Gesamtes Protokol
Guten Morgen! DieSitzung ist eröffnet.Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ichzunächst folgendes mitteilen: Für den noch vakantenStellvertretersitz im Verwaltungsrat der Filmförderungs-anstalt schlägt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen FrauKarin Knöbelspies vor. Sind Sie damit einverstanden? –Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist Frau KarinKnöbelspies als stellvertretendes Mitglied in den Ver-waltungsrat der Filmförderungsanstalt gewählt.Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundeneTagesordnung um die Ihnen in einer Zusatzpunktlistevorliegenden Punkte zu erweitern: ZP3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrach-ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Überein-kommens vom 4. August 1963 zur Errichtung derAfrikanischen Entwicklungsbank – Drucksache 14/907 –b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Jäger, Dr.Mathias Schubert, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter derFraktion der SPD, der Abgeordneten Norbert Barthle,Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Dirk Fischer ,weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU, sowieder Abgeordneten Ulrich Heinrich und Dr. EdzardSchmidt-Jortzig: Errichtung eines Mahnmals für dieermordeten Juden Europas – Drucksache 14/941 –c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Elke Leon-hard, Andrea Nahles, Dr. Eckhart Pick, weiterer Abgeord-neter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Hans-Joachim Otto , Dr. Wolfgang Gerhardt,Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter derFraktion der F.D.P., sowie der Abgeordneten Dr. GregorGysi, Petra Bläss, Heinrich Fink, weiterer Abgeordneterder Fraktion der PDS: Errichtung eines Denkmalsfür die ermordeten Juden Europas – Drucksache14/942 –d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gert Weisskir-chen , Eckhardt Barthel (Berlin), Hans-WernerBertl, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, derAbgeordneten Dr. Rita Süssmuth, der Abgeordneten Vol-ker Beck (Köln), Gila Altmann (Aurich), Marieluise Beck(Bremen), weiterer Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, sowie der Abgeordneten SabineLeutheusser-Schnarrenberger: Errichtung eines Denk-mals für die ermordeten Juden Europas – Drucksache14/943 –e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Roth(Heringen), Karin Kortmann, Nina Hauer, weiterer Abge-ordneter der SPD sowie der Abgeordneten Dr. AntjeVollmer, Cem Özdemir, Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeord-neter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Errich-tung eines Denkmals für die ermordeten Juden Euro-pas und eines „Hauses der Erinnerung“ – Drucksache14/944 –f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette Wid-mann-Mauz, Dr. Martina Krogmann, Ursula Heinen undweiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU: Er-richtung eines Mahnmals für die Opfer der nationalso-zialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit –Drucksache 14/965 –g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Fischer(Hamburg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Hannelore Rönsch(Wiesbaden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSU: Satellitennavigationssystem Galileo –Drucksache 14/945 – ZP4 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses fürWahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung : Antrag auf Genehmigung zur Durchführungeines anwaltsgerichtlichen Verfahrens – Drucksache14/828 –b) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschus-ses : Sammelübersicht 43 zu Petitionen –Drucksache 14/961 –c) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschus-ses : Sammelübersicht 44 zu Petitionen –Drucksache 14/962 –d) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschus-ses : Sammelübersicht 45 zu Petitionen –Drucksache 14/963 –e) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschus-ses : Sammelübersicht 46 zu Petitionen –Drucksache 14/964 – ZP5 a) – Zweite und dritte Beratung des von den AbgeordnetenDr. Peter Struck, Otto Schily, Wilhelm Schmidt und weiteren Abgeordneten der Fraktion derSPD, den Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), RezzoSchlauch, Kristin Heyne und weiteren Abgeordnetender Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie denAbgeordneten Dr. Wolfgang Gerhard, Dr. Guido We-sterwelle, Jörg van Essen und weiteren Abgeordnetender Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeits-rechts – Drucksache 14/533 –– Zweite und dritte Beratung des von den AbgeordnetenDr. Jürgen Rüttgers, Erwin Marschewski, GünterBaumann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion derCDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurNeuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts –Drucksachen 14/535, 14/867 –
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b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts desInnenausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Jürgen Rüttgers,Erwin Marschewski, Günter Baumann, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Integrationund Toleranz– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Jürgen Rüttgers,Erwin Marschewski, Günter Baumann, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: ModernesAusländerrecht – Drucksachen 14/534, 14/532,14/867 –Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll,soweit erforderlich, abgewichen werden.Außerdem soll die bisher für Freitag vorgesehene er-ste Beratung des Entwurfs eines Zweiten SGB-III-Änderungsgesetzes bereits heute in verbundener Bera-tung mit dem Einzelplan 11 – Bundesministerium fürArbeit und Sozialordnung – erfolgen. Sind Sie damiteinverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann istso beschlossen.Bevor wir die Haushaltsberatungen fortsetzen, bitteich aus gegebener Veranlassung um Ihre Aufmerksam-keit für folgenden Hinweis: Wir werden heute im Laufedes Tages insgesamt 14 namentliche Abstimmungendurchführen. Wenn Sie nachher die Stimmkarten ausIhren Stimmkartenfächern entnehmen, achten Sie bitteunbedingt darauf, daß alle Stimmkarten Ihren Namentragen. Hoffentlich haben Sie nicht noch Stimmkartenzu Hause in Ihren Schreibtischschubladen liegen; denndann reichen die, die in den Fächern sind, nicht. Bitteverwenden Sie auch keine Stimmkarten aus abgelaufe-nen Wahlperioden.
Das automatische Stimmkartenauswertungssystem akzep-tiert Karten aus vergangenen Wahlperioden nicht; das istja auch in Ordnung so. Bevor Sie bei den einzelnenAbstimmungen die Stimmkarten in eine der Wahlurnengeben, überprüfen Sie bitte noch einmal, ob die vonIhnen verwendeten Stimmkarten Ihren Namen tragen.Wir setzen nun die Haushaltsberatungen fort: I. Zweite Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 1999
– Drucksachen 14/300, 14/760 –Beratung der Beschlußempfehlung des Haus-haltsausschusses
– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungBericht über den Stand und die voraus-sichtliche Entwicklung der Finanzwirt-schaft– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungFinanzplan des Bundes 1998 bis 2002– Drucksachen 14/350, 13/11101, 14/272 Nr. 79,14/625 –Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich AustermannHans Georg WagnerOswald MetzgerDr. Günter RexrodtDr. Christa LuftIch rufe den Einzelplan 09 auf: 18. Einzelplan 09Bundesministerium für Wirtschaft und Tech-nologie– Drucksachen 14/609, 14/622 –Berichterstattung:Abgeordnete Manfred HampelDankward BuwittAntje HermenauDr. Werner HoyerDr. Christa LuftEs liegen acht Änderungsanträge der Fraktion derCDU/CSU, ein Änderungsantrag der F.D.P.-Fraktionund zwei Änderungsanträge der PDS-Fraktion vor. Ichverweise darauf, daß wir im Anschluß an die Ausspra-che über drei Änderungsanträge namentlich abstimmenwerden.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort demKollegen Dankward Buwitt, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Am Anfang der Ausspracheüber den Einzelplan 09 – Wirtschaft und Technologie –möchte ich den Mitarbeitern des Ministeriums rechtherzlich für die Zusammenarbeit und die Zuarbeit dan-ken, die sie uns wieder haben angedeihen lassen.
Wie ein roter Faden ziehen sich neben dem ThemaKosovo-Krieg die Themen Wirtschaftsentwicklung, Ar-beitsplätze und Arbeitslosigkeit durch die Debatte derletzten Tage. Das ist kein Wunder; diese Themen bewe-gen und berühren viele Menschen in unserem Lande.Die Entwicklung 1998 war positiv. Wir hatten einWachstum von 2,8 Prozent, wir hatten – im Gegensatzzu den namentlichen Abstimmungen – keine Inflation,sondern nur 1 Prozent Teuerungsrate, wir hatten extremniedrige Zinsen, und wir hatten eine Million Arbeitsloseweniger; das ergibt im Jahresdurchschnitt 400 000 Ar-beitslose weniger. Ich nehme an, daß das auch Bundes-kanzler Schröder bekannt war, so daß seine Argumenta-tion mit dem Vergleich der Märzzahlen von 1998 und1999 nicht besonders seriös war. 400 000 Arbeitsloseweniger bedeuten eine Entlastung für den Bundeshaus-halt, für die Bundesanstalt für Arbeit und für die Versi-cherungsträger. Die Richtung hat also gestimmt.Das Umfeld für 1999 ist günstig. Die sechs führendenwirtschaftswissenschaftlichen Institute bestätigen unsdies. Die Krisenherde Asien und Lateinamerika beruhi-Präsident Wolfgang Thierse
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gen sich. Die Höhe der Zinsen ist auch wegen der letztenSenkung äußerst günstig, und die Teuerungsrate bleibtnach wie vor gering.Die Steuereinnahmen steigen. Diese Situation hättenwir uns in den letzten Jahren gewünscht. Denn aus jederSteuerschätzung resultierten neue Einsparnotwendig-keiten. Wir hätten uns höhere Steuereinnahmen ge-wünscht. Es sind jetzt Steuermehreinnahmen in Höhevon 30 Milliarden DM zu verzeichnen. Hinzu kommendie von Ihnen verteufelten Privatisierungserlöse, die von1998 auf 1999 verschoben worden sind, wahrscheinlichdeshalb, um zu verhindern, daß das Ergebnis des Jahres1998 zu gut aussah, wodurch Ihre Feindbilder dann völ-lig zerstört worden wären. – Insgesamt sind dies – wieSie es immer nennen – Erblasten, die die CDU/CSU1982 gerne in vergleichbarem Maße übernommen hätte.Der Einzelplan 09 hat neben vielen anderen Reserveneine besondere Reserve, nämlich die Rohölreserve. Hierhaben Sie Einnahmen in Höhe von 450 Millionen DMnicht etatisiert, obwohl es sicher vernünftig und richtiggewesen wäre, angesichts der ansteigenden Ölpreiseeine Veräußerung vorzunehmen.In der Vergangenheit war es so, daß zur Absenkungdes Volumens des Bundeshaushalts alle ihren Beitragdazu leisten mußten. Man kann sich darüber streiten, obdas richtig oder falsch ist. Jetzt steigt das Volumen desHaushaltes um happige 6,3 Prozent. Dies ist ein deutli-ches Zeichen dafür, daß Sie überhaupt nicht sparenwollen. Der Haushalt des Wirtschaftsministeriums pro-fitiert davon nicht. Ganz im Gegenteil: Durch eine pau-schale Minderausgabe, die wesentlich erhöht wurde,nämlich auf 323 Millionen DM, wird jede marginaleVerbesserung in Frage gestellt.Man hat nicht das Gefühl, daß die Koalition und dieRegierung die Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätzeschaffen und die Arbeitslosigkeit senken wollen. Ganzim Gegenteil: Viele vernünftige Gesetze, die im vorigenJahr beschlossen wurden und die eine Wende auf demArbeitsmarkt bewirkt haben – auch ohne eine Steuerre-form, die haben Sie ja aus parteipolitischem Egoismusverhindert –, wurden rückgängig gemacht. Hinzu kamenIhre Fehlleistungen: das Gesetz hinsichtlich der 630-Mark-Beschäftigten, das Gesetz gegen die angeblicheScheinselbständigkeit, das Öko-Abschöpfgesetz, dieStreichung von Steuervorteilen ohne steuerliche Entla-stung usw. So schafft man keine Sicherheit für die Wirt-schaft, keine Arbeit, keine Steuermehreinnahmen, kei-nen Aufschwung und auch keine Zufriedenheit bei denBürgern.
Die Auswirkungen sind bereits geschildert worden:Im Hinblick auf die Wachstumsprognose ist Deutsch-land im Vergleich zu allen anderen EU-Ländern dasSchlußlicht. Folgerichtig ist: Die Zahl der Arbeitsplätzeauf dem ersten Arbeitsmarkt nimmt nicht zu, sondernab. Nun ist es immer leichter, Kritik zu üben, als zu re-gieren. Zur jetzigen Zeit machen Sie hier einschneiden-de Erfahrungen. Große Versprechungen haben Sie andie Regierung gebracht; erfüllen wollen Sie diese wohlnicht. Ich möchte dazu zwei Beispiele anführen:Stichwort: Absatz ostdeutscher Produkte. Bei der Be-ratung des Haushalts 1998 beklagte Herr Hampel, daßdie diesbezügliche Förderung zurückgefahren wird. Ersagt dann wörtlich – ich zitiere –:Mit falsch verstandener Sparwut … ist es nicht ge-tan; das ist nicht ausreichend. Mit kräftigen Hilfendagegen tragen Sie dazu bei, daß die ostdeutscheIndustrie auf die Beine kommt und die viel zu gro-ße Produktionslücke schneller geschlossen wird.In der diesjährigen Haushaltsberatung ist der Antragder CDU/CSU auf eine Erhöhung der entsprechendenMittel um 10 Millionen DM abgelehnt worden. Es hatsich überhaupt nichts verändert. Um es ganz deutlich zusagen: Das Ergebnis ist null.Stichwort: Sanierung der Wismut GmbH. Hier be-klagte Herr Hampel, daß die notwendigen Sanierungs-maßnahmen bei der Wismut GmbH auf die Zukunft ver-schoben werden sollen. Ich zitiere:Nicht zuletzt hat es auch negative Auswirkungenauf den Arbeitsmarkt und auf die Privatisierungund Vermarktung von Flächen für Gewerbean-siedlungen. Die wirtschaftlichen Nachteile dieserRegion werden mit dem Verzögern der Sanierungerheblich verschärft.Wie stellt sich dies im jetzigen Haushalt dar? ImHaushalt 1998 wurden für die Wismut GmbH Mittel inHöhe von 485 Millionen DM eingestellt. Der erste Ent-wurf für 1999 sah 454 Millionen DM vor, im zweitenwurde schon einmal um 10 Millionen DM gekürzt, undbei den Haushaltsberatungen haben die Leute um HerrnHampel und die Koalition insgesamt den Betrag nocheinmal um 4 Millionen DM abgesenkt, also minus45 Millionen DM. Die Versprechungen, die Sie der Be-völkerung gemacht haben, werden also in keiner Weiseeingelöst.
Viele Tränen wurden bei der Beratung des Haushalts1998 von Vertretern der jetzigen Koalition vergossen,als es um Gelder für den Mittelstand, für das Handwerk,für moderne Technologieförderung usw. ging. Schauenwir uns doch einmal an, wie es in diesem Jahr wirklichaussieht. Die Mittel für die Handwerkerförderungwurden um 3 Millionen DM reduziert, und das im Be-reich Beratung, Fortbildung und Unternehmensführung.Das trifft die Leute, die Arbeitsplätze für andere zurVerfügung stellen sollen.Die Gelder für die Förderung von Lehrgängen imRahmen der überbetrieblichen beruflichen Bildung inHandwerk wurden im Haushaltsausschuß um 6 Millio-nen DM gekürzt, obwohl die Kammern einen immer hö-heren Beitrag zu leisten haben und am Ende ihrer Lei-stungsfähigkeit angekommen sind.Beim sogenannten Meister-BAföG, das dem Hand-werker als Grundlage zur Selbständigkeit und zur Schaf-fung von Arbeitsplätzen dienen soll, wurden die Gelderim Haushaltsentwurf im Vergleich zu den entsprechen-den Beträgen davor schon um 66 Millionen DM abge-senkt. Wir wollen nicht verheimlichen, daß es in derDankward Buwitt
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Vergangenheit Schwierigkeiten – auf Grund eines Hinund Her – mit der Annahme gegeben hat. Jetzt – das be-stätigt auch das Ministerium – gibt es ein großes Interes-se daran. Ergebnis der Haushaltsberatungen ist: DieMittel sind noch einmal um 20 Millionen DM gekürztworden, und sie sind praktisch auf die Hälfte reduziertworden.Die Mittel für die Existenzgründungsberatung wur-den von 14,2 auf 12 Millionen reduziert; die Gelder fürdie Förderung der Leistungssteigerung in kleinen undmittleren Unternehmen wurden vom ersten zum zweitenEntwurf um 2 Millionen DM auf 13 Millionen abge-senkt.Ein anderes Thema. Niemand, der die Materie kennt,wird zwei Dinge bestreiten.Erstens. Die Deutsche Zentrale für Tourismus lei-stet nach vielen schwierigen Jahren jetzt eine sehr, sehrgute Arbeit.Zweitens. Erfolg in der Tourismuswerbung hat un-mittelbaren Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen.Hier konnten wir in den Haushaltsberatungen nur dasSchlimmste verhindern, nämlich einen Antrag derKoalition, der vorsah, die Mittel um 5 Millionen abzu-senken. Unser eigener Antrag, der vorsah, den Titel um5 Millionen zu erhöhen, war leider nicht durchsetzbar.
Einer der Bereiche, der sich am schnellsten verändertund der am zukunftsträchtigsten ist, ist der Bereich Mul-timedia. Um das Potential dieser Anwendungsmöglich-keiten für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zuerschließen, gilt es, frühzeitig neue Entwicklung anzu-stoßen und zu erproben. So steht es jedenfalls im Haus-halt. Das Ministerium wies zusätzlich auf das Jahrtau-sendproblem hin. Ergebnis ist: 10 Millionen DM weni-ger, also eine Kürzung in diesem Jahr um 20 Prozent.Das gleiche gilt für die Beteiligung am Innovationsri-siko von Technologieunternehmen. Hier wurde eineKürzung der Mittel um etwas unter 10 Prozent vorge-nommen.Bei der Forschungsförderung von Technologievorha-ben der zivilen Luftfahrtindustrie will sich der Bunddurch die Hintertür verabschieden; seine Aufgabe sollenin Zukunft die Länder und verstärkt die Industrie wahr-nehmen. Das ist für Sie anscheinend das Ziel einer mo-dernen Technologiepolitik.Auch die von Ihnen vorgesehene Unterstützung derWerftindustrie kann nicht zufriedenstellen. Obwohlwährend der Beratung eine Aufstockung der Verpflich-tungsermächtigungen für die Wettbewerbshilfe erreichtwerden konnte, ist der Endbetrag trotzdem nicht ausrei-chend. Darüber hinaus sind die Mittel für die Zinshilfereduziert worden – und das zu einem Zeitpunkt, zudem sich die Werftindustrie in einer sehr schwierigenSituation befindet.
– Daß sie sich schriftlich bedankt haben, zeigt, daß dieErwartung, die an diese Regierung gerichtet wird, nichtmehr besonders groß ist, Herr Wagner.
Nun zum Thema Ausstieg aus der Kernenergie. DerStreit, den Sie untereinander austragen, füllt mittlerweileBücher. Egal, wie dieser Streit ausgeht: Völlig unver-ständlich und nicht hinnehmbar ist, daß Sie an der not-wendigen Sicherheitsforschung für kerntechnische An-lagen sparen. Die Argumentation ist auch unehrlich: aufder einen Seite Ausstieg wegen Gefährlichkeit und un-geklärter technischer Fragen, auf der anderen Seite Ein-sparungen bei der Sicherheitsforschung. Das ist im In-teresse der Bevölkerung nicht hinnehmbar.
Nein, meine Damen und Herren, mit diesem Haushaltkönnen Sie keinen Staat machen. So unterstützt oderfördert man nicht technische Innovationen; so bewirktman keinen Kompetenzgewinn und keinen Ausgleichvon Nachteilen; so leisten Sie keinen Beitrag zum Auf-schwung und zu mehr Arbeitsplätzen in Deutschland.Daher können wir nur sagen: Es tut uns leid. DieserHaushalt bietet zuwenig, um die Entwicklung inDeutschland voranzutreiben. Wir können ihm nicht zu-stimmen.Recht herzlichen Dank.
Die Kollegin Brun-
hilde Irber, SPD-Fraktion, hat sich zu einer Kurzinter-
vention gemeldet.
Herr Kollege Buwitt, Sie
haben gerade kritisiert, daß der Tourismushaushalt um
5 Millionen DM gekürzt werden soll. Nehmen Sie bitte
zur Kenntnis, daß es erstmals gelungen ist, die Mittel für
diesen Bereich des Haushaltes zu erhöhen. Sie dagegen
haben in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung eine Ab-
senkung um genau den Betrag vorgesehen, um den wir
die Mittel erhöht haben – also um 2,6 Millionen DM für
die Deutsche Zentrale für Tourismus und um 5 Millio-
nen DM im Bereich der Leistungsanbieter. Es kann also
keine Rede davon sein, daß hier etwas gekürzt wurde.
Im Gegenteil: Es wurden mehr Mittel aufgebracht. Al-
lerdings wäre es wünschenswert, hier noch mehr Mittel
einzusetzen. Angesichts der Haushaltslage, die Sie in
den letzten 16 Jahren verschuldet haben, ist dies aller-
dings nicht möglich. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu
nehmen und keine Legendenbildung anzufangen.
Herr Kollege Buwitt,
Sie haben die Gelegenheit zur Reaktion.
Liebe Frau Kolle-gin, ich nehme folgendes zur Kenntnis: Der erste Haus-Dankward Buwitt
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haltsentwurf, der noch unter Waigel eingebracht wordenist, hat genau die Summe vorgesehen, die Sie genannthaben, nämlich 41,6 Millionen DM. Um es deutlich zusagen: Sie haben überhaupt nichts aufgestockt. Die SPDhat vielmehr einen Antrag auf Kürzung um 5 MillionenDM gestellt und hat verbittert dafür gekämpft. Sie mußtesich aber von allen davon überzeugen lassen, daß dies –um es deutlich zu sagen – Unsinn ist. Es bleibt dabei:Wir haben einen Antrag auf Erhöhung um 5 MillionenDM gestellt, den Sie abgelehnt haben. Es war also voll-kommen richtig, wie ich es dargestellt habe.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Ernst Schwanhold, SPD-Fraktion.
Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Präsident! Sie hatten – zu Recht – erwartet, daß derKollege Manfred Hampel diese Rede hält. Ihn möchteich an dieser Stelle entschuldigen. Er ist verhindert, weiles in seiner Familie einen Trauerfall gibt. Ich will michbei ihm wie auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern des Ministeriums aber ausdrücklich für die inten-sive Arbeit an der Gestaltung dieses Haushaltes bedan-ken.
Sie, Herr Buwitt, und die Opposition machen imMoment einen Fehler, den Sie aus Ihrer Regierungszeitfortschreiben.
Sie haben in Ihrer Regierungszeit den Standort Bundes-republik Deutschland schlechtgeredet. Das war damalsein Fehler. Heute machen Sie wiederum diesen Fehlerund versuchen, den Standort Bundesrepublik Deutsch-land weiterhin schlechtzureden. Er ist nicht schlecht!
Sie müssen eine noch nicht gemachte Abstimmung inIhren Reihen nachholen. Gestern und am ersten Tag die-ser Debatte gab es heftige Forderungen nach dem Abbauvon Subventionen. Sie aber haben nolens volens in drei,vier und fünf Bereichen den Aufbau von Subventionengefordert. Ich empfehle Ihnen, sich zu entscheiden, wasSie wollen. Machen Sie sich die Mühe zu sagen, wo SieSubventionen abbauen wollen. Dann haben Sie dasRecht zu sagen, wo Sie Subventionen aufbauen wollen,weil Sie sich dann vor beiden Gruppen verantwortenkönnen: vor denen, denen Sie etwas zusagen, und vordenen, denen Sie etwas wegnehmen wollen. Aber so zutun, als ob man einerseits anonym über den Abbau vonSubventionen reden könnte und andererseits darüber,daß man überall Subventionen aufbauen muß, ist verlo-gen und entspricht nicht den Tatsachen der Haushalts-lage.
Wie Sie wissen, haben wir die Regierung in einerschwierigen ökonomischen Situation übernommen. ZumVergleich der Arbeitslosenzahlen möchte ich folgendeBemerkung machen: Der Vergleich der monatlichen Ar-beitslosenzahlen der Jahre 1998 und 1999 ist real. Derdirekte Vergleich der Monate ergibt die einzig realeAussage; alle anderen Zahlen müssen Sie sonst um sai-sonale Einflüsse bereinigen. Im Januar 1999 hatten wirim Vergleich zum Januar 1998 über 400 000 Arbeitsloseweniger. Das läßt sich bis zum März beobachten, in demwir mehr als 350 000 Arbeitslose weniger hatten. Das isteine gute Bilanz der ersten drei Monate dieses Jahres.Ich füge aber hinzu: Diese Bilanz reicht nicht aus; wirmüssen noch besser werden. Die Zahl der Arbeitslosenist noch immer bedrückend hoch. Aber die Tendenz istweiter nach unten gerichtet. Das ist das Ergebnis derPolitik der ersten Monate unserer Regierungszeit.
Dies haben übrigens auch die Wirtschaftsfor-schungsinstitute sowie der Internationale Währungs-fonds in ihren aktuellen Frühjahrsgutachten bestätigt.Die Institute sehen insgesamt – ich zitiere – „gute Vor-aussetzungen für eine baldige Festigung der Kon-junktur“ und prognostizieren entsprechend ein Wirt-schaftswachstum von 1,7 Prozent für dieses Jahr und2,6 Prozent für das nächste Jahr. Der InternationaleWährungsfonds prognostiziert für Deutschland im aktu-ellen „World Economic Outlook“ sogar 2,8 Prozent –die höchste Zuwachsrate in Europa. Eine ausgesprochenpositive Tendenz und eine ausgesprochen positive Be-urteilung!Wir sollten diese Tendenz verstärken, weil die deut-sche Volkswirtschaft stark ist. Wir müssen darübernachdenken: Wo gibt es Verbesserungsbedarf? Wo gibtes Schwächen? Aber wir dürfen den Standort Deutsch-land durch leichtfertige Reden nicht immer wieder ka-puttreden.
Wir haben ausreichend Risiken zu berücksichtigen.Selbst wenn sich die weltwirtschaftliche Situation ver-bessert, haben wir innerhalb der EU daran zu arbeiten,daß aus der gegenwärtig schwierigen Handelsbeziehungzwischen der EU und den USA kein Handelskrieg wird;denn jeder Handelskrieg hat eine deutliche Dämpfungder nationalen Konjunktur – auch bei uns – zur Folge.Wir müssen den Bananenstreit beenden, wir müssenbeim Hormonrindfleisch weiterkommen, weil wir unsdiese Risiken in der gegenwärtig labilen internationalenSituation nicht erlauben können. Da brauchen wir einegemeinsame Sprache und gemeinsame Anstrengungender Europäer. Diese zu unterstützen wäre Ihre Aufgabeund nicht, schlecht darüber zu reden.
Besonders erfreut mich, daß auch die Wirtschaftsfor-scher im laufenden und noch mehr im kommendenJahr eine spürbare Abnahme der Arbeitslosigkeit inDeutschland prognostizieren. Zum gegenwärtigen Zeit-punkt nimmt die Arbeitslosigkeit ab. Ich hoffe, daß diesbei einem moderaten Preisanstieg auch so bleibt. Ichteile die Ansicht der Institute, daß wir wirtschaftspoli-tisch jetzt im Kern daran zu arbeiten haben, noch vor-Dankward Buwitt
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handene Investitionshemmnisse zu beseitigen und dieEinstellung von Arbeitskräften attraktiver zu machen.Um diese Aufgabe haben wir uns zu kümmern.Der Finanzminister hat am Dienstag in seiner Redeanläßlich der Einbringung des Haushalts Ausführungenzur Steuerreform gemacht. Es wird schwer genug, diedort vorgestellten Maßnahmen umzusetzen. Sie sindaber Voraussetzung, um die Investitionshemmnissebeseitigen zu können. Wir werden Sie, Herr Minister,dabei unterstützen.Ich will noch ein paar Minuten beim Subventionsab-bau verweilen. Um Investitionen zu beschleunigen, umneue Produkte in den Markt hineinzubringen, um derostdeutschen Wirtschaft auf den Weltmärkten zu helfen,um den Dienstleistungssektor weiterzuentwickeln, wirdes immer notwendig sein, Subventionen in die Wirt-schaft hineinzugeben. An anderer Stelle wird es not-wendig sein, bewahrende Subventionen abzubauen; diesist uns klar. Aber sagen Sie doch einmal: Wollen Sie inder Situation, in der die Kvaerner-Werft und Werften inOstdeutschland sind, Subventionsabbau betreiben? Siehaben uns diese Subventionen als „konservierende Sub-ventionen“ vorgeworfen. Sie müssen sich entscheiden,in welchem Bereich Sie Subventionen abbauen wollenund in welchem nicht.
Wir brauchen Unternehmensteuersenkungen; dar-über habe ich schon gesprochen. Wir brauchen insbe-sondere für Ostdeutschland – auch dies ist ein Ergebnisder Untersuchungen der Wirtschaftsinstitute und der in-ternationalen Beobachter – besondere Maßnahmen. Jah-relang sind die ostdeutschen Länder – völlig egal, obSPD- oder CDU-regiert – bei uns aufgelaufen und habenuns gebeten, dafür zu sorgen, daß die jährlichen Kür-zungsorgien, die Sie angedroht haben und die späterverhindert worden sind, in eine kontinuierliche Aussageund eine langfristige Planbarkeit der Investitionen inOstdeutschland umgemünzt werden. Es ist jetzt das ersteMal gelungen, zu sagen: Ostdeutschland wird über einenlängeren Zeitraum unsere besondere Unterstützung be-nötigen. Wir werden diese absichern und nicht jedesJahr neu zur Disposition stellen. Das Wichtigste sind si-chere Rahmendaten.
Dabei geht es nicht mehr ausschließlich um Investi-tionen in Infrastruktur. Da ist Erhebliches geleistet wor-den, auch unter Ihrer Regierungsverantwortung. Es gehtheute vielmehr um Investitionen in Humankapital, esgeht heute um Investitionen in zusätzliche Existenz-gründungen und Existenzsicherung, es geht um Investi-tionen in Technologietransfer, und es geht in besonde-rem Maße um Investitionen zur Erschließung neuerMärkte für die Unternehmen, die es schwer haben, sichin den Märkten zu etablieren. Das alles hat mit Subven-tionen zu tun. Man erreicht nichts, wenn man diese vonvornherein abbaut; statt dessen muß man die außenwirt-schaftliche Orientierung möglicherweise ein kleinesStück stärker ausrichten.Wir haben die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserungder regionalen Wirtschaftsstruktur“ in den neuen Bun-desländern auf Dauer stabilisiert. Daß 58 Milliarden DMfür Investitionen in den Haushalt 1999 eingestellt wer-den können, ist angesichts der desolaten Haushaltssitua-tion, die Sie uns hinterlassen haben, eine großartige Lei-stung.
Wir benötigen für die mittelständische Wirtschaft– nun komme ich zu dem Teil, bei dem man zwischendem, was man einsparen kann, und dem, was man zu-sätzlich ausgeben muß, differenzieren muß – natürlichweiterhin eine bessere Eigenkapitalausstattung der klei-nen und mittleren Unternehmen durch Entlastungen aufder Steuerseite. Diese werden allerdings eine Verbreite-rung der Bemessungsgrundlage nach sich ziehen.Wir benötigen, insbesondere für die neuen Unter-nehmen und die Existenzgründer, die Fortführung derEigenkapitalhilfeprogramme. Daß hier aufgestockt wor-den ist, ist eine besondere Leistung. Genauso ist es eineLeistung, den Technologietransfer, den Wissenstransferin die handwerklichen Unternehmen zu stärken. Hier istaufgestockt worden, und das sichert einen Wirtschafts-zweig, der sich modernsten Herausforderungen stellenmuß und diese offensiv annehmen will. Wir müssen ihmdabei aber auch staatliche Hilfe gewähren. Dazu zusätz-lich 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt zu haben,sichert Arbeitsplätze und die Zukunftsfähigkeit mittel-ständischer Unternehmen.
Darüber, daß wir dabei, insbesondere im Dienstlei-stungssektor, einzelne Teile aus dem Bereich der Schat-tenwirtschaft herausholen müssen, sind wir uns im kla-ren. Zu Ihrer verlogenen Debatte über die 630-Mark-Arbeitsplätze will ich noch einiges sagen: Hier so zutun, als seien nur damit Unternehmen zu erhalten und alssei dies die einzige Möglichkeit zur Existenzsicherungvon Unternehmen, heißt zumindest, den Wunsch derLeute, die auf der Basis von 630-Mark-Arbeitsplätzenarbeiten, in die sozialen Sicherungssysteme hineinzu-kommen und einen Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsplatz zuerhalten, der die eigene Existenz finanziell sichert, nichtzu beachten. Erst dann, wenn Ihnen dieser Bereich ge-nauso wichtig ist wie die Sicherung der Unternehmen,wird Ihre Argumentation glaubwürdig, und erst dann,nicht vorher, kann man über Fehlentwicklungen nach-denken.
Das gleiche will ich Ihnen zur Scheinselbständigkeitsagen. Sie führen eine Scheindebatte über die Schein-selbständigkeit, weil Ihnen die Betroffenen, die von ein-zelnen Auftraggebern abhängig und unterdrückt sindund keine eigene Existenzsicherung aus ihrer scheinbarunternehmerischen Tätigkeit haben können, völlig egalsind. Ihnen sind nämlich nur die nicht egal, die davonprofitieren, daß sie diese Menschen ausbeuten. WerErnst Schwanhold
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Mißbrauch bekämpfen will, muß das in den Vorder-grund stellen. Erst dann können wir über Fehlentwick-lungen, wenn es sie denn gegeben hat, reden. Nur so undnicht anders wird ein Schuh daraus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will ausdem Haushalt und den positiven Tendenzen des Haus-halts nur noch einen Aspekt herausgreifen, weil ich ihnfür besonders wichtig halte. In diesen Haushalt werdenrund 200 Millionen DM für den Einstieg in den Ausstiegaus der Kernenergie zusätzlich eingestellt. Das ist einProgramm zur Energieeinsparung, es ist ein Programmfür alternative Energieträger, und es ist insbesondere einProgramm für kleinere und mittlere Unternehmen zumflächendeckenden Aufbau von Beschäftigung und zurEntwicklung neuer Dienstleistungs- und Arbeitsplatzan-gebote in diesem Bereich.Das ist eine großartige Leistung, weil wir hier genaujene dezentralen Strukturen der Energieversorgung be-fördern, die arbeitsplatzsichernd und arbeitsplatzschaf-fend ist und die gleichzeitig auch die ökologische Situa-tion verbessert.Herr Präsident, gestatten Sie mir einen Schlußsatz.
– Daß Ihnen das vielleicht nicht gefällt, ist klar.Ich möchte am Schluß gerade in Verbindung mit demProgramm zur Energieeinsparung die Banken und Spar-kassen bitten, ihre Zurückhaltung bei der Umsetzungdieses Programms aufzugeben und auch dann, wenn indiesem Bereich keine ausgesprochen große Renditeer-wartung vorhanden ist, gemeinsam mit dem Handwerkdie Chancen für mehr Arbeitsplätze und Investitionen ineine energiesparende, ökologisch vernünftige Zukunftzu nutzen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich dem Kollegen Dankward Buwitt das
Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Herr Schwanhold, Sie haben
von einer „verlogenen Debatte“ gesprochen.
Ich will Ihnen einmal sagen, was ich als verlogen be-
zeichne. Unter „verlogen“ verstehe ich, wenn man der
Bevölkerung Riesenversprechungen macht und diese
nicht einhält.
Drei Sätze später sagen Sie in Ihrer Rede, es müssen be-
sondere Maßnahmen für Ostdeutschland ergriffen wer-
den. Schauen Sie sich meine Beispiele an! Das alles wa-
ren Forderungen, die Sie einmal aufgestellt haben; und
das alles sind Kürzungen, die genau diesen Bereich be-
treffen. Das nenne ich – um es ganz deutlich zu sagen –
verlogen.
Lassen Sie mich noch etwas zum „Schlechtreden“ sa-
gen. Mir fiel das gestern schon bei Bundeskanzler
Schröder auf. Wer hat denn in den vergangenen Jahren
den Standort Deutschland schlechtgeredet?
Sie waren das doch!
Wer hat denn gesagt: Wir wollen einmal sehen, wann
die fünf Millionen vor den Arbeitsämtern stehen? Das
waren Sie doch; das waren wir doch nicht. Das ist doch
alles nachlesbar.
Sie haben in den letzten sieben Monaten doch einen
Realitätsverlust erlitten, der einmalig ist.
Was das Schlechtreden anbelangt: Sie reden heute die
Vergangenheit ja noch schlecht. Nur die Gegenwart
möchten Sie gerne gutgeredet haben, und zwar besserge-
redet haben, als sie in Wirklichkeit ist.
Zur Antwort hat der
Kollege Schwanhold das Wort.
Herr Kollege Buwitt, wiralle haben die Aussagen von Herrn WirtschaftsministerRexrodt und von Kollegen Ihrer Fraktion noch in denOhren. Sie fingen an, zu sagen, an dem Standort Bun-desrepublik Deutschland arbeiteten die Menschen kürzerals an jedem anderen Standort und sie seien ständigkrank. Es war die Rede vom Freizeitpark Bundesrepu-blik Deutschland, von den schlechten Produkten in derBundesrepublik Deutschland, von dem schlechten Inno-vationsklima, von den zu hohen Steuern und von denRahmenbedingungen, die es für ausländische Investorenangeblich unmöglich machten, in diesen Standort zu in-vestieren.Wir waren diejenigen, die aus der Opposition herausdarauf hingewiesen haben, daß es an diesem Standortsoziale Sicherheit gibt, daß man zum Beispiel im Jahr1997 für den März 1998 eine Maschine bestellen kannund die pünktlich geliefert wird, daß sozialer Friedeherrscht und es ein hohes technisches Vermögen derMitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Das sind Stärkendieses Standorts, die wir hervorzuheben haben und fürdie wir im Ausland zu werben haben. Wir dürfen diesenStandort nicht weiter schlechtreden. Das alles könnenErnst Schwanhold
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3208 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Sie in den Protokollen des Deutschen Bundestagesnachlesen.
Wenn Sie bei den Debatten dabei gewesen wären, hättenSie das auch noch in Erinnerung.Nun will ich Ihnen etwas zum Haushalt des Bundes-wirtschaftsministeriums sagen. Die Energieforschung istdeutlich aufgestockt worden. Deutlich aufgestockt – um180 Millionen DM – worden ist der Titel „RationelleEnergieanwendung“. Deutlich aufgestockt worden istder Titel „Forschung, Entwicklung und Innovation“.Deutlich aufgestockt worden ist der Titel „Gewerbeför-derung für den Mittelstand“. Deutlich aufgestockt wor-den sind auch andere Titel, auf die ich nur hinweisenmöchte. Wenn Sie so tun, als ob es eine Wirtschafts-politik Ost und eine Wirtschaftspolitik West gäbe, dannhaben Sie das Problem nicht verstanden. Es gibt Son-derbedingungen Ost, die wir zu bedienen haben, aberansonsten haben wir eine Wirtschaftspolitik für dieBundesrepublik Deutschland insgesamt zu machen, weilnur dadurch die Schwierigkeiten behoben werden kön-nen. Deshalb lohnt es nicht, einzelne Titel herauszugrei-fen, sondern nur, eine Gesamtschau des Haushalts vor-zunehmen.
Ich erteile dem Kol-
legen Paul Friedhoff, F.D.P.-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Als der Finanzminister Oskar Lafontaineam 11. März von seinem Amt desertierte,
hinterließ er einen Scherbenhaufen:
in der Wirtschaftspolitik, in der Finanzpolitik, in derSteuerpolitik, in der Währungspolitik –
und das nicht nur national, sondern auch international.In den Tagen nach seinem Rücktritt kam Hoffnung auf:Hoffnung darauf, daß der neue Finanzminister zu einerHaushalts- und Steuerpolitik zurückkehrt, die Vertrauenschafft und Investitionen in Arbeitsplätze unterstützt;
Hoffnung darauf, daß der Wirtschaftsminister mit mehrGewicht zu einer soliden Wirtschaftspolitik findet, dieden Standort Deutschland sichert.
Von einem möglichen Neuanfang und von der Chance,die Verunsicherung unserer Betriebe zu überwinden,war die Rede – angesichts der labilen konjunkturellenLage bitter nötig. Denn statt 2,8 Prozent Wachstum imvergangenen Jahr gehen wir inzwischen von mageren1,5 Prozent für dieses Jahr aus.
Wahrlich ein Erfolg rotgrüner Politik! Wenn Sie das als„Schlechtreden“ bezeichnen, Herr Schwanhold, dannsage ich Ihnen: Wir müssen noch auf Fakten hinweisendürfen, ohne von Ihnen dafür angegriffen zu werden.
Was ist denn heute, nur acht Wochen später, von un-serer Hoffnung geblieben? – Nichts. Alle Blütenträumesind bereits verflogen. Die deutsche Wirtschafts- undFinanzpolitik versinkt weiter im Chaos. Der Finanzmi-nister verspricht Solidität. Das allein reicht nicht. Vonden notwendigen steuerlichen Entlastungen, von allenExperten gefordert, ist nichts zu sehen.
Ich stelle auch an dieser Stelle die Frage, die ich vonUnternehmern, von Handwerksmeistern, von Freiberuf-lern fast täglich höre: Wo bleibt der Wirtschaftsmi-nister? Was unternimmt Minister Müller jetzt, wo ermehr Spielraum gewonnen hat, um die Politik der wirt-schaftlichen Vernunft durchzusetzen?
Was unternimmt der Minister, um Ludwig ErhardsErbe zu retten und die alte Schlagkraft des Wirtschafts-ministeriums, dem Lafontaine so übel mitgespielt hat,wiederherzustellen?
Nichts. Was unternimmt der Minister zur Bekämpfungder Arbeitslosigkeit?
– Nun, er gibt Interviews.Auf die Arbeitsplatzvernichtung durch das 630-DM-Gesetz angesprochen, meint Herr Minister Müller amMontag in der „Bild-Zeitung“ – ich zitiere wörtlich –:„Solche notwendigen Reformen sind eben unbequem.“
In der „Chemnitzer Freien Presse“ stellt er fest, daßsich von den fünf Millionen Billigjobbern doch nur eineMillion beklage. Man muß sich das einmal vorstellen,meine Damen und Herren: Hunderttausenden Familienwird ein Teil ihres Einkommens entzogen, dem deut-schen Mittelstand, der Gastronomie, den Sportvereinen,den Gesangsvereinen, den Zeitungen, den Volkshoch-schulen laufen fähige Mitarbeiter weg, weil sich Lei-stung wegen der hohen Abgaben und Steuern für sieeben nicht mehr lohnt – und der Wirtschaftsministerkommentiert das mit derartigem Zynismus.
Ernst Schwanhold
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Sie haben hingenommen, Herr Minister Müller, daßdie Reformen zur Lohnfortzahlung, zum Kündigungs-schutz und zur Rentenversicherung von der rotgrünenBundesregierung zurückgenommen wurden. DieseRücknahmen der Reformen sind gravierende Maßnah-men zu Lasten der kleinen und mittleren Betriebe und zuLasten der Arbeitsplätze.
Sie haben hingenommen, daß die Energiewirtschaftund unsere Partner in Frankreich und Großbritanniendurch die unausgegorenen Pläne Minister Trittins zumsofortigen Ausstieg aus der Kernenergie fundamentalverunsichert wurden.Konkrete Ergebnisse bleiben aus – aber Verunsiche-rung allerorten. So riskiert man das Vertrauen der Wirt-schaft, schädigt einen Wirtschaftsbereich, der auf Ver-läßlichkeit und Langfristigkeit besonders angewiesen ist,der am Standort Deutschland kapitalintensiv arbeitet und– noch – investitionsbereit ist.Sie haben hingenommen, Herr Minister Müller, daßUnternehmen und Investoren mit den Steuergesetzen1999 deutlich höher belastet worden sind. Sie haben dieunökologische ökologische Steuerreform akzeptiert. Wobleiben denn die so häufig versprochenen Entlastungenfür die Betriebe, für die Fleißigen in diesem Land, dieRisiken übernehmen und Arbeitsplätze schaffen?Wo bleibt Ihre Position zur Unternehmensteuerre-form? Sie werden doch keinen einzigen Mittelständlerin unserem Land mehr finden, der Ihnen die Mär von derSteuerentlastung noch abnimmt. Gerade die kleinen undmittleren Betriebe werden auch weiterhin von dieserrotgrünen Regierung geschröpft werden,
zumal der Bundesfinanzhof gerade die sozialdemokrati-schen Wunschträume zunichte gemacht hat, daß esmöglich sei, zwischen guten und schlechten Einkommenzu unterscheiden.Die F.D.P. hat schon im letzten Jahr die geplanteSpreizung der Steuersätze kritisiert. Der Bundesfi-nanzhof zitiert sogar unseren F.D.P.-Entschließungs-antrag vom Dezember 1998. Die Spreizung zwischenUnternehmensteuersatz von 35 Prozent und nichtge-werblichem Steuersatz von 48,5 Prozent widersprichtunserer Verfassung.
Viele ahnen es: Auf Ihren Fahnen steht längst nichtmehr eine große Steuerreform. Alle sozialdemokrati-schen Wünsche von Umverteilung und Dirigismus wer-den in einer Mehrwertsteuererhöhung enden. Sie habenangesichts der anstehenden Wahlen nur noch nicht dieTraute, es dem Wähler zu sagen.Sie, Herr Minister Müller, haben das Gesetz gegendie sogenannte Scheinselbständigkeit passieren lassen– neben der Neuregelung der 630-DM-Jobs der unbe-strittene Höhepunkt in der nunmehr siebenmonatigenGeisterfahrt der rotgrünen Regierungsdschunke.
Ankündigungen zur Revision irrlichtern durch die Ga-zetten – was sind sie wert ohne Kabinettsbeschluß? Nundarf man von einem Leichtmatrosen vielleicht auchnicht erwarten, daß er den Kurs des Schiffes nennens-wert beeinflußt,
vor allem wenn der Kahn schon derartig löchrig ist undkurz vor dem Absaufen steht.
Nur: Dann sollte man auch nicht so tun, als könnte mandiesen Kahn anders steuern. Jedenfalls zeugt es schonvon einer gehörigen Portion Mut, wenn sich der Bun-desminister für Wirtschaft in aller Öffentlichkeit alsmarktwirtschaftlicher Erneuerer geriert: Der Sozialismusin Deutschland sei nicht mehr zu bezahlen. Die persönli-che Verfügbarkeit über das selbst Erarbeitete müsseendlich wieder zunehmen. Ob Leistungsgesetze oderSubventionen – alles müsse auf den Prüfstand. Schonrichtig, Herr Minister. Das muß alles auf den Prüfstand.Aber auch Ihre Rolle und Ihre Politik, mit der Sie das er-reichen wollen, gehören dann auch auf den Prüfstand.
Sie sind vollmundig in Interviews und auf Tauchstationin den Kabinettssitzungen. Sie spielen offenbar gerneden Don Quichotte der deutschen Wirtschaftspolitik.Trotz des Rücktritts von Oskar Lafontaine hat dieSPD-Linke weiterhin das Sagen.Die SPD-Bundestagsfraktionso meint der „Spiegel“ zu Beginn dieser Woche, –ist gleichsam der verlängerte Arm der Sozial-staatsmafia. Unternehmer gibt es hier nicht, dafüraber Gewerkschafter, die jeden Firmengründer gernreflexartig zum Feind erklären.Nicht wir, sondern der „Spiegel“ stellt dies fest.Herr Minister, Schaufensterreden sind unangebracht.Sie sind kein Kommentator der Politik. Sie sind Mitgliedder Exekutive. Die Bürger und Unternehmer warten aufTaten. In der SPD-Fraktion und bei den Grünen müssenSie Überzeugungsarbeit leisten. Hier müssen Sie fürsolide Wirtschaftspolitik werben, nicht in der breitenÖffentlichkeit. Diese hat die Notwendigkeit zu struktu-rellen Reformen längst eingesehen, nur diese Koalitionnoch nicht.
Was ist mit den sogenannten anderen wirtschaftspoli-tischen Modernisierern in der SPD? Bei näherem Hinse-hen muß man auch hier feststellen, daß kein Anlaß zurEuphorie besteht. Es reicht eben nicht, nur 30 Prozentweniger Unsinn als die anderen zu erzählen. Kanzler-amtsminister Hombach kündigt groß in der „Westdeut-schen Allgemeinen Zeitung“ eine Änderung des 630-DM-Gesetzes an, um sich kurz darauf in einem Inter-view mit dem „Kölner Express“ wieder hinter Arbeits-Paul K. Friedhoff
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minister Riester wegzuducken. Was gilt denn nun, HerrMinister Hombach? Oder haben Sie zwischenzeitlicheinfach nur den Überblick darüber verloren, was Pest– 630-DM-Gesetz – oder was Cholera – Neuregelungfür die sogenannten Scheinselbständigen – ist?Bei uns in Nordrhein-Westfalen gibt es noch einenangeblichen Kämpfer für mehr wirtschaftliche Vernunft,nämlich Ministerpräsident Wolfgang Clement. Er bringtseit Monaten Bedenken gegen die verheerenden Wirt-schaftsgesetze der rotgrünen Bundesregierung vor. Aberer stimmt ihnen dann im Bundesrat zu.
Jetzt werden gerade in Nordrhein-Westfalen mit derNovelle der Gemeindeordnung die gesetzlichen Voraus-setzungen dafür geschaffen, daß die Kommunen demMittelstand die Aufträge wegschnappen können. Mitmarktwirtschaftlicher Reformpolitik, Herr Minister Mül-ler, hat dies überhaupt nichts zu tun.
Statt dessen gilt noch immer: postsozialistische Staats-wirtschaft statt marktwirtschaftlicher Reform. Das ken-nen wir aus vielen Reden, die Sie damals in der Opposi-tion gehalten haben.Es gibt keine zukunftsfähige, moderne SPD-Wirt-schaftspolitik, die uns hier immer vorgegaukelt wird.Uns werden in Sonntagsreden und Interviews lediglichLuftblasen vorgegaukelt. Die tagtäglich ergriffenenMaßnahmen sprechen eine andere, nämlich die alteideologische Sprache. Wir haben keine Neue Mitte, son-dern die alte Linke.
Rotgrün weigert sich weiterhin, sich der Wirklichkeit zustellen und die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands,der Bürger, der Arbeitnehmer, der Arbeitslosen und derUnternehmer zu lösen – und das sieben Monate nachdem Regierungswechsel.Ich bedanke mich.
Das Wort hat nunKollegin Margareta Wolf, Bündnis 90/Die Grünen.Margareta Wolf (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolle-ginnen und Kollegen! Herr Friedhoff, es wäre spannendgewesen, wenn Sie in Ihrer Rede einmal vorgestellt hät-ten, was Sie unter moderner Wirtschaftspolitik verste-hen, anstatt die ewige Nörgelei fortzusetzen.
Herr Buwitt, Sie haben lediglich ein Mehr an Lei-stungen gefordert. Aber gleichzeitig fordern Sie eineKonsolidierung des Haushaltes. Sie müssen sich schonentscheiden, ob Sie eine Konsolidierung oder eine Poli-tik des leichtfertigen Umgangs mit Geld betreiben wol-len. Am deutlichsten wird das für meine Begriffe anIhrem Antrag zum Meister-BAföG, den ich für aus-schließlich populistisch halte. Sie wissen, daß im letztenJahr der Abfluß beim Meister-BAföG 66 Millionen DMbetragen hat. Jetzt stellen wir 80 Millionen DM ein, da-mit mehr Mittel als im letzten Jahr abfließen.Sie hätten die Chance gehabt, das Meister-BAföG aufTauglichkeit zu überprüfen und es zu verändern. IhreVorlage ist ein reiner Schaufensterantrag. Die zusätzli-chen Mittel werden nicht abfließen, bevor wir nicht no-vellieren. Das werden wir machen, und es wird auchwieder einen Aufwuchs geben. Das wissen Sie genau.
Zentrale Projekte dieser Bundesregierung sind dieHaushaltskonsolidierung, der Abbau der Arbeitslosig-keit, die Verbesserung der Wettbewerbssituation derUnternehmen sowie der Einstieg in die Energiewende.Diesen Prämissen wird der vorliegende Haushalt ge-recht. Unter anderem mit dem Titel zur Förderung derNutzung erneuerbarer Energien sowie mit der Einrich-tung der Zukunftskommission „Neue Energieversor-gung“ durch den Bundeswirtschaftsminister wird deut-lich, daß Rotgrün aus umwelt- und beschäftigungspoliti-schen Gründen auf eine Neuorientierung in der Ener-giepolitik setzt. Meine Fraktion wünscht dieser Kom-mission viel Erfolg bei ihrer Arbeit. Wir sagen ihr unse-re massive Unterstützung zu.Durch die primäre Orientierung der Haushaltsansätzebei den Förderprogrammen für die mittelständischeWirtschaft an den Abflußzahlen des Vorjahres machenwir erstens deutlich, daß die mittelständische Wirtschaftnicht weniger stark als die anderen Unternehmen ist– das halte ich für wichtig –, und zweitens, daß wir inDeutschland auf dem Weg sind, zu einem der interes-santesten Beteiligungsmärkte in Europa zu werden. Derdeutsche Markt für Unternehmensbeteiligungen ist inden letzten Monaten kräftig gewachsen.Wir werden diesen Prozeß, der zukunftsfähige Ar-beitsplätze schafft und der innovative Unternehmen tat-sächlich stärkt, durch eine Gleichstellung aller Anlage-formen im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz poli-tisch flankieren – etwas, was Sie versäumt haben –, undwir werden den Chancenkapitalmarkt mit einer ausge-prägten seed-Kultur in Deutschland verstetigen.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben in ihremGutachten darauf hingewiesen, daß wir in diesem Jahreine Wachstumsrate von 1,7 Prozent haben werden.Damit sind sie optimistischer als die Bundesregierung.Die Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren fürdas nächste Jahr ein Wachstum von 2,6 Prozent. Sie sa-gen deutlich, daß die Aussichten günstiger sind, als es inder öffentlichen Diskussion und von den Verbändendargestellt wird.Paul K. Friedhoff
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An dieser Stelle kann ich es mir nicht verkneifen, et-was in Richtung der Verbandslobbyisten zu sagen. Ichhalte es für geradezu grotesk, daß sich die Verbändejetzt, nach Vorlage des Kommissionsberichts zur Unter-nehmensteuerreform und in Kenntnis der Haushaltslage,hinstellen und sagen – das konnte man gestern in derZeitung lesen –: Wir werden zum Subventionsabbau– den wir seit Jahren in jedem Wahlkampf fordern –überhaupt nicht Stellung nehmen, bevor die Bundesre-gierung nicht klarstellt, um wieviel wir netto entlastetwerden. Das ist wie ein Spiel kleiner Jungen, das einerZumutung gleichkommt.
Vielleicht sollten die Verbandslobbyisten einmal zurKenntnis nehmen, daß es die Unternehmen waren, dieihnen in Hannover auf der Messe gesagt haben, daßihnen das larmoyante und destruktive Herumgenörgeleendgültig auf die Nerven gehe.
Wir leben in einem Verbändestaat, und in einem Ver-bändestaat haben alle Verbände eine Verantwortung fürdas Gemeinwohl in diesem Land.
– Es ist richtig, daß wir in einer parlamentarischen De-mokratie leben; aber wir leben auch in einem Verbän-destaat. Wir wissen schon, daß Sie hier dauernd dieVerbände vertreten.Klar ist – mein Kollege Schwanhold hat das schongesagt –, daß diese positiven Daten auch eine Aufforde-rung beinhalten. Klar ist, daß wir eine Unternehmen-steuerreform brauchen, über die seit Jahren geredetwurde. Klar ist aber auch, daß wir vor der Sommerpauseim Interesse von Planungssicherheit, im Interesse derMenschen in diesem Land und im Interesse der Entla-stung von Gesellschaft und Wirtschaft Eckpunkte füreine Unternehmensteuerreform, für die ökologischeSteuerreform und für den Familienlastenausgleich hiervorlegen werden. Wir wollen in diesem Land mehr Pla-nungssicherheit herstellen und den Familien verdeutli-chen, wie sie infolge dieses Urteils entlastet werden.
– Herr ehemaliger Staatssekretär, wenn Sie selber hiernicht reden durften, dann müssen Sie nicht dauernd da-zwischenrufen.
Bei allem Optimismus glaube ich gleichzeitig, daßdie Wirtschaftspolitik auf Grund des Strukturwandelsvor großen Herausforderungen steht. Wir müssen dieChancen erkennen, die im Übergang von der Industrie-zur Dienstleistungsgesellschaft liegen, und diesen Wan-del im Interesse von neuen Arbeitsplätzen, im Interessevon neuen Ausbildungsplätzen und im Interesse derWettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft politischbegleiten.Der am stärksten wachsende Bereich unserer Volks-wirtschaft ist der Informations- und Kommunika-tionsbereich. Der IuK-Bereich befindet sich auf einemrasanten Wachstumskurs; seit 1994 gab es in der Bran-che – es handelt sich um einen klassischen wissensba-sierten Dienstleistungsbereich – pro Jahr ein Wachstumvon bis zu 10 Prozent. Der IuK-Bereich ist in Deutsch-land mit zirka 2 Millionen Beschäftigten der drittgrößteArbeitgeber. Mit diesem Boom einher geht aber ein ganzdramatischer Mangel an Fachkräften. Allein im Jahr1998 fehlten 50 000 Informatiker in Deutschland. Ichhalte es für alarmierend, wenn auf der einen Seite eineerhebliche Nachfrage besteht, aber auf der anderen Seitenicht entsprechendes Personal zur Verfügung steht, daseingestellt werden könnte. Das zeigt doch deutlich, daßBewerberinnen und Bewerber mit der nötigen Qualifi-kation für diesen Bereich fehlen. Hierin sollte die Politikeine Aufforderung sehen, die Kooperation zwischenWirtschaft und Hochschulen, zwischen Wirtschaft undSchulen sowie zwischen Wirtschaft und Arbeitsämternzu verstetigen. Wir müssen unsere Ausbildungsordnun-gen rascher anpassen und die Berufsbilder aktualisieren.All diese Dinge sind in den letzten Jahren sträflich ver-nachlässigt worden.Der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungs-gesellschaft macht deutlich, daß dem Staat heute einevöllig andere Aufgabe als in der Vergangenheit zu-kommt. Es geht heute, wie ich glaube, nicht vornehm-lich darum, zu verteilen und zu alimentieren. Es gehtvielmehr darum, in die soziale Infrastruktur und in dieMenschen zu investieren. Es muß dafür gesorgt werden,daß die Menschen und die Gesellschaft in Bewegungbleiben, sich mental verändern und sozial nicht verhär-ten. An diesem Kriterium muß sich ein guter Staat undeine gute Wirtschaftspolitik in Zukunft messen lassen.
Vor diesem Hintergrund muß es uns alarmieren, daßnach allen Studien die Weiterbildungsneigung inDeutschland die niedrigste in Europa ist.
Wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen, obwir in Deutschland in den vergangenen Jahren nicht sy-stematisch Zugangsbarrieren zum Arbeitsmarkt aufge-baut haben bzw. ob diese aufgebaut wurden. Ich bin da-von überzeugt, daß das der Fall ist. Ich glaube, daß ins-besondere die zahlreichen standesrechtlichen und juri-stischen Vorschriften – zum Beispiel der wettbe-werbsfreie Raum der Industrie- und Handelskammernmit Zwangsbeiträgen, aber auch der wettbewerbsfreieRaum, in dem sich die Berufsgenossenschaften bewegen– tatsächlich Zugangsbarrieren zum Arbeitsmarkt dar-stellen. Die überbordenden bürokratischen und verwal-tungsrechtlichen Vorschriften behindern den Wandelvon der Arbeitsgesellschaft der Gegenwart zur Gesell-Margareta Wolf
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3212 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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schaft der Zukunft. Unsere verkrusteten bürokratischenStrukturen müssen im Interesse von mehr Arbeitsplätzenund des Strukturwandels auf den Prüfstand. Nur wennwir das angehen, haben wir eine Chance. Auch hierfürgilt das Motto, das für Hannah Arendt immer prägendwar: Die Aufgabe von Politik ist Freiheit.
– Schreien Sie doch nicht so schrecklich. – Ich weiß,daß wir für die Umsetzung dieser mikroökonomischenVorhaben, was ein sehr langwieriger Prozeß ist – Stich-wort Verbändestaat –, die Unterstützung vieler jungerUnternehmerinnen und Unternehmer und Verbände indiesem Lande haben. Meine Fraktion wird in den näch-sten Wochen in Abstimmung mit der SPD-Fraktion ent-sprechende Gesetzentwürfe wieder zur Debatte stellen.
Kollegin Wolf, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Solms?
Margareta Wolf (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Bitte schön, Herr Solms.
Frau Kollegin
Wolf, wie vereinbaren Sie Ihre Klage über Zugangsbe-
schränkungen zum Arbeitsmarkt mit Ihrer Zustimmung
zur Einschränkung der sogenannten Scheinselbständig-
keit?
Margareta Wolf (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Das ist diese Woche ein Running Gag. Kei-
ne Debatte in dieser Haushaltswoche, in der nicht die
630-Mark-Jobs oder die Scheinselbständigkeit ange-
sprochen werden. Fällt Ihnen nichts mehr ein?
Sie wissen, daß es in der vergangenen Sitzungswoche
Gespräche zwischen meinem Fraktionsvorsitzenden,
dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion und dem Bundes-
kanzler gab. Es ist eine Kommission eingerichtet wor-
den, Herr Kollege Solms, der ich auch angehöre und die
dieses Gesetz auf seine Tauglichkeit hin überprüft. Ich
bin der Meinung, es gibt unterhalb der Ebene – –
– Wollen Sie die Antwort hören oder nicht?
Es gibt unterhalb der Ebene der Gesetzesänderung in
diesem Gesetz Anpassungsbedarf, den ich vor allen Din-
gen darin sehe, Herr Kollege Solms, daß man zum ersten
eine Wahlfreiheit bei der Altersvorsorge einräumt, wo-
durch nicht nur die Lebensversicherungen als rentenver-
sicherungsadäquat gelten. Zum zweiten bin ich der Mei-
nung, daß man für die Existenzgründer, für die Selb-
ständigen eine Frist einbauen sollte, und sie nach fünf
Jahren nachweisen müssen, ob sie selbständig oder
scheinselbständig sind.
Wir haben das mit den Verbänden und mit Unter-
nehmen besprochen, wir bringen das in diese Kommis-
sion ein.
Ich bin nach der Rede des Bundeskanzlers von gestern
sehr optimistisch, daß wir damit erfolgreich sein werden.
Ich möchte jetzt fortfahren, Herr Präsident.
Frau Kollegin Wolf,
gestatten Sie eine Nachfrage des Kollegen Solms?
Margareta Wolf (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Bitte schön.
Frau Kollegin,warum sind Ihnen diese Gedanken, obwohl das öffent-lich bereits breit diskutiert worden war, nicht gekom-men, bevor das Gesetz verabschiedet worden ist? War-um kommen sie Ihnen jetzt erst, hinterher?
Margareta Wolf (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Solms, ich gebe die Frage zurück:Warum sind Ihnen keine Gedanken zur Regelung diesesin den letzten Jahren zunehmenden Problems der Ero-sion der Sozialversicherung gekommen? Warum istIhnen dazu in den 29 Jahren nichts eingefallen?Ich gebe zu, daß wir das Gesetz vor der Verabschie-dung nicht ordentlich auf seine Praxistauglichkeit über-prüft haben.
Seit der Verabschiedung diskutieren wir aber mitallen Betroffenen darüber, und Sie werden sehen, daßdieses Gesetz praxistauglich werden wird. Dann könnenSie Ihren Running Gag in die Tasche packen und müs-sen sich für Ihre Zwischenfragen etwas Neues überle-gen, Herr Solms.
Meine Damen und Herren, über den Abbau der büro-kratischen Hemmnisse hinaus wird es aber auch not-wendig sein, eine arbeitsmarktpolitische Strategie zuentwickeln, um die Barrieren zwischen den dauerhaftMargareta Wolf
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3213
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Beschäftigten und den Langzeitarbeitslosen tatsächlichzu senken.Ich möchte hier einen Vorschlag machen.
– Wissen Sie was, meine Damen und Herren? Wir räu-men das auf, was Sie in den letzten 16 Jahren angerich-tet haben. Daß Sie nicht modern sind, haben Sie mitIhren Debattenbeiträgen zum Haushalt bewiesen. Ichwürde Sie jetzt bitten, mir vielleicht einmal zuzuhören.Vielleicht können wir ja ein bißchen was lernen.
In Dänemark kann man seit zehn Jahren eine Strate-gie beobachten, die die Barrieren zwischen Vollzeitbe-schäftigung und Arbeitslosigkeit überwindet. Das zu-grunde liegende Konzept nennt sich Jobrotation. Dä-nemark verfügt über ein System modular aufgebauterWeiterbildungen, mit dem ungelernte Beschäftigte inmehreren Schritten eine Berufsausbildung nachholenkönnen. Außerdem können sich Beschäftigte zur Teil-nahme an Weiterbildungsmaßnahmen in erheblichemUmfang aus ihren Beschäftigungsverhältnissen beurlau-ben lassen. Sie erhalten während dieser Zeit Arbeitslo-sengeld und machen einen Platz für diejenigen frei, diearbeitslos bzw. langzeitarbeitslos sind. Sie können sichqualifizieren.Durch diese Art von Jobrotation gab es in Dänemarknicht nur einen Schub bei der Weiterbildung, sondern esist eine erhebliche Zahl von Menschen aus der Langzeit-arbeitslosigkeit herausgekommen. Dänemark – das istbekannt – ist ein Land mit einer sehr niedrigen Arbeits-losenquote.Es wurde von einem Berliner Professor errechnet, daßwir, wenn wir den Einstieg in dieses Modell wagenwürden, was bekanntlich eine doppelte Wirkung hätte,in einem Jahr zirka 300 000 neue Beschäftigungsver-hältnisse schaffen könnten. Ich halte das für ein diskus-sionswürdiges Modell, das allerdings voraussetzt, daßwir es bei der SGB-III-Novelle auch entsprechend be-rücksichtigen.Meine Damen und Herren vor allen Dingen derF.D.P., wir werden mutig und kreativ Wirtschaftspolitikbetreiben.
Wir werden sie stärker, als Sie das getan haben, mit Bil-dungs- und Arbeitsmarktpolitik verzahnen. Ich binsicher, dann wird das Gutachten der Forschungsinstituteim nächsten Jahr noch wesentlich optimistischer aus-fallen.
Den Mitgliedern der Verbände kann ich nach dem,was wir in den letzten Monaten erlebt haben, nur wün-schen, daß sie sich selbst eine Verjüngungskur an derSpitze gönnen, um ihre Rolle als begleitender und ge-staltender Faktor der neuen, zukunftsfähigen, modernenWirtschaftspolitik auch tatsächlich genießen zu können.Dann kommt unser Land voran.Ich bin optimistisch, daß wir die Arbeitslosenquotesenken können, daß wir zur Verstetigung von Investitio-nen kommen werden, daß dieses Land in Europa tat-sächlich wieder vorn sein wird, daß wir all die ver-staubten Strukturen, die Sie in den letzten Jahren aufge-baut haben, sukzessive abbauen können. Das kommt denMenschen und der Wirtschaft in diesem Land zugute.Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.Danke.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Rolf Kutzmutz, PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Da-men und Herren! In den zweieinhalb Monaten, die seitder ersten Beratung des Haushalts vergangen sind, hatsich auch wirtschaftspolitisch zumindest zweierlei dra-matisch verändert. Erst kam der größten Koalitionsparteinicht nur ihr Vorsitzender, sondern auch ein wirtschafts-politisch einflußreicher Kopf abhanden. Sehen Sie, HerrFriedhoff, an dieser Stelle gibt es unterschiedliche Hoff-nungen: Wir können nach wie vor nur hoffen, daß dieRegierung nach Lafontaines Abgang nicht vollends vorden Lobbyisten der Großkonzerne einknickt.
Völlig zu Recht wird im Frühjahrsgutachten derWirtschaftsforschungsinstitute festgestellt – ich zitiere –:Konkrete Vorhaben wie die Verringerung der Kör-perschaftsteuer oder die Abschaffung von Steuer-vergünstigungen oder Subventionen können nichtGegenstand von Verhandlungen mit den betroffe-nen Unternehmen sein.Statt vorauseilenden Gehorsam gegenüber Managernmuß und kann die Regierung eigenverantwortlich Politikfür mehr Beschäftigung, soziale Gerechtigkeit undschnelleren ökologischen Umbau betreiben, wenn siedenn nur will.Momentan – das ist die zweite dramatische Verände-rung – macht sie noch etwas anderes: Sie ist an einemKrieg beteiligt, der auch eine wirtschaftliche Dimensionhat. Im „Handelsblatt“ vom Dienstag war unter derÜberschrift „Balkankrise drückt Europas Wachstum“über den aktuellen Wirtschaftsbericht der UNO-Wirt-schaftskommission für Europa zu lesen – ich zitiere –:In Westeuropa seien die Kriegsfolgen zwar gerin-ger– als in Osteuropa –,Margareta Wolf
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3214 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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aber dennoch deutlich zu spüren. Abgesehen vonExportverlusten führe der Konflikt zu einer Erhö-hung der Militärausgaben. Angesichts strenger Be-grenzung der Etatdefizite werde das entweder zuAusgabenkürzungen oder zu Steuererhöhungenführen. Auch könne nicht ausgeschlossen werden,daß die Zuversicht der Konsumenten und der Un-ternehmen leide.Alles in allem rechnet die UNECE– die UNO-Wirtschaftskommission –im laufenden Jahr in Westeuropa mit einem Rück-gang der Wachstumsrate von 2,7 auf nur nochknapp 2% …Das ist wirtschaftlich der Preis einer Politik, die dasLeid keines einzigen Kosovaren lindert, aber darüberhinaus noch unzähligen anderen Menschen Not und Un-glück bringt. Ich sage deutlich: Sofortige Waffenruhe istauch wirtschaftspolitisch das Gebot der Stunde.
