handel gibt und in der verantwortungslose Wirt- schaftsführer die Marktwirtschaft in Verruf gebracht ha- ben, für offene Märkte, weil wir in besonderer Weise mit unseren Arbeitsplätzen davon abhängig sind. Gerade in der aktuellen Krise steigen die Ängste der Menschen und das Misstrauen gegenüber der Marktwirtschaft. Umfra- gen zeigen, dass lediglich 20 Prozent der Deutschen glau- ben, dass die Bundesrepublik zu den Gewinnern der Glo- balisierung zählt. Es gilt, diesen Prozentsatz zu erhöhen und den Versuch zu wagen, Ängste in Vertrauen und Iden- tifikation zu wandeln. Deshalb ist das Ziel einer weltwei- ten sozialen Marktwirtschaft auch mit einem neuen Auf- bruch zu einer internationalen Ordnung verbunden, die den Menschen sowohl in den Industrie- wie den Entwick- lungsländern Sicherheit, steigenden Wohlstand und Zu- kunftschancen verspricht. Protektionismus würde diese Ziele verfehlen und allen schaden. Es besteht die Chance, gestärkt aus der Krise hervor- zugehen. Die EU ist dabei, über wichtige bilaterale Frei- handelsabkommen mit wichtigen Partnern zu verhan- deln. Der Verhandlungsstart des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada ist ein wichtiges Zeichen für den freien Welthandel. Laut Informationen des Han- delsblatts ergab eine Studie, dass der Abbau von Zöllen und anderen Hemmnissen aufseiten der EU den Handel mit Kanada um jährlich 11,6 Milliarden Euro steigern würde. Auch der Zugewinn Kanadas wäre mit 8,2 Mil- liarden Euro beträchtlich. Die CDU/CSU-Bundestags- fraktion begrüßt diese transatlantische Partnerschaft mit Kanada ausdrücklich und setzt sich dafür ein, dass von der Einigung Signalwirkungen für weitere bilaterale Ab- kommen insbesondere mit den ASEAN-Staaten, Indien und Südkorea ausgehen. In diesem Zusammenhang begrüßt die CDU/CSU- Bundestagsfraktion auch das Engagement des Bundes- Zu Protokoll wirtschaftsministers bei der Gründung der Deutsch-Emi- ratischen Industrie- und Handelskammer. Zu Guttenberg ist ebenfalls der Meinung, dass der freie Welthandel die richtige Antwort auf die Krise sei. Und das ist gut so. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, an der Aufstel- lung von globalen Regeln mitzuarbeiten und dort origi- näre deutsche und europäische Interessen einzubringen, damit am Ende weltweit faire Spielregeln für alle Betei- ligten gelten. Vor allem in der WTO gilt es, klare Impulse für den freien Warenverkehr zu geben. Dazu gehören For- derungen nach verbindlichen Zollsenkungsverpflichtun- gen sowie der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse. Eine Wiederbelebung der Doha-Runde zur Liberalisie- rung des Welthandels ist ein wichtiger Schritt in die rich- tige Richtung. Es ist sehr zu begrüßen, dass sich die Bun- desregierung für einen ausgewogenen und ehrgeizigen Abschluss einsetzt und das Bekenntnis zu einem zügigen Abschluss erneut von den G 20 in ihrer Erklärung vom 2. April bekräftigt wurde. Ein kurzes Schlusswort: Deutschland und Europa ha- ben protektionistischen Tendenzen eine klare Absage er- teilt. Obama hat sich von den im Wahlkampf noch ange- deuteten protektionistischen Gedanken verabschiedet. Handel ist Teil der Lösung der Krise. Wir sind gefordert, die dahinter stehenden Zusammenhänge zu erklären, da- mit den Menschen Ängste genommen werden und Zuver- sicht entsteht. Wichtig ist vor allem, Klarheit über Ziele und den Mehrwert offener Märkte zu kommunizieren. Wir Unionspolitiker versichern, dass wir uns der Verantwor- tung stellen und Deutschlands offene und soziale Markt- wirtschaft gegen Protektionismus verteidigen. Rolf Hempelmann (SPD): In einem Punkt stimme ich überein mit der FDP-Frak- tion: Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, die festgefahrenen WTO-Verhandlungen wieder ins Laufen zu bringen und die Doha-Runde zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Immerhin gibt die neue US-Ad- ministration Anlass zur Hoffnung, dass wir in einem er- neuten Anlauf zum Ende dieses Jahres zu einem für alle Seiten tragbaren Kompromiss kommen können. Es ist ja in der Tat so, dass der globale Freihandel grundsätzlich positive Wirkungen auf die allgemeine Wohlfahrt hat. Ganz so unkritisch, wie es die Opposition in dem uns heute vorliegenden Antrag tut, würde ich das allerdings nicht kommentieren. In dem Antrag der FDP lässt sich die Welt auf eine einfache Gleichung reduzie- ren. Die würde in etwa lauten: Unbeschränkte Handels- freiheit gleich maximaler Wohlstand. Es ist ja richtig: Wir brauchen offene Märkte. Freier Handel ist eine wesent- liche Voraussetzung für wirtschaftlichen Wohlstand, so- ziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung. Dabei allein auf den Markt zu setzen, ist jedoch nicht nur ris- kant, sondern auch kurzsichtig. Sie blenden dabei die un- gleiche Einkommensverteilung völlig aus und erwähnen mit keinem Wort, dass der Wohlstand auch bei allen an- kommen muss. Arbeitnehmer in Entwicklungsländern profitieren immer noch viel zu wenig von den Erträgen des Welthandels. Gleichzeitig müssen sich die Sozialsys- teme westlicher Industrienationen zunehmend in einem Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24265 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Rolf Hempelmann globalen Kostenwettbewerb behaupten. Sozialabbau ist jedoch ganz klar der falsche Weg, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Die SPD-Fraktion setzt auf eine faire Liberalisierung des Welthandels unter gleichen Wettbewerbsbedingungen mit den anderen Mitgliedstaaten, auf Wettbewerb, der nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird. Es würde allen Seiten nützen, stärker auf die Durch- setzung von Sozial- und Arbeitsstandards weltweit zu setzen. Die SPD-Fraktion unterstützt bekanntlich die Ver- ankerung von globalen ökologischen und sozialen Min- deststandards im Regelwerk der WTO. Denn wir müssen dafür Sorge tragen, dass der durch Freihandel generierte Wohlstand auch in aller Breite bei der Gesellschaft an- kommt. Es ist bedauerlich, dass die Doha-Runde zum Ende des Jahres 2008 ins Stocken geraten ist, konnten doch gute Fortschritte in den Bereichen Agrarsubventionen und In- dustriezölle erzielt werden, die nun weltweit durch neue protektionistische Tendenzen in Reaktion auf die Wirt- schaftskrise wieder infrage gestellt werden. Der Beschluss der EU-Kommission zu Anfang dieses Jahres, der es Exporteuren der EU ermöglicht, subven- tionierte Butter und Magermilchpulver auf den Weltmarkt zu bringen, stellt nicht nur die jahrelangen Verhandlun- gen auf WTO-Ebene infrage – schon reagieren erste Schwellenländer wie Russland mit Strafzöllen auf die europäische Initiative –, sondern bedroht auch in unver- tretbarem Maße die Lebensgrundlage der ländlichen Be- völkerung in den ärmsten Regionen der Welt. Als stark exportorientiertes Land ist Deutschland auf faire Spielregeln auf den Weltmärkten angewiesen. Diese Tatsache gewinnt mit Blick auf die noch nicht ausgestan- dene Finanz- und Wirtschaftskrise an Brisanz. Die SPD- Fraktion erwartet mit Bezug auf die Milchexportsub- ventionen von der CSU-Landwirtschaftsministerin eine Rückkehr zu vereinbarten Freihandelsgrundsätzen. In diesem Punkt stimmen wir mit der FDP-Fraktion überein. Wir müssen an dem Ziel, europäische Exportsubventio- nen bis 2013 auslaufen zu lassen, festhalten. Eine weitere Folgewirkung der stagnierenden multi- lateralen Verhandlungen ist die zunehmende Renationa- lisierung und Regionalisierung der Handelspolitiken. Zwar ist das insofern nachvollziehbar, als gerade auf re- gionaler Ebene die Integration deutlich tiefer gehen kann als auf multilateraler Ebene. Gleichzeitig entfalten diese bilateralen oder auf regionale Bündnisse beschränkten Abkommen potenziell immer auch eine Ausschlusswir- kung gegenüber Dritten. Es ist richtig und wichtig, dass die EU und auch Deutschland auf bilateralem Wege Fort- schritte erzielen, die derzeit auf multilateraler Ebene nicht zu verwirklichen sind. Gleichzeitig muss jedoch ge- sagt sein, dass dies immer nur der zweitbeste Weg gegen- über multilateral erzielten Vereinbarungen sein kann. Es muss klar sein, dass bilaterale oder regionale Abkommen immer auch dem globalen Freihandel dienen und den Weg zu einer multilateralen Lösung offenhalten müssen. Kurz und gut, es ist unnötig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, darauf hinzuweisen, dass wir Zu Protokoll vorankommen müssen mit den Doha-Verhandlungen. Es erscheint mir gewissermaßen typisch, so kurz vor Ende der Legislaturperiode darauf hinzuweisen. Sie scheinen mit Ihrem Antrag den Eindruck vermitteln zu wollen, dass die Regierungskoalition und auch die Bundesregierung auf diesem Gebiet geschlafen hätten. Das Gegenteil aber ist der Fall. Wir dringen seit Monaten darauf, die Doha- Verhandlungen fortzuführen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Darüber hinaus ist Ihr Antrag in Teilen veraltet. Ihnen ist hoffentlich nicht entgangen, dass die von Ihnen gefor- derte Zurücknahme des Gesetzentwurfs zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes von der Realität überholt wor- den ist. Schließlich ist die Novelle im vergangenen Monat bereits in Kraft getreten. Ich möchte noch einmal be- tonen, dass es sich in diesem Fall nicht, wie von der Op- position unterstellt, um einen Versuch handelt, ein protek- tionistisches Instrumentarium zu schaffen. Wir haben ein bereits existierendes Prüfrecht für Investitionen – im Be- reich von Kriegswaffen und bestimmten Rüstungsgütern – auf für die öffentliche Ordnung kritische Infrastrukturen ausgeweitet. Gemeint sind zum Beispiel Netzinfrastruktu- ren im Bereich der Telekommunikation, Elektrizität oder Transport. Sollte das Beteiligungs- oder Übernahme- begehren eines Großinvestors aus dem Ausland ein Grundinteresse unserer Gesellschaft, wie die Energiever- sorgungssicherheit, berühren, so bleibt die Bundesregie- rung mit dem vorliegenden Prüfrecht künftig handlungs- fähig – nicht mehr, aber auch nicht weniger. In der Anwendung wird sich die Bundesregierung da- bei an die engen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und der EuGH-Rechtsprechung halten müssen. Für Alarmis- mus in Richtung eines neu entstehenden Protektionismus besteht somit an dieser Stelle kein Anlass. Schlussendlich möchte ich noch einmal betonen, dass die SPD für eine soziale und eine ökologisch nachhaltige Marktwirtschaft einsteht. Der Markt allein kann unsere Probleme nicht lösen. Zunächst sollten alle am generier- ten Wohlstand teilhaben können. Freihandel ja, aber nur mit sozialen, ökologischen und arbeitsrechtlichen Fort- schritten. Gudrun Kopp (FDP): „Einseitige handelsbeschränkende bzw. protektionisti- sche Handelsmaßnahmen sind der falsche Weg zur Über- windung der Finanzkrise“ – so die Bundesregierung am 10. Februar im Kurzbericht zum Sachstand „Buy Ameri- can“-Klausel. Die Bundesregierung und namentlich Bundeskanzlerin Merkel selbst haben sich in den letzten Monaten mehrfach und bei verschiedenen Gelegenheiten für offene Märkte und Freihandel ausgesprochen. Im Ge- gensatz zu diesen Bekenntnissen sorgt die Bundesregie- rung dafür, dass sich Deutschland mehr und mehr zum Hort des Protektionismus entwickelt. Dabei wäre es ge- rade jetzt in der wirtschaftlich schwierigen Situation wichtig, national und international engagiert für den Ab- bau von Handelsbeschränkungen zu kämpfen, um damit auch die exportorientierte deutsche Wirtschaft zu unter- stützen. 24266 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Gudrun Kopp Letztes Beispiel der zunehmenden Abschottung des deutschen Marktes ist das Gesetz zur Änderung des Au- ßenwirtschaftsgesetzes, das Anfang des Jahres von der schwarz-roten Koalition verabschiedet wurde. Mit den beschlossenen Änderungen kann das Bundeswirt- schaftsministerium nun jede größere Beteiligung – ab 25 Prozent – eines ausländischen Investors an einem ge- bietsansässigen Unternehmen unter bestimmten Voraus- setzungen einer Überprüfung unterziehen. Sieht das Bun- deswirtschaftsministerium das schwammige Kriterium einer Gefährdung der „öffentlichen Ordnung oder Si- cherheit“ Deutschlands erfüllt, kann es die Rückabwick- lung oder Untersagung von Beteiligungsinvestition ver- ordnen. Eine solche Handelsbarriere ist völlig inakzeptabel. Wir Liberalen fordern die Rücknahme dieser Änderun- gen. Sie sind gefährlich und kontraproduktiv, insbeson- dere vor dem Hintergrund, dass ausländische Investo- ren in Deutschland einen Investitionsbestand von circa 390 Milliarden Euro haben und damit etwa 2 Millionen Arbeitsplätze in unserem Land sichern. Ausländische In- vestitionen sind essenziell für Deutschland. Das konnte man zuletzt eindrucksvoll erleben, als führende Politiker der Koalitionsparteien händeringend nach ausländi- schen Investoren für die Opel GmbH suchten. Berechtigte Schutzinteressen Deutschlands bei möglichen Firmen- übernahmen bzw. -beteiligungen sind durch das beste- hende Kartell- und Wettbewerbsrecht ausreichend abge- sichert. Wir brauchen offene Märkte. Auch 2008 war die wirt- schaftliche Entwicklung Deutschlands von einer Intensi- vierung der Handelsbeziehungen geprägt. Deutschland führte in dem Jahr Waren im Wert von 994,9 Milliarden Euro aus – im Gegensatz zu Einfuhren im Wert von 818,6 Milliarden Euro. Damit stiegen die Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahr um 3,1 Prozent. Es ist also nicht nur logisch, sondern zwingend erforderlich, dass sich eine verantwortungsbewusste Handelspolitik auf den Ab- bau internationaler Handelsbarrieren konzentriert. Noch immer ist der Abschluss der Doha-Runde nicht absehbar. Selbst die in den Verhandlungen bereits er- reichten Kompromisse können bis zu einer endgültigen Einigung nicht umgesetzt werden. Angesichts der heraus- ragenden Bedeutung des freien Welthandels und einer multilateralen Welthandelsordnung für Deutschland und seine Wirtschaft muss die Bundesregierung nun auf allen Ebenen in die Offensive gehen, um einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zu erreichen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden der beschleu- nigte Globalisierungsprozess und der sich ausweitende Weltgüterhandel begleitet und unterstützt von politischen Maßnahmen, die insbesondere in der Weiterentwicklung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, GATT, zur Welthandelsorganisation, WTO, ihren Ausdruck fan- den. Das Ergebnis war eine einzigartige Erfolgsge- schichte, im Zuge derer die Zölle der Industrieländer zum Beispiel im verarbeitenden Sektor im Rahmen von acht multilateralen Zollsenkungsrunden von zweistelligen Ni- veaus auf im Durchschnitt 3 bis 4 Prozent sanken, wäh- rend der weltweite Handel sich in 50 Jahren vervierzehn- Zu Protokoll fachte. Diese Erfolgsgeschichte kam insbesondere den Entwicklungs- und Schwellenländern und damit der Ar- mutsbekämpfung zugute. Diese Erfolge werden durch die aktuellen Entwicklun- gen gefährdet. Durch die weltweite Wirtschaftskrise ver- stärken sich international die Tendenzen, Handelsbarrie- ren zu errichten. Dies ist insbesondere im Bereich der nichttarifären Handelshemmnisse, wie zum Beispiel bei Produktstandards, beim Missbrauch von Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen sowie diskriminieren- den Maßnahmen bei der Zollabwicklung, zu beobachten. Gleichzeitig hat die Zahl der bilateralen Handelsabkom- men massiv zugenommen. Alle Mitglieder der WTO sind inzwischen an einem oder sogar mehreren PTAs – Prefe- rential Trade Agreement – beteiligt. Diese PTAs nutzen den Partnern zwar oft, führen in der Regel aber zur Dis- kriminierung von Drittländern und wirken damit handels- umlenkend. Die Folge sind weltweit steigende Handels- und Transaktionskosten, welche die Entwicklungsländer am stärksten treffen. Deutschland muss sich auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass eine vollständige Öffnung des euro- päischen Marktes für alle Anbieter erreicht werden kann. Einfuhrzölle und -quoten müssen – wenn nötig, auch ein- seitig und unkonditioniert – abgebaut werden. Die Markt- zugangsdatenbank, MADB, der EU-Kommission sollte zu einem wirksamen Instrument der Erfassung von globalen Handelshemmnissen ausgebaut werden. Jedwede Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse sind in etwa genauso sinnvoll wie das Errichten einer Mauer um das eigene Land. Protektionismus nutzt immer nur einigen wenigen auf Kosten der Allgemeinheit. Aus der Sicht von Nordamerikanern und Europäern ist des- halb letztlich fast jedes Abkommen besser als gar keines. Langfristig schaden tarifäre wie nichttarifäre Handels- hemmnisse nur den Verbrauchern im eigenen Land. Deutschland sollte sich deshalb dafür einsetzen, mit die- ser Politik ein für alle Mal zu brechen, und zwar zur Not auch einseitig und unkonditioniert. International würde ein solcher Schritt auch alle anderen Industrie-, Entwick- lungs- und Schwellenländer massiv unter Druck setzen, ihrerseits auf Zölle und andere Handelshemmnisse zu verzichten. Das jahrelange Warten darauf, dass andere endlich tun, was ohnehin gut für sie ist, muss ein Ende ha- ben. Deutschland als sogenanntem Exportweltmeister stünde es gut zu Gesicht, würde es – durchaus auch im ei- genen Interesse – sich dafür einsetzen, dass es Europa ist, das diesen ersten entscheidenden Schritt geht, der es an- deren ermöglicht, ihre wahren Interessen zu verfolgen. Ulla Lötzer (DIE LINKE): In 200 Jahren nichts gelernt – so kann man den Antrag der FDP kurz zusammenfassen. „Freihandel schafft Wohlstand“ – da haben Sie sogar Recht, meine Damen und Herren von der FPD. Die Frage ist nur: Wohlstand für wen? Wohlstand für einige wenige globale Player und Armut für viele. Armut für viele Menschen in den Ent- wicklungsländern, deren regionale Märkte zerstört wurden, die für Hungerlöhne unter unmenschlichen Be- dingungen schuften müssen und deren Rohstoffe die In- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24267 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Ulla Lötzer (Die Linke) dustrie im Norden füttern müssen, ob verarbeitende Industrie oder Agrarindustrie. Aber auch Armut in den Industrieländern. Denn die Kehrseite der Exportorien- tierung, der „Wettbewerbsfähigkeit im globalisierten Weltmarkt“, heißt Reallohnsenkungen, Herausbildung eines Niedriglohnsektors und eine krasse Umverteilung von unten nach oben. Heute noch die Freihandelsideologie hochzuhalten heißt, die Realitäten nicht sehen zu wollen. Das fängt bei der WTO an. Die WTO-Verhandlungen sind längst am Ende. Sie sind einerseits gescheitert, weil sich die Kräf- teverhältnisse in der Welt verschoben haben. Die Schwel- lenländer und stärkeren Entwicklungsländer sind nicht mehr bereit, sich einseitig den Interessen der Industrie- nationen zu unterwerfen. Andererseits sind sie geschei- tert, weil sich in Zeiten der Krise zeigt, dass gerade die Wirtschaftsnationen, die aggressiv versucht haben, die Märkte der Welt für ihre Interessen zu öffnen, sofort zu Abschottungsmechanismen greifen, sobald sie sich davon einen größeren Nutzen versprechen. Es ist an der Zeit, dieses Scheitern auch offiziell einzugestehen und nicht noch mehr Geld für sinnlose Verhandlungen aus dem Fenster zu werfen. Gerade die Deregulierung und Liberalisierung der Güter- und Finanzmärkte haben uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind: in die tiefste Weltwirtschafts- und Welt- finanzkrise seit 1929. Die deutsche Wirtschaft ist extrem auf die Exportmärkte ausgerichtet. Was von Wirtschaft und Regierung als „Exportweltmeisterschaft“ bejubelt und gefördert wird, bedeutet gleichzeitig eine extreme Abhängigkeit von der Nachfrage aus dem Ausland. Bricht diese weg, wie seit Oktober 2008 der Fall, bricht auch die Produktion im Inland drastisch ein. Die fehlende Nach- frage aus dem Ausland kann im Inland nicht aufgefangen werden. Wer sollte das auch tun, wenn seit vielen Jahren Binnennachfrage, ob privat oder staatlich, systematisch zerstört wird. Der Weg, der an den Abgrund geführt hat, sollte nicht blind weiter beschritten werden. Sonst kommt ein tiefer Fall. Anstatt weiter das Freihandelscredo zu singen, muss die Binnennachfrage aufgebaut und gestärkt werden. Anstatt weiter auf Dumpinglöhne zu setzen, muss ein ge- setzlicher Mindestlohn von mindesten 8,71 Euro wie in unserem französischen Nachbarland eingeführt werden. Anstatt den Staat weiter zu marginalisieren und Steuer- senkungen zu fordern, muss die staatliche Nachfrage ge- stärkt werden. Nur wenn die Binnenkonjunktur mit höhe- ren Löhnen, höheren Sozialleistungen und öffentlichen Investitionen belebt wird, kann die Volkswirtschaft ihre inzwischen gefährlich einseitige Abhängigkeit vom Ex- port mildern. Anstatt den Markt „frei walten zu lassen“ und damit unterzugehen, ist es notwendig, den politischen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen zurückzugewinnen. Es ist ein legitimes Interesse, aus industriepolitischen, sozial- politischen oder ökologischen Gründen den Handel und Direktinvestitionen zu regulieren. Schließlich müssen Politik und Wirtschaft den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Mit ihrer Freihandelsideologie, Kolleginnen und Kollegen der FDP, sind Sie ein Relikt aus dem letzten Zu Protokoll Jahrhundert. Wir brauchen eine Stärkung der staatlichen Regulierung und staatlichen Mitsprache im Wirtschafts- geschehen. Soziale, ökologische und Menschenrechts- interessen müssen Vorrang vor privaten Profitinteressen erlangen. Und eine starke Wirtschaftsdemokratie muss dafür sorgen, dass die Kolleginnen und Kollegen und die Gesellschaft über die Zukunft der ökonomischen Ent- wicklung mitbestimmen können. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Die FDP hat wieder einmal ein Antrag eingebracht, der in seiner Radikalität kaum zu überbieten ist. Im Grunde genommen will die FDP jegliche Handelsbe- schränkungen abschaffen und fordert einen blinden, schnellen und unkontrollierten Abbau aller Handelsbar- rieren in der Europäischen Union, um die Europäische Union als „Vorzeigefreihändler“ im internationalen Handel zu positionieren. Dem können wir so nicht zustim- men. Mit dem Slogan „Freihandel schafft Wohlstand“, den die FDP bemüht, hat sie zwar in vielen Fällen recht, doch trifft dies ganz bestimmt nicht in jedem Fall zu. Das hat sich in der ökonomischen Debatte und der Praxis gezeigt. Mittlerweile hat sich auch in der wirtschaftswissenschaft- lichen Literatur die Erkenntnis durchgesetzt, dass Frei- handel in manchen Fällen auch negativ für die Beteilig- ten sein kann. Dass solche Einschränkungen der reinen Lehre des freien Marktes, wie sie von der FDP immer wieder vertreten wird, die FDP wenig beeindruckt, er- staunt allerdings wenig. In der Praxis ist offensichtlich, dass bedingungsloser Freihandel, insbesondere in Ent- wicklungs- und Schwellenländern, auch soziale Verwer- fungen hervorrufen kann und nicht, wie die FDP behaup- tet, immer armutsbekämpfend wirkt. Die segensreichen Wirkungen des Freihandels sind auch in Bezug auf Umwelt- und Klimaaspekte fraglich. Hier bietet die Handelspolitik zahlreiche Instrumente, um ökologische Leitplanken zu definieren, Einfluss auf Wa- renströme zu nehmen und Produktionsweisen zu beein- flussen. Das ist ein weiterer Grund, weswegen wir dem bedingungslosen Freihandel skeptisch gegenüberstehen und eine Weiterentwicklung der handelspolitischen In- strumente fordern. Deswegen brauchen wir soziale und ökologische Kriterien im Welthandel. Und insbesondere arme Länder müssen sich in Einzelfällen auch gegen den Freihandel schützen können. Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ein in die- ser Weise regulierter und mit sozial-ökologischen Leit- planken versehener Freihandel wirkt sich positiv für alle aus. Wir würden es deshalb auch begrüßen, wenn die Doha-Runde in diesem Sinne zügig abgeschlossen würde. Protektionistischen Einschränkungen des Welthandels stehen wir kritisch gegenüber, und so enthält der Antrag der FDP durchaus Forderungen, die aus unserer Sicht in die richtige Richtung gehen. So lehnen wir zum Beispiel ebenfalls die bereits in Kraft getretene dreizehnte Ände- rung des Außenwirtschaftsgesetzes ab, mit der die Bun- desregierung ein nicht spezifiziertes oder auf bestimmte Branchen begrenztes Prüf- und Untersagungsrecht bei 24268 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 gegebene Reden Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24269 (A) (C) (B) (D) Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn ausländischen Beteiligungen an deutschen Unternehmen eingeführt hat. Dieses Gesetz nützt nichts und ist eher schädlich. Es macht einfach keinen Sinn, dass die Bun- desregierung jegliche Beteiligungen von EU-Ausländern an deutschen Unternehmen, an denen mehr als 25 Pro- zent der Anteile erworben werden, prüfen möchte. Wir sind der Meinung, dass wir unter anderem durch Instru- mente des Wettbewerbsrechts Missbrauch verhindern können. Eine Diskriminierung ausländischer Beteiligun- gen von Investoren, die außerhalb der Europäischen Union ansässig sind, lehnen wir genauso wie die FDP ab. Auch wir fordern die Bundesregierung auf, dieses Gesetz zurückzunehmen. Also Förderung des freien Welthandels und Abbau von Schranken ja, aber eine Ideologisierung des Freihandels ohne soziale und ökologische Regeln nein. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/10311 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Hans- Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN Neue Kohlekraftwerke verhindern – Geneh- migungsrecht verschärfen – Drucksachen 16/10617, 16/12916 – Berichterstattung: Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz) Marco Bülow Horst Meierhofer Eva Bulling-Schröter Bärbel Höhn Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Andreas Jung, CDU/CSU, Gerd Bollmann, SPD, Horst Meierhofer, FDP, Hans-Kurt Hill, Die Linke, und Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen. Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU): Wir beraten den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Neue Kohlekraftwerke verhindern – Genehmi- gungsrecht verschärfen“. Gleich zu Beginn will ich sa- gen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt diesen An- trag ab, weil wir der Überzeugung sind, dass wir mit dem Emissionshandel ein wirksames Instrument zur Reduzie- rung des CO2-Ausstoßes aus Kohlekraftwerken haben. Zudem stellen die bestehenden Regelungen beim Geneh- migungsrecht bereits heute hohe Anforderungen. Die Entwicklung des Emissionshandels hat gezeigt, dass durch ihn der Ausstoß von Treibhausgasen durch Kohlekraftwerke massiv gesenkt werden kann. Dies zeigt der NAP II, den wir im Jahr 2006 beschlossen haben. Mit diesem ist es gelungen, den Ausstoß von CO2 der Kohlekraftwerke um 43 Millionen Tonnen CO2 jährlich auf 456 Millionen Tonnen zu reduzieren. Dies entspricht einer Reduktion von 8,7 Prozent. Gemessen am Anlagen- bestand des NAP I erfolgte mit dem NAP II sogar eine Re- duktion um 57 Millionen Tonnen und damit eine Minde- rung von 11,5 Prozent. Zudem wurde mit dem NAP II erstmals das Instrument der Versteigerung eingeführt. Seitdem werden die Zertifi- kate nicht mehr – wie noch in der ersten Emissionshan- delsperiode – umsonst an die Kraftwerksbetreiber abge- geben. 