Gesamtes Protokol
Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, guten Morgen!Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darfSie alle sehr herzlich zur konstituierenden Sitzung des15. Deutschen Bundestages willkommen heißen. Es istparlamentarischer Brauch, dass der Älteste in der Ver-sammlung die Leitung übernimmt, bis sich der DeutscheBundestag einen Präsidenten oder eine Präsidentin ge-wählt hat. So sieht es auch § 1 Abs. 2 der Geschäftsord-nung des Deutschen Bundestages vor. Mein Geburtsda-tum lautet: 20. Juli 1932. Ist jemand unter Ihnen, der michan Lebensjahren übertrifft?
– Das ist offenbar nicht der Fall. Als Alterspräsident istmir damit die Leitung der ersten Sitzung in der 15. Wahl-periode anvertraut.Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:Eröffnung der Sitzung durch den Alterspräsi-dentenIch eröffne also die Sitzung und begrüße zunächst sehrherzlich unseren verehrten Herrn Bundespräsidenten.
Wir freuen uns sehr, hochverehrter Herr Bundespräsident,dass Sie an dieser Sitzung teilnehmen.Weiterhin begrüße ich ebenso herzlich den Präsidentendes Bundesverfassungsgerichts. Herzlich willkommen!
Ich freue mich, auch die früheren Präsidentinnen desDeutschen Bundestages, Frau Annemarie Renger undFrau Professor Rita Süssmuth, begrüßen zu dürfen.
Im Namen des Hauses heiße ich außerdem die Präsi-denten der Republiken Guatemala, Honduras undNicaragua sowie die Vizepräsidentin derRepublik CostaRica und den Vizepräsidenten der Republik Panamaherzlich willkommen.
Mein herzlicher Gruß gilt auch den Botschaftern undMissionschefs zahlreicher Staaten unter uns. Herzlichwillkommen!
Meine Damen und Herren, bis zur Beschlussfassungüber die Geschäftsordnung, die sich der 15. Deutsche Bun-destag nach der Wahl des Bundestagspräsidenten oder derBundestagspräsidentin geben wird, verfahren wir nachden Regeln, die für den 14. Deutschen Bundestag gegol-ten haben.Nach Absprache mit den Fraktionen benenne ich alsvorläufige Schriftführerinnen und Schriftführer diefolgenden Damen und Herren Abgeordneten: Ilse Aigner,Hubert Deittert, Peter Dreßen, Hans-Josef Fell, Dr. Hans-Peter Friedrich , Hans-Joachim Fuchtel, WolfgangGrotthaus, Jelena Hoffmann , Jann-PeterJanssen, Johannes Kahrs, Ulrich Kasparick, Helga Kühn-Mengel, Ute Kumpf, Ina Lenke, Werner Lensing,Gabriele Lösekrug-Möller, Gerhard Rübenkönig, MarleneRupprecht , Anita Schäfer (Saalstadt),Marita Sehn, Dr. Margrit Spielmann, Edeltraut Töpfer,Jürgen Türk, Angelika Volquartz und Lydia Westrich.Ich bitte die Abgeordneten Ute Kumpf und Hans-Joachim Fuchtel, jetzt neben mir Platz zu nehmen.
– Sie sind ja schneller als der Schall. So soll das im Deut-schen Bundestag auch sein. Es ist schön, dass die erste Sit-zung des 15. Deutschen Bundestages in dieser heiterenStimmung beginnt.
Meine sehr verehrten Damen und sehr geehrten HerrenKollegen, bereits mit 70 Jahren als Alterspräsident zuamtieren ist in der bisherigen Parlamentsgeschichte desDeutschen Bundestages eher eine Seltenheit. Von PaulLöbe über Konrad Adenauer bis hin zu allen anderenwaren alle älter als 70 Jahre, ehe ihnen die Ehre des Alters-präsidenten zuteil wurde. Nur Willy Brandtwar 1983 achtMonate jünger, als ich es heute bin, als er das Amt desAlterspräsidenten übernahm. Das Amt des Alterspräsiden-ten blieb Willy Brandt dann freilich auch in den folgenden
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 1. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 20022
Alterspräsident Otto Schilybeiden Legislaturperioden erhalten. Den Hinweis daraufsollten Sie, was meine Lebensperspektiven angeht, aberbitte nicht missverstehen.
Indessen sollten wir schon in Betracht ziehen, dassauch die Generation der über 70-Jährigen – nicht zu-letzt im Hinblick auf die deutlich veränderte Altersstruk-tur der Gesellschaft – ein Anrecht – wie ich finde: einselbstverständliches Anrecht – auf eine aktive Mitgestal-tung der Politik geltend machen darf.
Waren 1950 gerade einmal 5,6 Prozent der Bevölkerungin der westdeutschen Bundesrepublik 70 Jahre alt und äl-ter, hat sich diese Zahl in der gesamtdeutschen Bundesre-publik inzwischen mit 11,6 Prozent mehr als verdoppelt.Ich verstehe mich gewiss nicht als Sprecher der knapp10 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Generation 70plus.
Als Abgeordnete sind wir bekanntlich nicht einer be-stimmten Bevölkerungsgruppe verpflichtet. So begrü-ßenswert und notwendig es aber ist, dass die jüngere Ge-neration für die Mitwirkung an der Politik innerhalb undaußerhalb des Parlaments gewonnen wird, so wichtig undunterstützenswert ist es zugleich, die ältere Generationvon dem aktiven politischen Leben nicht fern zu halten.Meine Damen und Herren, der 15. Deutsche Bundes-tag ist der erste, der seine Arbeit im 21. Jahrhundert be-ginnt.Die Erinnerung an die Schrecken und abgrundtiefenVerbrechen des vergangenen Jahrhunderts wird und darfuns jedoch nicht entgleiten. Schuld vererbt sich nicht.Aber Verantwortung bleibt bestehen und entsteht aufsNeue.
Deutschland und Europa lagen in Trümmern, als PaulLöbe 1949 zur Eröffnung des ersten Deutschen Bundes-tages die Hoffnung äußerte – ich zitiere –, „dass diesesDeutschland ein aufrichtiges, von gutem Willen erfülltesGlied eines geeinten Europas sein wird“. Nach 53 Jahren,nach Überwindung der Teilung Deutschlands und derTeilung Europas ist diese Hoffnung Wirklichkeit undDeutschland ein unauflöslicher Teil des geeinten, fried-lichen und demokratischen Europas geworden. Das ist einGrund zu tiefer Dankbarkeit gegenüber allen, die daranmitgewirkt haben, und zugleich Aufruf und Verpflich-tung, die Europäische Union im Zuge des Erweiterungs-prozesses entschlossen auszubauen.Wir nennen in den europäischen Verträgen die Europä-ische Union einen Raum der Freiheit, der Sicherheit unddes Rechtes. Darin ist inbegriffen, dass Europa nicht nurein gemeinsamer Wirtschafts- und Währungsraum, nichtnur ein gemeinsamer Rechtsraum, nicht nur eine politi-sche Struktur ist, sondern dass Europa – nach meinerÜberzeugung sogar zuallererst – ein gemeinsamer geis-tig-kultureller Raum ist, aus dem die Politik in vielfältigerWeise ihre Antriebskräfte gewinnt. Es ist das Europa derAufklärung, das Europa der unveräußerlichen Menschen-rechte, das Europa der geistigen Freiheit, das Europa derchristlich-jüdischen Traditionen, in dem aber inzwischenalle Weltregionen zu Hause und ein willkommener Dia-logpartner sind.Es ist hoffentlich ebenso das Europa der geistig-kultu-rellen Erneuerung. Es ist das Europa aller Himmelsrich-tungen. Es ist unsere Heimat Europa, das Europa der Viel-falt und der Weltoffenheit. Es ist das Europa der engenund vertrauensvollen atlantischen Partnerschaft. Es istebenso das Europa als Teilhaber der Weltgemeinschaftmit allen Rechten und Pflichten. Deutsche Politik wird indiesem Sinne künftig sehr eindeutig und in erheblich ver-stärktem Maße europäische Politik und damit auch Welt-politik sein müssen. Das macht unsere Aufgaben in unse-ren jeweiligen Verantwortungsbereichen gewiss nichtleichter.Ohnehin wird sich niemand der Einsicht entziehenkönnen, dass wir uns am Beginn des neuen JahrhundertsGefahren großer Dimensionen und neuen Risiken ge-genübersehen. Eine dieser Gefahren ist die Bedrohungdurch den weltweiten islamistischen Terrorismus. Wieernst diese Bedrohung zu nehmen ist, beweist in furcht-barer Weise das vor wenigen Tagen verübte Sprengstoff-verbrechen auf der Insel Bali, dem Hunderte von Men-schen, in der Mehrzahl Jugendliche, zum Opfer fielen.Auch wenn die Hintergründe dieses eiskalt geplanten,teuflischen Massenmordes zurzeit nicht aufgeklärt sind,spricht vieles dafür, dass die Urheber im Umkreis desTerrornetzwerks al-Qaida zu suchen sind.Ich spreche sicherlich im Namen des gesamten Deut-schen Bundestages, wenn ich allen Angehörigen der Op-fer, insbesondere in Australien, unsere tief empfunde-ne Anteilnahme ausspreche. Zum Zeichen Ihrer Anteil-nahme bitte ich Sie, sich für einen kurzen Augenblick vonIhren Plätzen zu erheben.