Abgesehen davon also, daß niemand die Halbwerts-zeit des heute zu beschließenden Etats auf Grund vonHaushaltssperren und dergleichen kennt, muß man fra-gen: Was hat sich in den Beratungen geändert? UnsereVorschläge und Anträge zielten und zielen lediglich aufden Erhalt des Ausgabenniveaus 1996/97 in arbeits-platzschaffenden Bereichen. Die dafür aufzuwendendenMittel würden sich – davon bin ich überzeugt – durchhöhere Einnahmen bei Steuern und Sozialabgaben sowiedurch geringere Ausgaben für Arbeitslose ausgleichen.Befriedigt sind wir darüber, daß die Kritik der PDS-Fraktion an der unzureichenden Förderung regenerati-ver Energien gefruchtet hat. Die Koalition lenkte in denAusschüssen ein und hat nun mehr Mittel dafür einge-stellt. Ob das Sparpotential bei den Steinkohlesubven-tionen, insbesondere bei den direkt an die DeutscheSteinkohle AG zu zahlenden tatsächlich nur 5 MillionenDM beträgt, wie jetzt veranschlagt, wird sich zeigen.Absolut indiskutabel bleibt aber der Verzicht auf jeg-liche ernst zu nehmenden Signale zur Vorbereitung ei-nes Ausstiegs aus der Atomenergie oder zur massivenFörderung innovativer, forschungsintensiver kleinerUnternehmen. Ich bin schon erstaunt – das will ich hierdeutlich sagen –, daß ein glühender Verfechter der neu-en Informationstechnologien aus der letzten Wahlpe-riode, Herr Kollege Mosdorf, den ich deshalb sehrschätze, jetzt als Staatssekretär verantworten kann, daßdie Förderung von Existenzgründungen im Multimedia-bereich um ein Fünftel niedriger ausfallen soll, als esnoch die alte Bundesregierung geplant hatte. Das ist eindeutlicher Widerspruch zu den warnenden Worten, dieFrau Wolf zu diesem Thema gefunden hat.Indiskutabel bleiben auch die Ansätze für die Ge-meinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalenWirtschaftsstruktur“ in West und Ost. Bemerkens-wert, daß hier auch die früheren Regierungsparteien mitÄnderungsanträgen ansetzen, obwohl sie doch selber– ich kann Ihnen diese Kritik nicht ersparen – die sich indiesem Etat zeigende Auszehrung seit Jahren praktizierthaben. Aber vielleicht befördert die Oppositionsrolle jaauch neue Ideen, Gedanken und Erkenntnisse.Eine gleiche Situation finden wir bei der Erdölre-serve vor. Ich will Sie in diesem Zusammenhang daranerinnern, meine Damen und Herren auf der rechten Seitedieses Hauses, wie vehement Sie sich dagegen gesträubthaben, die Erdölreserve in den Haushalt einzustellen. Dagab es aber noch richtig Geld für Erdöl. Jetzt einenSchnellschuß zu starten lohnt sich nicht. Warten Sie ab,bis die Preise wieder ordentlich gestiegen sind!
So optimistisch das Frühjahrsgutachten der Wirt-schaftsforscher insgesamt war, für den Osten konntensie auch für die nächsten Jahre keinen Hoffnungs-schimmer vermelden. Die Beschäftigtenzahlen verharrenauf historischem Tiefstand, die Einkommen stagnieren.Und nicht einmal im kommenden Jahr sollen die1996/97 gemessenen knapp 57 Prozent der Wirtschafts-kraft des Westens wieder erreicht werden. Hinzukommt, daß sich eine Tendenz fortsetzt, die auch vorherschon zu beobachten war: Es kommt zu Produktions-verlagerungen und Schließung selbst bei Betrieben, dieschwarze Zahlen schreiben, wie im Falle des Unterneh-mens Elektronische Motorengerätewerke Schleusingen,das nach Tschechien verlegt wird. Oder man nimmt, wieim Fall des Dessauer Unternehmens Humboldt WedagZAB, Tochter der Deutz AG, einer der wenigen erhaltengebliebenen industriellen Kerne der Muldestadt, unmit-telbar nach Ablauf der Vertragsfrist mit der BvS – auchdas ist keine Seltenheit – eine weitere Reduzierung derBelegschaft vor und bereitet das Aus für das Unterneh-men systematisch vor.All das sind eigentlich Gründe dafür, endlich neueStrategien zu einer selbsttragenden Entwicklung derWirtschaft Ostdeutschlands zu konzipieren und zu prak-tizieren. Aber – dies sage ich sehr kritisch – diese Regie-rung nutzt ja noch nicht einmal die bewährten Instru-mente. Staatsminister Schwanitz hat hier am Dienstageine flammende Rede für den Aufschwung Ost gehalten.
– Ich stimme Ihnen ja voll zu; ich habe sogar geklatscht.Ich bin der Meinung: Das war gut, was er gesagt hat.Aber der Widerspruch ist doch folgender: Er sagt, manmüsse Mittel für ABM einstellen, wenn Menschen tat-sächlich geholfen werden soll, und ist dann noch nichteinmal in der Lage, sich gegen ein paar Ministerialbüro-kraten durchzusetzen, wenn es um einen kümmerlichenHaushaltsvermerk geht.
– Das ist richtig.Ich meine die diesen Einzelplan betreffende Fortfüh-rung zweier Arbeitsfördergesellschaften der Wismut,die nicht nur den Abbau der Arbeitsplätze von mehr als20 000 Wismut-Kumpeln sozial flankiert haben, sonderndurch die Schaffung von bisher rund 7 000 Arbeitsplät-zen für Langzeitarbeitslose und sozial Benachteiligte aufRolf Kutzmutz
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dem zweiten Arbeitsmarkt zur hohen Akzeptanz derWismut-Sanierung in Ostthüringen und Westsachsenbeigetragen haben. Neben den bereits laufenden Maß-nahmen für mehr als 1 000 Menschen haben die beidenGesellschaften für die kommenden Jahre mittlerweile 33zusätzliche Maßnahmen in 25 Städten und Gemeindenvereinbaren können, mit denen weitere 542 Frauen undMänner in Lohn und Brot gebracht werden können.Statt dessen soll stur daran festgehalten werden, daßdie Gesellschaften Ende August ihre Tätigkeit beenden.Dabei würde die Geschäftsführung der Wismut die zurFortführung nötigen weniger als 2,5 Millionen DM ausihrem bestehenden Etat bezahlen. Das braucht nieman-den zu wundern: Schließlich stehen die 28 Leute, die dasbetrifft, ohnehin auf der Gehaltsliste der Wismut. Nur,im Falle der Verweigerung gibt es eben die Gesell-schaften nicht mehr.Jeder, der die Freigabe dieser Mittel nachher in na-mentlicher Abstimmung ablehnt, sollte sich daher darüberim klaren sein: Wenn überhaupt, dann spart der Bund andieser Stelle höchstens 400 000 DM. Er bringt aber exakt1 547 Menschen und ihre Familien um mindestens einJahr Perspektive – und die öffentlichen Hände um Steuernund Sozialabgaben. Herr Buwitt ist vehement für dieWismut eingetreten. Ich bin sehr gespannt auf das Ver-halten bei der Abstimmung über diesen Antrag.
Lassen Sie uns eine Absurdität des Haushaltsrechtes be-seitigen! Wann haben wir, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, schon einmal Gelegenheit, Gutes zu tun, ohne daßes einen Pfennig kostet?Danke schön.
Ich erteile das Wortdem Bundesminister für Wirtschaft, dem Kollegen Wer-ner Müller.
Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaftund Technologie: Herr Präsident! Meine Damen undHerren! Seit meinem Amtsantritt habe ich bei etlichenVeranstaltungen, Podiumsdiskussionen und ähnlichemmitgemacht, bei denen auch Vertreter der Oppositions-parteien beteiligt waren.
Jedesmal erstaunt mich aufs neue, was ich da von Politi-kern der CDU/CSU und F.D.P. so höre. Sie halten mirvor, daß der Bundeshaushalt defizitär ist, der Sozialstaatzu teuer, die Steuer- und Abgabenlast zu hoch, die Lei-stungsbereitschaft zu gering, die Arbeitslosigkeit zuhoch usw. Jedesmal frage ich mich und dann natürlichauch die Zuhörer: Kommt dieser oppositionelle Kollegefrisch eingeschwebt von einem anderen Stern?
War er nicht gerade noch 16 Jahre lang hier in der Re-gierung tätig?
– Moment! – Aber sehen wir es doch einmal mensch-lich: In der Opposition sieht man besser und beschreibtklarer, welch beklagenswerten wirtschafts- und finanz-politischen Zustand man vererbt hat.
Das Erbe, das die neue Bundesregierung zu über-nehmen hatte, ist zusammenfassend durch vier Punktegekennzeichnet. Erstens: Der Staat hat zu viele Ausga-ben. Zweitens: Der Staat lebt immer mehr auf Kostender Zukunft. Drittens: Alle Teile der Gesellschaft habenzu hohe Ansprüche an den Staat. Viertens und vor al-lem: An den Punkten eins bis drei etwas zu ändern istnicht nur unbequem, sondern erfordert große politischeKraft, Überzeugung und Führung.
Ihre jahrelange Kapitulation vor diesem vierten Punktgeschah also aus Bequemlichkeit. Aber mit Bequem-lichkeit gewinnt man keine Zukunft.
Ein Beispiel: Vorgestern hat Herr Merz kritisiert, daßich die Wirtschaft um Mitarbeit beim Subventionsab-bau gebeten habe. Er sagte sinngemäß, daß ein Subven-tionsabbau notwendig sei, daß dies aber politische Vor-gaben und politische Führung erfordere.
Absolut richtig, volle Zustimmung! Dann ist natürlichklar, warum es jahrelang keinen Subventionsabbau ge-geben hat.
Ich will noch einen Gedanken von Herrn Merz ausdieser Rede aufgreifen, der über seine Bemerkung vomSubventionsabbau weit hinausgeht. Herr Merz forderteeine grundsätzliche Kurskorrektur in der Wirtschafts-und Finanzpolitik. Wieder sage ich: Absolut richtig,volle Zustimmung!
Nun sprach Herr Merz allerdings vor Herrn Eichel; erkonnte seine Rede also noch nicht kennen. Aber geradeeingedenk seiner Forderung zur Kurskorrektur, der ich,wie gesagt, voll zustimme, stimmt Herr Merz vielleichtauch mir zu, wenn ich sage: Mit allem Respekt vorHerrn Waigel – die erste Rede von Bundesfinanzmi-nister Eichel war meines Erachtens die beste und sach-Rolf Kutzmutz
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verständigste Rede eines Bundesfinanzministers in denletzten Jahren hier im Bundestag.
Er hat nämlich erstmals die grundsätzliche Kurskorrek-tur in der Finanzpolitik genau beschrieben und zu seinerAufgabe erklärt.
Herr Eichel hat ebenso ehrlich wie nüchtern und er-nüchternd die Lage der Staatsfinanzen beschrieben. Dasversetzt Sie noch jetzt in Unruhe, wie man merkt.
Er hat klar gesagt, daß diese Kurskorrektur ein harterWeg sein wird, zum Beispiel weil alle Ausgaben desStaates auf den Prüfstand kommen. Dann wird sich zei-gen, was die neue Bundesregierung in den letzten Mo-naten öfter erfahren mußte: Die größte Schwierigkeitliegt darin, daß wir die Bürgerinnen und Bürger von derTatsache überzeugen müssen, daß Reformen nicht nurnotwendig, sondern oft auch unbequem sind.
Es gehört leider auch zum schlechten Erbe, daß vielezwar eine Reformnotwendigkeit sehen, aber ein beque-mes „Weiter so!“ wünschen. Das sieht man zum Bei-spiel an der Diskussion über Scheinselbständigkeit und630-Mark-Jobs. Es kann doch wohl keinen Streit dar-über geben, daß sich in diesen beiden Bereichen überJahre hinweg viel Mißbrauch auf dem Arbeitsmarkt zuLasten der sozialen Sicherheit entwickelt hat.
Die alte Regierung hat das des öfteren klar erkannt undhat auch Lösungen erörtert, diesen Mißbrauch zu been-den. Regelmäßig aber hat sie sich entschieden, lieberden Mißbrauch weiterwachsen zu lassen, weil das be-quemer war, als Politik zu machen.
Bemerkenswerterweise fordert die Opposition jetzt, daßausgerechnet die sozialdemokratisch geführte Bundesre-gierung den Mißbrauch des Faktors Arbeit noch weiterwachsen lassen soll. Aber Sie erwarten doch nicht ernst-haft, daß wir uns Ihrer jahrelangen bequemen und un-politischen Konzeptionslosigkeit anpassen!
An die Adresse der Wirtschaft bemerke ich ange-sichts ihrer Kritik an diesen beiden Neuregelungen: Mirfehlt bei der Kritik der Wirtschaft ein bißchen Selbstkri-tik als Basis.
Denn den wachsenden Mißbrauch hat nicht zuerst diePolitik zu verantworten, sondern die Wirtschaft.
Gleichwohl – so ist es verabredet und eingeleitet – wirddie Kritik der Wirtschaft sorgfältig und zügig, auch vonneutralem Sachverstand, auf Richtigkeit geprüft und dasPrüfergebnis umgesetzt.Nachdem ich in meiner letzten Rede hier im Bundes-tag eine deutliche Kritik am Verhalten etlicher Vertreterder Wirtschaft gegenüber der Bundesregierung äußernmußte, will ich heute feststellen, daß das öffentliche undinterne Miteinanderumgehen von Wirtschaft und Bun-desregierung wesentlich konstruktiver und kooperativergeworden ist.
Ich will das dankbar vermerken und hinzufügen, daß dieBundesregierung alles daransetzen wird, diese Art desUmgangs zu erhalten. Vor allem habe ich aus vielen Ge-sprächen mit der Wirtschaft den Eindruck gewonnen,daß die Wirtschaft eine glaubwürdige, zielgerichtete undkonsistente Reformpolitik auch dann konstruktiv mit-trägt, wenn sie unbequem ist. Und das wird sie sein;denn die harte Tatsache, daß nicht mehr allesWünschbare auch machbar ist, gilt selbstredend auch fürdie Wirtschaft.
So bin ich zum Beispiel mit dem Ergebnis der vonmir angestoßenen Diskussion über den Subventionsab-bau sehr zufrieden. Denn insgesamt hat sich ergeben:a) Die Notwendigkeit an sich ist breit einsichtig ge-worden, erstens aus Gründen der unverzichtbaren Not-wendigkeit der Senkung der Staatsausgaben, aber zwei-tens auch, da Subventionen den Wettbewerb verzerren,meistens zu Lasten von Handwerk und Mittelstand.b) Die Wirtschaft hat der Öffentlichkeit deutlich ge-macht, daß Subventionsabbau vor allem und zuerstSache der Politik ist, bei der sie nicht hineinreden, son-dern statt dessen und folgerichtig das Ergebnis der poli-tischen Entscheidung akzeptieren will. Dafür bin ich derWirtschaft dankbar.c) Die Wirtschaft hat vor allem gebeten, möglichstbald verläßliche Rahmendaten zu den wichtigen finanz-und wirtschaftspolitischen Bereichen zu nennen.Das ist zugesagt worden. Vor der Sommerpause wirddie Bundesregierung ein verbindliches Paket zu Eckda-ten vorlegen: erstens zur Unternehmensteuerreform,Bundesminister Dr. Werner Müller
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zweitens zur Verwirklichung des Familienurteils, drit-tens zur weiteren Gestaltung der Ökosteuer,
viertens zur Höhe der Senkung von Staatsausgaben undSubventionen. Mir persönlich wäre lieb, es käme nochein fünfter Punkt hinzu, nämlich zur Umschichtung vondirekten auf indirekte Steuern.
Unser Ziel ist, auch angesichts der dramatischen Kas-senlage, Rahmendaten für die Wirtschaft zu setzen, diedieses Land zu einem der attraktivsten Standorte fürUnternehmen und Investitionen des In- und Auslandesmachen.
Wir wollen der Skepsis und dem Attentismus in derWirtschaft den Boden entziehen.
Wir wollen eine Politik für und mit der Wirtschaft ma-chen und nicht gegen sie.
Diesem Ziel dient auch der Haushalt des Bundesmi-nisteriums für Wirtschaft und Technologie. Sein Volu-men ist im korrekten Vorjahresvergleich um 0,8 Milliar-den DM geringer, was äußerlich nicht sofort auffällt, daTitel des Forschungsministeriums in den BMWi-Haus-halt verlagert wurden. Lassen Sie mich an dieser Stelledem Haushaltsausschuß und seinen Berichterstattern– Frau Professor Luft, Frau Hermenau, Herrn Hampel,Herrn Buwitt und Herrn Dr. Hoyer – für die konstruk-tive Arbeit herzlich danken.
Im BMWi-Haushalt werden – trotz Einsparungen –klare Prioritäten, wie Aufbau Ost, und neue Akzente,namentlich in der Forschungsförderung und Energie-politik, gesetzt.Stichwort „Forschungsförderung“. Wir wollen vorallem ein Signal für die Stärkung der Innovationskraftdes Mittelstandes setzen. Deshalb haben wir die Tech-nologie- und Innovationsförderung für kleine und mittle-re Unternehmen um 70 Millionen DM auf 830 MillionenDM aufgestockt. Bei der angewandten Forschung imMittelstandsbereich werden künftig wettbewerblicheVergabeverfahren eine größere Rolle spielen. Damitwerden wir der Kreativität zusätzliche Impulse gebenund die Kosten-Nutzen-Relation der unterstützten Pro-jekte spürbar verbessern.Die Luftfahrtforschung stärkt die Wettbewerbsfähig-keit der deutschen Luftfahrt- und Ausrüstungsindustrie.Sie festigt Standorte und Arbeitsplätze im Einigungs-prozeß der europäischen Luftfahrtunternehmen, aberauch im globalen Wettbewerb. Deshalb bleibt es bei be-grenzten Bundeshilfen. Ich erwarte hingegen ein stärke-res Engagement der Industrie und auch der Bundeslän-der.
Stichwort: „Energie“. Die Förderung erneuerbarerEnergien wird deutlich ausgebaut. Das 100 000-Dächer-Programm zur Förderung der Solarenergie umfaßt übereinen Zeitraum von sechs Jahren ein Fördervolumen von1,1 Milliarden DM, mit dem bei voller AusschöpfungInvestitionen von 2,5 Milliarden DM angestoßen wer-den. Das Markteinführungsprogramm für erneuerbareEnergien ist jetzt mit 200 Millionen DM dotiert. Aberdamit kein Mißverständnis aufkommt: Langfristig stre-ben wir auch im Bereich der erneuerbaren Energiensubventionsfreie Versorgungsstrukturen an.Bevor ich zum Stichwort „Aufbau Ost“ komme, willich betonen, daß zu den Positionen, die in meinemHaushalt erhöht wurden, die Förderung des Tourismusgehört. Daß man für die Tourismusförderung bei allenFraktionen relativ heftig kämpfen muß, verstehe ich,ehrlich gesagt, nicht ganz. Denn für mich ist das einenationale Aufgabe mit wirklich großen Chancen in Ostund West.
Die ostdeutsche Industrie hat sich in den letzten Jahrenbeachtlich entwickelt. Der starke Einbruch der Baubran-che hat das etwas verdeckt. In diesem Jahr dürfte dasWachstum in Ostdeutschland wieder etwas höher ausfal-len als in Westdeutschland. Bei der Gemeinschaftsaufga-be Ost bewegt sich das Bewilligungsvolumen für 1999zusammen mit Länder- und EU-Mitteln auf dem weiter-hin hohen Niveau von rund 6 Milliarden DM.
Herr Minister, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Burg-
bacher, F.D.P.?
Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Gerne.
Herr Minister, Sie ha-ben gerade über die Tourismusförderung gesprochen.Ich halte mich gerne an die Devise: An ihren Taten solltihr sie erkennen. Sie haben auf der ITB öffentlichkeits-wirksam erklärt, sich für einen reduzierten Mehrwert-steuersatz in der Hotellerie einsetzen zu wollen. Ich fra-ge Sie: Liegt dazu schon eine Kabinettsvorlage vor,bzw. wie ist hier der Stand? Ein solcher Mehrwert-steuersatz wäre für die Branche äußerst interessant.
Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaftund Technologie: So wie ich im letzten halben Jahr dieBundesminister Dr. Werner Müller
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Regierungsgeschäfte kennengelernt habe, kann ich eineKabinettsvorlage erst dann machen, wenn ich mit demFinanzminister einig bin. Ich habe entsprechende Ge-spräche geführt und werde dies weiter tun. Es gibt dazugelegentlich Anfragen hier im Parlament. Ich denke, dieentsprechenden Antworten haben Sie gelesen. Damitsind Sie über den Stand der Dinge informiert.
Kollege Burgbacher
möchte noch einmal nachfragen.
Herr Minister, ich will
es konkret wissen: Halten Sie sich an die vor Tausenden
von Menschen gegebene Zusage, diesen reduzierten
Mehrwertsteuersatz herbeizuführen?
Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Ich habe gesagt, daß ich mich dafür
einsetzen werde, daß es so kommt. Das tue ich bisher.
Ich will hinzufügen: Wenn Sie die gelegentlichen dies-
bezüglichen Anfragen und Antworten darauf lesen, kön-
nen Sie erkennen, daß sich die entsprechenden Texte
von einer zunächst völligen Ablehnung dieses Gedan-
kens hin zu etwas weicheren Formulierungen entwickelt
haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum
Schluß kommen.
Insgesamt folgt der diesjährige Haushalt des BMWi der
Leitlinie: sparen und dennoch Perspektiven für die Zu-
kunft schaffen. Übersetzt in die gesamtwirtschaftliche
Problematik heißt das: Rückführung der Staatsquote und
Konzentration des Staates auf seine Kernaufgaben. Ich
bin zuversichtlich, daß wir mit dieser Politik zur wohl-
verstandenen sozialen Marktwirtschaft zurückfinden
werden.
Noch einmal zu den oppositionellen Beobachtern von
einem anderen Stern: Bald werden Sie sehen und sagen:
Donnerwetter, die regieren ja; die packen an. Die schaf-
fen das, was wir jahrelang nicht geschafft haben.
Lassen Sie mich dann noch ein Wort – fast hätte ich
gesagt: in persönlicher Sache – sagen. Einige Referate
der Grundsatzabteilung, die vormals zu meinem Mi-
nisterium gehörten, sind derzeit im Finanzministerium.
Das hindert mich aber nicht daran, wirtschaftspolitische
Grundsätze zu vertreten, und ich freue mich, daß die
Opposition auch heute wieder festgestellt hat, daß ich
das kräftig tue, und daß sie meine Reden gerne nachliest
und daraus zitiert. Herzlichen Dank.
Aber – jetzt frage ich einmal – was soll denn das dau-
ernde Genörgele daran, daß sie nun unbedingt sofort
wieder in das Wirtschaftsministerium zurück müßten?
Darf ich Sie einmal daran erinnern, daß Sie jahrelang
diese Grundsatzabteilung gehabt haben?
Bevor ich dem näch-
sten Redner das Wort erteile, will ich mitteilen, daß sich
die Fraktionen darauf geeinigt haben, morgen die Ple-
narsitzung bereits um 8 Uhr mit einer Debatte zum
Thema Kosovo-Einsatz zu beginnen.
Nun erteile ich dem Kollegen Gunnar Uldall, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Heute ziehen wir die erste Halbjah-resbilanz einer rotgrünen Wirtschaftspolitik. Ich habeversucht, irgend etwas Positives zu finden, was man aufdie Aktivseite dieser Bilanz hätte buchen können. Ichhabe nichts gefunden – nichts, mit dem die Bedingungenfür die Investoren, die Existenzgründer, den Mittelstandoder den Arbeitsmarkt verbessert worden wären.
Andererseits gibt es vieles, was man auf die Passivseitedieser Bilanz buchen müßte, nämlich Investitionszu-rückhaltung bei den Unternehmern, Demotivation beiden Arbeitnehmern. Die erste wirtschaftspolitische Bi-lanz dieser Regierung ist im doppelten Sinne des Wortestiefrot.
Noch plastischer formuliert es der „Stern“, der ja nichtgerade als ein Förderer der CDU/CSU-Fraktion bekanntist. Er schreibt heute, in seiner jüngsten Ausgabe: ImSaldo negativ. – Herr Minister, diesem Urteil schließeich mich voll und ganz an.Sie haben eben in Ihrer Rede das Wort von MinisterEichel aufgegriffen: Sparen, sparen, sparen. Ich fragemich, warum sparen Sie denn nicht?
Jetzt sind doch die Haushaltsberatungen; jetzt müßtendie entsprechenden Weichen gestellt werden. Der Haus-halt steigt dieses Jahr um 6,2 Prozent – in solchem Maßesind die Haushalte unter unserer Regierung in den letz-ten Jahren nicht gestiegen. Warum verschieben Sie dasSparen auf das Jahr 2000? Schon 1999 kann man mitdem Sparen anfangen, wenn es so wichtig ist. Herr Mi-nister Eichel, Herr Minister Müller, Sie sind dafür ver-Bundesminister Dr. Werner Müller
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antwortlich, daß wir gesunde Finanzen haben, und ver-schieben Sie das nicht auf die Zukunft.
Sie haben von der alten Regierung eine sehr guteVorlage bekommen. Im vergangenen Jahr gab es eineWachstumsrate von 2,8 Prozent; es war eine solide, sichnachhaltig entwickelnde Volkswirtschaft. Allgemeinwurde sogar erwartet, daß auf Grund der Rahmendaten,die wir gesetzt hatten, die wirtschaftliche Entwicklungin den kommenden Jahren sehr viel schneller vor sichgehen würde.Leider ist genau das Gegenteil eingetreten. Die Er-wartungen werden ständig nach unten korrigiert. Wurdevor einem Jahr noch das Wachstum für 1999 auf2,7 Prozent veranschlagt, geht das Frühjahrsgutachtender Forschungsinstitute nur noch von 1,7 Prozent aus,und die Regierung selbst glaubt nur noch an 1,5 ProzentWachstum. Das bedeutet, daß sich innerhalb eines hal-ben Jahres das Wachstum faktisch halbiert hat. EinFremdverschulden daran ist jetzt nicht mehr festzustel-len. Die vorsorglich von SPD und Grünen vorgebrachtenVerteidigungsgründe sind sämtlich nicht haltbar. Washat Lafontaine noch gesagt? Die Zinsen müssen herun-ter, sonst bekommen wir kein Wachstum hin. Die Zin-sen sind so niedrig wie noch nie. Das System der Wech-selkurse muß durch Zielzonen ersetzt werden, hatLafontaine gesagt. Die Wechselkurse sind nicht mehr so,wie sie früher waren; vielmehr wirken sie sich bei unsexportfördernd aus. Die Weltkonjunktur würde lahmenund die deutsche Wirtschaft herunterziehen, wurde hierbehauptet. Wir stellen fest: In Südostasien entwickeltsich die Wirtschaft gut, die amerikanische Konjunkturläuft stabil. – Es gibt kein Fremdverschulden; die Ver-antwortung für diese Misere in unserer wirtschaftlichenEntwicklung liegt allein bei dieser Regierung.
Dabei mag ich dem Bundesminister Dr. Müller, derso manches interessante Interview gibt und so manchegute Rede hält,
die Sachkenntnis nicht absprechen. Ich selbst habe er-lebt, Herr Minister, mit welchem Engagement Sie sichim Ausland für die Belange der deutschen Wirtschafteingesetzt haben. Das erkenne ich ausdrücklich an. Abernach sechs Monaten Arbeits- und Amtszeit müssen Siesich die Frage gefallen lassen: Reicht das? Reicht es,sich verbal in einigen Punkten von der Koalition mitdem leisen Hinweis „parteilos“ abzusetzen? Reicht es,einen guten Eindruck zu hinterlassen? Oder muß nichtgelegentlich auch einmal etwas durchgesetzt werden,Herr Minister?
Schauen wir uns einmal an, was Sie durchsetzenwollten und was Sie tatsächlich durchgesetzt haben:
Im Dezember kam der Vorschlag, der Strom solle – zu-sätzlich zur Ökosteuer – mit einem Zukunftspfennigbelastet werden. Dieser Vorschlag ist verschwunden –ich füge hinzu: Gott sei Dank.Bei der Diskussion um das sogenannte Steuerentla-stungsgesetz forderten Sie regelmäßig: „Wir müssenNachbesserungen zugunsten der Wirtschaft vorneh-men.“
Nachbesserungen gab es in so marginalem Umfange,daß man sagen kann: Es wurde nichts erreicht.Beim Thema Scheinselbständigkeit haben Sie – alsMinister zuständig für Existenzgründer – noch am18. April 1999 dafür plädiert, „die verständliche Scheuvor einer schnellen Korrektur“ abzulegen. Gegen denArbeitsminister konnten Sie sich aber nicht durchsetzen.Herausgekommen ist in dieser Frage nichts. Nein, ichkorrigiere mich: Herausgekommen ist die Gründungeines Arbeitskreises.
Bei dem Versuch, die Grundsatzabteilung in dasWirtschaftsministerium zurückzuholen, hatten Sie,Herr Minister Müller, alle guten Argumente auf IhrerSeite.
Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik müssen von denTagesfragen der Budgetpolitik getrennt werden. Auchwir haben Sie bei dieser Frage im Ausschuß unterstützt.Erreicht wurde aber nichts. Es bleibt alles beim alten.Herr Minister, ich sage Ihnen: Parteilos muß nicht be-deuten: einflußlos! Setzen Sie sich im Kabinett stärkerdurch!
Selbst bei einem zentralen Vorhaben der Regierung,nämlich beim Ausstieg aus der Kernenergie, bei demSie auf Grund Ihrer persönlichen Erfahrung am ehestenErfolge hätten einfahren können, kann man keine klareLinie, sondern nur ein Durcheinander erkennen. DasThema ist Ihnen inzwischen völlig entglitten. Nicht überdie Sicherheit der Kerntechnologie wird gestritten, nichtüber die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeitunserer Volkswirtschaft wird gerungen, nicht über dieArbeitsplätze wird gesprochen – nein, es streiten sichSteuerberater und Wirtschaftsprüfer über die schlichteFrage, welche Methodik bei der Auflösung von Rück-stellungen anzuwenden ist. Das ist das Ergebnis diesesgroßen Werkes, das Sie, Herr Minister, in Gang setzenwollten. Sie wollten den Ausstieg unumkehrbar machen.Ein neues technisches Zeitalter sollte anbrechen. Bisheute ist aber von einem energiepolitischen Gesamtkon-zept nichts zu sehen.
Gunnar Uldall
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3220 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Doch jetzt gründen Sie einen Arbeitskreis, der einJahr lang einen Gedankenaustausch über dieses Themapflegen soll – gemäß der Devise: Wenn ich nicht mehrweiter weiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis. Gerade aufdiesem Gebiet hätten Sie, wenn Sie gewollt hätten, dieEntscheidungen vorantreiben können. Um keinen Zwei-fel aufkommen zu lassen: Ich halte den Ausstieg aus derKernenergie nicht für eine kluge Entscheidung zugun-sten unserer Volkswirtschaft und des Arbeitsmarktes.Aber Unklarheit ist das Schlimmste für einen wirt-schaftspolitischen Standort. Hier müssen Sie schnell fürKlarheit sorgen.
Die Medien berichteten kürzlich, BundeskanzlerSchröder habe gegenüber Betriebsräten von Kernkraft-werken erklärt, die betriebswirtschaftliche Laufzeit solledafür bestimmend sein, wann ein Kernkraftwerk abge-schaltet würde. Gestern und heute berichten mehrereZeitungen, daß Sie, Herr Minister Müller, ebenfallsLaufzeiten von über 20 oder 30 Jahren anstreben.Wenn man diesen Weg geht, wenn man sagt „Wirwollen die Kraftwerke so lange laufen lassen, wie esbetriebswirtschaftlich sinnvoll ist“, dann braucht mandas nicht gesetzlich zu regeln, denn kein Vorstand wür-de eine Anlage, ein Kernkraftwerk länger laufen lassen,als es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Das heißt, hierwird durch Gesetz festgeschrieben, was ohnehin eintre-ten würde. Deswegen sage ich: Verzichten Sie auf einsolches Gesetz! Es würde inhaltlich nichts anderes errei-chen als das, was sowieso passiert.
Aber wir würden damit unsere Volkswirtschaft festle-gen, unsere Flexibilität, unsere Entscheidungsmöglich-keiten einschränken und die Handlungsmöglichkeitender unternehmerischen Vorstände einengen. Deswegen:Lassen Sie dieses Vorhaben fallen, Herr Minister!
Betrachte ich diese magere Bilanz, dann verstehe ichgut, warum Sie, Herr Minister Müller, versucht haben,Teile Ihrer Zuständigkeit auf andere zu übertragen. DasThema Subventionsabbau sollten nun – so wollten Siees – die Spitzenverbände der Wirtschaft bearbeiten.Auch auf diesem Wege sind Sie steckengeblieben. Ichhabe heute in der „Berliner Zeitung“ gelesen, daß Sieerkannt haben, daß dies nicht der richtige Weg ist unddaß Sie hier nicht vorankommen können.Verantwortlich für die Ergebnisse wie auch für dieNicht-Ergebnisse bleiben allein die Regierung und derzuständige Minister. Wir werden es Ihnen nicht durch-gehen lassen, wenn Sie demnächst erklären: Tut mirleid, die Verbände halten nichts vom Subventionsabbau.Sie haben nichts vorgeschlagen. Nun können wir keineUnternehmensteuerreform machen. – Das werden wirIhnen nicht durchgehen lassen, Herr Minister. Sie sindaufgefordert zu handeln.
Wir erwarten von Ihnen, Herr Minister Müller, daßSie die Belange der Wirtschaftspolitik im Kabinett vonnun an energischer und nachdrücklicher durchsetzen.Denn sonst würde bestätigt, was der „Spiegel“ in seinerjüngsten Ausgabe so formulierte:Müllers Ideen langen oft nur für die Schlagzeilender Tageszeitung – und dann ab ins Altpapier.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Das Wort hat
jetzt der Kollege Bury.
Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Moderne Wirtschaftspolitikmuß die Weichen für Wachstum und Beschäftigungstellen, indem sie drei zentrale Herausforderungen an-nimmt. Wir brauchen eine deutliche Reduzierung derSteuer- und Abgabenbelastung. Wir müssen die sozialenSicherungssysteme reformieren und eine neue Balancevon Eigenverantwortung und sozialer Sicherheit schaf-fen. Wir starten eine Innovationsoffensive, um in denMärkten der Technologien und Produkte der Zukunfteine führende Rolle einzunehmen.Meine sehr geehrten Damen und Herren, der KollegeUldall hat sich hier als Bilanzbuchhalter betätigt. Ichnehme Ihr Bild, Herr Uldall, einmal auf. Die Schluß-bilanz der Vorgängerregierung, unsere Eröffnungs-bilanz, war in der Tat nicht gut.
Schlag auf Schlag bestätigen höchstrichterliche Ent-scheidungen, daß CDU/CSU und F.D.P. selbst diesemagere Schlußbilanz nur mit „Windowdressing“ zustan-de gebracht haben.
Ob Verfassungsgericht oder Bundesfinanzhof – dieRichter bestätigen, was die Wählerinnen und Wähler am27. September letzten Jahres schon wußten: Die steuer-politische Flickschusterei muß aufhören.
Wir werden ein Gesamtkonzept vorlegen, das einedeutliche Senkung der Steuersätze mit einer Verbreite-rung der Bemessungsgrundlage verbindet und so auchzu einer Vereinfachung des Steuerrechts führt. Zu einemschlüssigen Gesamtkonzept gehören neben der Unter-nehmensteuerreform die Verbesserung des Familien-leistungsausgleichs und die Neuregelung der Kapital-ertragsbesteuerung. Die alte Regierung hat hier miteiner ungeheuer bürokratischen Regelung hohe Kapital-Gunnar Uldall
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abflüsse ins Ausland initiiert und damit weder das Zielder Steuergerechtigkeit erreicht noch die erwartetenEinnahmen erzielt.
Ich schlage vor, mit einer Abgeltungssteuer nachösterreichischem Vorbild das bürokratische Ungetümder Zinsabschlagsteuer zu ersetzen.
Wir würden damit nicht nur einen entscheidenden An-reiz für Kapitalrückflüsse nach Deutschland und damitzur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland setzen;
– Herr Michelbach, die Erfahrungen zeigen auch, daßeine Abgeltungssteuer positive Haushaltseffekte hat.Insgesamt gilt für die notwendigen Reformen desSteuersystems: Neben der Vereinfachung muß das Er-gebnis der Steuerreform eine spürbare Nettoentlastungfür Bürger und Wirtschaft sein. Das ist psychologischund ökonomisch gleichermaßen wichtig, schafft Lei-stungsanreize und trägt zur Überwindung des bestehen-den Investitionsattentismus bei.
Mit der notwendigen Reform der sozialen Siche-rungssysteme, die wir anpacken, müssen wir das Ver-trauen wiedergewinnen, das Sie, meine Damen und Her-ren von der Opposition, in Ihrer Regierungszeit syste-matisch verspielt haben.
Bei aller zum Teil durchaus berechtigten Kritik anden Umsetzungs- und Anpassungsschwierigkeiten in derFolge der Neuregelung der geringfügigen Beschäfti-gungsverhältnisse und der Scheinselbständigkeit wür-de ich an Ihrer Stelle den Mund nicht allzu voll nehmen.Sie haben wider besseres Wissen durch jahreslangesNichtstun erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zu La-sten kleiner und mittlerer Unternehmer, Handwerker undMittelständler zu vertreten.Es waren ja nicht die Handwerksmeister, die ihre Ge-sellen als Scheinselbständige outsourcten.
Es waren gerade die kleinen Einzelhändler, die unterder mißbräuchlichen Umwandlung regulärer Beschäfti-gungsverhältnisse in geringfügige Beschäftigungsver-hältnisse durch große Filialisten zu leiden hatten. DieseForm von Sozialdumping abzustellen war richtig undnotwendig.
Die Schwierigkeiten in der Umsetzung, die ich nichtbestreite, liegen zum Teil an fehlenden Übergangsfristenund damit Anpassungsmöglichkeiten. Sie liegen auch ander unsäglich bürokratischen Umsetzung, die wir kurz-fristig verbessern müssen und verbessern werden. Fallssich bestätigen sollte, daß Existenzgründer oder ganzeBranchen durch die Regelungen zur Scheinselbständig-keit bzw. zu den geringfügigen Beschäftigungsverhält-nissen in anders nicht lösbare Schwierigkeiten geraten,werden wir das Notwendige tun, um die Probleme zulösen.
– Wer viel macht, macht möglicherweise auch einmaleinen Fehler.
Das rechtfertigt aber nicht, das jahrelange Nichtstun derjetzigen Opposition fortzusetzen.
Auf Dauer werden wir die Erosion der sozialenSicherungssysteme nur stoppen, wenn diese wieder sosolide, solidarisch und attraktiv werden, daß weder Ar-beitgeber noch Arbeitnehmer ein Interesse daran haben,sich daraus zu verabschieden. Mit der großen Rentenre-form werden wir dafür sorgen, daß der berüchtigte Satz„Die Rente ist sicher“ nicht mehr zum Standardreper-toire der Kabarettisten, sondern zur Gewißheit der Bür-gerinnen und Bürger wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Innovations-offensive gehört nicht nur die Förderung neuer Techno-logien, Produkte und Verfahren. Hierfür haben wir imBundeshaushalt 1999 die entsprechenden Incentives ge-setzt, so beispielsweise mit dem 100 000-Dächer-Solar-programm, mit der Förderung von Energieeffizienz undregenerativen Energien, mit den Innovationshilfen fürmittelständische Unternehmen im Rahmen der For-schungskooperationen, mit der industriellen Gemein-schaftsforschung und den Forschungshilfen für Ost-deutschland.Es geht aber um mehr. Es geht nicht zuletzt umeine Modernisierung des Staates selbst, um eine Re-duzierung der Staatsquote. Mehr Effizienz und guteIdeen sind besser als das konzeptionslose Aufstockenvon Haushaltstiteln. Wenn wir uns die Anträge derOpposition zum Einzelplan 09 anschauen, wird deut-lich, daß Sie immer noch in der Mentalität derScheckbuchpolitik verharren. Mit zusätzlichen Sub-ventionen hier und Mehrausgaben da versuchen Sie,Partikularinteressen zu befriedigen und Lobbyistenfür sich einzunehmen.Herr Uldall hat Sparen, Sparen, Sparen gefordert.Herr Uldall, hätten Sie sich doch Ihre Rede und die Er-Hans Martin Bury
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3222 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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höhungsanträge zum Haushalt, die Sie heute eingebrachthaben, gespart!
Diese Form der Gefälligkeitspolitik ist zu Ende; denn esist wichtiger, Steuern und Abgaben zu senken und denam Wirtschaftsleben Beteiligten mehr Freiraum zu ge-ben, als permanent Ausgaben zu erhöhen, die am Endealle über höhere Steuern und Abgaben oder eine wach-sende Staatsverschuldung zu tragen haben.
Wenn zum Beispiel, um nur einen Ihrer scheinheili-gen Erhöhungsanträge herauszugreifen, die Mittel fürdas Meister-BAföG in den letzten Jahren nur zur Hälfteausgeschöpft worden sind, kann es doch nicht darumgehen, diese Mittel zu erhöhen, sondern darum, dasMeister-BAföG effizient neu zu gestalten.
– Herr Buwitt, in den vergangenen Jahren sind sie nurzur Hälfte ausgeschöpft worden. Jetzt einfach zu sagen„Ich lege noch einmal etwas drauf, ich stelle zusätzlicheMittel in den Haushalt ein“ ist – um es mit äußersterHöflichkeit zu formulieren – keine sonderlich intelli-gente Politik.
– Sie wissen, daß die Betroffenen einen Rechtsanspruchhaben und alle ihre Mittel bekommen.Wir wollen die der Aufstiegsfortbildung intelligentweiterentwickeln. Dazu gibt es eine Reihe von Ansatz-punkten. Dazu gehört zum Beispiel die Überlegung, dieniedrigen Freibeträge bei der Anrechnung des Einkom-mens und des angesparten Vermögens zu erhöhen. Dennes ist widersinnig, einerseits zu fördern, daß sich dieLeute qualifizieren, um sich selbständig zu machen, undandererseits die Förderung zu schmälern, wenn dieLeute parallel Vermögen bilden, um auch die materielleBasis für die Existenzgründung zu haben. Das ist wider-sinnige Politik. Solche Probleme löst man nicht durchAufstockung der Mittel, sondern durch eine Umstruktu-rierung der Förderung und durch neue, bessere Kriterien.
Im Zusammenhang mit Existenzgründungen könnten,meine ich, auch flexiblere Möglichkeiten zum Erlaß vonDarlehen ins Auge gefaßt werden. Wir sollten meinesErachtens das Meister-BAföG in Zukunft auch bei einerberufsbegleitenden Meisterschulung gewähren und nichtdie in der Meisterausbildung befindlichen Gesellen zurAufgabe ihrer Tätigkeit nötigen.
Notwendig und besonders wichtig: Die Antrags- undBewilligungsverfahren für das Meister-BAföG müssenvereinfacht werden.
Um einen zweiten durchsichtigen Änderungsantragder Unionsfraktion aufzugreifen: Daß wir die Länderund die Industrie stärker am Luftfahrtforschungspro-gramm beteiligen wollen, ist angesichts entsprechenderBeteiligungen in anderen Förderprogrammen – Schiff-bau- und Kohlehilfen – nur logisch. Eine solche Ko-finanzierung derjenigen, die von der Förderung profitie-ren, stärkt die Effizienz solcher Programme. Wer dabeinur Regionalinteressen vertritt, wird seiner bundespoliti-schen Verantwortung nicht gerecht. Ich betrachte miteiner Mischung aus Belustigung und Sorge, wie sich diegroße Volkspartei CDU soeben unfreiwilligerweise ausder Gefangenschaft der F.D.P. befreit hat, um nunschnurstracks in die Gefangenschaft der CSU zu laufen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leiten eine radi-kale Kurskorrektur ein. Wir nehmen Kurs auf die Kon-solidierung der Staatsfinanzen und die Förderung vonInnovations- und Investitionsbereitschaft sowie vonKreativität und Eigeninitiative. Wir überwinden den In-novationsattentismus, der die Wirtschaftspolitik in denvergangenen Jahren geprägt hat.
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Ernst Hinsken.
Frau Präsidentin! Ver-ehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wirtschaftsmi-nister Dr. Müller, ich schätze Sie persönlich sehr,möchte aber gleich eingangs feststellen, daß ich vielesvon dem, was Sie heute ausführten, nicht nachvollziehenkann. Das betrifft insbesondere Ihre Aussage, daßFinanzminister Eichel die beste Rede eines Finanzmi-nisters der letzten Jahre gehalten habe. Sie waren dochin den letzten Jahren überhaupt nicht an den Debatten imParlament beteiligt. Sie können da nur bedingt urteilen.Ich meine, schon die Frage stellen zu müssen, ob dennHerr Stollmann, für den Sie ja eingewechselt wurden,auch so argumentiert hätte, wie Sie das heute getan ha-ben.
Eine zweite Bemerkung. Sie sind von meinem Kolle-gen Burgbacher nach den Mehrwertsteuersätzen gefragtworden, die Sie zu Recht insbesondere im Beherber-gungsgewerbe reduzieren wollen. Von meinem Kolle-gen Uldall wurde schon darauf hingewiesen: Sich dafüreinsetzen ist zu wenig; Sie müssen etwas durchsetzen!
Hans Martin Bury
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Das gilt auch für das, was Herr Bury gesagt hat. Ihr„Wir wollen...! Wir wollen...! Wir wollen...!“ und Ihr„Wir werden...! Wir werden...! Wir werden...!“ hilft unsnicht weiter. Sie müssen sagen, wie Sie es konkret ma-chen wollen.In der Zwischenzeit sind Sie 161 Tage in Regie-rungsverantwortung. Das Ergebnis ist, daß die Situationfür die deutsche Wirtschaft und den Mittelstand immerschlechter wird. Vor den Wahlen haben Sie viel ver-sprochen, haben vor allen Dingen versucht, den Mittel-stand zu ködern. Jetzt können Sie das, was Sie verspro-chen haben, einfach nicht halten. So etwas, meine Da-men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nenntman im Handelsgebrauch Irreführung des Verbrauchers,ja unlauteren Wettbewerb. Dessen möchte ich Sie be-zichtigen.
Ich darf noch darauf verweisen, daß sich momentanin Bonn schon langsam der Begriff „schrödern“ eta-bliert. Was ist darunter zu verstehen? – Frühmorgensvollmundig etwas ankündigen und am Abend das Ganzekleinlaut wieder zurücknehmen. Auch das ist keinePolitik, die zukunftsweisend ausgerichtet ist.Herr Minister Müller, Sie stehen ja auch für die Wirt-schaftspolitik dieser Bundesregierung. Wenn eine Firmaso wirtschaften würde wie diese Bundesregierung, wäresie längst gezwungen, den Offenbarungseid zu leisten.So schlecht ist das, meine Damen und Herren, was Siehier machen.
Und dann gehen Sie noch her und sprechen von„handwerklichen Fehlern“. Meine Damen und Herren,ich fühle mich hier als Handwerksmeister ganz, ganz tiefgekränkt, und ich meine, es ist eine Beleidigung für dasgesamte deutsche Handwerk, so zu reden. Was Sie ma-chen, ist, um im Handwerksjargon zu bleiben, Murksund nichts anderes. Das aber können wir nicht brauchen.
Ich möchte nur drei Dinge nennen: einmal die 630-DM-Regelung, zum zweiten die Scheinselbständigkeit undzum dritten den Etikettenschwindel bei der Ökosteuer.Erstens zu den 630-DM-Beschäftigungsverhält-nissen: Klagen über Klagen von Hoteliers, von Gast-wirten, von Handwerkern, von Zeitungsverlegern, vonSportvereinen usw. usf. Vorgestern hat mich ein Taxi-fahrer vom Bahnhof hierher gefahren. Er hat mich ge-fragt, ob ich Politiker sei. Ich habe das bejaht. Daraufhinhat er freimütig bekannt, daß er am 27. September dieSPD gewählt hat.
– Warten Sie nur ab! – Bis zum Jahresende war er ja zu-frieden, weil er für seine zwei Kinder 60 DM Kinder-geld mehr bekommen hat. Aber dann, so sagte er mir,mußte er feststellen, daß sich auf Grund dieser Neure-gelung durch das 630-DM-Gesetz sein Einkommen um330 DM mindert. Und was sagte er noch? – „Niemalswieder diese SPD! Sie hat mich geködert. Das kommtnicht mehr in Frage!“
Werte Kolleginnen und Kollegen, für uns gilt bei al-ler Gesetzgebung in der Vergangenheit, in der Gegen-wart und in der Zukunft: Wir denken zuerst, und dannwird gehandelt. Bei Ihnen ist es anders.
Ich frage mich, meine Damen und Herren insbesonderevon der SPD: Was für einen Einfluß in Ihrer Partei ha-ben denn Ihre Steigbügelhalter im Bundesrat überhaupt?Ich nenne den Ministerpräsidenten Clement, ich nenneden Ministerpräsidenten Glogowski, die schon, bevor siedafür gestimmt haben, dieses 630-DM-Gesetz laufen zulassen, erklärt haben, es bedarf dringend einer Nachbes-serung. Das ist nicht die Politik aus einem Guß, diedie Bundesrepublik Deutschland braucht, sondern einePolitik, die sich verhängnisvoll auf die Arbeitnehmerund die Schaffung von Arbeitsplätzen auswirkt.
Meine Damen und Herren, Sie von der SPD und denGrünen, aber auch verschiedene Mitglieder der Bundes-regierung beklagen sich immer wieder, daß wir zuwenigSelbständige haben. Ja, es wird geradezu einer neuenSelbständigenkultur gefrönt, man fordert sie. Ich meineauch, es ist als sehr erfreulich zu werten, daß 58 Prozentder Bundesbürger dem Unternehmer eine hohe Bedeu-tung beimessen. Bei den 18- bis 29jährigen liegt dieserSatz bei über 70 Prozent. Frau Kollegin Wolf, ich meineschon, Sie haben recht, wenn Sie hier die Feststellungtreffen, man muß in den jungen Menschen investieren,man muß ihm auch die Möglichkeit geben, sich zu ent-falten. Aber ich frage mich: Wo ist der Anreiz für jungeMenschen, in die Selbständigkeit zu gehen? Wo werdendiejenigen belohnt, die ihr ganzes Hab und Gut einset-zen, um eine eigene Existenz zu schaffen? - Fehlanzeigeauf breiter Ebene! Man wird einfach das Gefühl nichtlos, daß Sie von der SPD und von den Grünen weiterhinfrei nach dem Motto handeln: Wie ersticke ich den Mit-telstand mit Maßnahmen aus der sozialistischen Motten-kiste?
Sie können es nicht lassen, nach wie vor Ihre Umver-teilungsideologie vor die Schaffung von Arbeitsplätzenzu stellen. – Herr Kollege Bury, da können Sie ruhig denKopf schütteln; ich erwarte schon, daß Sie mich hier wi-derlegen, indem Sie deutlich machen, was Ihre Regie-rung und die sie tragenden Fraktionen tatsächlich tunwollen.Wenn ich mit Mittelständlern vor Ort rede und siefrage, was sie am meisten bedrückt, dann sagen sie, daßsich die Leistung nicht mehr lohne, daß die Steuern zuhoch seien, daß die Sozialabgaben zu hoch seien unddaß es zuviel Bürokratie gebe. Sie weisen des weiterenErnst Hinsken
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3224 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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darauf hin, daß sie zu wenig Geld zum Investieren hät-ten, daß es aber zu viele Paragraphen gebe, die siehemmen.
Wenn ich hier einen Vergleich zur letzten Bundesregie-rung Kohl, Waigel und Gerhardt ziehe,
dann muß ich feststellen – diese Feststellung treffe nichtnur ich alleine; das sagen auch viele andere –: Wie gutdie frühere Bundesregierung war, ist erst jetzt ersicht-lich, weil Sie so schlecht sind.
Ihrem selbstgestellten Anspruch auf Modernisierungwerden Sie doch in keiner Weise gerecht. Wir kommendoch der Lösung der Probleme unseres Landes keinenSchritt näher. Bessere statt schlechtere Investitionsbe-dingungen sind für unsere Wirtschaft erforderlich.Letztere brauchen wir nicht!
Unternehmer brauchen Rückenwind statt Gegenwind.Aber den ermöglichen Sie nicht. Mit Ihrer Steuer- undSozialpolitik sind Sie doch zum KonjunkturrisikoNummer eins in der Bundesrepublik Deutschland ge-worden.
Sie handeln schlicht und einfach wie ein Fahranfänger,der mit einem Fuß Gas gibt und mit dem anderenbremst. Das hemmt.
Ich möchte darauf verweisen, daß die rotgrüne Politikleider von uns allen ertragen werden muß und daß vielenicht rotgrün, sondern leider schwarz sehen müssen.Hier hilft es nichts, wenn man dem Mittelstand nachdem Mund redet. Wenn in verschiedenen Zeitungenimmer wieder darauf verwiesen wird, daß der Mittel-stand die Jobmaschine in der Bundesrepublik Deutsch-land sei, dann muß man auch Taten folgen lassen undnicht nur Worte ins Blaue reden, wie wir es heute wiedervon Vertretern der Bundesregierung und der Regie-rungsparteien gehört haben.
Vor einiger Zeit war ich im Urlaub im Schwarzwald.
Dort habe ich auf einer alten Steintafel am Dom zuSt. Blasien gelesen, daß es drei Kategorien von Men-schen gebe, wenn man im Zusammenhang mit Men-schen überhaupt von Kategorien sprechen darf. Zur er-sten Kategorie gehören die wenigen, die dafür sorgen,daß etwas geschieht. Zur zweiten Kategorie gehören dievielen, die zuschauen, wie etwas geschieht. Zur drittenKategorie gehört die überwältigende Mehrheit, die über-haupt nicht weiß, was geschieht.
Für die erste Kategorie steht für mich der Mittelstand inder Bundesrepublik Deutschland mit seinen vielen Lei-stungsträgern, die unsere Nation nach vorne bringensollen und müssen. Für die zweite Kategorie stehen Sie,die Regierung und Ihre Fraktionen, weil Sie nur zu-schauen, was geschieht. Und zum dritten: Wir sind alleaufgefordert, Grundlagen dafür zu schaffen, daß dieWirtschaft wieder richtig läuft, daß sich der Mittelstandentfalten kann und daß er dann die Möglichkeit hat, sichweiterhin als Jobmaschine der Nation zu verstehen.In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Aufmerk-samkeit.
Ich schließedie Aussprache.Wir kommen zunächst zu den Abstimmungen überdie Änderungsanträge.Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion derCDU/CSU auf Drucksache 14/928 abstimmen. DieFraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstim-mung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftfüh-rer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind dieUrnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-stimmung.Ist noch ein Mitglied anwesend, das seine Stimmenicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dannschließe ich jetzt die Abstimmung. Ich bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zubeginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnenspäter bekanntgegeben.Wir setzen die Beratungen mit einer weiteren na-mentlichen Abstimmung fort. Wir kommen zum Ände-rungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache14/929. Es wurde namentliche Abstimmung verlangt.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, dievorgesehenen Plätze einzunehmen.Sind die Urnen wieder besetzt? – Das scheint der Fallzu sein. Ich eröffne damit die Abstimmung.Ist bei dieser zweiten namentlichen Abstimmungnoch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimmkarte nicht abgegeben hat? – Das scheint nicht derFall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung. Ichbitte die Schriftführerinnen und die Schriftführer, mitder Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnenspäter bekanntgegeben.Wir setzen jetzt die Beratungen mit der dritten na-mentlichen Abstimmung fort. Wir kommen zur Ab-stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion derPDS auf Drucksache 14/966. Die Fraktion der PDS ver-langt namentliche Abstimmung. Ich bitte wieder, dieUrnen zu besetzen.Ernst Hinsken
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Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröff-ne die Abstimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das in die-ser dritten namentlichen Abstimmung seine Stimmkartenicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dannschließe ich jetzt diese Abstimmung und bitte darum, mitder Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis auch dieserAbstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben werden.Wir setzen die Abstimmungen fort, aber da wir jetztnicht namentlich abstimmen, sondern mit Handaufhe-ben, bitte ich darum, daß ich etwas mehr Übersicht be-komme. Setzen Sie sich also bitte hin, liebe Kolleginnenund Kollegen.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ände-rungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache14/913. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Stimm-enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-men der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen dieStimmen von CDU/CSU bei Enthaltung der F.D.P. ab-gelehnt worden.Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs-antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache14/925. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Stimm-enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen dergesamten Opposition abgelehnt worden.Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs-antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache14/926. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Stimm-enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen vonCDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden, während sichdie PDS enthalten hat.Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionder CDU/CSU auf Drucksache 14/930. Wer stimmt da-für? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-nen gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. beiEnthaltung der PDS abgelehnt.Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionder CDU/CSU auf Drucksache 14/931. Wer stimmt da-für? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-nen und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSUund F.D.P. abgelehnt.Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionder CDU/CSU auf Drucksache 14/948. Wer stimmt da-für? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-nen gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. beiEnthaltung der PDS abgelehnt.Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionder F.D.P. auf Drucksache 14/918. Wer stimmt dafür?– Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsan-trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegendie Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionder PDS auf Drucksache 14/967. Wer stimmt dafür?– Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsan-trag ist mit den Stimmen des ganzen Hauses mit Aus-nahme der PDS, die dafür gestimmt hat, abgelehnt.Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichenAbstimmungen unterbreche ich die Sitzung.
Die unterbro-chene Sitzung ist wieder eröffnet.Ich gebe Ihnen die von den Schriftführerinnen undSchriftführern ermittelten Ergebnisse der namentli-chen Abstimmungen bekannt:Ergebnis der namentlichen Abstimmung über denÄnderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zwei-ten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes, Ein-zelplan 09, Drucksache 14/928. Abgegebene Stimmen619. Mit Ja haben gestimmt 293, mit Nein haben ge-stimmt 326. Der Änderungsantrag ist damit abgelehntworden.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 617;davon:ja: 291nein: 326JaCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserDr. Norbert BlümDr. Maria BöhmerSylvia BonitzWolfgang Börnsen
Dr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepePaul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward BuwittCajus CaesarManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Leo DautzenbergHubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke EymerIlse FalkDr. Hans Georg FaustUlf FinkIngrid FischbachDirk Fischer
Axel E. Fischer
Herbert FrankenhauserDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisGeorg GirischMichael GlosDr. Reinhard GöhnerDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillHermann GröheManfred GrundCarl-Detlev Freiherr vonHammersteinVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
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Gottfried Haschke
Gerda HasselfeldtNorbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen HedrichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesSiegfried HornungJoachim HörsterHubert HüppePeter JacobySusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlBartholomäus KalbSteffen KampeterManfred KantherIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertDr. Helmut KohlManfred KolbeNorbert KönigshofenEva-Maria KorsThomas KossendeyRudolf KrausDr. Martina KrogmannDr. Paul KrügerDr. Hermann KuesKarl LamersDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Klaus Lippold
Dr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß
Erwin MarschewskiDr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsBernward Müller
Elmar Müller
Bernd Neumann
Günter NookeFranz ObermeierFriedhelm OstEduard OswaldNorbert Otto
Dr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDr. Bernd ProtznerDieter PützhofenThomas RachelDr. Peter RamsauerHelmut RauberPeter RauenChrista Reichard
Erika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt RossmanithAdolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian RuckVolker RüheDr. Jürgen RüttgersAnita SchäferDr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteHeinz SchemkenGerhard ScheuNorbert SchindlerDietmar SchleeBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Hans Peter Schmitz
Michael von SchmudeBirgit Schnieber-JastramDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika SchuchardtWolfgang SchulhoffDiethard W. Schütze
Clemens SchwalbeHorst SeehoferHeinz SeiffertRudolf SeitersWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteCarl-Dieter SprangerWolfgang SteigerDr. Wolfgang Freiherr vonStettenAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblThomas StroblMichael StübgenDr. Rita SüssmuthDr. Susanne TiemannEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlGunnar UldallArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffDr. Theodor WaigelPeter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Klaus-Peter WillschWilly Wimmer
Werner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerF.D.P.Hildebrecht Braun
Ernst BurgbacherJörg van EssenUlrike FlachGisela FrickPaul K. FriedhoffHorst Friedrich
Rainer FunkeDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannJoachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherKlaus HauptUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeSabine Leutheusser-SchnarrenbergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingHans-Joachim Otto
Detlef ParrCornelia PieperDr. Günter RexrodtDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerDr. Irmgard SchwaetzerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerCarl-Ludwig ThieleDr. Dieter ThomaeDr. Guido WesterwellePDSMonika BaltDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsFred GebhardtDr. Gregor GysiCarsten HübnerUlla JelpkeSabine JüngerGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthAngela MarquardtManfred Müller
Rosel NeuhäuserPetra PauDr. Uwe-Jens RösselGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertDr. Winfried WolfNeinSPDBrigitte AdlerGerd AndresRainer ArnoldErnst BahrDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseDr. Eberhard BrechtRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3227
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Hans Büttner
Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenRudolf DreßlerDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherIris FollakNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich
Harald FrieseArne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannChristel HanewinckelAlfred HartenbachKlaus HasenfratzNina HauerHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannGustav HerzogMonika HeubaumUwe HikschReinhold Hiller
Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerHans-Ulrich KloseFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickDr. Uwe KüsterWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnRobert LeidingerKlaus LennartzDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieIngrid Matthäus-MaierHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingAndrea NahlesVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Willfried PennerDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterReinhold RobbeGudrun RoosRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Gerhard RübenkönigMarlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerOlaf ScholzKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGisela SchröterDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Brigitte Schulte
Volkmar Schultz
Ewald SchurerDr. R. Werner SchusterDietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-DürenErnst SchwanholdRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerHans-Joachim WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelDr. Norbert WieczorekHelmut Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützHeino Wiese
Klaus WiesehügelBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfPeter ZumkleyBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMarieluise Beck
Volker Beck
Angelika BeerMatthias BerningerAnnelie BuntenbachEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
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3228 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtMonika KnocheDr. Angelika Köster-LoßackSteffi LemkeDr. Helmut LippeltDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKlaus Wolfgang Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstClaudia Roth
Christine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleJürgen TrittinDr. Antje VollmerLudger VolmerSylvia VoßHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungendes Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPUAbgeordnete(r)Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSUErgebnis der namentlichen Abstimmung über denÄnderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, Einzel-plan 09, Drucksache 14/929. Abgegebene Stimmen 605.Mit Ja haben gestimmt 280, mit Nein haben gestimmt325. Der Änderungsantrag ist damit ebenfalls abgelehntworden.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 605;davon:ja: 280nein: 325JaCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserDr. Norbert BlümDr. Maria BöhmerSylvia BonitzWolfgang Börnsen
Dr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepeMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward BuwittCajus CaesarManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Leo DautzenbergHubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke Eymer
Ilse FalkDr. Hans Georg FaustUlf FinkIngrid FischbachDirk Fischer
Axel E. Fischer
Herbert FrankenhauserDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisGeorg GirischMichael GlosDr. Reinhard GöhnerDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillHermann GröheManfred GrundCarl-Detlev Freiherr vonHammersteinGottfried Haschke
Gerda HasselfeldtNorbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen HedrichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkePeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesSiegfried HornungJoachim HörsterHubert HüppePeter JacobySusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlBartholomäus KalbSteffen KampeterDr.-Ing Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertDr. Helmut KohlManfred KolbeNorbert KönigshofenEva-Maria KorsThomas KossendeyDr. Martina KrogmannDr.-Ing. Paul KrügerDr. Hermann KuesKarl LamersDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß
Erwin MarschewskiWolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsBernward Müller
Elmar Müller
Bernd Neumann
Günter NookeFranz ObermeierFriedhelm OstEduard OswaldDr. Peter PaziorekAnton PfeiferBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDr. Bernd ProtznerDieter PützhofenThomas RachelDr. Peter RamsauerHelmut RauberPeter RauenChrista Reichard
Erika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm RonsöhrKurt J. RossmanithAdolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian RuckVolker RüheDr. Jürgen RüttgersAnita SchäferDr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteHeinz SchemkenNorbert SchindlerVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3229
(C)
(D)
Dietmar SchleeBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Hans Peter Schmitz
Michael von SchmudeBirgit Schnieber-JastramDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika SchuchardtWolfgang SchulhoffDiethard Schütze
Clemens SchwalbeHorst SeehoferHeinz SeiffertRudolf SeitersWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteCarl-Dieter SprangerWolfgang SteigerDr. Wolfgang Freiherr vonStettenAndreas StormMax StraubingerMatthäus StreblThomas StroblMichael StübgenDr. Susanne TiemannEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlGunnar UldallArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffDr. Theodor WaigelPeter Weiß
Gerald Weiß
Heinz Wiese
Klaus-Peter WillschWilly Wimmer
Werner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerF.D.P.Hildebrecht Braun
Ernst BurgbacherJörg van EssenUlrike FlachGisela FrickPaul K. FriedhoffHorst Friedrich
Rainer FunkeDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannJoachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherKlaus HauptUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeSabine Leutheusser-Schnarren-bergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingHans-Joachim Otto
Detlef ParrCornelia PieperDr. Günter RexrodtDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerDr. Irmgard SchwaetzerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerCarl-Ludwig ThieleDr. Dieter ThomaeDr. Guido WesterwellePDSMonika BaltDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva-Maria Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsFred GebhardtDr. Gregor GysiCarsten HübnerUlla JelpkeSabine JüngerGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthAngela MarquardtManfred Müller
Kersten NaumannRosel NeuhäuserPetra PauDr. Uwe-Jens RösselGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertDr. Winfried WolfNeinSPDBrigitte AdlerGerd AndresRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDoris BarnettDr. Hans Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseDr. Eberhard BrechtRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenRudolf DreßlerDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherIris FollakNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich
Harald FrieseArne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl-Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannChristel HanewinckelAlfred HartenbachKlaus HasenfratzNina HauerHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannGustav HerzogMonika HeubaumUwe HikschReinhold Hiller
Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerHans-Ulrich KloseFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickDr. Uwe KüsterWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnRobert LeidingerKlaus LennartzDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
3230 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Tobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieIngrid Matthäus-MaierHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingAndrea NahlesVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Willfried PennerDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterReinhold RobbeGudrun RoosRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Gerhard RübenkönigMarlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerOlaf ScholzKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGisela SchröterDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Brigitte Schulte
Volkmar Schultz
Ewald SchurerDr. R. Werner SchusterDietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-DürenErnst SchwanholdRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerJochen WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelHelmut Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Dr. Norbert WieczorekHeidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützHeino Wiese
Klaus WiesehügelBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfPeter ZumkleyBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMarieluise Beck
Volker Beck
Angelika BeerMatthias BerningerAnnelie BuntenbachEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer
Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtMonika KnocheDr. Angelika Köster-LoßackSteffi LemkeDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKlaus Wolfgang Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstClaudia Roth
Christine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleJürgen TrittinDr. Antje VollmerDr. Ludger VolmerSylvia VoßHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungendes Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPUAbgeordnete(r)Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSUErgebnis der namentlichen Abstimmung über denÄnderungsantrag der Abgeordneten Rolf Kutzmutz,Christa Luft und anderer, Einzelplan 09, Drucksache14/966. Abgegebene Stimmen 615. Mit Ja haben ge-stimmt 30. Mit Nein haben gestimmt 585. Auch dieserÄnderungsantrag ist damit abgelehnt worden.Endgültiges ErggebnisAbgegebene Stimmen: 614;davon:ja: 30nein: 584JaPDSMonika BaltDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsFred GebhardtDr. Gregor GysiCarsten HübnerUlla JelpkeSabine JüngerVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3231
(C)
(D)
Gerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthAngela MarquardtManfred Müller
Kersten NaumannRosel NeuhäuserPetra PauDr. Uwe-Jens RösselGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertDr. Winfried WolfNeinSPDBrigitte AdlerGerd AndresRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseDr. Eberhard BrechtRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter Wilhelm DanckertDr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenRudolf DreßlerDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherIris FollakNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich
Harald FrieseArne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannChristel HanewinckelAlfred HartenbachKlaus HasenfratzNina HauerHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannGustav HerzogMonika HeubaumUwe HikschReinhold Hiller
Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerHans-Ulrich KloseFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickDr. Uwe KüsterWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnRobert LeidingerKlaus LennartzDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieIngrid Matthäus-MaierHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingAndrea NahlesVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Willfried PennerDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterReinhold RobbeGudrun RoosRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Gerhard RübenkönigMarlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerOlaf ScholzKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGisela SchröterDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Volkmar Schultz
Ewald SchurerDr. R. Werner SchusterDietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-DürenErnst SchwanholdRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
3232 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Ute Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerHans-Joachim WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelDr. Norbert WieczorekHelmut Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützHeino Wiese
Klaus WiesehügelBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfPeter ZumkleyCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserDr. Norbert BlümDr. Maria BöhmerSylvia BonitzWolfgang Börnsen
Dr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepeMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward BuwittCajus CaesarManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Leo DautzenbergHubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke EymerIlse FalkDr. Hans Georg FaustUlf FinkIngrid FischbachDirk Fischer
Axel E. Fischer
Herbert FrankenhauserDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisGeorg GirischMichael GlosDr. Reinhard GöhnerDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillHermann GröheManfred GrundCarl-Detlev Freiherr vonHammersteinGottfried Haschke
Gerda HasselfeldtNorbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen HedrichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesSiegfried HornungJoachim HörsterHubert HüppePeter JacobySusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlBartholomäus KalbSteffen KampeterDr. Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertDr. Helmut KohlManfred KolbeNorbert KönigshofenEva-Maria KorsThomas KossendeyRudolf KrausDr. Martina KrogmannDr. Paul KrügerDr. Hermann KuesKarl LamersDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Klaus Lippold
Dr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß
Erwin MarschewskiDr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsBernward Müller
Elmar Müller
Bernd Neumann
Günter NookeFranz ObermeierFriedhelm OstEduard OswaldDr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDr. Bernd ProtznerDieter PützhofenThomas RachelDr. Peter RamsauerHelmut RauberPeter RauenChrista Reichard
Erika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm RonsöhrKurt RossmanithAdolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian RuckVolker RüheDr. Jürgen RüttgersAnita SchäferDr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteHeinz SchemkenGerhard ScheuNorbert SchindlerDietmar SchleeBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Hans Peter Schmitz
Michael von SchmudeBirgit Schnieber-JastramDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika SchuchardtWolfgang SchulhoffDiethard W. Schütze
Clemens SchwalbeHorst SeehoferHeinz SeiffertRudolf SeitersWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteCarl-Dieter SprangerWolfgang SteigerDr. Wolfgang Freiherr vonStettenAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblThomas StroblMichael StübgenDr. Susanne TiemannEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlGunnar UldallArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffDr. Theodor WaigelPeter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Klaus-Peter WillschWilly Wimmer
Werner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMarieluise Beck
Volker Beck
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3233
(C)
(D)
Angelika BeerMatthias BerningerAnnelie BuntenbachEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer
Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtMonika KnocheDr. Angelika Köster-LoßackSteffi LemkeDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKlaus Wolfgang Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstClaudia Roth
Christine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleJürgen TrittinDr. Antje VollmerLudger VolmerSylvia VoßHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
F.D.P.Hildebrecht Braun
Ernst BurgbacherJörg van EssenUlrike FlachGisela FrickPaul K. FriedhoffHorst Friedrich
Rainer FunkeDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannJoachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherKlaus HauptUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeSabine Leutheusser-SchnarrenbergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingHans-Joachim Otto
Detlef ParrCornelia PieperDr. Günter RexrodtDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerDr. Irmgard SchwaetzerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerCarl-Ludwig ThieleDr. Dieter ThomaeDr. Guido WesterwelleEntschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungendes Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPUAbgeordnete(r)Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSUIch bitte nun diejenigen, die dem Einzelplan 09 in derAusschußfassung zustimmen wollen, um das Handzei-chen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? –Der Einzelplan 09 ist mit den Stimmen der Koalitions-fraktionen gegen die Stimmen der gesamten Oppositionangenommen worden.Ich rufe auf: 19. Einzelplan 11Bundesministerium für Arbeit und Sozialord-nung– Drucksachen 14/611, 14/622 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Konstanze WegenerAntje HermenauHans-Joachim FuchtelJürgen KoppelinDr. Christa LuftErste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zurÄnderung des Dritten Buches Sozialgesetz-
– Drucksache 14/873 –
Wenn nicht aufgepaßt wird – das möchte ich ernsthaftsagen –, werden hier bald neue Subventionsmentalitätenentstehen.Was macht die Regierung? – Sie antwortet mit altenRezepten. Das heißt: Chancen werden verplempert –Chancen zur verstärkten Haushaltskonsolidierung, Chan-cen, um einen kräftigen Investitionsschub auszulösen,Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
3234 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
auch Chancen, die Beiträge an die Sozialversicherungenweiter zu senken.