10 Prozent – und damit das zu diesem Zeitpunkt höchste zulässige Volumen – der Zertifikate müssen von den Konzernen ersteigert werden. Damit wurde noch mehr Druck für Klimaschutz und CO2-Reduzierung er- zeugt. Dieser Weg wird konsequent fortgesetzt mit den auf eu- ropäischer Ebene beschlossenen Regelungen. So wurden zur Umsetzung der ehrgeizigen Ziele Reduktion der kli- maschädlichen Emissionen bis 2020 um 20 Prozent und Erhöhung der Energieeffizienz bis 2020 um ebenfalls 20 Prozent ebenso ehrgeizige wie konkrete Maßnahmen im Bereich des Emissionshandels beschlossen. Ein Durchbruch war dabei die Einigung auf eine hundertpro- zentige Versteigerung der Zertifikate im Bereich der Koh- lekraftwerke. Dadurch wird nicht nur der Druck für noch mehr Klimaschutz, für drastische Reduzierung der Emis- sionen der Kohlekraftwerke in Deutschland massiv ver- stärkt; wir erreichen dies in der ganzen Europäischen Union. Dies belegt, dass der Emissionshandel ein schar- fes Schwert für Klimaschutz und gegen CO2-Emissionen ist. Unser gemeinsames Ziel sollte sein, den Weg der mas- siven Reduzierung von Treibhausgasen mit unseren euro- päischen Partnern weiter zu gehen. Dies gelingt durch immer ehrgeizigere Ziele im Rahmen des europäischen Emissionshandels. Diesen europäischen Emissionshandel wollen wir dann verbinden mit heute schon bestehenden Emissionshandelssystemen. Wir werden ihn weiterentwi- ckeln zu einem effizienten internationalen Emissionshan- del. Dadurch kommen wir unserem Ziel, einem global wirksamen Klimaschutzregime, einen ganz entscheiden- den Schritt näher. Wir müssen also das bestehende Instrument weiterent- wickeln. Einen nationalen Sonderweg, wie er in dem An- trag der Grünen vorgeschlagen wird, lehnen wir demge- genüber ab. Gerd Bollmann (SPD): In dem Antrag „Neue Kohlekraftwerke verhindern“ wird die Forderung gestellt, die Wirkungsgrade gesetz- lich auf mindestens 58 Prozent festzusetzen, obwohl klar ist, dass eine Festlegung von Mindestwirkungsgraden überhaupt nicht möglich ist. Es gibt nun einmal eine EU- Richtlinie, die einen Mindestwirkungsgrad ausschließt. Nach Art. 9 Abs. 3 der IVU-Richtlinie der EU-Richtlinie (A) (C) (B) (D) Gerd Bollmann 2008/1/EG vom 15. Januar 2008 über die integrierte Ver- meidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, kodifizierte Fassung, dürfen für Kohlekraftwerke, die der Emissionshandelsrichtlinie der EU unterfallen, grund- sätzlich keine Emissionsgrenzwerte für direkte CO2- Emissionen und somit auch keine Wirkungsgradgrenzen festgelegt werden. Daran lässt sich nicht rütteln. Reden wir also über die Absicht der Antragsteller. Sie fordern einen gesetzlichen Mindestwirkungsgrad. Grund- sätzlich ist es richtig, die Wirkungsgrade zu erhöhen. Das wollen wir auch. Sie wollen aber in Wirklichkeit nicht effizientere Kohlekraftwerke, sondern durch die Vorgabe von Wirkungsgraden über Umwege generell einen Neu- bauverbot von Kohlekraftwerken durchsetzen. Dies schreiben Sie ja dann in Ihrer Begründung: Bis zur Ein- führung von CCS „muss aber ein Moratorium für neue Kohlekraftwerke durchgesetzt werden“. Was denn nun? Höhere Wirkungsgrade oder ein Verbot von zukünftigen Kohlekraftwerken? Zu einem Moratorium kann ich nur sagen: Wir brau- chen kein Neubauverbot. Die erforderliche Beschrän- kung hinsichtlich des CO2-Ausstoßes von Kohlekraftwer- ken erfolgt durch den Emissionshandel. Der Vorrang des Emissionshandels vor dem Ordnungsrecht macht im Falle von CO2 Sinn, weil Kohlendioxid bei der gesamten weltweiten Verbrennung von fossilen Energieträgern frei- gesetzt wird und sich in der Atmosphäre anreichert. Durch die Festlegung einer Gesamtbegrenzung, die nicht überschritten werden darf – Cap –, ist der Spielraum für neue Kraftwerke begrenzt. Und dieser Spielraum wird nicht größer, sondern kleiner. Das volle Wasserglas wird immer leerer. Der Emissionshandel und die Begrenzung sind der vernünftige Weg, die erforderlichen Emissionsminderun- gen sicher zu erreichen, und das auf wirtschaftlichem Wege. Zusätzliches Ordnungsrecht würde den eigentli- chen Wirkungsmechanismus des Emissionshandels stö- ren und zu zusätzlichem bürokratischen Aufwand führen. Daher schließt die IVU-Richtlinie die Einführung von CO2-Grenzwerten aus. Auch wenn der Emissionshandel nicht das Allheilmittel zur Rettung des Weltklimas ist, er bleibt das zentrale Instrument zur Senkung der Kohlendi- oxidemissionen in der Stromerzeugung. Eines ist klar: Wir brauchen eine Erneuerung des Kraftwerkparks. Es wird keiner bezweifeln, dass es hier einen erheblichen Erneuerungsbedarf gibt. Es sind noch viel zu viele alte Kohlekraftwerke am Netz, die bei weitem nicht den Wirkungsgrad erzielen, der heute technisch möglich wäre. Das ist absolut ineffizient. Je früher wir diese Kraftwerke abschalten, umso besser. Bei der Erneue- rung des Kraftwerksbestandes müssen wir aber dafür Sorge tragen, dass unsere Klimaziele nicht gefährdet werden. Das heißt, wir müssen zu einer Struktur kommen, die den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht behin- dert. Erneuerbare und fossile Kraftwerke müssen mit- einander in der Struktur vereinbar sein. Wenn uns die Emissionshandelsrichtlinie zum Beispiel ermächtigt, neue Kraftwerke mit 15 Prozent zu fördern, dann sollten wir diesen Rahmen ausnutzen, das heißt, wir müssen sehen, dass diese mögliche Förderung den hocheffizien- Zu Protokoll ten Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung zugute- kommt. Wenn wir an dieser Stelle über den Bau bzw. Nichtbau von Kohlekraftwerken diskutieren, so muss hier noch ein- mal klar gesagt werden: Dass wir keine Befürworter ei- nes Neubauverbots von Kohlekraftwerken sind, heißt nicht, dass wir irgendwelche faulen Kompromisse einge- hen. An unseren Zielen beim Klimaschutz, beim Ausbau der erneuerbaren Energien und bei der Effizienz werden wir nicht rütteln. CCS wird in Deutschland nur mit den höchsten Standards verwirklicht werden. Dazu gehört un- ter anderem die Frage der Sicherheit der Speicher, aber auch die Frage des Kostenrisikos. Eine Verlagerung des Kostenrisikos auf die Steuerzahler darf es nicht geben. Diejenigen, die planen, in nächster Zeit ein Kohlekraft- werk in Auftrag zu geben, müssen wissen, dass sie das wirtschaftliche Risiko tragen, natürlich auch für den Fall, dass sich CCS als unwirtschaftlich herausstellt. Dafür haben wir ja den Emissionshandel. Noch eine Bemerkung zum Neubauverbot: Wer he- rausposaunt, dass in Zukunft keine Kohlekraftwerke mehr gebaut werden sollen, der sorgt dafür, dass bei der Atom- lobby die Sektkorken knallen. Solche Ankündigungen sind Futter für deren Stromlückendiskussionen. Für die Atom- energiebefürworter wird es deutlich einfacher, der Öf- fentlichkeit eine bedrohliche Stromlücke vorzugaukeln, wenn sie behaupten können, die anderen wollen nicht nur den Atomausstieg, sondern auch noch den Ausstieg aus der Kohle, die derzeit ja immer noch deutlich über 40 Prozent der Stromerzeugung ausmacht. Es sollte keiner unterschätzen, wie leicht Ängste beim Thema Ver- sorgungssicherheit ausgelöst werden. So viel steht fest: Schlägt das Pendel beim Thema Atomenergie um und werden die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert oder werden sogar Neubauten ins Auge gefasst, werden wir auch Probleme beim weiteren Ausbau der erneuerba- ren Energien bekommen. Nicht umsonst haben EDF und Eon bei einer Anhö- rung der britischen Regierung betont, dass ein hoher An- teil von erneuerbaren Energien und Atomkraftwerke nicht miteinander vereinbar sind. Abschließend möchte ich noch eines feststellen. In ei- nem haben Sie recht: Spätere Generationen werden eine Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Ener- gien haben. Beim Weg dahin unterscheiden wir uns. Wir halten einen Ausstieg aus der Kohleverstromung für un- realistisch. Horst Meierhofer (FDP): Das Ziel, CO2-Emissionen zu senken, haben wir alle gemeinsam. Das ist unbestritten. Doch bekanntlich füh- ren viele Wege nach Rom; manche sind stolprig und stei- nig, andere hingegen lassen sich mit Leichtigkeit erlau- fen. So ist das auch mit dem Antrag der Grünen: Um CO2 einzusparen, möchten die Grünen durch Tricks im Geneh- migungsrecht neue Kohlekraftwerke verhindern. Das ist ein stolpriger Weg, um ans Ziel zu kommen. Zukünftig werden wir Kohlekraft brauchen, damit wir die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten 24270 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Horst Meierhofer können. Als verantwortungsvolle Partei können wir uns nicht der Illusion hingeben, dass wir trotz einem Ausstieg aus der Atomkraft und einem faktischen Ausstieg aus der Kohlekraft diese aufrechterhalten können. So schön es wäre: Leider ist und bleibt die Vorstellung, dass wir in den nächsten paar Jahren eine hundertprozentige Strom- versorgung durch erneuerbare Energien erreichen kön- nen, eine Illusion. Ohne die Kohleverstromung wird es auf absehbare Zeit nicht gehen, nicht in Deutschland und weltweit schon gar nicht. Denn im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern ist Kohle nach wie vor in riesigen Mengen vorhanden. Und die Energiegewinnung aus Kohle ist vergleichsweise günstig – in Deutschland und weltweit. Bis wir so weit sind, nur noch regenerative Energien für die Energiegewinnung einsetzen zu können, bis dahin brauchen wir Kohlekraft als Bestandteil eines breiten En- ergiemixes. Übrigens würden wir dem Klima mit dem Bau von neuen Kohlekraftwerken einen Gefallen tun: Jedes neue Kohlekraftwerk erzeugt weniger Emissionen als ein bestehendes und wird in der Lage sein, CCS nachzurüs- ten. Ein leichterer Weg hingegen ist, dem Emissionshan- del zu vertrauen und dadurch den CO2 – Ausstoß deutlich zu verringern. Dieser Weg hat sich in der Vergangenheit bewährt, und er wird noch effektiver, wenn erst alle Zer- tifikate ersteigert werden. Festlegungen von Wirkungs- graden, wie Sie es fordern, widersprechen dem Emis- sionshandel und führen ihn ad absurdum. Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Thema CCS sagen. Wenn ich mich recht erinnere, waren es die Grü- nen, die vergangene Woche im Plenum massiv gegen die Technologie CCS gewettert haben und darauf hinwiesen, dass diese Technologie nie zum Einsatz kommen werde. Dann frage ich mich, warum Sie in Ihrem Antrag so scheinheilig sind und sagen, Kohlekraft könne es wieder geben, wenn CCS verfügbar sei. Sagen sie es doch gleich: Wir wollen keine Kohlekraft, egal wie effizient sie werden könnte oder wie viele Arbeitsplätze daran hängen. Tech- nologieoffenheit kann man Ihnen wahrlich nicht vorwer- fen. Die FDP hält das für falsch. CCS ist weder ein troja- nisches Pferd der Kohleindustrie noch wird uns diese Technologie in eine energiepolitische Sackgasse führen; davon bin ich fest überzeugt. Und auch die Ansicht der Deutschen Umwelthilfe, Deutschland setze mit CCS be- dingungslos auf eine Technologie, deren Machbarkeit noch nicht geklärt sei, teile ich nicht. Kein Zweifel, noch gibt es bei CCS eine Reihe offener Fragen. Aber die Chancen, die CCS bietet – nämlich den CO2-Ausstoß der Kohlekraftwerke um bis zu 85 Prozent zu senken –, nicht weiter zu prüfen und zu erforschen, sondern aus ideolo- gischen Gründen von vornherein darauf zu verzichten, ist aus Sicht der FDP sowohl klima- als auch energiepoli- tisch fahrlässig. Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): „Bis 2050 müssen die Industrieländer ihren Treib- hausgasausstoß um mindestens 80 Prozent senken.“ „Eine vollständige Strombedarfsdeckung mit erneuerba- ren Energien ist möglich.“ Und: „Die aktuellen Neubau- Zu Protokoll pläne für konventionelle Kohlekraftwerke … sind nicht mit den Klimaschutzzielen für 2050 vereinbar.“ Das sagt nicht irgendwer, sondern der Sachverständigenrat für Umweltfragen. Dieses wissenschaftliche Beratungsgre- mium der Bundesregierung hat auch die Aufgabe, „Fehl- entwicklungen und Möglichkeiten zu deren Vermeidung oder Beseitigung aufzuzeigen“. Einzig Bundesumweltmi- nister Gabriel hört nicht auf seine eigenen Berater. Ge- rade er hätte aber die Möglichkeit, dem Zubau klima- schädlicher Megakraftwerke einen Riegel vorzuschieben. Ein Hauptproblem ist: Das Bundes-Immissionsschutz- gesetz, nach deren Rechtsvorschriften ein Kohlekraft- werk genehmigt wird, erfasst die Klimagase überhaupt nicht. Auch Anforderungen, moderne Techniken einzuset- zen, die bei einem beantragten Kraftwerk zu geringeren Belastungen für Mensch und Umwelt führen, kommen zu kurz. Wer die Lösung dieses Problems nicht angeht und gleichzeitig ein CO2-Minderungsziel von 40 Prozent an- kündigt, macht den Leuten in Sachen Klimaschutz etwas vor. Darauf weisen nun die Grünen mit ihrem Antrag hin. Allerdings verfehlt die leider sehr allgemein formulierte Vorlage ihr Ziel. Mit der bloßen Festlegung auf elektri- sche Mindestwirkungsgrade für geplante Kraftwerke kommen wir nicht weit. Die Linke schlägt hier eine deut- lich konkretere Vorgehensweise vor: Erstens. Klimagase, allen voran CO2, müssen als gesundheitsschädlich und umweltgefährlich anerkannt werden, wie es unlängst die amerikanische Umweltbehörde EPA durchgesetzt hat. Zweitens. Die Klimagaswirkung von beantragten Kraftwerksanlagen im Genehmigungsverfahren ist gleichberechtigt zu den Luftschadstoffen zu prüfen und zu bewerten. Drittens. Emissionsobergrenzen sind nach der besten verfügbaren Technik sowie einer Pflicht zur Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung festzulegen. Das erfüllen derzeit bei fossilen Brennstoffen Gaskraftwerke. Hierbei sind im Übrigen auch die Luftschadstoffbelastungen deutlich ge- ringer. Viertens. Auch muss es eine Nachweispflicht für An- tragsteller geben, dass das gleiche Ziel, nämlich die Er- zeugung einer bestimmten Menge Strom und Wärme, nicht auch durch weniger belastende Technologien er- reicht werden kann. Fünftens. Für bestehende, also alte Kondensations- kraftwerke sollte dann ein elektrischer Mindestwirkungs- grad eingeführt werden, der bis zum Jahr 2050 linear an- steigt. Im Klartext bedeuten solche Regeln eine Ausrichtung auf effiziente und erneuerbare Energietechniken und ein Abschied vom fossilen Energiezeitalter. Eines muss an dieser Stelle auch klargestellt werden: Das Heraufbe- schwören einer Stromlücke oder einer angeblich steigen- den Abhängigkeit von russischem Erdgas ist blanker Un- sinn. So etwas verbreiten nur die Kettenhunde der Energiekonzerne. Tatsache ist: Erstens. Bereits in zehn Jahren kann der Anteil erneuerbarer Energien am Strom- verbrauch auf fast die Hälfte steigen, vorausgesetzt, die Bundesregierung knickt nicht vor der fossilen Energie- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24271 gegebene Reden 24272 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Hans-Kurt Hill lobby ein. Zweitens. Auf Grundlage der Meseberger Be- schlüsse, den KfW-Programmen und der bestehenden Förderung erneuerbarer Energien können im Gebäude- bereich große Mengen Heizerdgas eingespart werden. Das reicht, um damit ohne einen Mehrbedarf an Erdgas bis 2030 hocheffiziente Gaskraftwerke mit einer elektri- schen Leistung von über 12 000 Megawatt aufzubauen. Das ist gegenüber heute ein Zuwachs um ein Drittel. Da- bei ist ein Zubau von Fernwärme noch gar nicht berück- sichtigt, der zu einer weiteren Senkung des Erdgasver- brauchs führt. Insgesamt sinkt also der Gasverbrauch bei deutlich höherer Stromgewinnung. Setzen wir also gemeinsam auf eine kluge und klima- freundliche Energienutzung! Das sichert eine stabile Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen und schafft Hunderttausende neuer Arbeitsplätze. Machen Sie mit, Herr Umweltminister! Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Rechtsvorschriften, nach denen in Deutschland Kohlekraftwerke geplant und genehmigt werden, sind dringend reformbedürftig. Auf Klimaschutz und Energie- effizienz nimmt das geltende Genehmigungsrecht keine Rücksicht. Die Einhaltung der Grenzwerte des Bundes- Immissionsschutzgesetzes reicht in der Regel aus, um ei- nen Anspruch auf den Bau des Kraftwerks zu begründen. Der CO2-Ausstoß oder der Wirkungsgrad des Kraftwerks spielt bei der Genehmigungsentscheidung dagegen keine Rolle. So haben die zuständigen Behörden kaum eine ju- ristische Handhabe, den Bau ineffizienter und extrem kli- maschädlicher Kraftwerke zu verhindern. Investoren können unter Androhung von Milliardenklagen die Ge- nehmigung von Klimakillern auch gegen den Willen der zuständigen Behörden erzwingen. Das muss sich ändern, wenn Deutschland seine internationalen Klimaschutzver- pflichtungen erfüllen und eine katastrophale Erderwär- mung um mehr als 2 Grad verhindern will. Klimaschutz und Energieeffizienz müssen endlich zu wichtigen Faktoren bei der Kraftwerksgenehmigung wer- den. Dies kann im deutschen Recht kurzfristig am besten durch die Einführung von Mindestwirkungsgraden für neue Kraftwerke geschehen. Ohne eine entsprechende Regelung werden die deutschen Klimaschutzziele von mindestens 40 Prozent CO2-Einsparung bis 2020 und mindestens 80 Prozent CO2-Einsparung bis 2050 nicht zu erreichen sein. Denn mit CO2-Emissionen von 750 bzw. 950 Gramm pro Kilowattstunde stoßen auch die neuesten Braun- und Steinkohlekraftwerke zwei- bis dreimal soviel schädliche Klimagase aus wie moderne Gaskraftwerke. Außerdem lassen sie mit elektrischen Wirkungsgraden von 43 Prozent bis 46 Prozent mehr als die Hälfte der er- zeugten Energie ungenutzt verpuffen. Der geplante Neubau von mehr als 20 Kohlekraftwer- ken würde diese klimaschädliche und ineffiziente Strom- versorgung für 50 Jahre und mehr zementieren. Zusam- men würden die geplanten Kohlekraftwerke 2050 in etwa soviel CO2 emittieren, wie ganz Deutschland bei Zu- grundlegung des 80-Prozent-Einsparziels noch aussto- ßen darf. Für die übrige Energieerzeugung, die Industrie, den Verkehr, die Landwirtschaft und die Haushalte blie- ben dann keine Emissionsrechte mehr übrig – ein völlig unrealistisches Szenario, bei dem am Ende der Klima- schutz auf der Strecke bleiben würde. Deshalb ist die Kohlefrage der Lackmustest für die Ernsthaftigkeit der deutschen Klimapolitik. Klimaschutz versprechen, aber neue Kohlekraftwerke zulassen ist keine glaubwürdige Politik. Aber die Bundesregierung geht ja noch einen Schritt weiter: Sie haben im Dezember im Europäischen Rat durchgesetzt, dass die Mitgliedstaa- ten neue Subventionen für Kohlekraftwerke verteilen dür- fen. Bis zu 15 Prozent der Investitionssumme sollen die Energiekonzerne für ihre geplanten Kohlekraftwerke be- kommen können. Das ist kein Klimaschutz, das ist aktive Klimaschädigung auf Kosten der Steuerzahler. Das lässt sich auch nicht unter Hinweis auf den euro- päischen Emissionshandel schönreden, wie es Umwelt- minister Gabriel immer wieder versucht. Es ist richtig, dass der Emissionshandel eine Obergrenze für die Treib- hausgasemissionen setzt. Diese Obergrenze ist aber das Ergebnis eines politischen Prozesses, und sie ist nur bis 2020 festgelegt. Das heißt, wir werden in einigen Jahren hier im Bundestag darüber diskutieren, wie die Emis- sionsobergrenze für die Zeit nach 2020 aussehen wird. Und dann macht es einen gewaltigen Unterschied, welche Fak- ten geschaffen und wie viele neue Kohlekraftwerke bis da- hin in Betrieb sind. Der Bau neuer Kohlekraftwerke heute verhindert so ehrgeizigere Klimaschutzziele in der nächs- ten Handelsperiode. Deshalb kann ich sie im Interesse des Klimaschutzes nur auffordern: Unterstützen sie uns bei der Verhinde- rung neuer Kohlekraftwerke, verzichten sie auf Subven- tionen für Klimakiller, und sorgen sie mit uns für ein neues Genehmigungsrecht, das Klimaschutz und Ener- gieeffizienz den Stellenwert einräumt, den sie verdienen! Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12916, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/10617 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Linken an- genommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans- Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP Presse- und Medienvielfalt sichern – Wettbe- werb stärken, Werbung entbürokratisieren – Drucksache 16/12472 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24273 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Philipp Mißfelder, CDU/CSU, Dorothee Bär, CDU/CSU, Monika Griefahn, SPD, Hans-Joachim Otto, FDP, Dr. Lothar Bisky, Die Linke, und Grietje Staffelt, Bündnis 90/Die Grünen. Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Die Verantwortung der Medien, Informationen zu sammeln, aufzubereiten und weiterzugeben und damit Zuschauern, Zuhörern oder Lesern zuverlässig Nach- richten und Fakten zu vermitteln, ist angesichts einer im- mer komplexer werdenden Gesellschaft und wachsender globaler Vernetzung heute größer denn je. Diese Verant- wortung der Medien wird aber im Spannungsfeld einer sich rasant wandelnden Mediennutzung wahrgenommen. Durch das Internet und durch die digitalen Medien ist der ständige und ungehinderte Zugriff auf aktuelle Informa- tionen heute Realität und Grundvoraussetzung unseres Handelns geworden. Dennoch bleibt es gerade wegen der Schnelligkeit der Informationsverbreitung und der stei- genden Komplexität der Themen Hauptaufgabe für Me- dien und der Journalisten, für eine unabhängige, unvor- eingenommene und vertrauenswürdige Berichterstattung zu sorgen. Dieser Auftrag der Medien ist in Deutschland beson- ders klar umrissen. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung sind in Art. 5 des Grundgesetzes geschützt. Die Gewährleistung der Presse- und Medien- freiheit ist daher eine Staatsaufgabe, die wir sehr ernst nehmen. Unser Ziel ist deshalb eine neue Medienord- nung, die der Bedeutung der Medien als Kultur- und Wirt- schaftsgut gerecht wird. Eine neue Medienordnung soll auch in Zukunft Meinungsvielfalt, Qualität und wirt- schaftliches Wachstum auf allen Märkten garantieren. Dabei bekennen wir uns ausdrücklich zum dualen System in Deutschland. Das Markenzeichen des öffentlich-recht- lichen Rundfunks muss dabei die Qualität sein. Aber auch der private Rundfunk hat eine gesellschaftliche Verant- wortung und darf auf Qualität in seinem Programm nicht verzichten. Deshalb müssen zukünftig Rahmenbedingun- gen geschaffen werden, die den privaten Anbietern von Rundfunk und Fernsehen neue Geschäftsmodelle unab- hängig von der Entwicklung des Werbemarktes ermögli- chen. Ob dies über den Weg einer Grundverschlüsselung oder über andere, programmbegleitende Maßnahmen ge- schieht, wird sich in Zukunft zeigen und muss im Grunde auch der Markt entscheiden. Auf eines müssen wir jedoch in unserer Medienpolitik achten: dass unsere im europäischen und internationalen Vergleich einzigartige Rundfunklandschaft erhalten bleibt. Und dazu gehört, dass wir weitere Werbebeschränkungen und Werbeverbote auf nationaler und europäischer Ebene grundsätzlich gründlich prüfen sollten. Aktionismus, der regelmäßig auf sehr bedauerliche Vorfälle, beispiels- weise durch den Missbrauch von Alkohol durch Jugend- liche, folgt, halten wir nicht für sachgerecht. Wenn infolge dieser Vorfälle stets die Forderung nach Werbebeschrän- kungen erfolgt, müssen sich alle Beteiligten darüber im Klaren sein, dass mit derartigen Maßnahmen massiv in die Finanzierungsmöglichkeiten privater Anbieter von Presse- und Mediendiensten eingegriffen wird. Hier ist es die Aufgabe der Politik, eine genaue Abwä- gung zwischen der Medienvielfalt in unserem Land und den berechtigten Schutzanliegen nicht zuletzt von Kin- dern und Jugendlichen vorzunehmen. Diese Abwägung sollten sich alle Verantwortlichen nicht leicht machen. Und hier ist es unsere Auffassung, dass besonders Eltern der Verantwortung gegenüber ihren Kindern wieder mehr gerecht werden müssen. Dies erscheint uns als das bes- sere Mittel, anstatt auf jedes auftauchende gesellschaftli- che Phänomen immer sofort mit der Forderung nach neuen Verboten zu reagieren. Denn eines ist gerade angesichts der aktuellen Wirt- schafts- und Finanzkrise nicht mehr zu übersehen: Bereits heute führt das signifikante Schrumpfen des Wer- bemarktes für die nicht wenigen Presse- und Medien- dienste zu einer existenzgefährdenden Krise. Viele Ver- lage oder private Sendeanstalten kämpfen mit einem Einbruch der Werbebuchungen. Redaktionen werden ver- kleinert, Dienste eingestellt, der Umfang von Zeitungen nimmt ab. Und genau deshalb hat das unionsgeführte Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Zuge der Ressortabstimmung auch fachliche und wirt- schaftspolitische Argumente zum „Nationalen Aktions- plan Alkohol und Tabak“ vorgetragen, der unter anderem ein weitreichendes Werbeverbot vorsah. Das Bundeska- binett wird sich entgegen der ursprünglichen Intention der Drogenbeauftragten nun nicht mehr mit dem Aktions- plan befassen; denn bei einem Verbot für alkoholhaltige Markenangebote würden alle Medien mit einem jährli- chen Einnahmeausfall von etwa 560 Millionen Euro rech- nen müssen. So wichtig die Alkoholprävention selbstverständlich ist, so ernst müssen wir auch die Medienvielfalt in Deutschland nehmen. Werbebeschränkungen stellen un- weigerlich einen Eingriff in die wirtschaftliche Grund- lage von Medienunternehmen dar und können angesichts eines ohnehin aufgrund der Wirtschaftsentwicklung zu- rückgehenden Werbemarktes zu einem weiteren Verlust an Meinungs- und Pressevielfalt führen. Dessen sind wir uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion bewusst. Und hier haben wir auch gehandelt. Deshalb betrachten wir den Antrag der FDP auch als erledigt und lehnen ihn ab. Dorothee Bär (CDU/CSU): Die Vielfalt ist ein besonderes Merkmal der deutschen Medienlandschaft. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, diese Vielfalt zu schützen, zu pflegen und zu erweitern. Das deutsche duale Mediensystem aus öffentlich-rechtli- chen und privaten Sendern gilt bei vielen Experten als Garant für eines der besten Programmangebote in Eu- ropa. Es garantiert Medienvielfalt und Wettbewerb. CSU und CDU bekennen sich gemeinsam zu der Aufgabe, die deutsche Medienlandschaft zu erhalten und zu schützen und stellen sich dieser Herausforderung in vollem Um- fang. Liebe Kollegen der FDP-Fraktion, um gleich auf den Titel Ihres Antrages – „Presse- und Medienvielfalt si- chern“ – einzugehen: Als Vertreterin der Koalition kann (A) (C) (B) (D) Dorothee Bär ich Ihnen aus voller Überzeugung versichern: Die Presse- und Medienvielfalt in diesem Land ist nicht ge- fährdet. Sie stellen in Ihrem Antrag fest, dass Werbung eine Hauptform der Medienfinanzierung darstellt und so- mit zur Presse- und Medienvielfalt in Deutschland bei- trägt. Ihrer ersten Feststellung kann ich noch zustimmen. Die zweite erscheint mir jedoch allein dazu zu dienen, Ihre Antragsforderungen zu stützen. Die Medienvielfalt in Deutschland wird nämlich in erster Linie nicht durch die Werbewirtschaft, sondern den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in all seinen Facetten sichergestellt. Die priva- ten Fernsehanbieter haben die Wachstums- und Beschäf- tigungsentwicklung in der deutschen Medienwirtschaft angefacht und ergänzen das Angebot. Wenn ich mir zudem ihre Forderung ansehe, dass sich die Bundesregierung bei den Bundesländern dafür einset- zen soll, die durch die EU maximal mögliche Liberalisie- rung von Werbemöglichkeiten bei privaten Medienange- boten durchzusetzen, muss ich Ihnen mitteilen, dass sich Bund und Länder einig sind, diese Liberalisierung nicht auszuschöpfen. Des Weiteren frage ich Sie, warum Sie Forderungen an die Bundesregierung stellen möchten, die eindeutig in die Kompetenz der Länder fallen? Liebe Kollegen der FDP, Sie wollen den Wettbewerb stärken. Sicherlich ist das prinzipiell keine verkehrte Marschroute. Trotzdem bleibe ich dabei, dass eine voll- kommene Liberalisierung des Werbemarktes nicht ziel- führend ist. Es geht nicht, dass wir die Altersbeschrän- kung für den Kauf von Zigaretten zum Schutz der Jugendlichen auf 18 Jahre anheben, um dann aber über- all und unbeschränkt für Zigaretten und andere Suchtmit- tel zu werben. Ihr FDP-Kollege Detlef Parr hat anläss- lich des letzten Nichtrauchertages betont, wie wichtig es ist, dass Eltern, Schulen und Freizeiteinrichtungen, Kin- der so aufwachsen lassen, dass sie die Finger ganz von Zigaretten lassen. Zügelloses Werben für Tabakerzeug- nisse ist da in keiner Weise akzeptabel. Monika Griefahn (SPD): Ich sage es gleich vorweg: Ich habe mich zunächst schon gefragt, was dieser Antrag mit der Sicherung der Presse- und Medienvielfalt zu tun hat. Doch beim Lesen des Antrages hat es sich mir schnell offenbart: Die Siche- rung der Presse- und Medienvielfalt ist im Grunde nur ein vorgeschobener Vorwand für die eigentliche Absicht des Antrages, einseitig die Werbewirtschaft zu unterstützen. Das wiederum ist im Grunde nicht verwerflich, etwas plump finde ich nur die Verschleierung der eigentlichen Absichten. Doch das, wie gesagt, nur vorweg, kommen wir zur inhaltlichen Diskussion des Antrages, die ja ihre Fortsetzung noch in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages finden wird. Lassen Sie mich zum Inhaltlichen kommen. Richtig ist die Feststellung des Antrages, dass in der Werbewirt- schaft sinkende Umsätze festzustellen sind. Das ist ange- sichts der Bedeutung der Werbung für die Finanzierung vieler Presse- und Medienangebote durchaus eine beden- kenswerte Entwicklung, da insbesondere viele Pres- Zu Protokoll seerzeugnisse auf die Erlöse aus Werbung angewiesen sind. Die Finanz- und Wirtschaftskrise wird diesen Druck, den zunächst die Unternehmen durch Kürzungen ihrer Werbebudgets auffangen, den aber die Presse- und Medienlandschaft durch ganz konkrete Einsparungen ausgleichen muss, noch deutlich verstärken. Richtig ist auch, dass die Bereitstellung von Medien- angeboten im Onlinebereich mit erheblichen Kosten ver- bunden ist, wenn es qualitativ gut sein soll, gleichzeitig aber relativ wenig Einnahmen über die klassischen Wer- beformen im Onlinebereich zu erzielen sind. Doch leider zieht die FDP in ihrem Antrag aus diesen grundsätzlich richtigen Feststellungen die falschen Schlüsse. Denn indem die FDP im Namen der Werbewirt- schaft mit dem Finger auf andere, wie beispielsweise den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zeigt, werden diese Pro- bleme nicht gelöst. Auch indem man die aus Gründen des Jugend- und Verbraucherschutzes verankerten Bestim- mungen im Rundfunkstaatsvertrag oder auch der EU- Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, früher EU- Fernsehrichtlinie genannt, als bürokratisch und be- schränkend bezeichnet, löst man diese Probleme nicht. Und ganz besonders verbietet sich der Vergleich der Pro- bleme der Medien- und Werbewirtschaft mit den notwen- digen Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur und dem Erhalt unseres Bankensystems vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Insofern steht die SPD-Bundestagsfraktion den Forde- rungen des Antrages kritisch gegenüber. Beispielsweise haben wir es aus deutscher Sicht gerade als Erfolg gese- hen, dass sich Deutschland im Rahmen seiner EU-Rats- präsidentschaft bei der Überarbeitung der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste mit der Forderung durchsetzen konnte, bei Produktplatzierungen die Trans- parenz zu verbessern, um redaktionelle Freiheit und Un- abhängigkeit zu sichern und auch in Zukunft die Zu- schauer vor Irreführungen zu schützen. Auch das erreichte, klar gefasste generelle Verbot von Themenplat- zierungen haben wir ausdrücklich begrüßt, ebenso wie die unternommenen Schritte hin zu einem europaweit ein- heitlichen Niveau des Jugendmedienschutzes. Denn ganz zentral geht es um die Frage, wie wir insbesondere in Me- dien für Kinder und Jugendliche unangemessene Wer- bung verhindern. Insofern ist die Forderung der FDP ausdrücklich abzulehnen, in der Richtlinie über audiovi- suelle Mediendienste sämtliche Beschränkungen der Werbemöglichkeiten aufzuheben. Auch die auf europäischer Ebene umgesetzten einheit- lichen und verbesserten Regelungen im Bereich der Alko- hol- und Tabakwerbung begrüßen wir. Die gerade gestern vorgestellte, von der Deutschen Angestellten-Kranken- kasse (DAK) in Auftrag gegebene Studie zeigt, wie sehr die Werbung den Konsum von Alkohol gerade bei Ju- gendlichen beeinflusst. Insofern halte ich den von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Frau Sabine Bätzing, unterbreiteten Vorschlag für mehr Selbstkon- trolle der Werbung für Alkohol für richtig und überle- genswert. Das sollte auch der Ansatz für eine konstruktive Dis- kussion über die in diesem Antrag beschriebenen Pro- 24274 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Monika Griefahn bleme der Werbewirtschaft sein. Denn hier muss meines Erachtens auch ein Umdenken stattfinden. Es sind mög- licherweise nicht mehr die klassischen Werbeformate und -inhalte, die erfolgreich sind. Deshalb nützt es nichts, die Welt drumherum ändern zu wollen. Vielmehr muss sich die Werbewirtschaft an die sich verändernde Welt anpas- sen, was sie ja bereits auch tut. Dazu gehört beispiels- weise, dass die im Onlinebereich zur Verfügung stehen- den Möglichkeiten immer stärker in neuer Form genutzt werden. Dabei werden durch neue Formen der Vermark- tung, die Vernetzung und das Zur-Verfügung-Stellen von Informationsangeboten neue Einnahmemöglichkeiten auch im Werbebereich erschlossen. Und dazu gehört eben auch, dass die Selbstkontrollme- chanismen der Werbung, die es ja unter anderem in Form des Deutschen Werberates bereits gibt, greifen und trans- parent sind. So wird auch ein für die Werbung sehr wich- tiges Gut – Vertrauen – erhöht. Und lassen Sie mich noch einen wichtigen Punkt zum Schluss sagen, weswegen der Antrag aus meiner Sicht ebenfalls nicht hilfreich bei der Debatte dieser Fragen ist. Denn die FDP mischt andere Aspekte in die Debatte mit ein, die ihr zwar aus anderen Gründen ebenfalls wichtig erscheinen, die aber mit der Frage nach der Zukunft der Werbewirtschaft, und darum geht es ja im Grunde, nur wenig zu tun haben. Ich meine die Diskussion über den öf- fentlich-rechtlichen Rundfunk und die Überarbeitung der Rundfunkänderungsstaatsverträge. Die Forderung der FDP – die wir ja aus anderen Diskussionen zur Genüge kennen –, die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu vereinheitlichen, zu externalisieren und zu professionalisieren sowie „zu prüfen, ob dieses Ziel mit der Übertragung der Aufsicht über den öffentlich-rechtli- chen Rundfunk an die Landesmedienanstalten erreicht werden kann“ hat nun wirklich nichts mit der Werbewirt- schaft zu tun. Insofern kann ich ganz zum Schluss – und zwar in einer doppelten Bedeutung – ganz „im Sinne der Werbewirt- schaft“ zu dem Antrag der FDP nur sagen: Gut gemeint, aber schlecht gemacht! Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Meinungsvielfalt ist ein zentraler und konstitutiver Be- standteil jeder Demokratie und ein besonderes Merkmal der deutschen Medienlandschaft. Wohl in wenigen ande- ren Ländern trifft man auf eine ähnlich pluralistische, qualitativ hochwertige und abwechslungsreiche Medien- landschaft. Meinungsvielfalt ist dabei nicht nur ein abstraktes theoretisches Gut, sondern ein konkretes unverzichtbares Element des gesellschaftlichen und politischen Miteinan- ders. Ohne diese kann es keinen politischen Wettbewerb, kein Werben um Meinungen und Stimmen, aber auch ins- gesamt keinen gesellschaftlichen Pluralismus geben. Somit trägt die Politik – schon im eigenen Interesse – eine große Verantwortung für den Schutz der Meinungsviel- falt. Meinungsvielfalt hat ihren Ursprung insbesondere in einer pluralistischen Medien- und Presselandschaft. In Zu Protokoll der Konsequenz heißt das, dass die Politik – und damit spreche ich, trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit der Bundesländer für Presse und Medien, auch den Bundes- gesetzgeber an – für den Erhalt der Medien- und Presse- vielfalt verantwortlich ist. Deshalb ist es auch absolut richtig, dass sich der Deutsche Bundestag heute mit die- sen Fragen auseinandersetzt. Diese Verantwortung liegt vorrangig darin, dass die Politik Rahmenbedingungen schaffen muss, in denen sich Medien- und Presseangebote im freien ökonomischen und publizistischen Wettbewerb bewähren können. Eine direkte staatliche Finanzierung der Presse darf es aus ordnungspolitischen Gründen weiterhin nicht geben. Deshalb verbieten sich übrigens auch staatliche Subven- tionen für die Medienbranche – selbst in Zeiten gesamt- wirtschaftlicher Schieflagen. Auch eine öffentlich-recht- liche Presse wäre ordnungspolitisch nicht akzeptabel. Der mit staatlicher Finanzierungsgarantie ausgestattete öffentlich-rechtliche Rundfunk muss die Ausnahme blei- ben. Da sich also private Medien- und Presseangebote nicht durch staatliche Subventionen finanzieren können, müssen sie auf die traditionellen Mittel der Finanzierung zurückgreifen: Verkauf, insbesondere durch Abonne- ments, und Werbung. Es ist dabei hinreichend bekannt, dass insbesondere bei elektronischen Presse- und Me- dienangeboten auch die Finanzierung über Abonnements im Regelfall ausscheidet. Der Werbung kommt somit eine immer größer werdende Bedeutung bei der Finanzierung und damit auch beim Erhalt der Meinungsvielfalt zu. Aber auch die Werbefinanzierung steht unter massi- vem Druck, sowohl ökonomisch als auch politisch. Die Strukturkrise der Medienbranche zeigt – verstärkt durch die momentane wirtschaftliche Krise – bereits erste nega- tive Auswirkungen auf die Meinungsvielfalt. In diesem Umfeld entfalten politische Einschränkungen oder gar Verbote von Werbeformaten oder -inhalten besonders schwerwiegende Konsequenzen für Anbieter von Presse- und Mediendiensten, die auf Einnahmen durch Werbung angewiesen sind. Tatsache ist allerdings, dass in den vergangenen Jah- ren eine zunehmende Zahl von Einschränkungen und Ver- boten – ob gesellschafts-, gesundheits-, sozial- oder ver- braucherschutzpolitisch motiviert – in den deutschen und europäischen Werberegimen implementiert wurden. Viele weitere sind geplant. Einige davon waren und sind sicher- lich sinnvoll. Niemand möchte zum Beispiel Zigaretten- werbung in Kinderfernsehsendungen haben. Viele bestehende oder geplante Einschränkungen und Verbote sind jedoch kritikwürdig entweder in ihrer Ziel- setzung oder in ihrer Effektivität. Ist ernsthaft mit umwelt- freundlicheren Verbraucherentscheidungen beim Auto- kauf zu rechnen, nur weil noch größere und genauere Angaben über den CO2-Ausstoß in die Zeitschriften- anzeige gedruckt werden müssen? Ich wage es zu bezwei- feln. Einer Zeitschrift schadet es allerdings massiv, weil viele Anzeigen unterbleiben werden, wenn nur noch die Hälfte des Platzes zur Verfügung steht, weil die andere Hälfte für Pflichtangaben aufgebracht werden muss. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24275 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Wollen wir anno 2009 wirklich der Werbeindustrie vorschreiben, ob und welche Rollenklischees ihre Spots vermeiden müssen? Wollen wir ihr vorschreiben, dass künftig die Hausfrau nur noch von männlichen, der Auto- mechaniker nur noch von weiblichen Personen darge- stellt werden dürfen? Ich halte das für absurd. Ein ganz aktuelles Thema: ist es verhältnismäßig, das sogenannte Listenprivileg für die Presse abzuschaffen? Hier wird doch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Im besten Fall ein paar Briefe weniger im Briefkasten wer- den erkauft mit erheblichen Umsatzeinbußen bei Zeitun- gen und Zeitschriften, die sich für einige sogar existenz- bedrohend auswirken können. Hier werfen Sie mir nicht Panikmache vor; bei Umfragen unter Verlegern wird die Datenschutznovelle von 88 Prozent als großes Problem angesehen, noch mehr als die allgemeinen Strukturpro- bleme der Presse, die „nur“ von 82 Prozent als großes Problem bewertet werden. Jenseits von fehlender Effektivität oder zweifelhafter Zielsetzung stoßen wir auch auf Werberegime, deren Sinn generell infrage zu stellen ist. Warum zum Beispiel wird privaten Rundfunkveranstaltern nicht freigestellt, wie häufig und wie viel Werbung sie senden wollen? Wozu leisten wir uns denn eigentlich ein mehr als 8 Milliarden Euro teures öffentlich-rechtliches Rundfunksystem? Wir sollten lieber das öffentlich-rechtliche System komplett werbefrei gestalten und das private System hinsichtlich der Werbung – jenseits von Kindersendungen, Ratgeber- sendungen und Nachrichten – vollständig freigeben; das wäre ein klar abgegrenztes duales Rundfunksystem. Sollte ein privater Rundfunksender es mit der Werbung übertreiben, werden dies die Zuschauer und Zuhörer schon entsprechend würdigen. Die Liste mit Beispielen ließe sich beliebig erweitern. Als Nächstes kommt wohl noch das pauschale Verbot von Alkohol- und Süßigkeitenwerbung in Zeitschriften. Dann wäre auch endlich die große Gefahr gebannt, dass die Massen der Jugendlichen, welche wöchentlich an- spruchsvolle Nachrichtenmagazine lesen, dort zum Kon- sum von Bier und Schokolade verleitet werden. Es ist doch verrückt: Während allen Ernstes über staatliche Subventionen für die Presse diskutiert wird – so wieder heute vom ehemaligen Verfassungsrichter Grimm in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ –, ist offenbar bei der schon jetzt viel zu intensiven Werberegulierung das Ende der Fahnenstange offenbar noch nicht erreicht. Um es mit anderen Worten zu sagen: Es wird diskutiert, einen Läufer zu dopen, dem eine Eisenkugel an den Fuß gebunden wurde. Lassen Sie uns also lieber statt des Do- pings über die Eisenkugel reden! Die Medien- und Pressebranche macht eine schwere Krise durch, die auch eine Gefahr für die Meinungsviel- falt darstellt. Wir dürfen ihr nun nicht noch mehr Steine in den Weg legen, sondern müssen diese aus dem Weg räu- men. Nur so kann Meinungsvielfalt in einem freien publi- zistischen und ökonomischen Wettbewerb nachhaltig gesichert werden. Wir sollten aufhören, in diesem Zusammenhang über Subventionen zu reden oder ARD und ZDF zu einem Zu Protokoll öffentlich-rechtlichen Multimediasystem aufzublähen. Stattdessen benötigen wir ein Konjunkturpaket III der li- beralen und haushaltsfreundlichen Art: Konsequenter und mutiger Abbau von Bürokratie und Investitions- hemmnissen. Im Bereich der Werbung gibt es dabei besonderen Handlungsbedarf. Der Antrag der FDP-Fraktion, der Ih- nen heute vorliegt, weist den Weg zu weniger Bürokratie und mehr Wettbewerb und damit zu einer Sicherung der Medien- und Pressevielfalt auf. Wir sind gefordert, uns auf Bundes-, Landes- und europäischer Ebene gegen wei- tere Einschränkungen und Verbote und für eine Entbüro- kratisierung einzusetzen. Ich bitte Sie dabei um Ihre Un- terstützung. Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE): Der FDP-Antrag, um den es hier geht, korrespondiert in einem Punkt mit einer Forderung der Linken: Der öf- fentlich-rechtliche Rundfunk muss werbefrei sein. Die Skandale um Schleichwerbung haben eines gezeigt: Es gibt allerorten Missbrauch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss aber auch deswegen werbefrei sein, damit die Unabhängigkeit der Berichterstattung dauerhaft ge- sichert ist. Er muss sich als Korrektiv und nicht als ein Nachahmer der Privaten verstehen. Hier braucht es schleunigst ein Umdenken. Im Kern geht es im Antrag der FDP jedoch um eine ganz andere Frage, nämlich um die generelle Aufhebung von Werbebeschränkungen in Medienangeboten. Wir er- kennen ja an, dass die Wirtschaftsliberalen ihre Wähler- klientel in der Werbewirtschaft und in den Privatsendern mit einer schrankenlosen Liberalisierung ein zünftiges Wahlgeschenk liefern wollen. Doch liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist es nicht etwas weit gegrif- fen, wenn man jahrzehntelang bewährte Einschränkun- gen mal so mir nichts dir nichts aufheben will und sich zugleich mit Händen und Füßen gegen weitere Ein- schränkungen bei der Werbung für Alkohol und Tabak wehrt, sie sogar lockern möchte? Ich bitte Sie! Sinnvolle Warnungen und die Verbannung von Suchtwerbung – im Übrigen zusammen mit Aufklärungskampagnen – müssen zweifelsohne ein gemeinsames Ziel des Deutschen Bun- destages sein. Selbstverständlich ist eine Überprüfung der Werbeein- schränkungen von Zeit zu Zeit sinnvoll und nicht zu bean- standen. Doch muss in Ihrer Fraktion auch zur Kenntnis genommen werden, dass die Neufassung der EU-Fern- sehrichtlinie nichts anderes ist als eine einzige Liberali- sierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Werbung. Wenn Sie die Bundesregierung nun überzeugen wol- len, die „gesellschafts-, gesundheits- oder verbraucher- schutzpolitische Wirkung“ von Werbebeschränkungen zu evaluieren – und das möglichst noch vor der Bundestags- wahl im September 2009 zu machen –, und gleichzeitig darauf drängen, vor der Wahl keine Gesetzesinitiativen in diesem Bereich mehr auf den Weg zu bringen, so ist dies nichts mehr als blanke Interessenspolitik. Leider muss sich die Öffentlichkeit in diesen Zeiten einer Menge un- 24276 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 gegebene Reden (A) (C) (B) (D) Dr. Lothar Bisky sinniger Argumente aus der Wirtschaft und auch von Ih- nen erwehren. Hören Sie bitte damit auf, Fragen des Gesundheits- schutzes und des Verbraucherschutzes für die Maximie- rung von Gewinninteressen zu missbrauchen! Die Freigabe von Product Placement nach der neuge- fassten EU-Fernsehrichtlinie wird eine neue Runde im Kommerzialisierungsprozess des Rundfunks einleiten. Die Nationalstaaten allerdings sind keineswegs gezwun- gen, diese eins zu eins umzusetzen. Ausdrücklich ist es den für die Rundfunkpolitik zuständigen Bundesländern möglich, Produktplatzierung im deutschen Fernsehen zu untersagen. Angesichts der Werbekrise mehren sich nun die Stimmen, den Privatsendern diese neue Einnahme- quelle zu erschließen. Den Wirtschaftsinteressen der Pri- vatsender soll zulasten des Verbraucherschutzes nachge- geben werden. Das lehnt die Linke rundweg ab. Im Antrag der FDP, der die Presse- und Medienvielfalt im Titel führt, geht es im Falle des Rundfunks nicht um die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher, nicht um ein vielfältiges kulturelles Programmangebot und schon gar nicht darum, die Autonomie journalistisch-redaktio- neller Arbeit abzusichern, sondern einzig und allein um Geschäftsbeziehungen, ums Geldverdienen, um Rendite. Die Krise ist hier nur der Deckmantel, die im deutschen Fernsehen aus gutem Grund bestehenden Werbebe- schränkungen vollständig zu deregulieren. Wohin voll- ständige Deregulierung führt, das kann man im Banken- wesen und in der Finanzwirtschaft derzeit gut studieren. Und darum sagen wir Linken Nein zum Antrag der FDP. Grietje Staffelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist unbestritten, dass Werbung heute ein zentrales Instrument zur Finanzierung von Medieninhalten gewor- den ist. Das gilt für den privatwirtschaftlich organisierten Rundfunk im Besonderen, aber auch für den öffentlich- rechtlichen Rundfunk. Die hieraus resultierende Bedeu- tung der Werbewirtschaft ist ebenfalls unstrittig. Die Feststellung im Antrag der FDP-Fraktion, dass die Wer- bung somit zu einer festen Größe bei der Medienfinanzie- rung geworden ist und der Werbewirtschaft so auch eine gesamtwirtschaftlich wichtige Rolle zukommt, ist also richtig. In diesem Zusammenhang ist auch nachvollziehbar, dass die kostenintensive Produktion von medialen Inhal- ten durch die weltwirtschaftlich angespannte Situation in Mitleidenschaft gezogen wird. Es steht für Werbung heute einfach weniger Geld zur Verfügung. Und das Geld, das zur Verfügung steht, wird nun bewusster ausgegeben. Man kann also sagen, die goldenen Zeiten der Werbewirt- schaft sind erst einmal vorbei – wie die in anderen Wirt- schaftszweigen auch. Aus diesen Tatsachen nun eine eklatante Gefährdung der deutschen Medienlandschaft abzuleiten und das Aus- bleiben der Werbegelder für eine zunehmende Konzentra- tion im Bereich der Presse verantwortlich zu machen, geht mir allerdings etwas zu weit. Die beschriebene Pro- blematik betrifft ja die privaten Rundfunk- und Pressean- bieter nicht allein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk Zu Protokoll leidet unter dieser Situation ebenfalls, da auch hier die Produktion von Medieninhalten aus verkaufter Werbezeit mitfinanziert werden muss. Hinzu kommt, dass der öffent- lich-rechtliche Rundfunk bei der Möglichkeit, Werbung zu senden, in einem viel stärkeren Maße reglementiert ist als die privaten Rundfunkanbieter. Neben den betriebs- und volkswirtschaftlichen Ent- wicklungen, die nach Ansicht der FDP-Fraktion für den „Niedergang“ der deutschen Werbewirtschaft verant- wortlich sind, nennt der FDP-Antrag einen erheblichen Druck, der von der Politik ausgeübt wird. Gemeint sind ja damit die Einschränkungen, denen in Deutschland Wer- bung unterliegt. Der Antrag spricht von Formen und Nor- men bei der Einschränkung von Werbeformaten und -in- halten. Hier möchte die FDP also das Rad am liebsten wieder zurückdrehen und dem Rundfunk die Möglichkeit einräumen, wieder Werbung für Alkohol und Tabak zu senden. Das Werbeverbot habe nichts gebracht, so die Begründung. In diesem Zusammenhang möchte ich nur kurz auf den aktuellen Drogenbericht der Bundesregie- rung hinweisen. Trotz der Exzesse wie dem sogenannten Komasaufen unter Jugendlichen wird ein deutlicher Rückgang beim Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch festgestellt. Für uns als Grüne wäre das Aufweichen von Werbeverboten hier einfach kontraproduktiv. Die er- reichte Besserung und gestiegene gesellschaftliche Sensi- bilität beim Thema Tabak und Alkohol würde schlichtweg untergraben. In einem weiteren Punkt kritisiert die FDP-Fraktion die Konkurrenz für private Presse- und Medienanbieter durch öffentlich-rechtliche Marktteilnehmer; insbeson- dere durch deren Ausweitung der Onlinemedienangebote. Hier möchte ich eines ganz klar festhalten: Dem öffent- lich-rechtlichen Rundfunk ist mit der Verabschiedung des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags bei Onlineinhal- ten ein enges, unserer Meinung nach zu enges Korsett an- gelegt worden. Hier müsste man sogar gegenteilig argu- mentieren und sagen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch diesen Vertrag im freien Wettbewerb um Kunden auch im Internet deutlich behindert wird. Die Vorteile liegen also eher aufseiten der privaten Anbieter. Die sind aber scheinbar nicht in der Lage, diese Vorteile auch für sich zu nutzen. In diesem Zusammenhang folgt dann auch die Stan- dardkritik der FDP an der Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter. Die Unter- stellung, dass die jährlichen Gebühren von knapp 8 Mil- liarden Euro der unkontrollierten Entwicklung der öffent- lich-rechtlichen Medienanbieter im Internet Vorschub leisten und den Wettbewerb verzerren, ist schlichtweg falsch. Im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist die- sem Zusammenhang, wie schon erwähnt, ein starkes re- gulatives Element enthalten. Aus den Gebührengeldern ein Werbeverbot für die öf- fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abzuleiten, geht schlichtweg an den Realitäten vorbei. Die Produktions- kosten der Öffentlich-Rechtlichen können längst nicht mehr allein über die Gebühren gedeckt werden. Darüber hinaus ist Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk viel stärker reglementiert und nicht mit Werbung bei den Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24277 gegebene Reden 24278 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Grietje Staffelt einer Qualitätssteigerung beitragen. Die privaten Anbie- ter sollten sich endlich dem publizistischen Wettbewerb Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Ab- auch im Internet stellen. Es ist an der Zeit, dass auch die Privaten neue, innovative Angebote entwickeln und plat- zieren. Statt dem Lamentieren der privaten Medienanbieter blind zu folgen, sollte die FDP hier eher, wie sie es auch Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 502; davon ja: 391 nein: 78 enthalten: 33 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Leo Dautzenberg Hubert Deittert Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Drucksache 16/11919 mit dem Titel „Anbau von gen- technisch verändertem Mais stoppen“ bekannt: abgege- bene Stimmen 502. Mit Ja haben gestimmt 391, mit Nein haben gestimmt 78, Enthaltungen 33. Die Beschluss- empfehlung ist damit angenommen. Herbert Frankenhauser Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Jürgen Gehb Eberhard Gienger Peter Götz Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung (Konstanz) Dr. Franz Josef Jung Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp geordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Privaten zu vergleichen. Wir bühren ein wichtiges Instru rechtlichen Anstalten ein drin Unabhängigkeit von öffentlich chert. Die Rundfunkgebühren hochwertige Angebote der Angebot, das sich als Richtsc Inhalte auswirkt. Der Vorschlag, die Verwen den Gebührengelder unter hängige Aufsicht zu stellen, Landesmedienanstalten, die Kontrollinstanzen schon exist stanz ins Leben zu rufen, steht Ansatz der FDP, für weniger Der Wettbewerb im Bereic auch unter der gesamtwirtsc Rufe der privaten Medienanb nach einem eigenen Konjunk erscheinen in diesem Zusam verständlich. Sie sind aber vo punkt der Wettbewerbsverzer zierte öffentlich-rechtliche A angebote unbegründet. Vielm gerade die Onlineangebote de als Grüne sehen in den Ge- ment, das den öffentlich- gend notwendiges Maß an en wie privaten Geldern si- sind Garant für qualitativ Öffentlich-Rechtlichen, ein hnur auch auf die privaten dung der knapp 8 Milliar- eine effektive und unab- ignoriert, dass durch die KEF und die KEK solche ieren. Hier eine weitere In- im klaren Widerspruch zum Bürokratie zu sorgen. h der Medien leidet sicher haftlichen Schieflage. Die ieter und Werbetreibenden turpaket oder Schutzschirm menhang vielleicht sogar r allem unter dem Gesichts- rung durch gebührenfinan- nstalten und deren Online- ehr ist es doch so, dass r Öffentlich-Rechtlichen zu sonst tut, dem Spiel der Mark sollte den Privaten ans Herz ten des öffentlich-rechtliche werbsfähigen Angeboten und um auf diesem Wege für eine v zu sorgen. Vizepräsidentin Dr. h. c Interfraktionell wird Übe Drucksache 16/12472 an die führten Ausschüsse vorgesch verstanden? – Das ist der Fall so beschlossen. Ich unterbreche die Sitzu des Ergebnisses der namentli (Unterbrechung von 2 Vizepräsidentin Dr. h. c Die unterbrochene Sitzung Ich gebe Ihnen das von d Schriftführern ermittelte Er Abstimmung über die Besc schusses für Ernährung, La cherschutz zu dem Antrag tkräfte das Wort reden. Sie legen, den starken Angebo- n Rundfunks mit wettbe- Inhalten entgegenzutreten, ielfältige Medienlandschaft . Susanne Kastner: rweisung der Vorlage auf in der Tagesordnung aufge- lagen. Sind Sie damit ein- . Dann ist die Überweisung ng bis zum Bekanntgeben chen Abstimmung. 1.42 bis 21.47 Uhr) . Susanne Kastner: ist wieder eröffnet. en Schriftführerinnen und gebnis der namentlichen hlussempfehlung des Aus- ndwirtschaft und Verbrau- der Abgeordneten Ulrike Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24279 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Laurenz Meyer (Hamm) Maria Michalk Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Carsten Müller (Braunschweig) Michaela Noll Franz Obermeier Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Thomas Rachel Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt (Mülheim) Ingo Schmitt (Berlin) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Stübgen Hans Peter Thul Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Elisabeth Winkelmeier- Becker Werner Wittlich Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding (Heidelberg) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Gabriele Fograscher Gabriele Frechen Peter Friedrich Sigmar Gabriel Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann (Wackernheim) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz (Essen) Gerd Höfer Iris Hoffmann (Wismar) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Johannes Jung (Karlsruhe) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller (Chemnitz) Michael Müller (Düsseldorf) Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche (Cottbus) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Ortwin Runde Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Heinz Schmitt (Landau) Carsten Schneider (Erfurt) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz (Everswinkel) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Rita Schwarzelühr-Sutter Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Hildegard Wester Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Engelbert Wistuba Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Uwe Barth Ernst Burgbacher Patrick Döring 24280 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Hellmut Königshaus FDP Hans-Michael Goldman Dr. Konrad Schily DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Karin Binder Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen hea Dückert schi Eid Josef Fell ehring n Göring-Eckardt Haßelmann na Herlitzius ried Hermann Hettlich a Hinz (Herborn) e Höfken Enthalten CDU/CSU Dorothee Bär Alexander Dobrindt Hans-Joachim Fuchtel Norbert Geis Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Gerda Hasselfeldt Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Nein SPD Frank Hofmann (Volkach) Wir sind damit am Schlu ordnung. Ich berufe die nächste Si destages auf morgen, Donn 9 Uhr, ein. Ulla Lötzer Dorothée Menzner Dr. Norman Paech Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer (Köln) Volker Schneider (Saarbrücken) Dr. Ilja Seifert Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz ss unserer heutigen Tages- tzung des Deutschen Bun- erstag, den 14. Mai 2009, Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Jürgen Trittin Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Ich wünsche allen Kolleg auch den Zuschauerinnen un büne sowie den Mitarbeiterin schönen Abend. Die Sitzung ist geschlosse (Schluss: 2 Dr. Georg Nüßlein Eduard Oswald Daniela Raab Dr. Peter Ramsauer Franz Romer Albert Rupprecht (Weiden) Dr. Andreas Scheuer Christian Schmidt (Fürth) Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Matthäus Strebl Dr. Hans-Peter Uhl SPD Markus Meckel Gesine Multhaupt Dr. Wolfgang Wodarg FDP Mechthild Dyckmans innen und Kollegen, aber d Zuschauern auf der Tri- nen und Mitarbeitern einen n. 1.48 Uhr) Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Hakki Keskin Oskar Lafontaine Nicole Maisch Jerzy Montag Winfried Nachtwei Marlene Mortler Stefan Müller (Erlangen) Dr. Gerd Müller Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Michael Link (Heilbronn) Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Anton Hofreiter Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth (Quedlinburg) Markus Kurth Monika Lazar Ernst Hinsken Klaus Hofbauer Bartholomäus Kalb Alois Karl Hartmut Koschyk Stephan Mayer (Altötting) Dr. h. c. Hans Michelbach n Dr. T Dr. U Hans Kai G Katri Britta Betti Winf Peter Prisk Ulrik Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24281 (A) (C) (B) (D) District Court zur Billigung vorliegenden Vergleichsvor- schlag, den amerikanische Autoren und Verlage mitMerz, Friedrich CDU/CSU 13.05.2009 toren Millionen vergriffener Bücher ins Netz zu stellen, wenn diese nicht bis zum Stichtag 4. September 2009 Widerspruch eingelegt haben? Die Frage bezieht sich auf den beim New York Dr. Lauterbach, Karl SPD 13.05.2009 Lösekrug-Möller, Gabriele SPD 13.05.2009 Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2009 Aydin, Hüseyin-Kenan DIE LINKE 13.05.2009 Bätzing, Sabine SPD 13.05.2009 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2009 Becker, Dirk SPD 13.05.2009 Beckmeyer, Uwe SPD 13.05.2009 Dreibus, Werner DIE LINKE 13.05.2009 Ernst, Klaus DIE LINKE 13.05.2009 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 13.05.2009 Flach, Ulrike FDP 13.05.2009 Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 13.05.2009 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 13.05.2009 Gloser, Günter SPD 13.05.2009 Götz, Peter CDU/CSU 13.05.2009 Hänsel, Heike DIE LINKE 13.05.2009 Heil, Hubertus SPD 13.05.2009 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2009 Irber, Brunhilde SPD 13.05.2009 Kortmann, Karin SPD 13.05.2009 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2009 Dr. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 13.05.2009** Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Alfred Hartenbach auf die Frage des Abgeordneten Christoph Waitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 1): Was hat die Bundesregierung bereits unternommen bzw. was gedenkt sie zu unternehmen, um die Urheberrechte deut- scher Autoren gegenüber dem Internetkonzern Google zu schützen, der plant, ohne ausdrückliche Zustimmung der Au- Dr. Möllring, Eva CDU/CSU 13.05.2009 Nešković, Wolfgang DIE LINKE 13.05.2009 Nitzsche, Henry fraktionslos 13.05.2009 Pflug, Johannes SPD 13.05.2009* Piltz, Gisela FDP 13.05.2009 Raidel, Hans CDU/CSU 13.05.2009 Reichel, Maik SPD 13.05.2009 Dr. Scheer, Hermann SPD 13.05.2009 Schily, Otto SPD 13.05.2009 Seib, Marion CDU/CSU 13.05.2009 Steenblock, Rainder BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2009* Steppuhn, Andreas SPD 13.05.2009 Strothmann, Lena CDU/CSU 13.05.2009 Waitz, Christoph FDP 13.05.2009 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 24282 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Google wegen Verletzung von Urheberrechten ausge- handelt haben. Der Vergleichstext sieht vor, dass Google in Zukunft Werke in verschiedener Weise nutzen darf: Der soge- nannte display use erlaubt Google den Verkauf des Onli- nezugangs für Bücher. Bei lieferbaren Werken bedarf es hierzu vorher einer Zustimmung des Rechteinhabers; bei vergriffenen Werken muss der Rechteinhaber aktiv wer- den und die Nutzungen untersagen. Hierzu besteht – ent- gegen der Aussage in der mündlichen Frage des Kolle- gen Waitz – bis 5. April 2011 Gelegenheit. Auf der anderen Seite ist für alle Bücher, die bis zum 5. Mai 2009 digitalisiert werden, eine Vergütung in Höhe von 60 US-Dollar pro Buch vorgesehen; im Hinblick auf zu- künftige Nutzungen sollen die Rechteinhaber mit 63 Prozent an den Einnahmen beteiligt werden. Den Wirkungen des Vergleichs können sich die Urhe- ber und Verlage entziehen, imdem sie bis zum 4. Sep- tember 2009 ihren Austritt aus dem Vergleich erklären (opt out). Damit behalten sie auch das Recht auf eine ei- gene Klage gegen Google. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bis 4. September 2009 Einwände gegen den Inhalt vorbringen (objections), mit dem Ziel, dass Vergleichsregelungen geändert werden. Über die entsprechenden Rechte und Möglichkeiten der Rechteinhaber haben der Börsenverein des deut- schen Buchhandels und die Verwertungsgesellschaft Wort ihre Mitglieder informiert. Der Schutz der Urheber ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Die Bundesregierung hat daher in der letzten Legislaturperiode eine Reihe von nationalen Gesetzgebungsmaßnahmen auf den Weg gebracht, um den individualrechtlichen Ansprüchen, die sich an die Herstellung von künstlerischen und wissenschaftlichen Werken knüpfen, Geltung zu verschaffen. Mit dem Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, dem sogenannten Zweiten Korb, wurde das Urheberrecht an das digitale Zeitalter und die neuen technischen Möglichkeiten angepasst. Darüber hinaus hat die Bundesregierung mit dem Gesetz zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, welches am 1. September 2008 in Kraft getreten ist, den Kreativen in Deutschland ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Internetpiraterie an die Hand gegeben. Die Rechteinhaber haben nunmehr erstmalig einen Aus- kunftsanspruch gegen Internetprovider, um Verletzer von Urheberrechten im Internet zu ermitteln und gegen diese zivilrechtliche Schritte einzuleiten. Derzeit betei- ligt sich die Bundesregierung an Überlegungen auf na- tionaler, europäischer und internationaler Ebene, wie dieser Schutz verbessert werden kann. Sollte Google die eingescannten Werke ohne Einver- ständnis der Rechteinhaber in Deutschland öffentlich zu- gänglich machen, stehen für die Rechtsinhaber damit ausreichende Rechteinstrumente zur Verfügung, um sich hiergegen zur Wehr zur setzen. Für die Rechtedurchset- zung ist aber stets der Rechteinhaber zuständig. Die Rechtspolitik gestaltet nur die Rahmenbedingungen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Frage 2): Welchen aktuellen Stand haben die inhaltlichen und orga- nisatorischen Vorbereitungen der Errichtung eines Standortes des Bundesinstituts für Risikobewertung in Neuruppin – Landkreis Ostprignitz-Ruppin –, und was wurde seit der Fragestunde vom 28. Januar 2009 seitens des Bundesministe- riums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur weiteren Realisierung dieses Vorhabens getan? Die BImA legte mit Bericht vom 19. Januar 2009 ein erstes Zwischenergebnis zur Wirtschaftlichkeitsunter- suchung vor, welches vom BMELV mit dem BfR und dem BMVBS erörtert und bewertet worden ist. Aktuell hat das BMELV die zuständige Dienststelle der BImA in Potsdam mit Schreiben vom 27. Februar 2009 zur Aufstellung der Entscheidungsunterlage-Bau (ES-Bau) beauftragt. Bis August 2009 wird die BImA eine „vertiefende Machbarkeitsstudie“ erstellen. Auf dieser Grundlage wird das BMELV in Abstimmung mit dem BMVBS und dem BMF im September 2009 eine Entscheidung über den konkreten Standort in Neuruppin treffen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Frage 3): Wie bewertet die Bundesregierung den Zulassungsantrag und den Versuch der Freisetzung der sogenannten Amflora- Kartoffel in Bezug auf das in der Freisetzungsrichtlinie 2001/ 18/EG bis zum Jahr 2008 festgelegte Auslaufen der Zulassung von Markergenen, die ein Risiko für Mensch und Natur dar- stellen, und wie ist eine 20 Hektar große Freisetzungsfläche in Mecklenburg-Vorpommern nach Ansicht der Bundesregie- rung wissenschaftlich zu begründen? Ein generelles Auslaufen von Antibiotikaresistenz- Markergenen bis 2008 ist im europäischen Recht nicht vorgesehen. Nur die Verwendung solcher Markergene, die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Ge- sundheit oder die Umwelt haben können, soll schritt- weise eingestellt werden. Ob das in der Amflora-Kartoffel verwendete Marker- gen zu dieser Gruppe gehört, wird gegenwärtig von der EU-Kommission im Zuge der Zulassungsentscheidung für die Amflora geprüft. Zur Frage des Umfangs der Freisetzungsfläche ist zu- nächst anzumerken, dass weder das europäische, noch das deutsche Gentechnikrecht eine flächenmäßige Ober- grenze für Freisetzungen vorsehen. Gleichwohl ist es Frau Bundesministerin Aigner in intensiven Gesprächen mit der BASF Plant Science ge- lungen, den Umfang der Freisetzung von den ursprüng- lich beantragten 150 Hektar auf nunmehr 20 Hektar zu verringern. Außerdem wird die Freisetzung nur noch an Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24283 (A) (C) (B) (D) einem einzigen Standort durchgeführt. Zusätzlich wur- den in der Genehmigung gegenüber dem Anbau in den Vorjahren weitere Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen, wie etwa die Errichtung eines überwachten Wildschutz- zauns um die gesamte Freisetzungssfläche und eine stän- dige Bewachung. Vor diesem Hintergrund gab es aus Sicht des zustän- digen BVL keinen rechtlichen Grund, die beantragte Freisetzungsgenehmigung zu versagen. Auch das BMELV hatte keinen Anlass der Entscheidung der Fach- behörde zu widersprechen. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Frage des Abgeordneten Frank Spieth (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Frage 6): Was waren konkret die neuen Erkenntnisse, die im Bun- desministerium für Gesundheit in dieser Legislatur durch ex- terne Mitarbeiter etwa von Krankenkassen, Unternehmen und Leistungserbringern gewonnen wurden, und waren daneben auch Vertreter von Patientenorganisationen als externe Mitar- beiter beschäftigt? Soweit in dieser Legislaturperiode im Bundesministe- rium für Gesundheit (BMG) Mitarbeiterinnen/Mitarbei- ter von gesetzlichen Krankenkassen bzw. Verbänden der Leistungserbringer eingesetzt wurden, erfolgte dies auf Grundlage der solche Maßnahmen ausdrücklich zulassen- den Regelungen der § 30 Abs. 3 SGB IV, § 211 Abs. 3 so- wie § 217 Abs. 4 SGB V. Der Einsatz solcher Beschäf- tigter in obersten Bundesbehörden dient nach den zitierten Gesetzesbestimmungen ausdrücklich der fachli- chen Unterstützung auch bei der Gesetzgebung. Der Bundesrechnungshof hat Abordnungen von Sozialversi- cherungsträgern auf dieser Basis im BMG überprüft und nicht beanstandet. Diese Beschäftigten haben spezifi- sches Fachwissen und praktische Erfahrungen einge- bracht, die sie aus ihrer beruflichen Tätigkeit erworben haben. Externe Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter aus gewerbli- chen Unternehmen einschließlich privater Krankenversi- cherungsunternehmen und Patientenorganisationen wa- ren im BMG in der Legislaturperiode nicht beschäftigt. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Michael Müller auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 7): Welche Akten hat der ehemalige Betreiber der Schacht- anlage Asse II, das Helmholtz-Zentrum München, vor der Übergabe an das Bundesamt für Strahlenschutz kopiert oder digitalisiert, und weshalb hat das Helmholtz-Zentrum Mün- chen nicht den gravierenden Vorfall vom 18. Dezember 1973 in der von ihm Ende 2008 erstellten Liste über Betriebsstörun- gen bei der Einlagerung von Atommüll in der Schachtanlage Asse II aufgeführt? Der ehemalige Betreiber der Schachtanlage Asse II, das Helmholtz-Zentrum München (HMGU), hat vor der Übergabe der Asse-Akten an das Bundesamt für Strah- lenschutz (BfS) Kopien von Asse-Akten gefertigt, um für zu erwartende künftige Anfragen bezüglich der Asse auch ohne Rückanforderung von Akten beim BfS kurz- fristig sprechfähig zu sein. Im 1. Statusbericht des Nie- dersächsischen Ministeriums für Klimaschutz und Um- welt ist als Ergebnis einer Mitarbeiterbefragung für den 18. Dezember 1973 ein Vorfall beschrieben, bei dem die Fahrbahn im Füllort der 750-Sohle und auf dem Weg zur Einlagerungskammer 12 auf einer Fläche von 250 Quadrat- meter kontaminiert wurde. Einen Vorfall gleichen Aus- maßes beschreibt die „Liste der Betriebsstörungen bei der Einlagerung“ für den 17. Dezember 1973. Aufgrund dieser Sachlage ist zu vermuten, dass der in der Mündli- chen Frage angesprochene Vorfall vom 18. Dezember 1973 mit dem Vorfall am 17. Dezember 1973 in der „Liste über Betriebsstörungen bei der Einlagerung“ identisch ist. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Michael Müller auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 8): Welche Studien hat die Bundesregierung in Auftrag gege- ben bzw. befinden sich im Beauftragungsprozess, die zum Ziel haben, eine Solarunion mit einer Stromerzeugung aus er- neuerbaren Energien rund um das Mittelmeer – verbunden mit einem teilweisen Export dieses Stromes in die Länder der Europäischen Union – strategisch vorzubereiten, und beinhal- ten diese Studien Berechnungen über den erforderlichen Aus- bau der Netze inklusive einer Kostenbetrachtung sowie eine Betrachtung der gesetzlichen Grundlagen für den Ausbau in den einzelnen Ländern? Um die Idee eines Solarstromverbundes mit Afrika voranzutreiben, hat BMU seit 2004 im Rahmen seiner Forschungsförderung drei Studien des Deutschen Zen- trums für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützt. Aktuell setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen als größte Herausforderungen für eine erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung des Solarplans im Rahmen der Union für das Mittelmeer in einer umfassenden Studie untersucht werden (Master Plan Study). Die EU Kommission hat eine Studie zur strategischen Ausrichtung des Solarplans in Auftrag gegeben. Des Weiteren ist geplant, im Rahmen einer groß angelegten Nachfolgestudie bestehende bzw. laufende Initiativen einzubeziehen und Handlungsfelder und -optionen für den Solarplan abzuleiten. Eine Möglichkeit zur Umsetzung des Solarplans bie- tet auch die Option im Rahmen der neuen Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, Stromimporte aus erneuerbaren Energien aus sogenann- ten Drittländern in die Europäische Union auf das natio- nale Erneuerbaren-Ziel des Importlandes anzurechnen. Die Bundesregierung prüft, wie die Anforderungen der 24284 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Richtlinie erfüllt und EEG-kompatible Anreize für diese Stromimporte gesetzt werden können. Die vom BMU geförderte TRANS-CSP Studie des deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zeigte 2006 Möglichkeiten und Kosten der Übertragung von Solarstrom von Nordafrika nach Europa auf. Für das Jahr 2020 wurden hierin Stromgestehungskosten für so- lare Stromimporte nach Deutschland von circa 6 ct/kWh prognostiziert. Unterstellt wurden dabei eine Stromver- teilung mit Hochspannungsgleichstromübertragung und eine importierte jährliche Strommenge von 15 TWh un- ter Berücksichtigung eines bestimmten Ausbauszenarios für erneuerbare Energien in Europa und der MENA-Re- gion. Aussagen bzw. Prognosen zu den Kosten von in Nordafrika solar erzeugtem und nach Deutschland bzw. Europa transportiertem Strom weisen im Vergleich je- doch eine beträchtliche Schwankungsbreite auf: Der europäische Verband der solarthermischen Kraft- werksindustrie ESTELA schätzte mit Blick auf die Umsetzung des Solarplans im letzten Jahr die Strom- gestehungskosten für solarthermische erzeugten Strom für 2020 auf circa 16 ct/kWh. Zugrunde gelegt wurden ebenfalls die Hochspannungsgleichstromübertragung und ein Ausbauszenario für 20 GW solarthermische Kraftwerksleistung. Die geplanten Untersuchungen im Rahmen der Mas- ter Plan Study sollen auch Aufschluss über die Kosten und Maßnahmen von nach Europa exportierten und in Nordafrika erneuerbar erzeugten Stroms geben. Dabei wird es auch darauf ankommen, im Einzelfall zu unter- suchen, wie viel vor Ort genutzt und wie viel exportiert werden kann. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Frage des Abgeordneten Frank Spieth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 16/12922, Frage 9): Wie viele externe Mitarbeiter, also zum Beispiel von Un- ternehmen oder Verbänden entsendete, gibt es derzeit in den Bundesministerien, und welche Organisationen sind in den je- weiligen Bundesministerien – bitte getrennt nach Bundes- ministerien aufgliedern – vertreten? Die Bundesregierung hat sich zum Thema Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung verpflichtet, dem Haushalts- und Innenausschuss des Deutschen Bun- destag alle sechs Monate zu berichten. Dieser Berichts- pflicht ist das Bundesministerium des Innern mit dem Bericht vom 20. März 2009 und dem Nachtrag vom 17. April 2009 bereits das zweite Mal nachgekommen. Im Zeitraum vom 1. September 2008 bis 31. Januar 2009 waren danach insgesamt 48 externe Personen in 9 (von insgesamt 22) obersten Bundesbehörden und in zwei (von über 400) Geschäftsbereichsbehörden be- schäftigt. 32 dieser Personen hatten Ihre Tätigkeit bereits vor Inkrafttreten der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 26. Juli 2008 begonnen. Diese Einsätze werden zu den vereinbarten Bedingungen zu Ende geführt. Entsendende Stellen waren in 35 Fällen bundesnahe Einrichtungen, in 6 Fällen gemeinnützige Einrichtungen und in 7 Fällen Wirtschaftsunternehmen und Verbände der Wirtschaft. In 3 Fällen fand der Einsatz im Rahmen des Perso- nalaustausches statt. Festzustellen ist, dass die Anzahl der externen Perso- nen sehr überschaubar ist und die Dauer der Beschäfti- gung sich weiter verkürzt. Der Haushaltsausschuss hat in seiner Sitzung am 22. April 2009 den vorgelegten Bericht ohne Beratung zur Kenntnis genommen. Der Innenausschuss hat das Thema noch nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Der nächste Bericht wird für den Zeitraum 1. Februar bis 30. Juni 2009 erstellt und dem Deutschen Bundestag im September 2009 vorgelegt. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 16/12922, Frage 10): Wie ist der Sachstand – Anzahl der Anträge zum jetzigen Zeitpunkt, Bearbeitungsquote, Anzahl der Positiv- bzw. Nega- tivbescheide, Darstellung der Ablehnungsgründe – in Sachen Antragstellung zur Gewährung einer Entschädigung nach dem Häftlingshilfegesetz für den anspruchsberechtigten Personen- kreis, zum Beispiel politische Gefangene, soldatenähnliche Gefangene? Im Jahr 2008 wurden bei der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge (StepH) 1 752 Anträge auf Unter- stützungsleistungen nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) gestellt. Dies entspricht einer Steigerung von 50,9 Prozent im Vergleich zum Jahr 2007, in dem 1 161 Unterstützungsanträge gestellt wurden. Die Steigerungs- tendenz hat sich im laufenden Jahr 2009 fortgesetzt. So wurden allein im ersten Quartal 2009 bereits 758 An- träge gestellt, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es noch 346. Bis zum 7. Mai 2009 waren insgesamt 1 048 Anträge eingegangen. 2008 wurden dem Bewilligungsausschuss der Stif- tung 1 844 Anträge, dem Widerspruchsausschuss 49 An- träge erneut vorgelegt. Von diesen insgesamt 1 893 An- trägen wurden 1 559 (82,4 Prozent) bewilligt und 334 (17,6 Prozent) abgelehnt. Im laufenden Jahr 2009 wur- den bislang dem Bewilligungsausschuss 772 Anträge und dem Widerspruchsausschuss 19 Anträge vorgelegt. Von diesen insgesamt 791 Anträgen wurden 672 (85 Prozent) bewilligt. Die Ablehnungen beruhen ganz überwiegend darauf, dass entweder die materiellen Voraussetzungen des Häft- lingshilfegesetzes – über den Status als ehemaliger poli- tischer Häftling entscheiden die zuständigen Landesbe- hörden – nicht erfüllt sind oder die maßgeblichen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24285 (A) (C) (B) (D) Einkommensgrenzen für eine Unterstützungsleistung überschritten werden. Der Anstieg der Antragszahlen ist insbesondere da- rauf zurückzuführen, dass die Neufassung der Arbeitsan- weisung des Vorstandes für die Bearbeitung von Unter- stützungsanträgen nach § 18 des Häftlingshilfegesetzes vom 25. April 2008 Verbesserungen für die Antragsteller (Anhebung der Einkommensgrenzen, Wegfall der Be- grenzung auf maximal 1 Wiederholungsantrag) vorgese- hen hat. Daneben hat das Heimkehrerentschädigungsge- setz (HKEntschG) dazu geführt, dass Zivilinternierte, die nicht als Geltungskriegsgefangene im Sinne des HKEntschG anerkannt werden konnten, einen Unterstüt- zungsantrag bei derStepH gestellt haben. Im Übrigen dürfte auch die erhöhte Aufmerksamkeit in den Medien zu einer Steigerung der Zahl der Anträge geführt haben. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Druck- sache 16/12922, Frage 11): Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung anlässlich des 8. Mai 2009, des Jahrestages der Befreiung Deutschlands vom Faschismus, unternommen? Am 8. Mai 2009 jährte sich die Gesamtkapitulation der Deutschen Wehrmacht, mit der der zweite Weltkrieg in Europa endete, zum 64. Mal. An das Kriegsende wurde zu bestimmten „runden“ Jubiläen wie 1985 und 2005 feierlich erinnert. Regelmäßige jährliche Aktivitä- ten zum 8. Mai, der in Deutschland kein Feiertag ist, fin- den auf Bundesebene nicht statt. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 12): Wird die Bundesregierung zur Umsetzung des Beschlus- ses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 2008 (1 BvR 2388/03), die Finanzverwaltung müsse das Daten- schutzgrundrecht sowie effektiven Rechtsschutz gewährleis- ten, der Aufforderung durch die Konferenz der Bundes- und Länderdatenschutzbeauftragten vom 27. bis 29. März 2009, nun „unverzüglich“ die Verwaltungsanweisung des Bundes- ministeriums der Finanzen vom 17. Dezember 2008 aufzuhe- ben, nachkommen, wonach die Bürger ihre Steuerakten im Finanzamt nur bei „berechtigtem Interesse“ einsehen dürfen, und wie rechtfertigt die Bundesregierung diesen abermaligen Versuch, Bürgern die sie unmittelbar betreffenden Informatio- nen vorzuenthalten? Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei- dung vom 10. März 2008 deutlich gemacht, dass Ein- schränkungen des Informationsrechts der Betroffenen zulässig sind, wenn sie gegenläufigen Interessen von größerem Gewicht dienen. Das mit der Geheimhaltung von zu Kontroll- und Überwachungszwecken erhobenen steuerlichen Daten verfolgte Ziel der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern kann im Einzel- fall ein höheres verfassungsrechtliches Gewicht haben als das Informationsinteresse des Betroffenen. Eine Aus- kunftserteilung könnte es dem Betroffenen nämlich er- möglichen, sein Erklärungsverhalten auf den Kenntnis- stand der Finanzbehörden einzustellen. Dies würde zu einer weitgehenden Wertlosigkeit der Daten und damit zu einer Erschwerung oder sogar Unmöglichkeit der Aufgabenerfüllung der Finanzbehörde führen. Mit dem von Ihnen angesprochenen BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2008 wurde – im Vorgriff auf eine ge- setzliche Regelung in der Abgabenordnung – im Verwal- tungsweg in Anlehnung an § 19 des Bundesdatenschutz- gesetzes ein genereller Auskunftsanspruch gegenüber Finanzämtern anerkannt. Wie vom Bundesverfassungs- gericht gefordert, hat die Finanzbehörde dabei auch das Auskunftsinteresse des Betroffenen und das Geheimhal- tungsinteresse des Staates gegeneinander abzuwägen. Die im BMF-Schreiben aufgestellte Forderung nach einem „berechtigten Interesse“ des Betroffenen, an der sich die Kritik der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder entzündet hat, hat allein zum Ziel, dass der Betroffene schon bei seiner Antragstellung darlegt, aus welchem Grund er die Auskunft beantragt. Dies er- leichtert es der Finanzbehörde, die Abwägung zwischen dem Auskunftsinteresse des Betroffenen und ihrem Ge- heimhaltungsinteresse ohne weitere Nachfragen beim Antragsteller vorzunehmen. Nach Mitteilung der obersten Finanzbehörden der Länder hat sich das BMF-Schreiben in der Praxis be- währt, nur in ganz wenigen Ausnahmefällen musste die Erteilung einer Auskunft verweigert werden. Anlage 12 Antwort des Staatsministers Karl Diller auf die Frage der Abge- ordneten Cornelia Pieper (FDP) (Drucksache 16/12922, Frage 15): Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, die drei Wis- senschafts- und Forschungsprogramme Exzellenzinitiative, Hochschulpakt und Pakt für Innovation und Forschung unter Haushaltsvorbehalt gestellt hat und damit den jüngsten Be- schluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz infrage stellt und die bevorstehende Ministerrunde mit der Bundes- kanzlerin konterkariert? Es ist unbestritten, dass Bildung, Wissenschaft und Forschung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands von besonderer Bedeutung sind. Schwerpunkte sind die in Rede stehenden Maßnahmen. Die gemeinsame Wissen- schaftskonferenz hat selbst betont, dass die Beschlüsse unter dem Vorbehalt der Haushaltsaufstellung durch die jeweiligen Regierungen von Bund und Ländern stehen. In der Finanzministerkonferenz der Länder gab es bisher keine Mehrheit, Mittel im von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz zum jetzigen Zeitpunkt vorge- schlagenen Umfang zu beschließen. Die Bundeskanzlerin wird mit den Regierungschefs der Länder das Thema am 4. Juni 2009 erörtern. 24286 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frank- furt) (FDP) (Drucksache 16/12922, Frage 18): Wie bewertet die Bundesregierung die gelegentlich postu- lierten Forderungen nach einer telekommunikationsspezifi- schen Zugangs- und/oder Entgeltregulierung der Fernseh- bzw. Koaxialkabelnetze im Allgemeinen sowie vor verfas- sungsrechtlichem Hintergrund, und welche Erkenntnisse lie- gen ihr zu entsprechenden Regimen im EU-Ausland bzw. auf EU-Ebene vor? Da das Telekommunikationsgesetz technik- und in- halteneutral ausgestaltet ist, sind Koaxialkabelnetze be- reits heute vom Anwendungsbereich des Telekommuni- kationsgesetzes umfasst. Ob und inwieweit ihnen in Zukunft telekommunikationsspezifische Zugangs- und/ oder Entgeltpflichten aufzuerlegen sind und welche Fol- gen die seit jüngerer Zeit erfolgende Nutzung der Kabel- netze zum Angebot weiterer Dienstleistungen wie Tele- fonie und Internet auf die marktbeherrschende Stellung anderer Netzbetreiber hat, kam nicht generell beantwor- tet werden. Diese Frage entscheidet sich aufgrund der nach dem Telekommunikationsgesetz von der Bundes- netzagentur durchzuführenden Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren. Neue Entwicklungen aus der voranschreitenden Konvergenz der Netze können hierbei berücksichtigt werden. Diesen Ansatz des Telekommu- nikationsgesetzes hält die Bundesregierung weiterhin für richtig. Verfassungsrechtliche Probleme sind mit dieser Frage- stellung nicht verbunden. Insbesondere werden Belange des Rundfunks nicht berührt, da das Telekommunikations- gesetz auch im Kabelbereich allein Übertragungsfragen regelt. Der technikneutrale Ansatz des Telekommunika- tionsgesetzes entspricht zudem dem Gleichheitsgrund- satz des Grundgesetzes. Detaillierte Erkenntnisse zu entsprechenden Regi- men im EU-Ausland bzw. auf EU-Ebene liegen der Bun- desregierung nicht vor. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 19): Welche Methoden will die Betreibergesellschaft Nord- Stream-Konsortium nach der angekündigten Prüfung der Al- ternativen zur Reinigung der Ostseepipeline (vergleiche Ant- wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsdrucksache 16/8041) nun genehmigen lassen, und wie bewertet die Bundesregie- rung diese Methoden? Nach den von der Nord Stream AG eingereichten An- tragsunterlagen zur Genehmigung der Pipeline wird zur Reinigung der Pipeline kein Glutaraldehyd verwendet. Die Reinigung erfolgt nach den Antragsunterlagen mit gefiltertem Meerwasser für die Offshore-Abschnitte bzw. gefiltertem Süßwasser für die Landabschnitte. Zum Trocknen wird Trockenluft verwendet. Das Meerwasser soll dem finnischen Meerbusen entnommen werden und dort wieder eingeleitet werden. Die entsprechenden Anträge müssen von den zustän- digen Genehmigungsbehörden, das heißt in Deutschland dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und dem Bergamt Stralsund im Rahmen des an- hängigen Genehmigungsverfahrens geprüft werden. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 22): Hält die Bundesregierung den Chef der Deutschen Ener- gie-Agentur GmbH, Stephan Kohler, nach seinem zunächst angekündigten und dann wieder rückgängig gemachten Wechsel zum Energieoligopolisten RWE noch für tragbar, und erkennt sie bei ihm die notwendige Unabhängigkeit oder Zu- verlässigkeit für diese Führungsposition? Herr Stephan Kohler hat als Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur GmbH diese in den vergan- genen Jahren sehr erfolgreich aufgebaut und damit eine wesentliche Grundlage für eine breitere Verankerung der Energieeffizienzpolitik der Bundesregierung in allen be- troffenen gesellschaftlichen Gruppen gesetzt. Diese Ar- beit verlief stets zuverlässig und unabhängig von Par- tikularinteressen Einzelner. Auch im Zusammenhang mit den Plänen für einen Wechsel zur RWE AG liegen der Bundesregierung keinerlei Hinweise vor, die Zweifel an einer unparteiischen Führung der Deutschen Energie- Agentur GmbH entstehen lassen könnten. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 23): Ist es immer noch Ziel der Bundesregierung, das Energie- effizienzgesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verab- schieden? Der Entwurf eines Energieeffizienzgesetzes befindet sich in der Ressortabstimmung. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der europäischen Energiedienstleistungs- richtlinie (2006/32/EG). Deshalb besteht grundsätzlich erhebliches Interesse an einem zügigen Abschluss des Vorhabens. Da zwischen dem federführenden Bundes- ministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit inhaltlicher Dissens besteht, über den noch nicht abschließend auf politischer Ebene entschieden ist, ist jedoch offen, ob das Gesetz noch in dieser Legislatur- periode verabschiedet werden kann. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24287 (A) (C) (B) (D) Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 24): Welche Aussagen hat die Bundesanstalt für Geowissen- schaften und Rohstoffe, BGR, bzw. haben in der BGR zustän- dige Mitarbeiter im Laufe der Jahre bis dato über die Eignung der Asse, des Bergwerks Morsleben sowie von Gorleben als Endlager für Atommüll getroffen? Die Untersuchung der Eignung eines Endlagers ein- schließlich des Standortes obliegt dem Antragsteller und späteren Betreiber. Die Entscheidung über die Zulassung eines Endlagers mit der Bestätigung und Feststellung seiner Eignung nach den Anforderungen des Atomgeset- zes obliegt der zuständigen atomrechtlichen Genehmi- gungsbehörde für den erforderlichen Planfeststellungs- beschluss nach § 9 b des Atomgesetzes. Antragsteller ist gemäß Atomgesetz das Bundesamt für Strahlenschutz. Zuständige Genehmigungsbehörde ist die von der Lan- desregierung des entsprechenden Bundeslandes be- stimmte oberste Landesbehörde. Die BGR ist weder An- tragstellerin noch Genehmigungsbehörde. Die BGR hat im Laufe der Jahre im Rahmen ihrer Zu- ständigkeit spezifische geowissenschaftliche Fragestel- lungen zur Asse, zu Morsleben und zu Gorleben bearbei- tet. Dies erfolgte immer im Auftrag des jeweiligen Antragstellers/Betreibers oder als Gutachter für die zu- ständige Landesgenehmigungsbehörde. Aussagen über die „Eignung“ einer bestimmten Anlage „als Endlager für“ radioaktive Abfälle hatte die BGR dabei nicht zu treffen. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Klaus Brandner auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Fragen 25 und 26): Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, um Perso- nen, die 1945 im Zusammenhang mit dem Kriegsende bereits als Kinder interniert waren und schwere Arbeit verrichten mussten, zu einem Rentenanspruch für die Zeit, in der sie noch nicht 14 Jahre alt waren, zu verhelfen, und wie beurteilt die Bundesregierung die im Petitionsverfahren Pet 3-15-15- 8213-030095 zu den Problemen ehemals internierter Kinder wiedergegebene Auffassung des damaligen Bundesministe- riums für Gesundheit und Soziale Sicherung, dass Kinder un- ter 14 Jahren typischerweise ihre Schulpflicht erfüllen? Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der heute noch Lebenden, die im Zusammenhang mit dem Kriegsende 1945 als unter 14-Jährige interniert wurden und arbeiten mussten? Zu Frage 25: Ich sehe keine Möglichkeit, Zeiten, in denen Kinder schon vor Vollendung des 14. Lebensjahres interniert waren und schwere Arbeit verrichten mussten, renten- rechtlich zu berücksichtigen. Im Rentenrecht können bestimmte Zeiten, in denen durch außergewöhnliche Umstände keine Beiträge ge- zahlt werden konnten, als Ersatzzeiten berücksichtigt werden. Zu den Ersatzzeiten zählen zum Beispiel Kriegsgefangenschaft, Internierung und Verschlep- pung. Ersatzzeiten haben jedoch keinen allgemeinen Entschädigungscharakter. Sie werden erst ab Voll- endung des 14. Lebensjahres berücksichtigt, da bei typisierender Betrachtung erst ab diesem Alter Heran- wachsende eine rentenversicherungspflichtige Beschäf- tigung aufgenommen haben und ihnen erst von da an durch eine Internierung ein Nachteil in ihrer Rentenbio- graphie entstehen konnte. In dem in Ihrer Frage angesprochenen Petitionsver- fahren wurde diese Argumentation zusätzlich um den Aspekt der im Regelfall geltenden Schulpflicht von Kin- dern unter 14 Jahren ergänzt. Dieser Aspekt ist zwar grundsätzlich geeignet, das kritisierte Mindestalter für die Anerkennung von Ersatzzeiten ergänzend zu be- gründen. Allerdings hätte die Stellungnahme an den Petitionsausschuss mit Rücksicht auf den Personenkreis, dem zusätzliche Ansprüche verwehrt werden, einfühlsa- mer formuliert werden sollen. Zu Frage 26: Die Zahl ist der Bundesregierung nicht bekannt. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Klaus Brandner auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Fragen 27 und 28): Wie viele europäische Parkausweise für Behinderte wur- den entsprechend der Empfehlung des EU-Rates vom 4. Juni 1998 bisher in der Bundesrepublik Deutschland ausgestellt, und inwieweit haben sich diese Ausweise bewährt? In welcher Weise hat sich die Bundesregierung bisher in der Europäischen Union für die Einführung eines europäi- schen Behindertenausweises eingesetzt, und welche Gründe gibt es für das Fehlen eines solchen Ausweises, obwohl dies schon seit längerer Zeit aus den Reihen der Behindertenbewe- gung vorgeschlagen wird? Zu Frage 27: Der Bundesregierung liegen keine bundesweiten Sta- tistiken über die Anzahl der europäischen Parkausweise vor. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die euro- päischen Parkausweise die Mobilität behinderter Men- schen in Europa fördern. Zu Frage 28: Der Schwerbehindertenausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsaus- gleichen, die schwerbehinderten Menschen in Deutsch- land zustehen. Gültigkeit hat er folglich nur in Deutsch- land, genauso wie entsprechende ausländische Ausweise keine Gültigkeit in Deutschland haben. In den letzten Jahren sind immer wieder Forderungen laut geworden, in der Europäischen Union einen einheitlichen Europäi- schen Behindertenausweis einzuführen. Ein solcher 24288 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Ausweis käme nur dann Betracht, wenn der berechtigte Personenkreis der behinderten Menschen und die Rege- lungen in den Mitgliedstaaten über Sozialleistungen für behinderte und schwerbehinderte Menschen annähernd gleich wären. Dies ist aber gegenwärtig nicht der Fall, sie sind vielmehr sehr unterschiedlich. Daher schätzt die Bundesregierung die Chancen für einen einheitlichen eu- ropäischen Behindertenausweis eher gering ein. Eine Harmonisierung ist in der Vergangenheit ge- scheitert. So versuchten bereits in den 80er-Jahren Frankreich, Italien und Deutschland einen gemeinsamen Schwerbehindertenausweis einzuführen. Bei den mehr- jährigen und langwierigen Abstimmungen konnte man sich, nicht zuletzt aus Kostengründen, nur über geringe Vorteile einigen, die über den Ausweis erreicht werden sollten. Das nährte die Befürchtung, dass an einen neuen Ausweis zu große Erwartungen gestellt würden, die in der Praxis zu Enttäuschungen führen könnten. Das Pro- jekt wurde dann nicht weiter verfolgt, zumal andere EU- Staaten kein Interesse an einem gemeinsamen Ausweis zeigten. Die Bundesregierung war damals der Auffassung, ein solcher Ausweis nütze dann den behinderten Menschen, wenn die Nachteilsausgleiche, die damit in Anspruch ge- nommen werden können, in den verschiedenen Ländern annähernd gleich sind. Dies war damals und ist auch heute nicht der Fall. Eine Harmonisierung auf dem größ- ten gemeinsamen Nenner erscheint nicht wahrschein- lich. Eine Harmonisierung aber, die zum Wegfall von Vorteilen im eigenen Land führt, dürfte von den Verbän- den behinderter Menschen kaum begrüßt werden. Gleichwohl wird die Bundesregierung, sollte die Euro- päische Kommission eine weitere Initiative für einen europäischen Schwerbehindertenausweis starten, diese konstruktiv begleiten. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ulrich Kasparick auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 16/12922, Frage 29): Welche TEN-V-Infrastrukturprojekte meldet die Bundes- regierung – aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Kosten- volumen – auf die Aufforderung der Europäischen Kommis- sion zur Einreichung von Vorschlägen 2009 für das Transeuropäische Verkehrsnetz – TEN-V –, für deren Finan- zierung Mittel in Höhe von knapp 1 Milliarde Euro – beste- hend aus 500 Millionen Euro aus dem Europäischen Konjunk- turprogramm, höchstens 370 Millionen Euro aus dem mehrjährigen Arbeitsprogramm sowie dem flexiblen jährli- chen Arbeitsprogramm mit 140 Millionen Euro – zur Verfü- gung stehen? Die Anträge sind derzeit noch in der Bearbeitung, Ab- gabetermin ist der 15. Mai 2009. Hinzu kommt, dass die Anträge in Form einer Ausschreibung eingereicht wer- den müssen und es daher nicht statthaft ist, vor Eröff- nung durch die Dienststellen der Kommission Einzelhei- ten zu veröffentlichen. Anlage 21 Antwort des Staatsministers Ulrich Kasparick auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 30): Welche Lärmsanierungsprojekte an Bundesfernstraßen, ins- besondere in den verkehrslärmbelasteten Ballungszentren, sind in den Konjunkturpaketen enthalten, und inwieweit wer- den Mittel aus dem Mautaufkommen auch für die Lärmsanie- rung an bestehenden Bundesfernstraßen verwendet? In den Konjunkturprogrammen I und II sind keine Lärmsanierungsprojekte an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes enthalten. Aus Kapitel 1202, Titel- gruppe 05 (Maut) werden ebenfalls keine Mittel für die Lärmsanierung an bestehenden Bundesfernstraßen ver- wendet. Lärmsanierung erfolgt auf freiwilliger Basis mit dem laufenden Bundesprogramm, dessen Mittelansätze be- reits vor den Konjunkturprogrammen erhöht wurden. Inwieweit Mittel aus dem Konjunkturprogramm II für Lärmsanierung an Bundesstraßen in der Baulast der Kommunen verwendet werden, ist dem Bundesministe- rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht be- kannt. Anlage 22 Antwort des Staatsministers Ulrich Kasparick auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 31): Wie steht die Bundesregierung zu Geschwindigkeitsredu- zierungen auf Autobahnen tagsüber auf 120 Kilometer pro Stunde und nachts von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr für Pkw auf 80 Kilometer pro Stunde und Lkw auf 60 Kilometer pro Stunde aus Lärmschutzgründen? Dort, wo Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen geboten sind, haben die Straßenver- kehrsbehörden der Länder die Möglichkeit, diese nach umfassender Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls anzuordnen. In die Abwägung ist zum Bei- spiel die konkrete Funktion der jeweiligen Straße einzu- stellen. Um den besonderen Bedürfnissen im Einzelfall Rechnung zu tragen, haben die Straßenverkehrsbehörden auch die Möglichkeit, die Geschwindigkeitsanordnun- gen auf bestimmte Kraftfahrzeugarten oder zeitlich zu beschränken. Die konkrete Situation vor Ort im Einzel- fall kann durch die Bundesregierung nicht beurteilt wer- den. Die Wirksamkeit einer Geschwindigkeitsbeschrän- kung zum Zweck der Lärmverminderung ist allerdings relativ gering. Bei einem (für Autobahnen realistischen) Lkw-Anteil am Gesamtverkehr von 25 Prozent errechnet sich beispielsweise aus einer Reduzierung der Ge- schwindigkeit von 130 km/h auf 100 km/h ein Rückgang des Mittelungspegels von 1,0 dB(A) und von 100 km/h auf 80 km/h ein Rückgang des Mittelungspegels von 0,5 dB(A). Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24289 (A) (C) (B) (D) Diese geringen Differenzen können vom menschli- chen Ohr nicht als Verbesserung wahrgenommen wer- den. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Fragen- der Abgeordneten Cornelia Pieper (FDP) (Druck- sache 16/12922, Frage 36): Muss davon ausgegangen werden, dass der am 6. Mai 2009 durch die Bundesministerin für Bildung und Forschung vorgestellte Acht-Punkte-Plan für Innovation und Wachstum (Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 6. Mai 2009) ebenfalls infrage gestellt werden wird? Der Acht-Punkte-Plan für Innovation und Wachstum ist eine politische Initiative der Bundesministerin für Bildung und Forschung, der die aus ihrer Sicht erforder- lichen zentralen Maßnahmen der Innovationspolitik in den kommenden Jahren umfasst. Zur Fortsetzung der drei Pakte, die in dem Acht- Punkte-Plan angesprochen sind, wird auf die Entschei- dung der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten der Länder am 4. Juni 2009 verwiesen. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Frage 37): Inwiefern hält die Bundesregierung an ihrem im Koali- tionsvertrag vereinbarten Ziel fest, die Studierendenquote ei- nes Altersjahrganges auf 40 Prozent zu steigern, wenn gleich- zeitig die Bereitstellung der Mittel für den Hochschulpakt II auf die nächste Legislaturperiode verschoben wird? Die Bundesregierung hat keinen Grund, von ihrem Ziel einer Studienanfängerquote von 40 Prozent abzurü- cken. Dank des Hochschulpakts, dessen erste Pro- grammphase bis zum 31. Dezember 2010 dauert, konnte die Studienanfängerquote bereits von 37 Prozent im Jahr 2005 auf voraussichtlich 39,3 Prozent im Jahr 2008 er- höht werden. Damit ist ein Rekordniveau erreicht. In den kommenden Jahren wird der Pakt seine Wirkung weiter entfalten und die Studienanfängerquote erhöhen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Frage 38): Weshalb vertagt die Bundesregierung ihre Entscheidung, Mittel für die Fortschreibung des Paktes für Forschung und Innovation, den Hochschulpakt II, der 274 000 zusätzliche Studienplätze an den Hochschulen bringen soll, und die Ex- zellenzinitiative bereitzustellen, auf die Zeit nach der Bundes- tagswahl im September 2009 vor dem Hintergrund, durch diese Programme auch Arbeitsplätze erhalten und schaffen zu können? Die Bundesregierung hat die Entscheidung über die Fortsetzung der drei Initiativen nicht vertagt. Die Regie- rungschefs von Bund und Ländern haben sich bereits am 22. Oktober 2008 anlässlich des Qualifizierungsgipfels auf die Fortsetzung der drei Initiativen Hochschulpakt 2020, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und In- novation verständigt. In Umsetzung dieser Beschlüsse haben sich die Fachminister von Bund und Ländern auf der Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 22. April 2009 auf konkrete Vorschläge für eine Fort- setzung verständigt, diese Einigung aber unter Vorbehalt der Haushaltsaufstellung durch die jeweiligen Regierun- gen von Bund und Ländern gestellt. Diesen Haushaltsvorbehalt haben die Finanzminister der Länder mit ihrem Beschluss vom 30. April 2009 be- stätigt. Wie vorgesehen, beraten die Regierungschefs von Bund und Ländern am 4. Juni 2009 über die Fortset- zung von Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Innovation. Anlage 26 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Frage 39): Welche NS-Konzentrationslager hat die Bundeskanzlerin wann in ihrer Amtszeit besucht? Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat in ihrer Amts- zeit bislang keine Gedenkstätte in ehemaligen Konzen- trationslagern besucht. Sie hat den Ort der Information des Denkmals für die ermordeten Juden Europas besucht (am 26. Januar 2009) und dreimal die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel (am 30. Januar 2006, am 1. April 2007 und am 17. März 2008). An diesen Orten wird an das singuläre Menschheitsverbrechen des Holocausts er- innert. Die Bundesrepublik Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und für die Folgen des Zweiten Welt- krieges. Wie in der Fortschreibung der Gedenkstätten- konzeption des Bundes „Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen“ von 2008 bekräftigt wird, unterstützt die Bundesregierung – ergän- zend zu dem Engagement der Länder und Kommunen – eine Reihe von national bedeutsamen Gedenkstätten, Mahnmalen und Erinnerungsorten zur nationalsozialis- tischen Terrorherrschaft, darunter auch Gedenkstätten in ehemaligen Konzentrationslagern. Hierzu gehören die KZ-Gedenkstätten Buchenwald, Sachsenhausen und Ra- vensbrück. In diesem Jahr werden darüber hinaus die KZ-Gedenkstätten Dachau, Bergen-Belsen, Neuen- gamme und Flossenbürg in die anteilige institutionelle Bundesförderung aufgenommen. 24290 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Frage 40): Wie begründet die Staatsministerin Dr. Maria Böhmer ihre Auffassung, das Einbürgerungsrecht sei mit dem EU-Richtli- nienumsetzungsgesetz nicht erschwert, sondern erleichtert worden (vergleiche dpa vom 29. April 2009), angesichts des Umstandes, dass der Anteil von nach § 10 Abs. 3 des Staats- angehörigkeitsgesetzes Eingebürgerten im Jahr 2008 bei- spielsweise in Berlin gerade einmal 2,5 Prozent und in Ham- burg nur 1,4 Prozent betrug (Abgeordnetenhaus Berlin – Drucksache 16/13073 und Bürgerschaft der Freien und Han- sestadt Hamburg – Drucksache 19/2636) und ein Großteil hiervon nach Satz 1 – erfolgreiche Integrationskursteilnahme – erfolgt sein dürfte und nicht nach Satz 2, der mit dem Richtli- nienumsetzungsgesetz hinzugefügt wurde – „besondere Inte- grationsleistungen“ –, während der allgemeine Rückgang der Einbürgerungen im Jahr 2008 vermutlich mindestens 15 Pro- zent betrug (Süddeutsche Zeitung vom 29. April 2009), und welche Gründe sind nach ihrer Auffassung für diesen erhebli- chen Rückgang verantwortlich, wenn nicht die überwiegende Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts im August 2007? Mit der im Richtlinienumsetzungsgesetz vorgesehe- nen Möglichkeit der vorgezogenen Einbürgerung nach sechsjährigem Aufenthalt bei Vorliegen besonderer Inte- grationsleistungen ist das Staatsangehörigkeitsrecht um eine Einbürgerungsprivilegierung ergänzt worden. Hier- mit sollen neben guten Deutschkenntnissen auch andere besondere Leistungen, die die Integration fördern, hono- riert werden, etwa besondere schulische oder berufliche Leistungen oder ein ehrenamtliches Engagement. Dass die im Staatsangehörigkeitsrecht vorgesehenen Möglich- keiten zur Erleichterung von Einbürgerungen in der Pra- xis noch so wenig angewendet werden, finde ich sehr be- dauerlich. Ich setze mich aber dafür ein, dass über diese Möglichkeiten noch besser informiert wird und sie öfter angewendet werden. Für eine abschließende Bewertung der Einbürge- rungszahlen 2008 ist es derzeit noch zu früh. Der Ver- gleich mit den Entwicklungen der letzten Jahre legt al- lerdings nahe, dass der sich abzeichnende Trend eine ganze Reihe von Ursachen haben wird. Neben bereits seit Jahren rückläufigen Einbürgerungszahlen bei türki- schen Migranten und abnehmendem Einbürgerungsinte- resse bei Bürgern aus vielen EU-Mitgliedstaaten ist auch eine Veränderung des Einbürgerungspotenzials zu beob- achten: Kinder zum Beispiel, die mit der Geburt Deut- sche sind, kommen nicht mehr für eine (Mit-)Einbürge- rung in Betracht. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 16/12922, Frage 41): Ist nach Auffassung der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer die Einbürgerung das Ende einer „erfolgreichen Inte- gration“, sodass es bei der Einbürgerung „hoher Hürden“ be- dürfe, wie der Abgeordnete Stephan Mayer (Altötting) für die Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag erklärte (vergleiche Plenarprotokoll 16/120, Seite 12543 f.), also ge- rade kein Schritt in einem länger andauernden, gegebenenfalls auch generationsübergreifenden Prozess, der zudem die Inte- gration zu fördern vermag, und welche Schlussfolgerungen zieht die Staatsministerin hieraus – bitte begründen – in Be- zug auf mögliche künftige Verschärfungen oder Erleichterun- gen des Staatsangehörigkeitsgesetzes? Nach Auffassung der Bundesregierung stellt die Inte- gration einen Prozess dar, der in manchen Fällen der Einwanderung lebenslang dauern und sich auch noch in den nächsten Generationen fortsetzen kann. Diese Auf- fassung wird auch von der Migrationsforschung gestützt. Erfolgreiche Integration lässt sich daher nicht am Er- werb eines bestimmten Rechtsstatus festmachen. Die Einbürgerung kann in diesem Prozess den Abschluss der Integration bedeuten, die Integration kann aber auch da- rüber hinaus noch andauern. Dies hängt von der indivi- duellen Situation des Einbürgerungsbewerbers und von seinem Bemühen um Integration ab. In jedem Fall ist die Einbürgerung ein entscheidender Schritt oder Abschnitt auf dem Weg der Integration, da der Bewerber für die Einbürgerung bereits vielfache Integrationsleistungen erbracht haben muss, wie zum Beispiel die Fähigkeit, seinen Lebensunterhalt grundsätzlich selbst zu bestrei- ten, ausreichende Deutschkenntnisse und Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensver- hältnisse in Deutschland. Anlage 29 Antwort des Staatsministers Dr. h. c. Gernot Erler auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12922, Frage 42): Teilt die Bundesregierung die pessimistische Prognose für die Entwicklung in Afghanistan seitens des dortigen großen Truppenstellers Kanada (Regierungschef Stephen Harper: ISAF-Truppen dürfen „nicht einfach nur dableiben“. „Offen gesagt glaube ich, dass wir die Aufstände niemals nieder- schlagen werden“, Financial Times Deutschland vom 3. März 2009), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregie- rung angesichts einer offenbar ohnehin nicht zu kontrollieren- den und zu verbessernden Lage für die Fortsetzung des Ein- satzes deutscher Soldaten an dem Krieg in Afghanistan? Die Aussage des kanadischen Premierministers, Stephen Harper, ist im Zusammenhang mit Anpassungen des ka- nadischen militärischen Einsatzes in Afghanistan zu se- hen. Kanada beabsichtigt, sein Engagement auf die Aus- bildung afghanischer Sicherheitskräfte und den zivilen Wiederaufbau zu konzentrieren. Im Übrigen kommen- tiert die Bundesregierung öffentliche Äußerungen be- freundeter Regierungschefs nicht. Es ist eine der Kernaufgaben der von den Vereinten Nationen mandatierten ISAF, die afghanische Regierung mit internationaler Hilfe dazu zu befähigen, selbst für Si- cherheit zu sorgen und extremistischen und terroristi- schen Gruppierungen zu begegnen. Die Bundesregierung unterstützt dies im Rahmen der ISAF. Sie hat dazu in den letzten Jahren kontinuierlich ihre Anstrengungen, unter anderem bei der Ausbildung afgha- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24291 (A) (C) (B) (D) nischer Sicherheitskräfte, Armee und Polizei, erhöht und wird dieses Engagement auf hohem Niveau fortsetzen. Die Bundesregierung ist überzeugt, dass mithilfe des anhaltenden Engagements der Internationalen Gemein- schaft die afghanischen Sicherheitskräfte in die Lage ge- bracht werden können, nachhaltig für die Sicherheit in Afghanistan zu sorgen. Anlage 30 Antwort des Staatsministers Dr. h. c. Gernot Erler auf die Frage des Abgeordneten Reinhard Grindel (CDU/CSU) (Druck- sache 16/12922, Frage 43): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Vorwürfe gegen den türkischen Generalkonsul in Düssel- dorf, Hakan Kivanc, die besagen, dieser habe behauptet, dass die Deutschen, wenn sie es könnten, allen Türkeistämmigen das Gleiche antun würden, was sie während der Nazidiktatur den Juden angetan haben, und dass in den Adern der Deut- schen braunes Blut fließe? Die Vorwürfe gegen den türkischen Generalkonsul in Düsseldorf sind durch die Pressemitteilung der „Initia- tive Mor Gabriel“ vom 25. April 2009 bekannt gewor- den. Die vom türkischen Generalkonsul am 28. April 2009 abgegebene Klarstellung hat das Auswärtige Amt ebenso zur Kenntnis genommen wie das Vorliegen zweier eides- stattlicher Erklärungen, die Teilnehmer an dem Gespräch mit dem türkischen Generalkonsul vom 22. Februar 2009 abgegeben haben und die die Vorwürfe gegen ihn bekräftigen. Das Auswärtige Amt stand hierzu in hochrangigem Kontakt mit der türkischen Seite und hat ihr das große öffentliche Interesse an der Angelegenheit mit Nach- druck erläutert. Es wurde Übereinstimmung erzielt, dass eine schnelle Beilegung der Sache im gemeinsamen Interesse liege. Das türkische Außenministerium hat den Generalkon- sul am 11. Mai 2009 mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Anlage 31 Antwort des Staatsministers Dr. h. c. Gernot Erler auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) (Drucksache 16/12922, Frage 44): Was hat die Bundesregierung in der Angelegenheit des türkischen Generalkonsuls Hakan Kivanc, dem rassistische Äußerungen gegen Deutsche vorgeworfen werden, bereits un- ternommen, und was gedenkt sie noch zu tun? Das Auswärtige Amt hat die türkische Botschaft in Berlin unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe um Aufklärung gebeten. Die vom türkischen Generalkonsul am 28. April 2009 abgegebene Klarstellung hat das Auswärtige Amt ebenso zur Kenntnis genommen wie das Vorliegen zweier eidesstattlicher Erklärungen, die Teilnehmer an dem Gespräch mit dem türkischen Generalkonsul vom 22. Februar 2009 abgegeben haben und die die Vorwürfe gegen ihn bekräftigen. Das Auswärtige Amt stand hierzu in hochrangigem Kontakt mit der türkischen Seite und hat ihr das große öffentliche Interesse an der Angelegenheit mit Nach- druck erläutert. Es wurde Übereinstimmung erzielt, dass eine schnelle Beilegung der Sache im gemeinsamen Interesse liege. Das türkische Außenministerium hat den Generalkon- sul am 11. Mai 2009 mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Anlage 32 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentli- chen Abstimmung über den zusammengeführ- ten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Ab- geordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) Ich stimme dem Gesetzentwurf „Änderung des Schwan- gerschaftskonfliktgesetzes“, Drucksache 16/11347, zu, nachdem ich mich in einer Praxis für Humangenetik aus- führlich habe beraten lassen, wohl wissend, dass keine Frau eine so tiefgreifende Entscheidung leichtfertig fällt; weil die Entscheidung zu einer Spätabtreibung weniger nach dem Ergebnis einer Fruchtwasseruntersuchung mit den Diagnosen Down-Syndrom, Gaumenspalte oder of- fener Rücken fällt, sondern häufiger Folge einer Ultra- schalldiagnose ist, die erst in der 24. Woche oder später sehr schwere Hirnfehlbildungen oder schwere Knochen- wachstumsstörungen feststellt, die die ethisch sehr schwer zu entscheidende Frage nach sich zieht, mit wel- chen Hypotheken ein extrem schwer behindertes Kind durch das Leben gehen muss; weil man nicht davon aus- gehen kann, dass jede gynäkologische Praxis Kenntnis, psychologische Ausbildung, Zeit und Raum bietet, um Eltern bei dieser existenziellen Entscheidung zu beglei- ten; weil in einer zunehmend durch Einwanderung ge- kennzeichneten Gesellschaft in einer Beratung Kenntnis über kulturelle Differenz vorhanden sein muss und eine Sprachvermittlung notwendig sein kann; weil eine Ent- scheidung, die so tief in das Leben einer Frau, eines Kin- des, auch eines Vaters eingreift, Zeit und Umfeld für einen Prozess braucht, der auch Raum für ein Abschied- nehmen eröffnet. Nach dem Gespräch mit der humangenetischcn Bera- tung nehme ich erleichtert zur Kenntnis, dass entgegen landläufiger Vorurteile die Bereitschaft von Eltern eher wächst, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen und mit ihm zu leben, und bin erfreut zu hören, dass außer- dem die Zahl der Frauen eher abnimmt, die eine Frucht- wasseruntersuchung machen lassen, und auf diese Weise immer mehr Frauen ihr Recht auf „Nichtwissen“ in An- spruch nehmen. 24292 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Ich stimme diesem Gesetz zu, wohl wissend, dass ein solches Gesetz die ethische Frage nach dem Recht oder Unrecht der Tötung eines Embryos nicht definitiv beant- worten, sondern lediglich Hilfestellungen für eine mög- lichst informierte, reiflich erwogene Entscheidung bie- ten kann. Anlage 33 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den zusam- mengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Än- derung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abge- ordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) Unser Staat ist – wie jeder Rechtsstaat auf der Erde – zuallererst dem Schutz des Lebens verpflichtet. Von der Verfassung bis hin in viele Einzelregelungen findet die- ser Kernkonsens unserer Zivilisation seinen Nieder- schlag. Die heutige Beratung und Abstimmung über das Schwangerschaftskonfliktgesetz behandelt eine der wohl grundsätzlichsten Fragen zum Schutz des Lebens. Dabei ist meine Position eine, die mich aus christlichem Glau- ben heraus dazu verpflichtet, alle Möglichkeiten zum Schutz des Lebens auszuschöpfen. Natürlich gilt dies in ganz besonderer Weise für Leben, das Schwangere als noch ungeborenes Leben in sich tragen. Dabei ist völlig klar, dass jeder Ansatz ein gemeinsamer Ansatz mit den betroffenen Frauen sein muss und dass wir so viel Hilfe und Unterstützung wie irgend möglich zur Verfügung stellen müssen. Der gemeinsame Gruppenantrag von Kollegen Singhammer und einer großen Zahl weiterer Kollegin- nen und Kollegen verbindet im Rahmen des möglichen Kompromisses von sehr unterschiedlichen Positionen am Ende doch mehrere Elemente, die den Schutz des un- geborenen Lebens wie auch den Schutz von Schwange- ren vor übereilten Entscheidungen unter allzu großem Druck schützen. Wie viele andere hier im Hause und in unserem Lande bin auch ich Pate eines prima Jungen, der heute acht Jahre alt ist. Während der Schwangerschaft wurde der Mutter dieses Jungen von einem Gynäkologen für ihr noch ungeborenes Kind eine schwerste Behinderung, hier Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom, di- agnostiziert. Mutter wie Vater hatten sich schon auf eine schwere Zeit nach der Geburt eingestellt. Sie waren im Übrigen trotz der erwarteten Schwierigkeiten zu keiner Zeit bereit, dieses Kind nicht das Licht der Welt erbli- cken zu lassen. Heute hat dieser Junge, der gerne und gut Fußball spielt, mit vier Jahren und zehn Monaten früh einge- schult wurde, eine Gymnasialempfehlung und wird ab dem nächsten Schuljahr auf eine Hochbegabtenklasse des CJD in Königswinter bei Bonn gehen. Ob Hochbegabter oder Kind mit Down-Syndrom: Es darf keine schweigende Übereinkunft geben, dass Men- schen mit vermuteter oder tatsächlicher schwerer ge- sundheitlicher Beeinträchtigung sozusagen besser nicht leben sollten. Das ist am Ende des menschlichen Lebens ebenso wie am Beginn eine zentrale Frage der Würde des Menschen. Gerade deshalb ist das Thema Spätabtrei- bung eines der so grundsätzlich erörterten Themen. Was sagt uns ein solcher Fall für unsere Debatte um Konflikte in der Schwangerschaft und ärztlichen Dia- gnosen, insbesondere vor dem Hintergrund von Spätab- treibungen? Erstens ist es in unserem Lande Gott sei Dank noch immer so, dass Eltern auch bei prognostizier- ten Schwierigkeiten in bewusster und überlegter Weise eine Entscheidung für das Leben auch von solchen Kin- dern treffen, deren Behinderung zum Zeitpunkt dieser Entscheidung den Eltern klar vor Augen steht. Zweitens zeigt dieser Fall – wie viele andere Fälle, die zum Beispiel der Kollege Hoppe von den Grünen in seinem heutigen Schreiben an alle Bundestagskolleginnen und -kollegen zu diesem Thema ebenfalls anspricht –, wie ganz wichtig auch für diejenigen Schwangeren und ihr Umfeld eine Beratung und ein Sich-Sammeln ist. Dies gilt umso mehr, wenn eine belastende Prognose für die Gesundheit des Kindes gestellt wird, auf das sich die El- tern in diesem Lande Gott sei Dank auch in der Regel sehr freuen. Drittens zeigt dieser Fall, dass wir uns ganz dringend auch in dieser speziellen, sehr grundsätzlichen und sehr ethischen Frage einen guten und möglichst umfassenden Überblick über die Lage der Schwangeren wie auch der aufgrund einer Indikation getöteten Föten verschaffen müssen. Nur wenn wir diese Frage nicht nur von einem ethisch klaren Fundament, sondern auch anhand von umfassender Kenntnis nicht nur der sozialen und der psychologischen, sondern vor allem medizinischen Fak- ten bewerten können, stärken wir mit entsprechenden Hilfsmaßnahmen die Betroffenen darin, eine bewusste und überlegte Entscheidung für das Leben treffen zu können. Dazu brauchen wir genaue Angaben, und diese ge- naueren Angaben wollen wir mit dem datenschutzrecht- lich hart geprüften und vom Bundesdatenschutzbeauf- tragten bejahten Statistikteil dieses Gesetzes erreichen. Es ist in jedem Falle der Mühe wert, sich die genauen Ursachen auch deshalb anzuschauen, weil wir von Be- troffenen und aus Untersuchungen um die Fehldiagno- sen wissen. Dies waren Diagnosen, die nach bestem Wissen und Gewissen erstellt worden sind und dennoch dazu beigetragen haben, dass ungeborenes Leben getötet wurde. In diesem Zusammenhang schließe ich mich denjeni- gen an, die davor warnen, dass sich eine fatale Bereit- schaft allzu weit ausbreiten könnte, je nach Ergebnis der vorgeburtlichen Diagnostik immer mehr und immer schneller eine Entscheidung gegen das ungeborene Le- ben zu treffen. Auch dieser Zweig der Humanwissen- schaften muss sich seiner Risiken bewusst bleiben. Wir wollen keine gezüchteten Kinder mit lupenreinem Stammbaum. Wir Menschen sind zu Empathie, Freud Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24293 (A) (C) (B) (D) und Leid befähigt und auch dazu, mit gesundheitlich be- nachteiligten Menschen diese Freude und das Leid zu teilen und dennoch das Leben für sehr lebenswert zu hal- ten. Dies sage ich aus eigener Anschauung wie auch aus der vielfältigen Erfahrung aus dem privaten wie dem ge- sellschaftlichen Umfeld. So ist es doch sehr begrüßens- und auch sehr bemer- kenswert, dass über 85 Prozent der Schwangeren bzw. der Paare, die das Angebot auf eine psychosoziale Bera- tung wahrgenommen haben, dies als sehr hilfreich emp- fanden. Wenn wir dazu betrachten, dass allerdings die große Mehrheit der angesichts dramatischer Diagnosen unter schweren Druck geratenen Frauen und Paare – wie häufig auch deren familiäres Umfeld – diese offensicht- lich sehr hilfreichen und sicherlich auch seelisch entlas- tenden Angebote gar nicht wahrnimmt, weil sie schlicht nicht bekannt sind, dann ist die Pflicht des Arztes zum Hinweis auf diese Beratungsmöglichkeit der exakt pas- sende Schlüssel, um Druck und Fehlentscheidungen zu minimieren und eine gute und überlegte Entscheidung in vielen Fällen überhaupt erst zu ermöglichen. Dabei dürfen wir in gar keiner Weise unterschätzen, dass Gynäkologen und andere Fachärzte zwar über ein hohes Maß an Kenntnissen und in der Regel auch an Verantwortung in medizinischen Fragen und im Umgang mit Schwangeren verfügen. Dennoch ist dies eine sehr andere Perspektive als die einer die gesamte Lebenslage der Schwangeren und der Paare sowie deren Umfeld be- trachtende Hilfe, die eine solide psychosoziale Bera- tungsstelle als direkte Lebenshilfe auch in schwierigem Umfeld geben kann. Zudem ist es auch kein Einzelfall, was der zu Anfang erwähnten Mutter von inzwischen drei Kindern gleich zu Beginn ihrer ersten Schwangerschaft in Hamburg wider- fahren ist. Sie wurde nach Feststellung der Schwanger- schaft vom Gynäkologen sofort nach ihrem damaligen Status – sie war Musikstudentin – und dem ihres Partner – ebenfalls Student – gefragt. Die unmittelbar anschlie- ßende Frage, ob dieses Kind denn ein geplantes bzw. ein Wunschkind sei, zeigt eine Richtung auf, die es weder in Konfliktsituationen noch im Normalfall geben sollte. Eine Schwangerschaft sollte in unserem Lande auch weiterhin wie überall auf der Welt als ein zutiefst freudi- ges Ereignis betrachtet und unterstützt werden. Die nicht aus Deutschland stammende Mutter war entsetzt über die mangelnde Freude und die nüchterne, vielleicht ty- pisch deutsche „Risikoanalyse“ mit klar durchscheinen- der Tendenz zur „Problematisierung“ der Schwanger- schaft eines damaligen Studentenpaares. Als Antwort hat der Arzt übrigens erhalten, dass es sich nicht um eine ge- plante Schwangerschaft, sehr wohl aber um ein Wunsch- kind handele. So etwas soll es ja hierzulande, trotz aller Diagnostik, öfter geben. Was also müssen wir beachten, wenn wir über die sehr grundsätzliche Frage entscheiden, wie Schwangere mit einer schweren Diagnose für ihr noch ungeborenes Kind umgehen sollen? Die erste Antwort ist die Einfüh- rung einer Pflicht der Ärzte zur Beratung – immer im Einvernehmen mit der Frau –, wenn bei einer diagnosti- zierten Behinderung des ungeborenen Kindes gegebe- nenfalls ein Schwangerschaftsabbruch vorgesehen ist. Zweitens müssen bei der jeweiligen diagnostizierten Schädigung des ungeborenen Kindes zwingend in die- sem Feld erfahrene Ärzte hinzugezogen werden. Fehl- diagnosen, die zum Töten ungeborener Kinder führen können, müssen nach allem, was möglich ist, ausge- schlossen werden. Drittens müssen Ärzte zum ausdrücklichen Hinweis auf die Angebote zur Beratung auch außerhalb der Arzt- praxis in dafür geeigneten Beratungsstellen bzw. Selbst- hilfegruppen verpflichtet werden, an die er im Einver- ständnis mit der Schwangeren viertens diese vermitteln muss. Fünftens ist die dreitägige Bedenkzeit für die Schwangere, die Partner, das gesamte private Umfeld und das ungeborene Kind eine zentrale Chance, dass es keine Entscheidungen unter Schock oder unter unerträg- lichem Druck geben muss. Sechstens soll ein gewissenhafter Ablauf dadurch si- chergestellt werden, dass der Arzt die Pflicht auferlegt erhält, in diesen besonderen Fällen eine schriftliche Be- stätigung darüber von der Frau einzuholen, dass es eine Beratung bei einer Beratungsstelle gab oder darauf ver- zichtet wurde. Zudem müssen alle diese Pflichten der Ärzte so klar geregelt werden, dass möglichst viel Druck von der Schwangeren genommen und gleichzeitig dem Arzt vor Augen geführt wird, dass es aus diesem konstruktiven Ansatz zu einem Hinweis auf Beratung keinen Ausweg gibt. Dies drückt auch die Höhe des Bußgeldes aus. Dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä- rung zudem ihre Möglichkeiten zur Erstellung und Ver- teilung entsprechender Informationen für Ärzte und Betroffene einzusetzen hat, dokumentiert unsere Ent- schlossenheit, zu diesem ernsten Thema auch ernsthafte Aufklärungsarbeit zu erreichen. Alles in allem ist der gefundene Kompromiss ein wichtiger Schritt nach Jahren der ernsten Diskussion zu einem schweren Thema. Es steht diesem Parlament gut an, sich in einer Entscheidung zugunsten des Schutzes der Schwangeren und ihrer ungeborenen Kinder klar für den Gesetzentwurf auszusprechen, der über alle Frak- tionsgrenzen hinweg in verantwortlichem und zähem Ringen den Kompromiss ermöglicht, der ein Mehr an Schutz für die Zukunft vorsieht und rechtliche Lücken schließt, die zwingend geschlossen werden müssen. Der Eingriff der Spätabtreibung ist und bleibt ein schwerster und für alle schwer erträglicher Eingriff. Es ist ein spätes, aber zugleich hoffnungsvolles Zeichen dieser Wahlperiode, dass sich der Deutsche Bundestag in intensiver und verantwortungsvoller Weise damit be- fasst. Das menschliche Leben und die schweren Belas- tungen der hier betroffenen Frauen und Eltern sind diese Mühe allemal Wert. Dass dieses Thema ein zentrales bleibt, ist uns allen bewusst. Kindern und ihren Eltern weiter zum Leben zu 24294 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) verhelfen und im Leben zur Seite zu stehen, bleibt eine hohe moralische und eine sehr konkrete Verpflichtung. Anlage 34 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschafts- konfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und an- derer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) Obwohl ich mich in der ersten Lesung für eine Bera- tungspflicht ausgesprochen habe und nach wie vor der Meinung bin, dass es besser wäre, gerade auch in den schwerwiegenden Konfliktfällen nach einem embryopa- thischen Befund zu einem späten Zeitpunkt der Schwan- gerschaft eine qualifizierte psychosoziale Beratung durch eine unabhängige Beratungsstelle verbindlich zu machen, kann ich jetzt dem veränderten gemeinsamen Gesetzentwurf von Singhammer, Griese und Lenke zu- stimmen. Für eine wirkliche Pflichtberatung hätte es keine Mehrheit im Deutschen Bundestag gegeben. Deshalb habe ich keinen entsprechenden Änderungsantrag mehr eingebracht. Es ist jedoch gelungen, in dem gemeinsa- men Gesetzentwurf von Singhammer, Griese und Lenke einen Passus zu verankern, der die Bedeutung der unab- hängigen psychosozialen Beratung stärker betont und die Chance erhöht, dass sie auch in Anspruch genommen wird. Anlage 35 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubert Hüppe (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über Art. 1 Nr. 1 bis 3 und Art. 2 des zusammengeführten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Abgeord- neten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abgeordneter und zu der namentlichen Abstimmung über Art. 1 Nr. 4 des zusammengeführten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschafts- konfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und an- derer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) Ich stimme heute für den gruppenübergreifenden Ge- setzentwurf von Johannes Singhammer, Renate Schmidt und anderen, obwohl ich ein Verbot von Spätabtreibun- gen befürworte. Dennoch ist der Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung. Die Möglichkeit, ungeborene Kinder, vor allem Kin- der mit Behinderungen bis kurz vor der Geburt rechtmä- ßig und zulasten der Versichertengemeinschaft zu töten, obwohl keine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren vorliegt, ist nicht hin- nehmbar. So wird es weiter möglich sein, Kinder im achten Monat im Mutterleib im Krankenhaus zu töten, während im selben Haus ein „Frühchen“ mit allen Mög- lichkeiten der Medizin gerettet wird. Entscheidend für die Legalität dieses Handelns ist nur der Aufenthaltsort des Kindes: Das Kind muss noch im Mutterleib getötet werden. Mir ist ein Fall aus Berlin bekannt, wo bei einer Zwil- lingsschwangerschaft im achten Monat nur wenige Mi- nuten vor der Geburt durch Kaiserschnitt einer der Zwil- linge, bei dem ein pränataldiagnostischer Befund vorlag, durch eine gezielte Kaliumchloridinjektion ins Herz ge- tötet wurde. Diesen Fall schilderte der durchführende Professor auf dem Berliner Perinatalmedizin-Kongress. In der Zeitschrift des Menschenrechtszentrums der Universität Potsdam wurde 2002 folgender Fall geschil- dert: Unlängst hatte das Landgericht Görlitz den Fall ei- ner ,misslungenen‘ Spätabtreibung zu entscheiden. Hier hatte der Chefarzt der Zittauer Frauenklinik in der 29. Schwangerschaftswoche eine Abtreibung nach § 218 a Abs. 2 StGB versucht. Weil das Kind außerhalb des Mutterleibs noch zu leben schien, hielt der Arzt ihm Mund und Nase zu, um es zu er- sticken. Im Prozeß ließ sich nicht mehr klären, ob das Kind hieran tatsächlich erstickte oder zu diesem Zeitpunkt bereits tot war. Deshalb wurde der Arzt auch nur wegen versuchter Abtreibung in Tateinheit mit versuchtem Totschlag verurteilt; das Strafmaß wurde auf zwei Jahre Strafhaft auf Bewährung fest- gesetzt. Um sicherzustellen, dass Kinder nicht mehr, wie in der Vergangenheit Tim K., der als „Oldenburger Baby“ bekannt wurde, ihre eigene Abtreibung überleben, wer- den heute die meisten Kinder bei späten Abtreibungen bereits im Mutterleib getötet, indem man ihnen Kalium- chlorid direkt ins Herz injiziert. Eine weitere Methode besteht darin, das Desinfektionsmittel Ethacridinsäure – „Rivanol“ – in das Fruchtwasser zu spritzen. So be- richteten deutsche Mediziner aus führenden Zentren in Bonn, Hamburg und Lübeck in einer 2006 erschienenen Veröffentlichung, in ihren Zentren werde Ethacridinsäure allen Patientinnen zur Abtreibung im zweiten Trimester angeboten, obwohl es dafür offiziell nicht zugelassen sei. Die Abtreibung dauere im Mittel 40,5 Stunden. Bei Schwangerschaften über 22 Wochen werde grundsätz- lich zusätzlich ein Fetozid durch Injektion von Kalium- chlorid in die Nabelschnurvene durchgeführt. In der Anhörung vom 16. März 2009 mussten wir er- leben, wie der als Sachverständiger geladene Vorsit- zende eines Frauenärzteverbandes Menschen mit Down- Syndrom wiederholt mit der diskriminierenden Vokabel „mongoloid“ belegte, obwohl die Weltgesundheitsorga- nisation – vergleiche Wikipedia – bereits 1965 diesen und ähnliche Begriffe aus ihrem Vokabular entfernt hat. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24295 (A) (C) (B) (D) Wieso werden Frauen, die sofort nach der Geburt ihr Kind abnabeln und töten, bestraft? Diese Frauen trifft re- gelmäßig die Empörung der ganzen Gesellschaft. Wür- den hingegen dieselben Kinder mit einer medizinischen Indikation wenige Stunden oder – wie im Berliner Zwil- lingsfall – gar Minuten vor der Geburt getötet, wäre dies nicht nur formal rechtmäßig, sondern könnte im Kran- kenhaus durchgeführt werden und würde durch die Ge- meinschaft der Krankenkassenmitglieder finanziert. Irgendwann wird möglicherweise die Frage gestellt werden, warum ein neugeborenes Kind vollen Lebens- schutz auch dann genießen soll wenn es durch die Ge- burt – zum Beispiel nach Sauerstoffmangel – schwerst- behindert ist oder wenn seine Behinderung erst nach der Geburt festgestellt wird. Die heutige Praxis der Pränatal- diagnostik und die bei auffälligem Befund folgende Ab- treibung zeigen das Bild einer Gesellschaft, die die Ge- burt eines Menschen mit Behinderung als vermeidbaren Schaden ansieht. Die Praxis leistet dem impliziten Vor- wurf gegenüber Eltern behinderter Kinder, sie hätten „das doch vorher wissen können“, Vorschub und stellt letztlich die Existenzberechtigung unserer behinderten Mitbürger in Frage. Damit will und werde ich mich nicht abfinden. Ich stimme weiterhin der heute separat zur Abstim- mung gestellten Verbesserung der Bundesstatistik für Schwangerschaftsabbrüche zu und würde es außeror- dentlich bedauern, wenn diese Initiative keine Mehrheit fände. Denn der deutsche Gesetzgeber weiß bislang nicht, wie viele Kinder etwa mit Down-Syndrom abge- trieben werden, weil die einer medizinischen Indikation möglicherweise zugrunde liegenden pränataldiagnosti- schen Befunde für die Bundesstatistik nicht erfasst wer- den. Hierzu kann der deutsche Gesetzgeber allenfalls Schätzungen auf Basis ausländischer Studien anstellen, die bei pränatal diagnostiziertem Down-Syndrom 92 Pro- zent Abtreibungen benennen. Der deutsche Gesetzgeber weiß heute nicht, wie vielen der unter medizinischer In- dikation gemeldeten Abtreibungen überhaupt ein prä- nataldiagnostischer Befund zugrunde liegt. Umgekehrt weiß der deutsche Gesetzgeber nicht, bei wie vielen der unter medizinischer Indikation gemeldeten Abtreibun- gen eine schwere Erkrankung, ein Unfall oder eine an- dere direkte Lebens- oder Gesundheitsgefahr für die Mutter ausschlaggebend ist, aber kein auffälliger prä- nataldiagnostischer Befund zugrunde liegt. Zudem weiß der deutsche Gesetzgeber heute nicht, in wie vielen Fäl- len ein Fetozid durchgeführt wird, etwa zur sogenannten Mehrlingsreduktion nach Hormonstimulation im Rah- men medizinischer Fruchtbarkeitsbehandlung oder nach IVF. Wir wissen, dass heute vielfach Fetozide unter Ultra- schall von niedergelassenen Ärzten durchgeführt wer- den, diese den Fetozid aber nicht notwendig als Schwan- gerschaftsabbruch zur Bundesstatistik melden, da sie schließlich keinen Schwangerschaftsabbruch im Sinne des Gesetzes durchgeführt haben. Die Schwangeren be- geben sich mit dem sterbenden oder bereits toten Kind in ein Krankenhaus, wo das Kind tot zur Welt kommt, und die betreffenden Krankenhäuser müssen ebenfalls kei- nen Schwangerschaftsabbruch zur Bundesstatistik mel- den, da sie schließlich keinen Abbruch der Schwanger- schaft im Sinne des Gesetzes durchgeführt haben. Die Vermutung ist begründet, dass hierdurch eine hohe Zahl von Fällen in der Bundesstatistik nicht aufscheint. Wir wissen, dass die Erhebungsbögen, die das Statis- tische Bundesamt an die in seiner Kartei enthaltenen Meldepflichtigen versendet, den Fetozid nicht als eige- nes Erhebungsmerkmal vorsehen. Die Bundesärztekam- mer und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe hat uns mehrfach mehr als deutlich auf die- sen Missstand hinsichtlich der Meldung des Fetozids hingewiesen. Zu Beginn der 14. Wahlperiode hat im Rahmen der damaligen interfraktionellen Gespräche zur Spätabtrei- bung eine Kollegin, stellvertretende Vorsitzende ihrer Fraktion, der eingeforderten Verbesserung der Bundes- statistik eine kategorische Absage erteilt mit der Begrün- dung, dann bekämen wir Zahlen, die uns eine Debatte bescheren könnte, die niemand von uns wollen könne. Mitunter wurde der geforderten Verbesserung der Bundesstatistik auch entgegengehalten, dies würde an- gesichts der geringen Zahl der Fälle Rückschlüsse auf die Person der betroffenen Schwangeren ermöglichen. Dieser möglichen Befürchtung ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, in seinem Schreiben an den Familienausschuss vom 1. April 2009 deutlich entgegengetreten: Anlässlich der Diskussion um die Änderung des SchKG bin ich aus der Mitte des Deutschen Bun- destages um datenschutzrechtliche Prüfung der in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (Bundestagsdruck- sache 16/11106) vorgeschlagenen Ergänzungen zu Paragraph 16 SchKG gebeten worden. Dabei steht zunächst die Frage im Vordergrund, ob wegen der kleinen Fallzahlen, die durch die Erhebung zusätz- licher statistischer Merkmale bei der statistischen Auswertung entstehen können, datenschutzrechtli- che Bedenken bestehen. Dies ist nicht der Fall. Die kleinen Fallzahlen stellen kein Problem bei der Er- hebung statistischer Daten dar, wohl aber bei der Veröffentlichung statistischer Ergebnisse. Es han- delt sich hier um eine Konstellation, die bei vielen Statistiken auftreten kann, dass zum Beispiel für be- stimmte Fallgruppen nur ein oder zwei Erhebungs- einheiten vorhanden sind. In solchen Fällen ist es ein Gebot der statistischen Geheimhaltung (§ 16 Bundesstatistikgesetz – BStatG –), derartige Zahlen nicht zu veröffentlichen, sondern sie mit Hilfe sta- tistisch mathematischer Methoden in ausreichend große Fallzahlen zu überführen. Hierdurch wird si- chergestellt, dass nur tatsächlich anonymisierte Er- gebnisse veröffentlicht werden. Es besteht auch keine Gefahr, dass die für statistische Zwecke gemäß §§ 15 bis 18 SchKG durch das Statistische Bundes- amt erhobenen Daten für andere als rein statistische Zwecke genutzt werden könnten, also etwa für Strafverfolgungszwecke oder für Verwaltungsmaß- nahmen. Die strenge Zweckbindung der für die Sta- tistik erhobenen Daten ist ein hergebrachter Grund- 24296 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) satz der amtlichen Statistik, dessen strikte Beachtung vor allem durch das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 nochmals besonders hervorgehoben wurde. Alle Rechts- grundlagen der Bundesstatistik und insbesondere das Bundesstatistikgesetz berücksichtigen diesen Zweckbindungsgrundsatz. Auch die nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz erhobenen Daten werden nur für statistische Zwecke und nur im streng abgeschotteten Bereich der amtlichen Statis- tik verarbeitet. Dabei werden gemäß § 12 BStatG die eine Identifizierung ermöglichenden Merkmale (Hilfsmerkmale) zum frühestmöglichen Zeitpunkt gelöscht. Bereits vorher werden sie von den Erhe- bungsmerkmalen getrennt und gesondert aufbe- wahrt. Damit ist sichergestellt, dass die erhobenen Daten nur für statistische Zwecke verwendet und nur in anonymisierter Form veröffentlicht werden. Auch angesichts der in letzter Zeit bekannt gewor- denen Datenskandale besteht für den Bereich der amtlichen Statistik kein Anlass zur Besorgnis. Mir ist, auch aus weiter zurückliegender Zeit, kein ein- ziger Fall der Verletzung des Statistikgeheimnisses bekannt geworden. Der Gesetzgeber hat eine Beobachtungspflicht für die Wirkung seiner Gesetze, die gegebenenfalls eine Nach- besserungspflicht auslöst. Dies hat das Bundesverfas- sungsgericht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Ein Recht auf Nichtwissen hinsichtlich des unter seiner gesetzgeberischen Verantwortung stattfindenden Ge- schehens kann und darf der Gesetzgeber für sich gerade nicht beanspruchen. Daher werde ich der heute zur Abstimmung gestellten Verbesserung der Bundesstatistik für Schwangerschafts- abbrüche zustimmen. Anlage 36 Erklärung des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) zu dem zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwanger- schaftskonfliktgesetzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke (FDP) und anderer Abgeordneter (Tages- ordnungspunkt 3 a) Den vorliegenden Gesetzentwürfen und Anträgen zum Thema Schwangerschaftskonfliktgesetz werde ich nicht zustimmen. Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass sich El- tern die Entscheidung für oder gegen ein Kind nicht leicht machen, wenn bei einer vorgeburtlichen Untersu- chung – ob in einem frühen oder späten Stadium – der Schwangerschaft „Auffälligkeiten“ festgestellt wurden. Aber genau hier beginnen meine Schwierigkeiten. Was heißt das: eine „Auffälligkeit“? Ein bestimmtes Ge- schlecht, die Haarfarbe, die Größe, eine Behinderung? Was ist denn das für ein Menschenbild? Eine Gesell- schaft, die Kinder nicht haben will, weil sie nicht einer wie auch immer konstruierten Normvorstellung entspre- chen, kann ich nicht unterstützen. Ich komme aus einer Bewegung, die stets die Erinne- rungen an Euthanasieverbrechen mit sich trägt. Vor die- sem Hintergrund stehe ich jedem Ansatz von Aussonde- rung sehr kritisch gegenüber. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass ein Leben mit Behinderungen nicht ein- fach ist, weder für die Betroffenen selbst noch für deren Eltern. Nein, diese Gesellschaft steht nicht an ihrer Seite, nein, sie inkludiert nicht. Sie hält Barrieren aufrecht und stellt neue auf. Sich für ein Kind mit Behinderungen zu entscheiden, bedeutet, sich für ein Leben gegen die Norm zu entscheiden. Das ist eine schwere Entschei- dung; ein einfaches „Ja, das ist das einzig Richtige“ gibt es nicht. Auch nicht von mir. Aber die heutige Debatte wird in der öffentlichen Wahrnehmung auf die Fragen verkürzt: Spätabtreibung ja oder nein? Zwangsbedenkzeit oder Vertrauen? So dringen weder die Differenzierungen noch gar die sehr detaillierten Vorschläge im Antrag der Linken durch, die das vielfältige Leben mit Beeinträchtigungen nicht nur erleichtern, sondern es sogar als Bereicherung für die ge- samte Gesellschaft begreifen lassen würden. Deswegen bräuchten wir genauso engagierte Debatten – dann aber mit den Betroffenen als Hauptprotagonisten – über eine Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in der all- täglichen Wirklichkeit. Und wir bräuchten Wertedebat- ten, in denen wir uns darüber verständigen, was es heißt, dass noch immer 86 Prozent der Bundesbürger der Mei- nung sind, dass es unverantwortlich ist, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen. Die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik bringen heute Schwangere sofort in einen unerträglichen Recht- fertigungszwang, wenn sie einfach ihr Kind auf altherge- brachte Weise zur Welt bringen wollen. Und wenn ein Kind mit Behinderungen geboren wird, müssen sich so- wohl seine Eltern als das Heranwachsende für seine Existenz rechtfertigen. Ich frage noch einmal: Was ist denn das für ein Menschenbild? Ich möchte eine Gesell- schaft, die Vielfalt lebt, das Recht auf Vielfalt stärkt, ja, die Vielfalt will. Lassen Sie mich dennoch feststellen – darauf lege ich großen Wert –: Ich stelle das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren sowie ihres Partners oder ihrer Partne- rin nicht infrage. Ich stimme dem Satz im Antrag der Linken ausdrücklich zu, dass Frauen auch in schwieri- gen Situationen nicht vor sich selbst geschützt werden müssen. Jegliche Verschärfung des repressiven Abtrei- bungsrechts weise ich entschieden zurück. Zwang ist kein gutes Mittel, auch nicht bei Beratungen. Schwangere und deren Partner oder Partnerin sollen die Möglichkeit und den Anspruch auf umfassende, vertrauensvolle und er- gebnisoffene medizinische und psychosoziale Beratung und Unterstützung haben. Aber diese Beratung muss ei- gentlich in der Schule beginnen. Entscheidend ist für mich, welches Menschenbild dabei transportiert wird. Eines, das auf „Normalitätskonstruktionen“ setzt, wird immer zu dem Ergebnis führen, „Abweichungen“ nega- tiv zu bewerten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24297 (A) (C) (B) (D) Mit dieser Erklärung zur Abstimmung gebe ich zu, dass ich mich in einem tiefen Dilemma befinde. Anlage 37 Erklärung des Abgeordneten Sigmar Gabriel (SPD) zu dem zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktge- setzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abge- ordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) Ich werde fälschlicherweise als Abgeordneter ge- nannt, der den Entwurf der Kollegin Humme zum Schwangerschaftskonfliktgesetz unterzeichnet hat. Dies ist nicht der Fall. Ich habe dagegen den Entwurf der Kol- legin Griese zu dem entsprechenden Gesetz unterschrie- ben – und bin dort ebenfalls genannt. Anlage 38 Erklärung der Abgeordneten Miriam Gruß (FDP) zu dem zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktge- setzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abge- ordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) Hiermit bitte ich, meinen Namen aus dem Rubrum des zusammengeführten Gesetzentwurfs der Abgeordne- ten Singhammer, Griese, Lenke und anderer – betrifft „Spätabtreibungen“ – zu nehmen. Anlage 39 Erklärung der Abgeordneten Cornelia Pieper (FDP) zu dem zusammengeführten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktge- setzes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und anderer Abge- ordneter (Tagesordnungspunkt 3 a) Der Name Pieper, Cornelia im Rubrum des zusammen- geführten Gesetzentwurfs der Abgeordneten Singhammer, Griese, Lenke und anderer ist falsch und zu streichen. Anlage 40 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung und den Bericht: Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen (Tages- ordnungspunkt 11) Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Die SPD-Bundes- tagsfraktion war in der Koalitionsregierung die treibende Kraft für einen Stopp von gentechnisch verändertem Mais. An den Beratungen der SPD-Bundestagsfraktion war ich intensiv beteiligt. Meine Vorstellungen wurden zwar aufgegriffen, konnten jedoch angesichts der Koali- tionsvereinbarungen gegenüber der CDU/CSU-Fraktion nicht durchgesetzt werden. Im Landkreis Kitzingen sollte Genmais auf einer Flä- che von 65 Hektar, von 67 Hektar in ganz Bayern, ange- baut werden. Ich habe mich in meinem Wahlkreis auf mehreren Demonstrationen und auch in Presseveröffent- lichungen gegen den Genmaisanbau konkret ausgespro- chen. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis stimme ich dem vorliegenden Antrag zu. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Auf Weisung von Bun- desministerin Ilse Aigner hat das BVL am 14. April 2009 in einer Einzelfallentscheidung das Ruhen der Ge- nehmigung von MON 810 angeordnet. Damit ist der An- trag in seinem Hauptanliegen gegenstandslos. Entscheidungen über innovative Technologien wie die Grüne Gentechnik dürfen nur auf Basis wissen- schaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. Hierbei ist die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt oberstes Gebot. Eine intensive Forschung, insbesondere Sicher- heitsforschung, ist damit unerlässlich. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen bekennt sich nicht klar zu dieser Notwendigkeit. Seit der Formulierung der Beschlussempfehlung durch den zuständigen Ausschuss für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz sind keine neuen wissen- schaftlichen Erkenntnisse hinzugekommen, die eine neue Beurteilung erfordern. Aus diesen Gründen stimmen wir der Beschlussemp- fehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu. Dr. Matthias Miersch (SPD): Im April 2009 hat die zuständige Bundesministerin Ilse Aigner den Anbau des einzigen zu kommerziellen Zwecken zugelassenen GVO- Konstruktes, des Bt-Mais Mon 810, verboten. Wir unter- stützen dieses Verbot. Im März 2009 hatte Bundesminister Gabriel gegen die Untersagung des in Österreich und Ungarn bereits seit längerem bestehenden Verbots des Anbaus von Mon 810 gestimmt. Wir unterstützen dieses Vorgehen. Auch Frankreich, Polen, Griechenland und Luxem- burg, wo der Anbau von Mon 810 ebenfalls untersagt ist, dürfen von der EU nicht gezwungen werden, den Anbau wieder zuzulassen. Einen Eilantrag der Firma Monsanto gegen das Verbot, Genmais der Linie MON 810 anzu- bauen, hat das Verwaltungsgericht Braunschweig am 5. Mai 2009 abgelehnt. In der Begründung heißt es, dass neuere Untersuchungen darauf hindeuten könnten, dass der im Genmais produzierte Giftstoff nicht nur gegen den Schädling wirke, der damit bekämpft werden solle, sondern auch gegen weitere Insekten. Außerdem sei nach aktuellen Studien davon auszugehen, dass sich die 24298 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Genmaispollen deutlich weiter verbreiten können, als dies bisher angenommen wurde. Das Verbot des kommerziellen Anbaus von Mon 810 ist die Konsequenz aus dem im Koalitionsvertrag verein- barten Schutz von Mensch und Umwelt als oberstem Ziel gemäß dem Vorsorgegrundsatz. Weitere Konse- quenzen müssen auf EU-Ebene die Ablehnung der Neu- zulassung von Mon 810 und der Zulassungen der gen- technisch veränderten Maissorten Bt 11 und 1507 sein, denn ähnlich wie bei Mon 810 können auch bei diesen Konstrukten negative Effekte auf Insekten und andere Organismen nicht ausgeschlossen werden. Nach meiner Überzeugung muss dem Vorsorgegrund- satz im EU-Zulassungsverfahren stärker Rechnung ge- tragen werden. Unsere Fraktion hatte deshalb mehrere Entwürfe für Anträge erarbeitet, mit denen die Bundes- regierung beauftragt werden sollte, sich auf EU-Ebene für eine Überarbeitung der Gentechnikregelungen einzu- setzen. Darin haben wir unter anderem ein transparentes und demokratisches Zulassungsverfahren gefordert, das sicherstellt, dass neben der unbedingten Einhaltung des Vorsorgeprinzips weitere Aspekte des gesellschaftlichen Interessensausgleichs – zum Beispiel Folgekosten – ein- bezogen werden. Auch die Absicherung der gentechnik- freien Regionen ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir wollten zum einen die Bundesregierung beauftragen, sich auf EU-Ebene für eine verbindliche Regelung für gentechnikfreie Regionen einzusetzen, zum anderen ha- ben wir einen Weg aufgezeigt, wie auch auf nationaler Ebene mit einer fruchtartspezifischen Lösung bereits jetzt mehr Verbindlichkeit für gentechnikfreie Regionen geschaffen werden könnte. Unsere Entwürfe konnten nicht eingebracht werden, weil der Koalitionspartner die Unterstützung verweigert hat. Auch die CSU-Kollegen waren nicht bereit, unsere Initiativen zu unterstützen – obwohl die CSU in Bayern diese Forderungen öffentlich vertritt. Wir stimmen der vorliegenden Beschlussempfehlung zu, die die Ablehnung des Antrags der Grünen vorsieht, denn in wesentlichen Punkten ist der Antrag erledigt. Es ist uns aber ein Anliegen, hier zu erklären, dass es uns nicht ausreicht, wenn in diesem Jahr kein kommerzieller Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutsch- land mehr stattfindet. Wir sehen uns dem Vorsorgeprinzip verpflichtet und werden uns für seine konsequente Durchsetzung auch auf EU-Ebene einsetzen. Und dies nicht nur in diesem (Wahl-)Jahr und mit Worten sondern auch weiterhin und mit Taten. Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Auf Weisung von Bundesministerin Ilse Aigner hat das BVL am 14. April 2009 in einer Einzelfallentscheidung das Ruhen der Ge- nehmigung von MON 810 angeordnet. Damit ist der An- trag in seinem Hauptanliegen gegenstandslos. Entscheidungen über innovative Technologien wie die Grüne Gentechnik dürfen nur auf Basis wissen- schaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. Hierbei ist die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt oberstes Gebot. Eine intensive Forschung – insbesondere Sicher- heitsforschung – ist damit unerlässlich. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen bekennt sich nicht klar zu dieser Notwendigkeit. Seit der Formulierung der Beschlussempfehlung durch den zuständigen Ausschuss für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz sind keine neuen wis- senschaftlichen Erkenntnisse hinzugekommen, die eine neue Beurteilung erfordern. Aus diesen Gründen stimme ich der Beschlussemp- fehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu. Anlage 41 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Konrad Schily (FDP) und Otto Schily (SPD) zur namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Bericht: Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11) Gegen eine gentechnische Forschung auch in der Pflanzenzüchtung ist im Prinzip nichts einzuwenden. Der letzte Welternährungsbericht jedoch, der sich mit dem Hunger in der Welt beschäftigt, konstatiert keine Verbesserungen der Ernährungslage aufgrund der soge- nannten Grünen Gentechnik und hebt in seinen Schluss- folgerungen darauf ab, dass die kleinbäuerlichen Struk- turen zu stärken seien und die traditionell gezüchteten lokalen Sorten bewahrt werden sollten. Außerdem besteht bei Verwendung patentgeschützten Saatgutes zunehmend die Gefahr einer Oligopol- oder sogar Monopolbildung auf der Anbieterseite des Saatgu- tes und eine daraus resultierende Abhängigkeit auf der Seite der bäuerlichen Betriebe. Diese Frage ist bisher völlig ungelöst. Letztlich ist es unverständlich, warum die Grüne Gen- technik gegen den offenkundig mehrheitlichen Willen der Bevölkerung behördlich duchgesetzt werden soll. Aus diesem Grunde bejahen wir den Antrag der Grü- nen und lehnen die Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher- schutz ab. Anlage 42 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Wolfgang Zöller, Maria Eichhorn, Dr. Max Lehmer und Max Straubinger (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht: Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11) Auf Weisung von Bundesministerin Ilse Aigner hat das BVL am 14. April 2009 in einer Einzelfallentschei- dung das Ruhen der Genehmigung von MON 810 ange- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24299 (A) (C) (B) (D) ordnet. Damit ist der Antrag in seinem Hauptanliegen gegenstandslos. Entscheidungen über innovative Technologien wie die Grüne Gentechnik dürfen nur auf Basis wissen- schaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. Hierbei ist die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt oberstes Gebot. Eine intensive Forschung – insbesondere Sicher- heitsforschung – ist damit unerlässlich. Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bekennt sich nicht klar zu dieser Notwendigkeit. Seit der Formulierung der Beschlussempfehlung durch den zuständigen Ausschuss für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz sind keine neuen wis- senschaftlichen Erkenntnisse hinzugekommen, die eine neue Beurteilung erfordern. Aus diesen Gründen stimmen wir der Beschlussemp- fehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu. Anlage 43 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer, Hartmut Koschyk, Norbert Geis, Josef Göppel, Dr. Wolfgang Götzer, Gerda Hasselfeldt, Ernst Hinsken, Klaus Hofbauer, Bartholomäus Kalb, Alois Karl, Eduard Lintner, Stephan Mayer (Altötting), Dr. h. c. Hans Michelbach, Marlene Mortler, Dr. Gerd Müller, Stefan Müller (Erlan- gen), Dr. Georg Nüßlein, Eduard Oswald, Daniela Raab, Albert Rupprecht (Weiden), Dr. Andreas Scheuer, Christian Schmidt (Fürth), Thomas Silberhorn, Johannes Singhammer, Matthäus Strebl und Dr. Hans-Peter Uhl (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen (Tagesordnungspunkt 11) Das Kernanliegen des Antrags ist erfüllt. Anbau und Verkauf der gentechnisch veränderten Maissorte MON 810 sind in Deutschland nicht mehr zulässig. Das Ruhen, der Genehmigung von MON 810 ist seit 14. April 2009 angeordnet. Diese Entscheidung der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz war angesichts der unterschiedli- chen Risikobewertung durch die fachlich befassten Bundesbehörden vom Vorsorgeprinzip geboten. Die Ent- scheidung von Bundesministerin Ilse Aigner ist richtig und wird von uns unterstützt. Deshalb lehnen wir den Antrag nicht ab. Die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat ihre Einzelfallentscheidung zu MON 810 auf der Basis der vorliegenden wissen- schaftlichen Untersuchungen getroffen. Entscheidungen über innovative Technologien und ihre Anwendung müssen in jedem Fall anhand fundierter wissenschaftli- cher Erkenntnisse und unter Beachtung höchster Sicher- heitsmaßstäbe getroffen werden. Forschung zur Grünen Gentechnik bleibt insbesondere im Hinblick auf die Si- cherheit für Mensch, Tier und Umwelt in vollem Um- fang notwendig. Der Antrag bringt die erforderliche Of- fenheit gerade gegenüber der Forschung zu Sicherheitsfragen der Grünen Gentechnik nicht zum Ausdruck. Die in dem Antrag enthaltenen Angriffe auf die Sachkunde und die Integrität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Behörden und For- schungseinrichtungen weisen wir entschieden zurück. Deshalb stimmen wir dem Antrag nicht zu. Aus den genannten Gründen enthalten wir uns bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung auf Druck- sache 16/12841. Anlage 44 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Ulrich Kelber, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Marianne Schieder, Volker Blumentritt, Josip Juratovic, Dr. Wolfgang Wodarg, Gabriele Fograscher, Jella Teuchner, Anette Kramme, Hilde Mattheis, Johannes Jung (Karlsruhe), Dr. h. c. Susanne Kastner, Heinz Paula, Engelbert Wistuba, Lothar Binding (Heidelberg), Ewald Schurer, Heidi Wright, Petra Ernstberger, Marco Bülow, Martin Burkert, Dr. Carl- Christian Dressel, Dr. Bärbel Kofler, Jörg Tauss, Hedi Wegener, Holger Ortel, Christoph Pries, Rita Schwarzelühr-Sutter, Heinz Schmitt (Lan- dau), René Röspel, Mechthild Rawert, Angelika Graf (Rosenheim), Jürgen Kucharczyk, Ulla Burchardt, Rainer Arnold, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Lothar Mark, Dr. Angelica Schwall- Düren, Sören Bartol, Florian Pronold, Klaus Barthel, Christoph Strässer, Walter Kolbow, Dr. h. c. Gerd Andres, Dr. Reinhold Hemker, Renate Gradistanac, Gustav Herzog, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Peter Friedrich, Gesine Multhaupt, Bettina Hagedorn, Dieter Steinecke, Gerd Bollmann, Dr. Gerhard Botz, Katja Mast, Detlef Müller (Chemnitz), Ute Kumpf, Detlef Dzembritzki, Gabriele Hiller-Ohm, Uta Zapf und Christel Riemann-Hanewinckel (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung und den Bericht Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen (Tages- ordnungspunkt 11) Im April 2009 hat die zuständige Bundesministerin Ilse Aigner den Anbau des einzigen zu kommerziellen Zwecken zugelassenen GVO-Konstruktes, des Bt-Mais MON 810 verboten. Wir unterstützen dieses Verbot. Im März 2009 hatte Bundesminister Gabriel gegen die Un- tersagung des in Österreich und Ungarn bereits seit län- gerem bestehenden Verbots des Anbaus von MON 810 gestimmt. Wir unterstützen dieses Vorgehen. Auch Frankreich, Polen, Griechenland und Luxem- burg, wo der Anbau von MON 810 ebenfalls untersagt ist, dürfen von der EU nicht gezwungen werden, den An- bau wieder zuzulassen. Einen Eilantrag der Firma Mons- 24300 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) anto gegen das Verbot, Genmais der Linie MON 810 an- zubauen, hat das Verwaltungsgericht Braunschweig am 5. Mai 2009 abgelehnt. In der Begründung heißt es, dass neuere Untersuchungen darauf hindeuten könnten, dass der im Genmais produzierte Giftstoff nicht nur gegen den Schädling wirke, der damit bekämpft werden solle, sondern auch gegen weitere Insekten. Außerdem sei nach aktuellen Studien davon auszugehen, dass sich die Genmaispollen deutlich weiter verbreiten können, als dies bisher angenommen wurde. Das Verbot des kommerziellen Anbaus von MON 810 ist die Konsequenz aus dem im Koalitionsvertrag verein- barten Schutz von Mensch und Umwelt als oberstem Ziel gemäß dem Vorsorgegrundsatz. Weitere Konse- quenzen müssen auf EU-Ebene die Ablehnung der Neu- zulassung von MON 810 und der Zulassungen der gen- technisch veränderten Maissorten Bt 11 und Bt 1507 sein, denn ähnlich wie bei MON 810 können auch bei diesen Konstrukten negative Effekte auf Insekten und andere Organismen nicht ausgeschlossen werden. Nach meiner Überzeugung muss dem Vorsorgegrund- satz im EU-Zulassungsverfahren stärker Rechnung ge- tragen werden. Unsere Fraktion hatte deshalb mehrere Entwürfe für Anträge erarbeitet, mit denen die Bundes- regierung beauftragt werden sollte, sich auf EU-Ebene für eine Überarbeitung der Gentechnikregelungen einzu- setzen. Darin haben wir unter anderem ein transparentes und demokratisches Zulassungsverfahren gefordert, das sicherstellt, dass neben der unbedingten Einhaltung des Vorsorgeprinzips weitere Aspekte des gesellschaftlichen Interessenausgleichs, zum Beispiel Folgekosten, einbe- zogen werden. Auch die Absicherung der gentechnikfreien Regionen ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir wollten zum einen die Bundesregierung beauftragen, sich auf EU-Ebene für eine verbindliche Regelung für gentechnikfreie Regio- nen einzusetzen; zum anderen haben wir einen Weg aufgezeigt, wie auch auf nationaler Ebene mit einer fruchtartspezifischen Lösung bereits jetzt mehr Verbind- lichkeit für gentechnikfreie Regionen geschaffen werden könnte. Unsere Entwürfe konnten nicht eingebracht werden, weil der Koalitionspartner die Unterstützung verweigert hat. Auch die CSU-Kollegen waren nicht bereit, unsere Initiativen zu unterstützen – obwohl die CSU in Bayern diese Forderungen öffentlich vertritt. Wir stimmen der vorliegenden Beschlussempfehlung zu, die die Ablehnung des Antrags der Grünen vorsieht, denn in wesentlichen Punkten ist der Antrag erledigt. Es ist uns aber ein Anliegen hier zu erklären, dass es uns nicht ausreicht, wenn in diesem Jahr kein kommerziel- ler Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland mehr stattfindet. Wir sehen uns dem Vor- sorgeprinzip verpflichtet und werden uns für seine kon- sequente Durchsetzung auch auf EU-Ebene einsetzen. Und dies nicht nur in diesem (Wahl-)Jahr und mit Wor- ten sondern auch weiterhin und mit Taten. Anlage 45 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2007 – Vorlage der Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes – (Jahresrechnung 2007) – zu der Unterrichtung durch den Bundes- rechnungshof: Bemerkungen des Bundes- rechnungshofes 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließ- lich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2007) – Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2008 – Einzelplan 20 (Tagesordnungspunkt 6 a und b) Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die Beratung zur Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2007 und zu den Prüfbemerkungen des Bundesrech- nungshofs, die heute auf der Tagesordnung steht, erfolgt in einem gut eingespielten und überaus sachlichen Ver- fahren. Der Bundesrechnungshof hat erneut umfangrei- che Prüfungen durchgeführt und zahlreiche Bemerkun- gen erarbeitet. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bedanken, denn die Arbeit des Bundesrechnungshofs bietet uns wertvolle Hinweise und Anregungen. Über die Details der Prüfungsergebnisse haben wir in den Aus- schüssen intensiv beraten. Insgesamt sind wir zur Auf- fassung gelangt, dass keinerlei Bedenken bestehen und daher die Entlastung der Bundesregierung für 2007 er- folgen kann. 2007 ist ein Jahr, auf das wir noch lange nicht ohne Stolz zurückschauen werden. Die Einhaltung der Maastricht-Kriterien war aufgrund kluger Politik kein Thema mehr. Die Konsolidierungsanstrengungen der vo- rangegangenen Jahre unter der Großen Koalition hatte dazu geführt, dass wir endlich Licht am Ende des Tun- nels sahen. In greifbarer Nähe schien das Ziel zu sein, bis spätestens 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaus- halt vorzulegen. Diese Konsolidierungserfolge sind der Ausdruck erfolgreicher Unionspolitik. Wie anders sieht im Vergleich dazu die Situation heute aus, einen Tag vor der Bekanntgabe der Mai-Steu- erschätzung. Diese wird wahrscheinlich einen erhebli- chen Rückgang der Steuereinnahmen gegenüber der Schätzung von vor einem Jahr beinhalten. Dies ist letzt- lich der aktuellen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise ge- schuldet, die uns mit großer Wucht in der zweiten Hälfte des letzten Jahres getroffen hat. Wir dürfen jetzt aber nicht verzagen oder populistisch negative Stimmungen verbreiten. Die Union stellt sich den Herausforderungen. Wir sind uneingeschränkt hand- lungsfähig. Und eines muss deutlich gesagt werden: Wenn wir nicht die Konsolidierungserfolge der letzten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24301 (A) (C) (B) (D) Jahre gehabt hätten, worauf wollten wir nun unsere Poli- tik der Krisenbewältigung aufbauen? Die Konsolidierungserfolge sind die Basis für die nun ergriffenen Maßnahmen zur Krisenbewältigung, die richtigerweise letztlich zu Steuerausfällen und Ausga- benerhöhungen führen. So haben wir im Herbst erste Maßnahmen umgesetzt, um den für eine soziale Markt- wirtschaft zentralen Finanzmarkt zu stabilisieren und das verlorene Vertrauen wiederherzustellen. Weitere Stabili- sierungsmaßnahmen folgten bzw. sind mit dem Kabi- nettsbeschluss von heute Morgen auf gutem Wege. Zwei Konjunkturprogramme haben wir angestoßen, deren Umsetzung noch nicht abgeschlossen ist. Bei diesen Pro- grammen handelt es sich letztlich um einen Mix aus steuerlichen Erleichterungen, dringend notwendigen In- vestitionen und weiteren Maßnahmen wie die Verlänge- rung des Bezuges des Kurzarbeitergelds. Vor allem las- sen wir die automatischen Stabilisatoren wirken. Zur Krisenbewältigung gehört für die Union unbe- dingt der Blick nach vorne. Jetzt müssen wir mit Investi- tionen und verbesserten Rahmenbedingungen die Basis für das künftige Wirtschaftswachstum legen. Damit ver- bunden sind erhebliche Veränderungen, deren Ergebnis wir noch gar nicht absehen können. Jedoch müssen wir die aktuelle Situation auch als Chance begreifen und Deutschland besser aufstellen, damit wir nach der Krise gestärkt starten können. Mit dieser Politik stärken wir die Basis für künftige Steuereinnahmen und sichern Ar- beitsplätze. Steuerliche Erleichterungen sind daher kein Widerspruch. Deutschland muss die Aufrechterhaltung des Grund- gedankens des Maastrichter Stabilitäts- und Wachstums- pakts fest im Blick haben. Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt hat an Aktualität und Dringlichkeit für die EU-Staaten nicht an Bedeutung verloren. Daher muss Deutschland weiterhin als verlässlicher Stabilitäts- anker gelten. Wir müssen möglichst bald wieder die Maastricht-Kriterien einhalten und dafür auf den Pfad der Konsolidierung des Bundeshaushalts zurückkehren. Dafür steht die Union. Auch die Bundesländer sind hier gefordert. Die Nachhaltigkeit der Haushalts- und Fi- nanzpolitik wird dabei unterstützt durch die Ergebnisse der Föderalismus-II-Kommission. Denn die Einführung einer wirksamen Schuldenbremse für Bund und Länder stellt einen qualitativen Quantensprung für die erfolgrei- che Haushaltskonsolidierung dar. Sicherlich ist die Situation nicht einfach. Sie ist aber nicht so, dass wir den Kopf in den Sand stecken könnten oder wie gelähmt in Untätigkeit verharren sollten. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land die bestehenden Unsicherheiten und Ängste nehmen. Wer aber solche auch noch schürt, der zündelt als Brand- stifter. Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Mit Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 11. April 2008 wurde dem Deutschen Bundestag die Jahresrechnung 2007 gemäß Art. 114 Grundgesetz zuge- leitet und der Antrag gestellt, nach Eingang der Bemer- kungen des Bundesrechnungshofs und deren parlamen- tarischen Beratung die Entscheidung des Deutschen Bundestags über die Entlastung der Bundesregierung herbeizuführen. Wichtigste Grundlage dieser Entschei- dung sind die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs, der diese Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsfüh- rung geprüft hat. Die Feststellungen des Bundesrechnungshofs zur Jahresrechnung 2007 und Haushalts- und Wirtschaftsfüh- rung sind im Rechnungsprüfungsausschuss in der 36. Sitzung am 24. April 2009 abschließend beraten wor- den. Der Haushaltsausschuss hat in seiner 98. Sitzung am 6. Mai 2009 beschlossen, dem Deutschen Bundestag die Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2007 zu empfehlen. Die Bemerkungen des Bundesrech- nungshofs wurden einvernehmlich zur Kenntnis genom- men. In den Feststellungen zur Haushalts- und Vermögens- rechnung 2007 bescheinigt der Bundesrechnungshof der Bundesregierung eine im Wesentlichen ordnungsmä- ßige Haushalts- und Wirtschafsführung. Wie in jedem Jahr hat der Rechnungsprüfungsausschuss die vom Bun- desrechnungshof festgestellten Unzulänglichkeiten in der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Ressorts kri- tisch untersucht und Abhilfe gefordert. Das Bundesmi- nisterium der Finanzen – als die für die Rechnungsle- gung zuständige Stelle – wurde aufgefordert, gemeinsam mit den Ressorts die Beachtung der für sie geltenden Vorschriften und Grundsätze sicherzustellen. Für die Entlastung der Bundesregierung wesentliche Unstim- migkeiten in der Haushalts- und Vermögensrechnung wurden nicht festgestellt. Der Bundesrat hat der Bundesregierung bereits am 13. Februar 2009 die Entlastung für das Haushaltsjahr 2007 erteilt. Die aktuelle Haushaltsentwicklung, massiv durch die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise beeinflusst, erfordert außergewöhnliche Maßnahmen. Um das Parla- ment rechtzeitig über seine Bestandsaufnahme und Be- wertung der Haushaltslage zu informieren, wird der Bundesrechnungshof die Feststellungen zur finanzwirt- schaftlichen Entwicklung dem Deutschen Bundestag ab 2010 bereits im September jeden Jahres als Unterlage für die Haushaltsberatungen übermitteln. Im Bundeshaushalt bestehen nach wie vor strukturelle Herausforderungen, die durch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise verstärkt werden. Nach Ende der Krise ist der konsequente Konsolidierungskurs im Bundes- haushalt wieder verstärkt fortzusetzen. Dies sollte durch ein effizientes Verfahren der Haushaltsaufstellung sowie eine stärker ergebnisorientierte Haushaltssystematik und -struktur unterstützt werden. Das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts ohne Nettokreditaufnahme darf nicht aufgegeben werden. Die Vorschläge der Bund-Länder-Föderalismuskommission II für eine wirksame Schuldenregel und ein Frühwarnsys- tem in Bezug auf Haushaltskrisen sollten noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. Damit wird die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte verbessert, und 24302 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) die Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachs- tumspaktes können dauerhaft eingehalten werden. Die inzwischen vorliegenden Ergebnisse der Steuer- schätzung bekräftigen diese Vorgehensweise mehr als deutlich. Wer jetzt noch Steuersenkungen verspricht, handelt unseriös, fahrlässig und verantwortungslos. Abschließend bitte ich um Zustimmung zu der Entlas- tung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2007, das sehr erfolgreich war, und um Kenntnisnahme der Be- merkungen des Bundesrechnungshofs 2008 zur Haus- halts- und Wirtschaftsführung des Bundes einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2007. Dr. Claudia Winterstein (FDP): Wir sprechen heute über die Entlastung der Bundesregierung für das Haus- haltsjahr 2007. Ich möchte dazu aus den Feststellungen des Rechnungshofes zitieren. Es heißt: „Die finanzielle Lage des Bundes hat sich weiter verbessert. Vor allem aufgrund des gestiegenen Steueraufkommens geht die Deckungslücke im Bundeshaushalt zurück.“ Wohlge- merkt: Das war 2007. Damals hatte die Regierung auch noch versprochen, die Neuverschuldung bis 2011 auf null zurückzuführen. Jetzt im Mai 2009 klingt das ange- sichts der aktuellen Haushaltslage wie ein Märchen aus guter, alter Zeit. Schauen wir auf die aktuellen Zahlen! Noch rechnet der Finanzminister für 2009 mit einer Neuverschuldung von 37 Milliarden Euro. Das ist völlig unrealistisch. Wir alle wissen, dass diese Summe deutlich höher liegen wird. Nicht nur ich gehe davon aus, dass die Neuver- schuldung bei über 90 Milliarden Euro liegen wird. Auch die Union rechnet in dieser Größenordnung. Für die nächsten Jahre ist keine Besserung zu erwarten. Ein Haushalt ohne neue Schulden steht nicht mehr zur De- batte. Was sind die Gründe für diese katastrophale Situa- tion? Sicher, die Konjunktur ist angesichts der Krise ein- gebrochen und damit auch die Steuereinnahmen. Wer aber behauptet, die Gründe für das Riesendefizit liegen ausschließlich in externen Faktoren außerhalb von politi- schen Verantwortlichkeiten, der macht es sich zu ein- fach. Zunächst der Blick in die Vergangenheit: In den letz- ten drei Jahren hat die schwarz-rote Koalition die histo- rische Chance verpasst, erstmals seit 1969 wieder einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen. Dabei waren die Vorraussetzungen dafür geradezu optimal. In den Jahren 2006 bis 2008 hat Herr Steinbrück insge- samt 110 Milliarden Euro mehr an Steuern eingenom- men. Trotzdem hat er im gleichen Zeitraum neue Schul- den in Höhe von 54 Milliarden Euro angehäuft. Statt zu sparen hat Schwarz-Rot weiter die Ausgaben erhöht und den Schuldenberg erheblich vergrößert. Das ist die trau- rige Bilanz nach einer einzigen Wahlperiode schwarz- roter Haushaltspolitik. Die Krise passte da gerade gut ins Konzept – ein will- kommener Vorwand zum Lösen sämtlicher Bremsen der Ausgabedisziplin. Das absurdeste Beispiel ist die ökono- misch äußerst fragwürdige Abwrackprämie. 5 Milliarden Euro neue Schulden, damit rechtzeitig vor der Bundes- tagswahl neue Autos in den Garagen stehen, sponsored by Schwarz-Rot. Ich glaube allerdings nicht, dass sich die Wähler so einfach bestechen lassen. Steuerentlastungen hätten dagegen nicht nur einigen, sondern allen Bürgern und der ganzen Wirtschaft geholfen. Dabei sind die wahren Ausmaße der schwarz-roten Schuldenpolitik noch gar nicht absehbar. Beim Banken- rettungsfonds und bei den Arbeitsmarktausgaben drohen weitere Milliardenrisiken und der Gesundheitsfonds ist ein Fass ohne Boden. Allein 2009 werden über 10 Mil- liarden Euro Steuergelder in diese Fehlkonstruktion flie- ßen. Das sind bereits 6 Milliarden mehr als ursprünglich geplant. Nur eines ist sicher: Der Schuldenberg wächst und wächst. Was bleibt, ist der Blick nach vorne. Nach den schwarz-roten Haushaltsexzessen ist es an der Zeit, wie- der zur Vernunft in der Haushaltspolitik zurückzukehren. Der Vorschlag der Föderalismuskommission ist leider nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Besser wäre ein umfassendes Verschuldungsverbot, auch für den Bund. Neue Schulden sind nur in Notlagen zu ver- antworten. Die FDP will eine klare und unmissverständ- liche Regel. Die Kreditaufnahme darf nicht länger ein normales Instrument zur Finanzierung der Staatsausga- ben sein. Der Staat darf nur das ausgeben, was er ein- nimmt. Diese einfache Regel muss endlich zum Leitsatz einer vernünftigen und verantwortungsbewussten Haus- haltspolitik werden. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Die SPD wird im Wahlkampf zu einer verbalradikalen Kampftruppe, um dann nach der Wahl wieder lammfromm der Kanzle- rin zu folgen. Der sozialdemokratische Finanzminister hat bei der Steuerflucht jahrelang geholfen und beide Augen zugedrückt. Er wandelt sich im Wahlkampf pol- ternd vom Saulus zum Paulus. Wenn es um die Bekämpfung von Steueroasen geht, benimmt sich der Finanzminister wie ein Elefant im Por- zellanladen – allerdings nur, wenn es um kleine Länder wie Luxemburg oder Österreich geht. Er redet aber nicht über die Steueroase Großbritannien, und er redet vor al- lem nicht über die Steueroase Bundesrepublik Deutsch- land. Jeder vernünftige Steuerbürger muss sich doch fra- gen, warum Milliarden von nicht gezahlten Steuern aus Deutschland nach Luxemburg transferiert werden konn- ten. Sie konnten es, weil der Finanzminister diesen Mil- liardentransfer nicht stoppen wollte. Im November 2006 hat der Bundesrechnungshof fest- gestellt, dass Einkunftsmillionäre in einigen Bundeslän- dern nur alle 30 Jahre geprüft werden. Warum? Sind die Prüfungen so unergiebig? Nein, im Gegenteil. Jede Prü- fung bringt im Durchschnitt 135 000 Euro in die Steuer- kassen. Der Bundesrechnungshof – nicht die Linke – schlug vor, dass Einkommensmillionäre verpflichtet werden sollten, ihre steuerrelevanten privaten Belege aufzubewahren, um spätere Steuerprüfungen zu ermögli- chen. Weiterhin sollte die Pflicht zur Begründung einer Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24303 (A) (C) (B) (D) Außenprüfung gestrichen werden. Man sollte meinen, das wäre für den Bundesfinanzminister und die Länder- finanzminister Anlass, die Prüfungsanstrengungen zu verstärken. Doch weit gefehlt. Der Bundesfinanzminister fürchtete angeblich mehr Bürokratie und lehnte jede Veränderung der Prüfungs- praxis ab. Ich zitiere aus der Stellungnahme des Finanz- ministeriums: „… die Einführung einer Belegaufbe- wahrungspflicht für diese Gruppe von Steuerpflich- tigen“ – gemeint sind die Einkommensmillionäre – „so- wie die Erleichterung bei der Begründung einer Prü- fungsordnung werden nicht befürwortet, weil diese Maßnahmen mit dem von der Bundesregierung mit Prio- rität verfolgten Ziel des Bürokratieabbaus nicht verein- bar sind“. Wenn man sich vorstellt, welche unglaubli- chen bürokratischen Monster CDU/CSU und SPD hervorgebracht haben – ich denke nur an die Hartz-Ge- setze –, dann ist diese Position einfach abenteuerlich. Im Wahlkampf hat der SPD-Finanzminister seine Meinung um 180 Grad geändert. Er hat ein Gesetz zur Bekämp- fung der Steuerhinterziehung vorgelegt, in dem die Auf- bewahrungspflicht auf sechs Jahre festgelegt ist. Ist es nicht erstaunlich, dass der Bürokratieabbau für den Fi- nanzminister im Wahlkampf plötzlich gar kein Argu- ment mehr ist? Die Linke ist dafür, dass Steueroasen weltweit ausge- trocknet werden. Doch der Finanzminister muss auch endlich die Steueroase Deutschland austrocknen. Leider bleibt mir nicht die Zeit, auf die unglaubliche Ver- schwendung von Steuermitteln durch die Bundesregie- rung einzugehen, die der Bundesrechnungshof beklagt. Ich muss die Regierung davor warnen, die Finanz- krise zum Anlass zu nehmen, um völlig unsinnige und kostspielige Projekte zu verfolgen. Ich denke da zum Beispiel an die völlig überflüssige Verlängerung der Au- tobahn in Berlin. Die Krise wird von dieser Regierung nicht als Chance für eine soziale und ökologische Wende genutzt, sondern Sie folgen weiter dem Prinzip: Es muss alles ganz anders bleiben. Dieses Prinzip lehnt die Linke ab. Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Haushalt 2007 verletzt zahlreiche zentrale Ansprü- che, welche die Bundeshaushaltsordnung an die Haus- haltswirtschaft stellt. Das eingerichtete Sondervermögen für den Ausbau der Kinderbetreuung in Höhe von 2,15 Milliarden Euro und die Mittel zur Förderung der Kultur im Rahmen der Selbstbewirtschaftung in Höhe von 400 Millionen Euro verstoßen gegen die fundamen- talen Prinzipien Klarheit und Wahrheit. Des Weiteren verstoßen sie gegen die ebenso wichtigen Maßgaben der Jährlichkeit und der Etatreife. Unsere Auffassung wird durch Stellungnahmen des Bundesrechnungshofes ge- stützt. Damit ist eine Entlastung formal für uns nicht tragbar. Neben dieser gravierend formalen Schwäche des Haushaltes 2007 sind auch schwerwiegende inhaltliche Fehlentscheidungen damit verbunden. Zwar scheint im Vergleich zum aktuellen Haushalts- jahr das Haushaltsjahr 2007 mit einer Nettokreditauf- nahme von 14,3 Milliarden Euro fast als Hort haushalte- rischer Seligkeit. 2007 stiegen die Steuereinnahmen überraschend stark an, sodass ein Nachtragshaushalt ver- abschiedet wurde, um mit zusätzlichen Einkünften neue Ausgaben auf den Weg zu bringen. Die Koalition schlug damals den gefährlichen Weg ein, der uns heute in eine Situation gebracht hat, in der die Handlungsfähigkeit des Staates durch die ernorme Ausweitung der Neuverschul- dung ernsthaft bedroht ist. Die zusätzlichen Steuerein- nahmen und die allgemein sehr gute Konjunktur wurden nicht genutzt, um eine wirkliche Konsolidierung einzu- leiten, die uns heute haushalterische Spielräume erlau- ben würde. Das war ein schwerwiegender Fehler der Großen Koalition, die immer nur im Geldausgeben groß war. Obwohl mit dem Versprechen einer Haushaltskonso- lidierung angetreten, wurde niemals wirklich konsoli- diert, sondern Steuererhöhungen und die daraus resultie- renden sehr beträchtlichen Mehreinnahmen nur genutzt, um noch mehr Geld auszugeben. Jetzt laufen wir auf eine Neuverschuldung von fast 100 Milliarden Euro zu. Und im nächsten Jahr wird sich die Situation wahr- scheinlich noch verschärfen. Bei der Bundesagentur für Arbeit, aber auch beim Gesundheitsfonds stecken Risi- ken in Milliardenhöhe. Der Bund wird den Sozialversi- cherungen aus der Patsche helfen müssen. Das muss mit Steuermitteln geschehen, denn eine Erhöhung der Bei- träge hätte in der Krise starke prozyklische Wirkung, das heißt, die Krise auf dem Arbeitsmarkt würde weiter ver- schärft werden. Dazu kommen für den Bundeshaushalt weitere Belastungen aus der Bankenrettung. Erst morgen werden wir die Ergebnisse der Steuer- schätzung erfahren. Aber leider werden diese im Gegen- satz zu 2007 ausgesprochen negativ ausfallen. In der mittelfristigen Finanzplanung ist nicht mehr absehbar, wie ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden kann. Aber es wäre zu einfach, das alles als Kollateralschaden der Finanz- und Wirtschaftskrise zu erklären. Die kata- strophale Situation des Bundeshaushalts ist zurückzu- führen auf eine verfehlte Haushaltspolitik der Großen Koalition von Beginn an. Zwar ist heute auch die Kanz- lerin endlich zurückgerudert von ihren Steuersenkungs- plänen; dennoch gibt es Irrgänger in der Union, die die Situation des Bundeshaushalts völlig unterschätzen, wenn sie jetzt noch Steuersenkungen fordern. Das kann nicht funktionieren. Diese Art von ungedeckter Scheck- buchpolitik ist hochgefährlich, denn sie unterminiert das Vertrauen in die Politik und letztlich auch in den Staat. Es ist Zeit für Ehrlichkeit. Schon 2007 haben Sie mit einem Sondervermögen agiert, um Ihre Politik auf Pump zu verschleiern. Diese Art von intransparenter Haushaltspolitik setzen Sie mit den Schattenhaushalten bei der Bankenrettung und beim Investitions- und Tilgungsfonds fort. Und die Einsätze haben Sie verzehnfacht. Es wird Zeit, dass sich die Große Koalition ehrlich macht. Die Haushaltskonsoli- dierung war als zentrales Ziel ausgegeben worden. Nicht nur damit ist die Große Koalition gescheitert. 24304 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Anlage 46 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Lebendspenden bei der Transplantation von Organen erleichtern (Tagesordnungspunkt 7) Peter Friedrich (SPD): Wir haben in Deutschland einen gravierenden Mangel an Spenderorganen. Nach wie vor stehen 12 000 Menschen auf den Wartelisten für dringend notwendige Organtransplantationen. Jeden Tag sterben in Deutschland im Durchschnitt etwa drei Men- schen, weil nicht genügend Spenderorgane zur Verfü- gung stehen. Seit Inkrafttreten des Transplantationsge- setzes stagniert die Anzahl der gespendeten Organe. Trotz zahlreicher Öffentlichkeitskampagnen, mit denen für die Organspende geworben wird, gingen die Spende- zahlen im vergangenen Jahr sogar zurück. Gleichzeitig legen Untersuchungen den Schluss nahe, dass bei wei- tem nicht alle Organe, die nach dem Tod möglicher Or- ganspender prinzipiell zur Verfügung stehen könnten, auch wirklich erkannt und transplantiert werden. Quer über die Grenzen unserer Fraktionen hinweg sind wir deshalb gefordert, uns der Frage zu stellen, mit welchen Maßnahmen wir uns dieser Entwicklung entge- genstellen können. Es muss Gründe dafür geben, wes- halb die Zahl der gespendeten Organe bei uns in Deutschland zurückgeht, gleichzeitig aber in anderen eu- ropäischen Ländern steigt. Die Ursachen für diese Un- terschiede müssen wir finden und abstellen. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen aus der FDP-Fraktion dafür, dass wir uns auf der Basis ihres An- trages heute im Plenum des Deutschen Bundestages mit dem Thema Organspende auseinandersetzen können. Ich denke jedoch, es ist uns allen bewusst, dass wir mit un- serer heutigen halbstündigen Debatte der Bedeutung die- ses Themas nur im Ansatz genügen können. Wir sollten die heutige Debatte deshalb in meinen Augen als Start- punkt eines wichtigen Diskussionsprozesses begreifen, an dessen Ende der Deutsche Bundestag in der kommen- den Wahlperiode über eine Weiterentwicklung des Transplantationsgesetzes zu entscheiden hat. Neben rechtlichen und organisatorischen Fragen müssen wir dabei auch ethischen Abwägungen umfassenden Raum geben. Die Frage, inwieweit wir Lebendspenden bei der Transplantation von Organen erleichtern wollen, gehört zu diesen ethischen Aspekten. Mit dem Transplantationsgesetz hat der Deutsche Bundestag 1997 die Organspende auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Mit der Verabschiedung des Gewe- begesetzes vor zwei Jahren haben wir das Transplanta- tionsgesetz an einigen Stellen an europäisches Recht an- geglichen. Auf eine umfassendere Novellierung haben wir damals verzichtet, da die Anpassung der deutschen Rechtsnormen an europäisches Recht in Umsetzung der europäischen Geweberichtlinie keinen Aufschub dul- dete. Für eine umfassendere Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern die Rahmenbedingungen des Trans- plantationsgesetzes für die Organspende in Deutschland verbessert werden sollten, fehlte uns damals die notwen- dige Zeit. Mit der Verabschiedung des Gewebegesetzes im Mai 2007 haben wir mit den Stimmen der Mehrheit dieses Hauses das Bundesministerium für Gesundheit um einen Erfahrungsbericht zur Situation der Transplan- tationsmedizin in Deutschland gebeten. Der erste Teil dieses Berichtes liegt nun vor, ein zweiter Teil mit Aus- führungen insbesondere zur Organisation der Organ- spende soll bis zum Herbst folgen. Im September 2007 hat eine Delegation des Gesundheitsausschusses eine Reise nach Spanien unternommen, um sich dort ausführ- lich über die gesetzlichen und organisatorischen Rah- menbedingungen der Transplantationsmedizin zu infor- mieren. Bereits im Frühjahr 2007 hatte der Nationale Ethikrat in einer Stellungnahme eine Abkehr von der bei uns bis- lang praktizierten erweiterten Zustimmungslösung zur Entnahme von Organen vorgeschlagen. Anstelle dessen sprach sich der Ethikrat für ein Stufenmodell aus, das Elemente einer Erklärungsregelung mit einer Wider- spruchsregelung verbindet. Dem Vorschlag des Ethikra- tes zufolge sollte jeder und jedem die Möglichkeit gege- ben werden, zu Lebzeiten eine Erklärung über die persönliche Bereitschaft zur Organspende abzugeben. Bei unterbliebener Erklärung sollte es möglich sein, Or- gane nach dem Tod entnehmen zu dürfen, solange die Angehörigen dieser Organentnahme nicht widerspre- chen. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass wir zu dieser Umkehr kommen müssen. Das setzt aber eine gesell- schaftliche Diskussion darüber voraus, die eine belast- bare Unterstützung für eine solche tiefgreifende Verän- derung schafft. Mit dem uns heute vorliegenden Antrag tritt die FDP- Fraktion dafür ein, die Lebendspende von Organen zu erleichtern. Es ist sicher richtig, diese Frage im Deut- schen Bundestag zu erörtern. Es ist aber letztlich eine Frage, die unser Gewissen berührt und die wir ebenfalls in einem längeren Diskussionsprozess behandeln sollten. Und es ist für mein Dafürhalten keine Frage, die wir iso- liert betrachten dürfen. Vielmehr müssen wir über die Lebendspende und die postmortale Spende von Organen gemeinsam und auf ausgewogener Grundlage diskutie- ren. Ich befürchte, dass die verbleibenden Wochen bis zur Bundestagswahl in diesem Herbst für eine angemes- sene Auseinandersetzung mit diesen Aspekten nicht aus- reichend sein werden. Persönlich habe ich mit zwei Punkten des Antrags zur Erleichterung der Lebendspende Schwierigkeiten. Ich denke beispielsweise nicht, dass wir den Grundsatz der Subsidiarität der Lebendspende ersatzlos streichen soll- ten. Nach wie vor sollte eine Lebendspende erst dann er- laubt sein, wenn kein geeignetes postmortales Organ zur Verfügung steht. Denkbar wäre allerdings in meinen Au- gen, stärker als bislang auch medizinische Kriterien in die Abwägung zwischen postmortaler Spende und Le- bendspende einzubeziehen. Wenn aus medizinischer Sicht durch eine Lebendspende bessere Ergebnisse als durch eine postmortale Organspende erzielt werden kön- nen, sollte die Lebendspende möglich sein. Der grund- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24305 (A) (C) (B) (D) sätzliche Vorrang der postmortalen Spende sollte aber auch weiterhin gelten. Auch die Forderung nach Zulassung der Überkreuz- spende trage ich nicht mit. Hier gilt es, neben den Inte- ressen der Organempfänger auch die Belange des Spen- derschutzes und das Risiko einer Drucksituation zu be- rücksichtigen. Ich glaube nicht, dass wir den Kreis der Lebendspende beliebig ausdehnen können. Ich be- fürchte, dass eine Zulassung der Lebendspende auch zwischen Personen, die in keinem persönlichen oder ver- wandtschaftlichen Näheverhältnis untereinander stehen, dazu führen könnte, dass sich potenzielle Spender einem hohen moralischen Druck zugunsten einer Organspende ausgesetzt fühlen könnten. Auch könnte eine Auswei- tung des Spenderkreises die Gefahr des Organhandels erhöhen. Eine Überkreuzspende führt dazu, dass sich der Kreis der Personen, die in die Entscheidung eingebun- den sind, mindestens verdoppelt. Folglich tritt in der Diskussion ein Beziehungsgeflecht ein. Fragen von Freundschaft, Vertrauen, vielleicht auch Liebe gewinnen damit an Bedeutung. Die Sorgen vor erhandelten Le- bendspenden müssen wir ernst nehmen und darüber aus- führlich diskutieren. Auch wenn uns der zweite Teil des Erfahrungsberich- tes mit dem Transplantationsgesetz, den das Bundesge- sundheitsministerium derzeit vorbereitet, momentan noch nicht vorliegt, geben uns zahlreiche Stellungnah- men und Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeiten bereits heute Hinweise darauf, dass wir die Anzahl der postmor- tal gespendeten Organe deutlich steigern können. Eine Umwandlung der Zustimmungslösung hin zu einer abge- stuften Widerspruchslösung, wie vom Nationalen Ethik- rat vor zwei Jahren angeregt, kann hierzu sicherlich ei- nen wichtigen Beitrag leisten. Unabhängig davon und jenseits von ethischen Aspek- ten gibt es in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von organisatorischen und auch rechtlichen Fragestel- lungen. Diesen Fragen sollten wir uns in der Debatte um die Weiterentwicklung des Transplantationsgesetzes aus- führlich widmen. Nach meiner Sicht der Dinge müssen wir Fehlanreize innerhalb des bestehenden Organentnah- meprozesses, die einer Steigerung der Zahl der Spende- organe entgegenstehen, beseitigen. Der Nationale Ethik- rat hat in seinem Votum auf zahlreiche organisatorische Mängel im derzeit gelebten Transplantationssystem hin- gewiesen, darunter unter anderem auf die mangelhafte Erstattung bei der Explanation. Die Aufwandsentschädi- gungen für Spendenkrankenhäuser – so der Ethikrat vor zwei Jahren – sei nicht in allen Fällen geeignet, die tat- sächlich entstehenden Kosten zu decken. Dem müssen wir nachgehen. Wir sind es den Menschen auf den Wartelisten für Spenderorgane schuldig, dass die finanziellen und orga- nisatorischen Risiken von Krankenhäusern, die mögli- che Spenderorgane melden und entnehmen, finanziell vollständig kompensiert werden. Keine Organspende darf aufgrund einer nicht ausreichenden Vergütung un- terbleiben. Ganz im Gegenteil: Wir müssen alles dafür tun, die Bedingungen, auch finanzieller Art, für jedes Krankenhaus so zu setzen, dass die Erkennung mögli- cher Spenderorgane weiter gesteigert wird und dass je- des mögliche Spenderorgan auch tatsächlich gemeldet wird. Nach meinem Dafürhalten sollten wir uns auch mit der Frage auseinandersetzen, ob die Monopolstruktur der Deutschen Stiftung für Organspende, die für die Ko- ordinierung der Organspende in Deutschland verant- wortlich ist und nur in geringem Maße der Rechtsauf- sicht des Bundesgesundheitsministeriums unterliegt, nach wie vor die richtige Antwort auf die Erfahrungen der zurückliegenden Jahre sind. In meinen Augen würde eine stärker regionalisierte Koordination der Organ- spende unter der umfassenden Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit die bessere Ge- währ für die Erfüllung einer so wichtigen Aufgabe bie- ten. Gerade bei der Organvermittlung und der Organver- gabe, bei der es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod geht, ist es meines Erachtens von zentraler Be- deutung, für eine umfassende Transparenz zu sorgen. Mein Staatsverständnis sagt mir, dass dieses Maß an Transparenz nur mit umfänglichen Kontroll- und Durch- griffsrechten des Staates zuverlässig gewährleistet wer- den kann. Ich betrachte unsere heutige Debatte als Beginn der parlamentarischen Auseinandersetzung um die Frage, wie wir unser Transplantationsgesetz auf der Basis unse- rer bisherigen Erfahrungen weiterentwickeln können, um die Anzahl der Spenderorgane über das heutige Maß hinaus zu steigern. Neben organisatorischen und rechtli- chen Fragestellungen müssen wir uns hierbei auch wich- tigen ethischen Aspekten widmen, die in der heutigen Debatte sicherlich keinen ausreichenden Raum finden können. Eine Entscheidung über die Lebendspende bei der Transplantation von Organen sollte deshalb gemein- sam mit Fragen zur Steigerung der Anzahl postmortaler Spenderorgane getroffen werden. Abschließend möchte ich nicht nur den vielen Men- schen danken, die Organe spenden und zur Spende bereit sind, sondern auch den Ärztinnen und Ärzten in unseren Krankenhäusern meinen großen Respekt aussprechen. Die Angehörigengespräche, die von ihnen vor einer Or- ganentnahme zu führen sind, finden in einer schwierigen emotionalen Situation statt. Organspenderinnen und Or- ganspender sind meist Opfer von Verkehrsunfällen oder unvorhergesehenen Hirnblutungen und werden mitten aus dem Leben gerissen. Jeden Tag werden in unseren Kliniken Gespräche mit den Angehörigen dieser oft jun- gen Organspenderinnen und Organspender geführt, die ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen erfordern und unsere Anerkennung verdienen. Martina Bunge (DIE LINKE): Gut gemeint, schlecht gemacht und in der Wirkung fatal. – So lässt sich der Antrag der FDP auf den Punkt bringen. Immerhin greift die FDP-Fraktion mit ihrem Antrag ein wichtiges, ein le- benswichtiges Thema auf: Die Transplantation von Or- ganen. Nach wie vor warten in Deutschland fast 12 000 Menschen auf ein lebensrettendes Organ. Dem steht nach wie vor eine vergleichsweise geringe Anzahl von gespendeten Organen gegenüber. 