– Ich danke Ihnen.Sehr verehrte Damen und Herren, das Massaker vonBali mahnt uns erneut, die internationale Zusammenarbeitim Rahmen der weltweiten Koalition gegen den Terroris-mus weiter zu verstärken und alles daranzusetzen, dassdiese Koalition nicht wieder auseinander fällt, sondern imGegenteil gefestigt wird und sich erweitert.Wenn aber der Kampf gegen den internationalenTerrorismus nicht ein aussichtsloser Kampf gegen eineHydra sein soll, dann muss er – ich habe das immer wie-der betont – auch als offensive geistig-kulturelle Aus-einandersetzung verstanden werden. Gegenüber einemaggressiven, gotteslästerlichen, pseudoreligiösen Fanatis-mus werden wir uns in Europa und in der gesamten Weltnur dann behaupten, wenn wir uns in unserer jeweiligengeistig-seelischen Konstitution als Menschen erkennenund auf diese Weise unsere Verantwortung in Freiheit an-nehmen. So wird jede und jeder von uns in sein Gewissengerufen, und zwar unabhängig von der Zugehörigkeit zuirgendeiner politischen oder weltanschaulichen Gruppie-rung. Das stiftet in erster und in letzter Instanz den inne-
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ren Frieden und die innere Sicherheit, die selbst den teuf-lischsten Terrorismus bezwingen werden.Die Erkenntnis der Entelechie des Menschen wird zumAnerkenntnis der Würde des Mitmenschen. Daraus folgteine politische Kultur, die dem Konflikt nicht ausweicht,aber dem Andersdenkenden den Respekt nicht verweigert.
Eine Kultur des Respekts und des demokratischen Dia-logs kennt keine Feinde, sondern nur politische Gegner.Eine Kultur des Respekts auf der Grundlage des demo-kratischen Rechtsstaats achtet ebenso darauf, dass auchbei schärfstem politischen Streit die Institutionen desStaates und der Gesellschaft keinen Schaden nehmen.Lassen Sie mich in diesem Sinne zum Schluss einenschlichten Satz des früheren Alterspräsidenten KonradAdenauer aufgreifen, der auch als Appell an den 15. Deut-schen Bundestag geeignet ist:Wir werden aller menschlichen Voraussicht nachwährend der nächsten vier Jahre schweren Zeitenentgegengehen. Ich hoffe und bin davon überzeugt,dass sich dann alle Mitglieder dieses Hauses dieserGemeinsamkeit ihrer Verpflichtungen bewusst sind.Ich hoffe und wünsche, dass wir alle die Gemeinsam-keit unserer Verpflichtungen nicht aus den Augen verlie-ren, der Versuchung zu einer destruktiven Politik wider-stehen, die Fairness auch im politischen Alltag wahren,den politischen Vorteil im Argument und nicht in der per-sönlichen Herabsetzung suchen und nicht zuletzt derMaxime Goethes folgen werden, dass die Weisheit in derWahrheit und nirgendwo sonst zu finden ist.Vielen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich rufe jetztden Tagesordnungspunkt 2 auf:Wahl des Präsidenten, verbunden mit Namens-aufruf und Feststellung der BeschlussfähigkeitIch bitte um Vorschläge zur Wahl. – Herr KollegeMüntefering, bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion schlage ich Ih-
nen vor, den Kollegen Wolfgang Thierse zum Präsidenten
des 15. Deutschen Bundestages zu wählen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlaggehört. Der Abgeordnete Wolfgang Thierse ist vorge-schlagen worden. Werden weitere Vorschläge gemacht? –Das ist offenkundig nicht der Fall.Ich bitte jetzt um Ihre Aufmerksamkeit für einigeHinweise zum Wahlverfahren. Die Wahl findet mit ver-deckten Stimmkarten, also geheim, statt. Gewählt ist, werdie Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundes-tages erhält. Sie benötigen für die Wahl des PräsidentenIhren weißen Wahlausweis. Diesen und weitere Wahlaus-weise für die später durchzuführenden Wahlen der Vize-präsidenten können Sie, soweit noch nicht geschehen, denStimmkartenfächern in der Lobby entnehmen. Bitte kon-trollieren Sie, ob die Wahlausweise Ihren Namen tragen.Die für die Wahl des Präsidenten allein gültige weißeStimmkarte und den amtlichen Wahlumschlag erhaltenSie nach Aufruf Ihres Namens von den Schriftführern anden Ausgabetischen oben links und rechts neben denWahlkabinen.Um einen reibungslosen Ablauf der Wahl zu gewähr-leisten, bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen aus über dieseitlichen Zugänge nach hinten zu den Ausgabetischen zubegeben. Nachdem Sie die Stimmkarte in einer der Wahl-kabinen gekennzeichnet und in den Wahlumschlag gelegthaben, gehen Sie bitte zu den Wahlurnen am Steno-grafentisch. Sie dürfen Ihre Stimmkarte nur in der Wahl-kabine ankreuzen und müssen ebenfalls noch in derWahlkabine die Stimmkarte in den Umschlag legen. DieSchriftführer sind verpflichtet, jeden, der seine Stimm-karte außerhalb der Wahlkabine kennzeichnet oder in denUmschlag legt, zurückzuweisen. Die Stimmabgabe kannin einem solchen Fall jedoch vorschriftsmäßig wiederholtwerden.Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei „ja“,„nein“ oder „enthalte mich“. Ungültig sind Stimmen aufnicht amtlichen Stimmkarten sowie Stimmkarten, diemehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten.Bevor Sie die Stimmkarte in eine der am Stenografen-tisch aufgestellten Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitteIhren Wahlausweis einem der Schriftführer an der Wahl-urne. Die Abgabe des Wahlausweises dient als Nachweisfür die Beteiligung an dieser Wahl und ersetzt die Eintra-gung in die Anwesenheitsliste, soweit Sie sich nicht oh-nehin schon eingetragen haben.Ich bitte jetzt die eingeteilten Schriftführer, die vorge-sehenen Plätze einzunehmen. – Die beiden Schriftführerneben mir werden nun Ihre Namen in alphabetischer Rei-henfolge aufrufen. Ich bitte Sie, den Namensaufruf zuverfolgen und sich rechtzeitig zur Entgegennahme derStimmkarte zu den Ausgabetischen vor den Wahlkabinenzu begeben. Haben alle Schriftführer ihre Plätze einge-nommen? – Das ist der Fall.Ich eröffne die Wahl und bitte, mit dem Aufruf derNamen zu beginnen.