Angesichts der noch engeren Finanzlage im kommendenJahr wird es diese Chancen nicht noch einmal geben,Herr Minister. Sie aber lassen diese Chancen in diesemJahr ungenutzt verstreichen.
Man hätte jetzt den Mut zu innovativem Handeln ha-ben müssen. Die CDU/CSU tritt für weitere Senkungender Sozialversicherungsbeiträge ein, weil dadurch dieArbeitskosten entlastet werden. Das wäre in dieserStunde unsere Lösung als Regierung.
Anders wird es nirgendwo auf der Welt gemacht. Da-durch nämlich entstehen auch neue Jobs. In Deutschlandaber gibt es heute 339 000 Arbeitsplätze weniger als imZeitpunkt Ihrer Regierungsübernahme, Herr MinisterRiester. Dieses traurige Ergebnis müssen wir heute fest-stellen.Herr Minister Riester, Sie sitzen mit Ihrem politi-schem Ansatz ganz offensichtlich auf dem falschenPferd. Mal sehen, wer Sie da herunterholt – vielleichtHerr Hombach.
Die mühsam erarbeiteten Reformschritte der Regie-rung Kohl wurden zurückgenommen – das war aus un-serer Sicht schon grottenfalsch –;
das war vor knapp vier Monaten. Und seit einigen Tagenspricht Herr Finanzminister Eichel von einem eisernenSparkurs. Das kann doch nur heißen, daß man das Geld,das man zunächst ausgegeben hat, jetzt wieder einsam-melt. Das ist keine glaubwürdige Politik, meine Damenund Herren.
Allein der Demographiefaktor schlägt bei derFinanzierung der Rente jährlich mit 0,1 Beitragspunktenzu Buche, das ist nicht weniger als 1,8 Milliarden DM –Jahr für Jahr, und das mit dynamischer Entwicklung.Herr Minister Riester, woher wollen Sie eigentlich daszusätzliche Geld dafür nehmen, wenn Herr Eichel docheinkassieren möchte? Hier klafft eine immer größereLücke. Sie bleiben die Antworten schuldig.Die Lohnfortzahlung beginnt sich bei den Unter-nehmen wieder in Milliardenhöhe niederzuschlagen. Esfinden also Belastungen statt. Dabei reden alle Sachver-ständigen davon, daß die Unternehmen weiter entlastetwerden müssen. Auch das ist also ein völlig falscherAnsatz.
Völlig unnötigerweise werden die Meldekontrollenbei den Arbeitsämtern abgeschafft,
und die Zumutbarkeitsregelung wird gelockert. Damitwurde in der Vergangenheit erfolgreich der Leistungs-mißbrauch bekämpft.
Sie setzen auch hier wieder in Form von Laissez-fairefalsche Signale, Herr Minister Riester.
Wenn der Maßstab für Gerechtigkeit immer weiterhinzur Verteilungsgerechtigkeit verlagert wird, bleibt diegerechte Bewertung der individuellen Leistung auf derStrecke. Das darf nicht sein. Mit der Union warDeutschland auf dem Weg zu einer weichen Landung imumgebauten Sozialstaat. Wir sagen Ihnen: Sie werdenerst den Karren gegen die Wand fahren und dann erken-nen, daß es keinen anderen Weg gibt als den, den wirmit unseren Reformschritten eingeleitet haben.
Das derzeit Schlimmste im Sozialbereich ist aller-dings der unglaubliche Niedergang der Kultur der par-lamentarischen Gesetzgebung. Wer nach halbjährigerTätigkeit von seriösen und wohlwollenden Zeitungen– aus menschlicher Sympathie, Herr Minister, möchteich nur eine harmlose Bemerkung zitieren – zum Bei-spiel als „Mogelminister“ bezeichnet wird, dem kann dieUnion nur noch ihr Beileid aussprechen.
Riester steht für Gesetzesmobbing mit 100prozentigerVerunsicherungsgarantie. Das müssen wir hier feststellen.
Man fühlt sich geradezu in ein Studentenparlamentversetzt; aber da ginge es nur um den Streik auf demParkplatz oder in der Aula. Hier geht es um Millionenvon direkt betroffenen Menschen, die Sie mit Ihrer Ge-setzgebung verunsichern, denen Sie schlaflose Nächtebereiten, die ihre private Finanzierungslücke bisher mit630-Mark-Jobs geschlossen haben und denen Sie jetztschlichtweg das Geld wegnehmen.
Es geht um die Selbständigen, die sich aus kleinstenAnfängen heraus entwickeln möchten. Denen hauen Sie– ich muß es so hart sagen, wie es uns von der Bevölke-rung gesagt wird – voll auf die Schnauze.
Namens der CDU/CSU-Fraktion fordere ich als Be-richterstatter für diesen Einzelplan daher die Bundesre-gierung noch einmal auf, die Regelung zur Scheinselb-ständigkeit und die Neuregelung der geringfügigen Be-schäftigungsverhältnisse unverzüglich zurückzunehmenund den Vollzug sofort auszusetzen.
Hans-Joachim Fuchtel
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3235
(C)
(D)
Herr Kollege
Fuchtel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Urbaniak?
Natürlich.
Bitte.
Herr Kollege
Fuchtel, Sie werden zugeben müssen, daß die Regelun-
gen zu den 630-DM-Jobs und zur Scheinselbständig-
keit unter der Regierung Kohl systematisch aufgebläht
worden sind.
Können Sie es als ehemaliger Sozialpolitiker eigentlich
verantworten, daß damit Millionen und aber Millionen
Beiträge der Sozialversicherung verlorengehen, die wir
für eine Stabilität der Beiträge dringend benötigen, und
daß, wenn die Leute unter diesen Bedingungen arbeiten,
sie nur noch die Perspektive der Sozialhilfe haben? Ist
das Ihr gesellschaftspolitisches Bild?
Herr Kollege
Urbaniak, als Sie noch in der Opposition waren, haben
Sie den Menschen vor der Wahl suggeriert, alle Proble-
me könne man einfach lösen; das sei sozusagen eine
kleine Maus unter den Gesetzgebungen. Jetzt, da Sie in
der Regierung sind, ist es auf einmal ein großer Elefant,
mit dem Sie nicht fertig werden. Wir haben den Leuten
in dieser Deutlichkeit schon vorher gesagt, daß hier ein
sehr schwieriges Problem in der Gesellschaft zu lösen
ist. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.
Lieber Kollege, wenn diese Frage anzugehen ist, muß
man das mit Sicherheit differenzierter machen. Ich ga-
rantiere Ihnen: Eine Unionsfraktion hätte in eine solche
Regelung niemals die Vereine einbezogen.
Es ist doch ein Skandal erster Güte, daß Sie zu dieser
Differenzierung nicht fähig waren.
Was Ihnen völlig fehlt, ist ein Gesamtkonzept. Das wäre
bei der Dimension der Problematik wohl notwendig ge-
wesen. Wir hätten ein Gesamtkonzept gehabt; Ihnen
fehlt es.
Herr Kollege
Fuchtel, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des
Kollegen Urbaniak?
Natürlich. Den
ganzen Morgen kann er mich fragen.
Herr Kollege
Fuchtel, wenn Sie so vereinstreu sind – Sie gehören
sicherlich vielen Vereinen an, wie viele von uns –
– Herr Kalb, Sie gehören natürlich einem Trachtenver-
ein an; das ist mir klar –:
Warum haben Sie denn in der Vergangenheit keine Re-
gelung für die Vereine geschaffen, die wir jetzt nach-
träglich schaffen müssen? Sie haben doch auf der gan-
zen Linie versagt. Das können doch wohl alle hier be-
stätigen.
Herr KollegeUrbaniak, Ihnen ist anscheinend entgangen, daß es indiesem Zusammenhang die 2 400-DM-Regelung gibt.Ihnen ist entgangen, daß es in unserem Programm fürdiese Legislaturperiode bereits einen Passus gab, in demsteht, daß auf diesem Gebiet für die Vereine eine Ver-besserung erfolgen muß. Insoweit gibt es hier überhauptkeinen Nachholbedarf.Das, was Sie vorhaben, sieht, wenn man es durch-rechnet, so aus: Sie wollen zu einer Regelung in Höhevon maximal 4 800 DM gelangen. Wenn Sie aber dage-genrechnen, was 12 mal 630 DM ausmachen, dann istfestzustellen, daß Sie den Vereinen auf jeden Fall etwasgenommen haben. Das ist Fakt, und das geht so nicht.
Ich komme zurück auf mein eigentliches Thema. Ichhabe gesagt, daß wir verlangen, diese Regelungen aus-zusetzen und abzuschaffen. Ich habe bewußt nicht von„aussitzen“, sondern von „aussetzen“ gesprochen.
Ob Sportvereine oder Existenzgründer, ob Studentenoder Hinzuverdiener – diese Regelungen sind eine unge-rechte Strafe für Millionen von arbeitswilligen Bürgernund für die gesamte Gesellschaft.
Sie treffen die Menschen völlig unvorbereitet und ohneausreichende Übergangsphase. Das ist besonders ge-mein.Im württembergischen Konditorengewerbe habenschon 50 Prozent aller betroffenen Arbeitskräfte gekün-digt. Was kommt an deren Stelle? Reguläre Arbeitsver-hältnisse werden nur in minimalen Zahlen geschaffen.
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3236 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Herr Minister, wenn Sie schon so viele Gesetzesleichenproduzieren, dann denken Sie wenigstens an die Sarg-träger und lassen Sie ihnen die 630-Mark-Jobs.
Niemand spricht bisher über die verheerenden volks-wirtschaftlichen Wirkungen im Sekundärbereich.
– Da müssen Sie natürlich laut werden; das verstehe ich.Man kann das nicht aussitzen, wie der Minister dasmöchte. Geben Sie ihm den richtigen Stoß, damit erweiß, daß er hier etwas ändern muß, und schlagen Siehier nicht nur Krawall.Viele Produktions- und Dienstleistungen in Deutsch-land werden entweder teurer, oder die dort Beschäftigtenwerden in der Schwarzarbeit verschwinden. Das werdendie Ergebnisse sein, und das darf nicht sein. So kannman in einer globalen Welt keine Arbeitsmarktpolitikbetreiben.Es rächt sich jetzt bitter, daß Sie während Ihrer Zeitin der Opposition zusammen mit der Mehrheit in denGewerkschaften eine rechtzeitige Neuordnung des ge-samten Arbeitsmarktgeschehens verweigert haben. Siehaben völlig falsch eingeschätzt, daß es angesichts derDimension der vorliegenden Problematik nicht mehr mitbruchstückhaften Lösungen getan ist. Sie hätten eineGesamtkonzeption vorlegen müssen und nicht erst die-ses Machwerk und anschließend Ankündigungen.Die CDU/CSU fordert eine Gesamtkonzeption, dieden Bedürfnissen der Beschäftigungsverhältnisse vonKleinverdienern mit einem Verdienst bis zirka 1 500DM Rechnung trägt. Sie kommen statt dessen mit Ein-zelangeboten an Gruppen daher und hoffen, daß mandankbar ist, wenn es am Ende nicht ganz so schlimmwird. Diese Rechnung wird in dieser fundamentalenFrage nicht aufgehen.Alle haben Sie gewarnt. Die DeHoGa hat am 23. Fe-bruar dieses Jahres einen letzten dramatischen Appell andie Regierung gerichtet. Wenn sich die Bürger nichtmehr auf die Gesetzgebung verlassen können, dann er-leidet der Staat einen echten Vertrauensverlust. Deswe-gen sagen wir: So nicht, Herr Riester!
Deutschland darf nicht von Apo-Manieren eingeholtwerden.
Meine Damen und Herren, die großen Aufgaben – sowird auch im gestrigen „Handelsblatt“ geschrieben –kommen erst noch. Deswegen kritisieren wir die Art derGesetzgebung so nachhaltig. Es ist doch schlimm, wennheute schon davon gesprochen wird – ich zitiere dasSPD-nahe Institut „Forsa“ –, daß die Deutschen dasVertrauen in die Rente verlieren.
Wenn Sie die diesbezügliche Gesetzgebung genauso lie-derlich machen wie in den letzten Fällen, ist das etwasganz Schlimmes und richtet sich das gegen die ältereGeneration. Das darf im Gesamtinteresse nicht gesche-hen.
Wir werden ebenfalls nicht zulassen, daß Sie die Ar-beitslosenstatistik schönreden. Der Abbau der Arbeits-losigkeit um 200 000 ist nicht Ihre Leistung; vielmehrergibt er sich aus der Demographie. Die jüngsten Gut-achten des Sachverständigenrates heben diesen Effektbereits hervor. Wir werden auch nicht akzeptieren, daßSie anfangen, die Arbeitsmarktstatistik zu manipulieren.Einen ersten Vorgeschmack haben wir schon dadurchbekommen, daß man darüber redet, wie man die gering-fügigen Beschäftigungsverhältnisse künftig hier herein-mogeln kann.Dazu sage ich: Nein, schaffen Sie mehr Beschäfti-gung in der Wirklichkeit und nicht auf dem Papier. Dashaben Sie den Leuten versprochen, und das fordern wirein.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner.
Sehr geehrte FrauPräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! HerrKollege Fuchtel, auch bei Ihren Ausführungen fiel mirfolgendes wieder auf: Es ist Ihr gutes Recht, uns zu kri-tisieren; das müssen Sie sogar. Aber was mich immerwieder wundert, ist jegliches Fehlen von Selbstkritik an-gesichts des Scherbenhaufens, den Sie nach 16 Jahrenhinterlassen haben.
Sie treten hier immer so auf, als hätten Sie einen harmo-nisch geregelten Arbeitsmarkt, Vollbeschäftigung undgefüllte Staatskassen hinterlassen. Wir haben diesenScherbenhaufen übernommen, und wir stehen deshalbnach wie vor vor einer schwierigen Situation.
Für diese Bundesregierung steht die Bekämpfungder Arbeitslosigkeit nach wie vor im Mittelpunkt auchder Sozialpolitik.
Mit 4,28 Millionen registrierten Arbeitslosen Ende März– wir werden morgen die neuen Zahlen bekommen – be-findet sich die Arbeitslosigkeit immer noch auf einembedrückend hohen Stand. Niemand wird das leugnen.Allerdings – dies ist ein Hoffnungsschimmer – liegt siedamit um 0,335 Millionen unter dem Stand des Vorjah-res.Hans-Joachim Fuchtel
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3237
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Die Regierung Schröder hat sofort nach ihrerAmtsübernahme eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet,um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Sie hat ein Pro-gramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit auf-gelegt, das hervorragend angenommen wird.
Mein Kollege Ewald Schurer wird nachher dazu ausführ-lich Stellung nehmen. Sie hat die aktive Arbeitsmarktpo-litik des Staates, die ja von der Regierung Kohl aus haus-haltspolitischen und wahltaktischen Gründen meist nachdem Prinzip des Stop-and-go durchgeführt worden ist, aufhohem Niveau verstetigt, und sie hat damit Planungssi-cherheit für die Träger geschaffen und viele Arbeitsplätzevor allem im Osten Deutschlands gesichert.
Diese Regierung hat das unter der Regierung Kohlgescheiterte „Bündnis für Arbeit“ wiederbelebt. Sie hatin der ersten Stufe der Steuerreform vor allem die Fami-lien mit Kindern und auch den Mittelstand entlastet. Siehat damit auch zur Belebung der Nachfrage beigetragen.
Die Regierung hat im Rahmen der ersten Stufe der Öko-steuer die Rentenbeiträge um 0,8 Prozent gesenkt unddamit den Einstieg in die überfällige Senkung der Lohn-nebenkosten begonnen. Sie hat das Entsendegesetz ent-fristet, um Lohn- und Sozialdumping auf dem Bau dau-ernd einzuschränken,
und Sie versucht zur Zeit, durch Neuregelung der ge-ringfügigen Beschäftigung und der Scheinselbständig-keit wieder mehr Ordnung und Gerechtigkeit auf demArbeitsmarkt zu schaffen.
Dies ist überfällig, und es ist richtig und mutig, daß derMinister Riester diesen Schritt getan hat.
Welchen Niederschlag finden die Bemühungen derBundesregierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeitim Bundeshaushalt? Mit 11 Milliarden DM liegt der Zu-schuß zur Bundesanstalt für Arbeit auf einem hohenNiveau. Einen Zuschuß in dieser Höhe hatten bereits dieMehrheit des Verwaltungsrats und der Präsident derBundesanstalt gefordert, um die Arbeitslosigkeit wirk-sam zu bekämpfen. Die Anträge der Opposition– sie hatsie während der Haushaltsberatungen im Ausschuß ge-stellt und stellt sie auch hier –, den Bundeszuschuß dra-stisch, also weit über die Hälfte zu kürzen, sind ange-sichts dieser Einschätzungen der Fachleute, die ich ebenzitiert habe, arbeitsmarktpolitisch schlichtweg Unsinn.
Angesichts der hohen Vorbindungen aus dem Wahl-jahr 1998, in dem die Regierung aus durchsichtigenGründen die Arbeitsmarktpolitik auf einmal rasanthochgefahren hatte, müßten die Arbeitsämter, wenn wirjetzt Ihre Kürzungsanträge annehmen würden, soforteinen Stopp für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, beruf-liche Weiterbildung und Einarbeitungszuschüsse ver-hängen. Das kann niemand wünschen, der seine fünfSinne beisammenhat.
Auch haushaltspolitisch wären solche Kürzungen Un-sinn. Wenn wir so verfahren würden, dann würden wirzu den verfehlten Rezepten der alten Regierung Kohlzurückkehren, die den Zuschuß für die Bundesanstalt zuBeginn der Beratungen immer bewußt zu niedrig ange-setzt hat. Der Erfolg war, daß am Ende des Jahres eineriesige überplanmäßige und angeblich völlig unvorher-sehbare Ausgabe nachgeschoben werden mußte. Daswollen wir gerade nicht tun.
Bei allen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpoli-tik ist der Mittelabfluß im Sozialhaushalt sehr gut. Daranzeigt sich, wie hoch der Bedarf auf diesem Feld ist. Dasgilt für das Langzeitarbeitslosenprogramm mit einemVolumen von 750 Millionen DM pro Jahr, für das Pro-gramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit miteinem Volumen von 2 Milliarden DM und besonders fürdie sogenannten Strukturanpassungsmaßnahmen, für dieauch 2 Milliarden DM im Haushalt stehen. Falls dieMittel für diese Strukturanpassungsmaßnahmen imOsten im Verlauf des Jahres nicht ausreichen sollten,werden wir sie durch die Inanspruchnahme des entspre-chenden Haushaltsvermerkes – durch Einsparungenbeim Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit – auf-stocken.Ich wiederhole hier, liebe Kolleginnen und Kollegen,was ich schon in der Generaldebatte gesagt habe: Natür-lich sind Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt die, diewir wünschen. Arbeitsplätze im zweiten Arbeitsmarktsind ein Notbehelf. Sie sind aber in Zeiten hoher Mas-senarbeitslosigkeit unverzichtbar.
Deshalb bemühen wir uns um Verstetigung der aktivenArbeitsmarktpolitik; denn sie muß berechenbar sein fürdiejenigen, die eingestellt werden, und für die Träger.Die Haushälterinnen und Haushälter der Koalitionhatten sich für die Beratungen das Ziel gesetzt, in jedemEinzelplan über den Regierungsentwurf hinaus 0,5 Pro-zent einzusparen und damit ein erstes Zeichen zur Kon-solidierung der Staatsfinanzen zu setzen.
Frau Kollegin,gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert?Dr. Konstanze Wegner
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3238 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Ja, natürlich.
Frau Kollegin, können Sie mir
erklären, warum in Berlin zum Beispiel im Bereich der
Behindertenarbeit sehr viele Stellen radikal abgebaut
werden? Ich nenne hier nur SAM. Sie sagen doch, daß
das verstetigt wird? Ich halte den Wegfall der sozialen
Dienstleistungen für eine Katastrophe.
Ich stimme Ihnen
zu. Das aber hat die alte Regierung zu verantworten.
– Ja, hören Sie mir zu! – Sie hat die Mittel für die Ar-
beitsmarktpolitik im Wahljahr aus wahltaktischen Grün-
den stark hochgefahren. Fast alles ist durch Vorbindun-
gen belegt; das Geld ist sozusagen verfrühstückt. Des-
halb mußten wir soviel draufsatteln, damit überhaupt
noch etwas Neues möglich ist. Ich weiß, daß bei SAM
der Bedarf enorm hoch ist. Wir werden einen Weg fin-
den, damit es in diesem Jahr keine Kürzungen gibt.
Frau Kollegin,
auch der Kollege Fuchtel möchte eine Zwischenfrage
stellen. Lassen Sie das auch zu?
Ja.
Frau Kollegin
Dr. Wegner, Sie haben gerade ausgeführt, daß Sie mög-
licherweise eine Unterdeckung bei der Arbeitslosenhil-
fe haben. Der Etat ist, wie Sie wissen, mit 28,5 Milliar-
den DM sehr knapp berechnet. Sie brauchen dort mehr
Mittel und wollen diesen Mehrbedarf aus dem Bundes-
zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit decken.
Ich habe nicht von
der Arbeitslosenhilfe gesprochen.
Wie möchten
Sie eigentlich mit der Unterdeckung bei der Arbeitslo-
senhilfe umgehen, die Sie trotz der 10 Milliarden DM,
die Sie für den Bundeszuschuß ausgeben, noch haben
werden? Sind Sie mit mir einer Meinung, daß überplan-
mäßige Ausgaben die Folge sein werden und daß der
Haushalt, den Sie vorlegen, geschönt ist?
Ich habe gar nichtvon der Arbeitslosenhilfe gesprochen, Herr KollegeFuchtel. Es kann sein, daß die angesetzten 28 Mil-liarden DM nicht ganz ausreichen werden. Ich hoffe,daß sie ausreichen. Wenn das nicht der Fall ist, werdenwir eine ÜPL machen müssen, weil das gesetzlich vor-geschrieben ist. Aber unsere Ansätze sind insgesamt we-sentlich realistischer als alle Ansätze, die ich zu IhrerRegierungszeit erlebt habe.
Ich fahre in meiner Rede fort.
Wir haben auch den Sozialhaushalt gekürzt, und zwarum insgesamt 874 Millionen DM. Das wurde vor allemdurch realitätsnahe Kürzung von Schätztiteln und auchvon Einzeltiteln erreicht.Die Berichterstatterinnen haben gegenüber dem Re-gierungsentwurf auch einige inhaltliche Änderungenvollzogen. Diese haben wir durch Umschichtungen undKürzungen an anderer Stelle gegenfinanziert. So habenwir zum Beispiel den Etat der Ausländerbeauftragten imHinblick auf Öffentlichkeitsarbeit und Personal aufge-stockt. Das gilt auch für die Mittel des Behindertenbe-auftragten. Beide Aufstockungen scheinen uns gerecht-fertigt zu sein; denn sowohl bei den hier lebenden Aus-ländern wie auch bei den Behinderten handelt es sich umsehr wichtige Gruppen der Bevölkerung, zu deren besse-rer Integration es höherer Geldmittel, vielfach allerdingsauch neuer Ideen bedarf.Die von den Haushältern der Koalition durchgesetztezusätzliche Einsparung von 0,5 Prozent in jedem Ein-zelhaushalt ließ sich gegenüber den Fachgruppen undden betroffenen Ressorts – das darf man schon sagen –nur unter beträchtlichen Schwierigkeiten durchsetzen.Kraftausdrücke gegenüber den ungeliebten Haushälternwaren an der Tagesordnung, ebenso Sitzungsunterbre-chungen, um die Gemüter zu besänftigen.Das gilt übrigens nicht für den Sozialhaushalt; dasmuß ich voller Anerkennung sagen.
Die dortigen Einsparungen sind in durchaus konstrukti-ver Zusammenarbeit mit dem Minister und seinem Hausvorgenommen worden.
Insgesamt war die Kürzungsquälerei in diesem Bun-deshaushalt durchaus erfolgreich. Ich darf das wieder-holen: Es ist gelungen, die Gesamtausgaben des Haus-halts um 2,3 Milliarden DM und die Nettokreditaufnah-me um 2,7 Milliarden DM zu senken. Außerdem wurdeeine Absenkung der Verpflichtungsermächtigungen um10 Prozent beschlossen, um so die Vorbelastung künfti-ger Jahre zu reduzieren. Damit wird im Haushalt 1999ein erstes, wenn auch bescheidenes Zeichen zur Konso-lidierung gesetzt.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3239
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Diese Konsolidierung muß im Haushalt 2000 ent-schieden fortgesetzt werden. Es ist schon gesagt worden,aber man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Si-tuation des Haushalts 2000 wird uns vor ungleich größe-re Schwierigkeiten und Probleme stellen als der Haus-halt 1999. Das Tafelsilber des Bundes ist auf Grund derEntscheidungen der früheren Regierung weitgehend –„verfrühstückt“ kann man das nicht nennen – verkauft.
Die alte Regierung hat ein strukturelles Defizit von20 Milliarden DM hinterlassen. Die vom Bundesverfas-sungsgericht geforderte Besserstellung der Familien, diewir in der Sache durchaus begrüßen, wird den Bundmindestens 10 Milliarden DM kosten. Dazu kommenweitere Belastungen durch den Konflikt in Jugoslawienund durch die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge, dieauf jeden Fall geleistet werden muß. Schließlich mußauch die von vielen Seiten geforderte Reform der Unter-nehmensteuern irgendwie finanziert werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den Konsolidie-rungsdebatten, die in der Öffentlichkeit geführt werden,ist auch der Sozialhaushalt als größter Einzelhaushaltdes Bundes mit einem Volumen von 172,4 Milliar-den DM für manche Objekt der Begehrlichkeit. DieseDiskussion sollte nüchtern und realistisch geführt wer-den. Natürlich ist auch der Sozialhaushalt keine heiligeKuh und daher nicht unantastbar.
Wer jedoch Kürzungen im Sozialhaushalt fordert,Herr Niebel, der muß sich darüber im klaren sein, daßdort mit Ausnahme der freiwilligen Leistungen fast allesgesetzlich festgelegt ist.
Das heißt im Klartext: Wer im Sozialhaushalt kürzenwill, muß genau wissen, was er tut. Entweder kürzt erbei der aktiven Arbeitsmarktpolitik des Staates – dasdürfte bei der zur Zeit hohen Massenarbeitslosigkeit ab-solut kontraproduktiv sein –,
oder er nimmt Einschnitte in gesetzliche Leistungen vor.Dies träfe vor allem die sozial Schwächeren in unseremLande und würde die soziale Kluft, die sich in den16 Regierungsjahren unter Kohl erheblich vergrößerthat, weiter vertiefen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer den Bundes-haushalt sanieren will, der steht in jedem Fall vor unan-genehmen und unpopulären Entscheidungen. Wer sichdieser Aufgabe stellt – wir müssen das tun –, der brauchtAugenmaß, soziales Verantwortungsgefühl und politi-sches Stehvermögen. Das wünsche ich uns allen.Vielen Dank.
Das Wort hat
jetzt die Kollegin Irmgard Schwaetzer.
Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir habenes alle noch im Ohr: „Wir machen nicht alles anders,aber vieles besser.“
Das war der Wahlkampfspruch von Gerhard Schröder,mit dem er die neue Mitte geködert und getäuscht hat;denn außer Enttäuschung bei den Wählern – daß sieenttäuscht sind, haben wir schon mehrfach gehört, undwir treffen auch kaum noch diejenigen, die sich dazubekennen, SPD gewählt zu haben –
ist nichts übriggeblieben.Der Haushalt des Bundesarbeitsministers ist derAusweis dafür, daß die Modernisierung der Politik ge-gen die Traditionskompanien der Gewerkschaften – daswird man sicherlich so formulieren dürfen – gerade inder Sozialpolitik nicht möglich ist.
Wir werden uns sicherlich noch häufiger damit aus-einandersetzen müssen; denn die SPD hatte Modernisie-rung versprochen.
Sie hat zum Beispiel auch die Modernisierung der So-zialversicherung versprochen. Was aber passiert stattdessen? Herr Bundesarbeitsminister, Sie wollen dieDienstleistungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts in dieSozialversicherung des 19. Jahrhunderts pressen, stattdie Sozialversicherung zu modernisieren, damit siewirklich in der sich verändernden Arbeitswelt, die Sienicht zur Kenntnis nehmen, Schutz bietet.
Sie gehen es jetzt ganz konsequent an; das muß manschon sagen. Sie blasen zur Jagd auf die Selbständigen.Sie treffen alle Dienstleistungsberufe vom Unterneh-mensberater über die Werbeagenturen und Journalistenbis zum Musikerzieher. Damit Ihnen nicht eine einzigeSeele entgeht, erfassen Sie die Existenzgründer allgemein.
Frau Kollegin, Sie haben soeben gesagt, die Bekämp-fung der Arbeitslosigkeit stehe für Sie im Mittelpunkt.Ich wäre sehr dankbar, wenn wir mit Ihnen darüber hät-ten ernsthaft diskutieren können – das haben Sie ver-weigert –, wie viele Arbeitsplätze durch Ihre Gesetzge-bung zu den 630-Mark-Jobs und den sogenanntenScheinselbständigen verlorengehen. Ihre Gesetze wer-den die Arbeitslosigkeit erhöhen, statt eine Verbesse-rung zu bringen.
Dr. Konstanze Wegner
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3240 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Die Existenzgründer werden alle zu abhängig Be-schäftigten umfunktioniert. Sie kommen alle zwangs-weise in die sowieso schon notleidende Sozialversiche-rung hinein. Dabei entgeht Ihnen, daß das alles eine sehrkurzfristige Rechnung ist. Herr Bundesarbeitsminister,kurzfristig führen Sie der Rentenversicherung zusätzli-che Mittel zu. Aber dann, wenn die Leistungen fälligwerden, wird die Rechnung nicht mehr aufgehen.Das war Ihnen, Frau Dückert, sehr bewußt; denn ge-nau an der Stelle haben Sie den Schluß der Debatte imAusschuß beantragt,
weil es Ihnen unangenehm war, der Wahrheit ins Ge-sicht zu blicken.
Frau Kollegin
Schwaetzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Tauss?
Gern.
Liebe Frau Kollegin, würden Sie
auch einmal Beispiele zur Kenntnis nehmen, die anders
sind und die ich in meinem Wahlkreis im Moment erle-
be? Dort hat beispielsweise eine große Einzelhandels-
kette die 630-Mark-Jobs abgeschafft und sie in ordentli-
che, sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeitsverhält-
nisse umgewandelt.
Würden Sie auch zur Kenntnis nehmen, daß es jetzt
– auch darum habe ich mich nach Ihrer ganzen Propa-
ganda gekümmert – erste Erfahrungen mit den soge-
nannten Scheinselbständigen gibt? Wir haben festge-
stellt: Im Falle einer echten Selbständigkeit kommen
jetzt die ersten Bescheide der Krankenkassen, die bele-
gen, daß diese Menschen wirklich selbständig sind.
Würden Sie auch diese Fälle, die das Gegenteil dessen
beschreiben, was Sie behaupten, einfach einmal zur
Kenntnis nehmen und aufhören, Propaganda zu machen?
Lieber Herr
Tauss, wer Propaganda macht, ist immer noch die Frage.
Sie haben mit Ihren Regelungen all denjenigen, die auf
den Zuverdienst von 630 DM angewiesen sind, die sich
aber ausgebeutet fühlen, wenn ihnen solche Abzüge zu-
gemutet werden, die Beschäftigung genommen.
Ich finde, das ist unsozial.
Zu den Existenzgründern: Sie müssen sich einmal
anschauen, was Sie zum Beispiel bei jungen Rechtsan-
wälten angerichtet haben. Sie zwingen die alle in die
Sozialversicherung. Da wird ein richtiger Kahlschlag
entstehen.
Sie müssen sich auch einmal anschauen, was die ganzen
Informationsberater – Herr Tauss, das ist doch der
Markt, auf dem Sie sich ganz besonders tummeln –, die
über ein Jahr nur einen Auftraggeber haben, erleben. Die
bekommen den Auftrag nicht verlängert, weil der Auf-
traggeber Angst hat, er werde als Arbeitgeber rückwir-
kend für die Sozialversicherungsbeiträge zur Kasse ge-
beten.
Sie sind nicht in der Lage, in den Dienstleistungs-
strukturen des 21. Jahrhunderts zu denken,
weil Sie nach wie vor nicht Ihren Frieden mit den Selb-
ständigen gemacht haben. Für Sie besteht die Gesell-
schaft immer noch aus den gewerkschaftlich organisier-
ten Industriearbeitnehmern und den Großbetrieben.
Darin besteht Ihre gesamte Argumentation.
Aber damit werden Sie nicht weiterkommen. Ich sage
Ihnen: Alle diese Selbständigen, die Sie zu sogenannten
Scheinselbständigen machen und denen Sie ihre Exi-
stenz nehmen, werden es Ihnen bei den nächsten Wahlen
zeigen.
Sie werden in dieser Frage von uns so lange getrieben
werden, bis Sie diese Gesetze endlich aufheben, damit
Selbständigkeit in Deutschland wieder eine wirkliche
Chance hat.
Frau Kollegin
Schwaetzer, die Kollegin Thea Dückert möchte auch
eine Zwischenfrage stellen.
Aber gerne.
Herr Kollege
Tauss, ich sehe, daß Sie eine weitere Nachfrage stellen
möchten. Jetzt nehmen wir aber erst einmal die Kollegin
Dückert.
Frau Schwaetzer, ich möchte Sie auf folgenden Wider-spruch hinweisen: Bei der Frage der Rentenversiche-rungspflicht für geringfügig Beschäftigte argumentie-ren Sie doch immer wieder damit, daß diese Frauen undMänner, die über dieses Gesetz in die Rentenversiche-rung hineinkommen, sehr geringe Ansprüche erwerben.
Das haben Sie uns immer wieder vorgerechnet und vor-geworfen. Eben haben Sie sich nun darüber beklagt, daßDr. Irmgard Schwaetzer
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3241
(C)
(D)
die Rentenkassen, wenn diese Ansprüche irgendwanngeltend gemacht werden, möglicherweise in eine großefinanzielle Schwierigkeit geraten könnten. Können Siemir und dem Hohen Haus diesen Widerspruch erklären?
Frau Kollegin
Dückert, Sie verwechseln mich mit jemandem aus der
Union.
Die Union hat in der Tat so argumentiert. Ich habe im-
mer gesagt, daß das eine Fehlkalkulation für die Renten-
versicherung ist, weil – so, wie Sie es beschlossen und
begründet haben – mit diesem kleinen Beitrag der volle
Anspruch auf vorzeitiges Altersruhegeld, auf Erwerbs-
unfähigkeitsrente, auf Berufsunfähigkeitsrente und auf
Teilrente – das alles ist nicht durch Beiträge finanziert –
erworben wird. Deswegen ist das – das habe ich auch
den Kollegen von der Union gesagt – eine Fehlkalkula-
tion. Auch aus diesem Grunde werden Sie, Frau Dük-
kert, mit dieser Regelung nicht durchkommen.
Es ist hier aber auch noch etwas ganz anderes von
Bedeutung: Es gibt nämlich auch diejenigen, die ihre
Freiheit haben wollen. Mir kommen die Tränen, wenn
immer wieder behauptet wird, diese Menschen würden
hinterher alle der Sozialhilfe anheimfallen. Ich hätte
gern mal Zahlen – aber ich bekomme ja keine –, wie
häufig das heute der Fall ist. Sie können es nicht nach-
weisen, das ist eine schlichte Behauptung. Diese Men-
schen sorgen selbst für ihr Alter. Sie wollen frei sein.
Sie wollen diese Freiheit haben. Aber Sie beschneiden
ihnen diese Freiheit. Doch die Menschen werden sich
diese Freiheit nehmen, und sie werden für sich selber
sorgen.
Es bestehen
noch zwei Wünsche nach Zwischenfragen. Ich bitte
aber, wenn Sie diese Fragen noch zulassen wollen,
wirklich kurze Fragen zu stellen und auch möglichst
kurz zu antworten.
Aber gerne.
Dann zunächst
der Kollege Tauss.
Frau Kollegin, Sie sprachen so-
eben von den neuen Selbständigen. Würden Sie dazu
die Toilettenfrau in einer Raststätte rechnen, wo ein
Schild steht: „Ich bitte um ein Trinkgeld. Ich bin selb-
ständig“ und wo eine Nachfrage ergibt, daß diese Frau
als selbständig tätige Unternehmerin dort ohne einen
Pfennig Gehalt und ohne Sozialabsicherung steht, als
freiberufliche Existenzgründerin? Ist es das, was Sie
unter neuer Selbständigkeit verstehen, oder stimmen Sie
uns wenigstens darin zu, daß diese Form des Miß-
brauchs unterbunden gehört?
Lieber Herr
Kollege, wenn Sie die letzten Urteile des Bundesarbeits-
gerichtes zu diesen Fragen gelesen hätten, dann wäre Ih-
nen völlig klar, daß diese Frau einen Anspruch darauf
hat, eingestellt zu werden. Dazu brauchen Sie keine Ge-
setzesänderung.
Dazu müssen Sie nicht den gesamten Bereich der Selb-
ständigkeit kaputtschlagen, sondern Sie müssen ledig-
lich die geltende Rechtsprechung anwenden, die wir
selbstverständlich unterstützen und akzeptieren. Das ist
überhaupt keine Frage. Nur, Sie nehmen immer die fal-
schen Argumente, um Ihre ideologischen Ziele durchzu-
setzen.
Jetzt die Kol-
legin Doris Barnett.
Frau Kollegin Schwaetzer,
dann erklären Sie mir einmal ideologisch, wie ich es
dem Familienvater erklären soll, der in seiner Firma
Überstunden kloppt, um ein paar Mark extra zu verdie-
nen, daß er diese Überstunden sozialversichern und ver-
steuern muß, während sein cleverer Nachbar zwar bei
der gleichen Firma acht Stunden arbeitet, dann aber zum
Arbeitgeber B geht und dort sein Zubrot von 630 DM –
bisher sozusagen an der Steuer und der Sozialversiche-
rung vorbei – verdienen darf. Wie erkläre ich das dem
Familienvater?
Frau Kollegin,dann erklären Sie mir doch bitte einmal, wie dieser glei-che Arbeitnehmer seiner Ehefrau erklärt, daß sie ihre630 DM unversteuert behalten darf, obwohl er selber einganz ordentliches Einkommen hat, während zum Bei-spiel seine geschiedene Schwägerin, die unterhaltsbe-rechtigt ist und einen Unterhalt von etwas über 1 200DM bekommt, ihre 630 DM voll versteuern muß.
Sie haben so viele Widersprüche und so viele unsozialeRegelungen dort eingebaut, Sie können das ja selbernicht mehr erklären. Deswegen muß das weg!Letzter Satz zu diesem Thema, meine Damen undHerren – ich habe gleich noch zwei andere Themen,die auch ganz wichtig sind –: Es freut einen ja immer,wenn man auch kritische Stimmen aus den Reihender Sozialdemokraten und der Grünen hört. Aberangesichts dessen, daß der Ministerpräsident von Nord-rhein-Westfalen, Herr Clement, im Bundesrat jetztschon zweimal gekniffen, anschließend aber wiedergesagt hat, es müsse sofort etwas geändert werden,kann ich wirklich nur sagen: Diese Doppelzüngigkeitist unerträglich.
Dr. Thea Dückert
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3242 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Genau das gleiche gilt für Herrn Glogowski, Minister-präsident in Niedersachsen, der ebenfalls sofortige Än-derungen gefordert und anschließend gegen den Antraggestimmt hat, diese Regelungen auszusetzen.Aus den Reihen der Grünen war Herr Schlauch derMeinung, es müsse sofort etwas geändert werden. Ichbin ganz sicher, daß er nicht den Mumm hat, unseremAntrag, mit dem er das schaffen könnte, heute zuzu-stimmen.
Frau Wolf, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen,verkündet in Interviews am Wochenende groß: So gehtdas nicht! – Ich bin sicher, sie wird heute abend unseremAntrag nicht zustimmen. Das heißt, Sie werden wortbrü-chig. Sie kündigen nur an, ohne Konsequenzen zu zie-hen.
– Liebe Ulla Schmidt, ich hätte dich ganz gern gefragt,ob du denn den Finanzminister schon einmal gefragthast, ob jetzt tatsächlich der Freibetrag für die Übungs-leiter in Sportverbänden verdoppelt wird. Im übrigenvermisse ich hier Ihren Antrag. Wir hätten ihm ja gernzugestimmt, aber ich vermisse einen solchen Antrag. Siebetreiben Ankündigungspolitik, weil Herr Riester mitseinem Rücktritt gedroht hat, wenn in dem Bereich ir-gend etwas passiert.
Frau Kollegin,
gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? – Ich möchte
jetzt aber die Kolleginnen und Kollegen doch bitten,
keine weiteren Zwischenfragen mehr zu stellen. Wir ha-
ben heute noch einen sehr langen Debattentag. – Bitte.
Frau Schwaetzer, Sie beklagten
soeben die Versicherungspflicht für junge Rechtsan-
wälte. Ist es vielleicht Ihrer Aufmerksamkeit entgangen,
daß beispielsweise vor nunmehr rund 15 Jahren in Hes-
sen auf Initiative der Anwaltschaft diese Versicherungs-
pflicht für alle Anwälte, auch für die selbständigen und
jungen Rechtsanwälte, eingeführt worden ist?
Herr Kollege,das ist natürlich meiner Aufmerksamkeit nicht entgan-gen. Aber in Ihrem Gesetz steht, daß die berufsständi-schen Versorgungswerke keine Alternative zur gesetzli-chen Rentenversicherung bieten.
Deswegen können die Rechtsanwälte nicht mehr Mit-glied in diesen Versorgungswerken werden, sondernmüssen in die gesetzliche Rentenversicherung gehen.Das ist der Unfug. Sie wollen die berufsständischenVersorgungswerke austrocknen. Das werden wir nichtzulassen.
Ich möchte noch auf einen ganz anderen wichtigenBereich der Tätigkeit des Bundesarbeitsministers zusprechen kommen, der auch in diesem Haushalt veran-kert ist, aber irgendwie im Windschatten verschwindet:das Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit.
Herr Bundesarbeitsminister, Sie erklären immer wiedermit großer Euphorie, daß bereits über 75 000 Jugendli-che in die Maßnahmen des Programms aufgenommenworden seien.
Aber ich habe von Ihnen bisher nicht gehört – obwohldie Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit vorliegen; aufdiese beziehe ich mich –, daß von diesen 75 000 Ju-gendlichen etwa 35 000 – also so ungefähr die Hälfte –in lediglich drei Monate dauernden Qualifizierungsmaß-nahmen sind. Hier möchte ich Ihnen die Frage stellen:Halten Sie das wirklich für einen Erfolg?
Hier wird eine Menge Geld ausgegeben, das anschlie-ßend fehlt, um die Jugendlichen in den ersten Arbeits-markt zu integrieren. Es wäre in der Tat besser, das Gelddafür auszugeben. Ihr Programm, Herr Bundesarbeits-minister, ist ein Windei. Es ist Propaganda zu Lasten derjungen Generation.Lassen Sie mich zum Schluß noch auf ein anderesThema zu sprechen kommen: In Ihrem Koalitionsvertragsteht, daß Sie eine Reform des Betriebsverfassungsge-setzes in Angriff nehmen wollen. Nun denn! Dazu mußman einfach anmerken, daß der Bundesarbeitsministerals Gewerkschafter zu den Mitunterzeichnern einer Ge-werkschaftsinitiative zur Reform des Betriebsverfas-sungsgesetzes gehörte. Wir können also erwarten, daßdie Bundesregierung in etwa das gleiche auf den Tischlegen wird. Aber der Präsident des Deutschen Industrie-und Handelstages, Herr Stihl, hat Ihnen, Herr Riester,bereits angekündigt, daß die Umsetzung dieser Pläne fürdie Arbeitgeber der Casus belli sei. Das heißt: Auszugaus dem „Bündnis für Arbeit“. Ich stelle mir und Ihnendie Frage – Sie reden ja heute noch; ich hoffe, daß ichdann umfassend darüber aufgeklärt werde –: Wollen SieIhrem Bundeskanzler das „Bündnis für Arbeit“ kaputt-machen? Oder werden Sie in diesem Fall wiederumeinen Rückzieher hinnehmen, wie Sie das schon in man-chen anderen Fällen getan haben? Oder kündigen Siewieder Ihren Rücktritt an? Vielleicht machen Sie ihndann auch einmal wahr. Auch auf diesem Feld muß of-fensichtlich noch der Kampf zwischen Modernisierernund Besitzstandswahrern geführt werden.
Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben unter den Ge-werkschaftern als fortschrittlicher Reformer gegolten.Aber offensichtlich sind die Gewerkschaften noch weni-ger in der Lage, sich selbst zu modernisieren, als wir esbisher befürchtet haben.
Dr. Irmgard Schwaetzer
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3243
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Der Haushalt des Bundesarbeitsministers ist keinStück Zukunftsbewältigung. Wir werden ihn deswegenablehnen.
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Antje Hermenau.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenden
wir uns doch wieder dem Haushalt zu, über den wir
heute verhandeln. Wenden wir uns bitte auch den Ände-
rungsanträgen zu, die hier vorliegen – natürlich von der
Opposition. Betrachten wir einmal mit einem gewissen
Interesse, was sich die Opposition traut, hier als Ände-
rungsanträge vorzulegen, aber auch das, worüber sie
sich nicht zu sprechen traut; denn Herr Fuchtel ist darauf
kaum eingegangen. Jetzt wollen wir einmal prüfen, wor-
an das liegen könnte.
Die Opposition schlägt vor, die Mittel für Strukturan-
passungsmaßnahmen um 0,2 Milliarden DM zu erhöhen,
weil zum Beispiel im Land Sachsen, aus dem auch ich
stamme, die Mittel für Strukturanpassungsmaßnahmen
fast erschöpft sind. – Das ist völlig korrekt. Die Mittel
sind fast verausgabt. Wir kommen darauf gleich zu spre-
chen. – Die Opposition schlägt vor, im Gegenzug den
Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit um 7,8 Milliar-
den DM abzusenken, so daß er dann insgesamt noch bei
3,2 Milliarden DM liegt.
Ich sage Ihnen von vornherein: Einen der beiden Än-
derungsanträge werden Sie zurückziehen müssen. Hören
Sie mir jetzt gut zu, damit ich Ihnen dabei helfen kann,
zu entscheiden, welcher das sein wird.
Es ist interessant, daß Sie es wagen, einen Antrag
einzubringen, den Zuschuß an die Bundesanstalt für
Arbeit abzusenken, nachdem Herr Waigel, der vorhin
noch im Plenum saß, als Finanzminister in seinem Ent-
wurf für den Haushalt 1999 diesen Zuschuß auf 11 Mil-
liarden DM – also auf denselben Betrag, den wir jetzt
einstellen – festgesetzt hatte.
Wir haben den Zahlen Ihres Herrn Waigel offensichtlich
mehr Glauben geschenkt als Sie selbst. Das ist der erste
Beweis dafür, daß dieser Änderungsantrag von Ihnen
wirklich nicht ernst gemeint sein kann. Er gewinnt auch
dann nicht an Glaubwürdigkeit, wenn man sich einmal
ansieht, was im letzten Jahr wirklich gewesen ist.
Wir haben hier schon mehrmals über die Aufblähung
von Mitteln für Maßnahmen zur Strukturanpassung
und anderen Maßnahmen in der aktiven Arbeitsmarkt-
politik gesprochen. Genau diese vielumstrittenen Struk-
turanpassungsmaßnahmen wurden von 1997 auf 1998
verdoppelt. Der Grund dafür war die Wahl im Septem-
ber. Wir haben diese Strukturanpassungsmittel jetzt so-
gar von 4,6 Milliarden DM im letzten Jahr auf 5,5 Milli-
arden DM in diesem Jahr erhöhen müssen. Das ist not-
wendig geworden, weil Sie durch diese Aufblähung im
letzten Jahr eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg
gebracht haben, die jetzt fortgesetzt werden mußten;
zum Beispiel dauert eine Weiterbildung gut und gerne
anderthalb Jahre. Sie müssen davon ausgehen, daß sie
im Prinzip für zwei Jahre finanziert werden muß.
Wir müssen das fortsetzen, was Sie aus Gründen des
Wahlkampfes angefangen haben. Trotzdem müssen wir
auch noch eigene Akzente, zum Beispiel in den fünf
neuen Bundesländern, setzen. Und Sie kommen daher
und beantragen, den Zuschuß an die Bundesanstalt für
Arbeit abzusenken.
Frau Kollegin,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fuchtel?
Aber sicher.
Frau Kollegin
Hermenau, nachdem Sie uns das alles so schön vorge-
rechnet haben, frage ich Sie, ob Sie uns einmal sagen
können, wie der Haushalt 1998 hinsichtlich des Bundes-
zuschusses abgeschlossen hat.
Sie haben recht, er lag darunter. Er hat die 11 MilliardenDM nicht ausgeschöpft.
– Dann lesen Sie es doch nach! Ich glaube, es waren4,3 Milliarden DM.
– Gut, dann wissen Sie es besser als ich.
– Herr Fuchtel, es ist Ihnen gelungen, mich dabei zu er-wischen, daß ich eine Zahl nicht präsent hatte. Das ha-ben Sie geschafft. Aber das ändert nichts daran, daß IhreArgumentation nicht stimmt. Das ändert nichts daran,daß Sie nach einer Soll-Zahl aus dem letzten Jahr ge-fragt haben. Sie haben versucht, davon abzulenken, daßSie selbst für 1999 einen Zuschuß in Höhe von 11 Milli-arden DM erwartet haben. Darum geht es eigentlich.
– Doch, natürlich geht es darum.Dr. Irmgard Schwaetzer
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3244 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Lassen Sie
eine zweite Zwischenfrage zu?
Ich glaube, Herr Fuchtel kann die Zahlentests erledigen,indem er selber einfach nachliest. Es reicht jetzt.
Gehen wir doch einmal auf Ihre tollen Änderungsanträ-ge ein, von denen Sie hier gesprochen haben. Sie könnensich jetzt daran berauschen, daß ich eine Zahl nicht imKopf gehabt habe. Wenn das alles ist, was Sie zu bietenhaben, dann werden wir die Diskussion nicht fortführenkönnen.
– Das ist doch nicht wahr. Die Zahlen stimmen alle.Sie haben gewußt, daß es einen Deckungsvermerkgibt. Das heißt: Ihr Antrag auf Kürzung der Zuschüssean die Bundesanstalt für Arbeit ist unsinnig, weil man,wenn es notwendig ist, einen Deckungsvermerk zur Ar-beitslosenhilfe und einen Deckungsvermerk zu denStrukturanpassungsmitteln hat. Alles ist finanztechnischuntereinander beweglich. Es ist nicht nötig, Einzelanträ-ge zu Kürzungen oder Hebungen einzubringen und Test-fragen zu Zahlen zu stellen. Die Bundesanstalt für Ar-beit ist selbst in der Lage, mit all den Finanzmitteln, diewir zur Verfügung gestellt haben, zu manövrieren undsich den Gegebenheiten anzupassen. So einfach ist das.Aber damit Sie in Ihren Wahlkreisen behaupten können,gekämpft zu haben, stellen Sie im Parlament diese An-träge, die Sie selber öffentlich nicht verteidigen.
Sehen wir uns doch einmal – ich habe Frau Schwaet-zer aufmerksam zugehört – ernsthaft an, welche ar-beitsmarktpolitischen Instrumente wirklich etwas brin-gen. Ich bin in der letzten Woche durch die fünf neuenLänder gereist. Wir haben uns zum Beispiel auch überdie Strukturanpassungsmaßnahmen unterhalten. Wasstellte sich dabei heraus? Es gibt einen hohen Zuspruchfür die Lohnkostenzuschüsse. Das kann ich bei einemMaximalzuschuß von über 2 000 DM im Monat gut ver-stehen. Als Unternehmer würde ich genauso handeln.Hier aber wird dann darüber geredet, daß es Mitnah-meeffekte immer nur auf der Arbeitnehmerseite gebe,daß bei den Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängernimmer Mitnahmeeffekte auftreten würden.
Schauen wir uns einmal das „Jump-Programm“ an, indem auch eine Maßnahme mit Lohnkostenzuschüssenvorgesehen ist. Diese fallen aber niedriger aus, weil derLohnkostenzuschuß für einen jungen Menschen, denman im Betrieb einstellt, niedriger liegt als der für einenErwachsenen. Was geschieht? Die Unternehmer nehmennatürlich den höheren Lohnkostenzuschuß und scherensich einen Teufel darum, daß sie einem jungen Men-schen eine Chance geben könnten; für ihn bekämen sieja weniger Geld. Wir haben uns danach bei den Indu-strie- und Handelskammern, bei den Handwerkskam-mern und nicht bei den Arbeitsämtern erkundigt. Dassollte Ihnen zu denken geben.
Sie bauen hier eine Chimäre auf, indem Sie so tun, alsob Lohnkostenzuschüsse das A und O in der Arbeits-marktpolitik seien. Das sind sie aber offensichtlich dannnicht mehr, wenn die Subvention nicht hoch genug aus-fällt.Es wäre ehrlich, in dieser Debatte zuzugeben, daß esMitnahmeeffekte auf beiden Seiten gibt. Jeder Menschversucht, so gut wie möglich mit seinem Leben klarzu-kommen. Das versuchen die Arbeitslosenhilfeempfängergenauso wie die Unternehmer, die den Lohnkostenzu-schuß in Anspruch nehmen.
Wir können uns vielleicht auf folgenden Satz einigen:Mitnahmeeffekte treten automatisch auf, wenn öffentli-che Gelder verausgabt werden. Damit wäre die Debattefür mich im Prinzip beendet. Sie aber beharren darauf,den Lohnkostenzuschuß zu ideologisieren. Sie habenden Lohnkostenzuschuß in einer Art und Weise hochsti-lisiert, daß man darüber fast nicht mehr debattierenkann.Ich gehe jetzt noch einmal auf die Notwendigkeit ein,die Strukturanpassungsmaßnahmen enger zu schnü-ren. Sie haben die Strukturanpassungsmaßnahmen imletzten Jahr allen möglichen Altersgruppen zugänglichgemacht. Wir wollen sie wieder auf Zielgruppen be-schränken. Das halte ich für einen völlig logischen Vor-gang.
Die Arbeitsämter nennen Ihnen, wenn Sie sich dortumhören und fragen, welche Zielgruppen das seinkönnten, aus gutem Grunde die Langzeitarbeitslosen.Natürlich ist es für einen Unternehmer interessant, wenner zu einem Maximalzuschuß von 2 000 DM einen jun-gen Menschen einstellen könnte, den er wahrscheinlichsowieso genommen hätte; so kann er auch noch Geldmitnehmen. Aber einen älteren Langzeitarbeitsloseneinzustellen, für den diese 2 000 DM Lohnkostenzu-schuß eigentlich gedacht sind, würde ihm dann imTraume nicht mehr einfallen. Doch solche Wirkungensollten wir mit unseren Diskussionen über Instrumenteder aktiven Arbeitsmarktpolitik eigentlich erreichen.
Wir sprachen ja gerade schon über „Jump“, dasProgramm für junge Leute. Ich kann mir gut vorstel-len, Herr Riester, daß wir vielleicht am Ende dieses Jah-res oder am Anfang des nächsten Jahres darüber spre-chen, ob nicht vielleicht einige Maßnahmen, die sich in„Jump“ bewährt haben, Aufnahme in den normalenMaßnahmenkatalog der Bundesanstalt für Arbeit finden
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können. Ich gehe nämlich davon aus, daß sich einige derInstrumente als sehr wirksam erweisen werden.
Das ist nicht bei allen so, aber es geht ja auch nicht umden gesamten Katalog dieses Programmes. Das Schönean dem Programm ist, daß man viele Maßnahmen zumselben Zeitpunkt ausprobieren und danach feststellenkann, welche wirklich etwas taugen und welche nicht.Auf dieses Sortieren freue ich mich.Vielleicht können wir uns auch einmal darüber un-terhalten – die entsprechende Diskussion hat FrauSchwaetzer eben angefangen –, um welche Art vonMaßnahmen es sich handeln soll. Sie haben davon ge-sprochen, die auf drei Monate befristeten Maßnahmenwürden nicht viel bringen. Man muß sich aber ersteinmal klarmachen, welches Ziel eine bestimmte Artvon Maßnahme hat. Mir haben Vertreter der Industrie-und Handelskammern gesagt, sie seien sehr froh überkurzfristige Trainee- und Qualifizierungsprogramme,die dafür sorgen, daß jemand, der fast die richtigeQualifikation hat, noch genau die Zusatzqualifikationbekommt, die der Betrieb braucht, um ihn doch nochzu nehmen. Insofern sollte man vorsichtig sein, wennman Programme nach der Zeitdauer beurteilt. Es gehtwirklich um die Möglichkeiten, die hinterher für deneinzelnen Jugendlichen daraus erwachsen. Wir habeneine ganze Reihe von falsch ausgebildeten oder nichtganz vollständig ausgebildeten Jugendlichen. Hier Er-gänzungen vorzunehmen und sich damit den Bewe-gungen des Arbeitsmarktes anzupassen halte ich füreinen großen Fortschritt; dadurch könnte den jungenLeuten sehr geholfen werden.
In diesem Zusammenhang können wir vielleicht auchnoch einmal über die Lohnkostenzuschüsse im Rahmendes Jump-Programmes sprechen. Sie fallen nun einmalniedriger aus als die aus dem normalen Maßnahmenka-talog der Bundesanstalt für Arbeit. Ich persönlich würdemir wünschen, daß die Unternehmer diesem Programmmehr Aufmerksamkeit schenken und sich dieses Pro-grammes bewußt werden. Ich habe mich über den zö-gerlichen Abfluß der Gelder für die EinzelmaßnahmeLohnkostenzuschuß aus dem Jump-Programm für jungeLeute sehr gewundert. Ich war ärgerlich darüber. Mirwurde von seiten der Vertreter der Industrie- und Han-delskammern und anderen immer wieder versichert, manwerde wahrscheinlich im Laufe dieses Jahres noch etwasmehr Gelder abrufen. Es gibt auch Arbeitsämter, diesich gedacht haben: Vielleicht wachen die Unternehmerim Sommer auf, falls dann zum Beispiel – dafür bin ichIhnen dankbar, Herr Riester – die Zielgruppenorientie-rung bei den normalen Strukturanpassungsmitteln unddamit den Lohnkostenzuschüssen greift. Damit hättenwir es dann geschafft, daß Langzeitarbeitslose wiederam meisten davon profitieren. Dann werden die Lohn-kostenzuschüsse für junge Leute im Jump-Programm fürdie Unternehmer wieder interessant; denn auch die Un-ternehmer strecken sich natürlich immer nach dem dick-sten Brocken, der ihnen vor der Nase baumelt, und dasist dann im Sommer wahrscheinlich das Jump-Programm.Schönen Dank.
Zu einer Kurz-
intervention erteile ich dem Kollegen Fuchtel das Wort.
Frau Kollegin
Hermenau, bitte sehen Sie mir nach, daß ich Sie vor dem
Plenum des Deutschen Bundestages nach einer einzel-
nen Zahl gefragt habe. Eine solche Frage ist sicher sehr
schwierig zu beantworten – das weiß jeder hier im Raum –,
aber damit müssen Sie rechnen, wenn Sie Änderungs-
anträge der CDU/CSU so billig abqualifizieren.
Zur Erläuterung möchte ich Ihnen noch sagen: Im
letzten Jahr hatten wir einen Bedarf von 7,7 Milliarden
DM. Nach einer Prognose der Bundesregierung soll die
Zahl der Arbeitslosen um 200 000 zurückgehen.
Frau Kollegin Ulla Schmidt hat uns letzthin im Plenum
vorgerechnet, daß 100 000 Arbeitslose Ausgaben in Hö-
he von 4 Milliarden DM bedeuteten.
Wenn das stimmt – wir rechnen allgemein so –, dann
sind zweimal 4 Milliarden DM 8 Milliarden DM. Damit
liegt der Zuschußbedarf unter null Mark, wenn man die
7,7 Milliarden DM des letzten Jahres zugrunde legt. Sie
aber stellen hier wieder 11 Milliarden DM ein, und aus
dem Grund ist das Ganze überzogen.
Wenn ich dann noch davon ausgehe, daß ein Rück-
gang der Arbeitslosenzahlen um 200 000 auf Grund de-
mographischer Faktoren noch dadurch ergänzt wird
– wie die Bundesregierung angekündigt hat –, daß tat-
sächlich mehr Arbeitsplätze entstehen sollen, sich also
die Arbeitslosenzahl um mindestens weitere 100 000
verringert, dann haben wir noch einmal 4 Milliarden
DM Einsparung. Das wären insgesamt 12 Milliarden
DM Einsparung. Das heißt, die von uns gestellten An-
träge wären absolut der richtige Weg. Ich bitte, das ernst
zu nehmen.
Möchten Sie
antworten?
Herr Kollege Fuchtel, Sie schwanken immer zwischenAntje Hermenau
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3246 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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dem Zahlenspiel auf der einen Seite und den ideologi-schen Debatten, die wir führen, auf der anderen Seite.Sie haben den Begriff der ideologischen Debatte in dieseAuseinandersetzung eingeführt.Wissen Sie, das Problem ist folgendes: Man kannnatürlich einerseits, wie Sie das gemacht haben, dieseZahlenanträge vorlegen. Auf der anderen Seite steht je-doch die Frage, was als Überzeugung dahintersteht. Wirhaben uns im Ausschuß mehrmals darüber unterhalten,wir haben mehrmals darüber gestritten, was als wichtigzu erachten ist und was nicht. Sie haben die Auffassung,daß es den zweiten Arbeitsmarkt eigentlich nicht gebendürfte. Wir teilen diese Auffassung insofern, als wir sa-gen, es wäre natürlich besser, wenn der erste Arbeits-markt das alles schaffen würde. Aber so ist es nicht.Sie haben jetzt wieder versucht, über den Daumengepeilt vorzurechnen, was eventuell eintreten wird. Siewissen ganz genau, daß der Zuschuß an die Bundesan-stalt für Arbeit ein Schätztitel ist. Das heißt, man gehtdavon aus, es könnte so oder anders kommen. Ich habeIhnen gerade vorhin in der Debatte noch einmal erklärt,was alles aus dem Zuschuß an die Bundesanstalt für Ar-beit bezahlt werden soll und kann, unter anderem das,was Sie erhöhen wollen, nämlich die Mittel für dieStrukturanpassungsmaßnahmen. Vor diesem Hinter-grund ist auch ein erhöhter Ansatz gerechtfertigt.
Das Wort hat
jetzt Frau Abgeordnete Dr. Heidi Knake-Werner.
Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir allehier im Haus wissen, daß es bei dem Regierungswechselim vergangenen September in allererster Linie um eineneue Politik für mehr Arbeitsplätze ging, und daranwollen Sie sich ja auch messen lassen.Nun kann man natürlich nicht erwarten, daß in knappsieben Monaten die vielbeschworene Wende auf demArbeitsmarkt bereits erreicht ist. Doch mit einer ArtKurswechsel darf man wohl nach sieben Monaten rech-nen. Ich muß Ihnen deshalb sagen: Für eine Regierungmit Ihren Ansprüchen ist Ihr erster Haushalt leider eingrob enttäuschendes Dokument.
Selbst wenn ich in Rechnung stelle, daß die vonIhnen übernommene Erblast groß ist, daß in diesemLand über 7 Millionen Arbeitsplätze fehlen, daß in denvergangenen Jahren massenhaft Vollzeitarbeitsplätze inversicherungsfreie Billigjobs und Scheinselbständigkeitverwandelt wurden, selbst wenn ich weiß, daß den so-zialen Sicherungssystemen die Finanzierungsgrundlagemehr und mehr entzogen wurde und in diesem Bereichsofort Abhilfe nötig ist, muß ich Ihnen doch ganz offensagen: Sie müssen endlich aufhören, im Rahmen des„Bündnisses für Arbeit“ dringend notwendige Sofort-maßnahmen für mehr Arbeitsplätze auf irgendwann zuvertagen. So werden Sie dieses Problem nicht lösen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regie-rungskoalition, eine erste Bilanz Ihrer Arbeit zeigt, daßSie beim Abbau der Massenarbeitslosigkeit nicht sorichtig vorankommen. Wenn ich Ihnen zuhöre, muß ichfürchten, daß Ihnen dafür einfach die neuen Ideen feh-len. Wo bitte schön unterscheiden sich Ihre Rezepte vondenen der Vorgängerregierung, wenn Sie gebetsmüh-lenartig wiederholen, daß Arbeit billiger gemacht undUnternehmensteuern gesenkt werden müssen, um Ar-beitslosigkeit zu beseitigen? Nachdem dieser neoliberaleQuark seit 16 Jahren ohne Erfolg breitgetreten wordenwar, haben wir erwartet, daß Sie nun endlich innovativsind und die Weichen neu stellen. Aber bisher leiderFehlanzeige.
Wer heute immer noch der Theorie anhängt, daßniedrige Löhne und großzügige Steuergeschenke Ar-beitsplätze schaffen, der wende seinen Blick nach Ost-deutschland. Wenn es nicht so zynisch wäre, müßte manSie darauf hinweisen, daß sich diese Theorie dort ineinem gigantischen Feldversuch gründlich blamiert hat.Wenn Billiglöhne und Steuergeschenke Arbeitsplätzeschaffen würden, müßten sich die neuen Länder längstzum Vollbeschäftigungsparadies entwickelt haben. AberSie wissen selbst, was sich dort abspielt.
Wenn ich jetzt lese, daß für die Juni-Sitzung des„Bündnisses für Arbeit“ Vereinbarungen zur Schaffungvon Niedriglohnbereichen und Kombilohnmodellenangekündigt werden, dann sage ich Ihnen: Das ist nichtinnovativ; das sind die alten Hüte aus der neoliberalenMottenkiste von vorgestern.
– Meinetwegen auch von gestern.Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regie-rungskoalition, wer Arbeitslosigkeit bewältigen und dieSozialsysteme armutsfest machen will, muß mit seinerPolitik an den strukturellen Ursachen der Arbeitslosig-keit ansetzen und dafür zukunftsfähige Konzepte ent-wickeln.
Deshalb erwarten wir Initiativen zur Umverteilung dervorhandenen Arbeit, zum Abbau der Überstunden, zurradikalen Arbeitszeitverkürzung oder zu akzeptablenTeilzeitmodellen und Initiativen für neue Arbeit, zumBeispiel in einem öffentlich geförderten Beschäftigungs-sektor. Vorschläge dazu sind massenhaft vorhanden.Auch von Ihnen – aber vor allen Dingen von uns – gibtes Vorschläge. Wir haben gar nichts dagegen, wenn Siediesbezüglich ein paar Anleihen bei uns machen.
Zum Einzelplan 11 des Arbeitsministers. Er ist in derTat ein kleiner Lichtblick im Konzert der gesamtenHaushaltsberatung; das geben wir gerne zu. Die Regie-rungskoalition will die aktive Arbeitsmarktpolitik aufAntje Hermenau
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hohem Niveau verstetigen. Mit Mehrausgaben von über6 Milliarden DM soll dazu beigetragen werden, daß jun-ge Menschen endlich bessere Chancen für Ausbildungund Arbeit bekommen. Daß das auch für die nächstenJahre notwendig sein wird, ist hoffentlich auch Ihnenklar.Wir finden es richtig, daß Sie durch Einstellen vonSachkostenzuschußmitteln an die Träger die ABM-Strukturen in Ostdeutschland sichern wollen. Wenn Siedies nicht nur kurzatmig, sondern langfristig angehen,werden Sie auch in diesem Bereich unsere Unterstüt-zung finden.
Schließlich folgen wir auch Ihren Vorstellungen beider Aufstockung von Strukturanpassungsmaßnahmenund anderen Eingliederungsmaßnahmen. Daß deshalbdie Bundesanstalt für Arbeit auch in diesem Jahr – trotzleicht rückläufiger Arbeitslosenzahlen, die im übrigennicht Ihr Verdienst sind, was man inzwischen überallnachlesen kann – mit einem Zuschuß von 11 MilliardenDM rechnen kann, geht unserer Auffassung nach völligin Ordnung. Kann es doch damit erstmals gelingen, daßpassive Kosten der Arbeitslosigkeit gedrosselt werdenund endlich Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert wird,wie wir es hier seit langem fordern.
Genau deshalb lehnen wir die Kürzungsanträge vonCDU/CSU und F.D.P. ab.
Meine Damen und Herren von der Regierung, auch inder Arbeitsmarktpolitik setzen wir uns für den Erhaltbzw. die Wiederherstellung tarifrechtlicher und sozialerStandards ein. Deswegen halten wir bestimmte Instru-mente der Arbeitsmarktpolitik für absolut förderungs-unwürdig. Dies gilt insbesondere für die völlig sinnloseprivate Arbeitsvermittlung und für Projekte der Ar-beitnehmerhilfe. Was soll denn hier passieren? Damitläuft man sich doch nur für Kombilohnmodelle aufäußerst niedrigem Niveau warm. Das lehnen wir ab.