24306 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Die FDP will diesem Problem begegnen, indem die Organ-Lebendspende erleichtert werden soll. Das Trans- plantationsgesetz soll von unnötigen Hürden befreit wer- den. Aber statt Probleme zu lösen, macht die FDP in ihrem Antrag einen gefährlichen Denkfehler nach dem ande- ren. Der ganze Antrag wird von der Idee getragen, Pro- bleme bei den Organspenden mit mehr Lebendspenden zu lösen. Das wird nicht funktionieren, und es setzt fal- sche Zeichen. Postmortale Organspenden werden weiter den Hauptanteil der Spenden bilden. Hier müsste der Fo- kus des Antrags ansetzen. Aber im Gegenteil: Sie wollen den Vorrang der postmortalen Spenden abschaffen. Die Idee, anonyme Spenden an einen Pool zuzulas- sen, birgt riesige Gefahren: Der Anreiz, einem Unbe- kannten eine Niere zu spenden, dürfte sich bei den meis- ten Menschen in Grenzen halten. Daher wird sich kaum verhindern lassen, dass andere Anreize geschaffen wer- den. Schnell könnten Begehrlichkeiten entstehen. Ge- werbliche Anbieter werden ihr Interesse entdecken, und es ist dann nur eine Frage der Zeit, wann Organe gekauft und verkauft werden. Insofern stellt der Antrag für den Organhandel den Fuß in der Tür. Offen bleibt im FDP-Antrag, wie Freiwilligkeit, Ano- nymität und Unentgeltlichkeit der Spende gewährleistet werden sollen, um einem Missbrauch vorzubeugend. Die FDP schreibt ja nicht einmal, wer diesen Pool verwalten soll. Schließlich will die FDP die Überkreuzspenden er- möglichen. Ist Ihnen von der FDP eigentlich bewusst, dass in der Schweiz, wo die Überkreuzspende erlaubt ist, unter l l51 Nierenspenden, die im Lebendspendenregis- ter erfasst sind, nur eine einzige Überkeuzspende ist. Das zeigt: Der Antrag der FDP ist an Nutzen kaum zu unter- bieten. Und der Schaden übertrifft den Nutzen bei wei- tem. Grundsätzlich muss festgehalten werden: Das Trans- plantationsgesetz beschränkt aus guten Gründen den Spenderkreis. Von „unnötigen Hürden“ kann also kei- nesfalls die Rede sein. Im Gegenteil: Der Organhandel soll verhindert und die Freiwilligkeit der Spende sichergestellt werden. Diese zentralen Ziele und Grundprinzipien genießen aus Sicht der Fraktion Die Linke oberste Priorität und müssen weiter gewährleist werden. Die Organspende und -trans- plantation sind ein sehr sensibles Thema. Ein ganz ent- scheidender Faktor ist das Vertrauen der Menschen in das Gesundheitssystem, das Vertrauen, dass hier alles so- lidarisch abläuft und nicht dem Kommerz unterliegt. Ein Schnellschuss, wie ihn die FDP plant, wird dieser He- rausforderung nicht gerecht. Im Gegenteil: Das Ver- trauen der Menschen könnte nachhaltig zerstört werden und die Spendenbereitschaft weiter zurückgehen. Das darf nicht geschehen. Wenn Sie ein Vorbild brauchen: Mecklenburg-Vor- pommern ist mit 40 Organspenden pro 1 Million Ein- wohner Spitze in Deutschland. Ich möchte den FDP- Kolleginnen und -Kollegen raten, sich dort einmal die Praxis anzusehen. Dort gibt es seit zehn Jahren ein Transplantationsausführungsgesetz, das meine Hand- schrift trägt und sich bewährt. Kommen Sie hin! Die Buga versüßt Ihnen das Leben, das wir auch denen wünschen, die dazu ein gespendetes Organ benötigen. Dafür haben wir eine große Verant- wortung. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es ist löblich, dass sich die FDP mit der Frage be- schäftigt, wie man die Zahl von Organspenden in diesem Land erhöhen kann. Wir sind auch einig mit der FDP, dass wir mehr für die Aufklärung der Bevölkerung tun und die Organisationsstrukturen in den Kliniken vor Ort verbessern müssen, um die Zahl der postmortalen Or- ganspenden zu erhöhen. Hier enden die Gemeinsamkei- ten im Wesentlichen. Kernthema dieses Antrags ist es, wie man die Bedin- gungen für und damit die Zahl der Organlebendspenden verbessern kann. Diese Frage ist sicherlich legitim. Mit welch einer Selbstverständlichkeit die FDP jedoch in ihrem Antrag jede ethische Fragestellung schlichtweg ignoriert, die damit einhergeht, ist schon bemerkenswert. Der gesamte Antrag vermittelt den Eindruck, als seien die rechtlichen Grenzen der Lebendspende im Trans- plantationsgesetz – kurz TPG – nichts weiter als lästige bürokratische Hürden. Hürden, die man nur mal eben be- seitigen müsse, und dann würde alles gut. Die FDP fordert, das sogenannte Subsidiaritätsprinzip im TPG zu streichen. Dieses sagt, dass die Übertragung der Organe verstorbener Spender immer Vorrang vor der Lebendspende hat. Dies geschieht aus ethischen Erwä- gungen zum Schutz der potenziellen Lebendspender. Denn es handelt sich bei der Lebendspende nicht, wie die FDP letztlich suggeriert, um eine Bagatelle. Es han- delt sich um einen schwerwiegenden operativen Eingriff, der mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Die En- quete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Me- dizin“, deren Arbeit die FDP geflissentlich ignoriert, hat deshalb in der letzten Wahlperiode zu Recht festgestellt: „Der ethische Respekt vor der Leistung der Lebendspen- der gebietet es, nicht unnötig auf sie zurückzugreifen.“ Die FDP fordert zudem die Erweiterung des Spender- kreises. Nicht nur Verwandte oder nahe stehende Perso- nen sollen spenden dürfen. Auch anonyme Lebend- spenden in einen „Organpool“ sollen möglich sein. Auch hierzu hat die Enquete-Kommission zu beden- ken gegeben, dass die Selbstschädigung durch eine Le- bendspende ethisch nur schwer zu rechtfertigen sei, wenn sie nicht eben für eine nahe stehende Person er- folge. Auch dazu kein Wort im Antrag der FDP. Die FDP beteuert, dass sie natürlich gegen Organhan- del sei. Dass sie aber mit ihren Vorschlägen die Gefahr für kommerzielle Vermittlungs- oder „Verkaufs“-Aktivi- täten zumindest erhöht, wird nicht thematisiert, ge- schweige denn überzeugend entkräftet. Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass die Aus- weitung der Lebendspende, wie die FDP sie fordert, nicht zuletzt den mentalen Druck auf Menschen immens erhöht, zu Lebzeiten aus altruistischen Motiven Organe Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24307 (A) (C) (B) (D) gleichsam spenden zu müssen. Auch dazu kein Wort der FDP. Die FDP mag ihre Ideen ja nachvollziehbar und pfif- fig finden. Es geht bei diesem Thema aber nicht um Pfif- figkeit, sondern um sehr sensible, ethische Fragen. Dass die selbsternannte Bürgerrechtspartei FDP darauf keinen Gedanken verschwendet, finde ich schon überraschend. So kann man mit diesem heiklen Thema nun wirklich nicht umgehen. Anlage 47 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeiter- geld (Tagesordnungspunkt 9) Olav Gutting (CDU/CSU): Wir beschäftigen uns heute in diesem Hohen Haus wieder einmal mit einem klassisch populistischen Antrag der Linken. Wir brau- chen in dieser finanzpolitisch und weltwirtschaftlich schwierigen Zeit aber keine populistischen Anträge, mit denen anerkannte steuerrechtliche Grundsätze – und dies nicht einmal konsequent – ausgehebelt werden, sondern Antworten auf die jetzt dringenden Fragen in Bezug auf die Finanz- und Konjunkturkrise. Die Menschen wollen Antworten, wie wir aus dieser Krise herauskommen. Stattdessen debattieren wir hier über die Abschaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld. Damit soll laut der Fraktion Die Linke erreicht werden, dass das Kurzarbeitergeld tatsächlich steuerfrei bleibt, und gleichzeitig verhindert werden, dass das Kurzarbeitergeld bei der Festsetzung der steuerlichen Progression mitbe- rücksichtigt wird. Der Progressionsvorbehalt stellt aber die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sicher. Ich dachte eigentlich immer, die Linken wären gerade die- sem Prinzip verbunden. Wer mehr verdient und mehr er- hält, muss höhere Steuern zahlen. Ihre Forderung nach der Abschaffung des Progressionsvorbehalts ausgerech- net und nur bei Kurzarbeit wundert da schon ein biss- chen. Die Lohnersatzleistungen sind selbst ja steuerfrei. Sie werden lediglich zur Berechnung des individuellen Steu- ersatzes einbezogen. Blieben bestimmte steuerfreie Ein- künfte beim progressiven Verlauf des Einkommensteuer- tarifs außer Ansatz, würde dies nicht nur den Steuerausfall für diese Einkünfte bedeuten, sondern eben auch die Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes für die übrigen Einkünfte. Schon 1995 hat das Bundesverfassungsgericht fest- gestellt, dass der Progressionsvorbehalt für Lohnersatz- leistungen – hierzu zählt auch das Kurzarbeitergeld – verfassungsgemäß ist. Nach Ansicht des Bundesverfas- sungsgerichts berücksichtigt der Progressionsvorbehalt „das Leistungsvermögen des Steuerpflichtigen in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise“. Es liegt auf der Hand, dass Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen ha- ben, wirtschaftlich leistungsfähiger sind als Steuerpflich- tige, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistun- gen erzielt haben. So das BVerfG. Im Übrigen ist die Fraktion Die Linke mit ihrem An- trag auch – und das überrascht nicht – inkonsequent. Wieso fordern Sie nur die Aufhebung beim Kurzarbei- tergeld? Etwa weil aufgrund der aktuellen Krise die Kurzarbeit in aller Munde ist? Die Inkonsequenz zeigt, dass Sie die Tragweite Ihres Antrags selbst vorher nicht bedacht haben. Es wäre einfach nicht zu rechtfertigen, den Progres- sionsvorbehalt nur für das Kurzarbeitergeld aufzuheben, nicht aber für die anderen zahlreichen hiervon betroffe- nen Einkünfte wie zum Beispiel das Arbeitslosengeld oder Insolvenzgeld. Statt Veränderungen in Teilberei- chen vorzunehmen und damit unser Steuersystem weiter zu verkomplizieren, wären konstruktive Vorschläge zu einer Reform der Einkommensteuer hilfreich. Ein kom- pliziertes Einkommensteuersystem mit einer Vielzahl von geregelten Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen haben wir ja schon. Meine Fraktion sieht gerade auf diesem Feld dringenden Handlungsbedarf. Dabei geht es uns in erster Linie um ein einfacheres und schon allein deswegen gerechteres System. Dieser An- trag der Fraktion Die Linke ist zur Vereinfachung aller- dings nicht geeignet. Bei aller berechtigten Kritik an der jetzigen Form der Einkommensteuer und am komplizierten deutschen Steuerrecht muss grundsätzlich gelten: Die Einkommen- steuer ist eine Steuer, welche neben der objektiven auch die subjektive Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuer- pflichtigen berücksichtigt. Dazu gehört in diesem Sys- tem der Progressionsvorbehalt. Jeder trägt zur Finanzie- rung des Gemeinwesens seinen entsprechenden Teil bei. Das entscheidende Kriterium sollte die Leistungs- fähigkeit und nicht die Art der Einkünfte sein. Da gibt es noch viel zu tun, ohne Zweifel. Wir in der Union wollen eine Reform der Einkommensteuer, bei der ne- ben der Vereinfachung auch die kleineren und mittleren Einkommensteuerzahler eine Entlastung erfahren. Eine solche Entlastung muss vor allem die kalte Progression eindämmen. Das sind wir all den Menschen, die jeden Morgen aufstehen, zur Arbeit gehen und sich Ihre Bröt- chen mit engagierter Arbeit verdienen, schuldig. Ich will nur noch einmal erwähnen, dass die oberen 50 Prozent der Einkommensteuerzahler circa 90 Prozent des Gesamtaufkommens tragen. Das sind also diejeni- gen, die die ganze Veranstaltung bezahlen. Wir wollen den Menschen eine Perspektive bieten, wie wir aus die- ser weltweiten Krise herauskommen. Dazu gehört, dass wir weiterhin auf die soziale Marktwirtschaft setzen. Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft heißt un- ter anderem auch, bei der Besteuerung des Arbeitsein- kommens der Menschen Maß zu halten. Wenn wir wieder zurück auf den Pfad des Wirt- schaftswachstums kommen wollen, dann müssen wir un- ser Steuersystem leistungsgerechter machen und dürfen gerade nicht die Leistungsfähigkeit – wie in Ihrem An- trag geschehen – ausblenden. Erste Schritte sind hier im Übrigen schon gemacht. Zusammen mit dem Bürgerent- lastungsgesetz, der Absenkung des Eingangsteuersatzes, 24308 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) der Anhebung des Grundfreibetrags und der Rechtsver- schiebung des Tarifs geben wir den Menschen weit mehr als 15 Milliarden Euro zurück. Abschließend darf ich als Fazit festhalten: Unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht ist der Progressionsvorbehalt beim Kurzarbeitergeld nur folge- richtig und dementsprechend beizubehalten. Gabriele Frechen (SPD): Mit ihrem vorliegenden Gesetzentwurf fordert die Fraktion Die Linke die Ab- schaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeiter- geld. Begründet wird dies auf den vier Seiten des Ge- setzentwurfs zweimal. Und mit beiden Begründungen liegen Sie falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke. Da ist zunächst die Begründung, der Progressionsvor- behalt widerspreche dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber in meinen Augen erhöht es die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer deutlich, wenn Ihnen bei Aus- fall des Arbeitsentgelts Kurzarbeitergeld, Elterngeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld gezahlt wird. Und ich glaube, dieses „Ausfallgeld“ wird von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern eher als soziale Errungenschaft denn als Belastung angese- hen. Sie können es einfach nicht verknusen, dass die Ent- scheidungen von Arbeitsminister Olaf Scholz und der Koalitionsfraktionen bei den Menschen gut ankommen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleiben auch in schwieriger Situation des Betriebes in fester Beschäfti- gung. Betriebe in der Krise brauchen ihre Mitarbeiter nicht zu entlassen. Sie können Kurzarbeit in Anspruch nehmen, ihre Mitarbeiter weiterbilden und haben nach Beendigung der Krise ihre Fachkräfte weiter im Betrieb und im besten Fall noch besser qualifiziert. Irgendwie müssen Sie jetzt sticheln, und sind die Ar- gumente noch so an den Haaren herbeigezogen. Denn es stimmt einfach nicht: Weder direkt noch indirekt führt der Progressionsvorbehalt zu einer Besteuerung von Lohnersatzleistungen. Der Progressionsvorbehalt sorgt gerade für die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. So steht es auch in dem von Ihnen als Begründung angeführten Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts: „Der Progressionsvorbehalt berücksich- tigt das Leistungsvermögen des Steuerpflichtigen in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise. Es liegt auf der Hand, dass Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, wirtschaftlich leistungsfähiger sind als Steuerpflichtige, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen er- zielt haben. Die Einbeziehung der Lohnersatzleistungen begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Beden- ken.“ Ich möchte das ganz kurz an einem Beispiel darstel- len: Ein lediger Steuerpflichtiger mit 34 000 Euro zu versteuerndem Einkommen bezahlt 7 124 Euro, also 20,96 Prozent. Sind in diesen 34 000 Euro nun 4 000 Euro Kurzarbeitergeld enthalten, ist die Leistungsfähig- keit doch genauso hoch, nämlich 34 000 Euro. Deshalb wird dieser Prozentsatz von 20,96 auf die übrigen 30 000 Euro angewendet. Die Steuer beträgt 6 288 Euro, 836 Euro weniger als beim ersten Fall. Und Sie reden davon, dass das Kurzarbeitergeld besteuert wird. Ein lediger Steuerpflichtiger mit 30 000 Euro zu ver- steuerndem Einkommen bezahlt 5 814 Euro, also 19,38 Prozent. Seine Leistungsfähigkeit ist aber auch um 4 000 Euro niedriger. Sie wollen jetzt, dass dieser Ar- beitnehmer genauso viel Steuern bezahlt wie sein Kol- lege, der neben den 30 000 Euro zusätzlich 4 000 Euro Kurzarbeitergeld bezogen hat. Ich empfehle, den Steuer- pflichtigen zu fragen, wer seiner Meinung nach finan- ziell leistungsfähiger ist. Ihre zweite Begründung besteht darin, dass Sie sich auf das bereits zitierte Urteil des Bundesverfassungsge- richts aus dem Jahr 1995 berufen. Der Progressionsvor- behalt für Lohnersatzleistungen sei demnach gerechtfer- tigt, wenn er die „Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme“ fördert. Das war zwar Teil der Begründung, aber nicht alles. Im Gegenteil: Es wird extra ausgeführt, dass unge- achtet dessen die angegriffene Regelung weder willkür- lich noch verfassungswidrig ist. Das Bundesverfas- sungsgericht kommt in seinem Urteil diesbezüglich zu folgendem Schluss: „Die Erwägungen des Gesetzgebers, die die Einführung des Progressionsvorbehaltes für ein- zelne Lohnersatzleistungen tragen, sind einsichtig und nachvollziehbar.“ Und weiter: „Auch das Vorbringen der Beschwerdeführer im Übrigen lässt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG oder anderer Grundrechte nicht erken- nen.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke, wenn Sie sich schon auf ein Urteil des Bun- desverfassungsgerichts berufen, dann sollten Sie es auch komplett lesen. An keiner Stelle lässt dieses Urteil einen Zweifel daran, dass der Progressionsvorbehalt für das Kurzarbeitergeld verfassungsgemäß ist. Ich kann es nur wiederholen: Es geht Ihnen nicht um die Sache, sondern einzig und allein um sich selbst. Sie können es nicht er- tragen, dass alle Beteiligten diese Maßnahme gut finden und davon Gebrauch machen. Das dürfen sie aus ideolo- gischen Gründen auf keinen Fall stehen lassen. Der Ver- stand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen, sind zweier- lei Fähigkeiten. Carl-Ludwig Thiele (FDP): Der vorliegende Ge- setzentwurf macht es wieder einmal deutlich: Die Frak- tion Die Linke ist die Fraktion der Populisten; ihr kommt es nur auf Effekthascherei an. Weil die Zahl der Kurz- arbeiter im Verlauf dieser Wirtschaftskrise stark an- gestiegen ist, versuchen die Linken, sich bei diesen Bür- gerinnen und Bürgern anzubiedern. Dass dabei die Steuergerechtigkeit gegenüber vergleichbaren Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter die Räder kommt, interessiert die Linken nicht. Sie hoffen, dass die anderen Bürgerinnen und Bürger die Ungerech- tigkeit dieses Gesetzesvorschlags nicht bemerken. Die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 24309 (A) (C) (B) (D) Menschen in unserem Land sind aber schlauer als die Sozialisten glauben. Seinen Ursprung hat der in § 32 b des Einkommen- steuergesetzes geregelte Progressionsvorbehalt im inter- nationalen Steuerrecht. Dieses Instrument gab es zu- nächst nur bei ausländischen Einkünften, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland von der Steuer freigestellt sind. Anfang der 80er-Jahre wurde der Pro- gressionsvorbehalt dann auf einen umfänglichen Katalog steuerfreier Lohnersatzleistungen und Sozialleistungen ausgedehnt. Damit wurde der Tatsache Rechnung getra- gen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Bür- gers, der neben steuerpflichtigen Einkünften noch steu- erfreie Einkünfte bezieht, höher ist als die eines Bürgers, der nur steuerpflichtige Einkünfte in gleicher Höhe und keine steuerfreien Einkünfte hat. Die steuerfreien Einkünfte bleiben zwar nach dem Progressionsvorbehalt weiterhin steuerfrei, sie werden jedoch bei der Bemessung des Steuersatzes für die übri- gen Einkünfte einkalkuliert. Dies ist steuersystematisch richtig und gerecht. Das Bundesverfassungsgericht hat es in seiner Entscheidung vom 3. Mai 1995 wie folgt for- muliert: „Der Progressionsvorbehalt berücksichtigt das Leistungsvermögen des Steuerpflichtigen in der verfas- sungsrechtlich gebotenen Weise. Es liegt auf der Hand, daß Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, wirt- schaftlich leistungsfähiger sind als Steuerpflichtige, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen erzielt haben.“ Bei Bürgerinnen und Bürgern, die ausschließlich steuerfreie Lohnersatzleistungen oder Sozialleistungen beziehen, für die der Progressionsvorbehalt gilt, wirkt sich dieses Instrument aber nicht aus. Steuerliche Folgen treten nur dann ein, wenn neben diesen steuerfreien Ein- nahmen andere, steuerpflichtige Einkünfte bezogen wer- den oder wenn der zusammen veranlagte Ehegatte sol- che Einkünfte hat und nicht die getrennte Veranlagung gewählt wird. Die offenkundige Ungerechtigkeit des Vorschlags der Linken liegt darin, dass aus dem Katalog der dem Pro- gressionsvorbehalt unterworfenen Einnahmen nur eine einzelne Leistung herausgenommen werden soll – das Kurzarbeitergeld. Aber auch andere Leistungen unterlie- gen dem Progressionsvorbehalt. Dazu gehören das Ar- beitslosengeld, die Zuschüsse zum Arbeitslosengeld, das Winterausfallgeld, das Insolvenzgeld, die Arbeitslosen- hilfe, das Krankengeld, das Übergangsgeld oder ver- gleichbare Lohnersatzleistungen nach dem Fünften, Sechsten oder Siebten Buch Sozialgesetzbuch, die Auf- stockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz, das El- terngeld, das Überbrückungsgeld, das behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen nach dem SGB IX gewährt wird. Diese Aufzählung ist noch nicht ein- mal vollständig. Die Empfänger dieser dem Progressionsvorbehalt gleichfalls unterworfenen Leistungen, die oft schlechter dastehen als die Empfänger von Kurzarbeitergeld, wer- den nicht verstehen, dass ihre steuerpflichtigen Ein- künfte nach dem Willen der Linken einem höheren Steuersatz unterliegen sollen als die gleich hohen steuer- pflichtigen Einkünfte der Kurzarbeiter. Sie werden dies als grobe Ungerechtigkeit empfinden. Zur Begründung ihrer Forderung nach Streichung des Progressionsvorbehalts für das Kurzarbeitergeld führt die Fraktion Die Linke an, dass das Bundesverfassungs- gericht in seiner Entscheidung vom 3. Mai 1995 den Progressionsvorbehalt für Lohnersatzleistungen dann für verfassungsgemäß halte, wenn er dem einsichtigen und nachvollziehbaren Grund diene, die Bereitschaft zur Ar- beitsaufnahme zu fördern. Dieses gesetzgeberische Mo- tiv sei aber im Falle der Kurzarbeit nicht einschlägig. Es ist schon verwegen, aus dieser Aussage des Bundesver- fassungsgerichts den Umkehrschluss ziehen zu wollen, der Progressionsvorbehalt sei dann nicht verfassungsge- mäß, wenn er nicht die Arbeitsaufnahme fördere. Dies aber wollen die Linken suggerieren. Unter den Tisch fallen lassen sie dabei wohlweislich den vom Bundes- verfassungsgericht zuvor dargelegten entscheidenden Grund für den Progressionsvorbehalt: die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuer- pflichtigen. Der von der Fraktion Die Linke eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Progressionsvorbe- halts für Kurzarbeitergeld ist unredlich. Er ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Die Krise ist im All- tag der Menschen angekommen. Entlassungen und Kurzarbeit sind an der Tagesordnung. Die Einkommen sinken. Die Arbeitslosenzahlen steigen. Wir gehen auf 5 Millionen Arbeitslose zu, sagen die Wirtschaftsfor- schungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten. Auch des- halb fordert die Linke einen Schutzschirm für die Men- schen. Dazu gehört für uns die Abschaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld. Immerhin hat die Regierung im Konjunkturpaket I den Zeitraum für den Bezug von Kurzarbeitergeld auf 18 Monate verlängert und den Arbeitgeberanteil bei den Sozialabgaben gesenkt. Das ist eine direkte Hilfe für die Beschäftigten. Erst einmal bewahrt es sie vor Arbeitslo- sigkeit, wenn auch mit deutlichen Lohneinbußen. So be- kommen auch die Unternehmen eine Atempause. Wir begrüßen diese Maßnahme daher ausdrücklich. Aber das war es dann auch schon für die Arbeitnehmerseite. Jetzt richtet die Bundesregierung ihr Augenmerk vor- rangig auf die Interessen der Unternehmen. Dazu passt die Ankündigung von Ende April, wonach die Unterneh- men demnächst von den Sozialversicherungsbeiträgen ab dem siebten Monat der Kurzarbeit komplett entlastet werden. Gleichzeitig will die Regierung die Bezugs- dauer des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate verlängern, ohne dabei eine Garantie für die Leistungen der Arbeits- losenversicherung zu geben. Aber dazu später mehr. Das Kurzarbeitergeld soll dagegen nicht erhöht wer- den. Zur Erinnerung: Das Kurzarbeitergeld betrug in der Bundesrepublik schon einmal einheitlich 68 Prozent des Nettolohnverlusts. 1994 wurde es auf die heutigen Sätze von 60 Prozent für Alleinstehende und 67 Prozent für 24310 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 (A) (C) (B) (D) Familien reduziert. Die Linke fordert die sofortige An- hebung des Kurzarbeitergeldes auf 80 Prozent des Netto- lohnverlusts bzw. 87 Prozent bei Familien. So meinen wir das mit dem Schutzschirm für Menschen. Der eigentliche Skandal aber ist: Die Bundesregie- rung tut so, als zahle sie die Zeche. Dabei werden die Kosten nicht vom Bund, sondern von der Bundesagentur für Arbeit getragen. Die Zeche zahlen also die Beschäf- tigten selber. Die Bundesagentur hat in diesem Jahr 2,1 Milliarden Euro für Kurzarbeit bereitgestellt. Wirt- schaftsforschungsinstitute schätzen die Kosten aller- dings bereits auf 10,5 Milliarden Euro. Richtig katastro- phal ist aber, dass Sie gleichzeitig im Konjunkturpaket I noch den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar von 3 auf 2,8 Prozent gesenkt haben. Das reißt riesige Löcher in die Kasse der Bundesagentur. Die FAZ schreibt am 8. Mai: Die Bundesagentur rechnet bis zum als Lohnsteuer an das Finanzamt ab; Steuerklasse I, ohne Kind, kirchensteuerpflichtig. Die ist allerdings nach gel- tendem Steuerrecht zu niedrig angesetzt, da der Betrof- fene 2009 monatlich 378,34 Euro als Kurzarbeitergeld erhält. Dies wird im Nachhinein beim Ermitteln des Steuersatzes berücksichtigt. Es ergibt sich dadurch für das Jahr 2009 eine Steuerschuld von insgesamt 1 297,20 Euro einschließlich Solidaritätszuschlag, aber ohne Kir- chensteuer. Der Gerüstbauer wird 2010 voraussichtlich 649,20 Euro an Steuern nachzahlen müssen. Ein Un- ding! Niemand will freiwillig in Kurzarbeit und so Netto- lohneinbußen hinnehmen. Wenn man dann aber auch noch im Folgejahr Steuern nachzahlen muss, ist das Irr- sinn. Für die Betroffenen ist das ein harter Schlag und bringt sie oft in finanzielle Probleme. Fest steht doch, dass ein Teil der heutigen Kurzarbeiter im nächsten Jahr Jahr 2013 mit einem Defizit von 55 Milliarden Euro. Ich frage Sie: Wer zahlt das am Ende? Sie versuchen doch nur, sich über die Bundestagswahlen im September zu retten. Danach die Sintflut! Das ist unverantwortlich, sage ich Ihnen. Auch beim Kurzarbeitergeld betreibt die Bundesre- gierung ein falsches Spiel. Sie preist das Kurzarbeiter- geld als Wohltat, verschweigt aber, dass Sie sich im Fol- gejahr einen Teil des Geldes wieder zurückholt, und zwar von den Kurzarbeiterinnen und -arbeitern. Dafür sorgt der sogenannte Progressionsvorbehalt. Das heißt, das Kurzarbeitergeld wird zwar selbst nicht direkt be- steuert, da es nicht in das zu versteuernde Einkommen einfließt. Wohl aber erfolgt eine indirekte Besteuerung. Denn bei der Bestimmung des anzuwendenden Steuer- satzes wird es berücksichtigt, und der steigt mit steigen- dem Einkommen. Die Folge dieser auch steuersystema- tisch umstrittenen Behandlung des Kurzarbeitergeldes ist, dass Kurzarbeiterinnen und -arbeiter im Folgejahr zum Teil erhebliche Steuernachzahlungen zu leisten ha- ben. Ein Beispiel: Die Arbeitszeit eines kinderlosen Ge- rüstbauers wird für das komplette Jahr 2009 auf die Hälfte reduziert. Er verdient nun monatlich statt 2 500 nur noch 1 250 Euro brutto. Von diesen Bruttobezügen führt sein Arbeitgeber in diesem Jahr insgesamt 648 Euro sellschaft mbH, Amsterdamer Str. 19 weiterhin kurzarbeiten wird bzw. arbeitslos wird. Sie bürden Arbeitslosen auch noch Steuernachzahlungen auf. Und das finden Sie gerecht, oder? Wir nicht. Den sogenannten Lohnsteuerbonus aus ihrem Wahl- programm können Sie sich, meine Damen und Herren von der SPD, an den Hut stecken. Er nutzt den Betroffe- nen gar nichts. Bezieherinnen und Bezieher von einem Kurzarbeitergeld über 410 Euro sind rechtlich zur Ab- gabe einer Steuererklärung verpflichtet. Das bezogene Kurzarbeitergeld ist zudem beim Finanzamt gemeldet, denn es wird auf der Lohnsteuerkarte vermerkt. Dabei ist eine gerechte Lösung für die Betroffenen so einfach: Heben Sie den Progressionsvorbehalt auf! Un- ser Gesetzentwurf liegt Ihnen vor; es ist ein ganz konkre- ter und leicht umzusetzender Vorschlag. Sie brauchen dem nur zuzustimmen. Und tun Sie nicht so, als sei der Progressionsvorbehalt für die große Koalition eine hei- lige Kuh. Im letzten Jahressteuergesetz haben Sie mal so eben ganz nebenbei die entsprechende Regelung für bestimmte Kapitaleinkommen aus dem Ausland fallen gelassen. Der Einkommensmillionär kann seine Miet- erträge aus dem Ausland steuerfrei erzielen, während die Kurzarbeiterin nachträglich Steuern für ihr Kurzarbeiter- geld zahlen muss. Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein. Bewegen Sie sich, und stimmen Sie unserem An- trag zu! nd 91, 1 2, 0, T 22 221. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. Mai 2009 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22 Anlage 23 Anlage 24 Anlage 25 Anlage 26 Anlage 27 Anlage 28 Anlage 29 Anlage 30 Anlage 31 Anlage 32 Anlage 33 Anlage 34 Anlage 35 Anlage 36 Anlage 37 Anlage 38 Anlage 39 Anlage 40 Anlage 41 Anlage 42 Anlage 43 Anlage 44 Anlage 45 Anlage 46 Anlage 47
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