Meine Damen und Herren, der Namensaufruf ist be-endet.Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schrift-führerinnen und Schriftführer, ihre Stimmzettel abgege-ben? – Das ist offensichtlich der Fall.Alterspräsident Otto Schily
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Alterspräsident Otto SchilyIch schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mitder Auszählung zu beginnen. Zur Auszählung unterbrecheich die Sitzung für etwa 15 bis 20 Minuten.
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist
wieder eröffnet.
Ich darf das Ergebnis der Wahl bekannt geben: Es wur-
den 596 Stimmen abgegeben. Damit ist zugleich die
Beschlussfähigkeit des 15. Deutschen Bundestages fest-
gestellt. Von den abgegebenen Stimmen waren keine
Stimmen ungültig. Mit Ja haben 357 Abgeordnete ge-
stimmt.
219 Abgeordnete stimmten mit Nein. 20 Abgeordnete
haben sich der Stimme enthalten.
Ich stelle fest, dass der Abgeordnete Wolfgang Thierse
die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses er-
halten hat. Er ist damit zum Präsidenten des Deutschen
Bundestages gewählt.
Ich frage Sie, Herr Kollege Thierse: Nehmen Sie die
Wahl an?
Herr Alterspräsident, ich nehme die Wahl an.
Herr Präsident Thierse, ich beglückwünsche Sie im Na-
men des ganzen Hauses. Herr Kollege Thierse, auch ich
persönlich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg für Ihr
verantwortungsvolles Amt.
Tagesordnungspunkt 3:
Amtsübernahme durch den Präsidenten
Ich darf Sie, Herr Präsident, bitten, das Amt zu
übernehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kol-leginnen und Kollegen! Diesmal erlaube ich mir, einekürzere Rede als vor vier Jahren zu halten.
Wir kennen uns ja. Der Alterspräsident Otto Schily hatWichtiges gesagt, das ich nicht wiederholen und schongar nicht übertreffen will und kann.Ich möchte mich herzlich für das mit dieser Wahl aus-gesprochene Vertrauen bedanken. Sie können sicher sein– das sage ich mit Blick auf das ganze Haus –, dass ichmich mit aller Kraft darum bemühen werde, die Interessenjedes Abgeordneten zu schützen, zu wahren und zugleichdas Parlament als Ganzes nach außen hin würdig zu ver-treten.
Ich hoffe, dass mir das gelingen wird, auch wenn wir,wie ich in den vergangenen Tagen lesen konnte, an Be-deutung verloren haben. Da hieß es – ich zitiere –:Der 15. Deutsche Bundestag ist nicht mehr das welt-weit größte demokratisch gewählte Parlament. DieseRolle haben die 603 Abgeordneten an das britischeUnterhaus abgegeben. Das Mutterhaus der Parla-mente zählt 659 Abgeordnete. Auch die italienischeAbgeordnetenkammer liegt mit 630 Mitgliedernüber dem deutschen Niveau.
Das war das Zitat, jetzt kommt der Kommentar dazu: Ichbin mir sicher, dass wir diesen Rückfall auf Platz drei gutverschmerzen werden. Natürlich gilt auch hier, dass Qua-lität vor Quantität rangiert,
und da ist mir für unsere künftige Arbeit nicht bange.Vor allem aber, liebe Kolleginnen und Kollegen,markiert dieser zahlenmäßige Rückgang in unserem Par-lament etwas anderes: 13 Jahre nach dem Fall der Mauerund zwölf Jahre nach der wieder errungenen staatlichenEinheit sind wir Deutschen auf dem Weg zur innerenEinheit ein ganzes Stück vorangekommen. Die Sonder-situation des Zusammenfügens zweier Parlamente – desDeutschen Bundestages und der ersten demokratisch ge-wählten Volkskammer – hat ihren eigentlichen Abschlussgefunden.Die innere Struktur des vereinten Deutschlands drücktsich nun auch in der endgültigen Wahlkreiseinteilungaus. Ich sage das gerade auch als Berliner Abgeordneter,der ich aus einer Stadt komme, in der dies nicht ganzeinfach war. Im Ergebnis aber glaube ich, dass das Zu-sammenfügen von Teilen ehemaliger Ost- und Westwahl-kreise zum Gelingen des weiteren Zusammenwachsensbeitragen wird.Ein Stück Integration wird auch im Wahlergebnisund in der Reduzierung der Zahl der Fraktionen im15. Deutschen Bundestag sichtbar. Manche Unkenrufeüber einen angeblichen Zerfall der großen Volksparteien
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haben sich ebenso als voreilig und falsch erwiesen wie dieVorstellung – von manchen befürchtet, von manchen garerhofft –, es werde sich eine dauerhafte Teilung der Par-teienlandschaft zwischen West und Ost etablieren. DasWahlergebnis deutet darauf hin, dass auch die Bandbreitedes politischen Spektrums auf die wichtigsten gesell-schaftspolitischen Strömungen unseres Landes mit ihrenhistorischen Wurzeln bezogen und gegründet bleibt. Übri-gens ist die Wahlbeteiligung mit fast 80 Prozent in derGrößenordnung geblieben, wie wir sie von Bundestags-wahlen kennen, ganz entgegen den Erwartungen gewisserLiebhaber von Krisen und Katastrophen.Vor allem aber – das freut mich besonders – hat dasWahlergebnis vom 22. September deutlich gemacht, dassPolitiker und Parteien, die mit rechtsextremistischen, aus-länderfeindlichen und antisemitischen Parolen auf Stim-menjagd gehen, in Deutschland auch weiterhin keineChance haben.
Wir alle haben kurz vor der Wahl miterleben müssen,welch unseliger Geist hier einziehen würde, hätten Poli-tiker wie Herr Schill eine Chance bekommen. Die Wäh-lerinnen und Wähler und wir alle gemeinsam haben daszum Glück verhindert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich auf meineerste Amtszeit als Präsident dieses Hauses schaue, dannfallen mir natürlich auch die Aufgaben ein, die den politi-schen Alltag nicht gerade versüßen. Darauf muss ich zusprechen kommen. Ich hätte mir wahrlich eine Amtszeitgewünscht, in der ich weniger in meiner Funktion als„mittelverwaltende Behörde“, wie es in schönem Amts-deutsch heißt, hätte tätig werden müssen. Ich habe des-halb im Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden desletzten Bundestages die Frage aufgeworfen, ob der Bun-destagspräsident wirklich weiter der Hüter des Parteien-gesetzes bleiben sollte. Man war der Auffassung, dass esbei dieser Regelung bleiben solle. Sie wurde also bei derGesetzesnovellierung nicht verändert.Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das so ist,dann konnte und dann kann ich Ihnen und Ihren Parteienweiterhin gewisse unbequeme Entscheidungen nicht er-sparen, wenn es um nicht deklarierte Spenden oderschwarze Kassen geht. Ich sage das ausdrücklich auch mitBlick auf meine eigene Partei. Es war nicht nur die größteOppositionspartei, die über die eine oder andere meinerEntscheidungen nicht ganz begeistert war.Natürlich war hierbei jeweils über Vorgänge zu ent-scheiden, die nicht nur Parteien betrafen, sondern auch fürsie handelnde Personen, in dem einen oder anderen Fallauch Parlamentarier. Sicher aber ist eines: In allen diesenFällen ist das Ansehen der Politik insgesamt und damitunweigerlich auch das des Parlaments berührt. Ich bleibebei dem, was ich in den vergangenen Wochen und Mo-naten aus anderen Anlässen wiederholt gesagt habe: WirPolitiker sind normale Menschen und sollten nicht mitganz anderen, ganz besonderen Maßstäben gemessenwerden. Aber eines gilt schon: Wir haben uns wie jederund jede an die Gesetze und Regeln zu halten, insbeson-dere solche, die wir für uns selbst vereinbart haben.