Wir schlagen statt dessen vor, daß diese Ansätze ge-kürzt und die Mittel für Maßnahmen der aktiven Ar-beitsmarktpolitik frei gemacht werden, zugunsten einesdritten Sektors, eines Non-profit-Sektors – zwischenprivater Wirtschaft und öffentlichem Dienst im erstenArbeitsmarkt –, der nicht nur massenhaft tarifvertraglichbezahlte Arbeitsplätze sichert und somit existenzsi-chernd wirkt, sondern auch dazu führt, daß Projekte ent-stehen, mit deren Hilfe viele Aufgaben im sozialen, imkulturellen und im ökologischen Bereich erledigt, dieLebensbedingungen der Menschen verbessert und dieZukunftsfähigkeit dieser Gesellschaft insgesamt gesi-chert werden können. In unserem Änderungsantrag ha-ben wir dafür ein ganz konkretes Projekt vorgeschlagen:ein Modellprojekt zur integrierten Berufsausbildung vonjungen rußland- und kasachstandeutschen ausländischenund hier geborenen Jugendlichen.Soviel zu diesem Haushaltsplan. Ich weiß, daß dieOpposition auf der Rechten die Diskussion auf die 630-Mark-Jobs und die Scheinselbständigkeit konzentrierenwill. Auch wir waren gegen das Gesetz zu den 630-Mark-Jobs. Es gibt sicherlich vieles in diesem Bereich,was man besser machen könnte. Aber wenn Sie oder dieHombachs und Clements das in die Hand bekommen,dann wird nichts besser.
Dann wird sich für diejenigen, die den größten Schutz indieser Gesellschaft benötigen, nichts verändern.Lassen Sie mich bitte einen letzten Satz sagen.
Frau
Kollegin, Sie haben Ihre Redezeit schon um einiges
überschritten.
Zum Abschluß nur
eine ganz persönliche Bemerkung: Vieles von dem,
worüber wir uns hier die Köpfe heißreden, hat vielleicht
schon bald keinen Bestand mehr. Jeder Tag, um den der
Krieg in Jugoslawien verlängert wird, schafft neues
menschliches Leid und kostet Unsummen von Geld.
Wenn dieser Krieg einmal zu Ende ist, wenn Sie den
Mut haben, die Bombardierung zu stoppen, dann wird
nichts mehr so sein wie vorher. Unter diesem Eindruck,
so muß ich offen sagen, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, fällt es mir sehr schwer, über Haushaltsansätze und
Kostenstellen zu diskutieren.
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Hermann
Kues.
Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist, so glaube ich,gut und ganz normal, daß man im Zuge einer Haushalts-debatte über die Grundfragen der Sozial- und Arbeits-marktpolitik diskutiert. Ich könnte es mir hier ganz ein-fach machen und lediglich das vortragen, was die Zei-tungen in Deutschland an Schlagzeilen liefern. Ich glau-be, die Widersprüche innerhalb der Regierungskoalitionkönnten nicht deutlicher, die Kritik an der Sozial- undArbeitsmarktpolitik dieser Regierung könnte nicht härterausfallen.
In der „Zeit“ etwa lautet eine Überschrift: „Solo für Rie-ster“. In diesem Stile sind fast alle Überschriften.Als der Bundeskanzler hier gestern redete, dachte ichzunächst, er werde zu den Gesetzen über die 630-Mark-Jobs und die Scheinselbständigkeit etwas ganz Neuessagen. Er hat uns erklärt, wie das alles zusammenhängt.Normalerweise überlegt man das, bevor man ein GesetzDr. Heidi Knake-Werner
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auf den Weg bringt. Ich habe Sie beobachtet, Herr Mi-nister Riester, und gedacht, daß Sie mir ein bißchen leidtun. Denn das große Problem in Ihrer Regierung derzeitist doch, daß zwischen Regierung und Fraktionen, aberauch zwischen Arbeitsministerium und Kanzleramt so-wie zwischen Arbeitsminister und Kanzler der Kurs je-weils verschieden ist, daß Überlegungen, die angestelltwerden, schon am nächsten Tag wieder überholt sind.So kann man keine sachgerechte Politik machen.
Sie sollten sich auch überlegen, ob es richtig war, wieSie am 1. Mai argumentiert haben; denn Sie haben ver-sucht, die Ursache dafür, daß es in breiten Schichten derBevölkerung große Unruhe gibt, uns bzw. irgendwel-chen gesellschaftlichen Gruppen in die Schuhe zu schie-ben. Das liegt doch entscheidend daran, daß Sie Gesetzeverabschieden und Diskussionen führen, die an der Rea-lität vorbeigehen. Sie haben die Sensibilität für die Pro-bleme der Menschen in Deutschland verloren.
Es ist schlimm, wie Sie Gesetze machen. Aber bisherhaben Sie ja nur relativ einfache Dinge geregelt, zumBeispiel die 630-Mark-Jobs und die Scheinselbständig-keit. Wenn ich an die von Ihnen angekündigte großeRentenreform denke, dann wird mir angst und bange.
Ich erinnere daran, daß der Bundeskanzler – das war zu-gegebenermaßen vor Weihnachten – gesagt hat: Allekönnen ab dem 60. Lebensjahr ohne Abschläge in Rentegehen. Es ist mittlerweile bekannt, daß das schlichtweggelogen war. Mir wird wirklich angst und bange bei demGedanken, wie es weitergehen wird.Schlimm sind die Gesetze und deren Auswirkungen.Noch viel schlimmer aber ist die Art und Weise, wie Siemit den Menschen in Deutschland umspringen.
Ich will hier noch etwas ganz Aktuelles ansprechen– man kann jeden Morgen solche Beispiele in den Zei-tungen finden –: Heute morgen, nicht am Wochenende,hat der Ministerpräsident von Niedersachsen, HerrGlogowski – Sie können meinetwegen sagen, er seiunwichtig; aber er ist immerhin Ministerpräsident –,gesagt, daß von den Regelungen zu den geringfügigenBeschäftigungsverhältnissen einige Gruppen ausge-nommen werden sollen. Ich lese Ihnen seine Ausführun-gen einmal vor – Ihnen wird das sowieso irgendwannmitgeteilt –: Von der eingeführten Steuer- und Sozial-abgabenpflicht sollen Zeitungsträger, Chorleiter undÜbungsleiter von Sportvereinen ausgenommen werden.– Er hat also alle Gruppen genannt, die sich in letzterZeit beklagt haben. Eine Gruppe allerdings hat er ver-gessen: die Pizzaboten. Ich vermag nicht einzusehen,warum derjenige, der morgens Zeitungen austrägt, an-ders behandelt werden soll, als der, der abends Pizzenausfährt. Ich finde, da müßte eine Gleichbehandlung er-folgen.
Ich halte es schon für ein starkes Stück, wie Sie mit denSorgen der Menschen spielen.Der Bundeskanzler stellt sich nun hierhin – ich habebei seiner Rede gestern auch in Ihre Gesichter gesehen,meine Damen und Herren von der SPD; da war großeBetroffenheit zu erkennen – und tut so, als würden ihndie Gesetze überhaupt nichts angehen. Drei Monate langhat man Gesetze verabschiedet, und die nächsten drei bisvier Monate ist man damit beschäftigt, diese wieder zukorrigieren.
Herr
Kollege Kues, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Andres?
Sofort. – Das ist
auch der Grund, weshalb ich gesagt habe, daß Sie, Herr
Minister Riester, mir in gewisser Weise sogar leid tun
können.
Bitte schön.
Bitte
schön, Herr Andres.
Herr Kues, Sie haben eine tolle
Anregung gegeben und damit faktisch das Argument
dafür geliefert, daß man überhaupt keine Ausnahmen
machen darf.
Wenn Sie nämlich sagen, wer für den Zeitungsboten
eine Ausnahme vorsehen wolle, müsse das dann auch
bei dem Pizzaboten tun, und mit dem Gleichbehand-
lungsgrundsatz argumentieren, dann ist völlig klar, daß
man eigentlich überhaupt keine Ausnahmen machen
darf. Ansonsten liegt dieses Problem wieder ungeregelt
auf dem Tisch. Sehen Sie das so oder nicht?
Nein, ich sehe dasnicht so. Im übrigen: Auch Sie kennen doch die Umfra-geergebnisse der Institute, die besagen, daß die MasseIhrer Anhänger – ich glaube, über 80 Prozent –, sowohlbei der SPD als auch bei den Grünen, dies genausosehen wie ich. Diese nämlich sagen, daß ein in sichschlüssiges Konzept für den gesamten Niedriglohnsektorvorgelegt werden muß, damit sich die Arbeit inDeutschland lohnt. Sie aber bestrafen diejenigen, die ar-beiten wollen.
Insofern sehe ich das nicht so wie Sie.
Dr. Hermann Kues
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– Jetzt will ich zunächst einmal weiterreden, Herr Präsi-dent.Herr Riester, mir fällt noch eine Sache ein: Als ichSie gestern dort sitzen sah, hatten Sie einen Gesichts-ausdruck wie ein Schrankenwärter, dem man vergessenhat zu sagen, daß die Strecke, an der er arbeitet, längstgeschlossen ist.
Sie haben vor einiger Zeit in einem Interview gesagt:„Die Realität frißt sich durch die Systeme der Sozialver-sicherung.“ Ich habe eher das Gefühl, daß sich die Rea-lität durch Ihre Regierungsarbeit frißt. Das hat etwasdamit zu tun, daß Sie von einer Arbeitsgesellschaft aus-gehen, die heute einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Siehaben übersehen, daß sich mittlerweile viel Flexibilitätbreitgemacht hat und daß sich die Selbständigkeit soentwickelt hat, daß nun Menschen, die bislang nicht da-zwischengekommen sind, versuchen, auf ihre Art undWeise dazwischenzukommen, um arbeiten zu können.Das ist die Wirklichkeit, und das übersehen Sie. Sie ma-chen eine rückwärtsgewandte Politik mit dem Leitbildeiner Arbeitsgesellschaft, das der Realität nicht mehrentspricht.
Das Ziel, das Sie ursprünglich im Auge hatten, näm-lich Arbeitslosigkeit abzubauen und Beschäftigung auf-zubauen, haben Sie nicht erreicht. Der Bundeskanzlerhat gestern versucht, mit Zahlen zu jonglieren, ebensoHerr Schwanhold heute morgen. Zwei Zahlen stimmen:360 000 Arbeitsplätze sind verlorengegangen, seitdemSie an der Regierung sind, und wir haben 320 000Arbeitslose mehr; das ist ein Faktum.Ich sage Ihnen noch etwas, weil über AB-Maßnahmen diskutiert wurde: Sie haben behauptet, wirhätten das alles im Wahlkampf angeschoben. DerBestand an Beschäftigten in AB-Maßnahmen undStrukturanpassungsmaßnahmen ist im Vergleich zumVorjahr um 300 000 gestiegen. Das ist die Wirklichkeit.Ich sage Ihnen auch noch etwas zu Ihrem Programmfür 100 000 arbeitslose Jugendliche: Dadurch wird dieStatistik um weitere 50 000 Arbeitslose bereinigt. Eswird klar, was Sie vorhaben: Sie wollen sich mit demGeld und auf Kosten von Beitrags- und Steuerzahlernstatistische Erfolge anrechnen lassen.
Dazu paßt auch ein Interview mit dem „Stern“, indem Sie kürzlich bemerkt haben:Noch nie hat eine Regierung die Arbeitsmarkt- undSozialpolitik so massiv mit Geld unterstützt.Das ist ein großes Problem. Wer glaubt, daß man dieProbleme heute dadurch lösen kann, daß man mehr Geldausgibt, ohne Strukturen zu ändern, der ist auf demHolzweg. Mehr Geld für soziale Leistungen gleich mehrsoziale Gerechtigkeit gleich Abbau von Arbeitslosigkeit– diese Rechnung geht in Deutschland immer wenigerauf; das weiß jeder.
Ich will aber auf den Ausgangspunkt zurückkommenund darstellen, weshalb wir diese Probleme eigentlichhaben.
– Das Argument zählt immer weniger; das wissen Sieauch. – Sie haben im Wahlkampf ein kleines Kärtchenverteilt, auf dem zehn Punkte aufgezählt waren, die Sieumsetzen wollten. Das haben Sie auch gemacht. DieZuzahlung für Arzneimittel haben Sie aber nicht, wieversprochen, abgeschafft, sondern Sie haben Sie redu-ziert. Sie haben in der Rente Korrekturen angebracht
– ja, Sie können ruhig klatschen – und dabei den Rent-nerinnen und Rentnern etwas vorgemacht: Sie haben sogetan, als könne alles so weitergehen, obwohl Sie genauwissen, daß das nicht geht. Jetzt brauchen Sie Geld, weiles in der Krankenversicherung und in der Rentenversi-cherung natürlich Lücken gibt. Dieses Geld versuchenSie jetzt durch gesetzliche Schnellschüsse den kleinenLeuten aus der Tasche zu ziehen. Das ist die Wahrheit.
Im Mittelpunkt Ihrer Politik steht der Versuch, dieMenschen vor allem zu bewahren, was auch nur im ent-ferntesten an Beschwerlichkeit oder an Zumutung erin-nern könnte.
Herr
Kollege Kues, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Brandner?
Nein, das möchteich jetzt nicht mehr, weil ich zum Ende kommen möch-te.Sie reden allen Menschen nach dem Munde. Jetztwerden die Kosten deutlich, und Sie präsentieren denMenschen die Rechnung. Deswegen sage ich: Ihre Poli-tik ist – subjektiv ist das vielleicht nicht gewollt – imErgebnis ungerecht und unsozial.
Das Programm für 100 000 arbeitslose Jugendlicheist verschiedentlich angesprochen worden. Es trifft abernicht diejenigen, denen geholfen werden muß, nämlichdas große Heer der Ungelernten, die keine Chance habendazwischenzukommen. Ich nenne Ihnen einmal dieZahlen derjenigen, die in den Projekten sind: 42 Prozenthaben mittlere Reife oder Abitur; 45 Prozent habeneinen Hauptschulabschluß; 15 Prozent sind ungelernt;35 000 befinden sich in kurzfristigen Trainingsmaßnah-men, was beispielsweise das Einüben des Fliegens miteinem Gleitschirm umfaßt. Das ergibt sich aus den Ver-öffentlichungen des Bundesministeriums für Arbeit.Dr. Hermann Kues
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Wenn ich das einmal bilanziere, dann muß ich fest-stellen: Da ist mit großem Bohei ein Programm aufge-legt worden, mit dem aber nicht denjenigen geholfenwird, die wirklich Hilfe benötigen. Was Sie dort betrei-ben, ist im Grunde genommen Effekthascherei. DieMenschen werden sehr bald feststellen, wie es sich tat-sächlich verhält.
Die Bilanz der Regierung Schröder auf dem Arbeits-markt und in der Sozialpolitik ist verheerend.
Das ist nicht das Ergebnis handwerklicher Fehler. Dashat vielmehr damit etwas zu tun, daß die ganze Richtungnicht stimmt. Herr Riester, Sie sind auf dem Holzweg.Wenn Sie sich selbst eine zweite Chance geben wollen,dann kehren Sie um!
Für die
SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Ewald Schurer.
Herr Präsident! Meine ver-ehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst noch einWort zu Herrn Kues von der Union: Sie gebärden sichhier wie ein Dieb in der Nacht, der am nächsten Tag dieErmittlungen über seine Schandtat selbst führen möchte.Dem, was Sie hier zum 630-Mark-Gesetz gesagt haben,wird Minister Riester sicherlich fundiert und dezidiertentgegentreten.Ich möchte auf das 100 000-Jobs-Programm für Ju-gendliche zu sprechen kommen. Im Oktober 1998 warenknapp 428 000 Jugendliche unter 25 Jahren ohne Arbeit.Das entsprach einer Quote von fast 11 Prozent. VonJanuar bis Oktober 1998 waren davon im Durchschnittsogar 476 000 junge Menschen betroffen.Vor diesem Hintergrund hatte das neue Bundeskabi-nett schon am 25. November 1998 die Eckpunkte desProgramms für den Abbau der Jugendarbeitslosigkeitund für die Ausbildung und Qualifizierung Jugendlichergebilligt. 1999 werden 2 Milliarden DM zur Verfügunggestellt, davon 600 Millionen DM aus dem Europäi-schen Sozialfonds. Das Sofortprogramm richtet sich –wie es auch die Kolleginnen und Kollegen der Oppositi-on sicherlich schon mitbekommen haben –, an jungeMenschen bis 25 Jahre, um den Betroffenen ein Angebotzu unterbreiten, noch bevor sie – das ist wichtig – einhalbes Jahr arbeitslos sind. Ein wesentliches Merkmaldieses Programms ist es also, daß man die Arbeitslosig-keit frühzeitig durch positive Akzente durchbrechenmöchte.
Die Folgen von Jugendarbeitslosigkeit und fehlenderAusbildung sind in dieser Gesellschaft offenkundig. DieIdentifikation junger Menschen mit wichtigen gesell-schaftlichen und sozialen Werten ist ganz wesentlich mitihrer Teilhabe am gesellschaftlichen und damit natürlicham wirtschaftlichen Prozeß verbunden. Die Entfaltungder Persönlichkeit junger Frauen und junger Männer be-nötigt ganz unverzichtbar positive Aspekte von Ausbil-dung und Beschäftigung.
Langfristig arbeitslose Jugendliche resignieren, ver-lieren ihre Selbstsicherheit, ihr inneres Gleichgewichtsowie ihre gesellschaftliche und persönliche Orientie-rung. Dies ist eine große Vernichtung von wichtigen ge-sellschaftlichen Ressourcen, die wir nicht hinnehmenkönnen.
Das darauffolgende Abrutschen in entsprechende Mi-lieus – in Ostdeutschland sind sehr viele Jugendliche ineine rechtsradikale Subkultur geraten – ist nicht hin-nehmbar,
mittlerweile aber bei uns in Deutschland – auch in Re-gionen, die nicht strukturell benachteiligt sind – zumTeil schon zur gesellschaftlichen Realität geworden. Al-so benötigen gerade junge Menschen Perspektiven inBeruf und Bildung.
Nicht vergessen sollten wir die demographische Ent-wicklung in dieser Gesellschaft. Wir brauchen diesejungen Menschen, um sie in unsere tragenden Sozialsy-steme, die auf Leistung und Gegenleistung beruhen, ein-binden zu können. Dies ist eine ganz wichtige Voraus-setzung für den Fortbestand dieser Gesellschaft und sei-ner sozialstaatlichen Systeme.
Das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeits-losigkeit besteht aus zwei Teilen: Erstens werden Ange-bote für ausbildungssuchende Jugendliche gemacht, undzweitens geht es um Qualifizierungs- und Beschäfti-gungsmaßnahmen für arbeitslose Jugendliche. So heißtes in der Broschüre der Bundesanstalt für Arbeit wört-lich – hören Sie zu, das ist auch für Sie sehr wichtig –:Sie sind dabei, wenn Sie keine oder nur eine unzu-reichende Ausbildung haben, und wenn Sie bei Be-ginn der Maßnahme das 25. Lebensjahr noch nichtvollendet haben …oderwenn Sie keinen Job haben.Das sind die elementaren Voraussetzungen zur Teil-nahme an diesem Programm.Verschiedene Chancen werden diesen Jugendlichenseit Januar 1999 ganz gezielt eröffnet. Es wurden ineiner großen Aktion Tausende von Betrieben besucht,um zu erreichen, daß dort Auszubildende neu oder zu-sätzlich eingestellt werden. Es wurden und werden Aus-bildungsverbünde zwischen Betrieben und Bildungs-einrichtungen organisiert oder auch dreimonatige Trai-nings- und Kurzpraktika vermittelt, um die Vorausset-Dr. Hermann Kues
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zungen dieser Jugendlichen für eine berufliche Ausbil-dung überhaupt erst zu schaffen oder sie zu verbessern.Was ganz entscheidend ist: Die außerbetrieblichen Bil-dungsmaßnahmen sollen ja später in betrieblichen Bil-dungsmaßnahmen, also in Maßnahmen der freien Wirt-schaft, vollendet werden. Ein weiterer wichtiger Punktist: Es gibt sehr viele Jugendliche, die die Voraussetzun-gen nicht erfüllen, weil ihnen der Hauptschulabschlußfehlt. Auch sie sollen auf Grund von speziellen Maß-nahmen die Chance bekommen, den Hauptschulab-schluß nachzuholen. Das ist eine unabdingbare Voraus-setzung dafür, um mit einer qualifizierten beruflichenAusbildung überhaupt beginnen zu können.
Auch Jugendliche mit einer abgebrochenen Ausbil-dung – auch an sie muß man denken – haben auf Grunddieses Programms die Chance, sich hier entsprechend zuqualifizieren. Nicht zuletzt gibt es – das wurde hierschon erwähnt – Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, dievom Arbeitsamt mit Lohnkostenzuschüssen an die Ar-beitgeber unterstützt werden. Anfangs waren die Reak-tionen zögerlich. Aber ich denke, jetzt sind wir aufeinem guten Weg.Ein neues Instrumentarium ist ebenfalls sehr wichtig,nämlich daß die Arbeitsämter in Zusammenarbeit mitSozialpädagogen in die Lage versetzt werden, die Ju-gendlichen dort zu erreichen, wo sie sich bewegen, wosie leben, zum Beispiel in ihrem sozialen Umfeld, sieanzusprechen, sie aus einer vielleicht bestehenden Fru-stration herauszuholen, sie pädagogisch und sozial zu er-reichen und sie aufzubauen, damit sie sich in solcheProgramme hineinfinden können. Es ist ein ganz wichti-ger Punkt, daß hier sozialpädagogische Vorfeldarbeitmit hinzukommt. Niemand sollte sich darüber lustig ma-chen. Denn die soziale Stabilisation gewisser Jugendli-cher in gewissen Lebensmomenten ist unwahrscheinlichwichtig, um überhaupt solche Bildungsvoraussetzungenerwerben zu können.
Das ist – neudeutsch gesagt – proaktive Arbeits- undAusbildungsberatung. Aus vielen persönlichen Ge-sprächen mit Mitarbeitern von Arbeitsämtern weiß ich,daß diese Möglichkeiten zielführend sind und für vieleJugendliche eine große Chance bedeuten.Die bisherigen Erfolgszahlen sind ganz ohne Beschö-nigung – im Gegensatz zu dem, was Sie hier gesagt ha-ben; da war noch viel Unverständnis und Desinformati-on im Spiel – phantastisch. Die Zahlen sind – ich wie-derhole mich – wirklich phantastisch.
Diese Zahlen haben das Sofortprogramm schon jetzt ge-rechtfertigt. Allein im ersten Quartal, von Januar bisMärz 1999, haben die Arbeitsämter 436 500 junge Men-schen angesprochen – das ist eine enorme Leistung –und eine Viertelmillion, 251 500, Angebote für Trai-ningsmaßnahmen, für Ausbildung, für Fortbildung, fürArbeitsstellen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ge-macht – eine wirkliche große konzertierte Aktion in die-sem Lande.
Für 75 200 Jugendliche – das ist jetzt nur eine Zahl;dahinter stehen Einzelschicksale; das sind junge Men-schen mit persönlichen Chancen, die darauf angewiesensind, daß wir so etwas in Ergänzung zur wirtschaftlichenEntwicklung anbieten; das sind wirklich Hoffnungen fürdiese jungen Menschen – haben konkrete Maßnahmenbegonnen. Daß das nicht in allen Fällen sofort zu Aus-bildungsverträgen führt, versteht sich doch angesichtsder Problematik – wenn man sich ein bißchen hinein-denkt – von selbst. 42 300 dieser Maßnahmen wurdenim Westen und fast 33 000 im Osten vermittelt.Man muß erwähnen, daß dort dieses Programm vordem Hintergrund zum Teil desolater Strukturen am Ar-beitsmarkt von ganz besonderer Bedeutung ist. Mit „de-solaten Strukturen“ meine ich eine Entwicklung, die Sienach der Wiedervereinigung nicht in den Griff bekom-men haben, nämlich daß dort zum Teil ganze Regionendeindustrialisiert wurden, was eben auch Folge einervöllig inkompetenten Wirtschafts- und Sozialpolitik deralten Regierung war. Das ist die Wahrheit und sonstnichts.
Herr
Kollege Schurer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bei meiner ersten Rede wür-de ich Ihnen gerne den Genuß antun, meine Rede kom-plett vermittelt zu bekommen. Das hilft Ihnen weiter undtut der Sache gut.Insgesamt ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichenunter 25 Jahren durch dieses Programm bereits im erstenQuartal um knapp 40 000 auf 450 000 gesenkt worden.Vor einem Jahr, im März 1998, waren noch 506 000 Ju-gendliche arbeitslos. Diese Zahlen sind signifikant undsprechen dafür, daß das Programm bei den jungen Men-schen bereits viel Anklang gefunden hat. Der Anteil derFrauen lag im ersten Quartal bei 42,4 Prozent und dem-entsprechend der Anteil der Männer bei 57,6 Prozent.Ausländische Jugendliche – das muß gesagt werden –sind mit 11 Prozent beteiligt. Die Gruppe der Jugendli-chen – auch das ist wichtig –, die in ihrer sozialen und inihrer Bildungsbiographie benachteiligt sind, wird vonder Fachbehörde mit 17 Prozent angegeben.Ich möchte kurz auf die Zahl 75 000 eingehen, zu derFrau Schwaetzer schon etwas gesagt hatte. Es ist sy-stemimmanent, daß zum Beispiel Trainingsprogrammevermittelt – im ersten Quartal waren es 15 000 –, daßaußerbetriebliche Ausbildungen in einer Größenordnungvon rund 16 000 initiiert und daß außerdem rund 1 000Nachholprogramme für junge Leute angeboten wurden,die den Hauptschulabschluß noch nicht haben. Das allesEwald Schurer
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ist sehr wichtig. Sie haben eben versucht, die sozialenBegleitmaßnahmen etwas lächerlich zu machen. Verste-hen Sie es aus dem Programm heraus: Es gibt Jugendli-che – junge Frauen und junge Männer – , die zunächsteinmal erst soziale Begleitprogramme brauchen, um indie Lage versetzt zu werden, bildungsmäßig qualifiziertzu werden. Sie sind in diesen 75 000 enthalten.
Zu erwähnen ist, daß die Mittelbindung im erstenQuartal von diesen 2 Milliarden DM, die bereitgestelltwurden, bereits nach 90 Tagen bei 1,262 Milliarden DMlag; also 64 Prozent – das sind knapp zwei Drittel – derbereitgestellten Mittel im Etat waren bereits gebunden.Auch das ist eine Zahl, die eindeutig für den großen Er-folg dieses Programmes spricht.Ich komme zum Schluß. Ich denke, das Sofortpro-gramm hat bewiesen, daß es gesamtgesellschaftlicheinen riesigen Bedarf für weitere mittel- und langfristigeMaßnahmen auf diesem Gebiet gibt. Hier versucht manstrukturell, junge Leute über Maßnahmen des zweitenArbeitsmarktes so zu qualifizieren, daß sie in den erstenArbeitsmarkt hineinwachsen können und sich dort mitprofunden Kenntnissen durchsetzen können. Nur sehrwenige Jugendliche haben diese Maßnahmen abgelehnt.Deshalb resümiere ich, daß das Bündnis für Arbeit diegroße gesellschaftliche Aufgabe hat, nachdem wir hierdiese Vorleistungen gebracht haben, mit entsprechendenInitiativen, die unter Arbeitgebern, Gewerkschaften undStaat abgestimmt sind, diese Programmatik weiterzufüh-ren. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Nirgendsin dieser Gesellschaft sind Investitionen für Wirtschaftund Gesellschaft so gut angelegt, wie wenn es darumgeht, junge Menschen durch Ausbildung und Qualifizie-rung in die Lage zu versetzen, sich später in ihrem Le-ben über die Arbeitswelt gesellschaftlich zu integrieren.
Herr
Kollege Schurer, ich habe Ihnen sehr viel Zeit gelassen.
Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Den Bundesministern Bul-
mahn und Riester und dem Präsidenten der Bundesan-
stalt für Arbeit, Herrn Jagoda, möchte ich an dieser
Stelle samt ihren Mitarbeiterstäben herzlich danken.
Diesem Dank könnte sich auch die Opposition anschlie-
ßen. Es geht um die Perspektiven der jungen Menschen
von morgen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit
und hoffe auf die Lernfähigkeit der Opposition.
Herr
Kollege Schurer, ich beglückwünsche Sie zu Ihrer ersten
Rede im Deutschen Bundestag.
Deswegen sind wir mit Ihrer Redezeit auch sehr großzü-
gig verfahren.
Beim nächsten Mal bitte ich, die Uhr zu beachten.
Als nächster Redner spricht der Kollege Dirk Niebel
von der F.D.P.-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damenund Herren! Herr Kollege Dreßen, ich habe sogar nochmehr Redezeit als geplant, weil Frau Schwaetzer sich sokurz gefaßt hat, nachdem Sie Ihr durch Zwischenfragendankenswerterweise die Gelegenheit gegeben haben, li-berale Politik darzustellen. Das ist auch dringend not-wendig; denn wenn man sich sowohl diesen Haushalts-plan als auch das Vorschaltgesetz zum Arbeitsförde-rungsgesetz ansieht, das wir hier heute mitberaten, mußman wieder feststellen, daß Sie die Weichen eindeutigfalsch gestellt haben.
Sie setzen Ihre Schwerpunkte auf den zweiten Arbeits-markt, und Sie vernachlässigen den ersten Arbeitsmarkt,Herr Kollege Riester. Ich erlaube mir, das an Beispielendeutlich zu machen.Wie Sie sich vielleicht erinnern, haben Sie mir in derersten Lesung des Haushaltsplans in diesem Hause zu-gestimmt
– ja, er hat mir zugestimmt; man kann sich das kaumvorstellen, nicht wahr, Frau Wegner? –, daß Nachbe-schäftigungspflicht bei BHI ein probates Mittel zur In-tegration von Langzeitarbeitslosen im ersten Arbeits-markt ist. Wenn ich mir das Vorschaltgesetz zum Ar-beitsförderungsgesetz ansehe, stelle ich allerdings fest,daß diese Nachbeschäftigungspflicht bei älteren Arbeit-nehmern gestrichen wird. Das begründen Sie damit, daßdie sonst nicht eingestellt werden würden. Wir kommendann exakt zu dem, was die Kollegin Hermenau vor-hin so beklagt hat: zu Mitnahmeeffekten. Denn dieseMenschen werden mit Lohnkostenzuschüssen eingestellt– das ist gut so –, sie werden für die Dauer der Förde-rungszeit beschäftigt und dann im schlimmsten Fall– ohne Nachbeschäftigungsfrist, wie Sie das planen –entlassen und stehen dem Arbeitsamt noch älter undnoch schwerer vermittelbar wieder zur Verfügung. Dassind Mitnahmeeffekte, die wir nicht wollen. Deswegensagen wir: Das ist der falsche Weg.Die aktive Arbeitsmarktpolitik nimmt 41 Milli-arden DM in Anspruch. Der Zuschuß zur Bundesanstaltfür Arbeit ist mit 11 Milliarden DM veranschlagt. ImJahr 1998 haben Sie einen tatsächlichen Bedarf von7,72 Milliarden DM gehabt. Sie rechnen mit einem Rück-gang der Arbeitslosenzahl um 150 000; zumindest sagenSie uns das dauernd. Wir haben vorhin gehört, daß100 000 Arbeitslose 4 Milliarden DM kosten. Weshalb,Herr Riester, veranschlagen Sie so viel Geld für mehrArbeitslose, wenn Sie mit weniger Arbeitslosen rech-nen?
Ewald Schurer
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– Herr Dreßen, Sie finanzieren Beschäftigung, aber kei-ne Arbeit. Das ist ein Unterschied; das sollten Sie lang-sam lernen.
Sie haben unsere Vorschläge im Ausschuß abgelehnt,den Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von6 Milliarden DM zurückzunehmen; die Summe beziehtsich auf die Zahl der Arbeitslosen, die Sie weniger er-warten. Das aber hätte Impulse geschaffen, die Beiträgezu senken, das hätte die Rahmenbedingungen der deut-schen Wirtschaft verändert, und das hätte zur Schaffungneuer Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt geführt. Siemachen eine falsche Weichenstellung; das müssen wirIhnen hier heute vorhalten.
Es verwundert mich nicht, daß Sie noch immer nichtgemerkt haben, daß Beschäftigungsprogramme keinelangfristige Verbesserung am Arbeitsmarkt bringen. Eswundert mich auch nicht, daß altes Denken der altenLinken vorherrscht und nicht die neue Mitte, wenn ichsehe, daß von 298 Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion 244 Gewerkschaftsmitglieder sind – auch Siegehörten dazu –, also nur 54 nicht. Dann soll ich michnoch wundern, daß der Gewerkschaftsblock die Richtli-nien der Politik bestimmt und nicht der Herr Bundes-kanzler?
Sie sollten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschenWirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen fördern,indem Sie auch psychologische Folgewirkungen IhrerGesetzesvorhaben berücksichtigen. Wenn Sie Menschenverängstigen, die Arbeitsplätze schaffen wollen, dannholen Sie die Arbeitslosen nicht von der Straße. Dasaber ist das Ziel, an dem wir Sie jederzeit messen lassenwollen, Herr Riester.
Sie argumentieren mit der Klamottenkiste des Klas-senkampfes.
Sie verhindern neue Arbeitsplätze im Bereich der soge-nannten Scheinselbständigkeit. Sie nehmen IhrenWählerinnen und Wählern – das allerdings waren Siewahrscheinlich das letzte Mal – mit der 630-Mark-Regelung die letzte Möglichkeit, selbst Arbeitseinkom-men zu verdienen.Herr Kollege Dreßen, Sie haben mir am letztenDienstag im Deutschlandfunk bestätigt – ich habe dieSendung mitgeschnitten –, daß Sie allein aus demGrund, Ihre Wahlversprechen finanzieren zu müssen,darauf verzichtet haben, die von uns beantragte Über-gangsfrist bei dieser Regelung als Minimallösung einzu-führen.Allein der Umstand, Herr Minister Riester, daß Bun-deskanzler Schröder es sich nicht wird leisten können,innerhalb von sechs Monaten den zweiten Minister zuverlieren, sorgt dafür, daß diese Murksgesetze nicht zu-rückgenommen werden. Herr Riester, ich fordere Sieauf: Bewegen Sie sich! Nehmen Sie diese Gesetze zu-rück! Bessern Sie sie nicht nach! Schmeißen Sie sie aufden Müll! Wenn Sie dazu nicht den Mumm haben, dannmachen Sie den Weg frei für jemanden, der ihn hat.Vielen Dank.
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Dr. Thea
Dückert vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen undKollegen! Wenn ich mir die Debatte anhöre, dannscheint mir eines noch sehr viel problematischer als dieHaushaltsprobleme, die wir übernommen haben, zu sein:der Tatbestand, daß nach 16 Jahren christlich-liberalerKoalition das Vertrauen in den Sozialstaat in erheb-licher Weise untergraben worden ist, und zwar in größe-rem Maße, als wir uns das jemals haben vorstellen kön-nen.
Herr Fuchtel hat es benannt. Er hat uns vorgeworfen,daß viele hier im Land, vor allem die junge Generation,mißtrauisch und unsicher gegenüber der Rentenversiche-rung sind. Das ist Ihre Hinterlassenschaft, mit der wir eshier zu tun haben.
Es ist Ihr Hü und Hott in den letzten Jahren gewesen,das die Rentner verunsichert hat.
Sie haben nicht nur die Rentner verunsichert. Sie ha-ben das Vertrauen in die Solidargemeinschaften dieserGesellschaft untergraben. Das macht mich nachdenklich.Das macht es auch so schwierig, die Aufgaben, die voruns liegen, zu definieren. Wir müssen nämlich das Ver-trauen der Bevölkerung in den Sozialstaat zurückgewin-nen.
Die materiellen Hinterlassenschaften, die sattsam be-kannt sind, sind die Dinge, mit denen wir uns im erstenSchritt auseinandersetzen müssen. Sie kennen dieseHinterlassenschaften alle. Die gestiegenen Sozialabga-ben sind eines der Probleme, weil Sie eine vollständigfalsche Finanzierung der deutschen Einheit zu Lastender Sozialkassen durchgesetzt haben.Dirk Niebel
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Ein anderes Problem, das auf dem Fuße folgt, ist dieMassenarbeitslosigkeit. Weitere Probleme sind derAusbildungsplatznotstand bei den Jugendlichen, derzum Himmel schreit, und last but not least, eine Schul-denlast, die einzig und allein zu Lasten der zukünftigenGeneration geht. Das sind die Schlaglichter der mate-riellen Hinterlassenschaft, die wir vorgefunden habenund die wir noch lange abarbeiten müssen, zu denen wirin diesem ersten Übergangshaushalt aber durchausschon adäquate Antworten gefunden haben.Wir haben die Lohnnebenkosten bereits gesenkt,und zwar zum 1. April. Herr Niebel, der Antrag, denSie eingebracht haben, um die Lohnnebenkosten zusenken, ist hübsch. Sie haben sie in den letzten Jahrenhochgetrieben, wir haben sie jetzt schon gesenkt. DasGeld, das Sie einsparen wollen, wollen Sie bei der ak-tiven Arbeitsmarktpolitik einsparen. Das ist wirklichlächerlich.
Wir wollen da nicht einsparen, sondern verstetigen.Deswegen haben wir in diesem Haushalt den Ansatz mit4,7 Milliarden DM erhöht. Wir wollen gegen die Ju-gendarbeitslosigkeit, die Sie uns hinterlassen haben,vorgehen. Deswegen haben wir bereits das Programmfür 100 000 Ausbildungsplätze für jugendliche Arbeits-lose auf den Weg gebracht. Wir reden nicht darüber,sondern wir sind mittendrin, und dieses Programm läuftgut an.Wir haben noch etwas anderes gemacht: Uns ist es ineiner sehr schwierigen Situation – Sie haben mit Ihremgescheiterten Bündnis für Arbeit sehr viel Vertrauenzerstört – gelungen, endlich wieder in ein Bündnis fürArbeit einzusteigen und Mißtrauen abzubauen.Meine Damen und Herren, das ist die eine Seite. Vielschwerer wiegt aber die andere, die nicht materielle Seite.In der Gesellschaft ist das Gefühl dafür verlorengegangen,was ihr eine Solidargemeinschaft geben kann.
Das ist unsere Herausforderung, die Schwierigkeitenbereitet. Das zeigt auch die Debatte um die Scheinselb-ständigkeit und die 630-Mark-Jobs. Meine These ist,daß es Ihnen hier in Wahrheit überhaupt nicht um diePraxisprobleme geht, die bei der Umsetzung aufgetretensind und die niemand leugnen will. Das sind Praxispro-bleme, mit denen wir uns natürlich auseinandersetzenwerden, wenn sie nicht der Intention der Gesetze zuwi-derlaufen.Frau Schwaetzer, ich habe sehr wohl begriffen, wasSie hier gerade gemacht haben: Sie haben nämlich wie-der einmal Fehlinformationen und Verunsicherung indie Bevölkerung gestreut.
Sie haben sich hier hingestellt und haben zum wieder-holten Mal behauptet, daß Versicherte in berufsständi-schen Gesellschaften mit diesem Gesetz in irgendwelcheKrisen getrieben würden. Das ist falsch. Auf diese Men-schen trifft dieses Gesetz gar nicht zu.
Sie arbeiten mit Fehlinformationen, weil Sie die Inten-tion dieses Gesetzes bekämpfen.
Die Intention dieses Gesetzes ist: Mißbrauch abbauenund verhindern. Die Intention des Gesetzes ist auch, zuverhindern, daß Menschen immer mehr in unversicherteZustände hineingedrängt und aus den Sozialversiche-rungen herausgedrängt werden, weil ihre Arbeitgeberdie Sozialabgaben umgehen wollen. Das kann nicht sein.Das wollen wir verhindern.
Ich sage Ihnen auch: Wir setzen uns durchaus mitdem auseinander, was in dieser – auch sehr ideologi-schen – Diskussion passiert. Wir wollen das gerade Ge-nannte erreichen. Was wir aber nicht wollen, ist natür-lich, zum Beispiel Existenzgründerinnen und Exi-stenzgründer zu behindern. Das wollen wir nicht, unddas werden wir nicht tun.
Wir haben bis zum heutigen Tage schon mehr für Exi-stenzgründerinnen und Existenzgründer getan als Sie inIhrer ganzen Regierungszeit.
Frau
Kollegin Dückert, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schemken?
Ich erlaube eine Zwischenfrage sofort, wenn ich denGedanken zu Ende geführt habe.
Zu dem Gedanken gehört noch, daß wir für die Exi-stenzgründerinnen und Existenzgründer auch in dieser Sit-zung etwas zur Abstimmung stellen, zum Beispiel inner-halb des SGB III. Wir arbeiten nicht nur an einzelnen Ge-setzen, sondern beispielsweise bei der Steuerreform an Un-terstützungsleistungen für Übergangszahlungen für Arbeits-lose, die eine Existenzgründung planen. In vielen Punktenarbeiten wir an diesem Problem. Genau das macht die dop-pelte Aufgabe unserer Sozialpolitik aus: für die abhängigBeschäftigten etwas zu tun, und für die, die flexibel in dieeigene Existenzgründung gehen, ebenfalls etwas zu tun.
Dr. Thea Dückert
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3255
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– Sie können sich gerne zu einer Zwischenfrage melden,das ist kein Problem.Herr Schemken, Sie können jetzt gerne Ihre Zwi-schenfrage stellen.
Herr
Kollege Schemken, bitte schön.
Frau Kollegin
Dückert, ich habe eine Frage: Halten Sie es wirklich für
berechtigt – ich unterstelle und gebe das auch zu: Wir
haben die Frage des 630-DM-Gesetzes in den letzten
Jahren nicht regeln können, weil das ein komplizierter
Vorgang ist –, daß Sie jetzt einen Rundumschlag
machen, mit dem Sie die Elemente des Ehrenamtes im
Sport, die Elemente des Ehrenamtes in der Kultur und in
der Sozialarbeit so stark treffen, daß die Leute draußen
dies nicht mehr verstehen, und sind Sie sich dessen
bewußt, daß es eine ganze Reihe von Menschen gibt
– auch in der Sozialarbeit –, die nicht mehr bereit sind,
diese komplizierten Vorgänge nachzuvollziehen – sie
auch nicht nachvollziehen können –, und die bis zu
40 Prozent und mehr Abgaben für eine Nebenbeschäfti-
gung zahlen, die sie im Ehrenamt tätigen?
Halten Sie es nicht für richtig, daß das Gesetz wenig-
stens in diesen Teilen sofort einer anderen Regelung be-
darf?
Herr Kollege, schönen Dank für Ihre Zwischenfrage und
auch schönen Dank dafür, daß Sie zugegeben haben, daß
Sie diesen Zustand in Ihrer Regierungszeit sozusagen
nicht bearbeitet haben,
sich aber auch nicht getraut haben, ihn zu bearbeiten. Sie
sind sehenden Auges in die exorbitante Zunahme von
unversicherten, nicht in der Sozialversicherung abge-
sicherten Beschäftigungsverhältnissen hineingerannt.
Sie machen in der Tat auf ein Problem aufmerksam;
ich weiß aber auch – wir setzen uns damit auseinander –,
daß hinsichtlich der Übungsleiter zur Zeit eine Debatte
läuft, in der sehr vieles miteinander vermischt wird und
in der man sehr vieles den Regelungen des 630-DM-
Gesetzes in die Schuhe schieben will. Es ist das Problem
der Trainingsleiter, der Trainer, die überhaupt nicht in
den Bereich von 630-DM-Tätigkeiten fallen, sondern die
in der Vergangenheit und auch jetzt sehr viel höher be-
zahlt worden sind, die in der Vergangenheit und auch
jetzt eben nicht richtig abgeführt haben; das gilt auch für
die Vereine. Das wird vermischt. Wir werden uns mit
diesem Problem auseinandersetzen, aber es hat nichts
mit den 630 DM zu tun. Wir werden uns auch mit dem
Problem ehrenamtlicher Tätigkeiten auseinandersetzen.
Aber auch dieses ist nicht über das 630-DM-Gesetz zu
regeln und muß dort auch nicht geregelt werden. Das ist
ein Problem, das wir erkannt haben und auch angehen
werden.
Meine Damen und Herren, es geht Ihnen – ich wollte
Ihnen das vorhin schon sagen – aber gar nicht um die
Intention des Gesetzes und um die Probleme der Praxis,
sondern Sie wollen das Gesetz in seinem Kern nicht.
– Der Herr Niebel sagt es gerade: Weg damit! Genau.
Sie wollen gegen den Mißbrauch von geringfügigen Be-
schäftigungsverhältnissen nichts tun.
Sie wollen nichts dagegen tun, daß reihenweise zum
Beispiel Lkw-Fahrer, die in einer abhängigen Beschäf-
tigung sind, einfach aus der Sozialversicherungspflicht
hinausgekickt werden. Sie wollen – jetzt komme ich zu-
rück zu meinem Gedanken, mit dem ich begonnen habe
– deshalb nichts dagegen tun, weil für Sie so etwas wie
Sozialversicherungshinterziehung ein Kavaliersdelikt
ist.
Das ist der Skandal an dieser Stelle.
Frau
Kollegin Dückert, erlauben Sie eine weitere Zwischen-
frage?
Ja, ich erlaube noch eine Zwischenfrage.
Bitte
schön.
Frau KolleginDückert, würden Sie denn vielleicht zumindest zugeste-hen, daß es in diesem Haus große Übereinstimmungdarüber gab und gibt, daß überall da, wo die 630-DM-Regelung mißbraucht wird, Regelungsbedarf anerkanntist, daß es aber möglicherweise Ihr Grundfehler war, daßüber das schnelle Handeln – und das ist ja wirklichschnelles Handeln mit der heißen Nadel gewesen –
nicht nur Mißbrauch bekämpft worden ist – Entschuldi-gung, das ist ein schwieriges Problem, und wir habennicht nur heute, sondern immer wieder gesagt, daß esschwer zu regeln ist –, daß also der Grundfehler einfachder war, daß Sie grundsätzlich bei 630-DM-Jobs ange-Dr. Thea Dückert
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setzt und gesagt haben: das ist alles Mißbrauch, das wirdjetzt alles geregelt, und genau dadurch die Probleme ent-standen sind, daß nämlich im Gaststättengewerbe, imBereich des Zeitungsaustragens und in vielen anderenBereichen das, was man nicht in sozialversicherungs-pflichtige Vollzeitarbeit umsetzen kann,
jetzt kaputtgeht und auf der Straße liegt? Das ist dasKernproblem, und deswegen ist das, was Sie gemachthaben, ein völliger Fehler gewesen. Stimmen Sie damitüberein?
Herr Kollege, ich möchte Ihnen darauf gern zwei Dinge
sagen. Ich denke, Sie haben eine große Verantwortung
für dieses Problem, weil Sie 16 Jahre lang zugesehen
haben,
wie sich dieser Bereich zu einem Problem in der Gesell-
schaft entwickelt hat.
Es war höchste Zeit, in diesem Bereich sehr schnell zu
handeln. Die Zahl dieser Beschäftigungsverhältnisse
– das können wir auch zeigen – hat sich in der Bundes-
republik Deutschland in kurzer Zeit um Millionen er-
höht, und gleichzeitig sind die Sozialkassen erodiert.
Das ist das eine Problem, mit dem wir uns auseinander-
setzen müssen.
Das andere Problem, das jetzt Ihren Widerspruch ge-
funden hat – ich will Ihnen gern noch in einem zweiten
Punkt antworten, Herr Kollege –, ist, daß wir es hier mit
einer Art Doppelmoral der Sozialstaatsbürger zu tun ha-
ben, nämlich derjenigen, die wie Sie auf der einen Seite
verbal die soziale Absicherung für die beschäftigten
Menschen einklagen, auf der anderen Seite mit den Ko-
sten nichts zu tun haben wollen, die auch Gegenstand
des Streits in der politischen Auseinandersetzung sind,
weil sich in den letzten Jahren mit diesen Millionen von
Arbeitsverhältnissen bei Scheinselbständigen und bei
geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen Nischen
entwickelt haben, in denen Leute sich eingerichtet ha-
ben, weil es diese Regelung gab. Diese Menschen kom-
men natürlich mit diesem Gesetz jetzt in schwierige Si-
tuationen. An dieser Stelle zeigt sich bezüglich des So-
zialstaatsgedankens eine gesellschaftliche Doppelmoral,
die uns in der Tat große Schwierigkeiten in der Ausein-
andersetzung um die geringfügig Beschäftigten bereitet.
– Ja, das war meine Antwort.
– Sie können gerne noch stehen bleiben. Das irritiert
mich nicht. Vielleicht steht mir dadurch sogar eine noch
längere Redezeit zur Verfügung.
Die Uhr
halten wir jetzt nicht mehr an.
Ich weiß, Herr Präsident.
Es bleibt an dieser Stelle noch viel zu sagen. Vieles
bleibt auch offen. Wir werden noch häufig darüber dis-
kutieren.
Ich wollte zum Ausdruck bringen, daß wir in dieser
Situation versuchen wollen, einen Sozialstaat modern zu
gestalten. Aber gleichzeitig sind wir in eine Situation ge-
raten, in der keiner so richtig begreifen will, daß Flexi-
bilität und soziale Sicherheit zusammen gehören und
daß wir Regelungen sowohl für neue Lebensverhältnisse
als auch für Existenzgründungen, für den Wechsel zwi-
schen Beschäftigung und Nichtbeschäftigung sowie für
den Wechsel zwischen Arbeit und Bildung und auch für
ganz normale Beschäftigung finden müssen. Wir müssen
auch Regelungen sowohl für flexible Arbeitsverhältnisse
als auch für feste Beschäftigungsverhältnisse finden.
Die Veränderung der gesellschaftlichen Entwicklung
ist eine sehr schwierige Aufgabe. Sie haben sich in den
letzten Jahren um diese Debatte gedrückt. Wir müssen
die entsprechenden Bereiche des Arbeitsmarktes und der
Rentenversicherung verändern. Das heißt – das glaube
ich mit Sicherheit –, auch hier werden uns noch sehr
heftige Debatten ins Haus stehen, weil wir mit sehr un-
terschiedlichen Ansätzen zur Sozialpolitik in die Debatte
einsteigen werden.
Zu einer
Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Dr.
Irmgard Schwaetzer. Bitte schön.
Ich kann mirvorstellen, liebe Kollegen von der SPD, daß Sie dasnicht so gerne hören.Frau Kollegin Dückert, Sie hatten mich direkt ange-sprochen und mir bzw. der F.D.P. unterstellt, sie wollenichts gegen Mißbrauch tun und würde sich deshalb umdieses Thema nicht kümmern.
Das Gegenteil ist der Fall.
Schauen wir uns zuerst einmal die Zahlen an, bevorwir von Mißbrauch sprechen. Der von Ihnen beklagteAnstieg der Zahl geringfügiger Beschäftigungsver-hältnisse ist nach einer Untersuchung des sozialwissen-schaftlichen Max-Planck-Instituts in Köln – dieses In-stitut steht uns nicht besonders nah – im wesentlichenauf eine Zunahme der Saisonarbeiter um 500 000 – dieseWolfgang Meckelburg
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3257
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(D)
Arbeiter werden von Ihrer Regelung überhaupt nicht er-faßt – und auf eine Zunahme der Beschäftigten imHaushalt von 300 000 zurückzuführen. Das kann mandiskutieren. Aber ich würde das nicht unbedingt alsMißbrauch bezeichnen. Deswegen kann von einem mas-senhaften Mißbrauch, den Sie immer behaupten, wirk-lich keine Rede sein.
Ein weiterer Punkt. Statt Ihrer überbürokratisiertenRegelung, mit der Sie die Leute nur aus ihrer Arbeitvertreiben, brauchen wir eine wirklich vernünftige Re-gelung für einen Niedriglohnsektor.
Aber das können Sie mit den Traditionskompanien derGewerkschaften, die dort drüben sitzen, nicht durchset-zen.Ich bin gespannt, wie Sie auf die Entwicklungen imNiedriglohnsektor reagieren werden. Das wird ja auchim Bündnis für Arbeit diskutiert. Wir, die F.D.P. arbei-ten an einem schlüssigen Konzept für diesen Nied-riglohnsektor, mit unserem Bürgergeld. Das werden wirdemnächst im Bundestag und auch in der Öffentlichkeitvorstellen. Es wäre vernünftig, Frau Dückert, in diesemSektor an einer Regelung zu arbeiten. Aber Ihre bisheri-gen Regelungen sind nicht vernünftig, weil sie nichtsvon dem bewirken, was Sie erreichen wollen. Diese Re-gelungen bewirken lediglich, daß Menschen aus Arbeitvertrieben werden.
Bürokratie ist nicht modern. Sie haben gesagt, Siewollten einen modernen Sozialstaat schaffen. Statt des-sen haben Sie nichts weiter als zusätzliche Bürokratiegeschaffen. Das ist 19. Jahrhundert. Sie sollten besserunserem Antrag zustimmen, in dem vorgesehen ist, die-se Regelungen abzuschaffen.
Frau
Kollegin Dückert, wollen Sie erwidern? – Bitte schön.
Frau Schwaetzer, allein die Tatsache, daß und wie wir in
den letzten Wochen über den Mißbrauch diskutiert ha-
ben, beweist, daß es einen erheblichen Mißbrauch in
diesem Bereich gibt. Das ist das erste, was ich Ihnen sa-
gen möchte.
Das zweite: Daß Sie nichts gegen diesen Mißbrauch
unternehmen wollen, beweisen a) die Vergangenheit, in
der Sie es schon lange hätten tun müssen, und b) Ihr
Antrag, in dem Sie uns auffordern, den Gesetzentwurf
zurückzuziehen.
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Monika Balt von der
PDS-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident!Sehr geehrte Damen und Herren! Mit großer Erwartungund mit viel Hoffnung schauten Hunderttausende ost-deutsche Rentnerinnen und Rentner am 28. April nachKarlsruhe. Es ging um die durch ihre Arbeit in der DDRerworbenen rechtmäßigen Ansprüche auf eine Zusatz-und Sonderversorgung.Jede und jeder Abgeordnete wußte, daß in diesem er-sten Halbjahr mit den Urteilen des Bundesverfassungs-gerichts zu rechnen war. Das spielte auch in den Haus-haltsdebatten des Haushalts- und des Finanzausschusseseine Rolle. Es ist daher unverständlich, daß dafür kei-nerlei finanzielle Vorsorge getroffen wurde.
Wir wollen, daß die Rentnerinnen und Rentner die ver-fassungsrechtliche Korrektur noch erleben, bevor die„biologische Lösung“ eintritt.
Betrachtet man die vier Urteile des Bundesverfas-sungsgerichts im einzelnen, dann erkennt man, daß beiden Rentnerinnen und Rentnern zweifellos sehr unter-schiedliche Wertungen vorgenommen werden. Insge-samt wird der Richterspruch nicht glücklich machen;aber er ist ein bedeutender Fortschritt in Richtung Ren-tengerechtigkeit.
Von grundlegender Bedeutung ist, daß die in derDDR erworbenen Versorgungsansprüche und -anwart-schaften unter den Eigentumsschutz des Grundgesetzar-tikels 14 gestellt worden sind – ein Recht, das bereitsseit 1980 für die alten Bundesländer gilt.Einen wichtigen Erfolg haben jene Klägerinnen undKläger errungen, die gegen das Rentenstrafrecht und ge-gen willkürliche, politisch motivierte Rentenkürzungenkämpften. Die Botschaft des Bundesverfassungsgerichtsan den Gesetzgeber lautet: Die politisch-moralischeWertneutralität des Rentenrechts ist ein hohes, durch dasGrundgesetz geschütztes Gut, das niemand verletzendarf.
Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz und denEigentumsschutz des Grundgesetzes dürfen nicht gedul-det werden.
Die Karlsruher Urteile sind eine schwere Schlappefür die abgewählte Kohl-Regierung. Die abgewählteKohl-Regierung wollte mit Rentenkürzungen politischstrafen.
Dr. Irmgard Schwaetzer
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3258 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Die PDS war die einzige Partei im Deutschen Bundes-tag, die von Anfang an konsequent gegen politisch mo-tivierte Rentenkürzungen auftrat.
Von der jetzigen Bundesregierung fordern wir dieschnelle Korrektur der verfassungswidrigen Normennoch in diesem Jahr. Außerdem fordern wir, die dafürnötigen Haushaltsmittel einzustellen. Für die gesetzli-chen Neuregelungen sind Mehrausgaben in dreistelligerMillionenhöhe zu erwarten. Diese erforderlichen Mittelmüssen im Nachtragshaushalt, spätestens aber im Haus-halt für das Jahr 2000 eingeplant werden.
Rentenkorrekturen und Nachzahlungen sind keine Ge-schenke, sondern gerechtfertigte Forderungen nach Lei-stungen, die jahrelang rechtswidrig vorenthalten wordensind.Vielen Dank.
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Birgit
Schnieber-Jastram. Bitte schön.
RichtigeVorfreude macht sich breit. Das freut natürlich auchmich. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle-gen! Es ist ein gutes Zeichen, daß wir hier streiten. Eszeigt, daß wir alle miteinander viel Engagement für die-sen Bereich haben. Vielleicht würden wir weniger strei-ten, wenn der Bundeskanzler das tun würde, was imGrundgesetz festgeschrieben ist, nämlich die Richtliniender Politik zu bestimmen.
Die Väter des Grundgesetzes hatten einen Kanzlervor Augen, der seinen Ministern klare Vorgaben für eineweitsichtige und vernünftige Politik macht. Was tut derKapitän dieses Schiffes Bundesrepublik? Was tut Kapi-tän Schröder? Er gibt eben keinen klaren Kurs vor;vielmehr handelt er nach der üblichen Devise: Na,schaun mer mal.Das hat Folgen. Die Fahrtrichtung dieses Schiffes än-dert sich ständig. Das bekommt besonders sein Steuer-mann für das überlastete Sozialschiff zu spüren – WalterRiester.
Er muß das Ruder des Sozialschiffes nämlich nach denWeisungen des Chefs immer wieder herumreißen. DieBesatzung wird seekrank, der Steuermann immer blas-ser, und Herr Schröder bringt die sturmerprobte Sozial-versicherung auf Schlingerkurs. Gerhard Schröder mu-tiert zum Käpten Chaos dieser Regierung.
Zum Thema Rente. Es ist nicht unsere Hinterlassen-schaft, Frau Dr. Dückert, durch die die Leute verunsi-chert werden, sondern es ist vielmehr Ihr Werk, daß dieLeute jetzt zutiefst verunsichert werden.
Ich will gerne noch einmal schildern, was wir hier erlebthaben: Erst mußte der Bundesarbeitsminister Riester denvon der alten Bundesregierung eingeführten und drin-gend notwendigen demographischen Faktor aussetzen.Daran erinnern Sie sich vielleicht noch.
Dann fällt dem Arbeitsminister auf, daß die Rentenfor-mel ohne den demographischen Faktor überhaupt nichtzu finanzieren ist. Herr Riester unternimmt einen Vor-stoß, um die Rentenformel zu korrigieren. Sogleich wirder vom Kanzler, dem Kapitän dieses Schiffes, öffentlichzurückgepfiffen. Nachdem Riester dann auf den Kursdes Chefs zurückgeschwenkt ist, gibt dieser schon wie-der ein Kommando – in die entgegengesetzte Richtung:Jetzt will der Kanzler doch wieder einen demographi-schen Faktor berücksichtigen. Durch dieses ständige Hinund Her dokumentieren auch die Grünen, die bislangimmer kreativ waren, die Orientierungslosigkeit, Hilflo-sigkeit und Selbstlähmung dieser rotgrünen Koalition.
Daß Sie dabei den Osten Deutschlands zum großenTeil ausblenden, mache ich Ihnen angesichts Ihrer son-stigen Deklamationen besonders zum Vorwurf. Ich nen-ne nur ein Beispiel: Kein Vertreter der neuen Bundes-länder arbeitet mit an der Organisationsreform der Ren-tenversicherung. Das sollten Sie zügig korrigieren.Noch schlimmer als in der Rentenpolitik – das ist jain den letzten Tagen und auch heute wieder mehrfachgesagt worden – treibt es der Herr Schröder mit seinemArbeitsminister. Sie tun mir wirklich leid angesichts derVorgänge um die 630-Mark-Jobs. Vernünftige Plänefür die Neuregelung der 630-Mark-Jobs, Herr MinisterRiester, wurden in Bausch und Bogen über Bord gewor-fen. Wir erinnern uns an die Aktuelle Stunde, in der oh-ne vorherige Information des Arbeitsministers, derFraktion und der vielen Frauen, die viele Jahre für etwasganz anderes gekämpft haben, hier etwas verkündetworden ist, das man Ihnen, Herr Minister, jetzt in dieSchuhe schiebt. Ich halte das für ein starkes Stück. Siesollten das nicht zulassen.
Ob Sie, Herr Bundesminister Riester, mit Ihren Me-thoden und Kriterien das Ziel der Fahrt, das weniger Ar-beitslose heißt, wirklich erreichen, frage ich mich schon;ebenso, ob man durch Kriminalisieren und Kanalisierenwirklich eine Senkung der Arbeitslosenzahl in diesemLande erreichen kann.
Der Schlingerkurs geht noch weiter. Die Neuregelungder Scheinselbständigkeit ist zum 1. Januar in KraftMonika Balt
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(D)
getreten. Was Sie, Frau Dr. Dückert, hier dazu gesagthaben, bedarf eigentlich keines weiteren Kommentars.Sie vergiften hier die Atmosphäre und nehmen Exi-stenzgründern den nötigen Hauch von Optimismus, denman bei solchen Vorhaben einfach braucht. Das ist eineKatastrophe. Sie gefährden zigtausend Arbeitsplätze.
Noch nie hat ein Gesetz in so kurzer Zeit so viel Scha-den angerichtet und selten so viel Widerspruch ausge-löst.
Frau
Kollegin Schnieber-Jastram, erlauben Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Brandner?
Ja.
Bitte
schön, Her Brandner.
Frau Schnieber-Jastram, Sie
haben gerade noch einmal festgestellt, welche chaoti-
schen Wirkungen die Gesetze zu den 630-Mark-Jobs
und der Scheinselbständigkeit ausgelöst haben. In mei-
ner Heimatzeitung „Die Glocke“ vom 4. Mai 1999 lese
ich –
– „Die Glocke“ ist eine christliche Heimatzeitung –:
Für die Zahlung von Sozialabgaben hat sich hinge-
gen schon seit 1988 die Gebäudereinigung
Schniersmeier GmbH in Gütersloh stark gemacht.
„Was wird später, woher soll die Rente kommen?“
So habe sie viele ihrer Angestellten davon überzeu-
gen können, auf Steuerkarte zu arbeiten, berichtet
die Seniorchefin Ursula Schniersmeier. Ihr ging es
dabei u. a. auch um den Aufbau von Stammperso-
nal, das ihrer Erfahrung nach die Kunden bevor-
zugten. All ihre derzeit 20 Beschäftigten arbeiten
auf Steuerkarte und im Schnitt sieben bis acht
Stunden. „Wir sind Befürworter dieses Gesetzes,
dann werden die Preise endlich normal“, freut sie
sich, beizeiten gehandelt zu haben.
Stimmen Sie mir zu, daß die Auswirkungen der Ge-
setze gar nicht so schlimm sind, sondern eher positiv
sind, weil sie aufdecken, wieviel Mißbrauch es in der
Vergangenheit gegeben hat? Die Gesetze helfen also,
daß Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und Ge-
rechtigkeit in den Sozialkassen erhalten bleiben.
Ich frage
mich, wo wir eigentlich leben. Wir sind doch mit Ihnen
froh, daß es so vernünftige Unternehmer gibt, die sagen:
Wir versuchen, reguläre Beschäftigung zu schaffen.
Aber eines müssen wir doch auch feststellen: Wir
treffen auch sehr viele und ganz andere Bereiche. Wenn
ich mir einmal die Diskussion im ehrenamtlichen Be-
reich vor Augen führe, dann frage ich Sie: Mit welcher
Argumentation wollen Sie vertreten, daß jemand, der
Übungsleiter in einem Sportverein ist, ob als Schein-
selbständiger oder als 630-DM-Kraft, in Höhe dieser
630 DM Aufwandsentschädigung erhält?
Ich stelle da nicht mehr die Frage, ob diese Tätigkeit
ehrenamtlich ist oder nicht. Das Entgelt deckt längst
nicht seinen Arbeitseinsatz. Deswegen muß dieses Ge-
setz zurückgenommen werden.
Frau
Kollegin, erlauben Sie eine Zusatzfrage?
Ja.
Bitte,
Herr Brandner.
Frau Schnieber-Jastram, ist
Ihnen der Unterschied zwischen der Aufwandsentschä-
digung für ein Ehrenamt und dem Entgelt für ein gering-
fügiges Beschäftigungsverhältnis, also einem Arbeits-
einkommen, bewußt?
Natürlichist mir der Unterschied bewußt. Sie führen jetzt hier einekleinkrämerische Diskussion,
die den letzten ehrenamtlich tätigen Leuten die Lustaustreibt, so etwas überhaupt noch zu machen.
Hunderttausenden von Übungsleitern erteilen Sie eineOhrfeige für das, was sie jahrelang gemacht haben, umfür junge Menschen die Arbeit zu verrichten, die beson-ders wichtig ist, nämlich ihnen die Freizeit zu gestalten.Das ist wirklich ein starkes Stück.
Diese Gesetze – darüber gibt es keinen Streit – ver-treiben die Gutwilligen und sind eine Einladung zurSchwarzarbeit.
Birgit Schnieber-Jastram
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3260 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Ich habe kürzlich in der Zeitung eine Anzeige gele-sen, wie man sie übrigens häufiger finden kann. Ich willnur einmal darauf hinweisen, was Sie mit Ihrer Politikauch anrichten. Dort hieß es:Wir – eine Gruppe mittelständischer Unternehmer –sind die ständig steigenden Eingriffe und die zu-nehmende Willkür des Fiskus leid. Deshalb agierenwir wie Multis, lagern Geschäft und Gewinne ausund sichern so den Bestand unserer Unternehmen.Wenn Sie dieses Ergebnis anstreben, nämlich dieLeute zu vertreiben, Arbeitsplätze abzubauen, dann sa-gen Sie das, und stehen Sie dazu.
Nun will ich, weil von Ihnen immer so gern behauptetwird, wir wollten nichts gegen Scheinselbständigkeittun, noch folgendes sagen: Es ist ja nicht so, daß es vor-her keine Verfahren gegeben hat. Frau Schwaetzer hatdas vorhin sehr schön dargestellt. Es gab einen klarenKriterienkatalog, nach dem geurteilt wurde. Unendlichviele Arbeitsplätze sind auf Grund dieser Urteile in dieBetriebe hinein zurückorganisiert worden. – Tun Sie al-so nicht so, als ob man vorher dem Wildwuchs Raumgelassen hätte. – Auch dies hat stattgefunden.Diese beiden Gesetze, die Sie uns vorgelegt haben,sind nicht nur steuerpolitisch, sondern insbesondereauch sozialpolitisch ein riesengroßer Skandal, die denSport, die Wohlfahrtsverbände und alle miteinander ver-schreckt haben, und vieles an Leistung findet nicht mehrstatt.
Deswegen hilft nur eins: Weg mit diesen Gesetzen!Die Gesetze sind das Destruktivste, was wir hier erlebenmußten. Nachbessern hilft hier nicht weiter. Im übrigenkann ich nur sagen: Das Wort „nachbessern“ eignet sichals Unwort des Jahres 1999.Stimmen Sie unserem Antrag auf Rücknahme derGesetze zu, machen Sie es nicht so wie kürzlich IhreKollegen im Bundesrat. Das war unaufrichtig, unehrlichund grenzte an politische Schizophrenie.Jetzt noch ein Wort zur Jugendarbeitslosigkeit. HerrSchurer, Sie haben dazu ein paar Ausführungen ge-macht. Vielleicht wissen Sie es nicht; deswegen möchteich es Ihnen gern noch einmal sagen: In der Zeit unsererRegierung hat es in jedem Jahr Mittel gegeben, um300 000 junge Menschen in überbetriebliche Ausbildungzu schicken. Es ist nicht so, daß wir nichts getan hätten.
Ich finde es sehr wichtig, daß Sie sich dies zu Gemüteführen. Es waren nicht nur 100 000 Plätze, über die wirgar nicht streiten wollen, sondern 300 000 Plätze jedesJahr für junge Leute.Ich möchte hier die Bundesregierung auffordern:Schaffen Sie endlich Klarheit in der Sozialpolitik! WennSie so weitermachen, dann brennt dieses Schiff baldlichterloh. Wir machen uns nicht nur Sorgen um denKapitän,
der sich vom sympathischen Käpten Blaubär zum Käp-ten Chaos entwickelt hat, sondern wir machen uns Sor-gen um den gemobten Steuermann, um den von Ihnenund dem Bundeskanzler gemobten Steuermann, dem dasRuder immer wieder aus der Hand geschlagen wird. Wirmachen uns aber am allermeisten Sorgen um die Passa-giere dieses Schiffes, denn sie sind die Leidtragendendieser Situation.
Für dieBundesregierung spricht jetzt der Bundesminister fürArbeit und Sozialordnung, Walter Riester.
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-zialordnung: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da-men und Herren! Frau Schnieber-Jastram, ich kommeauf Ihre Sorgen am Schluß meiner Rede zurück. Ich willmich zuerst dem Haushalt widmen.Der Bundeshaushalt, den die Bundesregierung Ihnenheute vorlegt, ist ein Haushalt der Verantwortung, derVerantwortung für die Arbeitslosen, für die Jugendli-chen und für das soziale Sicherungssystem. Mit diesemHaushalt bekämpfen wir die Arbeitslosigkeit und ver-stetigen die aktive Arbeitsmarktpolitik, und zwar aufhohem Niveau. Wir bauen den Arbeitslosen Brücken inden ersten Arbeitsmarkt. Mit diesem Haushalt unterstüt-zen wir die Bundesanstalt für Arbeit nicht zuletzt mitdem angesprochenen Programm zur zusätzlichen Be-kämpfung von Jugendarbeitslosigkeit.Frau Schnieber-Jastram, Sie haben recht, auch frühersind erhebliche Mittel eingesetzt worden. Nur die Mittelfür dieses Programm werden zusätzlich eingesetzt.Gleichzeitig werden weitere 300 000 Jugendliche überQualifizierungsmaßnahmen von der Bundesanstalt fürArbeit unterstützt.
Damit eröffnen wir den Jugendlichen zusätzlich Chan-cen – wie gesagt: zusätzlich und wahrscheinlich für we-sentlich mehr als 100 000 Jugendliche – für Ausbildung,Qualifizierung und Beschäftigung. Mit diesem Haushaltentlasten wir die Sozialversicherungen von versiche-rungsfremden Leistungen und senken damit die Lohn-nebenkosten.Der Haushalt des Bundesarbeitsministeriums istmit 172,4 Milliarden DM der größte Einzelplan desBundeshaushaltes. Insgesamt werden im Einzelplan 11für dieses Jahr rund 9 Milliarden DM mehr eingestellt,als dies die alte Bundesregierung vorsah. Das sindBirgit Schnieber-Jastram
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3261
(C)
(D)
9 Milliarden DM mehr für Arbeit und soziale Gerech-tigkeit. Das ist ein klares Signal an die Bürgerinnen undBürger: Wir halten, was wir versprochen haben.
Die Chancen für einen nachhaltigen Abbau der Ar-beitslosigkeit sind gut. Alle Prognosen gehen von einemweiteren Rückgang der Arbeitslosenzahlen aus.