Nur darin, aber darin unbedingt, müssen wir Vorbildsein: bei der Einhaltung jener Regeln und Gesetze, aufdenen unsere rechtsstaatliche Demokratie ruht, sonst be-schädigen wir das Vertrauen in sie.
Ich will hoffen – ich denke, wir hoffen gemeinsam –,dass die Tätigkeit des Bundestagspräsidenten in dieser Pe-riode mehr dem Parlament und weniger dem Parteien-gesetz gelten wird. Es gehört keine prophetische Gabedazu, zu prognostizieren, dass auch dem 15. DeutschenBundestag der Anlass zum Streit nicht ausgehen wird.Nicht nur das Parlament ist kleiner geworden. Dasselbegilt für die parlamentarische Mehrheit. Ich muss Sie nichtan beispielhafte Debatten der abgelaufenen Periode erin-nern, um die Vorstellungskraft dafür zu schärfen, dass esauch künftig im Parlament heftig, ja manchmal auch tur-bulent zugehen kann und wird.Ich sehe meine Aufgabe auch weiterhin darin, dabeimitzuhelfen, dass der leidenschaftliche, aber faire Streitüber die politische Zukunft unseres Landes hier in diesemSaal, im Reichstagsgebäude, im Parlament ausgetragenwird. Machen wir uns doch nichts vor. In den Feuilletonswird seit Jahren – im Übrigen unter gelegentlicher Betei-ligung von Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses – da-rüber geklagt, dass die eigentlichen Fragen nicht mehr imParlament debattiert, geschweige denn entschieden wür-den. Die Debatten, so heißt es da, seien doch längst in dieTalkshows abgewandert und die Entscheidungen würdenin der Exekutive oder in parlamentsfernen Expertenkom-missionen getroffen. Ich habe mich dieser Betrachtungs-weise immer vehement widersetzt, ohne dabei gefährlicheTendenzen in diese Richtungen leugnen zu wollen.
Der Bundestag bleibt der eigentliche Ort der demokra-tischen Auseinandersetzung. Hier findet der Ernstfall derEntscheidung statt. Das hat gerade die vergangene Wahl-periode gezeigt. Es sind eben keine unterhaltsamen Me-diendiskussionen und Talkshows, die die Verantwortungfür Kampfeinsätze unserer Soldaten übernehmen oder diein tief gehenden ethischen Fragen wie dem Umgang mitGentechnik, Stammzellenimport oder Organtransplanta-tionen die Entscheidungen treffen.In diesen Tagen und Wochen wird zudem deutlich, wodas Grundgesetz den Bundestag aufgestellt hat: in derzentralen Position zwischen der in der Bundestagswahlentscheidenden Bevölkerung und der handelnden, vomParlament kontrollierten Regierung. Die Wahl des Bun-deskanzlers und die Vereidigung der Regierung, die voruns liegen, werden diesen Zusammenhang wieder allenvor Augen führen.Der Bundestag ist eben nicht nur eine debattierendeVersammlung, auf deren Meinungen es mal mehr, malPräsident Wolfgang Thierse
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 1. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 20026
Präsident Wolfgang Thierseweniger ankommt. Er regiert zwar nicht selbst, aber erlässt regieren, und zwar entlang der von Ihnen beschlosse-nen Gesetze und Haushaltspläne, und er trägt die Verant-wortung dafür, wie dieses Land regiert und verwaltet wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich heute einenWunsch äußern darf, dann ist das der, dass wir die knappeMehrheit in diesem Parlament als eine Chance zum pro-duktiven Streit begreifen,
in dem es um etwas geht und in dem leidenschaftlich undfair zugleich um die beste Lösung gerungen wird. Viel-leicht sollten wir uns dabei eines von Jürgen Habermasentwickelten Gedankens erinnern, nämlich des der „Ein-beziehung des Anderen“. Wäre das nicht eine trefflicheMaxime für die parlamentarische Auseinandersetzung?
Die Einbeziehung der anderen Person, der anderenMeinung und der anderen Idee sollte ein selbstverständ-liches Element unserer politischen Debatte sein. Dazugehört allerdings auch, liebe Kolleginnen und Kollegen,dass die Rednerinnen und Redner hin und wieder das vor-gefertigte Manuskript beiseite legen und auf die Auffas-sungen des Vorredners reagieren. Das wäre doch schön.
Ich möchte noch eine Empfehlung geben. Sie stammtvon Eugen Gerstenmaier, dem legendären Bundestags-präsidenten, der in seiner Eröffnungsrede 1957 die Auffor-derung aussprach: „Wir sollten nicht möglichst viele, son-dern möglichst gute Gesetze machen.“ Das bleibt gültig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss meinerBemerkungen soll und muss der Dank stehen, zunächst anunseren Alterspräsidenten, Herrn Abgeordneten Schily,für seine Amtsführung und die an uns gerichteten Worte.
Mein besonderer Dank gilt verständlicherweise denausscheidenden Mitgliedern des Präsidiums der ver-gangenen Legislaturperiode, den Vizepräsidenten PetraBläss, Anke Fuchs und Rudolf Seiters, von denen unsgerade die beiden Letztgenannten sehr lange in diesemHause begleitet haben. Ich werde ihre kollegiale Zusam-menarbeit im Präsidium und sicherlich wir alle werdenihre immer souveräne, humorvolle und gelegentlich stren-ge Sitzungsleitung vermissen.
Ich danke allen ausscheidenden Mitgliedern des Deut-schen Bundestags für ihre engagierte, zum Teil jahrzehn-telange Arbeit in unserem Parlament und für unsere De-mokratie und ich wünsche ihnen allen auf ihren weiterenLebenswegen alles Gute.
Ich heiße zugleich die neuen Mitglieder des Bundes-tages sehr herzlich willkommen. Fürchten Sie sich nichtvor den großen Fußstapfen, in die manche oder manchervon Ihnen treten mag! Bereichern Sie dieses Haus mitfrischem Wind und der Unbekümmertheit, die Sie hof-fentlich mitbringen!Ich wünsche uns allen eine arbeitsreiche und zugleichpolitisch spannende wie erfolgreiche 15. Wahlperiode.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir unsere Ar-beit beginnen, darf ich Sie bitten, sich von Ihren Plätzenzu erheben.
Wir gedenken heute des ehemaligen Bundestagsabge-ordneten Wolfgang Mischnick, der am 7. Oktober 2002im Alter von 81 Jahren verstorben ist. Wolfgang Mischnickwurde am 29. September 1921 in Dresden geboren. Be-reits im Jahre 1945 trat er der gerade gegründeten Libe-ral-Demokratischen Partei in der sowjetischen Besat-zungszone bei und übernahm noch im selben Jahr das Amtdes Jugendreferenten der LDP in Sachsen. Im Oktober1947 wurde seine Wahl zum stellvertretenden Landesvor-sitzenden der LDP von der sowjetischen Besatzungs-macht nicht bestätigt. Schließlich wurde er als haupt-amtlicher Mitarbeiter der LDP entlassen. Der aufrechteDemokrat zog die Konsequenzen und floh im April 1948zusammen mit seiner späteren Ehefrau nach Westberlinund von dort nach Frankfurt am Main.Auch in Hessen trat Mischnick der LDP, der späterenFDP, bei, deren Politik er schon bald als Stadtverordneterin Frankfurt, Mitglied des Hessischen Landtages und hes-sischer Landesvorsitzender gestaltete. Schon 1957 zog ererstmals über die hessische Landesliste in den DeutschenBundestag ein, dem er dann bis 1994 angehörte und des-sen Arbeit er während dieser Zeit maßgeblich mitgestal-tete und beeinflusste. Während der gesamten Zeit seinespolitischen Wirkens verstand er sich zugleich als Mittlerfür die Menschen in seiner Heimatstadt Dresden und inder DDR. Auch in den Zeiten des Kalten Krieges gehörteWolfgang Mischnick zu denen, die den Kontakt nicht ab-reißen lassen wollten und die das Ziel der Wiedervereini-gung Deutschlands in Freiheit nie aus den Augen verloren.Von 1961 bis 1963 Bundesminister für Vertriebene,Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte im letzten KabinettAdenauer, war Wolfgang Mischnick mehr als 20 Jahre,von 1968 bis 1990, Vorsitzender der Fraktion der FDP, de-ren Geschicke er mit seiner ruhigen, zuverlässigen Art lei-tete. Niemand hat länger als er an der Spitze einer Bun-destagsfraktion gestanden und damit in wechselvollerZeit eine wichtige Führungsaufgabe erfüllt. Seine politi-sche und persönliche Aufrichtigkeit war es, die stets bei
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 1. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 2002 7
allen im Hause über das politische Tagesgeschäft hinausauf großen Respekt stieß. Die Wiedervereinigung erlaubteWolfgang Mischnick, sich seinen persönlichen und poli-tischen Traum zu erfüllen: 1990 zog er erneut in unserParlament ein, diesmal als Vertreter seiner HeimatstadtDresden im ersten gesamtdeutschen Bundestag.1994 schied er nach 37 Jahren der Mitgliedschaft ausdem Bundestag aus. Er war ein großer Parlamentarier, dersich um unser Land verdient gemacht hat. Wir werdenWolfgang Mischnick ein ehrendes Andenken bewahren.Sie haben sich zu Ehren des Toten erhoben. Ich dankeIhnen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir zur Wahlder Vizepräsidenten kommen, haben wir noch über dieWeitergeltung von Geschäftsordnungen und Richtlinienabzustimmen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:Beschlussfassung über die– Geschäftsordnung des Deutschen Bundes-tages– Gemeinsame Geschäftsordnung des Bun-destages und des Bundesrates für den Aus-
– Geschäftsordnung für den GemeinsamenAusschuss nach Art. 53 a des Grundgesetzes– Geschäftsordnung für das Verfahren nachArt. 115 d des Grundgesetzes– Richtlinie zur Überprüfung auf eine Tä-tigkeit oder politische Verantwortung fürdas Ministerium für Staatssicherheit/Amtfür Nationale Sicherheit der ehemaligenDeutschen Demokratischen Republik vom13. Dezember 1991Es liegt ein Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP zurWeitergeltung von Geschäftsordnungsrecht vor. Die Ab-geordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau haben einenÄnderungsantrag eingebracht.Wie mir mitgeteilt wurde, wird zu diesem Tagesord-nungspunkt das Wort gewünscht. – Ich erteile der Abge-ordneten Gesine Lötzsch das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsi-
dent, ich möchte Ihnen zunächst einmal zu Ihrer Wahl
zum Präsidenten des Deutschen Bundestages herzlich
gratulieren. Sie werden aber Verständnis dafür haben,
dass ich Ihre Genugtuung über die Verringerung der An-
zahl der Fraktionen nicht teile. Ich gehe auch davon aus,
dass sich die Anzahl in der nächsten Legislaturperiode
wieder ändern wird.
Ich habe in Berlin-Lichtenberg ein Direktmandat ge-
wonnen. 56 978 Menschen haben mir ihre Erststimme
gegeben. Sie, Frau Merkel, haben auch ein Direktmandat
gewonnen. Sie wurden von 56 069 Menschen gewählt.
Das heißt: Sie haben nur unbedeutend weniger Stimmen
als ich bekommen, genau 909 Stimmen weniger als ich.
Da könnte man doch annehmen, dass wir im Bundestag
die gleichen Rechte bekommen würden. Dem ist aber lei-
der nicht so.
Im Augenblick haben Petra Pau und ich weniger
Rechte als jeder andere Abgeordnete im Bundestag. Was
an Materialien und an Räumen aufzuteilen war, haben
die Fraktionen bereits untereinander aufgeteilt. Wir als
PDS-Abgeordnete sollen sehen, was übrig bleibt. Gestern
wurde mir schriftlich mitgeteilt, dass wir die Räume be-
kommen, die am weitesten vom Reichstag entfernt sind,
sozusagen die Besenkammer des Parlaments.
Viele Menschen wissen nicht, dass der Bundestag ver-
kleinert wurde. 100 Räume sind frei geworden. SPD,
CDU/CSU und die anderen Fraktionen haben diese Räu-
me untereinander aufgeteilt. „Wenige bekommen mehr“,
ist das jetzt das Motto des Hauses? Wir wollen einfach nur
nicht schlechter behandelt werden als jeder andere Ab-
geordnete. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag zu
dem Antrag betreffend Weitergeltung von Geschäftsord-
nungsrecht gestellt.
Damit beantragen wir die Anerkennung als Gruppe,
um unseren Wählerauftrag erfüllen und unsere Arbeit
leisten zu können. Es wäre doch wirklich schlecht, sehr
verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn der Eindruck
entstünde, dass uns PDS-Abgeordneten mit der Geschäfts-
ordnung das Leben schwer gemacht werden soll. Wenn
das so wäre, dann hätten wir gleich am ersten Tag gelernt,
dass hier Probleme ausgeblendet und nicht gelöst werden
sollen. Es ist aber doch offensichtlich immer schlecht,
Probleme auszublenden, statt sie zu lösen. Das Problem
der Arbeitslosigkeit kann man ja auch nicht einfach durch
Veränderung der Arbeitslosenstatistik ausblenden.
Ich will nicht abschweifen, sondern zu dem Ände-
rungsantrag zurückkommen. Rund 2Millionen Menschen
in diesem Land haben die PDS gewählt. Sie haben ein
Recht darauf, dass ihre Stimme im Deutschen Bundestag
entsprechend vertreten wird. Sie haben ein Recht darauf,
dass es hier keine Ausgrenzung gibt. Wir haben in den ers-
ten Stunden im Parlament schon etliche Gespräche mit
Kolleginnen und Kollegen geführt. Ich habe den Ein-
druck, dass es viele Abgeordnete gibt, insbesondere unter
den männlichen, die unsere Arbeit erleichtern wollen.
Ich hoffe, Sie helfen uns dabei.
Herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Information der An-wesenden erlaube ich mir nur eine sachliche Korrektur.Die Räume der beiden PDS-Abgeordneten sind in einemHaus, in dem auch eine ganze Reihe weiterer Bundestags-abgeordneter Büros hat. Hier liegt also keine absichtsvollePräsident Wolfgang Thierse
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 1. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 20028
Präsident Wolfgang ThierseBenachteiligung vor. Die beiden Abgeordneten werden sobehandelt wie jeder andere Abgeordnete auch.Es ist vereinbart, den Änderungsantrag der Abgeord-neten Gesine Lötzsch und Petra Pau auf Drucksache 15/2an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-schäftsordnung zu überweisen. Sind Sie damit einver-standen? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung sobeschlossen.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag derFraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnis-ses 90/Die Grünen und der FDP auf Drucksache 15/1 zurWeitergeltung von Geschäftsordnungsrecht. Wer stimmtfür diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich der Stimme? – Der Antrag ist mit den Stimmen desHauses bei Enthaltung der beiden PDS-Abgeordneten an-genommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:Festlegung der Zahl der Stellvertreter des Prä-sidentenHierzu liegen ein Antrag der Fraktionen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen sowie ein Antrag der Frak-tion der CDU/CSU vor. Die Fraktionen der SPD und desBündnisses 90/Die Grünen beantragen, vier Stellvertreterdes Präsidenten zu wählen; die Fraktion der CDU/CSUbeantragt hingegen, fünf Stellvertreter zu wählen, von de-nen zwei von der zweitstärksten Fraktion gestellt werden.Mir ist mitgeteilt worden, dass zu diesem Tagesord-nungspunkt das Wort gewünscht wird. Herr Kauder, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Herr Präsident, zunächst möchte ich Ihnen
auch im Namen unserer Fraktion zu Ihrer Wahl recht herz-
lich gratulieren.
Für die Leitung dieses Hohen Hauses wünschen wir Ihnen
eine glückliche Hand für eine faire, offene und parteipo-
litisch neutrale Amtsführung.
Wir legen heute einen Antrag vor mit dem Ziel, die
Stärke der Fraktionen auch im Präsidium des Deutschen
Bundestages widerzuspiegeln. Der Abstand zwischen
CDU/CSU und SPD beträgt lediglich drei Mandate. Die-
ser Abstand besteht überhaupt nur aufgrund von Über-
hangmandaten. Nach dem Zweitstimmenergebnis säßen
hier gleich viel Abgeordnete von SPD und CDU/CSU,
nämlich jeweils 247. Der Abstand ist so gering, dass er
sich mit keinem rechnerischen Verfahren in Sitzen und
Positionen ausdrücken lässt. Er kann sich nach unserer
Überzeugung überhaupt nur darin niederschlagen, dass
die SPD aufgrund der wenigen Tausend Stimmen, die sie
Vorsprung hat, den Bundestagspräsidenten stellt.
Die Geschäftsordnung fordert mindestens einen Vize-
präsidenten pro Fraktion. Diese Vorschrift ist vor acht Jah-
ren mit unserer Zustimmung aufgenommen worden.
Wir wollen auch heute an ihr festhalten. Sie enthält aber
keinerlei Verpflichtung, die Zahl der Vizepräsidenten auf die
Zahl der jeweils vorhandenen Fraktionen zu begrenzen;
vielmehr macht der Begriff „mindestens“ deutlich, dass dem
Stärkeverhältnis der Fraktionen Rechnung getragen werden
muss. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, meine sehr ver-
ehrten Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition,
darf nicht wie eine 8-Prozent-Partei behandelt werden.
Dies gilt umso mehr, als dass die Geschäftsordnung aus-
drücklich vorschreibt, die Zusammensetzung nach dem
Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzuneh-
men. Diese Vorschrift lässt sich für das Präsidium des
Deutschen Bundestages nur mit sechs Mitgliedern – zwei
von der SPD, zwei von der CDU/CSU, je ein Mitglied von
dem Bündnis 90/Die Grünen und von der FDP – erfüllen.
Die vergangenen Wahlperioden haben übrigens ge-
zeigt, dass sich eine rot-grüne Mehrheit, wie es heute
gesagt wird, keineswegs zwingend zahlenmäßig im Prä-
sidium niederschlagen muss. Dort hatten die Koalitions-
fraktionen ebenso drei Mitglieder – den Präsidenten und
zwei Vizepräsidenten – wie die Oppositionsfraktionen,
die drei Vizepräsidenten stellten. Wir fordern also nichts
anderes als die Fortsetzung dessen, was auch in der ver-
gangenen Legislaturperiode richtig war.
Jetzt einen letzten Hinweis: Vor vier Jahren haben Sie
von der SPD die PDS-Vizepräsidentin durchgesetzt. Sie
müssen sich heute darüber im Klaren sein: Wenn Sie unse-
rem Antrag keine Mehrheit geben, dann setzen Sie sich dem
Verdacht aus, vor vier Jahren für die PDS das durchgesetzt
zu haben, was Sie der Union heute vorenthalten wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD,
wollen Sie dies wirklich allen Ernstes?
Ich möchte Sie daher bitten, unserem Antrag zuzu-
stimmen und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen
zweiten Vizepräsidentenplatz einzuräumen. Ich möchte
damit zugleich das wiederholen, was der Bundestagsprä-
sident in seinem Fairnessaufruf vorhin gesagt hat – Sie
haben daraufhin heftig geklatscht; jetzt können Sie es in
die Tat umsetzen; die Worte und die Taten sollen nicht zu
weit auseinander liegen –:
Beziehen Sie die anderen fair ein! Wenn Sie dies tun, dann
müssen Sie unserem Antrag zustimmen.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Wilhelm Schmidt,
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Auch ich möchte eszunächst nicht versäumen, Ihnen zu Ihrer Wahl zum Prä-
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sidenten zu gratulieren. Wir danken Ihnen für Ihre faire,neutrale, engagierte Amtsführung in den vergangenenvier Jahren
und sind sehr froh darüber, dass Sie für weitere vier Jahreder Präsident des Deutschen Bundestages sind.
Dass die CDU/CSU heute mit diesem Antrag kommenwürde, hat sich schon im Vorfeld der Konstituierung desBundestages herumgesprochen. Die Argumente sindnicht neu. Wir haben sie 1994 ausgetauscht – übrigens zu-lasten der SPD-Fraktion und zugunsten der Grünen; auchdaran will ich erinnern – und wir haben sie 1998 ausge-tauscht. Herr Repnik hat seinerzeit ähnliche Pirouettengedreht wie Herr Kauder gerade eben.
Meine Damen und Herren, uns geht es darum, dasPrinzip, das sich in diesem Bundestag in den vergangenenacht Jahren eingeübt hat, fortzusetzen,
und zwar aus Überzeugung.
Erstens ist damit eine faire Vereinbarung gegenüber je-der Fraktion hier im Hause getroffen worden: Jede Frak-tion ist vertreten.Zweitens spiegeln sich die Mehrheitsverhältnisseauch im Präsidium des Deutschen Bundestages wider –ein für uns ganz interessanter, aber auch wichtiger Um-stand. Das werden Sie im Laufe der nächsten Wochen undMonate bei den übrigen Konstituierungsschritten merken.Drittens hat der Deutsche Bundestag in der vorigenWahlperiode eine Wahlkreisreform vorgenommen. Die-se Parlamentsreform hat zu einer Verkleinerung diesesHauses um ungefähr 10 Prozent der Sitze geführt. Warumsollten wir dann nicht auch konsequent das Präsidium ver-kleinern, wenn sich die Chance dazu bietet?
Also machen wir das! Es gibt viele gute Argumente, sozu verfahren. Ich stelle unseren Antrag, für jede Fraktioneinen Vizepräsidenten zu wählen, hier zur Abstimmungund bitte um Ihre Zustimmung.
Ich erteile das Wort Kollegen van Essen, FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Ich gratuliere Ihnen auch im Namen mei-
ner Fraktion sehr herzlich zu Ihrer Wiederwahl.Wir haben
mit sehr großer Freude gehört, dass Sie die Wahrung der In-
teressen des ganzen Bundestages und aller Abgeordneten in
den Mittelpunkt Ihrer zweiten Wahlzeit stellen wollen.