– Es kommt keine Kündigungswelle. – Ich will auf dieZahlen kurz eingehen. Herr Kues sagte, die Zahl der Ar-beitslosen habe sich um 320 000 gesteigert. Er erwähnteaber nicht, daß diese Zahl auf den jedes Jahr im Winterwiederkehrenden saisonalen Anstieg der Arbeitslosig-keit basiert. Richtig ist, Herr Kues, daß wir im Jahres-vergleich im Januar 360 000, im Februar 360 000 undim März 340 000 Arbeitslose weniger hatten als imletzten Jahr. Ich glaube, im Durchschnitt gesehen sindwir auf einem guten Weg. Wir sollten alle daran arbei-ten, daß diese Entwicklung so weitergeht.
Die Chancen werden also wieder günstiger. Wir werdendiese positiven Rahmendaten für unsere Politik nutzen,die die Eckpfeiler für mehr Beschäftigung setzt.Menschen brauchen Chancen, durch Arbeit ihren Le-bensunterhalt eigenständig zu bestreiten. Das gilt ganzbesonders für die, die auf Grund ihrer Qualifikation,ihres Alters oder ihrer sozialen Situation nicht in der La-ge sind, aus eigener Kraft einen Job zu finden. Darumgenießt die aktive Arbeitsmarktpolitik Priorität in un-serem sozialpolitischen Handeln. Aktive Arbeitsmarkt-politik erhöht Chancen. Unser Grundsatz lautet deshalb,Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Ich betone noch einmal und ausdrücklich, daß unsereaktive Arbeitsmarktpolitik vor allem darauf ausgerichtetist, Menschen Brücken in den ersten Arbeitsmarkt zubauen. Deshalb haben wir die Ausgaben des Bundes fürdie Arbeitsförderung auf rund 43,3 Milliarden DM er-höht. Gegenüber dem Entwurf der alten Regierung istdies eine Steigerung von rund 1 Milliarde DM. Der Zu-schuß an die Bundesanstalt für Arbeit steigt von7,7 Milliarden DM in 1998 auf 11 Milliarden DM. Da-bei muß man aber sehen – diese Frage ist schon ange-sprochen worden –: In dieser Summe sind zusätzlicheaktive Maßnahmen der Arbeitsförderung und das Zwei-Milliarden-Sonderprogramm für die Jugend enthalten.Das ist Ausdruck eines politischen Kurswechsels. ImGegensatz zur alten Bundesregierung werden wir dieaktive Arbeitsmarktpolitik nicht von Wahlterminen odervon Entscheidungen wie beispielsweise vor dem Hinter-grund der Maastricht-Kriterien abhängig machen.
Um eines klarzustellen: Wir brauchen diese stabilenBrücken. Deshalb lehne ich eine Absenkung des Bun-deszuschusses entschieden ab. Die Bekämpfung derArbeitslosigkeit ist eine Aufgabe der gesamten Ge-sellschaft und nicht nur eine Aufgabe der Beitrags-zahler.Mit unserem Bundeshaushalt sorgen wir dafür, daßdie Bundesanstalt für Arbeit die Arbeitsmarktpolitikauf hohem Niveau verstetigt und neue Maßnahmen zumAbbau der Arbeitslosigkeit durchführen kann. Der Etatder Bundesanstalt für Arbeit für 1999 sieht Ausgabenvon 105,2 Milliarden DM vor. Für aktive Arbeitsmarkt-politik sind davon 41 Milliarden DM vorgesehen, knapp5 Milliarden DM mehr als im Haushalt 1998. Damit in-vestieren Bund und Bundesanstalt für Arbeit zusammen45,3 Milliarden DM in aktive Arbeitsmarktpolitik; dassind rund 6 Milliarden DM mehr, als von der alten Bun-desregierung vorgesehen waren.
Ich sage bewußt „investieren“; denn das sind Investitio-nen in die Zukunft unseres Landes und in die Zukunftunserer Bürgerinnen und Bürger.
– Für den Eingliederungstitel stehen mit 27,4 MilliardenDM rund 2,7 Milliarden DM mehr zur Verfügung als imletzten Jahr, um die Frage „Wo denn?“ zu beantworten.Die Arbeitsämter können damit Ermessensleistungen deraktiven Arbeitsmarktpolitik finanzieren.Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine derschlimmsten Hinterlassenschaften, die wir vorfanden, istdie hohe Jugendarbeitslosigkeit. Es ist und bleibt eineSchande für ein so reiches Land, wenn Hunderttausendevon jungen Menschen arbeitslos sind. Und zu den Regi-strierten kommen die nicht Registrierten: die daheimsind, die auf der Straße sind, die in Bildungsveranstal-tungen warten, weil sie keinen Zugang mehr zumArbeitsmarkt haben.
Nicht zuletzt deshalb haben wir unmittelbar gehandeltund das Sofortprogramm zur zusätzlichen Bekämpfungvon Jugendarbeitslosigkeit aufgelegt. Für dieses Pro-gramm sind im Haushalt der Bundesanstalt 19992 Milliarden DM vorgesehen, davon 600 Millionen DMaus dem Europäischen Sozialfonds. Der Schwerpunktder Förderung – über 40 Prozent der Mittel – liegt in derFörderung in Ostdeutschland.Das Sofortprogramm findet eine große Resonanz beiden Jugendlichen. Morgen wird der Präsident der Bun-desanstalt für Arbeit die neuesten Zahlen vorlegen. Biszum gestrigen Tag haben sich insgesamt 117 186Jugendliche in Maßnahmen aktiv beteiligt.
Bundesminister Walter Riester
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3262 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Herr
Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und
Sozialordnung: Ja, gerne.
Bitte
schön.
Herr Bundesmi-
nister, ich habe eine einfache Frage. Wir sind uns doch
sicher einig, daß der Großteil der Arbeits- und Ausbil-
dungsplätze für Jugendliche von Handwerkern und
Mittelständlern zur Verfügung gestellt wird. Nun geilen
Sie sich geradezu auf – –
– Warum denn so nervös? Der Bundesminister erklärt
doch zuhauf: Die Bundesregierung nimmt 2 Milliarden
DM in die Hand, um damit 100 000 Jugendlichen für ein
Jahr die Chance zu finanzieren, von der Straße wegzu-
kommen – vom Ziel her kein Problem!
Haben Sie aber einmal berechnet, wieviel Geld der
Staat damit für einen Jugendlichen aufwendet? Wenn
ich richtig gerechnet habe, sind es pro Monat 1 700 DM,
die Sie dem Jugendlichen, für den Ausbildungsplatz
zahlen. Welcher Handwerker wird in Zukunft noch
einen Jugendlichen ausbilden mit einem Gehalt in glei-
cher Höhe, wenn der Staat dieses Geld doch einfach zur
Verfügung stellt?
Das ist eine einfache Frage.
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und
Sozialordnung: Diese einfache Frage möchte ich auch
einfach beantworten: Ich wünsche mir, daß wir dafür
keine Mark mehr einsetzen müssen, weil jeder Betrieb,
jeder Handwerker Ausbildungsplätze zur Verfügung
stellt. Solange dies aber nicht so ist, müssen wir diese
Mittel einsetzen, weil die Jugendlichen ansonsten auf
der Straße liegen.
Herr
Bundesminister, einen Moment.
Herr Kollege Hornung, ich weise Sie darauf hin, daß
das Tätigkeitswort, welches Sie gebraucht haben, kein
parlamentarischer Ausdruck ist.
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und
Sozialordnung: Ich sagte, daß wir 117 186 Jugendlichen
– 41 Prozent davon in Ostdeutschland – die Chance ge-
geben haben, aktiv mitzumachen. Darauf können wir
stolz sein.
Ich habe das Gefühl, daß dies einige nicht so stehen
lassen können und deshalb in die Trickkiste greifen. Ich
betone daher: Wir sprechen die Jugendlichen an, die in
den letzten Jahren vergessen worden sind.
Wir sprechen sie so an, daß sie die gebotene Chance er-
greifen. Es handelt sich zum Teil um Jugendliche, die
keinen Hauptschulabschluß haben, die die Ausbildung
abgebrochen haben. Dort müssen wir auch kurzfristige
Maßnahmen ansetzen, Frau Schwaetzer.
Dadurch bekommen sie die Chance, daß ihnen über-
haupt eine Ausbildung vermittelt wird. Ausgebildeten
müssen wir Trainingsmaßnahmen anbieten, um ihnen
die Chance zu geben, überhaupt in den ersten Arbeits-
markt zu kommen. Ziel dieses Programms ist es, diesen
Jugendlichen eine Chance zu geben.
Herr
Bundesminister, erlauben Sie eine weitere Zwischenfra-
ge des Kollegen Niebel?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und
Sozialordnung: Ja.
Herr Bundesminister, stimmenSie mir zu
– ich könnte jetzt eine Frage stellen, worauf Sie mit die-ser Antwort ganz blöd dastehen –, daß die jetzige Regie-rung, als sie noch in der Opposition war, der damaligenBundesregierung vorgeworfen hat, Jugendliche inBerufsgrundbildungsjahren, in Berufsvorbereitungsjah-ren oder ähnlichen Maßnahmen seien eigentlich nur ver-steckte Arbeitslose, würden also die Statistik etwas ver-bessern?
Stimmen Sie mir ferner zu, daß exakt diese Jugendli-chen nach dem Sofortprogramm für Jugendliche, vondem Sie gerade gesprochen haben, als versorgte Bewer-ber gelten, also nicht in den Genuß der sogenannten er-leichterten Förderung kommen? Stimmen Sie mir letzt-lich zu, daß damit diejenigen, die sich noch letztes Jahrverweigert haben, an der Integration in den Arbeitsmarktmitzuwirken, belohnt werden?
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3263
(C)
(D)
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit undSozialordnung: Herr Niebel, in der Tendenz Ihrer Fra-gen stimme ich Ihnen nicht zu. Ich will dies ganz kurzbegründen: Ich glaube, es gibt kaum ein Programm, dasso viele Menschen erfaßt hat, die nicht als Arbeitslosegemeldet waren.
Ich finde es gerade toll, daß so viele, denen bekanntge-worden ist, welche Möglichkeiten bestehen, auf dieArbeitsämter zugehen und fragen: Kann ich mitmachen?Bekomme ich eine Chance? – Zum Teil wirkt sich diesüberhaupt nicht statistisch aus. Das ist mir auch völlig egal.Mir geht es um die Menschen und nicht um die Statistik.
Deswegen spreche ich hier nicht von verstecktenArbeitslosen, ich möchte keine Statistiken bereinigen.Ich möchte, daß den Menschen unter ihren spezifischenBedingungen geholfen wird, zum Beispiel den Behin-derten oder den Leistungsschwachen. Über 3 000 jungeBehinderte machen bei diesem Programm mit. Daraufkönnen wir alle stolz sein.
Herr
Bundesminister, erlauben Sie eine weitere Zwischen-
frage?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Ja.
Ich
möchte aber darauf hinweisen: Die Zeit ist so fortge-
schritten, daß ich darum bitte, daß anschließend keine
Zwischenfragen mehr gestellt werden.
Herr Kollege Kues.
Herr Minister, Siehaben eben, wenn ich das richtig verstanden habe, ge-sagt, daß Sie – in meinen Worten ausgedrückt – mit demProgramm im Grunde genommen die Schwächsten derSchwachen erreichen wollten.
Stimmt die Zahl, die ich vorhin genannt habe, daß45 Prozent derjenigen, die von dem Programm für100 000 Jugendliche profitieren, einen Hauptschulab-schluß und 42 Prozent zusätzlich einen Realschulab-schluß bzw. Abitur haben?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-zialordnung: Ich unterstelle einmal, daß die Zahl stimmt.
– Ich antworte gerade auf Herrn Kues; ich denke, er willdie Antwort von mir haben.
Ich möchte dazu aber eine Bemerkung machen, HerrKues. Das Programm schließt natürlich nicht aus, daßbeispielsweise jemand mit einem Realschulabschlußoder auch mit einer Ausbildung eine Förderung erhält,wenn er die zweite Hürde, den Sprung in den Arbeits-markt, nicht geschafft hat.
Aber der Schwerpunkt des Programms liegt in der Tatdarauf, den Leistungsschwächeren, die auf dem Marktwenig Chancen haben, Unterstützung zu geben. Das istder Schwerpunkt der Programms; insofern ist es absolutrichtig angelegt.
Vielleicht darf ich Ihnen ein Zitat aus einer der F.D.P.möglicherweise sehr nahe stehenden Zeitung, dem„Handelsblatt“, bringen. Es titelte am 30. März kurz undknapp: „Sofortprogramm ist voller Erfolg“. Dem möchteich von der Bewertung her eigentlich nichts mehr hinzu-fügen.
Unser Programm straft im übrigen all diejenigen Lü-gen, die behaupten, viele Jugendliche, vielleicht sogar dieMehrheit, wollten gar nicht arbeiten, sondern würden lie-ber in der sozialen Hängematte faulenzen. Weniger als3 Prozent der Jugendlichen erhielten Sperrzeiten und Lei-stungskürzungen, weil sie sich einem zumutbaren Ange-bot verweigert haben. Diese Zahl zeigt deutlich: Es machtkeinen Sinn, über eine Jugend mit Aussteigermentalität zuschwadronieren; es geht vielmehr darum, unserer Jugendeinen Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Genaudas machen wir, und darauf sind wir stolz.
Ich rate sehr dazu, auch den Oppositionskreisen –zum einen, weil das Programm nicht diskreditiert wer-den sollte, und zum anderen, weil in der Vergangenheitnicht sehr viele Zusatzaktivitäten dieser Art aufzuweisenwaren –, sich mit der Kritik etwas zurückzuhalten. Werüber Jahre hinweg diese Entwicklung hingenommen hat,darf heute nicht in dieser Weise auftreten.
Wer beispielsweise sagt – das haben wir vor kurzem inder Debatte gehört –, wir wollten mit diesem ProgrammJugendliche nur ruhigstellen, und wer unser Programmin verantwortungsloser Weise schlechtzureden versucht,anstatt mitzuhelfen, Jugendliche zur Teilnahme zu moti-vieren, der dient nicht der Jugend.
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3264 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Ein weiteres Element unserer aktiven Arbeitsmarkt-politik sind Strukturanpassungsmaßnahmen. Mit die-sen Maßnahmen werden zusätzliche Einstellungen inWirtschaftsunternehmen gefördert. Hinzu kommen Be-schäftigungsmaßnahmen in einer Vielzahl von Berei-chen, wie zum Beispiel Denkmalpflege, Umwelt und so-ziale Dienste. Für Strukturanpassungsmaßnahmen ste-hen im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit rund3,5 Milliarden DM bereit. Hinzu kommen weitere2 Milliarden DM aus dem Bundeshaushalt. Der gesamteAnsatz beträgt also 5,5 Milliarden DM.Mit diesen Mitteln wird 1999 im Jahresdurchschnittfür 210 000 Arbeitslose eine Beschäftigung ermöglicht.Mit rund 190 000 Förderungen liegt der Schwerpunkteindeutig und notwendigerweise in Ostdeutschland.In der Zukunft werden wir die Strukturanpassungs-maßnahmen noch zielgenauer und effizienter gestalten.Sie sollen damit ein wichtiges Instrument der Arbeits-marktpolitik insbesondere in Ostdeutschland bleiben.Die Forderung, den Titel „Strukturanpassungsmaß-nahmen“ um 200 Millionen DM aufzustocken, lehne ichjedoch ab. Sollte im Laufe dieses Jahres eine Verstär-kung dieses Titels erforderlich werden, kann auf nochvorhandene Verstärkungselemente zurückgegriffen wer-den.
– Herr Fuchtel hat große Erfahrung damit, nachzufragen,um welche Verstärkungselemente es sich handelt, weiler diesen Titel nie tatsächlich, sondern immer nur ausden Mitteln für das Arbeitslosengeld gedeckt hat. HerrFuchtel, wenn Sie danach fragen, dann ist dies etwasscheinheilig.
Es wird auch keinen Bewilligungsstopp geben, wiedies in den letzten Wochen mehrfach behauptet wordenist.Sehr verehrte Damen und Herren, die Strukturanpas-sungsmaßnahmen und das Programm gegen die Ju-gendarbeitslosigkeit machen deutlich: Die Bundesregie-rung nimmt ihre beschäftigungspolitische Verantwor-tung gegenüber den neuen Bundesländern sehr ernst,und sie handelt. Die Förderung der ostdeutschen Wirt-schaft ist für uns kein Lippenbekenntnis, sondern eineAufgabe, die wir mit ganz konkreten Maßnahmen ange-hen.Neben der Jugendarbeitslosigkeit ist die Langzeitar-beitslosigkeit eines der drängendsten Probleme auf demArbeitsmarkt. Auch hier ein paar Worte der Klarstel-lung: Mit dem Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz hat diealte Bundesregierung die Bedingungen für den Zugangvon Arbeitslosen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auskurzsichtigen und rein fiskalischen Erwägungen ver-schärft, indem nur noch Langzeitarbeitslose gefördertwurden.Doch die Langzeitarbeitslosigkeit kann, so denkenwir, am wirksamsten bekämpft werden, wenn bereits imVorfeld angesetzt wird. Daher ist es in Übereinstim-mung mit den Zielen der europäischen Beschäftigungs-politik sachgerecht, einen früheren Eintritt der Arbeits-losen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu ermögli-chen. Deshalb wollen wir mit dem Zweiten SGB III-Änderungsgesetz erreichen, daß Arbeitslose bereits beisechsmonatiger Arbeitslosigkeit über eine Zuweisung ineine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vor Langzeitar-beitslosigkeit möglichst bewahrt werden.
Ein wichtiges Instrument zur WiedereingliederungLangzeitarbeitsloser ist aber auch das Langzeitarbeitslo-senprogramm. Bis zum Jahr 2001 stehen nun jährlich750 Millionen DM zur Verfügung. Damit können wir50 000 Langzeitarbeitslosen zu einem Neuanfang ver-helfen.
– Herr Niebel, was heißt „wie bisher“? Vieles ist wiebisher. Nicht alles ändert sich. Aber wir setzen neueSchwerpunkte.
Für die Betroffenen ist das ein wichtiges Signal derHoffnung, der Hoffnung, in den ersten Arbeitsmarkt, ineine reguläre Beschäftigung zurückkehren zu können.Ich betone es nochmals – dies ist das oberste Ziel unse-rer aktiven Arbeitsmarktpolitik– : Wir wollen Brückenin den ersten Arbeitsmarkt bauen. Darum geht es.
Ich habe soeben darauf hingewiesen: Unsere arbeits-marktpolitischen Instrumente müssen präventiv wirken.Deshalb wollen wir in dieser Legislaturperiode auch dasArbeitsförderungsrecht reformieren. Wir wissen: Einesorgfältige Überarbeitung des Dritten Buches Sozialge-setzbuch braucht Zeit. Dringende Probleme wollen wirallerdings sofort anpacken. Deshalb bringen wir schonheute den Entwurf eines Zweiten SGB III-Änderungs-gesetzes in die parlamentarischen Beratungen ein.Mit diesem Gesetzentwurf verfolgen wir drei Ziele:Erstens. Die aktive Arbeitsmarktpolitik soll effizi-enter und zielgenauer als bisher auf die Problemgruppendes Arbeitsmarktes ausgerichtet werden. Langzeitar-beitslose, ältere Arbeitslose und Arbeitslose, denenLangzeitarbeitslosigkeit droht, sollen leichter in reguläreBeschäftigungsverhältnisse integriert werden können.Dafür müssen die Arbeitsförderungsleistungen besserauf die besonderen Vermittlungsprobleme gerade dieserProblem- und Personengruppen ausgerichtet sein. Dafürwerden wir die Zahlungen von Eingliederungszuschüs-sen an Arbeitgeber erleichtern, die ältere Arbeitnehmereinstellen.
– Unsere Diskussion über die Nachbeschäftigungspflichthaben Sie zu Recht angesprochen. Wir setzen damitBundesminister Walter Riester
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3265
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exakt bei Älteren, besonders schwer Vermittelbaren an.Ich habe Ihnen damals richtigerweise geantwortet: Dieunkonditionierten Lohnkostenzuschüsse alter Prägungmüssen konditioniert werden. In bezug darauf sehe icheinen anderen Ansatz als bei älteren Arbeitslosen, dieintegriert werden sollen.
Die Beschäftigung in Arbeitsbeschaffungsmaß-nahmen wird in Zukunft nicht mehr an Langzeitar-beitslosigkeit geknüpft sein. In den neuen Bundeslän-dern und in Arbeitsamtsbezirken mit besonders hoherArbeitslosigkeit werden wir gezielte Strukturanpas-sungsmaßnahmen anbieten. Die Neuregelung bei denStrukturanpassungsmaßnahmen zielt auch darauf ab, mitdiesem Instrument gezielter als bisher die besonders för-derungswürdigen Personengruppen wieder in Beschäfti-gung zu bringen.Zweitens. Ein weiteres Ziel des vorliegenden Gesetz-entwurfes ist es, sozialpolitische Härten, die mit der Ge-setzgebung der früheren Koalition eingetreten sind, zubeseitigen.Drittens. Wir entlasten die Arbeitsämter von über-flüssiger Verwaltungsarbeit und Bürokratie.Zu den letzten beiden Zielen möchte ich nur ein Bei-spiel nennen: Die frühere Bundesregierung hat die Ar-beitslosen grundsätzlich verpflichtet, ihre persönlicheArbeitslosmeldung im Abstand von drei Monaten zuerneuern. Das hat bei den Arbeitsämtern zu einem er-heblichen Verwaltungsaufwand geführt und wichtigeBeratungskapazitäten blockiert. Ertrag und Aufwandstanden – das hat im übrigen schon mein Vorgängererkannt – in keinerlei Verhältnis zueinander. DieseMeldepflicht soll entfallen, und ich denke, es ist richtig,daß sie entfällt.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, denwir heute einbringen, enthält wirksame Soforthilfen fürArbeitslose und für Arbeitsämter. Er ist aber nur ein er-ster Schritt. Er soll keineswegs die grundlegende Re-form der Arbeitsförderung ersetzen, die wir in dieserLegislaturperiode vornehmen werden.Wir haben unseren Wählerinnen und Wählern ver-sprochen, die Lohnnebenkosten zu senken. Auch diesesWahlversprechen haben wir gehalten.
Der Beitragssatz bei der Rentenversicherung wurdezum 1. April 1999 auf 19,5% abgesenkt. Das ist die ersteSenkung des Rentenbeitrages seit vielen, vielen Jahren.
Diese Senkung wird dadurch ermöglicht, daß wir dieBeitragszahlung für die Kindererziehung an die Renten-versicherung übernehmen. Sie beläuft sich allein in die-sem Haushaltsjahr auf 13,6 Milliarden DM. Außerdemerstattet der Bund die einigungsbedingten Leistungen inder Rentenversicherung. Für das nächste Jahr bedeutetdas eine Entlastung der Rentenversicherung um 25 Mil-liarden DM. Es ist das erste Mal, daß wir sagen können:Die Diskussion über die versicherungsfremden Leistun-gen im Rentenversicherungssystem ist zu Ende. Das istein wichtiger und guter Schritt.
Meine Damen und Herren, es ist leider keine Selbst-verständlichkeit, daß eine Regierung so schnell die Ver-sprechen einlöst, die sie im Wahlkampf gemacht hat.
Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition,sage ich: Natürlich akzeptieren wir Kritik,
sofern sie inhaltlich begründet ist. Wir sind aber nichtgewählt worden, weil wir genau das gleiche wollen wieSie. Was ich allerdings nicht akzeptiere, ist eine doppel-bödige Argumentation.
Sie haben die versicherungsfremden Leistungen in derRentenversicherung auf ein Rekordniveau angehoben.Jetzt kritisieren Sie unsere Gegenmaßnahmen.
Sie haben tatenlos zugesehen, daß die Jugendarbeitslo-sigkeit immer stärker zunimmt. Jetzt werfen Sie uns vor,wir wollten mit unserem Sofortprogramm ein Strohfeuerentfachen
und – schlimmer noch – Jugendliche nur ruhigstellen.Das finde ich schon ein starkes Stück.
Sie haben es versäumt, die Sozialversicherung an dieneue Arbeitswelt anzupassen. Darauf habe ich nur eineklare Antwort: Wenn es modern ist, tatenlos zuzusehen,wie sich die Arbeitswelt verändert und wie immer weni-ger Menschen vor den großen Lebensrisiken geschütztwerden, wenn es modern ist, einerseits soziale Sicherheitzu fordern, andererseits aber keinen Pfennig dafür auf-zubringen, wenn es modern ist, arbeitslose Jugendlicheim Regen stehen zu lassen – wenn das alles modern ist,dürfen Sie mich unmodern schimpfen. Allerdings müs-sen wir uns dann aber, so glaube ich, auf einen neuenBegriff der Modernität verständigen.
Wir bringen heute ein Vorschaltgesetz ein, das dieaktive Arbeitsmarktpolitik effizienter, zielgenauer undBundesminister Walter Riester
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3266 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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gerechter macht. Dafür bitte ich um Zustimmung. Wirlegen heute vor allem aber einen Haushalt der Verant-wortung vor – einen Haushalt, der für unsere Bürgerin-nen und Bürger eine wichtige Botschaft enthält. DieseBotschaft lautet, daß seit dem letzten Herbst in der Poli-tik nicht nur versprochen, sondern auch gehalten wird.
Deshalb bitte ich um Zustimmung für diesen Bundes-haushalt und um Ablehnung der Anträge der Opposition.Herzlichen Dank!
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, es folgen jetzt noch eine
Kurzintervention und anschließend ein Redebeitrag. Da-
nach kommen wir zur namentlichen Abstimmung. Ich
bitte Sie, den Rednern jetzt noch Gehör zu schenken und
etwas Ruhe walten zu lassen. Wer das nicht will, kann
so lange in der Lobby warten.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der
Kollegin Schnieber-Jastram.
Herr Rie-
ster, Sie hatten zu Beginn der Rede gesagt, Sie würden
auf das Bild eingehen, das ich in meinem Debattenbei-
trag gemalt habe. Es handelt sich um das Bild von dem
Schiff, auf dem Käpten Chaos Gerhard Schröder regiert
und auf dem Sie der Steuermann sind, dem das Steuer
ständig herumgerissen wird. Ich würde mich freuen,
wenn Sie darauf noch eingingen.
Der Mi-
nister will nicht erwidern.
Wir kommen nun zur Rede des Kollegen Johannes
Singhammer von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsi-dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! HerrBundesarbeitsminister Riester, Sie haben – in einemSatz zusammengefaßt – ein großes Problem; das doku-mentieren heute die Zeitungen und die Umfragen, denenSie gegenüberstehen. Das Problem ist: Seit dem Regie-rungsantritt von Rotgrün ist es in Deutschland nicht so-zial gerechter, sondern sozial ungerechter geworden.
Nirgendwo sonst als in der Sozial- und Arbeitsmarkt-politik fühlen sich immer mehr Menschen in Deutsch-land enttäuscht und getäuscht, wenn sie die Ankündi-gungen von Rotgrün vor der Wahl mit der Wirklichkeitneun Monate nach der Wahl vergleichen.
Das betrifft vor allem die Menschen mit kleinem Geld-beutel.
Was Sie jetzt gestartet haben – heute in der Pressenachzulesen –, ist die Ankündigung von neuen Ein-schnitten und, damit verbunden, eine schlimme Kampa-gne zur Verunsicherung der Menschen.
Was soll noch alles gekürzt werden? Heute wurde in denZeitungen spekuliert: Pensionen sollen gekürzt werden,Personal des Bundes soll entlassen werden, Erziehungs-geld soll gekappt werden, und der Wohnungsbau sollgekürzt werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, der selbst-gewählte Erfolgsmaßstab dieser Regierung soll – daraufhat gestern schon unser Landesgruppenvorsitzender hin-gewiesen – der Arbeitsmarkt sein. Der Bundeskanzlerhat in seiner Regierungserklärung formuliert:Wir wollen uns jederzeit – nicht erst in vier Jahren– daran messen lassen, in welchem Maße wir zurBekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen.Heute, am 6. Mai 1999, legen wir die Meßlatte an. Dieentscheidende Erfolgszahl ist die Beschäftigtenzahl. Seitdem Amtsantritt dieser rotgrünen Regierung ist die Zahlder Beschäftigten nicht mehr und nicht weniger als umdie Einwohnerzahl einer Stadt wie Bonn samt Vorstäd-ten gesunken; saisonale Aspekte sind dabei berücksich-tigt. Das sind 337 000 Personen.
Die Zukunft verheißt nichts Gutes. Als eine neueIkone der Gesetzgebungskunst angekündigt, ist Ihnendas 630-Mark-Gesetz gründlich mißraten.
Auf uns kommt – das kündigen die Verbände schon an –eine riesige Flutwelle von Entlassungen zu. Das ist einpolitischer Tsunami ungeahnten Ausmaßes.
Wie viele Arbeitsplätze zertrümmert werden, kann zurStunde noch keiner sagen. Durch die Bekämpfung dersogenannten Scheinselbständigkeit wird die Schaffungneuer Existenzen verhindert.Sehr geehrter Herr Bundesarbeitsminister, Sie habenhier eine gespaltene Richtlinienkompetenz geschaffen:Die Richtlinienkompetenz im Kabinett hat der Bundes-kanzler, die Richtlinienkompetenz in der SPD-Fraktionhat der Bundesarbeitsminister, und die Richtlinienkom-petenz in Ihrem Ministerium hat der Staatssekretär And-res, der schon heftig mit den Füßen scharrt. Das ist abernicht nur ein Problem dieser Bundesregierung; denn wennder Regierungschef den Eindruck erweckt bzw. nicht wi-derspricht, daß dieser Arbeitsminister ein Arbeitsministerauf Abruf ist, dann sind dessen Möglichkeiten der Durch-setzung von großen Vorhaben und Reformen in dieserschwierigen Zeit mehr als begrenzt, weil ihn niemandBundesminister Walter Riester
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mehr ernst nimmt. Dann ist es ein Problem dieses Staatesund auch der vielen Arbeitslosen, die auf Sie zunächsteinmal Hoffnungen gesetzt haben.
Auch die Rechnung mit dem „Bündnis für Arbeit“geht nicht auf. Statt klarer Richtungsentscheidungen fa-sert dieses Bündnis in ein Gestrüpp von Arbeitsgruppen,Unterarbeitsgruppen, Kreisen und Zirkeln aus. WelchenErfolg soll dieses Bündnis haben, wenn einer der Part-ner, die am Tisch sitzen, nämlich die Bundesregierung,einen Entwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsge-setzes in der Schublade hat, der von einem anderenPartner, in dem Fall der Arbeitgeberseite, als An-griffsplan gegen unternehmerische Selbständigkeit ge-wertet wird? Das kann doch nicht gutgehen.Morgen soll der Doppelpaß beschlossen werden.
Sie wollen den Doppelpaß durch die Hintertür einfüh-ren.
Das Ganze ist umstritten. Eines steht aber fest – daskönnen auch Sie nicht leugnen –, nämlich daß diesesGesetzgebungsvorhaben zumindest mittelfristig erheb-liche Auswirkungen auch auf den Arbeitsmarkt habenwird. Es steht fest, daß die Zahl der Arbeitsuchendendurch dieses neue Vorhaben nicht kleiner, sondern grö-ßer wird; und der Konkurrenzkampf auf dem Arbeits-markt wird nicht abnehmen, sondern zunehmen.Um speziell die ausländischen Arbeitnehmer besserzu integrieren, wäre unser Vorschlag gewesen, bei-spielsweise ein Programm zur verbesserten Sprachförde-rung aufzulegen. Damit hätten Sie mehr für die Bekämp-fung der Arbeitslosigkeit getan als mit diesen Schein-integrationsmaßnahmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Siemich zum Schluß kommen.
Mit den Gesetzen zu den 630-Mark-Jobs und zurScheinselbständigkeit ist Ihnen ein gesetzgeberischerGAU geglückt, der in der bisherigen Geschichte derBundesrepublik Deutschland beispiellos ist. Ich sageIhnen allen, auch Ihnen, Herr Schösser, heute schon vor-aus: Das Gesetz, das Sie morgen verabschieden wollen,
ist sowenig durchdacht und noch schlampiger gemachtals das bisherige, so daß es in all seinen Auswirkungenauf den Arbeitsmarkt ein gesetzgeberischer Super-GAUwerden wird.
Ich schlie-
ße die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen,
und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/933. Die Fraktion der
CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind die Plätze
eingenommen? – Das scheint der Fall zu sein. Ich eröff-
ne die Abstimmung.
Sind alle Stimmkarten abgegeben worden? – Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Wir setzen die Abstimmungen fort. Darf ich Sie bit-
ten, die Plätze einzunehmen und sich hinzusetzen, damit
man das Ergebnis richtig feststellen kann.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs-
antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache
14/932. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Dann darf ich feststellen, daß der
Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ab-
gelehnt worden ist.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/935: Wer stimmt da-
für? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei
Zustimmung von CDU/CSU und F.D.P. und Enthaltung
der PDS abgelehnt worden.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion der F.D.P.
auf Drucksache 14/919. Wer stimmt dafür? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der
Fraktion der PDS bei einigen Enthaltungen der CDU/
CSU-Fraktion, einigen Zustimmungen der CDU/CSU-
Fraktion und voller Zustimmung der F.D.P.-Fraktion
abgelehnt worden.
Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/968.
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen, der Fraktionen der CDU/CSU und der
F.D.P. bei Zustimmung der Fraktion der PDS abgelehnt
worden.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
Liebe Kolleginnenund Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder er-öffnet.Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion derCDU/CSU auf Drucksache 14/933 bekannt. AbgegebeneStimmen 615. Mit Ja haben gestimmt 288, mit Nein ha-ben gestimmt 327, Enthaltungen keine. Der Änderungs-antrag ist abgelehnt.––––––*) Seite 3268–3270Johannes Singhammer
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3268 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 615;davon:ja: 288nein: 327JACDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserDr. Norbert BlümDr. Maria BöhmerSylvia BonitzWolfgang Börnsen
Dr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepePaul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward BuwittCajus CaesarManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Hubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke EymerIlse FalkDr. Hans Georg FaustUlf FinkIngrid FischbachDirk Fischer
Axel E. Fischer
Herbert FrankenhauserDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisDr. Heiner GeißlerGeorg GirischMichael GlosDr. Reinhard GöhnerDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillHermann GröheManfred GrundCarl-Detlev Freiherr vonHammersteinGottfried Haschke
Gerda HasselfeldtNorbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen HedrichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesSiegfried HornungJoachim HörsterHubert HüppePeter JacobySusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlBartholomäus KalbSteffen KampeterDr. Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertManfred KolbeNorbert KönigshofenEva-Maria KorsThomas KossendeyRudolf KrausDr. Martina KrogmannDr. Paul KrügerDr. Hermann KuesKarl LamersDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß
Erwin MarschewskiDr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsDr. Gerd MüllerBernward Müller
Elmar Müller
Günter NookeFranz ObermeierFriedhelm OstEduard OswaldNorbert Otto
Dr. Peter PaziorekAnton PfeiferBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDr. Bernd ProtznerDieter PützhofenThomas RachelDr. Peter RamsauerHelmut RauberPeter RauenChrista Reichard
Erika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt RossmanithAdolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian RuckDr. Jürgen RüttgersAnita SchäferDr. Wolfgang SchäubleHeinz SchemkenKarl-Heinz ScherhagGerhard ScheuNorbert SchindlerDietmar SchleeBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Hans Peter Schmitz
Michael von SchmudeBirgit Schnieber-JastramDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika SchuchardtDiethard W. Schütze
Clemens SchwalbeWilhelm-Josef SebastianHorst SeehoferHeinz SeiffertRudolf SeitersWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteWolfgang SteigerDr. Wolfgang Freiherr vonStettenAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblThomas StroblMichael StübgenDr. Rita SüssmuthEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlGunnar UldallArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffDr. Theodor WaigelPeter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter WillschWilly Wimmer
Werner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerF.D.P.Hildebrecht Braun
Rainer BrüderleErnst BurgbacherJörg van EssenUlrike FlachGisela FrickPaul K. FriedhoffHorst Friedrich
Rainer FunkeDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannJoachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherKlaus HauptUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeSabine Leutheusser-SchnarrenbergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingHans-Joachim Otto
Vizepräsident Rudolf Seiters
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3269
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Detlef ParrCornelia PieperDr. Günter RexrodtDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerDr. Irmgard SchwaetzerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerCarl-Ludwig ThieleDr. Dieter ThomaeDr. Guido WesterwellePDSMonika BaltDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsFred GebhardtDr. Gregor GysiDr. Barbara HöllCarsten HübnerUlla JelpkeSabine JüngerGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthManfred Müller
Kersten NaumannRosel NeuhäuserPetra PauDr. Uwe-Jens RösselGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertDr. Winfried WolfNeinSPDBrigitte AdlerGerd AndresRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseDr. Eberhard BrechtRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenRudolf DreßlerDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherIris FollakNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich
Harald FrieseArne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannChristel HanewinckelAlfred HartenbachKlaus HasenfratzNina HauerHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannMonika HeubaumUwe HikschReinhold Hiller
Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerHans-Ulrich KloseFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickDr. Uwe KüsterWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnRobert LeidingerKlaus LennartzDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieIngrid Matthäus-MaierHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingAndrea NahlesVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Willfried PennerDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterReinhold RobbeGudrun RoosRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Gerhard RübenkönigMarlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildOtto SchilyDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerOlaf ScholzKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGisela SchröterDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Volkmar Schultz
Ilse SchumannEwald SchurerDr. R. Werner SchusterDietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-DürenVizepräsident Rudolf Seiters
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3270 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Ernst SchwanholdRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerHans-Joachim WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelDr. Norbert WieczorekHelmut Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützHeino Wiese
Klaus WiesehügelBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfPeter ZumkleyBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMarieluise Beck
Volker Beck
Angelika BeerMatthias BerningerAnnelie BuntenbachEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellKatrin Göring-EckardtRita GrießhaberWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtDr. Angelika Köster-LoßackSteffi LemkeDr. Helmut LippeltDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKlaus Wolfgang Müller
Kerstin Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstClaudia Roth
Christine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleJürgen TrittinDr. Antje VollmerLudger VolmerSylvia VoßHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungendes Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPUAbgeordnete(r)Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSUIch bitte nun diejenigen, die dem Einzelplan 11 in derAusschußfassung zustimmen wollen, um das Handzei-chen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Einzel-plan 11 ist mit den Stimmen von SPD und Bünd-nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSUund F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-wurfs auf Drucksache 14/873 an die in der Tagesord-nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen; der Ge-setzentwurf soll allerdings nicht dem Ausschuß für Ge-sundheit überwiesen werden. Gibt es anderweitige Vor-schläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überwei-sung so beschlossen.Ich rufe auf:Einzelplan 06Bundesministerium des Innern– Drucksachen 14/606, 14/622 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Werner HoyerGunter WeißgerberLothar MarkOswald MetzgerCarl-Detlev Freiherr v. HammersteinHerbert FrankenhauserDr. Christa LuftEinzelplan 33Versorgung– Drucksache 14/300 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Günter RexrodtEwald SchurerJosef HollerithOswald MetzgerHeidemarie EhlertZum Einzelplan 06 liegen vier Änderungsanträge derFraktion der PDS vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für dieCDU/CSU-Fraktion der Kollege Carl-Detlev Freiherrvon Hammerstein.
Der Einzelplan 06, den wir heute verabschieden, er-weckt in mir ein bißchen Verwunderung und Erstaunen;denn Minister Schily hat mit wenigen Ausnahmen denVizepräsident Rudolf Seiters
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Entwurf von Herrn Kanther übernommen. Es freut mich,daß er ihn übernommen hat, zeigt dies doch, daß dieVorplanung sehr gut war.Über einige Teilbereiche bin ich allerdings erstaunt,Herr Kollege Schily, so über den der inneren Sicherheit.Wenn ich noch daran denke, wie Sie sich im letztenHerbst vor der Bundestagswahl ständig massiv gegendie innenpolitischen Vorschläge unserer Koalition aus-gesprochen haben, dann bin ich erstaunt darüber, wieschnell Sie sich in diesem Bereich gewandelt haben.Ich möchte zunächst die Bereiche ansprechen, die ichfür positiv halte. Als erstes möchte ich mich im Namenmeiner Fraktion bei den Frauen und Männern des BGSfür ihre Arbeit und Engagement bedanken. Wie flexibelund hochmotiviert diese Polizei des Bundes sein kann,hat sich unter anderem bei den Einsätzen im Zusam-menhang mit der Kosovo-Krise gezeigt. Ich begrüße esdeshalb, daß es uns gemeinsam über die Parteigrenzenhinweg mit dem Minister in den Haushaltsberatungengelungen ist, zahlreiche Hebungen im Bereich des mitt-leren und des gehobenen Dienstes vorzunehmen; dennich bin der Auffassung, daß gute Leistung auch belohntwerden muß. Ich bin überzeugt, daß der BGS gut ausge-bildete und hochmotivierte Mitarbeiter braucht, um dieSicherheit in unserem Land auch zukünftig zu gewähr-leisten.Bereits in meiner Rede zur ersten Lesung hatte ichdarum gebeten, Herr Minister, auch dafür Sorge zu tra-gen, daß die BGS-Mitarbeiter mit gutem Material ausge-stattet werden; denn es gibt inzwischen Probleme invielen Bereichen des Verbrechens, weil die Methodenimmer raffinierter werden. Deshalb ist es meines Er-achtens unsere Aufgabe, die Frauen und Männer desBGS mit gutem Material auszurüsten.Ein weiterer positiver Aspekt: Ich möchte im Namenmeiner Fraktion auch dem THW ganz herzlich danken.Ich bin froh, daß die Koalitionsmitberichterstatter, nach-dem sie zunächst 5 Millionen DM einsparen wollten,meinem Vortrag gefolgt sind und dies nicht getan haben.Nur verärgert sein kann man dagegen – das ist im Be-reich des Amtes für Zivilschutz, Herr Minister, schonfast ein Kahlschlag – über die gewaltigen Kürzungen imAusbildungsbereich von 4 Millionen DM auf 2,9 Mil-lionen DM. Um 5 Millionen DM werden die Gelder fürWartung und Instandsetzung zusammengestrichen. Zu-sätzlich werden noch weitere Millionen in verschie-denen Teilbereichen eingespart.Diese Kahlschlagpolitik führt zu hoher Frustration beiden vielen ehrenamtlichen Helfern im Zivilschutz undbelastet darüber hinaus die Kommunen, die den Brand-schutz nun ohne Unterstützung durch Gerät des Bundesgewährleisten müssen. Ich denke hier, Herr Minister,nur an die Katastrophen bei der Deutschen Bahn, beidenen gerade die Feuerwehr immer als erste vor Ortwar. Sie trägt damit große Verantwortung. Hier ist mei-nes Erachtens eine Nachbesserung nötig.Ich freue mich, daß Sie, Herr Minister, und Ihre Kol-legen sich meinen Sachargumenten angeschlossenhaben, als es um die den THW betreffenden Kürzungenging. Es ist gut, daß wir es so verabschiedet haben.Zum Einzelplan 06 gehört auch der Sport – ein The-ma, das uns allen sehr wichtig ist. Es handelt sich umeinen Bereich, in dem die SPD im Vorwahlkampf rie-sengroße Versprechungen gemacht hat, und zwar ins-besondere mit dem Goldenen Plan Ost, mit dem dafürgesorgt werden sollte, daß die Sportstätten im Ostenerneuert und modernisiert werden. Man hatte vor, mitdiesem Plan große Investitionen vorzunehmen undArbeitsplätze zu schaffen.Dieser Plan ist aus meiner Sicht heute nur noch ein„Plänchen“. Nur dank der Hartnäckigkeit der CDU/CSU-Fraktion ist im jetzigen Haushalt statt einer Sum-me von 0 DM eine Summe von 15 Millionen DM zurVerfügung gestellt worden. Diese 15 Millionen DM sindfür den Neubau von Sportstätten für den Breitensportwichtig. Herr Minister, ich hoffe, daß die Ankündigun-gen und die Verpflichtungsermächtigungen für die näch-sten Jahre in Höhe von jeweils 30 Millionen DM wirk-lich zum Tragen kommen. Es bleibt allerdings abzu-warten, ob die neuen Länder die erforderlichen Eigen-mittel in Höhe von 67 Prozent der Gesamtfinanzierungaufbringen können.Herr Kollege Schily, wir beobachten auch die ge-planten Stadienneubauten in Berlin und Leipzig sehrkritisch. Hierzu finden wir zur Zeit einen Leertitel. Siewissen, daß Ihr Kanzler mit dem Präsidenten des DSB,Herrn von Richthofen, eine Absprache getroffen hat;denn der Deutsche Fußball-Bund muß am 1. Juli seineBewerbung für die Weltmeisterschaften einreichen. Wirwissen, daß für beide Stadien vom Bund jeweils 100Millionen DM kommen sollen. Ich hoffe, daß die Aus-sage des Kanzlers gilt und daß unser nationaler Fußball-verband die Chance bekommt, die Fußballweltmeister-schaft in der Bundesrepublik Deutschland auszurichten.Dem Spitzensport stehen 223,5 Millionen DM zurVerfügung. Diese Summe entspricht exakt dem, was wirvorgelegt haben, als Herr Kanther Innenminister war.Herr Kollege Schily, ich hoffe sehr, daß Sie bei denEntwürfen für das Olympiajahr 2000 weiterhin Konti-nuität beweisen bzw. die Mittel erhöhen; zumal wir vonunserer sportlichen Elite bei den Olympischen Spielen inSydney ähnliche Erfolge wie bei den vergangenenOlympischen Spielen erwarten. Bei der Förderung desLeistungssportes können Sie diesbezüglich mit der Un-terstützung der CDU/CSU-Fraktion rechnen, falls Ihnendie Koalition wieder einmal die Mittel kürzen will.Herr Minister, genauso wichtig ist für uns die Förde-rung des Behindertensports. In bezug auf den Behin-dertensport fordere ich Sie daher auf, ihn analog demSpitzensport zu behandeln. Gerade unsere behindertenAthleten brauchen unsere Unterstützung und unsere So-lidarität.Zur Problematik des Dopings möchte ich nur einigekurze Gedanken äußern. Doping muß seitens der Bun-desregierung weiterhin klar und eindeutig bekämpftwerden.
Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
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Jedem Spitzensportler muß drastisch vor Augen geführtwerden, daß der Gebrauch von Dopingmitteln zum Endeder sportlichen Karriere führt. Gerade unsere Spitzen-sportler müssen als Vorbilder glaubhaft sein.Als verantwortliche Politiker dürfen wir nicht wan-ken, wenn es bei Mißachtung von Dopingregeln zu har-ten und drastischen Maßnahmen gegen die betroffenenSportler kommt. Allerdings müssen wir den Doping-mißbrauch nicht nur im Spitzensport bekämpfen, son-dern auch im Breitensport. Dazu ist eine deutliche Ver-schärfung des Arzneimittelrechts notwendig.
Wir müssen den Besitz von Dopingmitteln ebenso wieden Handel mit Dopingmitteln unter Strafe stellen. Do-ping schadet nicht nur der Gesundheit, sondern auchdem Ansehen des Sports.
Auch deshalb ist in meinen Augen eine entsprechen-de Forschung notwendig, für die ich mich eingesetzt ha-be. Ich freue mich, daß die Mitberichterstatter aus denKoalitionsfraktionen zugestimmt haben, in diesem Be-reich weitere 500 000 DM vorzusehen. Ich hoffe, daßwir im nächsten Jahr ein Stück weiterkommen.Zur gleichen Thematik paßt auch die ablehnendeHaltung der Koalition gegenüber den Forschungsein-richtungen im IAT- und FES-Bereich. Dort haben wirfolgendes Problem: Wir haben hervorragend ausgebil-dete Manager, aber keine Geräte für Trainings- undWettkampfforschung. Ich erinnere Sie, Herr Schily, anKapitel IX.14 des Koalitionsvertrages – ich zitiere –:Die neue Bundesregierung wird die finanziellenRahmenbedingungen für den Sport verbessern ...Von dieser groß angekündigten Sportförderung ist mei-nes Erachtens wenig übriggeblieben.
Ein Satz zum Kosovo: Herr Kollege Schily, Sie ha-ben vor wenigen Tagen die Aufnahme von weiteren10 000 Flüchtlingen in der Bundesrepublik empfohlen.Obwohl wir die bisherige Politik der Bundesregierungmitgetragen haben, können wir uns mit dieser Aussagenicht einverstanden erklären. Mit jedem Flüchtling, denwir hier aufnehmen, stützen wir die Politik von Milo-sevic.
Unsere deutschen Aufnahmecamps sind vorbildlich undwerden von allen gelobt. Ich möchte klar und deutlichsagen: Alle Innenminister, sowohl der A- als auch derB-Länder, lehnen zur Zeit eine Aufnahme weitererFlüchtlinge nicht aus finanziellen Gründen, sondern aushumanitären Gründen strikt ab. Wir müssen bei demderzeitigen Versuch, die verbrecherische Politik im Ko-sovo zu beenden, stets daran denken, daß es das vorran-gige Ziel ist, den Vertriebenen wieder die Rückkehr inihre Heimat zu ermöglichen. Diesen Satz hat vor weni-gen Minuten Bundeskanzler Schröder im Beisein vonClinton gesagt. Ich glaube, das ist auch richtig so.Einen Punkt, der mich doch etwas erstaunt, möchteich noch ansprechen: Bei der haushaltspolitischen Prü-fung hatte ich vorgeschlagen, die Mittel für die Bundes-zentrale für politische Bildung um 2 Millionen DM zukürzen, um die Effektivität der Arbeit der Bundeszen-trale zu gewährleisten; jetzt haben die Berichterstatterder Koalition plötzlich eine Mittelsperre in Höhe von2,9 Millionen DM verordnet. Offensichtlich ist bei derBundeszentrale doch ein Einsparpotential vorhanden.Wir sollten uns über die Parteigrenzen hinweg alsbaldzusammensetzen, um über die Einsparpotentiale zu be-raten und darüber, wie die Effizienz bei der Bundeszen-trale für politische Bildung gesteigert werden kann.Von Ihnen, Herr Minister, erwarten wir als Berichter-statter einen Bericht über den IVBB, um die Mittelver-wendung kontrollieren zu können. Hierfür sind über40 Millionen DM angesetzt. Wir hoffen, daß wir vonIhnen kontinuierlich Nachricht darüber bekommen. Wirwissen, daß nach augenblicklichem Stand gut 60 ProzentIhrer Mitarbeiter in Berlin sitzen sollen und der Rest hierin Bonn bleiben wird. Ich hoffe, daß die Zusammenar-beit zwischen den beiden Häusern auch in Zukunft gutfunktioniert. Das ist mein Wunsch. Ich bin gespannt, wieIhr Entwurf für den Haushalt 2000 aussehen wird,
der sicherlich nicht so einfach aufzustellen sein wird wieder Haushalt 1999.Herr Präsident, meine liebe Kolleginnen und Kolle-gen, ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.
Das Wort zu einer
Kurzintervention hat der Kollege Wieland Sorge.
Herr von Hammerstein, eini-ge Aussagen, die Sie hier getroffen haben, veranlassenmich, manches richtigzustellen. Ist Ihnen bekannt, daßdie SPD im Jahre 1992 versucht hat, die Defizite, diehinsichtlich der ostdeutschen Sportanlagen bestehen,durch ein gesondertes Förderprogramm zu beseitigen,und daß der DSB im Jahre 1993 dieses in einer Untersu-chung aufgegriffen hat, bei der er festgestellt hat, daß fürdie Sanierung und den Neubau von Sportstätten ein Be-trag in Höhe von 25 Milliarden DM fehlt?Ist Ihnen bekannt, daß wir dieses Programm jedesJahr im Sportausschuß vorgelegt haben und damit im-mer an der Koalition, die damals das Sagen hatte, ge-scheitert sind, und zwar immer mit der Begründung, daßder Bund für den Breitensport nicht zuständig ist, mitder Annahme des Programms ein Verstoß gegen dieVerfassung vorläge und es aus diesem Grund nicht um-gesetzt werden könne?Wir haben immer gemeinsam versucht, eine Lösungherbeizuführen, die beiden Dingen gerecht wird. AusCarl-Detlev Freiherr von Hammerstein
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diesem Grund haben wir es dann in unser Wahlpro-gramm
und auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen.Angesichts der schwierigen Finanzsituation, die wirvorfanden, haben wir Wege gesucht, wie wir diesemAnliegen trotzdem Rechnung tragen können. So habenwir den Vorschlag gemacht, in diesem Jahr 15 MillionenDM einzustellen. Sie wissen, daß das nur ein Drittel des-sen ist, was wir insgesamt damit verbinden, nämlich45 Millionen DM für dieses Programm. Insgesamtkommen noch einmal 100 Millionen DM für die näch-sten drei Jahre hinzu, so daß wir auch dort noch einmal300 Millionen DM für die Entwicklung der Sportstättenzur Verfügung haben.Wie kommen Sie eigentlich dazu, hier zu behaupten,daß es nur mit Hilfe der CDU gelungen sei, diese Sachein Gang zu setzen?
Zu einer Kurzinter-
vention zur Erwiderung erhält Kollege von Hammer-
stein das Wort.
haltspolitiker und haben nicht an den Berichterstatterge-
sprächen teilgenommen. Dort hätten Sie erleben können,
wie aus Ihrer Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen mit Vehemenz gegen den Goldenen Plan ge-
wettert wurde. Nur mit Unterstützung der CDU/CSU-
Fraktion ist es gelungen, nicht nur einen Leertitel, son-
dern einen Haushaltsansatz von 15 Millionen DM einzu-
führen.
Ihre Forderung, 25 Milliarden DM in einen Plan Ost
einzubringen, habe ich hier gar nicht erwähnt, weil es
philosophisch und illusorisch ist, so etwas überhaupt zu
machen. Deshalb ist es besser, wenn wir die 25 Milliar-
den DM aus dem Spiel lassen. Wir hoffen ja jetzt, daß
man mit den 15 Millionen DM und den zukünftig zu er-
wartenden 30 Millionen DM ein Stück weiterkommt.
Es gibt eine weitere
Kurzintervention der Kollegin Christa Luft.
Meine Bemerkung ist wirk-
lich ganz kurz.
Herr Kollege von Hammerstein, ich stimme Ihnen zu:
In den Berichterstattergesprächen gab es diesbezüglich
einige Turbulenzen. Aber wenn wir der Wahrheit die
Ehre geben, dann muß gesagt werden, daß es die PDS
gewesen ist,
die den einstimmigen Beschluß des Sportausschusses,
nämlich 15 Millionen DM im Jahr 1999 und Verpflich-
tungsermächtigungen einzustellen, aufgegriffen und
einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Leider ist die-
ser Antrag von der Seite der Koalition nicht gekommen.
Ich sage, wir haben daran unseren Anteil. Wir haben
den einstimmig von den Vertretern aller Parteien im
Sportausschuß gefaßten Beschluß aufgegriffen und ihn
in Form eines Antrags auf den Weg gebracht.
Ich gebe das Wort
dem Kollegen Gunter Weißgerber von der Fraktion der
SPD.
Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Das Thema dieser Debatteist der Einzelplan 06. Frau Luft, Sie erhoben gerade An-sprüche auf Urheberrechte bezüglich des GoldenenPlans. Wenn ich höre, wer hier alles Urheberrechte an-meldet, könnte man auch vermuten, daß es nicht einmaldie PDS war, sondern deren Vorgängerpartei auf ihremVIII. Parteitag.
– Hören Sie doch zu, wer hier alles Urheberrechte ein-fordert. Am Ende waren es alle!
– Na, nicht frech werden!
Bei Betrachtung des Einzelplans 06 befiel mich etwasWehmut. Der Bereich Kultur ist nicht mehr Bestandteildes Einzelplans, ein sehr interessanter Bereich miteinem Umfang von immerhin 1,6 Milliarden DM. Na-türlich akzeptiere ich die Entscheidung des Bundes-kanzlers und halte sie auch für richtig. Ich bin der Auf-fassung, daß der Bereich Kultur bei Herrn StaatsministerNaumann in den besten Händen ist. Viel Erfolg von die-ser Stelle.
Zum Thema Sport – Stichwort: Goldener Plan – wirdLothar Mark sprechen.Der Einzelplan 06 weist im Ansatz ein Volumen von7,26 Milliarden DM aus. Der Personalkostenanteil be-trägt 55,08 Prozent. Das zeigt die schwierige Aufgabe,vor der die Berichterstatter standen. Allein die Tarif-erhöhung des Frühjahrs schlägt in diesem Haushalt mit120 Millionen DM zu Buche, die zusätzlich erbrachtwerden mußten. Gleichzeitig mußten – das haben dieBerichterstatter der Koalition so beschlossen – 0,5 Pro-zent zusätzlich eingespart werden, was einem Betragvon 36 Millionen DM entspricht. Es war also eineWieland Sorge
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schwierige Aufgabe im Hinblick auf einen Haushalt,dessen Personalkostenanteil über 55 Prozent liegt. DieseAufgabe haben wir gelöst. Ich bin der Auffassung, daßder Bundesinnenminister seine Aufgaben mit diesemHaushalt gut bewältigen kann.Ich möchte mich im folgenden zu einzelnen Aspektendes Einzelplans äußern. Im Bereich der Spätaussiedlerhaben wir eine Verlagerung zugunsten der Integrationvollzogen; wir wollen die Gelder weniger für die Hei-matländer der Aussiedler und mehr für die Integrationverwenden. Wer einmal hier ist, bedarf der besonderenAnteilnahme und der besonderen Fürsorge.
Nur so werden in unserem Land die Chancen für allesteigen. Dazu die entsprechenden Zahlen: Für diesenBereich sind im Einzelplan 06 42 Millionen DM einge-plant. Das ist ein Plus von 16,7 Millionen DM und ent-spricht einer Steigerung von 66 Prozent.Ein weiteres Thema ist die sogenannte Gauck-Behörde. Der Name ist ja irreführend, weil es um Miel-kes Akten und nicht um Gaucks Akten geht. Es scheintso zu sein, daß auch die CDU/CSU die Position desBundesrechnungshofes eingenommen hat, die Zahl derAußenstellen dieser Behörde in Ostdeutschland zu redu-zieren und in jedem Land nur noch eine Behörde beizu-behalten. Die Berichterstatter der Koalitionsfraktionen,Herr Metzger und ich, stehen hier im Wort: Wir habendurchgesetzt, daß es für längere Zeit bei der jetzigenAnzahl der Außenstellen bleiben wird. Für uns ist dieReduzierung der Außenstellen kein Thema.Zu diesem Thema gehört auch die in den letzten Jah-ren und Monaten erschienene Meldung, daß es eineSoftware zum Zusammensetzen der Schnipsel ausMielkes Hinterlassenschaft gebe. Berechnungen zeigen,daß 150 Jahre benötigt werden würden, um die Papier-schnipsel aus den Säcken zusammenzusetzen, wennweiter so wie bisher gearbeitet wird. Das ist ein uner-träglicher Zustand, der so nicht bleiben kann. Es soll an-geblich eine Software geben, die diese Aufgabe schnel-ler bewältigen kann. Daß dies im Moment aber nochnicht der Fall ist, ist einer entsprechenden Stellungnah-me des BMI zu entnehmen. Ich zitiere:Im Ergebnis bestätigten sechs Anbieter, daß nachihrer Kenntnis keine entsprechende Systemlösungauf dem Markt vorhanden ist, und bekundetengleichzeitig ihr Interesse an der Entwicklung einerentsprechenden IT-Lösung. ...In Auswertung der übergebenen Unterlagen wurdenvom BStU folgende Schlußfolgerungen gezogen:Auf Grund der bestehenden Unklarheiten und dernicht kalkulierbaren Risiken sowie des sehr hohenKostenaufwandes, der den Haushalt des BStU weitüberschreitet, wird auf die Durchführung einesTestverfahrens verzichtet.– Das Testverfahren würde ungefähr 1 Millionen DMkosten. –Mit den Anbietern werden Gespräche geführt mitder Zielstellung, präzise Angaben zur technischenMachbarkeit und dem Kostenrahmen für ein Ge-samtprojekt zu erhalten.Erst wenn nähere Angaben zu einer Gesamtlösungbekannt sind, können Fragen zum weiteren Vorge-hen und zur Klärung der Finanzierung beantwortetwerden.Ich meine, die Entscheidung ist richtig. Die Aufgabebleibt aber, und wir müssen sie, sofern es die Möglich-keit gibt, eine entsprechende Software einzusetzen, inAngriff nehmen. Das ist wichtig für die Aufarbeitung.Ich komme zu den politischen Stiftungen. Ich bin janun kein Freund der PDS.
Demzufolge bedaure ich es sehr, daß entsprechend derRegeln, die in diesem Haus entstanden sind, jetzt auchdie PDS in den Genuß der Stiftungsförderung kommenmuß.
– Ich respektiere dieses Ergebnis, kann aber doch meinMißfallen äußern, daß ich diese Regelung nicht für guthalte.
Bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung wird also analogzu der anfänglichen Förderung der Grünen-Stiftung ver-fahren, was bedeutet: 100 plus x. Das „x“ wird dabei ausdem Gesamthaushalt genommen. Die zukünftigen Auf-wüchse können finanziert werden, weil der Bautitel inden nächsten Jahren sinkt. Es kam das Argument, dieGrünen seien eher in den Genuß der Bezuschussung ge-kommen. Das stimmt, allerdings hatten die Grünen auchvon Anfang an Fraktionsstärke. Das müssen Sie, FrauProfessor Luft – ich kenne Ihr Schreiben –, in demZusammenhang beachten.Schließlich zu den Kosovo-Flüchtlingen. Ursprüng-lich war geplant, im Einzelplan 06 66 Millionen DM fürdiesen Bereich unterzubringen. Letztendlich hat man dieEntscheidung gefällt, dies im Rahmen des Einzelplans60 zu finanzieren – eine, wie ich meine, richtige Ent-scheidung. Auch dazu habe ich eine Anmerkung an dieAdresse der PDS: In dem Ihnen nahestehenden Blatt„Neues Deutschland“ habe ich neulich gelesen, dieNATO überfalle einen souveränen Staat. Die Gedanken,die ich dabei habe, sind: Auch Deutschland war in den30er Jahren souverän. Hätten die Westmächte damalsbloß eingegriffen! Hätte Ihr Friedensfreund Stalin beimWarschauer Aufstand eingegriffen, wäre damit vielenJuden das Leben gerettet worden. Das müssen Sie sichdabei einmal überlegen.
Gunter Weißgerber
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3275
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Besonders angesichts der deutschen Geschichte ist esheute notwendig, Vertreibungen und ethnische Säube-rungen zu verhindern.Zum Schluß: Ich bedanke mich bei den Bericht-erstatterkollegen im Haushaltsausschuß für die guteZusammenarbeit, bei den Beamten im BMI und selbst-verständlich auch beim Minister und seinen Staats-sekretären.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Dr. Max Stadler von der F.D.P.-Fraktion.
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Bevor ich mich, wie meine beidenVorredner, einigen Daten des Einzelplans 06 zuwende,gestatten Sie bitte einige allgemeine Bemerkungen zurPolitik des Bundesinnenministers im ersten Halbjahrseiner Amtszeit. Aus Sicht der F.D.P. lassen sich dreiCharakteristika feststellen:Erstens. Ein einziges großes Reformvorhaben wird indieser Woche vollendet, woran die F.D.P. einen wesent-lichen Anteil hat: die überfällige Reform des Staatsan-gehörigkeitsrechtes.
Zweitens. In vielen Bereichen der Innenpolitik pflegtHerr Schily nicht Distanz zu seinem konservativenAmtsvorgänger, sondern Kontinuität.
Ich komme im einzelnen noch darauf zurück.Drittens. Es liegt aber nur ein schmaler Pfad zwi-schen begrüßenswerter Kontinuität und beklagenswerterStagnation. Ein Innenminister ist für die innere Sicher-heit verantwortlich. Minister Schily ist offensichtlichdarauf bedacht, etwaige Vorurteile über seine Zuverläs-sigkeit als Minister für Recht und Ordnung zu zer-streuen. Das ist – im wahrsten Sinne des Wortes – inOrdnung.
Aber ein Aufbruch zu mehr innerer Liberalität geht vonseiner bisherigen Amtsführung nicht aus.
Innere Sicherheit und innere Liberalität sind in derfreiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes keine Ge-gensätze, sondern einander bedingende konstitutive Ele-mente des Staatswesens. Ohne Sicherheit keine Freiheit,ohne Freiheit kein liberaler Rechtsstaat!
Ein besonderes Bemühen der neuen Bundesregierung,beide Akzente im Sinne einer wirklich liberalen Innen-politik zu betonen, ist bisher nicht zu erkennen – miteiner einzigen Ausnahme: der Reform des Staatsange-hörigkeitsrechts. Die ist allerdings überfällig; dennnach manchmal quälender, schier endloser jahrelangerDebatte ist das Thema entscheidungsreif.
Die F.D.P. hat für eine Lösung gesorgt, die einebreite Akzeptanz in der Bevölkerung finden wird. DerBundesinnenminister hat sich dabei als fairer und zu-verlässiger Verhandlungspartner erwiesen.
Deshalb wird der Bundestag morgen in dieser zentralengesellschaftspolitischen Frage eine konstruktive Ent-scheidung treffen, die in der letzten Legislaturperiodemit der CDU/CSU leider nicht zustande zu bringen war.
Kontinuität kennzeichnet die Beamtenpolitik. Mitder großen Dienstrechtsreform und den schmerzhaften,aber notwendigen Maßnahmen zur Sicherung der Finan-zierbarkeit der Pensionen haben die Union und dieF.D.P. noch vor der Bundestagswahl die Weichen fürdie Zukunft gestellt. Es ist vernünftig, erst einmal diepraktische Erprobung der von uns durchgesetzten Re-formen abzuwarten, ehe entschieden wird, ob der Ge-setzgeber in diesem Bereich wieder tätig werden muß.Ferner hat noch die alte Koalition notwendige Maß-nahmen unter dem Stichwort „schlanker Staat“ einge-leitet. Nun wissen wir alle: Politik ist auch ein Wettstreitum das Besetzen von Begriffen. Deswegen nehmen wirin Kauf, daß die neue Regierung nun vom „aktivieren-den Staat“ spricht. Daß sich dahinter nichts wesentlichNeues verbirgt, wird jeder aufmerksame Betrachter un-schwer erkennen.Minister Schily hat auch an der von uns durchgesetz-ten Strukturreform des Bundesgrenzschutzes festge-halten. Ein Problem damit haben nur diejenigen Wahl-kreisabgeordneten der SPD, die zu Hause voreilig undfälschlich eine Totalrevision der Standortentscheidungenversprochen haben.
Ein letzter Punkt zum Stichwort Kontinuität: Dieneue Koalition hat bei der sogenannten Bannmeilenre-gelung für Berlin auf einen Vorschlag des früherenBundestagsvizepräsidenten Burkhard Hirsch zurückge-griffen. Gute Ideen entfalten also offenbar ihre Wirk-samkeit manchmal sogar dann – vielleicht auch erstrecht dann – wenn ihr Urheber dem Parlament gar nichtmehr angehört.Nun zur Kritik. Das Leitmotiv „Mehr innere Libera-lität wagen“ geht von der neuen Regierung nicht aus.Stagnation allenthalben! Die Themen, die ich aus Zeit-gründen nur stichwortartig nennen kann, betreffen zwarGunter Weißgerber
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nicht allein das Innenministerium, gehören jedoch zueiner Gesamtschau der Innen- und Rechtspolitik.Neue Ansätze in der Drogenpolitik kommen nurdürftig. Der Schutz des Berufsgeheimnisses für Journali-sten bei selbst recherchiertem Material läßt auf sichwarten. Initiativen der Regierung zu Detailkorrekturenim Flughafenverfahren für Asylbewerber wären längstüberfällig. Eine Verzahnung von Innen- und Außenpoli-tik etwa bei der Fortführung des Schengen-Prozesses istnicht erkennbar; dabei ist doch offenkundig, daß manzwischen Staaten wie der Tschechischen Republik undder Slowakei eine totale Abschottung unmöglichzustande bringen kann. Zur Aufnahme von Kosovo-Flüchtlingen hört man vom Bundeskanzler und seinemInnenminister Unterschiedliches.
Vielleicht gibt es heute noch eine Klarstellung vonHerrn Schily.Grundrechte werden keineswegs immer gebührendbeachtet. So verliert nach dem neuen Gesetz über die re-präsentative Wahlstatistik derjenige sein Wahlrecht,Herr Wiefelspütz, der nicht bereit ist, an dieser Statistikmitzuwirken. Ein unglaublicher Vorgang!
Seit über einem Jahr gibt es den sogenannten großenLauschangriff. Versprochen war – auch von Otto Schily –dem Bundestag jährlich über die praktischen Auswir-kungen zu berichten. Dieser Bericht liegt jedenfalls jetztnoch nicht vor.
Die große Koalition in Berlin verabschiedet ein neuesPolizeigesetz, wonach die verdachtsunabhängige Kon-trolle in besorgniserregender Weise ausgedehnt wird.Wo bleibt hier die mahnende Stimme des Bundesinnen-ministers? Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat bei derVorstellung seines neuesten Berichts vor wenigen Tagenzu Recht daran erinnert, daß der Staat nach dem Men-schenbild des Grundgesetzes nicht jedermann als poten-tiellen Verbrecher betrachten darf. Daran muß man lei-der immer wieder erinnern.Ich könnte noch auf die Trennung von Polizei undVerfassungsschutz zu sprechen kommen, die der Thü-ringer SPD-Innenminister Dewes neuerdings in Fragestellt, obwohl das Bundesverfassungsgericht längst klar-gestellt hat, daß diese Trennung aus rechtsstaatlichenund grundrechtlichen Erwägungen geboten ist.Meine Damen und Herren, all diese Beispiele zeigen,daß sich die rotgrüne Regierung mit der notwendigenBalance zwischen innerer Sicherheit und innerer Libe-ralität äußerst schwertut.
Abschließend einige Bemerkungen zum Einzel-plan 06: Wir beantragen eine Änderung des Haushalts-gesetzes, nach der die Ausnahme von der allgemeinenStellenkürzung von 1,5 Prozent auf alle Stellen beiBundesgrenzschutz und Bundeskriminalamt ausgedehntwerden soll.
Wir halten dies für eine personell und materiell gut aus-gestattete und motivierte Polizei für notwendig. Zudemwäre es dringend geboten, die neuen Planstellen für denBundesgrenzschutz nach der Verabschiedung des Haus-halts im Vorgriff schon heute und nicht erst nach Ver-öffentlichung des Haushaltsgesetzes zu besetzen.
Herr Kollege, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wie-
felspütz?
Ja.
Ich wäre Ihnen
dankbar, wenn Sie mit der Beantwortung der Frage dann
auch zum Schluß kämen.