Sie haben dabei unsere volle Unterstützung.
Die FDP-Bundestagsfraktion unterstützt den Antrag
der CDU/CSU-Fraktion. Wer sich das Wahlergebnis an-
schaut, stellt fest, dass es wenige Tausend Stimmen Un-
terschied zwischen beiden großen Parteien gibt. Die SPD
stellt den Präsidenten, die SPD stellt eine Vizepräsiden-
tin – also zwei Personen im Präsidium. Dann ist es doch
nur eine Frage der Fairness, dass auch die zweite große
Fraktion mit zwei Personen im Präsidium des Deutschen
Bundestages vertreten ist.
Diese schlichte Fairness, diese Gerechtigkeit
sollte unsere Zusammenarbeit bestimmen. Das Argument,
das der Kollege Schmidt gebracht hat, dass sich die Mehr-
heit auch im Präsidium widerspiegeln müsse, trifft gar nicht
zu. Die letzte Legislaturperiode – da hatten wir auf beiden
Seiten jeweils drei Vertreter – hat gezeigt, dass eine Zusam-
menarbeit möglich ist. Dies hat zu keinerlei Nachteilen ge-
führt. Ich bin sicher, dass es auch hier wieder so wäre.
Von daher wird von der FDP-Bundestagsfraktion mit
Nachdruck unterstützt, dass es einen zweiten Vizeprä-
sidenten oder eine Vizepräsidentin für die zweitgrößte
Fraktion im Deutschen Bundestag gibt.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Volker Beck, BÜND-
NIS 90/ DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Zunächst auch im Namen meiner Fraktiondie herzlichsten Glückwünsche zu Ihrer Wiederwahl.Mit Ihnen haben das Parlament und die Demokratie einenguten Anwalt. Ich hoffe, Sie setzen Ihre gute Arbeit derletzten Wahlperiode genauso fair und unparteiisch fort.
Die jetzige Geschäftsordnungsregelung für das Präsi-dium, gemäß der jede Fraktion einen Vizepräsidentenstellt,
Wilhelm Schmidt
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Volker Beck
stammt aus dem Jahr 1994.
Damals haben einige der Argumente, die Sie heute an-führen, auch die Kollegen von der SPD vorgetragen. Siehaben dem nicht stattgegeben. Von dem damaligen Ver-fahren haben wir profitiert. Ich glaube, es war ein fairesVerfahren. Deshalb wollen wir an diesem Verfahren auchfesthalten.
Die Stärkeverhältnisse zwischen kleinen und großenParteien waren damals ähnlich divergent wie heute. Da-mals hat Sie das nicht interessiert, weil Sie den Präsiden-ten gestellt haben. Erst seitdem Sie in der Opposition sindund ihn nicht mehr stellen, sehen Sie das etwas anders.Regeln leben davon, dass sie in verschiedenen Situationengelten und man sich nicht von Situation zu Situation diepassende Regel gibt.
Meine Damen und Herren, 1994 hat Herr Rüttgersganz richtig vorgetragen:Wir lehnen die von der SPD-Fraktion beantragteErhöhung der Zahl der Vizepräsidenten ab, weil siemit der nach unserer Auffassung zu Recht geforder-ten Straffung der Parlamentsarbeit und der Bundes-tagsgremien nicht zu vereinbaren ist.
Wir reden allenthalben von notwendigen Sparmaß-nahmen. Daher ist es nach unserer Auffassung nichtgerechtfertigt, gleich bei erster Gelegenheit eine Ver-größerung des Präsidiums vorzunehmen.Recht hat der Herr Rüttgers.
Der Kollege van Essen war auch 1998 noch dieserAuffassung. Damals hat er in der gleichen Debatte zumgleichen Thema geäußert:Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zur Zahl derStellvertreter machen. Es ist gut, wenn wir die Zahl derStellvertreter begrenzen, wie es die Fraktion der SPD– und Bündnis 90/Die Grünen –beantragt hat. Wir haben bereits vor vier Jahren ei-nem ähnlichen Antrag, eine Begrenzung vorzuneh-men, zugestimmt. Auch hier werden wir bei unsererAuffassung bleiben.Es zeigt sich immer wieder: Es macht Sinn, vernünf-tig zu entscheiden.
Sehr wohl, Herr van Essen, stimme ich Ihnen da voll undganz zu. Wir werden hier auch für die notwendige Konti-nuität sorgen.Meine Damen und Herren, wir haben uns im Wahl-kampf ein wenig daran gewöhnt, dass immer Vertretervon CDU und CSU in den großen Parteirunden anwesendwaren, weil sie als zwei unterschiedliche Parteien ange-treten sind. Das war deshalb auch ihr gutes Recht. Sie ha-ben sich nun dazu entschieden, im Bundestag in einerFraktion gemeinsam politisch zu arbeiten. Das hat Vor-teile. Das hat auch Nachteile; man kann nämlich nur dieRechte einer Fraktion und nicht die von zwei Fraktionenbeanspruchen.Der Volksmund in Frankreich sagt: On ne peut pasmanger le beurre et l’argent du beurre – Man kann nichtdie Butter und das Geld für die Butter verfrühstücken.Man muss sich manchmal im Leben entscheiden. Wir res-pektieren Ihre Entscheidung und bleiben bei unseren Re-geln.Vielen Dank.
Wir kommen zu den Abstimmungen.Da der Antrag der Fraktion der CDU/CSU weiterge-hend ist, lasse ich über ihn zuerst abstimmen. Wer stimmtfür den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksa-che 15/4? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerAntrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/DieGrünen und der beiden PDS-Abgeordneten gegen dieStimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.Wer stimmt für den Antrag der Fraktionen von SPDund Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 15/3? – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit dernämlichen Mehrheit von eben angenommen. Damit ist dieZahl der Stellvertreter des Präsidenten auf vier festgelegt.Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 6 auf:Wahl der Stellvertreter des PräsidentenInterfraktionell ist vereinbart worden, die Wahl derStellvertreter getrennt und mit verdeckten Stimmkarten– das heißt geheim – durchzuführen.Wie wir soeben beschlossen haben, sind vier Stellvertre-ter zu wählen. Die Wahlen sollen entsprechend der Rei-henfolge der Fraktionen nach ihrem Stärkeverhältnisdurchgeführt werden. Sind Sie mit diesem Verfahreneinverstanden? – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dannverfahren wir so.Ich gebe jetzt noch einige Hinweise zum Ablauf derWahl. Für die einzelnen Wahlgänge benötigen Sie die ver-schiedenfarbigen Wahlausweise, die Sie, soweit nochnicht geschehen, den Stimmkartenfächern in der Lobbyentnehmen können. Die jeweiligen Stimmkarten zu deneinzelnen Wahlgängen werden von den Schriftführern anden Ausgabetischen neben den Wahlkabinen ausgegeben.Sie haben jeweils die gleiche Farbe wie die Wahlaus-weise. Sie dürfen Ihre Stimmkarte nur in der Wahlkabineankreuzen und müssen die Stimmkarte ebenfalls noch inder Wahlkabine in den Umschlag legen. Stimmkarten, die
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mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthal-ten, sind ungültig. Bevor Sie die Stimmkarte in die Wahl-urne werfen, müssen Sie dem Schriftführer an der Wahl-urne Ihren Wahlausweis übergeben.Um wieder einen reibungslosen Ablauf der Wahl zu ge-währleisten, bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen aus nachhinten über die seitlichen Zugänge zu den Ausgabetischenzu begeben. Nachdem Sie die Stimmkarte in einer derWahlkabinen gekennzeichnet und in den Wahlumschlaggelegt haben, gehen Sie bitte zu den Wahlurnen, die nebenden Sitzreihen der Bundesregierung und des Bundesratessowie neben dem Stenografentisch aufgestellt sind.Wir kommen jetzt zur ersten Wahl eines Stellvertretersdes Präsidenten. Die Fraktion der SPD schlägt die Abge-ordnete Susanne Kastner vor. Werden weitere Vorschlägegemacht? – Das ist offenbar nicht der Fall. Vor denWahlkabinen erhalten Sie für diese Wahl eine blaueStimmkarte und den amtlichen Wahlumschlag. Außerdembenötigen Sie Ihren blauen Wahlausweis.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, dievorgesehenen Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Wahl.Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftfüh-rerinnen und Schriftführer, ihre Stimmkarten abgege-ben? – Das ist offensichtlich der Fall.Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführerinnenund Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ichbitte alle Schriftführerinnen und Schriftführer, beim Aus-zählen zu helfen, damit es etwas schneller geht.Ich unterbreche die Sitzung für etwa 10 bis 15 Minu-ten. Der Wiederbeginn wird rechtzeitig durch Klingelzei-chen angekündigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sit-
zung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Ergebnis der Wahl eines Stellvertreters
des Präsidenten bekannt. Abgegebene Stimmen 594, gül-
tige Stimmen 594. Mit Ja, also für Susanne Kastner, ha-
ben gestimmt 421, mit Nein haben gestimmt 146, Enthal-
tungen 27.