Ich wollte Sie, Herr
Stadler, nur kurz um Stellungnahme bitten zu der Tatsa-
che, daß die Bundesregierung gerade erst ein halbes Jahr
im Amte ist
und daß in diesem halben Jahr in Zusammenarbeit mit
der liberalen Fraktion einige wichtige Dinge auf den
Weg gebracht worden sind. Morgen soll ein besonders
wichtiges Gesetz verabschiedet werden, aber auch ande-
re Gesetze sind beschlossen worden, zum Beispiel zur
Bannmeile und zur Kontrolle der Geheimdienste. Es
wird auch noch das eine oder andere folgen, zum Bei-
spiel sind Regelungen zum Datenschutz auf dem Weg.
Haben Sie nicht auch den Eindruck, daß Sie – ein wenig
interessengeleitet – ein Zerrbild der Innenpolitik des
Bundesinnenministers gezeichnet haben?
Verehrter Herr KollegeWiefelspütz, Sie haben meinen Ausführungen sicherlichaufmerksam gelauscht und festgestellt, daß ich in sehrdifferenzierter Weise Lob und Tadel verteilt habe, wiees einer Oppositionspartei gebührt.
Die Aspekte der Innenpolitik der neuen Koalition, die po-sitiv zu würdigen sind, betreffen zwar wichtige Vorhaben.Aber Sie müssen sich einmal bei all denen umhören, zumBeispiel bei den Verbänden, den Flüchtlingsverbändenund anderen, die gegenüber der neuen Koalition Erwar-tungen gehegt haben, die Sie in keiner Weise erfüllen.Auch daran muß man in dieser Debatte erinnern.
Dr. Max Stadler
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Ich komme, wie der Herr Präsident mich gebeten hat,zum letzten Punkt. Ich darf Sie bitten, unserem Ände-rungsantrag, der den Sport, nämlich die Aufstockung derMittel für den Behindertensport um 2,5 Millionen DM,betrifft, zuzustimmen. Wenn Sie ihn, wie Sie es bishergetan haben, ablehnen, ist dies mit ein Anlaß, den Haus-halt zum Einzelplan 06 abzulehnen.Vielen Dank.
Das Wort für Bünd-
nis 90/Die Grünen hat der Kollege Cem Özdemir.
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu den
eigentlichen Schwerpunkten meiner Rede zum Einzel-
plan 06 des Innenministeriums komme, gestatten Sie mir
eine Vorbemerkung. Wir werden uns ja morgen in aller
Ausführlichkeit, drei Stunden lang, mit dem Thema
Staatsbürgerschaftsrecht beschäftigen. Deshalb erspare
ich mir hierzu eine Bemerkung. Aber es kamen immer
wieder die Fragen: Was ist Kontinuität? Was ist Wan-
del? Was ist Erneuerung? Kollege Max Stadler hat es
angesprochen: sehr viel Kontinuität, wenig Wandel. Da-
zu will ich nur eines sagen: In einem Punkt sind wir,
zumindest was die Mehrheit des Hauses angeht, einig:
Wir haben einen Innenminister, dem die Integration von
Nichtdeutschen in diese Gesellschaft ein Herzensanlie-
gen ist. Allein dafür hat es sich gelohnt, daß es einen
Wechsel im Innenministerium gegeben hat.
Der letzte Innenminister hat persönlich dafür gesorgt,
daß sich in Sachen Staatsbürgerschaft, am Zusammen-
leben von Deutschen und Nichtdeutschen nichts ändert.
Einen großen Teil der Probleme, die wir heute haben,
muß die jetzige Koalition abarbeiten und sucht dafür
jetzt – hoffentlich mit Ihrer Unterstützung – eine Mehr-
heit.
Es ist sehr bemerkenswert, daß die F.D.P. in der Op-
position die Liberalität wiederentdeckt. Das freut uns.
Wir brauchen kritische Begleitung und kritische Unter-
stützung. Aber in den letzten 16 Jahren hätte ich mir et-
was mehr Mut von seiten der F.D.P. beim Durchsetzen
manch ihrer Vorstellungen gewünscht.
– Warten Sie nur ab, Herr Westerwelle; Sie werden sich
noch wundern.
Ich sage das gar nicht frei von Selbstkritik. Ich darf
nur daran erinnern, daß alle Gesetze der letzten 16 Jahre
zu einer Verschärfung in der Innenpolitik mit Ihrer Un-
terstützung durchgesetzt worden sind. In den letzten
16 Jahren wurden Zivilität und Liberalität dieser Repu-
blik abgebaut, was in den Jahren davor nicht der Fall
war.
Wir als Bündnis 90/Die Grünen verstehen uns in die-
ser Koalition als die Anwälte der Bürgerrechte. Bei den
wenigen Gesetzen, die wir seit der Regierungsübernah-
me verabschiedet haben oder über die wir noch diskutie-
ren – ich erinnere an die Diskussion über die Bannmeile,
aber auch an die Diskussion zum Datenschutz, die wir
begonnen haben –, werden wir als Bündnis 90/Die Grü-
nen in dieser Koalition versuchen, als Anwälte der Bür-
gerrechte aufzutreten.
Jetzt aber zu einem Thema, das bisher noch nicht an-
gesprochen wurde, was ich sehr bedaure. Ich hoffe, daß
die folgenden Redner auf das Thema eingehen, denn ich
denke, es hat unmittelbar mit der Arbeit des Innenres-
sorts, aber auch mit der Arbeit des ganzen Hauses zu
tun. Ich meine die Bekämpfung des Rechtsradikalis-
mus. Ich will Ihnen dazu einen Satz nicht vorenthalten,
den der Präsident des Bundesamts für Verfassungs-
schutz, Peter Frisch, in seinem jüngsten Bericht gebracht
hat:
In Ostdeutschland ist der Rechtsextremismus jün-
ger und gewalttätiger als im übrigen Bundesgebiet.
In einem diesbezüglichen Artikel in der „Süddeutschen
Zeitung“ heißt es weiter:
Im Osten leben zwar nur 17 Prozent der Gesamtbe-
völkerung, doch werden hier 46 Prozent der rechts-
extremistischen Gewalttaten begangen – vorzugs-
weise von jugendlichen Tätern.
Wir sind uns sicherlich einig darin, daß es nicht an-
gehen kann, daß man mit erhobenem Zeigefinger auf die
neuen Länder zeigt. Gerade ich als jemand, der aus Ba-
den-Württemberg kommt, wo die Republikaner von sehr
vielen Menschen erneut in den Landtag gewählt worden
sind, muß allerdings sagen, daß das ein Problem für die
gesamte Bundesrepublik Deutschland ist.
Eines ist aber auch klar: An die Bilder, die am vor-
letzten Wochenende aus Magdeburg veröffentlicht wur-
den, wo ein Punk zusammengeschlagen wurde und ver-
sucht wurde, ihm den Schädel zu zertrümmern, wollen
und dürfen wir uns nicht gewöhnen. Ich wünsche mir,
daß wir gemeinsam mit der Opposition ein klares Signal
setzen: Rechtsradikalismus darf in Deutschland keine
Chance haben.
Herr Kollege, ge-statten Sie eine Zwischenfrage der AbgeordnetenJelpke?Dr. Max Stadler
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3278 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Gerne.
Herr Kollege Özdemir, ich teile
Ihre Auffassung, daß es ein Erstarken des Rechtsextre-
mismus und des Antisemitismus gibt. Sie wissen, daß
wir diese Fragen hier im Parlament und auch im Innen-
ausschuß immer wieder behandelt haben und beraten
haben, wie dagegen vorgegangen werden kann.
Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Bundes-
haushalt haben wir leider die Erfahrung machen müssen,
daß die Mittel für Organisationen, die rechtsextremisti-
sches und antisemitisches Gedankengut verbreiten, kei-
neswegs reduziert werden. Ich möchte Sie ganz konkret
fragen: Warum ist es nicht gelungen – ich weiß, daß die
Grünen einen entsprechenden Antrag gestellt haben –,
die Mittel für diese Organisationen im Bundeshaushalt
1999 um wenigstens 50 Prozent zu reduzieren? Beant-
worten Sie mir bitte die Frage, was sich nach dem Haus-
halt von Herrn Kanther in dem neuen rotgrünen Haus-
halt geändert hat.
Wirhaben beispielsweise im Bereich der Sprach- und Inte-grationsförderung die Mittel erhöht. Ich gebe Ihnen aberrecht, daß im Bereich der Bekämpfung des Rechtsradi-kalismus noch viel mehr getan werden kann und getanwerden muß. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die dasSpiel mitmachen, die Verantwortung vom Bund auf dieLänder zu wälzen. Die Länder wälzen sie dann auf denBund zurück, und gemeinsam wälzen wir sie dann aufdie Kommunen. Wir müssen vielmehr die Bekämpfungdes Rechtsextremismus auf allen Ebenen zum Hauptzielerklären. Denn dies ist eine Frage, bei der es nicht nurum das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland imAusland geht. Es geht auch darum, welche Lebensqua-lität wir in dieser Gesellschaft haben.Aus diesen Ereignissen haben wir eines gelernt: Vorwenigen Jahren waren es nur Nichtdeutsche, denen manangesehen hat, daß sie nicht schon immer hier gelebthaben. Heute trifft es bereits Punks, es trifft Langhaari-ge, es trifft Homosexuelle, es trifft Obdachlose und estrifft Behinderte. Die Frage ist: Wen trifft es morgen?Allein deshalb, glaube ich, müssen wir uns darüber klar-werden, daß es erforderlich ist, in dieser Frage zusam-menzuarbeiten.Frau Kollegin Jelpke, ich kann Ihre Frage nur dahingehend beantworten, daß wir seit einem halben Jahr in derRegierung sind. Lassen Sie uns noch ein bißchen Zeit, biswir diese Fragen in Angriff nehmen. In der Koalitionsver-einbarung steht, daß wir uns gemeinsam vorgenommenhaben, eine Initiative gegen Rechts zu starten. Diese Ein-ladung gilt auch an die Opposition. Eine Verbesserungdieser Situation kann man als Regierung nicht mit derMehrheit, also mit 51 Prozent gegen 49 Prozent, durch-setzen. Das Thema ist zu wichtig, als daß es die Regie-rung allein bearbeiten kann. Dies ist eine ernstgemeinteEinladung, hier zusammenzuarbeiten.
Da wir gerade über das Thema Rechtsradikalismusdiskutieren: Auch Sie haben wahrscheinlich von derSendung „Frontal“ im ZDF gehört, in der zum Ausdruckkam, daß die Rechtsradikalen bereits versuchen, Frei-willige für den Einsatz in Serbien zu werben. Allein diesmacht deutlich, welche Strukturen man hier aufbauenmöchte.Um auf mein eigentliches Thema zurückzukommen:Unsere erste Aufgabe muß die Bekämpfung des Rechts-radikalismus sein. Damit Sie sehen, daß es hier nicht umparteipolitische Spielereien geht, möchte ich ausdrück-lich sagen: Das Bundesland Sachsen beispielsweise hatmit seiner „Soko Rechts“ eine sehr wichtige Maßnahmeergriffen, die außerordentlich begrüßenswert ist. Man-ches andere Bundesland könnte sich eine Scheibe ab-schneiden, was das polizeiliche Vorgehen gegen denRechtsradikalismus angeht.Auf der anderen Seite ist aber auch klar: Wir könnengar nicht so viele Polizeibeamte einsetzen. Wir könnengar nicht einen solch repressiven Apparat finanzieren,wie er notwendig wäre, um das Problem in den Griff zubekommen, wenn wir nicht gleichzeitig auch an denAufbau der Zivilgesellschaft herangehen und dafür sor-gen, daß die Demokratie und das Vertrauen in denRechtsstaat gestärkt werden und die Kultur des Zu-schauens – das scheint mir das entscheidende Problemzu sein – wirklich beendet wird.
Daher ist es wichtig, daß wir mit der Frage des Zu-sammenlebens von Deutschen und Nichtdeutschen undmit dem Umgang mit Minderheiten verantwortungsvollumgehen. Dies ist auch ein kleiner Appell mit Blick aufmorgen; denn ich kann mir ungefähr vorstellen, welcheSchlammschlachten uns morgen erwarten werden. Ichbitte Sie wirklich, sich zu überlegen, welche Wirkungbei den Jugendlichen in den neuen Ländern und im rest-lichen Bundesgebiet die Art und Weise der morgigenDebatte zum Staatsbürgerschaftsrecht auf die Frage desZusammenlebens haben wird.
– Herr Kollege Marschewski, Sie sind durchaus ge-meint. Ich weiß schon, warum ich das sage.
– Es wäre schön, wenn es so wäre, Herr Marschewski.Das würde mich freuen.
Ich komme zum Thema Flüchtlinge; auch diesesThema wurde hier ja mehrfach angesprochen. Ich wün-sche mir, daß wir auch bei diesem Thema die parteipoli-tische Polemik etwas beiseite lassen.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3279
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Es geht darum, daß wir gemeinsam Überlegungen an-stellen müssen, wie wir die Hilfsbereitschaft, die in derBevölkerung in erstaunlichem Maße vorhanden ist, nut-zen können. Das geht über alle Grenzen hinweg; es gibtzum Beispiel Arbeitgeber, die sich engagieren. EinSektor, der übrigens gar nicht angesprochen wurde, istder Gesundheitsbereich. Es melden sich Apotheker undÄrzte bei uns, die sagen: Wir möchten helfen; wirmöchten etwas tun. Es verhält sich im Grunde fast schonso, daß wir diese Hilfsbereitschaft gar nicht abrufenkönnen, so viel kommt aus der Bevölkerung. Man mußdas ausdrücklich loben. Daß sich Hilfsbereitschaft in sogroßem Maße zeigt, ist eine sehr erfreuliche Erschei-nung.
Es ist aber auch klar: Gerade in außenpolitischer Hin-sicht ist es doch geradezu absurd, wenn wir eine Situati-on wie in Mazedonien haben, das kurz vor dem Zusam-menbruch steht, das mit der Flüchtlingssituation völligüberfordert ist, und wenn wir uns dann hinstellen undsagen: Weil die anderen europäischen Länder ihre Auf-gaben noch nicht erfüllt haben – wir sind uns ja in derKritik einig –, nehmen wir keine weiteren Flüchtlingemehr auf. Das ist mit Sicherheit nicht die Antwort, diewir brauchen.
Denn ich möchte Sie einmal sehen, wenn Mazedonienzusammenbricht. Was ist los, wenn das Regime in Ma-zedonien zusammenbricht und wir es dann mit Zustän-den zu tun haben, die ich Ihnen gar nicht weiter ausma-len möchte? Es kann sich, glaube ich, niemand vorstel-len, was dann los sein wird.Gerade wenn wir den Krieg so schnell wie möglichbeenden wollen, müssen wir dazu beitragen, daß dieNachbarländer stabilisiert werden. Wir sind uns darineinig, daß sie natürlich die Hauptaufnahmeländer sind.Wir sind uns darin einig, daß unsere europäischenFreunde natürlich mehr leisten müssen, auch um in die-ser Frage glaubwürdig zu sein. Wir sind uns aber hof-fentlich auch darin einig, daß wir in der BundesrepublikDeutschland, die wir immer noch vergleichsweise wohl-habend sind, mehr leisten können und mehr leisten müs-sen.Deshalb begrüße ich die Initiative des Innenministers,weitere 10 000 Flüchtlinge aufzunehmen.
Ich appelliere gleichzeitig an alle Länder, vor allem andie unionsregierten Länder, ihre sture Haltung aufzuge-ben und kein parteipolitisches Spielchen daraus zu ma-chen. Das haben die Flüchtlinge nicht verdient. Übrigenssind Ihre Wählerinnen und Wähler in dieser Frage, glau-be ich, weiter als Sie. Die Bereitschaft, mehr Flüchtlingeaufzunehmen, ist größer, als wir uns das vorstellen.Im Zusammenhang mit der Frage der Aufnahme vonFlüchtlingen komme ich zu einem weiteren Punkt. DenVorwurf, daß wir damit Milosevic stabilisieren, halte ichfür sehr zynisch.
Ich glaube nicht, daß dieser Vorwurf so stehenbleibensollte. Dieser Vorwurf ist, bezogen auf alle hier, ein un-gerechter Vorwurf, der uns in der Sache nicht hilft. Esist ein unglaublicher Vorwurf, der an Zynismus nicht zuüberbieten ist. Niemand von uns möchte Milosevic sta-bilisieren. Vielmehr geht es darum, daß wir dazu beitra-gen müssen, daß die Flüchtlinge menschlich aufgenom-men werden. Ich empfehle Ihnen, einmal den Berichtder OSZE durchzulesen. Er stellt in sehr eindringlichenWorten die Situation dar, die in Mazedonien und denanderen Nachbarländern herrscht. Das sind Zustände,die man nicht länger hinnehmen kann, wenn man sichein bißchen Menschlichkeit bewahrt hat.
Ich komme zu einem letzten Punkt, der mir sehrwichtig ist. Im Grunde leitet das Thema der Flüchtlingezu diesem Punkt über, nämlich zu Europa. Man kanndie deutsche Innenpolitik gar nicht mehr von der FrageEuropa trennen. Wir haben an dieser Stelle ja gesehen,wie wichtig es ist, daß wir zu einer Koordination inEuropa kommen. Diese Bundesregierung setzt sich da-für ein, daß es für das Problem der Flüchtlingsaufnah-me eine europäische Lösung gibt. Das hat die Vorgän-gerregierung zum Teil bereits auch versucht. Wir wol-len dies durchsetzen. Dazu ist es notwendig, daß wirgeschlossen agieren und daß wir unser Gewicht in Eu-ropa stärken, damit wir uns in dieser Frage durchset-zen. Das ist mit eine Grundvoraussetzung für die Ver-tiefung der europäischen Bindungen und die Einigunginnerhalb Europas. Wenn es eine Solidarität in denFragen der Migrationspolitik, der Zuwanderungspoli-tik, der Flüchtlings- und Bürgerkriegspolitik nicht gibt,dann, glaube ich, werden wir Schwierigkeiten bekom-men, bei unserer Bevölkerung Sympathien für Europa,die wir wollen und brauchen, auch weiterhin zu wek-ken.Deshalb ist es mir sehr wichtig, daß wir uns in dennächsten Jahren in der deutschen Innenpolitik vor allemdafür einsetzen, daß Europa nicht nur ein Wirtschafts-bündnis oder ein Agrarbündnis ist. Vielmehr muß Euro-pa auch ein Bündnis sein, bei dem die Bürgerinnen undBürger das Gefühl haben: Unsere Grundrechte sind dortgut aufgehoben. Deshalb wollen wir eine europäischeMenschenrechts- und Grundrechtscharta.
Die erfolgreiche Tradition, die wir mit unserem Grund-gesetz auf den Weg gebracht haben, wollen wir in ähnli-cher Form auf europäischer Ebene fortführen. Diese Eu-ropäische Union braucht eine Verfaßtheit; diese Euro-päische Union benötigt einen solchen Grundrechtskata-log. Auch hier ergeht die Einladung an die Opposition:Cem Özdemir
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3280 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Arbeiten Sie mit uns gemeinsam an einem solchenGrundrechtskatalog für die Europäische Union.Vielen Dank.
Ich gebe das Wort
der Kollegin Ulla Jelpke, PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damenund Herren! Herr Kollege Özdemir, Sie haben recht: Siesind erst ein halbes Jahr an der Regierung. In diesemhalben Jahr haben Sie aber immerhin Zeit gehabt, dieMittel für rechtsextremistische Organisationen, zumBeispiel für die Vertriebenenverbände – das habe ichhier schon letztes Mal kritisiert –, auf 25 Millionen DMzu erhöhen.
– Wir haben nichts gegen Integrationsmaßnahmen, diemit diesen Mitteln gefördert werden sollen. Daß manallerdings als Träger Organisationen wie den Vertriebe-nenverbänden diese Gelder in die Hand gibt, ist mit Si-cherheit nicht in Ordnung. Selbst die alte Bundesregie-rung, die Kohl-Regierung, mußte zugeben, daß in denVertriebenenverbänden rechtsextremistische Tendenzenvertreten und rechtsextremistische Inhalte publiziertwerden.Außerdem möchte ich an unsere kleine Geste fürmehr Aufklärungsarbeit erinnern: Wir haben heute einenAntrag vorgelegt, die Mittel zur Aufklärung und Be-kämpfung von Antisemitismus und anderer Vorurteilevon 800 000 DM um 2 Millionen DM zu erhöhen. HerrKollege Özdemir, es ist nicht sehr glaubwürdig, wennman sich hier hinstellt und sagt: Wir sind erst seit einemhalben Jahr im Amt. Sie wissen sehr wohl, mit welchenMitteln man was fördert; aber auf unsere Anträge – vonIhnen einmal abgesehen – wird mit keinem Wort Bezuggenommen. Nach der letzten Debatte – das möchte ichganz klar sagen – sind Sozialdemokraten aus dem In-nenausschuß zu mir gekommen und haben gesagt: Dasdarf so nicht bleiben, das muß sich ändern. Bis heute hatsich aber nichts geändert.Da meine Redezeit begrenzt ist, möchte ich zu demThema nichts weiter ausführen. Dafür möchte ich einanderes wichtiges Thema aufgreifen, das in den vergan-genen Tagen eine Rolle gespielt hat: die neue Flücht-lingspolitik der Bundesregierung; meine Kollegen „Wi-ni“ Wolf und Gregor Gysi haben es bereits angespro-chen. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, HerrVolmer, mußte in den vergangenen Tagen den Lagebe-richt zum Kosovo zurückziehen. Ich zitiere: Das Papierentsprach nicht der empirischen Wahrheit, sondernwar aus innenpolitischen Gründen von der altenRegierung so verfaßt worden.Mit anderen Worten: Er erhebt hier den Vorwurf, daßman offensichtlich keine Asylbewerber in unserem Landaufnehmen will. Wie wir aus der Praxis wissen, sindviele Menschen aus dem Kosovo abgeschoben worden.Entgegen allen Behauptungen, die in den letzten Ta-gen von einigen Abgeordneten verschiedener Fraktionenimmer wieder aufgestellt wurden, möchte ich folgendesdeutlich sagen: Die PDS hat die Situation im Kosovoseit 1992 immer wieder problematisiert, wie man auchin einem Entschließungsantrag von 1992 nachlesenkann. Aber auch im Innenausschuß haben wir über einenAbschiebestopp diskutiert. Wir stehen mit der Meinung,daß das Ganze ein Skandal ist, nicht alleine da. Bei-spielhaft nenne ich den Richter am Oberverwaltungsge-richt Münster, Dieter Deiseroth. Er hat in den letztenTagen erklärt – ich zitiere –:Wenn das zutreffend wäre, was zur Rechtfertigungder NATO-Luftangriffe gesagt wird, daß nämlichsystematisch Menschenrechtsverletzungen, ethni-sche Säuberungen und Völkermord im Kosovostattgefunden haben, dann wären die amtlichenAuskünfte, die in Asylverfahren bis März 99 erteiltworden sind, nicht haltbar, dann wären die Urteile,die auf dieser Grundlage ergangen sind, falsch, denAsylbewerbern wäre Unrecht geschehen. Umge-kehrt: Wenn die amtlichen Auskünfte in Asylver-fahren, die von seiten des Auswärtigen Amtes er-teilt worden sind, zutreffend waren und sind, dannwären die öffentlichen Rechtfertigungen für dieNATO-Luftangriffe nicht zu halten. Das ist einFall, der von seiten des Parlaments aufgeklärt wer-den muß, dem die Öffentlichkeit nachgehen muß.Die PDS fordert, daß hier Aufklärung erfolgt. Was istmit Flüchtlingen passiert, die auf der Grundlage dieserUrteile abgeschoben wurden? Ich sage wahrscheinlichnichts Neues – es ist von Herrn Stadler schon gesagtworden –: Diese Regierung macht keine andere Politikals die Regierung Kohl/Kanther.
Millionen werden in die Abschottungspolitik investiert,damit weiterhin unmöglich gemacht wird, daß Flücht-linge in dieses Land kommen.Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne noch dasHickhack ansprechen, das hier zwischen den Innenmi-nistern der Länder und dem Bundesinnenminister bzw.innerhalb der Bundesregierung läuft, wenn es um dieAufnahme von Flüchtlingen geht. In Albanien sind be-reits über 380 000 Flüchtlinge. Wer das auf die Bundes-republik Deutschland – pro Kopf, nicht wirtschaftlich –umrechnet, wird feststellen, daß Deutschland acht Mil-lionen Flüchtlinge aufnehmen müßte. Ich meine, daßdieser Streit peinlich und menschenunwürdig ist, daß esskandalös ist, wie hier über das Schicksal von Menschenverhandelt und vor allen Dingen auch geurteilt wird.Die PDS-Fraktion fordert: Öffnen Sie die Grenzen fürdie Menschen aus den Krisengebieten. Nehmen Sie sienicht nur auf, sondern helfen Sie intensiv, daß sie hierunterkommen und versorgt werden.Der Krieg kostet jeden Tag etwa soviel, wie Sie ins-gesamt für die Flüchtlinge ausgeben wollen. 10 000Flüchtlinge kosten etwa 15 Millionen DM. Wenn Sie beiden Kosten des Krieges Einsparungen vornehmen wür-den, könnten Sie effektiver helfen.Cem Özdemir
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3281
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Ich werde Ihnen jetzt wahrscheinlich nichts Neuessagen: Wir werden diesen Haushalt natürlich ablehnen.Er ist unzumutbar und für die Flüchtlinge, die aus denKrisengebieten zu uns kommen, eine Katastrophe.Danke.
Für die SPD-
Fraktion spricht der Kollege Lothar Mark.
Herr Präsident! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal ist festzu-
halten: Der Sport hat einen finanziellen Zuwachs von
– egal, wie man es rechnet – mindestens 18,1 Millionen
DM erfahren. Damit fließen in diesen Bereich insgesamt
238,5 Millionen DM. Das heißt, daß wir zum Beispiel
die Spitzensportförderung weiter mit 3,2 Millionen
DM begünstigen können. Wir wollen, daß auch in Zu-
kunft Europameister, Weltmeister und Olympiasieger
aus Deutschland kommen.
Die Bundesregierung hat hier einen neuen Akzent ge-
setzt. Ich denke, daß es scheinheilig ist, nun zu fragen
„Warum macht ihr insgesamt nicht mehr?“; denn dazu
hätte man viele Jahre lang die Möglichkeit gehabt.
Das gleiche wäre zur Dopingforschung und zur Do-
pinganalytik zu sagen. Wir haben die finanziellen Mit-
tel für diesen Bereich immerhin um 500 000 DM erhöht.
Wenn hier gesagt wird, dies sei zuwenig, dann frage ich
mich: Warum hat nicht schon die alte Regierung eine
Erhöhung vorgenommen?
In gleicher Weise muß man beim leistungsbezoge-
nen Behindertensport argumentieren. Wir haben die
Mittel dafür immerhin – wiederum global gesehen – um
670 000 DM auf 5,82 Millionen DM erhöht. Wenn hier
von der F.D.P. gesagt wird, wir würden den Antrag auf
Erhöhung des Zuschusses auf 2,5 Millionen DM ableh-
nen, dann frage ich: Warum, meine Damen und Herren
von der F.D.P., haben Sie den Behindertensport in den
zurückliegenden Jahrzehnten nicht stärker gefördert?
Wir machen jetzt einen ersten großen Schritt nach vorne.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zu dem
Thema, das in den letzten Debatten sehr heftig ange-
sprochen wurde, dem Goldenen Plan Ost. Es ist schon
sehr verwunderlich, daß Herr von Hammerstein sagt,
dieser Goldene Plan sei wegen der Hartnäckigkeit der
CDU/CSU aufgelegt worden. Der Goldene Plan ist von
der SPD sieben Jahre lang gefordert und von der dama-
ligen Regierung sieben Jahre lang abgelehnt worden.
Wir haben in den Besprechungen, Berichterstatter-
gesprächen und im Haushaltsausschuß versucht, diese
Position zunächst einmal offenzuhalten, weil wir nicht
wußten, wieviel wir letztendlich würden einsetzen kön-
nen. Aber daß wir gezwungen waren, den Goldenen
Plan Ost nun tatsächlich umzusetzen, hängt damit
zusammen, daß Sie noch für den 31. Dezember 1997
beschlossen hatten, daß der Neubau von Sportstätten
nach dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost, in
dem 6,6 Milliarden DM enthalten sind, nicht mehr mög-
lich ist. Wir haben diese Lücke geschlossen, indem wir
sagen, der Neubau wird durch den Goldenen Plan Ost
möglich.
Komplementär finanziert bedeuten 15 Millionen DM
für 1999 45 Millionen DM. Das wird Arbeitsplätze
schaffen. Die Verpflichtungsermächtigung für die näch-
sten drei Jahre in Höhe von 100 Millionen DM bedeutet
komplementär finanziert 300 Millionen DM. Dies ist
ebenfalls ein ganz gewaltiger Investitionsschub in
Richtung Osten.
Ich denke, daß wir damit einen wesentlichen Impuls für
den Aufbau Ost ausgelöst haben.
Der Präsident zeigt mir an, daß ich Schluß machen
muß. Ich gehe sofort darauf ein, Herr Präsident. Ich will
nur noch erwähnen, daß wir für die Stadien in Berlin
und Leipzig einen Leertitel haben, denn wir wollen, daß
dann, wenn die Zusage für die Weltmeisterschaft
kommt, dieser Titel gefüllt werden kann.
Vielen Dank.
Das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Wolfgang Zeitl-
mann.
Herr Präsident!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden überden Etat des Bundesinnenministeriums, und es istselbstverständlich und normal, daß insbesondere dieFragen der derzeitigen Flüchtlingssituation in unseremLand eine Rolle spielen. Der Bundesinnenminister hatam Anfang seiner Amtszeit große Aufmerksamkeit er-reicht, als er davon sprach, daß die Grenze der Belast-barkeit, was die Zuwanderung anbelangt, überschrittensei. Da hatte er wohl recht.
Der Innenminister spricht jetzt davon, daß dasFlüchtlingskontingent von 10 000 auf 20 000 verdoppeltwerden muß. Ich frage mich: Wie ist das mit der über-schrittenen Belastungsgrenze vereinbar? Und: Sind dieFlüchtlingszahlen der Kosovo-Albaner, die ich höre,richtig oder falsch? In einer Presseerklärung heißt es, inUlla Jelpke
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3282 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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der Bundesrepublik Deutschland leben derzeit 320 000Kosovo-Albaner. Die Frage der Belastung im Zusam-menhang mit der Verdoppelung darf nicht auf die10 000 begrenzt sein. Man muß der deutschen Öffent-lichkeit schon mitteilen, welche Belastungen diesesLand seit vielen Jahren, auch bezüglich der Kosovo-Albaner, zu tragen hat. In meinem Heimatland Bayernsind 50 000. Davon, so sagt der bayerische Innenmi-nister, seien allein 45 000 ausreisepflichtig. Ich sage das,damit klar ist, daß die Frage der Abschiebung in das Ko-sovo schon seit langem praktisch keine Rolle mehrspielt.Meine Damen und Herren, ich halte das für eine typi-sche Zickzackpolitik: Auf der einen Seite wird denMenschen im Land gesagt, ich achte auf die Grenze derBelastbarkeit dieses Landes, und auf der anderen Seitewird sie still und heimlich überschritten. In der letztenWoche hat der Innenminister gesagt, im Grunde sei dieEntscheidung richtig, die Flüchtlinge vor Ort und in dernächsten Nachbarschaft zu versorgen und nicht aufEuropa zu verteilen, in dieser Woche will er das Ge-genteil.Zwei Dinge stören mich gewaltig: Das eine ist dieTatsache, daß in dieser Diskussion von Vertretern derlinken Seite die Frage der deutschen Vertriebenen völ-lig anders gesehen wird. Bezüglich der deutschen Ver-triebenen wird der Eindruck erweckt, als seien das Men-schen besonderer Radikalität, als hätten sie nicht einschweres Schicksal zu tragen. Ich meine, sie haben nuneinen Anspruch darauf, daß in einem freien Staat auf ihrSchicksal Rücksicht genommen wird und ihren Verbän-den eine ganz normale, friedliche Integrations- undKulturarbeit durch staatliche Leistungen erleichtert wird.Ich halte es für unfair, in einem Atemzug Vertriebeneunterschiedlich zu behandeln.Ein Zweites, was mich hier stört, ist, daß von vielenSeiten, besonders von links, die Frage des Extremismusnur noch auf rechts fokussiert wird, als gäbe es keinenAusländer- und Linksextremismus. Ich rede überhauptnicht davon, daß es schamlos ist,
wenn die Vertreterin der PDS hier auftritt und in allenAnfragen nur nach rechtsaußen schaut, als gäbe es nicht– von diesem Innenminister nach wie vor beobachtet –in der PDS deutliche Tendenzen zum Linksextremismus.Die innere Sicherheit in diesem Lande ist ein ganzwichtiges Thema. Deswegen glaube ich, daß man alleinmit Foren für Kriminalprävention nicht überzeugendhandeln kann. Ich habe überhaupt nichts gegen Präven-tion; im Gegenteil, man möge sie betreiben. Man mußaber auch deutlich sagen, daß Prävention in vielen Be-reichen der inneren Sicherheit nicht ausreicht. DenkenSie einmal an den Prozeß gegen Öcalan, der demnächstin der Türkei stattfinden wird. Daß diese RegierungÖcalan hätte haben können und nicht wollte, ist das eineThema. Das ist diskutiert und abgeschlossen worden.Jetzt kommt es aber zu dem Prozeß und irgendwannauch zu einem Urteil – wer weiß, zu welchem. Dannwird es auf deutschen Straßen wahrscheinlich wiederSicherheitsdefizite geben. Hier aber erwähnt man diesesThema überhaupt nicht und tut so, als könne man esdurch Prävention in den Griff bekommen. Jeder Insiderweiß aber, daß Sie in diesem Bereich mit Prävention undmit Foren überhaupt nichts bewerkstelligen. Vielmehrmüssen Sie knallharte Vorsorge treffen und alle Sicher-heitsorgane auf äußerste Vorsicht „schalten“, damit siesolchen Situationen gewachsen sind.
Herr Kollege
Zeitlmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kolle-
gen Wiefelspütz?
Dem Kollegen
Wiefelspütz immer.
Herr Zeitlmann, bei al-
lem Respekt vor unterschiedlichen Meinungen und Be-
wertungen: Ich fühle mich verletzt durch die Behaup-
tung, wir seien einäugig, wenn es um Extremismus geht.
Haben Sie den Verfassungsschutzbericht, den der
Bundesinnenminister zu verantworten hat und in den
sicherlich auch manche Vorarbeiten seines Amtsvorgän-
gers eingeflossen sind, in seiner ganzen Bandbreite
– Linksextremismus wie Rechtsextremismus, ein-
schließlich eines Teils über die PDS – überhaupt gele-
sen? Sind Sie bereit, zuzugeben, daß Sie diesen Bericht
nicht gelesen haben, sondern hier – entsprechend Ihrem
Wunschdenken – Pappkameraden aufbauen?
Herr KollegeWiefelspütz, ich sage Ihnen ganz offen – da hätte esIhrer Frage nicht bedurft –: Natürlich habe ich den Ver-fassungsschutzbericht gelesen und natürlich weiß ich,daß im Verfassungsschutzbericht beide Formen des Ex-tremismus behandelt werden. Es wäre auch schlimm,wenn ein Innenminister das nur einseitig machen würde.Aber hierzu sage ich Ihnen – dazu habe ich eine Pres-seerklärung gemacht, und dazu stehe ich auch –: Es gibt– in der letzten Woche vorgestellt – das Bündnis fürDemokratie und Toleranz. In diesem Bündnis ist mitkeinem Wort auf Linksextremismus verwiesen worden;vielmehr wurde nur auf Rechts geprügelt.
Deswegen sage ich Ihnen: Ich bleibe bei meinem Vor-wurf, daß der Bundesinnenminister auf einem Augeblind ist. Ich begründe dies mit dem Hinweis auf diesesBündnis für Demokratie und Toleranz: Da ist nur vonder einen Seite die Rede. Wenn Sie etwas anderes sagen,dann haben Sie nichts über dieses Bündnis gelesen.
Eine Anmerkung muß aber noch erlaubt sein: Wennwir das Thema Innenpolitik behandeln, dann spielt eineWolfgang Zeitlmann
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3283
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(D)
entscheidende Rolle, daß der Bundesinnenministergleichzeitig Ratspräsident ist und daß es ein europäi-sches Vorhaben gibt, die Flüchtlings- und die Asylpoli-tik zusammenzuführen und zu vergemeinschaften. Indem halben Jahr Ihrer Ratspräsidentschaft – ich gebe zu,es ist erst ein halbes Jahr – ist aber im Grunde genom-men nichts passiert. Ich kenne keine Konferenz, keinenBericht und auch keine Diskussion dieser Präsident-schaft zu dem Thema.
Der Bundesinnenminister selbst hat in dieser Wochezugegeben, daß die Frage eines gemeinsamen Handelnsin der Flüchtlingspolitik schwierig bzw. nicht lösbar ist.Dann möge man dies auch öffentlich sagen und erklären,wer Hinderungsgrund ist, in welchem Land es die größ-ten Widerstände gibt und warum man nicht weiter-kommt.
Mit einer verdeckten, stillen Diskussion ist nicht gehol-fen. Vielmehr muß man auch in aller Öffentlichkeit dazuStellung nehmen.
Es wäre natürlich unvollständig, das Thema Innen-politik zu behandeln, ohne darauf einzugehen, daß Siemorgen den Schlußpunkt in der Frage des Staatsange-hörigkeitsrechts setzen wollen. Meine Damen und Her-ren, der gleiche Innenminister, der morgen dieses Gesetzvortragen wird, hat noch zur Jahreswende gegen dasOptionsmodell, das Sie jetzt vorlegen, größte verfas-sungsrechtliche Bedenken gehabt. Dies ist nachweisbar.Jetzt plötzlich spielt es keine Rolle mehr. Er hat nochzum Jahresende öffentlich erklärt, daß der Verwaltungs-aufwand, der mit diesem Gesetz, das morgen verab-schiedet werden soll, verbunden ist, unerträglich hoch istund daß er ihn vermeiden will. Er wird es nicht können,weil er jetzt genau dieses Gesetz vorlegt.Meine Damen und Herren, das ist für mich keine kla-re und vorausschauende Innenpolitik, sondern ich sageIhnen ganz offen: Mit diesem Staatsangehörigkeitsrechtschaffen Sie morgen eher Anreize zu weiterem Zuzugund damit eine weitere Belastung für unser Land. Jeden-falls sagen Sie in diesem Gesetz keinen Satz über Inte-gration, auch nicht über Zuzugsbegrenzung. Dies wirdweltweit als falsches Zeichen verstanden. Deswegensind wir gegen diese Regelungen, die morgen verab-schiedet werden sollen.Im übrigen – auch dies ein Novum –: Noch nie ist zuunserer Regierungszeit im Innenausschuß ein Gesetzes-vorhaben so durchgepaukt worden wie dieses Gesetz.
Das sage ich ganz offen, und dabei bleibe ich. Das kannich im Ernstfall auch belegen.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der
Bundesminister des Innern, Otto Schily.
Herr Kolle-ge Zeitlmann, ich würde gern auf Ihre Ausführungeneingehen, aber Ihr Denken scheint mir doch etwas chao-tisiert zu sein.
Sie wettern hier gegen Prävention, und im nächsten Satzsagen Sie, es bedürfe einer knallharten Vorsorge. Also,Prävention ist nun mal Vorsorge. Wie soll ich das zu-sammenbringen?
Und wenn Sie die Protokolle der EU-Ratspräsident-schaft nicht kennen, dann polemisieren Sie doch nichtdagegen, wenn Sie nicht wissen, um was es geht.
Ich denke, so kann man sich nicht verständigen. Daherglaube ich, ich sollte mich doch den wesentlicheren Fra-gen zuwenden.Vornehmste Aufgabe der Innenpolitik, Herr Präsi-dent, meine Damen und Herren, ist die Bewahrung desinneren Friedens. Die Bürgerinnen und Bürger habeneinen selbstverständlichen Anspruch darauf, daß derStaat die innere Sicherheit umfassend gewährleistet, dieBürgerinnen und Bürger vor Straftaten schützt und ihnenein Leben in Freiheit und Sicherheit ermöglicht.Die Europäische Union hat es deshalb zu ihrem Pro-grammsatz erhoben, Europa zu einem Raum der Frei-heit, der Sicherheit und des Rechtes auszugestalten. Dasalles gehört zusammen, Herr Kollege Stadler, da gebeich Ihnen völlig recht. Ich habe sehr oft Wilhelm vonHumboldt zitiert, der gesagt hat: „Die Freiheit kann derMensch nur entwickeln in Sicherheit, also ist die Sicher-heit auch eine Vorbedingung für die Freiheit.“ Aber bei-des ist gemeint. Die rechtsstaatliche Ordnung verbürgtdiesen Zusammenhang. Ich weiß mich jedenfalls inmeiner Verantwortung als Bundesinnenminister dieserZielsetzung der Europäischen Union verpflichtet.Dank der guten Arbeit von Bundeskriminalamt, Bun-desgrenzschutz, des Bundesamtes für Verfassungs-schutz, aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterdes Bundesinnenministeriums und vieler anderer demBundesinnenministerium zugeordneter Institutionen unddank der guten Zusammenarbeit mit den Länderinnen-ministern und den Länderpolizeien gehört Deutschland –das kann man hier durchaus einmal hervorheben – zuden sichersten Ländern auf der ganzen Welt.
Das ist einer der wichtigsten Standortvorteile im wirt-schaftlichen Wettbewerb. Deshalb müssen wir auch mitEntschiedenheit Äußerungen entgegentreten, die denWolfgang Zeitlmann
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3284 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Staat gewissermaßen als Kostgänger der Wirtschaft inMißkredit zu bringen versuchen.
Auch die Wirtschaft kann nur gedeihen, wenn der Staatfür die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit sorgt.Die Leistungen des Staates gehören daher auch im Be-reich der Wirtschaft nicht zu den Belastungs–, sondernzu den Produktionsfaktoren.Die Erfolge bei der Gewährleistung der innerenSicherheit und die hohe Leistungsfähigkeit unsererSicherheitsinsititutionen lassen sich auch an konkretenBeispielen darstellen. Ich will Ihnen ganz offen sagen:Im vergangenen Jahr hat mir ein Erpressungsfall zu La-sten der Deutschen Bahn sehr große Sorge gemacht. DenBeamten des Bundeskriminalamtes und des Bundes-grenzschutzes ist es gelungen, diesen Sachverhalt sehrschnell aufzuklären. Ich möchte diesen Beamten, diemich einer großen Sorge enthoben haben, meinen be-sonderen Dank aussprechen.
Es ist ein Ausweis guter polizeilicher Arbeit, daß esin den letzten Wochen gelungen ist, einigen gefährlichenSchleuserbanden das Handwerk zu legen. Es ist ebensobedeutsam, daß eine Reihe von Personen, die im Ver-dacht stehen, an den gewalttätigen Aktionen der PKKbeteiligt gewesen zu sein, inzwischen festgenommenwerden konnte. Das sind nur einige Beispiele aus der Er-folgsbilanz polizeilicher Arbeit.
Diese Erfolgsbilanz, meine Damen und Herren Kolle-gen, ist auf den engagierten Einsatz der beteiligten Be-amtinnen und Beamten zurückzuführen, aber auch aufdie Tatsache, daß man sich bei der polizeilichen Arbeitder modernsten wissenschaftlichen und technischenMöglichkeiten bedient.Gleichwohl bleibt auch die technische und organisa-torische Erneuerung der polizeilichen Institutionenauf der Tagesordnung. Bedeutsam ist in diesem Zusam-menhang, daß wir nunmehr mit den Ländern Einver-nehmen darüber erzielt haben, die Polizeiführungsaka-demie in Hiltrup bei Münster zu einer internen Hoch-schule der Polizei auszubauen.
Das entspricht nach meinem Verständnis einem moder-nen Bild des Polizisten – etwa im Rahmen des „commu-nity policing“ –, der seine Tätigkeit auf Grund einer um-fassenden Bildung und einer breiten Wissensgrundlageausübt.Natürlich ist die Polizei keine Militäreinheit, wie wiralle wissen. Aber ich möchte bewußt ein Beispiel auf-führen, an dem deutlich wird, was ich meine. Sie werdensich erinnern: Es ist das Verdienst von Georg Leber, daßfür die Bundeswehr Universitäten geschaffen wordensind. Die beiden Bundeswehruniversitäten, die einge-richtet worden sind, haben wesentlich dazu beigetragen,daß es einen neuen Offizierstypus gibt, mit dem wir esgeschafft haben, die Bundeswehr in die Mitte der Ge-sellschaft zu rücken. Das ist ein gutes Beispiel dafür,wie ich mir auch die zukünftige polizeiliche Arbeit vor-stelle.Bei unseren Reformvorhaben können wir in mancherHinsicht an gute Vorarbeiten meines Amtsvorgängersanknüpfen. Dies anzuerkennen fällt mir um so leichter,als wir seinerzeit viele Reformprojekte in kritischer,aber immer in konstruktiver Opposition unterstützt ha-ben. Ich lade die heutige Opposition dazu ein, sich inähnlich konstruktiver Form an den künftigen Reform-vorhaben zu beteiligen.
Bis jetzt habe ich über objektive Faktoren der Sicher-heit gesprochen. Auch das subjektive Sicherheitsemp-finden der Bevölkerung hat sich deutlich verbessert,seit die neue Bundesregierung im Amt ist. Das Bundes-kriminalamt hat in unserem Auftrag eine Untersuchungdurchgeführt. Aus dieser ergibt sich, daß sich 80 Prozentder Befragten im Osten und 83 Prozent im Westen„ziemlich sicher“ bis „sehr sicher“ fühlen. Das ist einguter Ausweis für die Politik der inneren Sicherheit derdeutschen Bundesregierung.
Innere Sicherheit läßt sich aber wahrlich nicht mehrallein im nationalstaatlichen Rahmen erreichen. Wirmüssen daher die internationale Sicherheitsarchitek-tur ausbauen. Auf diesem Gebiet haben wir erheblicheFortschritte erzielen können. Vor wenigen Tagen habeich in der Schweiz ein bilaterales Abkommen zur um-fassenden polizeilichen Zusammenarbeit unterzeichnet.Ein weiteres Abkommen dieser Art mit Österreich ist inVorbereitung. Vor wenigen Tagen habe ich in Moskauein Abkommen mit Rußland unterschrieben, das derIntensivierung der Bekämpfung der organisierten Kri-minalität dient.
Dieses Abkommen, das auf Grund von Meinungsunter-schieden innerhalb der alten Bundesregierung lange Zeitauf Eis lag, konnte damit zu einem erfolgreichen Ab-schluß gebracht werden, einfach deshalb, weil inzwi-schen die Verständigung zwischen Justizministeriumund Innenministerium besser funktioniert als in der ver-gangenen Legislaturperiode.
In Polen ist im Zusammenhang mit den deutsch-polnischen Gesprächen in der vergangenen Woche einGeheimschutzabkommen unterzeichnet worden, dasebenfalls einen wesentlichen Beitrag zur besseren poli-zeilichen Zusammenarbeit leisten wird. Mit vielen ande-ren Ländern wird auf bilateraler Basis die polizeilicheZusammenarbeit ausgeweitet und intensiviert. Zu diesenLändern gehören unter anderem Frankreich, Großbritan-nien, Spanien und Italien.Bundesminister Otto Schily
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3285
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Im europäischen, das heißt im multilateralen Rahmenist es unter der deutschen Ratspräsidentschaft gelungen,sicherzustellen – das ist ein sehr großer Erfolg –, daßEuropol am 1. Juli dieses Jahres die Arbeit aufnehmenwird und daß die Zuständigkeiten Europols auf die Be-kämpfung des Terrorismus und der Geldfälschungsde-likte erweitert wird. Das ist nach jahrelangen Bemühun-gen ein großer Erfolg.
Ich will auch darauf hinweisen, daß uns eine Eini-gung über EURODAL gelungen ist. Auch diesen wich-tigen Punkt sollten wir erwähnen. Nicht zuletzt dank derdeutschen Bemühungen war es in bilateralen Gesprä-chen möglich, die letzten Hindernisse für eine Imple-mentierung der Schengen-Kooperation im AmsterdamerVertrag auszuräumen.Wir alle haben feststellen müssen: Uns sind nurhomöopathische Dosen zugeteilt worden, um in unserenRedebeiträgen auf die weitgefächerten Probleme derInnenpolitik einzugehen. Aber die Aktualität gebietet es,ein Thema besonders anzusprechen – dies gilt auch an-gesichts einiger Beiträge meiner Vorredner –: Ich meineden Kosovo und die aktuelle Situation in den Nachbar-regionen. Weil Herr Zeitlmann und andere Kollegenimmer wieder behaupten, es gebe einen Zickzackkurs,sage ich Ihnen, damit hier gar keine Mißverständnisseentstehen: Der deutsche Innenminister ist sich mit allenInnenministern der Europäischen Union und mit beidenfür diese Fragen zuständigen EU-Kommissarinnen, FrauGradin und Frau Bonino, und mit der UNO-Kom-missarin für Flüchtlingsfragen, Frau Ogata – ich telefo-niere praktisch alle zwei Tage mit ihr, Herr Zeitlmann –,einig, daß die Hilfe vor Ort Vorrang hat. Der Grund da-für ist, daß eine Evakuierung der Vertriebenen aus denNachbarregionen nach Möglichkeit vermieden werdensoll, damit Herr Milosevic nicht den Eindruck gewinnenkann, die Vertreibung sei endgültig.
– Und sie wollen auch gar nicht aus den Gebieten weg;deshalb wird im Einvernehmen mit der albanischen Re-gierung eine Evakuierung aus Albanien grundsätzlichnicht stattfinden.Eine andere Situation ergibt sich in Mazedonien. Ichbitte Sie, sich die Dinge so vor Augen zu führen, wie siewirklich sind. Mazedonien ist ein Land mit 2,2 Millio-nen Einwohnern. Es hat ein sehr labiles ethnischesGleichgewicht. Dort sind in diesen Tagen zusätzlich56 000 Vertriebene angekommen. Sie können den heuti-gen Agenturmeldungen entnehmen, daß das Land seineGrenze geschlossen hat.
Mazedonien mit seinen 2,2 Millionen Einwohnern hatinsgesamt 200 000 Flüchtlinge aufgenommen. Das ent-spricht 10 Prozent seiner Bevölkerung. Für unser Landwürde ein vergleichbarer Fall bedeuten, daß wir 8 Mil-lionen Vertriebene aufgenommen hätten. Ich möchteeinmal sehen, was Sie, Herr Zeitlmann, dann sagen wür-den. In einer solchen Situation muß man in der Lagesein, einem solchem Land beizustehen, und man darfnicht kleinlich an irgendwelchen Zahlen herumkaspern.
Der deutsche Innenminister hat sich über die vergan-genen Wochen hinweg wahrlich bemüht, die Hand-lungsweise der europäischen Kolleginnen und Kollegenzu verändern. Ich lasse mir von niemandem sagen,irgend etwas unterlassen zu haben – von niemandem!Das hat seine Wirkung getan. Sie sehen doch: Die An-gebote haben sich von Woche zu Woche gesteigert. AmMontag ist der Kollege aus Großbritannien, Jack Straw,bei mir zu Besuch. Ich bin sicher, daß er seine Angeboteerhöhen wird.Man muß verstehen – das hat auch etwas mit Europazu tun; Sie waren lange genug in der Regierungsverant-wortung, um das zu wissen und dem deutschen Volkkeinen Unsinn zu erzählen –, daß es in solchen Fragennatürlich unterschiedliche Standpunkte gibt und daßman versuchen muß, sich in das hineinzudenken, wasVertreter anderer Länder sagen. Mir sagt der spanischeKollege, er müsse die besondere Situation gegenüberNordafrika berücksichtigen; auch in dieser Frage habe erProbleme. Dafür muß ich Verständnis haben, HerrZeitlmann. Wenn ich mich nicht in die Lage andererLeute hineinversetzen kann, sollte ich die Politik liebermeiden.
Nehmen Sie doch einmal ernst, was in Ihrer eigenenFraktion gesagt wird. Wenn Herr Schwarz-Schilling, dernun tatsächlich über Kenntnisse in diesem Gebiet ver-fügt, mir recht gibt, dann glaube ich ihm – das muß ichIhnen ehrlich sagen – eher als Herrn Zeitlmann. Das istnun einmal so.
Sie mögen sich an Ihrem Stammtisch in Bayern so ver-halten, Herr Zeitlmann. Aber wenn Sie hier so argu-mentieren, hat das für mich keine Bedeutung.
Ich schlage jetzt wieder einen etwas versöhnlicherenTon an: Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Haus-hältern für die konstruktive und sehr angenehme Zu-sammenarbeit.
Ich weiß, daß wir in einer Zeit leben, in der wir aufschwere Belastungen im Haushalt Rücksicht nehmenmüssen. Der Bundesminister des Innern kann zufriedensein, daß er für seinen Haushalt von allen Seiten desHauses in vielen Fragen Unterstützung erhalten hat. Daßsich alle als Mütter und Väter der Erfolge bei der Sport-förderung darstellen, nehme ich zur Kenntnis; ich willmich nicht in diese Reihe stellen, aber nehme diese Er-Bundesminister Otto Schily
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folge dankbar entgegen. Das ist gut für die Arbeit desBundesinnenministers. Ich bin froh darüber, daß wir unsüber die Wichtigkeit der Dopingbekämpfung einig sind.Wir müssen dafür sorgen, daß der Sport frei von solchenMachenschaften, sauber und ehrlich bleibt.Wenn wir uns bemühen, auch bei Themen andererArt zu einem Konsens zu kommen, dann kann das derdeutschen Politik nicht schaden, sondern nur nutzen.Deshalb lade ich Sie ein, den Konsens gerade auch inFragen des inneren Friedens und der inneren Sicherheitzu suchen. Ich glaube, daß ein solcher Konsens, wie wirihn in diesem Hause bei Fragen der äußeren Sicherheiterreicht haben, auch bei Fragen der inneren Sicherheiterforderlich ist. Daß wir ihn finden, ist mir ein wichtigesAnliegen.In dem Zusammenhang möchte ich auch noch einmalansprechen, was der Kollege Cem Özdemir hier gesagthat. Es gibt Strukturen und Spaltungstendenzen in unse-rem Lande, die uns besorgt machen und mit denen wiruns beschäftigen sollten. Wenn es uns nicht gemeinsamgelingt, diese Spaltungstendenzen zu überwinden, seheich Gefahren für unsere Demokratie. Wir werden uns jamorgen darüber zu unterhalten haben, in welcher Weisewir die Spaltungstendenzen gegenüber der Zuwande-rungsbevölkerung überwinden können.Wenn ich es richtig wahrgenommen habe – damitmöchte ich schließen –, hat hier ein Zwischenrufer ausden Reihen der Opposition sinngemäß gesagt, ich sei mitmeinem Amtseid nicht auf die Ausländer vereidigt.
Darauf möchte ich Ihnen sagen: Ich verstehe meinenAmtseid so, daß ich für die Würde jedes Menschen ein-trete, wie sie im Grundgesetz verankert ist.
Zu einer Kurzinter-
vention gebe ich dem Kollegen Dietmar Schlee das
Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einige
wenige Bemerkungen zu den Ausführungen des Bun-
desinnenministers zur Flüchtlingspolitik machen. Herr
Schily, zunächst müssen wir einmal festhalten, daß die-
ses Land eine ganz große Hilfsbereitschaft in bezug auf
die Flüchtlinge an den Tag legt. Daß mittlerweile mehr
als 200 Millionen DM an Spenden eingingen, ist ein
ganz wichtiges Faktum. Bisher haben wir 10 000 Kon-
tingentflüchtlinge aufgenommen. Ich glaube, daß man
mit Sicherheit sagen kann, daß im Laufe des letzten Jah-
res und in diesem Jahr über diese 10 000 hinaus etwa
160 000 bis 170 000 Flüchtlinge aus dem Kosovo nach
Deutschland gekommen sind. Das heißt, unsere Bevöl-
kerung hat nicht nur Geld gestiftet, sondern sie hat ein
hohes Maß an Hilfsbereitschaft und Unterstützung bei
der Flüchtlingsaufnahme an den Tag gelegt. Wie gesagt,
das verdient Dank und Anerkennung.
Auf der anderen Seite – Herr Schily, wir spüren das
doch alle – ist es so, daß die Bevölkerung natürlich
schon beobachtet, wie die Flüchtlingsprobleme in Euro-
pa gelöst werden. Zunächst einmal ist all das, was Sie
zur Regionalisierung und zur Hilfe vor Ort gesagt haben,
absolut richtig. Alles andere wäre einfach daneben. Si-
cherlich kann man die Hilfe in Mazedonien auch noch
weiter verstärken und verbessern.
Aber, Herr Schily, wenn dann die Bevölkerung sieht,
daß wir unser Kontingent innerhalb von zehn Tagen er-
füllen und andere einfach nicht nachkommen – ich will
überhaupt gar nicht in Zweifel ziehen, daß Sie mit Frau
Ogata und Ihren Kollegen telefonieren und da Druck
machen –, wenn man die Entwicklung auch nach den
Geschehnissen in Bosnien bedenkt, als wir 350 000
Flüchtlinge aufgenommen haben und die Franzosen
15 000, die Briten 13 000 und die Spanier 2 500 Flücht-
linge, dann gilt das Uraltargument, daß die Spanier na-
türlich auf die Marokkaner und die Franzosen auf die
Algerier verweisen, nur noch bedingt.
Diese Frage muß europaweit gelöst werden. Ich habe
es Ihnen gestern schon gesagt: Ich bin der festen Über-
zeugung, daß diese Probleme auf Fachministerebene
nicht mehr zu lösen sind. Die Innenminister hängen an
den Finanzministern. Das muß auf der Ebene der Regie-
rungschefs gelöst werden. Sie müssen sich am Rande ei-
ner Konferenz, meine ich, einigen. Daraus muß ein ge-
meinsamer Wille resultieren, der dann auch so rasch wie
möglich umgesetzt wird. Zusagen zwischen Tür und
Angel reichen überhaupt nicht mehr aus.
Wenn unsere Bevölkerung sieht, daß die Dinge hier
ungerecht vonstatten gehen, dann fühlt sie sich ausge-
nutzt. Das können wir alle zusammen nicht wollen, weil
wir diese Hilfsbereitschaft brauchen. Wenn Sie an die
Flüchtlingsproblematik der nächsten Wochen denken,
wenn Sie daran denken, welche Probleme wir beim
Wiederaufbau im Kosovo bekommen werden, wenn Sie
das alles bedenken, dann muß, so meine ich, eine große
Kraftanstrengung unternommen werden.
Vielen Dank.
Herr Bundesmi-
nister Schily.
Herr Kollege Schlee, wir sinddoch überhaupt nicht unterschiedlicher Meinung dar-über, daß wir gegenüber der Bevölkerung zu großemDank verpflichtet sind, daß wir eine Welle der Hilfsbe-reitschaft haben. Ich bin überzeugt, daß diese Welle derHilfsbereitschaft auch anhalten wird, wenn wir jetztweitere 10 000 Flüchtlinge aufnehmen.Ich war gerade während des Besuchs von HerrnClinton mit dem amerikanischen Botschafter Kornblumund Kollegen Scharping in einem Flüchtlingsheim. DieFlüchtlinge haben sich für die ausgesprochen warmher-zige Aufnahme in der deutschen Bevölkerung sehr be-dankt. Ich weiß, wieviel Geld gespendet worden ist. Al-les das ist richtig, und ich weiß es sehr zu würdigen. IchBundesminister Otto Schily
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3287
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habe in einem Beitrag hier einmal sehr deutlich darge-stellt, was von den humanitären Organisationen vor Ortgeleistet wird.Ich habe sehr ausführlich die Verdienste der Beamtendes BGS, die ich dorthin geschickt habe, dargestellt. Siehaben dort ein besonderes Lob geerntet. Der UN-Flüchtlingskommissar hat mir einen Brief geschrieben,in dem er die Bundesregierung besonders mit Lob fürdie vorbildliche Arbeit auf diesem Gebiet bedacht hat.Da gibt es wohl keinen Unterschied zwischen uns. Abernun zu glauben, Herr Kollege Schlee, es sei zwischenTür und Angel eine Zusage gemacht worden, das istschlicht ein Irrtum; das muß ich Ihnen sagen.In der Luxemburger Dringlichkeitskonferenz, dieich nach Ostern einberufen habe, haben sich alle EU-Mitgliedsländer im Grundsatz bereit erklärt, sich an derEvakuierung, vor allen Dingen aber auch an Hilfen vorOrt zu beteiligen.Damit ich das Bild hier vollständig zeichne, sage ichnoch dies: Ich war am Ostersonntag in Tirana. Ich habedort eine Zusage erhalten, daß zur Entlastung von Ma-zedonien Albanien – ich darf noch einmal darauf hin-weisen: es gibt in Albanien organisatorische und logisti-sche, aber keine politischen Probleme – auch Flüchtlin-ge aus Mazedonien aufnimmt. Von dieser Zusage wirdzur Entlastung von Mazedonien jetzt auf die Weise Ge-brauch gemacht, daß der UNO-Flüchtlingskommissareinen Korridor nach Mazedonien öffnet und die NATO-Kräfte, die in Albanien sind, in der Nähe von Korca einFlüchtlingslager für 50 000 bis 60 000 Vertriebene bau-en. Sie müssen aber auch den Zeithorizont sehen und er-kennen, daß wir nicht die von Ihnen praktizierte einsei-tige Sichtweise haben können.Nun weisen Sie auf das Problem der Bosnien-Flüchtlinge hin. Da es dieses Flüchtlingsproblem schondamals gegeben hat, kann ich Ihnen nur sagen: Ihnen istes damals auch nicht gelungen, eine Kontingentierung inder damaligen europäischen Konstellation durchzuset-zen. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich sehe für die nächsteZeit keine Einigungsmöglichkeit in dieser Frage.Wir haben im Rahmen der EU-Präsidentschaft einsogenanntes Pledging-Verfahren vorgeschlagen, indemwir gesagt haben, jeder Staat solle auf freiwilliger Basiserklären, wieviel Flüchtlinge er aufnehmen will. Da aberdas Quotensystem immer im Hintergrund steht, war esetwas schwierig, die Vertreter der einzelnen EU-Mitgliedstaaten darauf festzulegen, welches Kontingentsie nun aufnehmen wollen. In der Praxis erweist sichaber, daß sie durchaus zur Aufnahme bereit sind.Um die Situation richtig zu beurteilen, muß man se-hen, daß uns einige Länder in dieser Frage voraus sind.Ich nehme gleich an der Schaltkonferenz der Länderin-nenminister teil und kann deswegen sagen, daß es einLand gibt, das sich bisher immer noch weigert, nämlichBayern. Bayern hat im Moment weniger Flüchtlinge,bezogen auf die Einwohnerzahl, aufgenommen alsÖsterreich. Österreich will bis Ende Mai bis zu 5 000Flüchtlinge aufnehmen.
– Die Österreicher haben ebenfalls eine große Zahl vonFlüchtlingen aufgenommen. Vertun Sie sich da einmalnicht!Herr Schlee, Sie sind ein Mann, der die Gegend gutkennt. Wir haben doch einen gemeinsamen Nenner: Wirwollen Mazedonien nicht destabilisieren. Mit Rechtha-berei erreichen wir nichts.
Wir müssen binnen kurzer Zeit handeln. Das ist der ent-scheidende Punkt. Deshalb habe ich gesagt, daß wir alleMöglichkeiten nutzen müssen, sogar die, die ich eigent-lich für die schlechteste halte, nämlich Flüchtlinge in dieVereinigten Staaten von Amerika zu bringen. Ich habemich mit Frau Ogata darüber geeinigt, daß wir von die-ser Möglichkeit Gebrauch machen müssen.Es muß also rasch gehandelt werden. In dieser Ver-antwortung steht der Bundesinnenminister. Ich bin übri-gens davon überzeugt: Wenn Sie an meiner Stelle wä-ren, würden Sie nicht anders handeln, Herr Schlee.
Ich schließe dieAussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-plan 06 – Bundesministerium des Innern – in der Aus-schußfassung. Dazu liegen vier Änderungsanträge derFraktion der PDS vor, über die wir zunächst abstimmen.Änderungsantrag auf Drucksache 14/969. Wer stimmtdafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerÄnderungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS mitden Stimmen des Hauses abgelehnt.Änderungsantrag auf Drucksache 14/970. Wer stimmtdafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerÄnderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhält-nis wie zuvor abgelehnt.Änderungsantrag auf Drucksache 14/971. Wer stimmtdafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerÄnderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhält-nis wie zuvor abgelehnt.Änderungsantrag auf Drucksache 14/972. Wer stimmtdafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerÄnderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhält-nis wie zuvor abgelehnt.Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 06 in der Aus-schußfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-gegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 06 ist mit denStimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegendie Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen.Abstimmung über den Einzelplan 33 – Versorgung –in der Ausschußfassung. Wer stimmt dafür? – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 33ist mit den Stimmen des Hauses bei Enthaltung der PDSangenommen.Otto Schily
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3288 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Ich rufe die Tagesordnungspunkte V. a bis c und dieZusatzpunkte 3a bis g auf: V. Überweisungen im vereinfachten Verfahrena) Erste Beratung des vom Bundesrat einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
– Drucksache 14/758 –
gebrachten Entwurfs eines … Strafrechts-änderungsgesetzes – § 323a StGB –
– Drucksache 14/759 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschußc) Beratung des Antrags des Bundesministeriumsder Finanzen Entlastung der Bundesregie-rung für das Haushaltsjahr 1998– Vorlage der Haushaltsrechnung und
– Drucksache 14/737 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuß ZP3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver-fahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurÄnderung des Übereinkommens vom 4. Au-gust 1963 zur Errichtung der AfrikanischenEntwicklungsbank– Drucksache 14/907 –
nate Jäger, Dr. Mathias Schubert, Ernst Bahr,weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD,der Abgeordneten Norbert Barthle, Dr. SabineBergmann-Pohl, Dirk Fischer ,weiterer Abgeordneter der Fraktion derCDU/CSU, sowie der Abgeordneten UlrichHeinrich und Dr. Edzard Schmidt-JortzigErrichtung eines Mahnmals für die ermor-deten Juden Europas– Drucksache 14/941 –
Elke Leonhard, Andrea Nahles, Dr. EckhartPick, weiterer Abgeordneter der Fraktion derSPD, der Abgeordneten Hans-Joachim Otto
, Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Her-
mann Otto Solms, weiterer Abgeordneter derFraktion der F.D.P., sowie der AbgeordnetenDr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Dr. HeinrichFink, weiterer Abgeordneter der Fraktion derPDSErrichtung eines Denkmals für die ermor-deten Juden Europas– Drucksache 14/942 –
Weisskirchen , Eckhardt Barthel
, Hans-Werner Bertl, weiterer Abge-
ordneter der Fraktion der SPD, der Abgeord-neten Dr. Rita Süssmuth, der AbgeordnetenVolker Beck , Gila Altmann (Aurich),Marieluise Beck , weiterer Abgeord-neter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN, sowie der Abgeordneten Sabine Leut-heusser-SchnarrenbergerErrichtung eines Denkmals für die ermor-deten Juden Europas– Drucksache 14/943 –
chael Roth , Karin Kortmann, NinaHauer, weiterer Abgeordneter der SPD sowieder Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, CemÖzdemir, Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeordne-ter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENErrichtung eines Denkmals für die ermor-deten Juden Europas und eines „Hauses derErinnerung“– Drucksache 14/944 –
nette Widmann-Mauz, Dr. Martina Krogmann,Ursula Heinen und weiterer Abgeordneter derFraktion der CDU/CSUErrichtung eines Mahnmals für die Opferder nationalsozialistischen Verbrechen ge-gen die Menschlichkeit– Drucksache 14/965 –Vizepräsident Rudolf Seiters
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3289
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Fischer , Dr.-Ing. Dietmar Kansy,Hannelore Rönsch , weiterer Ab-geordneter und der Fraktion der CDU/CSUSatellitennavigationssystem Galileo– Drucksache 14/945 –Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen(federführend)Ausschuß für Wirtschaft und TechnologieAusschuß für Bildung, Forschungund TechnikfolgenabschätzungAusschuß für die Angelegenheitender Europäischen UnionHaushaltsausschußInterfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann ist so beschlossen.Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-nung um den Zusatzpunkt 6 zu erweitern:Beratung des Antrags der Abgeordneten Wil-helm-Josef Sebastian, Hans-Otto Wilhelm, Dr.Gerd Müller und weiterer Abgeordneter zur Er-richtung eines zentralen Mahnmals– Drucksache 14/981 –Der Antrag soll jetzt gleich ohne Debatte zur feder-führenden Beratung an den Ausschuß für Kultur undMedien sowie zur Mitberatung an den Innenausschuß,den Finanzausschuß, den Ausschuß für Angelegenheitender neuen Länder und an den Haushaltsausschuß über-wiesen werden. – Sie sind damit einverstanden. Dann istdas so beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt VI auf:Abschließende Beratungen ohne AusspracheZunächst kommen wir zu Tagesordnungspunkt VIa:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des vonder Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zu dem Abkommen vom17. Oktober 1997 zwischen der Regierung derBundesrepublik Deutschland und der Regie-rung der Tunesischen Republik über die See-schiffahrt– Drucksache 14/390 –
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschus-
– Drucksache 14/594 –Berichterstattung:Abgeordneter Konrad KunickDer Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-sen empfiehlt auf Drucksache 14/594, den Gesetzent-wurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, diedem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben.– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-entwurf ist einstimmig angenommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt VIb:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des vonder Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zu dem Notenwechsel vom 29.April 1998 über die Rechtsstellung der däni-schen, griechischen, italienischen, luxemburgi-schen, norwegischen, portugiesischen, spani-schen und türkischen Streitkräfte in der Bun-desrepublik Deutschland– Drucksache 14/584 –
Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärti-gen Ausschusses
– Drucksache 14/959 –Berichterstattung:Abgeordneter Hans-Ulrich KloseDer Auswärtige Ausschuß empfiehlt auf Drucksache14/959, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmenwollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmendes Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt VIc:Zweite und dritte Beratung des von den Abge-ordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus,Wolfgang Gehrcke, weiteren Abgeordneten undder Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen
– Drucksache 14/554 –
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
– Drucksache 14/869 –Berichterstattung:Abgeordnete Joachim StünkerDr. Wolfgang GötzerRainer FunkeDer Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache14/869, den Gesetzentwurf abzulehnen.Bevor ich abstimmen lasse, gebe ich das Wort derKollegin Evelyn Kenzler zu einer Erklärung zur Ab-stimmung.
Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz mein Ab-stimmungsverhalten begründen.Vizepräsident Rudolf Seiters
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3290 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Ich werde der Beschlußempfehlung des Rechtsaus-schusses, den Gesetzentwurf der PDS zur Verlängerungder Verjährungsfrist für Schadensersatzforderungen ausZwangsarbeit unter dem NS-Regime abzulehnen, nichtzustimmen. Mein Abstimmungsverhalten resultiert –dies möchte ich hier ausdrücklich feststellen – nicht dar-aus, daß ich den Rechtsweg für besonders geeignet hal-te, um die berechtigten Forderungen der Opfer zu erfül-len. Ich weiß sehr wohl, wie langwierig, kompliziert undkostspielig zivilrechtliche Verfahren sein würden. Dieehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitersollten nicht automatisch auf die Gerichte verwiesenwerden.Meine ablehnende Haltung widerspricht auch nichtmeinem Standpunkt, daß ich den politischen Weg einergroßzügigen und gerechten Entschädigung durch Stif-tungen natürlich für besser halte. Ich bin für diesen Weg.Leider sind nicht einmal grobe Konturen eines solchenWeges erkennbar. Meine Ablehnung ergibt sich auchdaraus, daß die Antwort der Regierung auf eine entspre-chende Kleine Anfrage der PDS völlig unbefriedigendist. Die Regierung ist nicht in der Lage, eine einigerma-ßen genaue Auskunft über die Ausgestaltung der Stif-tungsinitiative deutscher Unternehmen zu geben. Dashat mich in meinem Abstimmungsverhalten bestärkt. Siekennt keine Einzelheiten über die in der Koalitionsver-einbarung angekündigte Bundesstiftung „Entschädi-gung für NS-Unrecht“. Die Betroffenen wissen bisheute nicht, was sie erwarten können.Ich stimme deshalb mit Nein, weil meiner Meinungnach den Betroffenen in dieser Situation der Rechtswegals letzter Ausweg offengehalten werden sollte. Ich kannder Beschlußempfehlung nicht zustimmen, weil nachmeiner Auffassung die Betroffenen selber darüber zuentscheiden haben, ob sie diesen Weg gehen wollen odernicht. Die drohende Verjährung würde diesen Weg ver-sperren. Ich bin davon überzeugt, daß die Opfer auf denRechtsweg verzichten werden, wenn es angemesseneStiftungsregelungen gibt. Ich sehe im Offenhalten desRechtsweges keinen Ersatz für eine Lösung des Pro-blems über eine Stiftung. Unser Gesetzentwurf sollvielmehr diese Lösung befördern. Auch deshalb kannich dem Rechtsausschuß nicht folgen. Die Bundesregie-rung, die Koalitionsparteien und die Wirtschaft haben esselbst in der Hand, durch eine zügige und angemesseneEntschädigung durch die Fonds von Stiftungen Klagenvor Gericht überflüssig zu machen.Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung desRechtsausschusses, weil ich es rechtsstaatlich nicht ver-treten kann, daß der Rechtsweg ohne Fristverlängerungverschlossen wird, bevor Stiftungsregelungen verbind-lich, transparent und für die Betroffenen akzeptabelfestgeschrieben sind.
Wir kommen zurAbstimmung. Wer dem Gesetzentwurf der PDS zustim-men will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegen-stimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist inzweiter Beratung gegen die Stimmen der PDS mit denStimmen des übrigen Hauses abgelehnt. Damit entfälltnach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt VId:Beratung der Beschlußempfehlung und desBerichts des Ausschusses für wirtschaftliche
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. R. Wer-ner Schuster, Joachim Tappe, Adelheid Trö-scher, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPD sowie der Abgeordneten Dr. Ange-lika Köster-Loßack, Hans-Christian Ströbele,Kerstin Müller , Rezzo Schlauch undder Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENReform der europäischen Entwicklungs-politik durch die deutsche EU-Ratspräsi-dentschaft– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. RalfBrauksiepe, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Chri-stian Ruck, weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSUEuropäische Entwicklungszusammenarbeitreformieren– zu dem Antrag der Abgeordneten JoachimGünther, Gerhard Schüßler, Dr. HelmutHaussmann, weiterer Abgeordneter und derFraktion der F.D.P.Eigenverantwortlichkeit der AKP-Staatenfördern– zu dem Antrag der Abgeordneten CarstenHübner, Heidi Lippmann-Kasten, Dr. DietmarBartsch, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der PDSZukunft der EU-AKP-Entwicklungszusam-menarbeit– Drucksachen 14/538, 14/537, 14/531, 14/164,14/879 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. R. Werner SchusterKlaus-Jürgen HedrichDr. Angelika Köster-LoßackGerhard SchüßlerCarsten HübnerWir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächstzur Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu demAntrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen zu einer Reform der europäischen Ent-wicklungspolitik durch die deutsche EU-Ratsprä-sidentschaft, Drucksache 14/879, Buchstabe a. Der Aus-schuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/538 an-zunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung?– Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlußemp-fehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bünd-nis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS gegen dieStimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.Dr. Evelyn Kenzler
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Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaft-liche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antragder Fraktion der CDU/CSU zu einer Reform der euro-päischen Entwicklungszusammenarbeit, Drucksache14/879, Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den An-trag auf Drucksache 14/537 abzulehnen. Wer stimmt fürdiese Beschlußempfehlung? – Gegenprobe! – Enthal-tungen? – Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmenvon SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen dieStimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaft-liche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antragder Fraktion der F.D.P. zu einer Förderung der Eigen-verantwortlichkeit der AKP-Staaten, Drucksache 14/879,Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag aufDrucksache 14/531 abzulehnen. Wer stimmt für dieseBeschlußempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von SPD,CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen dieStimmen der F.D.P. angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaft-liche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antragder Fraktion der PDS zur Zukunft der EU-AKP-Ent-wicklungszusammenarbeit, Drucksache 14/879, Buch-stabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Druck-sache 14/164 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-schlußempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen des übri-gen Hauses gegen die Stimmen der PDS angenommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt VIe:Beratung der Beschlußempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- undWohnungswesen zu der Unter-richtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Richtlinie des Rates über eintransparentes System harmonisierter Bestim-mungen über Fahrverbote für schwere Last-kraftwagen im grenzüberschreitenden Güter-verkehr auf ausdrücklich bezeichneten Straßen– Drucksachen 14/272 Nr. 156, 14/702 –Berichterstattung:Abgeordneter Wilhelm-Josef SebastianWir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für dieseBeschlußempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Die Beschlußempfehlung ist einstimmigangenommen.Wir kommen jetzt zu weiteren abschließenden Bera-tungen ohne Aussprache, und zwar zunächst zu Zusatz-punkt 4a:Beratung der Beschlußempfehlung des Aus-schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge-schäftsordnung
Antrag auf Genehmigung zur Durchführungeines anwaltsgerichtlichen Verfahrens– Drucksache 14/828 –Berichterstattung:Abgeordnete Anni Brandt-ElsweierWir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für dieseBeschlußempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Die Beschlußempfehlung ist einstimmigangenommen.Zusatzpunkt 4b:Beratung der Beschlußempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 43 zu Petitionen– Drucksache 14/961 –Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dafür?– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Diese Sam-melübersicht ist bei Enthaltung der PDS mit den Stim-men der übrigen Fraktionen angenommen.Zusatzpunkt 4c:Beratung der Beschlußempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 44 zu Petitionen– Drucksache 14/962 –Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dagegen?– Enthaltungen? – Diese Sammelübersicht ist gegen dieStimmen der PDS mit den Stimmen des übrigen Hausesangenommen.Zusatzpunkt 4d:Beratung der Beschlußempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 45 zu Petitionen– Drucksache 14/963 –Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dafür? –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Samme-lübersicht 45 ist mit den Stimmen des übrigen Hausesgegen die Stimmen von CDU/CSU angenommen.Zusatzpunkt 4e:Beratung der Beschlußempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 46 zu Petitionen– Drucksache 14/964 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Die Sammelübersicht 46 ist mit den Stim-men von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegendie Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.Ich rufe nunmehr den Einzelplan 12 auf:Einzelplan 12Bundesministerium für Verkehr, Bau- undWohnungswesen– Drucksachen 14/612, 14/622 –Berichterstattung:Abgeordnete Bartholomäus KalbDieter PützhofenGerhard RübenkönigDietmar Schütz
Matthias BerningerDr. Günter RexrodtDr. Uwe-Jens RösselVizepräsident Rudolf Seiters
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3292 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Es liegen drei Änderungsanträge der CDU/CSU, einÄnderungsantrag der F.D.P. und vier Änderungsanträgeder PDS vor. Die Fraktion der CDU/CSU hat zwei Ent-schließungsanträge, die Fraktion der F.D.P. einen Ent-schließungsantrag eingebracht. Über diese Entschlie-ßungsanträge wird nach der Schlußabstimmung abge-stimmt. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß andie Aussprache drei namentliche Abstimmungen durch-führen werden.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort zu-nächst dem Kollegen Bartholomäus Kalb von derCDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wirvorhin eine sehr bewegte Debatte und einen Gedanken-austausch zwischen Herrn Schlee und dem Herrn Bun-desinnenminister über eine Frage, die uns alle berührt,erlebt haben, müssen wir uns jetzt den nüchternerenFragen des Haushalts für Verkehr, Bau- und Woh-nungswesen zuwenden.Sie, Herr Bundesminister, haben in der ersten Lesungzu diesem Haushalt ausgeführt:Der Haushalt für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-sen hat im wesentlichen zwei Zielen zu genügen,nämlich einmal dem Ziel, daß wir unsere Städtevernünftig weiterentwickeln, daß wir menschen-würdige Wohnungsbedingungen in Deutschlandhaben und daß wir die Mobilität im Lande sichern,das heißt, daß wir eine vernünftige Verkehrspolitikmachen.
Er hat zum zweiten dem Ziel zu genügen, daß wirmit diesen Politikbereichen Beschäftigung sichernhelfen.Soweit das Zitat.Ich kann dem gerne zustimmen; das klingt alles ganzvernünftig und richtig.
Nur, in der Konsequenz hätte das bedeuten müssen, daßim Zuge der Ausschußberatungen entsprechend dieserZielsetzung die Ansätze für Investitionen, insbesonderefür Verkehrsinvestitionen, wesentlich verstärkt wordenwären. Denn kein anderer Haushalt bietet sich mehr fürdie Verstärkung von Investitionen an als der Haushaltfür Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.Viele Kollegen aus der Regierungskoalition, insbe-sondere der Kollege Metzger, weisen immer wieder dar-auf hin – ich habe eine Reihe von Zitaten in meinenUnterlagen –, daß wir wesentliche strukturelle Verände-rungen im Haushalt und insbesondere eine Verstärkungder Investitionen brauchen und daß wir die ungleichge-wichtige Entwicklung aufgeben müssen, nämlich daßwir eine immer stärkere Schlagseite hinsichtlich derkonsumtiven Ausgaben bekommen und der Anteil derinvestiven Ausgaben immer stärker zurückgeht. Das istnicht nur ein Problem des Bundeshaushalts – das willich hier gerne einräumen –, sondern das ist ein Problemfast aller öffentlichen Haushalte.Damit wird mittelfristig und längerfristig natürlichauch die Zukunftsfähigkeit aufs Spiel gesetzt, weilwichtige Zukunftsinvestitionen unterbleiben, weil not-wendige Infrastruktur nicht geschaffen werden kann undweil vorhandene Infrastruktur nicht mehr im erforderli-chen Umfang erhalten werden kann. Damit ist zu be-fürchten, daß Qualitäts- und Substanzverluste eintreten.Nun kenne ich all die Zwänge, die wir in den Haus-halten haben, insbesondere seit dem Jahr 1990, wo wirinfolge der Wiedervereinigung enorme Aufgaben zubewältigen und zu schultern hatten. Aber nicht wenigerInvestitionen wäre das Gebot der Stunde gewesen, son-dern mehr Investitionen, insbesondere mehr Verkehrsin-vestitionen, wären angesagt gewesen. Herausgekommenist bei den Haushaltsberatungen aber exakt das Gegen-teil. Der Spielraum für eine Verstärkung von Investitio-nen wäre vorhanden gewesen; der Kollege Austermannhat es in seinem Debattenbeitrag in der ersten Rundedeutlich zum Ausdruck gebracht. Wäre man unserenEinsparvorschlägen gefolgt, hätte man ausreichendSpielraum zur Verstärkung von Investitionen gehabt.
Ich darf darauf hinweisen, daß wir in den zurücklie-genden Jahren während des Beratungsverfahrens immerMöglichkeiten gefunden haben, die Mittel insbesonderefür den Fernstraßenbau zu verstärken. Wir wissen ja,daß die Finanzminister von Haus aus bei den Haushalts-ansätzen etwas knickerig sein müssen. Wir kennen na-türlich auch die Zwangslage, in der sie sich befinden,weil sie in nicht allzu vielen Bereichen überhaupt nochdisponibel sind.
– Das war früher nicht anders als heute. Die Finanzmi-nister finden viele Bereiche vor, in denen sie wegen dergesetzlichen Bindungen kaum etwas verändern können.Deswegen müssen sie dort Veränderungen vornehmen,wo sie noch disponieren können. Gerade uns war es aberin den entsprechenden Ausschußberatungen immer einAnliegen, die Straßenbaumittel aufzustocken. Das isthier nicht geschehen.Darüber hinaus wird dieser Haushalt, Herr Bundes-minister, durch eine globale Minderausgabe von121 Millionen DM belastet. Es ist zu befürchten, daß Sienicht darum herumkommen, einen Teil dieser globalenMinderausgabe zu Lasten der Verkehrsinvestitionen zuerwirtschaften.Der Bewilligungsrahmen wird zusätzlich einge-schränkt durch die Entscheidung in der Bereinigungssit-zung, die Verpflichtungsermächtigungen zugunsten derFlughafenanbindung Berlin-Brandenburg – dies sollzu Lasten der Fernstraßenbaumittel vorgenommen wer-Vizepräsident Rudolf Seiters
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den – zu kürzen. Es kann gute Gründe geben, warumman sich bei den Vertragsgestaltungen darauf verstän-digt hat, daß der Bund hier die Kosten übernimmt. Abereine Förderung des Luftverkehrs – dies ist es ja letztlich –zu Lasten von Straßenbauinvestitionen kann meinesErachtens nicht angehen.Sie, Herr Bundesminister, haben wiederholt ange-kündigt und ausgeführt, daß der Bundesverkehrswege-plan unterfinanziert sei. Ich gebe Ihnen recht, wenn Siedarauf hinweisen, daß er dies seit Jahren ist. Das wissenwir. Auch wir haben uns mit diesem Problem herumge-schlagen.Die bestehenden Probleme werden aber nicht dadurchgelöst, daß Sie ankündigen, den Bundesverkehrswege-plan völlig neu überarbeiten zu wollen. Mit dem Heraus-streichen von Maßnahmen wird die Situation nicht ge-ändert.
Der Bundesverkehrswegeplan ist nach langwierigenund intensiven Beratungen und dem Ringen aller Abge-ordneten in ihren Wahlkreisen so beschlossen
und die Dringlichkeit bestimmter Maßnahmen festge-stellt worden. Diese Dringlichkeit ändert sich nicht da-durch, daß man jetzt sagt: Wir schreiben den gesamtenPlan um.Ich denke schon, daß wir die bisher beschlossenen,wichtigen Maßnahmen brauchen, um den struktur-schwachen Gebieten zu helfen, um insbesondere die In-frastruktur in den neuen Ländern zu verbessern, um dieVoraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und dieVoraussetzung für eine Verbesserung der Lebensqualitätzu schaffen sowie um den Menschen Schutz vor Unfall-gefahren in Innerortsbereichen, aber auch vor schädli-chen Emissionen zu gewähren.
Wenn man die Situation in den neuen Ländern be-trachtet, stellt man fest, daß dort in den letzten Jahrenunglaublich viel geschehen ist. Aber man wird auch se-hen, daß noch sehr viel zu tun ist. Beides ist wahr.Durch zahlreiche Anstrengungen ist viel erreicht wor-den. Auch in der Zukunft wird noch viel zu tun sein. Indiesem Zusammenhang ist es angebracht, den Mitarbei-tern der Bauverwaltungen des Bundes und der Ländersowie der DEGES von dieser Stelle aus einen herzlichenDank für ihre Anstrengungen zu sagen.
Wir haben auch in den alten Bundesländern in derZukunft viel zu tun. Alle uns bekannten Verkehrspro-gnosen sagen einen steigenden Umfang des Verkehrsvoraus. Wir werden diesen steigenden Umfang nur be-wältigen können, wenn wir unsere Investitionsanstren-gungen verstärken, wenn wir die Potentiale aller Ver-kehrsträger, und zwar die der Straße, der Schiene undder Wasserstraße, noch mehr als bisher nutzen und wennwir vor allen Dingen die Wettbewerbsfähigkeit der Bahnstärken. Das ist nicht nur mit den Investitionen in dieSchiene und das rollende Material getan. Hier muß na-türlich auch, insbesondere an den Knotenpunkten, vielgeschehen; es muß bei der Verknüpfung der verschiede-nen Verkehrsträger viel geschehen. Sie, Herr Bundesmi-nister, haben ja in der ersten Lesung, wie ich meine, zuRecht darauf hingewiesen, daß die Wasserstraßen, vondenen wir in Deutschland viel mehr haben, als man ge-meinhin annimmt, neben der Schiene die große Chancebieten, Güter von der Straße wegzubekommen und da-mit die Straße zu entlasten. Ich kann das nur unterstrei-chen. Wir werden diese Potentiale ausschöpfen müssen.Wir werden die Leistungsfähigkeit der Bundeswasser-straßen verbessern müssen. Hier werden natürlich auch– ob das beim Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17oder an anderen Stellen ist; ich will hier auf Einzelheitennicht eingehen – Baumaßnahmen notwendig sein; eswerden Investitionen notwendig sein. Möglicherweisewerden sie vor Ort dann umstritten sein. Es gibt ja auchin bezug auf die Verkehrsinvestitionen das Dilemma,daß sich zwar im Grundsatz meistens alle einig sind, daßaber dann, wenn es um den Einzelfall geht, wenn es dar-um geht, das Projekt vor Ort durchzusetzen, meistensdie gleichen Leute, die dem Projekt im Grundsatz zuge-stimmt haben, vor Ort mit dabei sind, wenn es gegen dieInvestitionen geht.
Ich will auch eine Lanze für die staatlichen Stellen,die Institutionen und Institute brechen, die uns helfen,die Entscheidungen vorzubereiten. Es wird ja oft vonGegnern Mißtrauen geschürt. Ich selber hatte beispiels-weise mehrfach Gelegenheit, mich bei der Bundesan-stalt für Wasserbau vor Ort zu erkundigen. Ich kannnur sagen: Ich bin davon sehr angetan, mit welch hohemfachlichen und wissenschaftlichen Sachverstand dort miteinem Höchstmaß an Objektivität Entscheidungsgrund-lagen erarbeitet werden. Wir alle zusammen werdendann die Entscheidungen auf der Grundlage dieser Vor-arbeiten treffen müssen. Ich denke, es ist nicht ange-bracht, diesen Leuten und diesen Einrichtungen vonvornherein mit Mißtrauen zu begegnen.
Ich möchte noch etwas zu den Entscheidungen desHauptpersonalrates zu der Veräußerung der Eisen-bahnerwohnungen sagen. Auch hier muß eine schlüs-sige Antwort gegeben werden. Hier wird auch derFinanzminister gefragt sein, und er muß sagen, wie ersich vorstellt, wie die Dinge weitergehen sollen. Ichmöchte die Frage in den Raum stellen, ob auf der Schie-ne des Hauptpersonalrats und unter Mitwirkung einigerLeute in München, die gewisse Interessen mit Blick aufdie Oberbürgermeisterwahl haben, versucht wird, dashinauszuschieben, damit vielleicht ein örtlicher Kandi-dat vor einem bestimmten Wahltermin nicht das Gesichtverliert. Ich unterstelle ausdrücklich nicht Ihnen, HerrMinister, daß Sie sich haben instrumentalisieren lassen.Bartholomäus Kalb
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3294 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Denn ich weiß, wie Sie die Verhandlungen geführt ha-ben. Ich unterstelle das ausdrücklich nicht Ihnen. Aberich denke schon, daß hier andere Schienen gefahrenworden sind. Hier muß eine klare Antwort gegeben wer-den. Ich könnte natürlich auch nach der Rolle der be-amteten Staatssekretärin, der Frau Ferner, fragen. Ichwill mir das ersparen.
Herr Kollege Kalb,
Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.
Vielen Dank,
Herr Präsident. Ich werde sofort zum Schluß kommen.
Wir dürfen keine Politik betreiben, die immer zu La-
sten des Autofahrers, zu Lasten der Menschen und der
Autofahrer im ländlichen Raum geht. Ich nenne hier nur
das Stichwort: Erhöhung der Mineralölsteuer im Zu-
sammenhang mit der sogenannten Ökosteuer. Wir dür-
fen nicht unter Einsatz von Steuermitteln in unseren
Städten und Gemeinden eine Politik betreiben, durch die
sich der Autofahrer wegen der Umbauten, der Rück-
bauten und der Schikanen, die eingebaut werden, schi-
kaniert fühlen muß. Auch diesem Treiben muß ein Ende
bereitet werden.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und be-
danke mich – trotz aller unterschiedlichen Auffassun-
gen – bei den Mitberichterstattern, aber auch bei Ihnen,
Herr Minister, und bei den Mitarbeitern Ihres Ministe-
riums für die ansonsten sehr gute Zusammenarbeit.
Für die SPD-
Fraktion spricht nun Kollege Gerhard Rübenkönig.
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bundes-
ministerien Verkehr und Bau sind unter der neuen Re-
gierung zu einem Ministerium zusammengefaßt worden.
Das hat zur Folge, daß die beiden Haushalte – die Ein-
zelpläne 12 und 25 – zu einem Einzelplan zusammenge-
führt sind. Damit hat dieser Haushalt zwei Zielen zu ge-
nügen; diese haben wir vom Minister, der sie in seiner
Rede zur ersten Lesung genannt hat, und eben von dem
Kollegen Kalb gehört. Diese Ziele – besonders das
zweite – möchte ich hier bewußt wiederholen, weil Sie,
Herr Kollege Kalb, das zweite Ziel vernachlässigt
haben.
Zum einen sollen die Städte weiterentwickelt werden,
es sollen menschliche Wohnbedingungen in Deutsch-
land geschaffen werden, und es soll nicht nur eine ver-
nünftige, sondern – das betone ich besonders – auch eine
zu realisierende Verkehrspolitik gemacht werden.
Zum zweiten – das ist für mich auch ein wesentlicher
Teil – trägt dieser Haushalt, der durch sein hohes Inve-
stitionsvolumen der größte Investitionshaushalt der
Bundesrepublik und der umfangreichste Investitions-
haushalt Europas ist, wesentlich zur Sicherstellung von
Beschäftigung bei.
Herr Kollege Rü-
benkönig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kolle-
gen Kalb?
Gerne.
Herr Kollege Rü-
benkönig, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen,
daß mir der Wohnungsbau nicht weniger wichtig ist als
der Verkehr. Bei uns ist es aber so, daß der Kollege
Pützhofen über diesen Bereich sprechen wird. Darum
habe ich mich auf den Verkehrsbereich beschränkt.
Danke schön.
Sie haben michvielleicht mißverstanden. Ich meine als zweiten Teilnicht den Bereich Wohnen, sondern die Beschäfti-gungspolitik, die von diesem Haushalt ausgeht. Das istfür mich einer der wesentlichsten Aspekte in diesemHaushalt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben diesen Zielenverspreche ich mir außerdem, daß durch die Zusam-menlegung langfristig Synergieeffekte eintreten, diedann insbesondere durch die kombinierte Planung vonMobilität und Wohnen auch im administrativen Bereichdieses Einzelplanes finanziell wirksam werden.Gestatten Sie mir als Haushälter zunächst ein paargrundsätzliche Bemerkungen. Für uns war es wichtig,daß wir zunächst einmal für Haushaltswahrheit undHaushaltsklarheit gesorgt haben, indem die Schulden-diensthilfen von 5,9 Milliarden DM des Bundeseisen-bahnvermögens vom Einzelplan 12 in den Einzelplan32 zurückgeführt wurden. Denn durch die WaigelscheHaushaltsführung – das will ich an dieser Stelle ganz be-sonders deutlich machen –, durch die insbesondere iminvestiven Bereich Wunsch und Wirklichkeit verwech-selt wurden, sind viele Begehrlichkeiten geweckt wor-den; das haben Sie, Herr Kollege Kalb, eben deutlichgemacht. Dadurch ist gerade hier eine sehr kritischeFinanzsituation entstanden. Gerechnet wurde mit fikti-ven Mehr- und Mindereinnahmen, die durch diesenHaushalt tatsächlich nicht gelöst werden können.Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich ma-chen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Op-position und der damaligen Bundesregierung, haben inden vergangenen Jahren im Verkehrsbereich 27 Projektebegonnen, die privat vorfinanziert wurden. Diese Pro-jekte, die wir fortsetzen werden und wollen, führen überdie Vorfinanzierung in den nächsten Jahren zu erhebli-chen Belastungen dieses Haushaltes; denn die Konse-quenz lautet: Wir müssen heute enorme GeldsummenBartholomäus Kalb
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für Maßnahmen einsetzen, die bereits in den vergange-nen Jahren durchgeführt wurden.
Allein im Haushalt 2001 werden diese mit zirka einerhalben Milliarde DM zu Buche schlagen.Wie unsolide die Verkehrspolitik finanziert war, wirdauch an dem Bundesverkehrswegeplan, den Sie, HerrKalb, auch angesprochen haben, deutlich.
Hier werden Maßnahmen und Projekte aufgeführt, diefinanziell nicht abgesichert sind. Wir rechnen zur Zeitmit einer Unterdeckung von über 80 Milliarden DM.Das war Ihre Finanz- und Verkehrspolitik in der Ver-gangenheit.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, Herr Bundesmi-nister Müntefering, um eine schnelle Überarbeitung desBundesverkehrswegeplanes, der dann nur noch solcheProjekte und Maßnahmen enthält, die auch finanzierbarund machbar sind. Dies muß bald geschehen, Kollegin-nen und Kollegen, damit auch die Betroffenen wissen,woran sie sind. Dies ist auch im Hinblick auf die Be-schäftigung in unserem Lande wichtig; denn dieserHaushalt trägt auch dazu bei, daß Arbeitsplätze gesichertund neue geschaffen werden.
Als Haushälter der Koalitionsfraktionen haben wir esuns zur Aufgabe gemacht, einen Konsolidierungsbei-trag zu erbringen und, wie Sie wissen, eine Einsparungvon 0,5 Prozent zu leisten. Dies ist uns gelungen.
Ich lege aber Wert darauf, zu sagen, daß wir keine Ein-sparungen bei den Investitionen vorgenommen haben.Dafür stehen uns weiterhin zirka 20 Milliarden DM zurVerfügung.An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen,möchte ich mich bei den Mitberichterstattern, aber auchbei Ihnen, Herr Bundesminister, und Ihren Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern für die konstruktive und, wie ichglaube, auch zielorientierte Zusammenarbeit im Rahmendieser Haushaltsplanberatung herzlich bedanken.
Der Schwerpunkt in diesem Haushalt liegt auf denVerkehrsprojekten „Deutsche Einheit“, die entspre-chend den jeweiligen Planungs- und Baufortschrittenvorrangig finanziert werden. Darüber hinaus werden derErhalt und der schrittweise Ausbau des Verkehrsnetzesin den alten Bundesländern konsequent fortgeführt. Fürdie neuen Bundesländer stehen in den drei großen Ver-kehrsinfrastrukturbereichen Schiene, Straße und Was-serstraße überproportional 49 Prozent der investivenBundesmittel für den Aus- und Neubau zur Verfügung.Daß die Straße der Verkehrsträger Nummer eins unddas Auto das Verkehrsmittel Nummer eins ist, wissenwir. In 1999 sind für die Bundesfernstraßen deshalb Ge-samtausgaben in Höhe von 10,2 Milliarden DM vorge-sehen. Die Investitionen belaufen sich dabei auf8,4 Milliarden DM, wovon 3,9 Milliarden DM für dieneuen Länder eingeplant sind.Im Bedarfsplan des Bundesfernstraßenhaushalts sind4,8 Milliarden DM eingestellt. Davon entfallen auf dieVerkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ 2,4 MilliardenDM. Damit fließt die Hälfte der Mittel für die Bedarfs-planmaßnahmen in die Verkehrsprojekte „DeutscheEinheit“, wodurch der Priorität dieser Projekte Rech-nung getragen wird.
Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus ist diezeitgerechte Fertigstellung der Expo-relevanten Bun-desfernstraßen A 2 und A 7 gewährleistet.Wir haben also insgesamt eine Bilanz, die sich trotzder sehr angespannten Haushaltslage durchaus sehenlassen kann.Daß Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Vorgän-gerregierung, jetzt einen Antrag einbringen, der die Be-darfsplanmaßnahmen insgesamt um eine halbe MilliardeDM erhöht – das hätten wir in der Opposition vielleichtauch gemacht –, zeigt die Verantwortungslosigkeit fürdie Bundesfinanzen insgesamt.
Wir können nicht mehr Geld ausgeben, als zur Ver-fügung steht. Hier denke ich daran, wie Ihnen der neueBundesfinanzminister Hans Eichel den Spiegel vorge-halten und geschildert hat, wie Sie die Bundesfinanzenzerrüttet haben.Außer einer guten Verkehrspolitik ist es unser Ziel,zu erreichen, daß die Unfallzahlen in den alten Bun-desländern weiter sinken. Für Aufklärungs- und Erzie-hungsmaßnahmen haben wir zusätzlich 4 Millionen DMeinstellen können.Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur das Autound die Straße werden von uns gut bedient, auch dieSchiene hat höchste Priorität. Deswegen werden wir al-les daransetzen, eine europäische Eisenbahn zu bekom-men, die Teil eines transeuropäischen Verkehrsnetzesist. Um die Schiene auch weiterhin zu favorisieren, mußes uns endlich gelingen, den wachsenden Güterverkehrvon der Straße auf die Schiene zu verlagern.
Deshalb war es wichtig, im Haushalt Bundesmittel inHöhe von rund 6,7 Milliarden DM für Investitionen indie Schieneninfrastruktur einzusetzen.
Gerhard Rübenkönig
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3296 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Der langgehegte Wunsch der SPD-Fraktion, Maß-nahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Verkehrs-lärm zu beschließen, konnte erstmalig in diesem Haus-halt mit 100 Millionen DM umgesetzt werden.
Auch wenn Sie heute den Antrag stellen, die Mittel um150 Millionen DM zu erhöhen, weiß ich genau, wie Siefrüher zu diesem Thema gestanden haben. Deshalb kön-nen wir mit großem Stolz verzeichnen, daß wir das lei-sten.
Neben den gesamten verkehrspolitischen Maßnahmenhaben wir auch eine Ausbildungsvariante eingebracht.Es ist uns einstimmig mit den Berichterstattern gelun-gen, 3 Millionen DM für die Ausbildung in der Binnen-schiffahrt in den Haushalt einzustellen. Ich denke, auchdas ist ein Beitrag für mehr Ausbildung in diesem Land.
Gestatten Sie mir noch einen Satz zum Transrapid.Hier stehen wir zu den Koalitionsvereinbarungen zwi-schen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Die Ausga-ben sind in diesem Haushalt veranschlagt. Ich will andieser Stelle sagen: Ich bin voller Zuversicht, daß derBundesminister Franz Müntefering das hinbekommt,was sein Vorgänger immer versprochen und nicht ge-halten hat. Ich gehe davon aus, daß noch in diesem Jahrdas entsprechende Eckpunktepapier, das wir dringendbrauchen, auf die Schiene kommt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie michzum Schluß folgendes feststellen: Dieser Haushalt istvon einer Verkehrspolitik geprägt, die zielgerichtet nachvorn schaut. Wir werden das, was gut angefangen wur-de, weiterführen. Wir setzen aber mit diesem Haushaltauch neue Akzente in der Verkehrspolitik.Dieser Haushalt steht finanziell auf gesunden Füßen.Damit ist für die Zukunft die finanzielle Solidität unddie Mobilität in unserem Lande gesichert. In diesemSinne darf ich Sie bitten, dem Einzelplan 12 zuzustim-men.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Horst Friedrich, F.D.P.
Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn wir mittenin den Haushaltsberatungen sind, müssen wir über denAusbau, den Zustand und die Zukunft der Verkehrsin-frastruktur aller Verkehrsträger in Deutschland reden.Deswegen möchte ich ein paar grundlegende Überle-gungen dazu anstellen.Nach Ansicht der Bundesgemeinschaft der Inge-nieurkammern Deutschlands steht die Bundesverkehrs-wegeplanung vor dem Kollaps. Nach einer bisher un-veröffentlichten Prognose des Verkehrsministeriums fürdie Jahre 1995 bis 2015 ergibt sich eine Zunahme desPersonenverkehrs um rund 25 Prozent auf den Auto-bahnen und um 18 Prozent auf den Bundesstraßen. DerGüterverkehr wird sich im gleichen Zeitraum auf denAutobahnen im Osten um 78 Prozent und im Westen um51 Prozent steigern.Der BGL mit seinem Hauptgeschäftsführer KarlHeinz Schmidt hat erklärt, die Eisenbahn wird uns vordem Verkehrsinfarkt nicht, um nicht zu sagen niemals,retten. Auch der BGL verweist auf diese Zuwachspro-gnose und vor allem darauf, daß in diesen Zahlen dieDynamisierung, die sich aus der Globalisierung und derÖffnung nach Osten ergeben, noch gar nicht enthaltensind. Zeitgleich – das macht das Problem nicht einfacher– verfallen in den Bundesländern mehr und mehr Plan-feststellungsbeschlüsse, weil sie nicht innerhalb derFünfjahresfrist umgesetzt werden können. Allein in Ba-den-Württemberg verfallen im nächsten Jahr Anträge für230 Millionen DM.
Wie schaut es tatsächlich im Haushalt aus? Der An-satz der alten Koalition, der angesichts der geschildertenSituation auch nicht üppig, aber immer noch höher alsder jetzige war, wird nochmals um 500 Millionen DMreduziert. Die Haushaltsberatungen ergänzen diesenProzeß negativ, und durch weitere Kostenverlagerungen– was die Last angeht – innerhalb des Haushaltes stehenfür den Straßenbau rund 1 Milliarde DM weniger alsbisher geplant zur Verfügung.
Damit geht die Schere aus der Belastung des Straßen-verkehrs – rund 80 Milliarden DM – und den Ausgabenfür den Straßenverkehr – bisher rund 30 Milliarden DM– noch weiter auf. Diese Tendenz wird durch die soge-nannte Ökosteuer noch weiter verschlimmbessert, weildie zusätzlichen Pfennige aus der Mineralölsteuererhö-hung zweckgebunden zur Finanzierung der Rentenbei-tragssenkung verwendet werden – aber der Autofahrermuß es bezahlen!
Gerhard Rübenkönig
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3297
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Das Ganze steht im Kontext mit dem Ergebnis desAlpen-Transitabkommens mit der Schweiz. Die Um-stellung der Lkw-Maut von einer zeitbezogenen auf einestreckenbezogene Gebühr, ohne gleichzeitig die Kfz-Steuer in Deutschland auf das im Hinblick auf Europanotwendige und mögliche Mindestmaß abzusenken, er-höht die Belastung des Verkehrsträgers Straße weiter.
Wenn es denn aber richtig ist, daß eine gut ausge-baute und gepflegte Verkehrsinfrastruktur für Wirt-schaftsentwicklung, für Arbeitsplätze und für Wohlstandwesentlich und wichtig ist, dann, Herr Minister Münte-fering, gibt Ihr Haushalt aus meiner Sicht die falschenSignale. Wie soll – vor allem in den neuen Bundeslän-dern – ein Neubaubeginn denn noch erfolgen, wenn dieInstandhaltung des Bestandsnetzes ausgeweitet wird undwenn – was hoffentlich unstrittig ist – die Priorität derVerkehrsprojekte Deutsche Einheit beibehalten wird?Wo findet denn in Ihrem Haushaltsansatz noch ein Neu-bau in den alten Bundesländern statt? Wo bleibt die Pla-nungssicherheit für die Behörden und – vor allen Dingen– für das Baugewerbe und die dortigen Arbeitsplätze?Wo bleibt die Antwort auf die ausbleibenden Privatisie-rungserlöse aus dem bisher gescheiterten Verkauf vonEisenbahnerwohnungen?
Offenbar hatten Sie mit 4,6 Milliarden DM Einnahmengerechnet. Diese Lücken werden Sie entsprechend auf-füllen müssen.Rotgrün als Totengräber für die Verkehrsinfrastrukturin Deutschland?
Aus Sicht der F.D.P. dazu folgendes: Ein Verkehrsmi-nister, der die wesentlichen Antworten auf die Infra-strukturproblematik schuldig bleibt, der den Straßenver-kehr offensichtlich nur als willkommene Melkkuh an-sieht, ohne gleichzeitig die Ausgaben für den Straßen-bau entsprechend zu erhöhen,
der sich immer noch in die falsche Hoffnung flüchtet,die Güterverkehrsprobleme Deutschlands allein mit demVerkehrsträger Schiene lösen zu können,
ohne auf die tatsächliche Entwicklung Rücksicht zunehmen, und der glaubt, daß er auch ohne echte Privat-finanzierung mittelfristig überleben kann, der sollte dar-über nachdenken, ob er seinem Regierungsauftrag tat-sächlich gerecht werden kann.Die F.D.P. hält die Verkehrspolitik dieser Regierungauf jeden Fall vom Ansatz her für falsch. Sie setzt diefalschen Signale für die jetzt notwendigen Antworten,und sie ist nicht geeignet, die Probleme, die die Ver-kehrsinfrastruktur Deutschlands aufweist, auch nur an-nähernd zu lösen.
Deshalb werden wir diesen Haushalt nicht mittragen.Herzlichen Dank.
Ich erteile dem Kol-legen Albert Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, dasWort.Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Verehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin-nen und Kollegen! Herr Kollege Kalb, Sie haben mitRecht darauf hingewiesen, wie wichtig Investitionensind und wie wünschenswert die Verstärkung von Inve-stitionen gerade in dieser Zeit ist. Ich kann Ihnen aus-drücklich zustimmen. Es ist aber gerade die Leistungdieses Verkehrshaushaltes, daß es trotz einer reduziertenNeuverschuldung und trotz verordneter globaler Min-derausgaben gelungen ist, die Investitionsmittel im Ein-zelplan 12 noch einmal zu steigern und eine Investiti-onsquote von über 53 Prozent zu erzielen.
– Ich kann Ihnen eines versichern, Kollege Oswald: Wirwerden mit Sicherheit auch in der Zukunft manche Dis-kussion um die Verteilung dieser Investitionsmittel aufdie verschiedenen Verkehrsträger in der Koalition ha-ben. Da haben Sie ganz recht. Ich kann Ihnen aber auchversichern, daß wir die Höhe dieser Investitionen auchgegenüber künftigen Anstrengungen gemeinsam mitKlauen und Zähnen verteidigen. Denn das ist unmittel-bar arbeitsplatzrelevant, und das müssen wir auchzukünftig garantieren.Haushaltssystematische Korrekturen wurden vomKollegen Rübenkönig bereits angesprochen.Das Thema Bundesverkehrswegeplan, Herr Kalb,hat bei Ihnen eine Rolle gespielt. Sie haben gesagt, Sieverstünden gar nicht, weshalb der ganze Verkehrswege-plan noch einmal neu überarbeitet werden solle. Ichkann Ihnen nur eines sagen: Die Generalrevision derBundesverkehrswegeplanung ist keine rotgrüne Marotte,sondern der ausdrückliche Auftrag des Gesetzes. DerPlan ist seit 1992 in Kraft. Es besteht der Auftrag, allefünf Jahre substantiell zu revidieren, nachzuschauen:Wie haben sich die Prognosedaten, der Verkehr, diePreise und Kosten entwickelt? Wie müssen also dieProjekte neu bewertet und in eine neue Priorität gebrachtwerden? Das werden wir tun. Und das Leitmotiv wirdeben nicht – wie in der Vergangenheit – sein, daß allenalles versprochen wird, daß überall Spatenstiche ge-macht werden und nachher nichts oder ganz wenig ein-gehalten wird, sondern das Leitmotiv wird eine neueEhrlichkeit sein. Wir werden nur das auflisten, wasnachher auch wirklich solide finanzierbar ist.
Horst Friedrich
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Damit komme ich – das Stichwort neue Ehrlichkeitleitet sehr gut dazu über – zu den Änderungs-, Ergän-zungs- und Entschließungsanträgen, die uns von ver-schiedenen Fraktionen hier vorgelegt worden sind. Ichbeginne beim Änderungsantrag der CDU/CSU zumThema Lärmsanierung an bestehenden Schienen-strängen. In der Tat, das ist ein Riesenproblem. Das hatin der letzten Legislaturperiode niemand immer wiederso deutlich gemacht wie die Fraktionen Bündnis 90/DieGrünen und SPD. Wir haben lange dafür gekämpft unddarum gerungen, daß endlich begonnen wird, den gi-gantischen Bedarf, der in der Tat bei mehr als 4 Milliar-den DM liegt, abzuarbeiten, um den Menschen, die ent-lang solcher lauten Bahnstrecken wohnen, endlich eineErleichterung zu geben und um die Akzeptanz der um-weltfreundlichen Schiene zu verbessern. Daß ausge-rechnet diejenigen, die jahre- und jahrzehntelang nichts,keine Markfuffzig, dafür ausgegeben haben, jetzt, nach-dem wir einen ersten bescheidenen Schritt tun, unquali-fiziert höhere Beträge verlangen, – eine solche Positionist völlig unglaubwürdig.
Gleichzeitig wird in einem Entschließungsantrag derCDU/CSU verlangt, daß das Bundesministerium einenBericht über den Stand dieses Sanierungsprogrammsgeben möge. Dazu kann ich nur sagen: Es ist eine schie-re Selbstverständlichkeit, daß, nachdem diese Förder-richtlinie, die die Kriterien dafür liefern wird, welcheProjekte in dieses Programm hineinkommen, vorliegenwird, der Bundestag in allen beteiligten Gremien dar-über informiert wird; das muß man nicht beantragen.Aber einen Bericht darüber kann man halt erst geben,wenn das Programm abgewickelt ist, nicht aber im vor-hinein, wenn es erst noch gemacht werden muß.Ich will auch zu dem Stichwort „Transrapid“ gernetwas sagen, nachdem dieses ja von anderer Seite schonangesprochen worden ist. Hier stehen wir, Herr KollegeRübenkönig, genauso zu dem, was im Koalitionsvertragsteht, nämlich daß die Deckelung der Kosten im Sinnedes Eckpunktepapiers vom April 1997 bei 6,1 Milliar-den DM liegt. Es sind ja in den letzten Wochen ver-schiedene Zahlen und Meldungen durch die Presse ge-geistert. Wenn sich bestätigen sollte, daß sich der Fahr-wegpreis von 6,1 Milliarden DM nur dann halten ließe,wenn die Strecke über weite Teile einbahnig statt zwei-bahnig gebaut und die Taktfrequenz von 20 auf 30 Mi-nuten erweitert würde, dann kann ich nur sagen: Eingleicher Preis bei halbierter Leistung ist in Wahrheit eindoppelter Preis. Das Eckpunktepapier gilt natürlich inGänze und nicht nur im Sinne einer einzigen Zahl. Indiesem Sinne bin ich ganz zuversichtlich, daß wir hiereine sachgerechte und verantwortliche Entscheidungtreffen werden, übrigens auch im Interesse der Deut-schen Bahn AG, die ein unvertretbares Risiko nicht auf-gebürdet bekommen darf.Es hat einen Brief des Bundesverfassungsgerichtes anden Präsidenten des Deutschen Bundestages gegeben, indem ausdrücklich darum gebeten wurde, mitzuteilen,inwieweit denn das Parlament auf der Basis etwaigerneuer Datengrundlagen an einer sogenannten Anpas-sungsentscheidung, also einer erneuten Befindung überden tatsächlichen Bedarf, beteiligt werden wird, nach-dem der Bedarf ja damals ein für allemal, ohne Revisi-onsklausel, beschlossen wurde. Hier wird es sicherlichdarauf ankommen, daß eine entsprechende Antwort andas Bundesverfassungsgericht geht. Ich möchte für mei-ne Fraktion sagen: Wir gehen selbstverständlich davonaus, daß zu gegebener Zeit, so es denn neue Daten gibt,das ganze Parlament von diesen Daten offiziell Kenntniserhält und sich dann auch entsprechend dazu verhaltenkann.
Die Fraktion der CDU/CSU hat aber nicht nur in Sa-chen Lärmsanierung draufgesattelt, sondern auch – inder Pose des billigen Jakobs: wer bietet mehr? – gefor-dert, den Titel für den Straßenbau um eine halbe Milli-arde DM zu erhöhen. Diese Forderung stellen auch dieLänder. Ich kann dazu nur eines sagen: Wer in dieserGrößenordnung mehr Geld für den Straßenbau fordert,der soll bitte gleichzeitig sagen, welche Steuern dafürerhöht und welche Sozialleistungen dafür eingeschränktwerden sollen; denn nur die Erhöhung des Straßenbau-titels zu fordern, ohne die Finanzierung mitzuliefern, istübelste Oppositionsarbeit. Das haben wir in der vergan-genen Legislaturperiode nie gemacht.
– Da muß sogar der Kollege Brunnhuber klatschen.Es gibt noch einen Show-Antrag der F.D.P. zu dembedeutenden Thema Emssperrwerk. Dazu kann ich nursagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P.:Man spürt die Absicht und ist amüsiert. Es waren nichtdie Grünen, sondern das Oberverwaltungsgericht Lüne-burg, das den Sofortvollzug des Planfeststellungsbe-schlusses kassiert und einen Baustopp verhängt hat. Siewissen auch, daß bei der Europäischen Kommissiondiverse Beschwerden unter anderem wegen Verstoßesgegen die FFH-Richtlinie eingegangen sind. Diese Din-ge läßt man in einem Rechtsstaat getrost ihren Laufnehmen. Ich möchte nicht vorgreifen, was dabei heraus-kommt.Nur, daß im Bundeshaushalt für den Fall, daß sich dieganze Planung doch noch als rechtens erweist, vorsorg-lich Mittel bereitgestellt werden, ist doch nicht zu kriti-sieren. Darüber sollten Sie sich freuen. Deshalb solltenSie bei Ihrem lächerlichen Antrag auf namentliche Ab-stimmung verzichten. Wir werden selbstverständlichauch diesen Titel des Haushaltes mittragen. Die einzige,die Sie mit Ihrem Antrag ärgern wollen, ist die verehrteKollegin Gila Altmann. Sie werden sie aber nicht ärgernkönnen, weil sie an dieser Abstimmung wegen Krank-heit nicht teilnehmen kann. Ich wünsche ihr von hier ausgute Besserung.
Wenn wir uns künftig auf Ihr Niveau begeben, näm-lich daß wir über jeden einzelnen Titel des Haushaltesnamentlich abstimmen, dann werden wir WeihnachtenAlbert Schmidt
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noch hier sitzen. Bitte erlösen Sie uns von solchenSpielchen. Kehren Sie zu einer grundsätzlichen undsachlichen Auseinandersetzung zurück. Zu einer solchensind wir jederzeit bereit.
Das Wort hat nun
Kollege Winfried Wolf, PDS-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsi-dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Obwohl dieRessorts Bauen, Wohnen und Verkehr recht verschiedensind, versuche ich mich in einer übergreifenden Bilan-zierung. Dies tue ich unter drei Überschriften: erstensgrundsätzliche Ausrichtung; zweitens Beitrag zur Be-schäftigungssituation und drittens Großprojekte oderbürgernahe Ausgabenpolitik.Zum ersten Aspekt, zur Generallinie des gesamtenEinzelplans. Es war zu erwarten: Wenn SPD und Bünd-nisgrüne regieren würden, dann müßte in der Woh-nungs- und Städtebaupolitik die soziale Komponente ge-stärkt und Urbanität ins Zentrum gerückt werden.Gleichzeitig, so die Erwartungen, würden in der Ver-kehrspolitik der ökologische Aspekt in den Mittelpunktgestellt und die Autozentriertheit abgebaut werden. Die-sen Erwartungen wird mit dem Einzelplan 12 in keinerWeise entsprochen.Bereits der Posten „Die soziale Stadt“, der im Einzel-plan mit 5 Millionen DM Gesamtvolumen ausgewiesenist, ist eher peinlich. Das Attribut „sozial“ ist deutlichunterfinanziert.Sodann wird von Ihnen, Herr Müntefering, die Politikder Privatisierung bundeseigener Wohnungen fortge-setzt, entgegen den SPD-Wahlversprechen. Gestern hatim Fall der Privatisierung Tausender Bahnwohnungensogar der Personalrat den Plänen Ihres Hauses wider-sprochen. Diese seien unsozial und mieterfeindlich. HerrKalb, ich muß schon sagen: Wer hat das denn alles ein-gefädelt? Bereits Herr Wissmann wollte dies. Jetzt wirdes eben durchgezogen.Noch wichtiger und Millionen betreffend: KeinWohngeldempfänger erhält in diesem Jahr mehr Wohn-geld. Eine Erhöhung des Wohngelds war auch ein kon-kretes Wahlversprechen der SPD. Wir greifen es mit un-serem Antrag auf.Nicht anders fällt die Bilanz im Verkehrsbereichaus. Die Umweltexperten des BUND haben im Märzdieses Jahres die letzten Verkehrsetats miteinander ver-glichen. Sie ziehen eine vernichtende Bilanz. Im Etatvon 1999, so der BUND, setzte sich die überzogeneFörderung der Straße bei gleichzeitig völlig unzurei-chenden Investitionen in die Schiene fort. Selbst Stra-ßenbauprojekte, bei denen SPD-Vertreter vor der Wahlausdrücklich erklärt hatten, daß sie unter Rotgrün ge-stoppt würden, werden fortgesetzt. Ich nenne nur dasStichwort „Schweinfurt, A 71“. Bei der dortigen SPD-Basis können sich Vertreter des Bundesverkehrsministe-riums kaum sehen lassen.Auch die ökologisch besonders zerstörerische undallen Wirtschaftslichkeitskriterien hohnsprechendeAutobahn Dresden – Prag soll gebaut werden. Die Men-schen lebten in DDR-Zeiten zwar wegen fehlendenWest-Fernsehempfangs im „Tal der Ahnungslosen“.Daß nun jedoch in ihrer wunderschönen und touristischwertvollen Sächsischen Schweiz eine „Bahn der Ah-nungslosen“ gebaut werden soll, haben sie nicht ver-dient.Übrigens, Herr Minister, eine unserer wichtigstenForderungen könnten Sie mißverstanden haben, die nachVerkehrsvermeidung. Gemeint war damit nicht, denSenioren mit einer gesetzlich festgelegten Altersgrenzefür Führerscheinbesitz die Fahrerlaubnis wegzunehmen.Gemeint war nicht eine geriatrisch bedingte Verkehrs-vermeidung. Gemeint ist vielmehr eine Städte- undRaumplanung, mit welcher die künstlich verlängertenWege wieder verkürzt und Autofahrten überflüssig ge-macht werden. Ich denke an grüne und soziale Städtemit Erholungswert und an kurze Einkaufs- und Verwal-tungswege. Das führt dann zum massenhaften freiwilli-gen Verzicht auf das heilig's Blechle. Sehen Sie sichdoch die Städte Groningen, Delft, Amsterdam, Zürichund in Ansätzen auch Münster, Freiburg und Templinan. Dort gibt es eine erheblich andere Zusammensetzungder Verkehrsaufteilung, eine wesentlich ökologischereund wesentlich stadtverträglichere.Übrigens, auf einen Beitrag kommt Rotgrün erst garnicht, nämlich auf die Verwirklichung all der eigenenParteitagsbeschlüsse nach einem allgemeinen Tempo-limit. Damit würden Milliardensummen im Straßenbauund an Unfallkosten gespart. Doch auch hier bleibt esbei Kotau und Kontinuität und bei der nach oben offe-nen Raserskala. Die PDS stellt inzwischen als einzigeFraktion in diesem Parlament einen solchen Antrag.Zweite Bilanzzwischenüberschrift: Arbeitsplätze.Erklärtes Ziel der Regierung Schröder ist es, die Mas-senarbeitslosigkeit abzubauen. Im Bau- und Verkehrs-etat – der erste Redner hat das stark betont – als demje-nigen mit dem größten Investitionseffekt könnte diesverdeutlicht werden. Auch in diesem Bereich ist eherdas Gegenteil der Fall.Die Städtebauförderung in den neuen Ländern wirdreduziert und das Modernisierungsprogramm der Kre-ditanstalt für Wiederaufbau wird nicht in bisherigerHöhe fortgesetzt. Es gibt die allgemeine Sperrung von10 Prozent aller Verpflichtungsermächtigungen, wassich – Herr Kansy hat darauf hingewiesen – gerade imBau- und Verkehrsetat massiv negativ auswirken muß.All das wird und muß Arbeitsplätze kosten.Bei der Bahn wird der Belegschaftsabbau mit jährlich15 000 bis 18 000 Jobs fortgesetzt. Daran hat der Bundals Alleinaktionär der Bahn und mit seiner verfehltenSchienenwegepolitik erheblichen Anteil. Dem Kahl-schlag an der Basis steht eine verfehlt gönnerhafte Be-schäftigungspolitik an der Spitze gegenüber. Nach HeinzDürr steht mit Dieter Vogel ein Ex-Thyssen-Managerund Investmentbanker an der Spitze des Bahn-Auf-sichtsrats. Ich zitiere dazu nur die „Süddeutsche Zei-tung“, die nach Vogels Berufung kühl schrieb:Albert Schmidt
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Der Verdacht, Vogel habe– im Rahmen der Abwicklung des ehemaligen DDR-Außenhandelskombinats Metallurgiehandel –den Bund um viel Geld geprellt, konnte nie hinrei-chend bewiesen werden, und so wurde das Verfah-ren– gegen Vogel und elf weitere Thyssen-Manager –eingestellt. Thyssen zahlte allerdings für das Nicht-Urteil zehn Millionen DM – auch ein Urteil.Dritte Bilanzüberschrift: Großprojekte. Auch hiererkennen wir nicht den erforderlichen Bruch. Sie, HerrMüntefering, wollen mit einer Wasserstraßenpolitikweitermachen, bei welcher sich die Gewässer neuenMammutschiffen anpassen müssen – nicht umgekehrt.Ein vor Ort breit geforderter Stopp für das Wasserstra-ßenprojekt 17 oder Teile desselben könnte HunderteMillionen Mark an Einsparungen bringen und anderswoweit mehr neue Jobs schaffen.Sie, Herr Müntefering, halten weiter am Transrapidfest. Allein mit der von uns geforderten Streichung derMittel für den Transrapid im Etat 1999 könnten eineviertel Milliarde DM und in den weiteren Jahren bis zu10 Milliarden DM gespart werden. Sie halten damit zu-mindest in Mark und Pfennig am Transrapid fest, ob-gleich sich gerade in diesen Tagen, wie schon vorher ge-sagt worden ist, alle Berechnungen für die Wirtschaft-lichkeit dieser Magnetbahn als Zahlensalat erweisen.Jetzt heißt es, das Ding solle als „Transrapid light“eingleisig fahren, weniger Fahrgäste und zum Ausgleichhöhere Tarife haben. Für einen richtigen Bahnhof inBerlin fehlt das Geld, also werde es, so wörtlich, amLehrter Bahnhof einen „angeflanschten Magnet-Bahn-hof“ geben.Ich finde, diese Bahn weist zunehmend ins Transzen-dentale und Pathologische; auf sie scheint folgenderKinderschüttelreim wie gemünzt:Dunkel war's, der Mond schien helle,Schnee bedeckt die grüne Spur,Als ein Wagen blitzeschnellelangsam um die runde Ecke fuhr.Übrigens habe ich festgestellt, daß dieser Spruch inOst und West bekannt ist. Vielleicht könnte er auch insChinesische übersetzt werden, wenn zwischen Hamburgund Berlin nichts laufen sollte und Herr Schröder dem-nächst nach China reist, um dort den Transrapid – übri-gens, erneut mit Steuermilliarden – zu verschenken.Herr Müntefering, ich nehme bedauernd zur Kennt-nis, daß Sie unsere Feststellung einer Kontinuität vonKrause und Wissmann zu Müntefering nicht als Vorwurfoder wenigstens als Zumutung empfinden. Wir bleibendabei: In diesem Einzelplan finden wir nicht die vomWählerwillen gewünschte Wende. Dieser Teiletat ist zuwenig sozial, zu wenig ökologisch. Wir lehnen ihn ab.Danke schön.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Dieter Pützhofen, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Am Bauetat im Einzel-plan 12 läßt sich das Verfallsdatum sozialdemokrati-scher Versprechen feststellen.
Die wohnungs- und städtebauliche Bilanz von Rotgrünnach gut einem halben Regierungsjahr läuft auf eineRücknahme aller Versprechungen, Zusagen und Forde-rungen der SPD aus der Zeit von vor der Bundestags-wahl hinaus. Teilweise ist man dabei, die Koalitionsver-einbarungen wieder auszuhebeln.
Versprochen war eine Stärkung der Städtebauförde-rung. Tatsache ist: Es gibt nicht nur keine Verstärkungder Städtebauförderung, sondern eher eine Schwächungdurch Haushaltssperren und durch mit den Ländern ver-spätet abgeschlossene Verwaltungsvereinbarungen.Versprochen war eine Verstärkung des sozialenWohnungsbaus, im Neubau- wie im Bestandsbereich.Tatsache ist: Die Koalition führt die Bundesförderungnoch weit hinter die Ansätze der Haushaltsplanungender Kohl-Regierung für 1999 zurück.
Versprochen war eine Wohngeldreform bis zurSommerpause. Tatsache ist, daß 1999 für Wohngeldweniger als im Waigel-Entwurf vorgesehen ausgegebenwird. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren istüberhaupt noch nicht in Gang gekommen.
Die Koalition kann selbst ihre Versprechungen vom Jah-resanfang, Kollege Schütz, wenigstens in diesem Jahrnoch eine Wohngeldanpassung vorzunehmen, nichtmehr einhalten.Versprochen war, die Eigenheimförderung nicht an-zutasten. Tatsache ist: Gerade der Bestandserwerb wirddurch die Anfang dieses Jahres in Kraft getretene Strei-chung des Vorkostenabzuges nachhaltig geschwächt.Die SPD will dem ideologischen Anliegen der Grünenund der PDS beitreten, das auf Abbau der Eigenheim-förderung hinausläuft. Das, meine Damen und Herren,ist älteste Ballonmützenpolitik: möglichst kein Eigen-tum, möglichst kein eigenes Häuschen!
Versprochen war, die Eisenbahnerwohnungen nichtzu verscherbeln. Das war versprochen.
– Sie hatten es versprochen, ich rede doch nicht überuns, sondern über Sie. – Sie haben versprochen, dieEisenbahnerwohnungen nicht zu veräußern. – TatsacheDr. Winfried Wolf
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ist: Seit Mitte März sind Sie dabei, das Tafelsilber zuverscherbeln.
Versprochen war, die gesetzliche Begrenzung derMieterhöhungsspielräume für ältere Mietwohnungenauf 20 Prozent, die Ende August 1998 ausgelaufen war,sofort wieder einzuführen. Tatsache ist, heute rät sogarIhre Fraktion dem Bundesrat davon ab, eine entspre-chende Gesetzesinitiative durchzuführen.
Meine Damen und Herren, zu dieser Bilanz gehört,daß es der rotgrünen Regierung mit ihrem Kurs der Im-mobilienbesteuerung und der Wohnkostenbelastung inkurzer Zeit gelungen ist, eine Wende auf den Woh-nungsmärkten herbeizuführen. Ich gehe heute mit jedemeine Wette ein, daß 1998 das letzte Jahr war, in dem wiein den vorherigen Jahren der Kohl-Regierung über500 000 Wohnungen erstellt wurden.
– Die Wette ist heute schon gewonnen.Der Deutsche Mieterbund – und nicht wir – befürch-tet steigende Mieten, Erhöhung der Wohnkosten proHaushalt und auf Grund des Ökosteuergesetzes eineneue Wohnungsnot. Die kommunalen Spitzenverbändeerklären, daß sie diese Koalition nicht aus ihren Ver-sprechungen entlassen wollen und kritisieren, daß bis-lang nichts passiert ist. Bei den Bausparkassen stößt diePolitik dieser Regierung auf heftigsten Widerstand. DieBauwirtschaft fürchtet zu Recht, daß der gutlaufendeEigenheimbau, die zur Zeit wichtigste Stütze der Bau-wirtschaft, auch noch wegbricht. Sagen Sie uns docheinmal, für wen – nicht gegen wen – Sie eigentlich indiesem Staat noch Wohnungspolitik und Städtebaupoli-tik machen.
Beim Deutschen Mieterbund erleben wir zur Zeiteine bemerkenswert schizophrene Situation. Ich weißnicht, wie ich es anders umschreiben soll, was der Präsi-dentin des Deutschen Mieterbundes bzw. der SPD-Bundestagsabgeordneten Anke Fuchs derzeit abverlangtwird. Als Präsidentin – so lese ich in der „Welt“ vom19. April – geht sie mit der Bundesregierung ins Gericht.
Beispielhaft ist da von der Enttäuschung über den Bau-etat, das Ausbleiben notwendiger Gelder für die Wohn-geldnovelle usw. die Rede. Das ist dieselbe Frau Fuchs,die in dieser Woche den Etat mit beschließen wird.
Dann spricht sie von den dramatischen Auswirkungendes Steuerentlastungsgesetzes auf den Mietwohnungs-bau. Das ist dasselbe Steuerentlastungsgesetz, das FrauFuchs im Bundestag mit beschlossen hat.
Dann spricht sie von der Explosion der zweiten Mietedurch das Ökosteuergesetz. Das ist das Ökosteuergesetz,dem Frau Fuchs zugestimmt hat.
An anderer Stelle spricht sie vom Ausverkauf von Bun-deswohnungen, dem die SPD im März zugestimmt hatund den sie nach wie vor betreiben will.Meine Damen und Herren, das ist nicht schizophren,so etwas ist Schmierentheater.
– Der Mieterbund wird das nicht abdrucken, lieber Edi.Es geht mir dabei auch weniger um Frau Fuchs. Siemuß selbst wissen, was sie unter Glaubwürdigkeit undunter Politikverdrossenheit versteht. Es geht mir viel-mehr um die Gefahr, daß eine für jeden zweiten Deut-schen wichtige und ernstzunehmende Interessenvertre-tung wie der Deutsche Mieterbund den Respekt leicht-fertig aufs Spiel setzt, denn diese Interessenvertretungwill doch auch weiterhin im Dialog mit den Organisa-tionen und den Verbänden bleiben, will doch weiterhinGesprächspartner für den Deutschen Bundestag sein.Wie will der Mieterbund von unserer Fraktion oderirgendeiner Fraktion in diesem Bundestag noch ernstgenommen werden, wenn dieses Schmierentheater wi-derspruchslos bleibt?
Ein Beispiel dafür: Als die alte Bundesregierung ih-ren Haushaltsentwurf für das Jahr 1998 vorlegte unddarin Bundesfinanzhilfen für den sozialen Wohnungsbauin Höhe von 1,34 Milliarden DM vorsah, läuteten beimMieterbund die Alarmglocken. In der „Mieter-Zeitung“,in der diese Rede nicht erscheinen wird, war damalsvom „Ende der sozialen Wohnungspolitik in Deutsch-land“ die Rede, von „Skandal“ und von „Gesetzes-bruch“, wohlgemerkt bei einem Etat von 1,34 MilliardenDM.Was sagt der Mieterbund heute bei einer Reduzierungdieses Ansatzes auf 1,1 Milliarden DM bzw., wenn wirdie Haushaltssperren berücksichtigen, auf 1,0 MilliardenDM? Er nennt das, was da stattfindet, „ernüchternd“,meine Damen und Herren.Zur Städtebauförderung: Es hat in den letztenWahlperioden keine Haushaltsdiskussion gegeben, beider die SPD nicht massive Forderungen in der Städte-bauförderung gestellt hat.
– Frau Kollegin, Sie erinnern sich an diese Sätze.Herr Kollege Niese hat bei der Debatte zum Haushalt1998 folgendes wörtlich erklärt:Dieter Pützhofen
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In jeder Rede der letzten Jahre zum Einzelplan 25versuchen wir Ihnen– also uns –deutlich zu machen, wie wichtig die Städtebauför-derung für die Beschäftigung, den Erhalt unsererInnenstädte und die Wiedernutzbarmachung vonIndustriebrachen ist – aber vergeblich.Der erneut viel zu niedrige Ansatz dokumentiert,daß nicht rationales, ökonomisches Handeln diePolitik des Bundesbauministers bestimmt, sondernein kurzsichtiger und in diesem Zusammenhang so-gar verfehlter Sparzwang, der dem Ziel einer Haus-haltskonsolidierung zuwider läuft.Das waren die Ausführungen des Herrn KollegenNiese zur Debatte über den Haushalt 1998. Anschlie-ßend hat er Erhöhungen um 380 Millionen DM für diealten Bundesländer gefordert.Damit er das in diesem Jahr nicht wiederholen kann,hat ihn seine eigene Fraktion bei der Diskussion überden Bauetat vorsichtshalber aus dem Verkehr gezogen.
Andere mit ähnlichen aufgeblasenen Formulierungensind dagegen immer noch in Amt und Würden, wie zumB
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir entlarven Sie bei der Städtebauförderung, wir
Sozialdemokraten sehen erheblichen Korrekturbe-
darf, finanzpolitisch ist das alles nicht vertretbar.
Das ist Originalton Großmann.
Heute wissen wir: Ob Niese oder Großmann, ob
Fuchs oder Mertens – alles nur leeres Gerede, alles nur
aufgeblasenes Lamentieren.
Der Wahrheitsgehalt sozialdemokratischer Aussagen ist
gleich Null.
Wer in die Beschlußempfehlung des Haushaltsaus-
schusses zum Kapitel 1225 schaut, der wird feststellen,
daß die Städtebauförderungsmittel nicht um eine einzige
Mark erhöht worden sind. Statt dessen gibt es noch eine
zehnprozentige Sperrung des Verpflichtungsrahmens,
und das nannte Kollege Rübenkönig soeben Beschäfti-
gungsförderung.
Auf welch tönernen Füßen die Behauptung der Bon-
ner Koalition steht, man werde über den Etat 1999 die
Voraussetzung für Investitionen schaffen, demonstriert
das Laienspiel um die sogenannte „soziale Stadt“. Weil
sich nicht nur die Opposition, sondern selbst die Haus-
haltspolitiker der Koalition die Arroganz der Regierung
nicht gefallen lassen wollten, erst das Geld zu bewilligen
und anschließend zu erfahren, wofür man es denn ver-
wenden will, sperrte der Haushaltsausschuß kurzerhand
die Ausgaben für 1999 und die Verpflichtungsermächti-
gungen. Der Bauetat ist ein exemplarisches Beispiel für
den Nullwert sozialdemokratischer Versprechungen.
Diese miserable Bilanz und der Mißerfolg haben ver-
ständlicherweise dazu geführt, daß Herr Minister Münte-
fering zunehmend aus wohnungs- und städtebaulichen
Auseinandersetzungen wegtaucht. Im Fachausschuß – so
hat mir der Kollege Dr. Kansy versichert – sind inzwi-
schen elementare Diskussionen, wie die zum Steuerent-
lastungsgesetz, zum Bundeshaushalt und zur Wohngeld-
novelle, ohne Minister und sachzuständige Staatssekre-
täre geführt worden. Leitende Fachbeamte müssen im
Ministerium bleiben oder den Mund halten.
Herr Präsident, eine letzte Bemerkung. Wegtauchen,
Herr Minister, nennt man in der Psychoanalyse Ver-
drängen. Sigmund Freud hat gesagt:
Verdrängen hemmt die positiven Kräfte, trübt die Er-
kenntnis, verunreinigt das Gefühl, führt zu Angster-
scheinungen und hysterischen Symptomen und letztlich
zu Neurosen. – Davor möchten wir Sie bewahren. Herr
Minister, stellen Sie sich den Problemen des Bauetats!
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich das Wort der Kollegin Anke Fuchs.
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Kollege Pützhofen, ich bitte umEntschuldigung, daß ich erst jetzt an dieser Debatte teil-nehmen kann. Auf einem Kongreß des Gesamtverbandesder deutschen Wohnungswirtschaft in Berlin mußte unddurfte ich für den Deutschen Mieterbund sprechen. Ichwill wiederholen, was ich dort gesagt habe.Natürlich stimme ich dem Haushalt zu; denn ich freuemich, daß die jetzige Bundesregierung die richtigeRichtung einschlägt. Wenn wir von Ihnen nicht so einegroße Erblast übernommen hätten,
könnten wir manche Dinge leichter gestalten.
Jetzt wird der erste Schritt getan. Ich muß als Präsi-dentin des Deutschen Mieterbundes keine Sorgen mehrhaben, daß das soziale Mietrecht zu Lasten der Miete-rinnen und Mieter verschlechtert wird. Hier ist ein Stücksoziale Gerechtigkeit erreicht worden.Ich freue mich auch, daß in den vorliegenden Vor-schlägen von Herrn Müntefering hinsichtlich des The-mas, das heute auch in Berlin eine Rolle spielte, „So-ziale Stadt – Wie verhindern wir, daß Wohnquartiere ab-rutschen? Wie können wir Urbanität erhalten?“, dierichtige Richtung eingeschlagen wird. Ich stimme Ihnenzu, daß die finanzielle Unterfütterung nicht so ist, wieich sie mir wünsche. Deswegen wiederhole ich: Die Erb-last ist so groß, daß größere Spielräume in diesem erstenSchritt nicht möglich sind.
Dieter Pützhofen
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Diese Bundesregierung fängt ja erst mit ihrer Arbeit an.Wir werden weitere Schritte mit ihr zusammen gehen.Stichwort Wohngeld: Darüber wird offensichtlichnoch verhandelt. Ich erwarte von dieser Bundesregie-rung – das weiß auch mein Kollege Müntefering –, daßdas Wohngeld angepaßt wird. Es muß seine sozialeSchutzfunktion wieder wahrnehmen können. Wenn auchdas auf Grund Ihrer Erblast nicht in einem Schritt gere-gelt werden kann, dann machen wir eben mehrereSchritte. Hauptsache, es geht voran und die Richtungstimmt.Ein letzter Punkt. Viele meiner Fraktionskolleginnenund -kollegen stimmen mir zu, daß es falsch ist, dieEisenbahnerwohnungen zu verkaufen. In diesem Punktsind wir anderer Auffassung als Herr Müntefering. Ichhabe gelesen, daß der Personalrat dem Verkauf nicht zu-gestimmt hat. Wir stehen hier in erfolgversprechendenVerhandlungen. Damit Sie mich hier richtig verstehen,sage ich, daß ich mit meiner Funktion als Präsidentindes Deutschen Mieterbundes und meiner Abgeordne-tentätigkeit insofern keine Probleme sehe,
weil die Richtung stimmt. Herr Müntefering weiß, daßich bei den Forderungen, die ich aus guten Gründenvortrage, nicht einknicke, sondern sehr genau abwäge,welche Position ich vertrete.Ich will, daß diese Regierung Erfolg hat. Deswegenstimme ich dem Haushalt zu.