Frau Susanne Kastner hat die erforderliche Mehrheit
erhalten und ist zur Stellvertreterin des Präsidenten ge-
wählt. Ich frage Sie, Frau Kollegin Kastner: Nehmen Sie
die Wahl an?
Herr Präsident, ich nehme die Wahl an und bedanke mich.
Herzlichen Dank. Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche
des Hauses.
Wir fahren mit der Wahl eines weiteren Stellvertreters
des Präsidenten fort. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt
den Abgeordneten Dr. Norbert Lammert vor.
Werden weitere Vorschläge gemacht? – Das ist offen-
bar nicht der Fall.
Für diese Wahl benötigen Sie Ihren gelben Wahlaus-
weis. Die gelbe Stimmkarte erhalten Sie wieder vor den
Wahlkabinen. Das Wahlverfahren ist das gleiche wie vor-
hin. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ich eröffne die
Wahl.
Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, ihre Stimmkarten abgege-
ben? – Das ist jetzt offensichtlich der Fall. Ich schließe
diesen Wahlgang und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich unterbreche die Sitzung für etwa 10 bis 15 Minuten.
Der Wiederbeginn wird rechtzeitig durch Klingelzeichen
angekündigt.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Ergebnis der Wahl eines weiteren Vize-
präsidenten bekannt. Abgegebene Stimmen 591, gültige
Stimmen 591. Mit Ja haben gestimmt 498, mit Nein haben
gestimmt 66, Enthaltungen 27.
Damit hat Herr Dr. Norbert Lammert die erforderliche
Mehrheit erhalten und ist zum Stellvertreter des Präsiden-
ten gewählt. Ich frage Sie, lieber Kollege Lammert: Neh-
men Sie die Wahl an?
Herr Präsident, ich nehme die Wahl an und freue mich auf
diese Aufgabe.
Ich gratuliere Ihnen im Namen des ganzen Hauses undwünsche Ihnen viel Glück.
Während der Gratulation können wir schon mit demWahlgang zur Wahl eines weiteren Stellvertreters des Prä-sidenten beginnen.Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlägt dieAbgeordnete Dr. Antje Vollmer vor. Werden weitere Vor-schläge gemacht? – Das ist offenbar nicht der Fall.Für diese Wahl benötigen Sie Ihren Wahlausweis inder Farbe Orange. Die orangefarbenen Stimmkarten er-halten Sie vor den Wahlkabinen. Das Wahlverfahren istPräsident Wolfgang Thierse
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Präsident Wolfgang Thiersedas gleiche wie vorhin. Ich bitte die Schriftführerinnenund Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-men. – Ich eröffne die Wahl.Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abge-geben? – Das ist offensichtlich der Fall.Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführerinnenund Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.Ich unterbreche die Sitzung für etwa 10 bis 15 Minu-ten. Der Wiederbeginn der Sitzung wird durch Klingel-zeichen angekündigt.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Ergebnis der weiteren Wahl eines Vize-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Abgegebene Stimmen 590, gültige
Stimmen ebenfalls 590. Mit Ja haben gestimmt 378, mit
Nein haben gestimmt 176, Enthaltungen 36.
Frau Dr. Antje Vollmer hat die erforderliche Mehrheit
erhalten und ist zur Stellvertreterin des Präsidenten ge-
wählt.
Ich frage Sie, Frau Kollegin Dr. Vollmer: Nehmen Sie die
Wahl an?
Herr Präsident, ich nehme die Wahl an, danke für das Ver-
trauen und freue mich auf die Zusammenarbeit im Präsi-
dium mit Ihnen.
Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses und
wünsche Ihnen persönlich viel Glück.
Wir fahren mit der Wahl eines weiteren Stellvertreters
des Präsidenten fort. Die Fraktion der FDP schlägt den
Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms vor. Werden wei-
tere Vorschläge gemacht? – Das ist offenbar nicht der Fall.
Dann können wir die Wahl beginnen.
Für diese Wahl benötigen Sie Ihren Wahlausweis in der
Farbe Rosa. Die rosa Stimmkarte erhalten Sie wieder vor
den Wahlkabinen. Das Wahlverfahren ist das gleiche wie
vorhin. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
die vorgesehenen Plätze einzunehmen, und eröffne die
Wahl.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? – Das ist offen-
sichtlich nicht der Fall. Ich schließe den Wahlgang. Ich
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der
Auszählung zu beginnen.
Ich unterbreche die Sitzung für 10 bis 15 Minuten. Der
Wiederbeginn wird rechtzeitig durch Klingelsignal an-
gekündigt.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung zur Wahl eines weiteren Vizepräsidenten bekannt.
Abgegebene Stimmen 581, gültige Stimmen 581. Mit Ja
haben gestimmt 490, mit Nein haben gestimmt 62, Ent-
haltungen 29.
Herr Dr. Hermann Otto Solms hat die erforderliche
Mehrheit erhalten und ist zum Stellvertreter des Präsiden-
ten gewählt.
Ich darf Sie fragen: Nehmen Sie die Wahl an?
Herr Präsident, ich bedanke mich für das Vertrauen und
nehme die Wahl gerne an.
Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses und
meine persönlichen.
Damit haben wir die beschlossene Anzahl von vier
Stellvertreterinnen und Stellvertretern des Präsidenten
des Deutschen Bundestages gewählt. Das Wahlverfahren
ist damit abgeschlossen. Wir sind am Schluss unserer heu-
tigen Tagesordnung.
Interfraktionell ist vereinbart, dass in den Sitzungen in
der nächsten Woche und an den Sitzungstagen, an denen
der neu gewählte Bundeskanzler die Regierungserklärung
abgibt und die Aussprache hierüber durchgeführt wird,
keine Aktuelle Stunde, keine Fragestunde und keine Re-
gierungsbefragung stattfinden sollen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages zur Wahl des Bundeskanzlers ein auf Dienstag, den
22. Oktober 2002, 10.30 Uhr.
Bevor ich die Sitzung schließe, teile ich noch mit, dass
nach Ende der Sitzung im Rahmen eines kleinen Emp-
fangs in der Lobby Gelegenheit zum Gespräch mit den
neugewählten, natürlich auch mit den altvertrauten Kolle-
gen und Mitgliedern des Präsidiums besteht.
Die Sitzung ist geschlossen.