Kollege Pützhofen,
Sie haben das Wort.
Frau Kollegin
Fuchs, es verstärkt sich bei den Mitgliedern des Bun-
destages der Eindruck, daß Sie mit gespaltener Zunge
reden.
Ich zitiere doch nur das, was Sie sagen. Ich zitiere aus
einem Artikel in der „Welt“ vom 19. April 1999, daß Sie
„mit der Bundesregierung ins Gericht“ gehen. Ich zitiere
weiterhin: Enttäuschung über den Bauetat. Ich zitiere:
Ausbleiben notwendiger Gelder für die Wohngeld-
novelle. Ich zitiere: dramatische Auswirkungen des
Steuerentlastungsgesetzes.
Ich zitiere: Explosion der zweiten Miete durch das Öko-
steuergesetz. Ich zitiere: kein Ausverkauf von Bundes-
wohnungen.
Frau Kollegin Fuchs, ich habe nicht mehr getan, als
Sie persönlich zu zitieren. Sie blasen hier einen Ballon
auf, aber draußen stellen Sie den Sachverhalt ganz an-
ders dar. Wenn Sie draußen, vor den Türen des Bundes-
tages, reden, klingt das ganz anders, als wenn Sie hier
sprechen.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Dietmar Schütz, SPD-Fraktion.
Herr Präsident!Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr ein-fach, werter Herr Kollege Pützhofen, völlig zu verges-sen, daß man aus der Regierung kommt, zu ignorieren,was man selbst alles hätte machen können und welcheFinanzen Sie uns überlassen haben, und dann zu sagen,wir sollten nun auf einmal alle Träume, die Sie gehabthaben, erfüllen. Das ist ein schönes Rollenspiel, aber sogeht das nicht.
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3304 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben 4,02Milliarden DM für das Wohngeld eingestellt. Dies ent-spricht der realistischerweise zu erwartenden Ausga-benentwicklung im laufenden Jahr und hat zunächst kei-ne Aussagekraft hinsichtlich einer dringend erforderli-chen Wohngeldnovelle.Über die Notwendigkeit einer solchen Novelle brau-chen wir keine Belehrungen; wir wissen das genauso gutwie Sie. Seit 1990 reden wir darüber und fordern wirdies.Jahrelang haben Sie in der damaligen Regierung im-mer wieder eine solche Novelle versprochen, getan aberhaben Sie nichts. Statt dessen haben Sie das Wohngeldin die Unteretatisierung geführt und tatenlos zugesehen,wie das Ungleichgewicht zwischen Pauschal- und Ta-bellenwohngeld immer mehr zugenommen hat.
Dagegen haben Sie überhaupt nichts getan!
Die Ursachen für dieses Ungleichgewicht waren diehohe Arbeitslosigkeit und die steigende Zahl der sozial-hilfebedürftigen Haushalte.Vor einigen Wochen wollten Sie mit Schnellschüssendas Wohngeld erhöhen. Wir haben gesagt, daß wir dasnicht so schnell machen können. Wir müssen nämlichmit den Ländern über die Finanzierung reden – wir den-ken an ein Volumen von etwa 1,5 Milliarden DM – undgemeinsam mit ihnen das Finanzierungsprogramm ab-stimmen. Ende dieses Jahres werden wir ein Gesetzvorlegen, das seriös und durchgerechnet ist. Das ver-sprechen wir Ihnen.
Dietmar Schütz
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In bezug auf den Bauhaushalt sind auch die Bonn/Berlin-Probleme angesprochen worden. Ich möchtenoch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der unsParlamentarier besonders betrifft, nämlich die Baumaß-nahmen des Bundes im Zusammenhang mit unseremUmzug nach Berlin. In den vergangenen Monaten istdarüber manches gesagt und geschrieben worden, eini-ges davon war nicht abwegig. Mit dem näherrückendenTermin des Umzugs nimmt auch die Aufgeregtheit zu,zum Beispiel was die Finanzierung angeht.Eines möchte ich vorab sagen: Der Gesamtrahmenmit einem Deckel von 20 Milliarden DM wird einge-halten. Bei allen Baumaßnahmen des Bundes wird vonuns allergrößtes Augenmerk darauf gelegt, daß der Ko-stenrahmen eingehalten wird – nach dem Motto: DerDeckel muß halten.Allerdings gebietet es die Aufrichtigkeit, daß wir ein-räumen, daß das nicht bei jeder einzelnen Baumaßnahmegelingen kann. Auf Grund des Umfanges und der Kom-plexität der gesamten Maßnahme ist es nur natürlich, daßAbweichungen auftreten können. Das ist bei privatenBauherren nicht anders als bei öffentlichen Bauherren.Wir müssen aber auf den Gesamtkostenrahmen achten.Wir müssen leider sagen, daß bei der Finanzierungdes Bundeskanzleramtes schon jetzt eine Mehrkosten-belastung in Höhe von 10 Prozent erkennbar ist. Das ist– das sage ich ganz offen – deutlich zuviel. In geringemUmfang werden auch bei den Parlamentsbauten Mehr-kosten anfallen. Die Baugrundsanierungen haben beimJakob-Kaiser-Haus zu Verzögerungen bei den nachfol-genden Gewerken und anderen Baumaßnahmen geführt.Ebenfalls nicht vorhersehbar waren die Terminschwie-rigkeiten bei der Fertigstellung des Paul-Löbe-Hausesdurch die verspäteten Baumaßnahmen des Berliner Se-nats für den U-Bahnhof.Insgesamt bewegen sich jedoch die Mehrkosten ineinem Rahmen, der keinen Anlaß zu Tataren-Meldungenbietet. Die Kostenrisiken sowie die denkbaren Einspar-potentiale werden in enger Zusammenarbeit zwischenBundesbaugesellschaft, Baukommission, Ältestenrat undHaushaltsausschuß ständig überprüft.Ich denke, daß wir alle uns darüber einig sind, daßder Bund als Bauherr seiner Aufgabe der Kostenkon-trolle nach bestem Wissen und Gewissen nachkommenwird. Dies liegt in unser aller Interesse. Ebenso deutlichwill ich jedoch auch eine Lanze für die Qualität der zuerrichtenden Bauten brechen.
Ich denke, am Beispiel des insgesamt sehr gelungenenReichstagsgebäudes wird deutlich, daß die Demokratieals Bauherr auch architektonische Zeichen setzen muß.
Bei aller Angemessenheit und Bescheidenheit darf sichdie Demokratie als Bauherr nicht unter Wert verkaufen.Sie darf und kann, ja sie sollte sogar, durch ihre BautenZeichen ihres legitimen Selbstbewußtseins setzen.
Ich sage deshalb: Wir sind als Bauherr natürlich in be-sonderer Weise zur Effizienz und zum verantwortungs-vollen Umgang mit uns anvertrauten Steuergeldern ver-pflichtet. Wir dürfen aber auch nicht als billiger Jakobauftreten.
Ein letztes Wort zu den Ausgleichszahlungen fürBonn: Die Bundesregierung und der Deutsche Bundes-tag hinterlassen mit ihrem Umzug keine Brache. Ganzim Gegenteil: Durch die sehr auskömmlichen Zahlungendes Bundes hat sich die Region ein neues Standbein alsDienstleistungs- und Telekommunikationsstandort er-obert. Wir haben viel für Bonn getan. Ich sage, daß wiruns an die Gesetze, die wir für Bonn gemacht haben,halten werden. Deswegen – ich betone dies, weil ich einnachdrücklicher Berlin-Befürworter bin – müssen wirBerichte, wie sie heute in der „Berliner Zeitung“ er-schienen sind, daß für Berliner Bauten von Ministerien,die in Bonn bleiben sollen, schon Geheimpapiere be-stünden, nachdrücklich zurückweisen. Wir werden unsan die Gesetze halten. Wir werden den Berlin/Bonn-Vertrag erfüllen. Wir werden als Bauherren unsererVerantwortung gerecht werden.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die F.D.P.-
Fraktion spricht nun Kollege Michael Goldmann.
Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Auftritt vonFrau Fuchs, bei dem ich sehr lange nicht wußte, ob sienun als Präsidentin des Mieterbundes oder als Abgeord-nete des Bundestages spricht, werde ich mich darumbemühen, sehr ehrlich mit dem umzugehen, was ich Ih-nen zu sagen habe. Ich bitte gerade Sie, Herr Schmidt,mir dabei zuzuhören, weil ich vor den Menschen, die füreine Sache stehen – wie zum Beispiel Ihr ParteifreundGottfried Sandmann aus der Stadt Papenburg, der sehrklar sagt, daß er gegen das Emssperrwerk ist – Respekthabe. Vor solchen Leuten wie Ihnen, die im Wort sehrstark und in der Tat sehr undurchsichtig sind, fürchte ichmich politisch,
weil ich bei Ihnen und den übrigen Vertretern der Grü-nen nicht weiß, was man davon zu halten hat, wenn mansich mit ihnen politisch auseinandersetzt. Auf der einenSeite toben Sie in Papenburg und in Gandersum auf demDeich herum
– ich meine die Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Partei –,und Ihre Delegierten erklären auf dem LandesparteitagIhrer Partei in Hannover, wie sehr sie gegen das Sperr-Dietmar Schütz
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werk sind. Auf der anderen Seite sagen Sie dann hier vorOrt: Natürlich machen wir eine solche Titelstelle mit,warum denn nicht; so ein bißchen grünes Vergackeiernmuß doch möglich sein.
Wissen Sie, Herr Schmidt, ich finde das übel.
Sie haben vorhin Dinge angesprochen, die ichhochinteressant finde. Sie sagen, daß es jetzt eine EU-Wettbewerbsklage gegen das Sperrwerk gibt. Man mußsich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: NichtThyssen Nordsee, nicht die Howaldtswerke, nicht ir-gendein Mitbewerber klagt gegen das Sperrwerk – dasja, wie Sie wissen, auch der Meyer-Werft hilft. Nein,Umweltverbände, von Ihnen gesponsert und finanziellunterstützt, machen das.
weise ich zurück, Herr Goldmann!)Dafür wurde ein Fonds gebildet, in den Sie über die Ab-gaben, die Sie an die Partei zu leisten haben, wahr-scheinlich sogar eingezahlt haben. Es ist interessant,
daß Umweltverbände die Verbandsklagen nutzen –manchmal auch mißbrauchen –, um aus ökologischenGründen, die ich nicht nachvollziehen kann, gegen dasSperrwerk vorzugehen. Ich gestehe es ihnen zwar zu,daß Sie diese Möglichkeit nutzen, aber es geht darum,daß sie nun auch das Wettbewerbsrecht mißbrauchen,um Zukunft zu zerstören.
Herr Schmidt, ich will Ihnen das sehr direkt sagen:Wenn Sie von diesen Dingen keine Ahnung haben, dannsollten Sie den Mund halten. Wenn Sie sich erkundigthaben, werden Sie wissen, daß alle Fachleute sagen: DasSperrwerk ist nötig – nicht für Meyer, auch wenn derdamalige Ministerpräsident Schröder sich mit HerrnMeyer in der Presse hingestellt und gesagt hat, wir ma-chen das mal eben. Jeder Fachmann weiß, daß sonst aufüber 100 Kilometer die Deiche in diesem Bereich umeinen Meter erhöht werden müssen.
– Erkundigen Sie sich, Frau Kollegin. Die Holländer ha-ben das schon lange. Sie schützen ihre Menschen zu-kunftsorientiert.
Wir kämpfen mit dem Sperrwerk darum, das gleiche zutun.Herr Schmidt und liebe Kolleginnen und Kollegenvon den Grünen, die Menschen vor Ort verstehen nicht,daß Sie gegen dieses Werk – wir haben es heute nurexemplarisch zur namentlichen Abstimmung gestellt –in einer Form zu Felde ziehen, die wirklich unerträglichist.
Ich bin von der Ausbildung her Biologe; ich kenne Non-nengänse. Ich bin dafür, daß wir prioritäre Vogelartenschützen.
Aber ich bin auch dafür, daß wir nicht die Deiche erhö-hen, sondern ein Sperrwerk bauen, das zukunftsorien-tierten Küstenschutz sicherstellt.
Ich bin dafür, daß wir auch die Arbeitsplätze in dieserRegion sichern.
Kollege Goldmann,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schütz?
Gerne, Herr
Schütz.
Herr Kollege
Goldmann, wir sind ja hier in der Haushaltsdebatte.
Stimmen Sie mir zu, daß dieser von uns vorgelegte
Haushalt ein Sperrwerk in Gandersum ermöglicht und
den Bau des Sperrwerks absichert?
Herr Schütz, ichgebe Ihnen recht. Wir wollen in namentlicher Abstim-mung erfragen, wie Ihr Koalitionspartner, mit dem Siezukunftsorientierte Politik, Politik gegen den Verlustvon Arbeitsplätzen und für einen vernünftigen ökologi-schen und ökonomischen Ausgleich machen wollen, wieSie selbst immer betonen, zu dieser Frage steht.
Es ist interessant, Herr Schütz, welchen Wirbel dieserAntrag bei Ihnen ausgelöst hat. Ich unterhalte mich jagerne mit Kollegen aus der SPD.
Ich respektiere die Arbeit von Herrn Robbe. Ich finde eshochinteressant, welche Verwirrung, welche Irritationund welcher Eifer bei Ihnen entstanden sind, weil Siegenau wußten, daß wir hier den Finger in eine Wundelegen.
Hans-Michael Goldmann
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Herr Schmidt, jetzt will ich noch einmal etwas zudem anderen Bereich sagen, den Sie angesprochen ha-ben, nämlich zum Transrapid. Wissen Sie, wer im Auf-sichtsrat der Bahn ist, der sollte sich beim Thema Trans-rapid zurückhalten.
Jeder weiß, daß die Bahn den Transrapid im Grunde ge-nommen abmurksen will, um das hier einmal sehr deut-lich zu sagen.
Sie sind derjenige, der das in besonderer Weise betreibt.
Ich finde, Herr Schmidt, Ihre Kolleginnen und Kollegenvon den Grünen sollten das, was Sie machen, nichtdurchgehen lassen. Sie sollten hier nicht diese populisti-sche Wortreiterei betreiben,
sondern sie sollten zu Taten stehen. Sie sollten klippund klar sagen: In einer Region, die von Arbeitslosig-keit bedroht ist, einer Region peripheren Raums, wodie Menschen es sowieso schon schwer haben, setzenwir ein aktives, ein kämpferisches Zeichen für denKüstenschutz, für ein Zukunftsprojekt und für Arbeits-plätze.
Deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antragzu. Sagen Sie konsequent und klar ja zu einem Sperr-werk an der Ems, und sagen Sie das, weil Sie der Mei-nung sind, daß dieses Sperrwerk – das ist mein letztesWort dazu – wirklich eine vernünftige Sache ist, die alleUnterstützung eines jeden hier im Deutschen Bundestagverdient.Herzlichen Dank.
Das Wort zu einerKurzintervention hat der Kollege Albert Schmidt.Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sehr verehrter Herr Kollege Goldmann, ichhätte niemals geglaubt, daß ich als gestandener Ober-bayer hier einmal eine Kurzintervention zum Küsten-schutz abgeben würde.
Ich werde das aber gerne tun.Herr Kollege Goldmann, Sie haben hier beeindruk-kend ausgeführt, daß sich alle über die Notwendigkeitdieses Sperrwerkes einig seien. Ich möchte Sie nur ganzsachlich an folgendes erinnern. Lesen Sie doch einmalim „Generalplan Küstenschutz“ der BezirksregierungWeser-Ems von 1997 nach. Diese Landesbehörde be-streitet dort, daß die Sturmflutsicherheit an der Ems ge-fährdet sei. – Ich zitiere nur.Ich erinnere Sie weiterhin daran, daß niemand ande-res als das Oberverwaltungsgericht Lüneburg massivbemängelt hat, daß eine echte und tiefgehende Alterna-tivenprüfung nicht stattgefunden habe. Das war einer derGründe für das Urteil. – Ich zitiere nur.Ich erinnere Sie weiterhin daran, daß das Oberver-waltungsgericht Lüneburg in mehreren Urteilen ausge-führt hat, daß eine juristisch einwandfreie Interessenab-wägung sowohl bei den Belangen des Natur- und Um-weltschutzes als auch bei den ökonomischen Interessennicht stattgefunden habe. – Ich zitiere nur.Wenn Sie dies alles ignorieren wollen, ist das IhreSache. Die Bundesregierung hat jedenfalls dafür ge-sorgt, daß für den Fall, daß die juristische Bremse, dieim Moment gezogen worden ist, wieder entsichert wer-den sollte, Haushaltsmittel bereitstehen, damit dasSperrwerk gebaut werden kann. Herr Kollege Gold-mann, ich kann Ihnen versichern: Auch dieser Haus-haltsposten wird mit der Mehrheit der Regierungskoali-tion verabschiedet werden. Sie können sich Ihre diesbe-zügliche namentliche Abstimmung sparen. Sie über-schätzen sich in Ihrer Show, die Sie hier abziehen,maßlos. Das ist nicht das, was die Menschen wirklichinteressiert.Die Unterstellung übrigens, wir würden Verbändesponsern, ist geradezu lächerlich. Ich bin Mitglied imBund Naturschutz Bayern und zahle gern Mitgliedsbei-träge.
Sie wissen, daß die im Zusammenhang mit dem Sperr-werk aktiven Verbände parteipolitisch unabhängig sind.Klagen, die diese als Fachverbände erheben, sind ineinem Rechtsstaat etwas ganz Normales. Daß es Ihnenvon der F.D.P. manchmal nicht gefällt, daß auch Ver-bände juristische Möglichkeiten wahrnehmen, das weißich wohl.Nun aber zum Stichwort Transrapid: Ich weise mitallem Nachdruck zurück, daß ich mich jemals hier imBundestag als Mitglied des Aufsichtsrates der Bahn ge-äußert habe. Das werde ich auch nie tun. Aber als Ver-kehrspolitiker, dem die Bahn schon immer – auch in denvergangenen Jahren – ein großes Anliegen war – undauch heute noch ist –, weise ich mit großem NachdruckIhre Behauptung zurück, hier wolle irgendein Mitglieddieses Unternehmens ein Projekt „abmurksen“, wie esIhre Wortwahl war. Das ist eine unverschämte Unter-stellung, für die Sie keinerlei Beleg haben.Ich behaupte, daß die Bahn – im Gegenteil – in ver-antwortlicher Führung sowohl auf der Vorstandsebeneals auch in allen anderen beteiligten Gremien die Fak-Hans-Michael Goldmann
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ten sehr präzise analysieren wird und auf dieserGrundlage nicht alleine, sondern im Benehmen mit denanderen Projektbeteiligten, sprich mit dem Konsortiumund mit der Bundesregierung, entscheiden wird. Sound nicht anders wird es ablaufen. Die anstehende Ent-scheidung wird nachvollziehbar sein. Alles andere, wasSie hier in die Welt setzen, ist Fama bzw. eine übleVerleumdung.
Kollege Goldmann,
bitte schön.
Herr Kollege
Schmidt, ich sage es offen: Was Sie soeben getan haben,
ist typisch. Da zitieren Sie aus alten Stellungnahmen der
Bezirksregierung.
Wissen Sie nicht, daß Regierungspräsident Theilen, mit
dem ich zusammen im Landtag gesessen habe und der
Mitglied der SPD ist, zur Zeit dabei ist, einen neuen
Antrag vorzubereiten?
Wissen Sie nicht, daß dieser Regierungspräsident den
alten Antrag sehr mühsam und mit viel Engagement auf
den Weg gebracht hat? Warum machen Sie das hier
schon wieder kaputt?
Sagen Sie doch ja zum Sperrwerk, und gehen Sie vor
Ort!
Angesichts der Tatsache, daß die Bezirksregierung einen
neuen Antrag stellt, der hoffentlich qualifizierter ist als
der alte
und der den Gesichtspunkt des Küstenschutzes und die
Staufunktion integriert, können Sie doch sagen: Wir sind
jetzt dafür, daß dieser Antrag angenommen wird, daß er
nicht beklagt wird, daß er also im Ergebnis umgesetzt
wird, damit das herauskommt, was sich die Menschen
dort wünschen.
Herr Schmidt, ich finde es unaufrichtig und nicht gut
– ich sage Ihnen ganz ehrlich, daß ich das früher von
den Grünen nicht angenommen habe –, wenn man in
solchen Fragen die Ebenen trennt. Wenn Sie hier für
diesen Titel sind und dazu nachher in namentlicher Ab-
stimmung ja sagen, dann sollten Sie nicht vor Ort Stim-
mung machen und über diesen Weg Stimmen kassieren,
um dann hier eine von hinten in die Brust gerichtete
Politik zu betreiben, die eine Umsetzung solcher Pro-
jekte verhindert.
Herr Schmidt, genauso ist das beim Transrapid. Sa-
gen Sie doch ehrlich, daß Sie nicht für den Transrapid
sind. Machen Sie aber den Transrapid nicht durch Ihre
Arbeit bei der Bahn AG kaputt. Sie wissen doch ganz
genau, daß es die Bahn AG ist, die dem Tansrapid im
Moment einen Knüppel nach dem anderen zwischen die
Beine wirft.
Ich möchte Ihnen noch etwas zu den Verbänden sa-
gen. Meine Partei und ich sind eindeutig dafür, daß Ver-
bände ein Klagerecht haben.
Aber ich bin dagegen, daß Verbände ihr Klagerecht
mißbrauchen.
Ich bin dagegen, daß Verbände, die den Gedanken des
Umweltschutzes für sich in Anspruch nehmen und die
ihren Mitgliedern sagen: „Wir betreiben Umweltschutz“,
sich solchermaßen mit dem EU-Wettbewerbsrecht aus-
einandersetzen, es mißbrauchen, um einen High-Tech-
Standort sowie Arbeits- und Ausbildungsplätze zu zer-
stören. Das ist das, wogegen ich bin, und dagegen soll-
ten auch Sie sein.
Ich erteile der Kolle-gin Eichstädt-Bohlig, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Kollegen! Herr Kollege Goldmann, es hat mich ein we-nig verwirrt, daß Ihnen das Ems-Sperrwerk so wichtigist, daß Sie zum Bauhaushalt kein einziges Wort gesagthaben.
Ich weiß nicht, wie bei Ihnen die Prioritäten und Ver-antwortlichkeiten gesetzt werden.
Ich möchte nach dieser ganzen Diskussion über dasEms-Sperrwerk auf den Bauhaushalt zu sprechen kom-men und möchte mich an den Kollegen Pützhofen wen-den. Sie haben soeben mit großer Verve überwiegendAlbert Schmidt
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die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aber indi-rekt auch uns dahin gehend beschimpft – das haben Sieschon einmal so gemacht –, daß die Koalitionsfraktionenvor der Wahl einige Hoffnungen hatten, sie würden imHaushalt mehr Geld vorfinden und dann in der Baupoli-tik auch mehr verteilen können, als dann tatsächlich vor-zufinden war. Ich spreche gerade Sie an, weil Sie Mit-verantwortung dafür tragen, daß wir ein Defizit von30 Milliarden DM vorgefunden haben und jetzt mit die-ser schweren Last umgehen müssen.
Man sollte niemanden verurteilen, der ohne genaueKenntnis der wahren Haushaltslage mehr Geld verteilenwollte, als er hinterher vorgefunden hat, wenn man sol-che Anträge stellt, wie Sie es getan haben, und demBürger gegenüber behauptet, man könne mehr Geldverteilen, als im Haushalt vorhanden ist.Insofern frage ich Sie, wieso Sie hier in Kenntnis derHaushaltslage Anträge stellen auf Aufsattlung bei derStädtebauförderung, auf ein Wohngeld, das in dieserForm gar nicht finanzierbar ist. Die F.D.P. möchte nichtnur das Emssperrwerk, sondern auch beim sozialenWohnungsbau aufsatteln. Ich frage die, die bis Septem-ber 1998 Regierungsverantwortung gehabt haben, nachihrem Umgang mit den Prinzipien von Haushaltsklarheitund Haushaltswahrheit und dem, was man dem Bürgergegenüber verantwortlich darstellen kann. Ich bitte Sie,darauf endlich konkret zu antworten.
Zum nächsten Punkt. Das Schwerpunktthema derWohnungspolitik zur Zeit ist immer wieder die Wohn-geldreform. Wir sind uns alle einig, daß wir eineWohngeldreform brauchen. Wir arbeiten daran, sie zum1. Januar 2000 umsetzen zu können. Ich sage sehr be-wußt: Wir arbeiten daran.
Ich möchte in Richtung des Kollegen Oswald und desKollegen Kansy deutlich sagen: Sie haben einen Antragzum Wohngeld gestellt, den man nicht einmal mehr mitden von uns dringend gesuchten 1,5 Milliarden DMfinanzieren könnte, den man aber auf keinen Fall mitden 250 Millionen DM finanzieren kann, die seinerzeitKollege Oswald – noch nicht einmal per Kabinettsbe-schluß, sondern als einfaches Papier – bereitstellenwollte. Er hat sich nicht einmal getraut, mit den Länderndarüber zu verhandeln.
Also: Das, was Sie dem Bürger versprechen und derKoalition jetzt mit Änderungsanträgen abringen wollen,haben Sie selbst nie und nimmer gekonnt. Trotzdem ge-hen Sie scheinheilig hin und fragen: Warum schafft ihrdas nicht aus der Hüfte? Warum braucht ihr ein halbesJahr, bis ihr das Geld zusammengesammelt habt?
Ein weiterer Punkt. Wir sind so ehrlich und so spar-sam, daß wir sagen: Wir können das nicht aus einemHaushaltsaufwuchs finanzieren. Wir suchen das Geldvielmehr in den Bereichen, von denen wir meinen, daßSubventionen da bisher etwas zu großzügig gewährtworden sind.Wir prüfen derzeit, ob bei der Eigenheimzulage Sen-kungen der Einkommensgrenzen vorgenommen werdensollen; ich habe das schon in der letzten Legislaturperiodegefordert, ich überzeuge schrittweise auch andere davon.Hierbei handelt es sich nicht um willkürliche Kürzungen,sondern endlich um die Verwirklichung des Subsidiari-tätsprinzips. Ich sage es ganz deutlich: Staatssekretäre undAbgeordnete bekommen so gute Gehälter, daß sie es nichtnötig haben, eine Eigenheimzulage in Anspruch zu neh-men. Ich hoffe, daß endlich auch die Konservativen unddie Liberalen Subsidiarität ernst nehmen und nicht immerfordern: Vermögensbildung bei den Vermögenden. Siebedeutet vielmehr, die Prioritäten da zu setzen, wo die so-ziale Bedürftigkeit wirklich Vorrang haben muß.
Von daher bitte ich Sie darum, hier mit offenen Kartenzu spielen und nicht so zu tun, als könnte man allesgleichzeitig verwirklichen.Nicht nur die Regierungsfraktionen, sondern auch dieOpposition muß bereit sein, endlich soziale Prioritätenzu setzen. Das erwarte ich auch von Ihnen.
Kollegin Eichstädt-
Bohlig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Thiele?
Frau Kollegin Eich-städt-Bohlig, die Einkommensgrenzen sind momentan,glaube ich, doch so, daß Minister und Staatssekretärekeine Eigenheimzulage erhalten.
sind sehr wohl so. Sie kennen meine Diäten. Ich nehmean, daß Ihre relativ ähnlich sind. Ich würde mit meinerFamilie unter die 240 000-DM-Grenze fallen und sehrwohl 64 000 DM Eigenheimzulage bekommen, währendein Haushalt, dem im Monat nur 3 500 DM zur Verfü-gung stehen, vielleicht 100 DM Wohngeld bekommt.Damit hat dieser Haushalt die Chance, innerhalb von54 Jahren insgesamt genausoviel Geld zu bekommen,wie ich innerhalb von acht Jahren bekäme, wenn ichmorgen ein Eigenheim bauen würde. Das halte ich poli-tisch für ungerecht, Kollege Thiele.
Franziska Eichstädt-Bohlig
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3310 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Eine Nachfrage des
Kollegen Thiele.
Frau Eichstädt-Bohlig,
Sie haben in Ihrer Rede von Staatssekretären und Mi-
nistern gesprochen.
neten.
Von Staatssekretären
und Ministern; das habe ich zufällig gehört.
Die Frage, die ich ge-
rade gestellt habe, betraf nicht Ihr Einkommen; denn Sie
sind derzeit ja noch nicht Staatssekretärin oder Ministe-
rin. Ich habe vielmehr danach gefragt, ob Staatssekretäre
und Minister bei etwa 300 000 DM Einkommen pro Jahr
Eigenheimzulage erhalten. Sie haben zu Abgeordneten
geantwortet. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zu
Staatssekretären und Ministern antworten würden; denn
die erhalten keine Eigenheimzulage.
und Staatssekretäre.
Minister habe ich ausgeklammert. Ich bilde mir auch
ein, Abgeordnete gesagt zu haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte schon
noch ein ernstes Wort – auch in Richtung unserer Koali-
tion – sagen. Denn bei der Suche nach Einsparungen im
Haushalt ist unter anderem auch von Kolleginnen und
Kollegen, die den beiden Koalitionsfraktionen angehö-
ren, die Diskussion um den sozialen Wohnungsbau los-
getreten worden. Ich möchte aus aktuellem Anlaß ein
sehr ernstes Wort zum Thema „sozialer Wohnungsbau“
sagen.
Richtig ist: Der soziale Wohnungsbau ist ohne
Zweifel reformbedürftig. Aber er ist auch reformfähig.
Das sage ich in alle Richtungen. Ich möchte das an
einem ganz wichtigen Beispiel verdeutlichen. Der so-
ziale Wohnungsbau ist gerade in Ballungsgebieten ein
ganz wichtiger Baustein für die Familienentlastung.
Würde der soziale Wohnungsbau – auch die Bestände,
die wir im öffentlichen Bereich haben – abgebaut, liefen
wir Gefahr, daß Familien mit Kindern über kurz oder
lang praktisch nicht mehr in Ballungsräumen wohnen
könnten.
Es wäre ein Schildbürgerstreich – ich sage das laut –,
wenn der soziale Wohnungsbau, der Familien heute im
Durchschnitt rund 120 DM im Monat Entlastung bringt
– in Ballungsgebieten ist es teilweise sehr viel mehr –,
gestrichen würde, um damit 20 DM oder 50 DM mehr
Kindergeld zu finanzieren.
Insofern müssen wir auch den Zusammenhang zwischen
Wohnungspolitik und Familienentlastung sehr ernsthaft
diskutieren. Es ist kein sinnvoller Schritt zur Fami-
lienentlastung, das Kindergeld zu erhöhen, gleichzeitig
aber erhebliche Wohnkostensteigerungen für Familien
zu provozieren. Das dürfen wir nicht machen. Deswegen
bitte ich um eine sehr ernsthafte fraktionsübergreifende
Diskussion.
– Ich habe eben deutlich gesagt, daß ich einen Teil mei-
ner Rede an alle, auch an die Koalitionäre, richte. Damit
habe ich überhaupt keine Probleme, Herr Kansy. Was
gesagt werden muß, muß gesagt werden – in welche
Richtung auch immer.
Folgendes möchte ich deutlich sagen – und da ist sich
die Koalition einig –: Wir wollen die Reform des sozia-
len Wohnungsbaus; wir wollen die Vereinfachung des
Förderinstrumentariums; wir wollen kostspielige Neu-
bauprogramme zurückfahren und uns sehr viel mehr an
den Wohnungsbeständen orientieren. Es muß aber auch
allen klar sein: Wenn wir in diesem Bereich weiter ab-
bauen – nach den jetzigen gesetzlichen Regelungen lau-
fen viele Sozialbindungen aus – wird es in wenigen Jah-
ren kaum mehr Sozialwohnungen geben. Das verant-
worten im wesentlichen Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Oppositionsseite. Wenn wir nicht ge-
gensteuern, wird es im Jahre 2005 nur noch 900 000 So-
zialwohnungen und im Jahre 2010 – das ist gar nicht
mehr lange hin – nur noch 230 000 Sozialwohnungen
geben. Deswegen bitte ich alle Beteiligten, sich für die
Reform des sozialen Wohnungsbaus einzusetzen und
nicht für eine Demontage.
Nun hat der Kollege
Dirk Fischer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsi-dent, ich glaube, die Uhr, die meine Redezeit anzeigt, istnicht richtig eingestellt.Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DerHaushalt ist die Stunde der Wahrheit. Bei einer vernünf-tigen Politik sind Reden und Handeln eins. Heute hatsich gezeigt, daß die Regierungskoalition mit falscherMünze zahlt. Beweise gibt es dafür sehr, sehr viele.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3311
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Sie, Herr Minister, haben im letzten November beider Vorstellung Ihres Arbeitsprogramms für diese Le-gislaturperiode im Ausschuß die Zusammenlegung derbeiden Ministerien Verkehr und Bau als echte Ver-schmelzung bezeichnet, mit der der Auftrag, gleichwer-tige Lebensbedingungen in allen Ländern zu schaffen,zielgerichtet umgesetzt werden solle. Die Zusammenle-gung zeigt sich aber immer mehr als ein personenbezo-gener Unfug, der sowohl im Ministerium als auch in denparlamentarischen Gremien eine vernünftige Arbeit eherbehindert. Wenn man nach der Schaffung gleichwertigerLebensbedingungen fragt, stellt man fest, daß sich dieKoalition weiter denn je davon entfernt hat. Mit densteuerpolitischen Fehlschlägen ist das Gefälle der Le-bensbedingungen zwischen Ballungsräumen und länd-lichen Regionen nur noch verstärkt worden.
Der Bundesverkehrswegeplan soll – das haben Sieangekündigt – überarbeitet werden. Nach zehn JahrenGültigkeit ist es auch sicher sinnvoll, die Prognosen derVerkehrsentwicklung zu überprüfen und zu aktualisie-ren; das hatte Ihr Amtsvorgänger Wissmann gleichfallsvorgesehen und auch schon eingeleitet. Sie wollen neueKriterien entwickeln und die Bewertungsmethodik mo-dernisieren. Ihr Vortrag im Ausschuß am 21. April die-ses Jahres war diesbezüglich allerdings ohne jede kon-krete Substanz. Sie hätten ebensogut die Erläuterungenzu den bisherigen Bundesverkehrswegeplänen vorlesenkönnen.Für uns haben die regionalen Wirtschafts- und Be-schäftigungsaspekte ein besonderes Gewicht. Die Fre-quenz eines Verkehrsweges als Hauptkriterium würdedazu führen, daß nur noch Projekte in Ballungsräumenzum Zuge kämen. Das darf nicht sein. Wir werden sehrdarüber wachen, daß die Interessen der ländlichenRäume gewahrt bleiben und Gerechtigkeit für alle Re-gionen gegeben ist.
Gutes und Bewährtes zu ändern macht wenig Sinn.Ich bin deshalb der Meinung, daß nicht alle Projekte, fürdie der Gesetzgeber den Bedarf bereits festgestellt hat,erneut auf den Prüfstand gestellt werden müssen, wieSie das jetzt ankündigen. Ihre Aussage vom November1998 klang sehr viel vernünftiger:In Einzelfällen– so haben Sie gesagt –werden wir Maßnahmen und Projekte anpassen undoptimieren.Das heißt für mich, daß alle heute schon baureifen odernach Auffassung der Länder besonders dringlichen Pro-jekte und insbesondere jene, die in künftige Fünfjahres-pläne aufgenommen werden sollen, auch überprüft wer-den. Ich halte es aber nicht für sinnvoll, für ungefähr7 500 Projekte erneut ein ganz großes Faß aufzumachen,auch wenn darunter unendlich viele sind – vielleichtHunderte und Tausende –, deren Realisierung Jahr-zehnte entfernt ist.Das angekündigte Investitionsprogramm 1999–2002ist eine Bankrotterklärung, weil die deutlich gekürztenMittelansätze – so Ihre Aussage – für die Bundesfern-straßen nur geringen Gestaltungsspielraum lassen. Es istin Wahrheit nur ein Ablenkungsmanöver, wenn Siedas dem geltenden Verkehrswegeplan anlasten und beieiner Unterfinanzierung auf Grund unrealistischer An-sätze von „Luftschlössern“ und „Wunschkatalogen“reden.Ich muß Sie darauf hinweisen, daß der Bundesver-kehrswegeplan kein Finanzplan ist. Er stellt nur dennach Auffassung der Bundesregierung objektiven Bedarfdar und wird hier im Parlament insoweit nur zur Kennt-nis genommen. Der vordringliche Bedarf – nicht derBundesverkehrswegeplan – wird über Ausbaugesetzedurch den Gesetzgeber festgestellt.Es ist klar, daß bei dieser Systematik, insbesondere inZeiten knapper Kassen, der Bedarf größer als die Mög-lichkeiten der Finanzierung ist. Gleichwohl darf objekti-ver Bedarf nicht wegmanipuliert werden.
Wenn Sie den objektiven Bedarf herausstreichen, dannist dies das Verschließen der Augen vor Tatsachen, diewir uns immer wieder präsent machen und mit denenwir uns auseinandersetzen müssen.Schon der erste Verkehrswegeplan von SPD-Verkehrsminister Lauritz Lauritzen – er umfaßte denZeitraum von 1976 bis 1985 – hatte bei seiner überar-beiteten Fortschreibung 1985 einen Überhang unerle-digter Vorhaben in Höhe von etwa 36 Milliarden DMnach dem Preisstand 1985. So ist der Überhang von et-wa 80 Milliarden DM – so die Prognose – nach demheutigen Preisstand bei dem 20-Jahres-Zeitraum des jet-zigen Plans keine dramatische und völlig andere Ent-wicklung.Ihr Vorwurf, das seien Luftschlösser, ist in Wahrheiteine Unterstellung gegenüber den Ländern und derBahn, daß sie bei ihren Anmeldungen unredlich vorge-gangen seien. Ich meine, daß diese Unterstellung un-sachlich und falsch ist.
Sie versuchen damit, über Kürzungen im eigenenHaushalt hinwegzutäuschen und suchen ein Alibi fürfehlende Haushaltsmittel. Sie haben den Ansatz für denStraßenbau um 175 Millionen DM verringert gegen-über den Zahlen Ihres Amtsvorgängers Wissmann. DieFolge ist, daß Baubeginne in den alten Bundesländernpraktisch unmöglich geworden sind.Jetzt hat die Koalition im Haushaltsausschuß sogardie Mittel für Unterhalt und Erneuerung der Bundes-fernstraßen um weitere 50 Millionen DM gekürzt. Siehaben im Ausschuß den Vorwurf erhoben, daß für die-sen Bereich bisher zuwenig getan worden sei, und an-gekündigt, mehr Gewicht auf die Erhaltung der Sub-stanz der Bundesfernstraßen legen zu wollen. IhrDirk Fischer
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3312 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Haushalt spricht eine andere Sprache. In diesem Punktsind Sie völlig unglaubwürdig; es wird anders gehan-delt als geredet.
Der Investitionsbedarf für Erhalt und Ausbau derVerkehrsinfrastruktur muß zukunftsorientiert auf ho-hem Niveau gesichert werden. Das Volumen baureiferProjekte, deren Finanzierung offen ist, liegt heute schonbei etwa 4 Milliarden DM. Deshalb fordern wir mit un-serem Antrag eine Aufstockung der Straßenbaumittelum 500 Millionen DM, um wenigstens dem dringlich-sten Bedarf Rechnung zu tragen.
Man muß doch auf die Situation reagieren! Man kannals Minister die Sache nicht schleifen lassen, man mußdurch aktives Handeln reagieren, und dieses um somehr, als Sie durch die Steuererhöhung auf Kraftstofferund 4,5 Milliarden DM beim Autofahrer abkassierenund zwei weitere Erhöhungen in der gleichen Größen-ordnung schon beschlossen haben. Das heißt, am Endeholen Sie vom Autofahrer zusätzliche 15 Milliarden DMin die Kasse. Dabei muß doch wohl dieser Gestaltungs-spielraum eröffnet worden sein. Ich finde das sonst em-pörend.
Klar ist auch, daß wir für künftige Haushalte vorsor-gen müssen. Der erste Schritt ist die Einführung derstreckenbezogenen und nutzungsabhängigen Lkw-Straßenbenutzungsgebühr bis spätestens 2002 und ih-re Zweckbindung für das Bundesfernstraßensystem. Dernächste Schritt muß die effizientere Bewirtschaftungdieser Mittel durch privatwirtschaftlich organisierteUnternehmen sein. Hinzu kommen muß eine verstärkteMobilisierung privaten Kapitals für die Infrastruktur undsomit eine Ausweitung des heute zu engen EU-Rechts.Das sind Ziele, Herr Minister, die wir mit Nachdruck beider Bundesregierung einfordern werden.Es ist bereits einiges über den Verkauf der Eisen-bahn-Wohnungsgesellschaften gesagt worden. Ichdenke, es muß darauf hingewiesen werden, daß die heu-tigen Staatssekretäre Ihres Hauses, Frau Ferner und HerrGroßmann, vor der Wahl lautstark verkündet haben, daßder von der Bundesregierung Kohl beabsichtigte Ver-kauf – sie haben sogar von „Verschleuderung“ gespro-chen – bundeseigener Wohnungen verhindert werdenmüsse. Jetzt erweisen sich diese Wahlkampfparolen alsgroße Wahllüge. Sie stehen nicht zu Ihrem Wort. Ichwill das gar nicht kritisieren, weil ich in der Sache auchschon damals anderer Meinung war. Die SPD hat inWahrheit eine 180-Grad-Wende vollzogen. Sie, HerrMinister, haben sich die Entscheidungen Ihres Amtsvor-gängers zu eigen gemacht, die Wohnungen zu verkau-fen.Heute müssen wir Sie fragen, wie Sie das Defizitbeim Bundeseisenbahnvermögen ausgleichen wollen.Die Bahn mußte Ende 1998 wegen des nicht rechtzeitigvollzogenen Verkaufs der Wohnungen 850 MillionenDM als Kredit aufnehmen. Diesen Betrag kann sie jetztwohl in den Wind schreiben.
Hierzu erwarten wir klare Aussagen.Wir haben einen Antrag zum Thema LärmsanierungSchiene gestellt. Der geschätzte Bedarf liegt bei 5 Milli-arden DM. Wenn Sie da in unzureichender Weise her-angehen, dann wecken Sie Erwartungen, die Sie nie er-füllen können. Durch eine Erhöhung der Mittel auf 250Millionen DM im Jahr wollen wir den Bedarf in 20 Jah-ren decken.
Ihre Einstellungen im Haushalt hingegen führen zueinem 75-Jahres-Programm. Damit brechen Sie Ver-sprechungen und halten nicht ein, was Sie gesagt haben.
Kollege Fischer, Sie
haben Ihre Redezeit schon überschritten.
Herr Präsi-
dent, ich möchte abschließend – und nahezu wunschge-
mäß – folgendes sagen. Der Kollege Schmidt hat sich
durch die Kritik des Kollegen Goldmann beeinträchtigt
gefühlt.
Deshalb will ich sagen: Weil ich das Projekt will und
weil ich möchte, daß die Vertragspartner jetzt auf der
Basis einer aktualisierten Verkehrsprognose und einer
Wirtschaftlichkeitsberechnung II sehr bald zu Vertrags-
vereinbarungen kommen, bin ich – wunschgemäß – be-
reit, Sie, Herr Kollege Schmidt, für Ihren positiven und
verantwortungsbewußten Umgang mit dem Projekt
Transrapid zu loben. Machen Sie weiter so,
dann werden wir an Ihnen Freude haben!
Kollege Fischer, Sie
müssen zum Schluß kommen.
Herr Präsi-
dent, ich komme zum Schluß.
Sie können doch mit
einem Lob enden.
Ich hatte zuBeginn darauf hingewiesen, daß die Redezeit falsch ein-gestellt war.Dirk Fischer
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3313
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Nein, sie war richtig
eingestellt.
Verkehrspo-
litik braucht Innovation: durch Transrapid, durch mo-
derne Eisenbahntechnik und durch lärmarme Flugzeuge.
Darauf setzen wir. Wir wissen, daß im Verkehrsbereich
Akzeptanz und eine gedeihliche Zukunft nur zu errei-
chen sind, wenn wir das leisten und damit eine umwelt-
gerechtere und sichere Gestaltung des Verkehrs bewir-
ken.
Lieber Kollege Fi-scher, Ihre Redezeit war dadurch verkürzt worden, daßFraktionskollegen von Ihnen schon vorher deutlich ihreRedezeit überschritten hatten. Man hat es Ihnen offenbarnicht mitgeteilt.Nun hat Bundesminister Franz Müntefering das Wort.Franz Müntefering, Bundesminister für Verkehr,Bau- und Wohnungswesen: Herr Präsident! Meine sehrverehrten Damen und Herren! Mit dem Haushalt für die-ses Jahr werden wir die Weichen für eine bessere Bau-und Verkehrspolitik in Deutschland stellen. Dabei wer-den eine ganze Reihe von Fehlern und Versäumnissenaus der alten Zeit aufzuarbeiten sein.
Damit will ich mich aber nicht lange aufhalten, sondernetwas zu unseren Vorstellungen einer modernen undzeitgemäßen Bau- und Verkehrspolitik sagen.Erstens. Die Stadtentwicklungspolitik braucht neueImpulse. Stadt ist mehr als viele Häuser. Deshalb müs-sen wir auf der Bundesebene dafür sorgen, Rahmenbe-dingungen dafür zu schaffen, daß die Städte in eine guteZukunft gehen können. Dazu gehören die Stadtent-wicklungsmittel und die Städtebauförderungsmittel inHöhe von 600 Millionen DM, die auch in diesem Jahrzur Verfügung stehen und von denen 520 Millionen DMin die neuen Länder gehen. Dieser Weg muß weiterge-gangen und mit dem verbunden werden, was für dieVerbesserung der Wohnsituation im Bereich des sozia-len Wohnungsbaus und der sozialen Stadt eingesetztwird.
Mit den Mitteln der Städtebauförderung, mit denMitteln, die für die soziale Stadt eingesetzt werden – siesollen dafür sorgen, daß Stadtteile nicht absacken; man-che Stadtteile sind in Gefahr abzusacken –, und mit denMitteln für den sozialen Wohnungsbau werden wir diegute Zukunft unserer Städte finanzieren helfen. Wirwerden darauf achten, daß wir die Mittel für den sozia-len Wohnungsbau stärker als bisher auf die Bildung vonEigentum im Bestand ausrichten. Wir brauchen im Au-genblick nicht mehr viele soziale Mietwohnungen; daswissen wir. Dafür gibt es einen einigermaßen ausgegli-chenen Markt. Wir werden den Wohnungsbau nicht ge-gen den Markt organisieren können. Wir müssen undwollen aber die Eigentumsbildung – insbesondere imBestand – verbessern.
Das stabilisiert die soziale Situation, und es führt dazu,daß mehr Wohneigentum insbesondere in den Städtengebildet werden kann, wo die Grundstückspreise hochsind und wo wir mit einer Finanzierung im Bereich dessozialen Wohnungsbaus besonders wirksam sein kön-nen. Da liegt also der Schwerpunkt für die nächsten Jah-re.
Der Neubau der Wohnungen wird nicht in der Höhevon 500 000 bleiben. Man kann da nicht gegen denMarkt organisieren, aber es läßt sich der Bereich der Ei-gentumsbildung mobilisieren. Wir werden achten aufden Bereich des Altschuldenhilfegesetzes, wo der Len-kungsausschuß die ersten Entscheidungen getroffen hat.Es gilt, weitere Entscheidungen zu treffen, weil wirnicht möchten, daß die Genossenschaften und Gesell-schaften in den neuen Ländern, die ihre Aufgabe nichterfüllen können, stranguliert werden. Wir wollen ihnenhelfen. Sie müssen von den Aufgaben entlastet werden.
Zur Stadtentwicklungskonzeption gehört auch, daßwir etwas für das Anwohnerparken tun. Auch dazu wer-den wir uns in den nächsten Monaten melden.Zweiter Punkt, der dazugehört: Wohngeld, in diesemJahr 250 Millionen DM mehr, 500 Millionen DM zu-sammen mit den Ländern – was meistens vergessenwird. Das ist eine halbe Milliarde DM Wohngeld mehr,die in diesem Jahr in Deutschland gezahlt wird. DasProblem ist, daß Sie vergessen haben, die Struktur zuverändern, so daß alles in das Pauschalwohngeld fließtund nichts mehr in das Tabellenwohngeld, wo die Erhö-hungen stattfinden müßten.
Das werden wir korrigieren. Das haben wir zugesagt,und das werden wir auch tun,
so wie die Mieter sich darauf verlassen können, daß dieSozialdemokraten und die Grünen in dieser gemeinsa-men Koalition darauf achten, daß die Interessen derMieter in unserer Bundesrepublik auch in Zukunft ge-wahrt bleiben.
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3314 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Ein knappes Wort zum Umzug von Parlament undRegierung: Berlin und Bonn können sich darauf verlas-sen, daß das, was aufgeschrieben ist, daß das, was Ge-setz ist, auch eingehalten wird. Das gilt für beide Städte.Für Bonn sind in diesem Jahr etwa 400 Millionen DMbereitgestellt. Von den 2,81 Milliarden DM, die Bonnbis 2004 zugesagt sind, sind 2,555 Milliarden DM frei-gegeben. Das hat bisher sehr gut funktioniert, und daskann auch weiterhin funktionieren, wenn in beidenStädten, in Berlin und in Bonn, von allen Beteiligtengewußt wird: Dieser Umzug ist kein Anlaß für Wahl-kampf. Bisher hat es gut funktioniert, weil alle an einemStrang gezogen haben, und zwar in eine Richtung. Die-ser ganze Umzug, meine Damen und Herren, liebe Kol-leginnen und Kollegen, ist auch eine Frage des Anse-hens der Demokratie, und ich appelliere an alle Betei-ligten, jetzt, in der letzten Phase, nicht die Nerven zuverlieren. Lassen Sie uns dieses miteinander ordentlichorganisieren und fair miteinander umgehen!
Zum Bereich der Verkehrspolitik: Für den Städte-bau- und Wohnungsbereich 5,6 Milliarden DM Investi-tionen, für den Bereich Verkehr 20,1 Milliarden DM,400 Millionen DM mehr als im letzten Jahr – entgegenallem, was dazu von der Opposition offensichtlich falschabgelesen worden ist. Man könnte es aber besser wissen,wenn man es denn wissen wollte.Erstens: Bundesverkehrswegeplan. Der Bundesver-kehrswegeplan war ausgerichtet auf 20 Jahre, von 1992bis 2012. Daß sich in 20 Jahren etwas verändert und daßman in der Zwischenzeit, nach der Hälfte der Wegstrek-ke, etwas nachjustieren muß, ist doch wohl selbstver-ständlich.
Der Bundesverkehrswegeplan ist entwickelt worden, alsman noch gar nicht genau wußte, wie sich denn nach derdeutschen Einheit die Verkehrsflüsse überhaupt entwik-keln würden. Heute wissen wir das genauer. Wir sam-meln die Fakten. Wir überarbeiten die Methoden. In derMethodik werden die Komponenten der europäischenDimension, der Raumordnungsdimension und der öko-logischen Dimension stärker als bisher berücksichtigt.Auf dieser Basis wird der Bundesverkehrswegeplanfortgeschrieben werden. Dazu habe ich dem zuständigenAusschuß des Bundestages ja ausführliche Informatio-nen gegeben.Wir werden dabei zu beachten haben, daß wir mehrals in den vergangenen Jahren dafür sorgen, daß der Be-stand der Infrastruktur gesichert und erhalten bleibt. Wirhaben in den letzten Jahren – das ist mein Vorwurf anSie –, was die Infrastruktur angeht, in Deutschland inerheblichem Maße von der Substanz gelebt. Daran kran-ken wir heute, und da müssen wir nacharbeiten.
Sie hatten offensichtlich großen Spaß daran, mit neu-en Projekten zu prunken. Das verstehe ich auch. Aberder Bestand muß erhalten und gesichert bleiben. Dasgilt ganz besonders für die Schiene, wo in den nächstenJahren unendlich viel nachzuholen ist. Daran werden wirarbeiten.
Herr Minister,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten
Fischer?
Franz Müntefering, Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen: Bitte schön, Frau Präsiden-
tin.
Herr Minister,ich verstehe nach wie vor nicht, wie Sie die Ankündi-gung, daß mehr für die Substanzerhaltung bei den Bun-desfernstraßen geschehen muß, mit dem Beschluß derKoalition zum Haushalt, diese Mittel um 50 MillionenDM zu kürzen, verbinden bzw. realisieren können. Ichverstehe es nach wie vor nicht.Franz Müntefering, Bundesminister für Verkehr,Bau- und Wohnungswesen: Ich stelle noch einmal fest,Herr Kollege: Es werden in diesem Jahr insgesamt386 Millionen DM mehr im investiven Bereich einge-setzt. Wenn man mehr Mittel für den Erhalt des Be-stands verwendet, kann man allerdings nur weniger fürNeubauten ausgeben. Das ist klar. Die Decke ist nichtlang genug, um beides gleichzeitig zu bedecken.Wir werden dafür sorgen, daß sowohl bei der Bahnals auch im Straßenbereich die vorhandene Infrastrukturvoll belastbar bleibt. Wir werden auch dafür sorgen, daßes nicht wieder Situationen geben wird, die uns teuer zustehen kommen. Wenn man zum Beispiel drei Jahre langdie Schlaglöcher einer Straße nicht flickt, dann wird dieSanierung der Straße nach fünf oder acht Jahren richtigteuer. Ähnliches gilt auch für den Schienenbereich. Des-halb werden wir besonderes Gewicht darauf legen, daßInstandhaltungsmaßnahmen rechtzeitig durchgeführtwerden.
Im Bundesverkehrswegeplan wird deutlich, daß wiralle vier Verkehrsträger brauchen: die Straße, dieSchiene, das Wasser und die Luft. Hier muß keinerAngst haben, daß der eine Bereich auf Kosten des ande-ren ausgebaut wird. Alle vier Verkehrsträger werden ingleicher Weise gebraucht. Dafür sprechen folgendemarkante Zahlen: In den nächsten Jahren wird das Ver-kehrsaufkommen weiter wachsen. Das Wachstum imVerkehrsbereich läßt sich nicht vom Wachstum desBruttoinlandsprodukts entkoppeln. Deshalb wird dasVerkehrsaufkommen in den nächsten Jahren um jeweils2 Prozent – manche sagen: eher um 3 Prozent – steigen.Das heißt, daß in den nächsten 15 Jahren – das ist fürVerkehrsplaner eine kalkulierbare Größe – das Verkehrs-aufkommen im Güterbereich noch einmal um etwa 30Prozent steigen wird.Bundesminister Franz Müntefering
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3315
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Heute werden etwa 65 Prozent der Güter auf derStraße und etwa 16 Prozent auf der Schiene transpor-tiert. Wenn man sich vorstellt, daß das Verkehrsauf-kommen auf der Straße gleichbleibt – das ist ja schonzuviel – und daß die neu benötigten Transportkapazitä-ten auf die Schiene verlagert werden, dann würde sichdas Verkehrsaufkommen auf der Schiene verdreifachen.Das macht deutlich, vor welchen Aufgaben wir bei denverschiedenen Verkehrsträgern stehen.Wir müssen deshalb auch im Rahmen des Bundes-verkehrswegeplans erreichen, daß der kombinierteVerkehr eine größere Chance bekommt und daß dieVerkehrsträger Straße, Schiene, Wasser und Luft ingleicher Weise optimiert werden. Nur wenn wir alleVerkehrsträger optimieren, werden wir unsere Mobilitätbehalten können. Mobilität, also die Fähigkeit, sichpünktlich, preiswert und ökologisch vernünftig zu be-wegen, ist die Voraussetzung für Wohlstand. Wir wollendiesen Wohlstand erhalten. Wir wollen deshalb auch dieMobilität in diesem Land erhalten. Das ist keine Frage.
Die Koalition hat zugesagt, daß es eine Alternativprü-fung im Bereich der großen Schienenkorridore „Mitte-Deutschland-Bahn“ – grob gesprochen: von Erfurt bisGörlitz, die Sachsen-Franken-Magistrale von Nürnbergbis Leipzig und die Magistrale von Erfurt nach Nürn-berg geben wird. Die Prüfung ist bereits angelaufen. Wirwerden uns in wenigen Wochen eine abschließendeMeinung bilden. Danach werden wir die zuständigenStellen und das Parlament informieren.Ich möchte noch etwas zur Deutschen Bahn AG undüber die Schienennetze in Europa sagen. Wir haben dieHarmonisierung der unterschiedlichen Eisenbahn- undSchienensysteme in Europa an die erste Stelle in den Be-ratungen im Verkehrsrat gesetzt. Wir brauchen eineeuropäische Eisenbahn. Wir werden die Frage, wie dieVerkehrsträger Straße, Schiene, Luft und Wasser ver-nünftig miteinander kombiniert werden können, nurdann richtig beantworten, wenn wir dafür sorgen, daßdie Güter, die über lange Strecken transportiert werdenmüssen, auf die Schiene verlagert werden. Das ist dieStärke der Schiene. Deshalb müssen die 15 verschiede-nen Signal- und Leitsysteme, die fünf oder sechs ver-schiedenen elektrischen Systeme und die verschiedenenSchienenbreiten in Europa kompatibel gemacht werden.Wir müssen dafür sorgen, daß in Europa eine gemein-same Politik für die Bahn gemacht wird, damit die Gü-ter, die über lange Strecken transportiert werden müssen,von der Straße auf die Schiene verlagert werden können.
Herr Minister,
gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen
Dreßen?
Franz Müntefering, Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen: Bitte schön.
Herr Minister, ein Oppositi-onskollege hat vorhin behauptet, daß in Baden-Württemberg 245 Millionen DM für den Bau vonOrtsumgehungsstraßen nicht mehr ausgegeben werdenkönnen, weil die Planfeststellungsverfahren älter als fünfJahre sind und deshalb nicht mehr umgesetzt werdenkönnen. Stimmt es, daß die vorgesehenen Ortsumge-hungsstraßen in Baden-Württemberg einen Gesamtwertvon 1,9 Milliarden DM haben und daß auch die alteBundesregierung Baden-Württemberg nur 200 Millio-nen DM zur Verfügung gestellt hat? Es bedürfte docheiner immensen Anstrengung, wenn das alles in vierJahren gebaut werden sollte.Franz Müntefering, Bundesminister für Verkehr,Bau- und Wohnungswesen: Herr Kollege, das ist dasProblem, dessen Existenz der Kollege Fischer eben be-stritten hat: der Zusammenhang zwischen dem Bundes-verkehrswegeplan und dem, was hinsichtlich der Pla-nung im Lande stattfindet. Natürlich ist mit dem Bun-desverkehrswegeplan, auch wenn die Finanzierung da-mit nicht gesichert war, im Lande die Erwartung ge-weckt worden, daß dies alles gebaut wird. Man hat ge-plant und stellt jetzt fest: Es ist mehr geplant worden, alsfinanziert werden kann.Hinzu kommen baurechtliche Probleme. Man kannden im Baurecht enthaltenen Zeitraum von fünf auf zehnJahre verlängern. Das wird an einigen Stellen möglichsein. Man kann sich darüber streiten, ob ein im Baurechtverankerter Zeitraum von zehn Jahren ausreicht. Mankann mit mir über eine Verlängerung des Zeitraumessprechen. Insgesamt wird an dieser Stelle aber deutlich:Das, was die alte Koalition im Bereich des Straßenbausgemacht hat, war in erheblichem Umfang nach demModell Wunsch und Wolke gestrickt. Es hatte mit derRealität relativ wenig zu tun.
Wir haben im Haushalt eine Summe von 100 Mil-lionen DM für den Lärmschutz entlang den Bahnstrek-ken eingesetzt. Das wird nicht reichen, um im ganzenLand systematisch diesen Lärmschutz zu garantieren.Aber wir werden mit diesem Geld einige wichtige Pro-jekte in Angriff nehmen können.
Ich möchte ein Wort zu den Wohnungen des Bundes-eisenbahnvermögens sagen. Ich weiß, es tut manchenKollegen in diesem Haus weh, daß wir diese Wohnun-gen an ein deutsches Bieterkonsortium verkaufen wol-len. Wir haben uns das nicht leichtgemacht. Wir habenden Vertrag der alten Regierung nachbessern können.Wir haben die verbriefte Wohnungsfürsorge in qualifi-zierter Weise und dauerhaft für die Eisenbahner – auchfür die pensionierten Eisenbahner – und für ihre Fami-lien gesichert. Es ist sichergestellt, daß die Sozialein-richtung der Eisenbahnerwohnungen bestehen bleibt. Ichdenke, man kann das verantworten, nachdem dies alleserreicht worden ist.Bundesminister Franz Müntefering
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3316 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Gestern hat nun der Hauptpersonalrat des Bundesei-senbahnvermögens der Maßnahme nicht zugestimmt.Ich habe entschieden, daß die Einigungsstelle, die fürsolche Fälle vorgesehen ist, angerufen wird. Die Eini-gungsstelle soll nach den einschlägigen gesetzlichen Be-stimmungen innerhalb von zwei Monaten entscheiden.Ich bin sicher, daß das geschieht, und ich bin zuver-sichtlich, daß eine positive Entscheidung zustandekommt. Das heißt, daß diese Wohnungen im Sinne des-sen, was wir in Verträgen fixiert haben, Eigentum desdeutschen Bieterkonsortiums werden.
Herr Minister,
gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Blank?
Franz Müntefering, Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen: Bitte schön.
Herr Minister, Sie haben
ausgeführt, daß Sie zum Verkauf der Eisenbahnerwoh-
nungen stehen. Sie bemühen sich um das Zustande-
kommen einer Einigung über die Einigungsstelle. Ge-
lingt dies nicht, fehlen Ihnen im Haushalt 4,6 Milliarden
DM. Wie stehen Sie allerdings zu den Aussagen Ihres
Nürnberger SPD-Kollegen Schmidbauer, so etwas sei
ein Spekulationsgeschäft, er habe keinerlei Verständnis
für die Absicht des Ministers, er mißbillige diese Ent-
scheidung und sei vom Kurs des Ministers nicht über-
zeugt?
Franz Müntefering, Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen: Ich selbst bin lange genug
Wohnungspolitiker, um zu wissen, daß eine solche Ent-
scheidung nicht leichtfällt. Ich habe eben deutlich ge-
macht: Der Verkauf ist geprüft und für gut befunden
worden. Ich fühle mich völlig sicher, sowohl was die
Komponente Wohnungsfürsorge als auch was die So-
zialeinrichtungen angeht. Das kann man verantworten.
Ich selbst werde das vor denjenigen vertreten, die betrof-
fen sind. Ich bin sicher, daß wir eine Entscheidung im
Sinne dessen bekommen werden, was wir wollen.
Ich möchte noch einen verkehrspolitisch wichtigen
Punkt ansprechen. Wir wollen dazu beitragen, bald ein
europäisch mitbestimmtes Satellitennavigationssystem
zu bekommen und auf dieser Basis die Möglichkeiten
der Telematik im Verkehr und auch in anderen Berei-
chen besser nutzen zu können. Wir sind heute vom ame-
rikanischen System GPS abhängig. Das System ist nicht
voll belastbar. Es wird vor allen Dingen in seiner zwei-
ten Generation, ab dem Jahre 2008, ein System sein, bei
dem wir zum Beispiel nicht mehr selbst die Freiheit be-
sitzen, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe
wir Gebühren für dieses System zu zahlen bereit sind.
Deshalb wollen wir zusammen mit den anderen europäi-
schen Ländern – dazu gibt es inzwischen eine Entschei-
dung des Kabinetts – ein solches Satellitensystem ent-
wickeln und installieren. Das richtet sich nicht gegen die
USA oder gegen die GUS-Staaten. Es soll möglichst mit
ihnen zusammen organisiert werden und allen für zivile
Zwecke zur Verfügung stehen: der Luftfahrt und eben
auch dem Straßenverkehr. Aber Europa soll dabei eine
wichtige Rolle spielen.
Für die entsprechenden Konsortien in den EU-
Ländern ist das eine große Chance. Sie können viel dazu
beitragen; bisher ist es ihnen verwehrt geblieben. Wenn
man sich die heutige Ausgangssituation auf dem Satel-
litenmarkt anschaut, stellt man fest, daß Europa weltweit
einen Anteil von 5 Prozent, nur auf Europa bezogen
einen Anteil von etwa 15 Prozent hat. Wir könnten aber
weltweit in der Spitzengruppe sein. Unsere Industrie ist
dazu in der Lage.
Wir wollen unsererseits dazu beitragen, daß von den
Arbeitsplätzen, die in diesem Bereich entstehen werden,
auch Deutschland und Europa profitieren. Wir wollen
mit Verkehrsleitsystemen am Objekt, im Auto, in der
Lokomotive oder im Schiff, stärker als bisher dafür sor-
gen, daß Staus im Verkehrssystem vermieden werden
und die Sicherheit im Straßen- und Luftverkehr zu-
nimmt. Von den zukünftigen Möglichkeiten der Tele-
matik sollen natürlich auch die Unternehmen in unserem
Lande profitieren, die sie in Zukunft anbieten werden.
Ich bin sicher, daß sich in 10 Jahren in allen Neuwa-
gen mehr oder weniger qualifizierte Leitsysteme befin-
den. Das ist gut, weil sie große Chancen für die Sicher-
heit und den Verkehrsfluß bieten. Sie sind kein Wun-
dermittel, aber sie können unsere Straßen um 20 bis
30 Prozent entlasten und für weniger Staus sorgen. Dies
müssen wir nutzen. Es handelt sich auch um eine große
industriepolitische Chance.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließedie Aussprache.Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Vorab gebeich bekannt, daß verschiedene Kollegen nach § 31 derGeschäftsordnung persönliche Erklärungen zu Protokollgeben. Es handelt sich um die Kollegen Hans-Josef Fellund andere und die Kollegen Fritz Schösser und ande-re.*)Wir kommen nun zu den Änderungsanträgen. Ich rufezunächst den Änderungsantrag der Fraktion derCDU/CSU auf Drucksache 14/937 auf. Die Fraktion derCDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bittedie Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe-nen Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt? –Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. –Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit derAuszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmungwird Ihnen später mitgeteilt werden.**)–––––– *) Anlagen 2, 3 und 4**) Seite 3317BBundesminister Franz Müntefering
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3317
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Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs-antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache14/938. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt auch hier-über namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftfüh-rerinnen und Schriftführer, die Plätze einzunehmen.Sind die Urnen besetzt? – Dann eröffne ich die Abstim-mung. –Ist noch jemand anwesend, der seine Stimme nichtabgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe diezweite namentliche Abstimmung und bitte, mit der Aus-zählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen späterbekanntgegeben.*)Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs-antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksa-che 14/936. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen?– Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit denStimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmender gesamten Opposition abgelehnt worden.Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionder F.D.P. auf Drucksache 14/922. Wer stimmt dafür? –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsan-trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen undder PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P.abgelehnt worden.Abstimmung über den Änderungsantrag der Frakti-on der PDS auf Drucksache 14/973. Wer stimmt dafür?– Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-antrag ist mit den Stimmen des ganzen Hauses mitAusnahme der PDS, die zugestimmt hat, abgelehntworden.––––––*) Seite 3320AAbstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionder PDS auf Drucksache 14/974. Wer stimmt dafür? –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsan-trag ist mit demselben Stimmenverhältnis ebenfalls ab-gelehnt worden.Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionder PDS auf Drucksache 14/975. Wer stimmt dafür? –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsan-trag ist mit demselben Stimmenverhältnis ebenfalls ab-gelehnt worden.Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionder PDS auf Drucksache 14/976. Wer stimmt dafür? –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch dieser Ände-rungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmender PDS abgelehnt worden.Das Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmungliegt mir bereits vor. Wir müssen aber noch das Ergebnisder zweiten namentlichen Abstimmung abwarten, biswir fortfahren können. Deshalb unterbreche ich jetzt dieSitzung.
Die unterbro-chene Sitzung ist wieder eröffnet.Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführe-rinnen ermittelte Ergebnis der ersten namentlichenAbstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSUauf Drucksache 14/937 bekannt. Abgegebene Stimmen601. Mit Ja haben gestimmt 240. Mit Nein haben ge-stimmt 361. Der Änderungsantrag ist damit abgelehntworden.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 601;davon:ja: 240nein: 361JaCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserDr. Norbert BlümFriedrich BohlDr. Maria BöhmerSylvia BonitzWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachDr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepePaul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward BuwittCajus CaesarManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Hubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke Eymer
Ilse FalkDr. Hans Georg FaustUlf FinkIngrid FischbachDirk Fischer
Axel E. Fischer
Herbert FrankenhauserDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisGeorg GirischDr. Reinhard GöhnerDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillHermann GröheManfred GrundGottfried Haschke
Gerda HasselfeldtNorbert Hauser
Klaus-Jürgen HedrichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesSiegfried HornungJoachim HörsterHubert HüppePeter JacobySusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlBartholomäus KalbSteffen KampeterDr.-Ing Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertManfred KolbeNorbert KönigshofenEva-Maria KorsRudolf KrausDr. Martina KrogmannDr.-Ing. Paul KrügerDr. Hermann KuesVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
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3318 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Dr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß
Erwin MarschewskiDr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsBernward Müller
Elmar Müller
Dr. Gerd MüllerGünter NookeFriedhelm OstEduard OswaldNorbert Otto
Dr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDieter PützhofenThomas RachelDr. Peter RamsauerHelmut RauberChrista Reichard
Katherina ReicheErika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt J. RossmanithAdolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian RuckAnita SchäferHeinz SchemkenKarl-Heinz ScherhagGerhard ScheuDietmar SchleeBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von SchmudeBirgit Schnieber-JastramDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika SchuchardtDiethard Schütze
Clemens SchwalbeHorst SeehoferHeinz SeiffertRudolf SeitersWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteCarl-Dieter SprangerWolfgang SteigerDr. Wolfgang Freiherr vonStettenAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblThomas StroblMichael StübgenDr. Rita SüssmuthEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlGunnar UldallArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffPeter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter WillschWerner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerF.D.P.Hildebrecht Braun
Ernst BurgbacherJörg van EssenGisela FrickPaul K. FriedhoffHorst Friedrich
Rainer FunkeHans-Michael GoldmannJoachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeSabine Leutheusser-Schnarren-bergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingHans-Joachim Otto
Cornelia PieperDr. Günter RexrodtDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerCarl-Ludwig ThieleDr. Dieter ThomaeDr. Guido WesterwelleNeinSPDBrigitte AdlerGerd AndresRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDr. Hans Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseDr. Eberhard BrechtRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenRudolf DreßlerDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherIris FollakNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich
Harald FrieseAnke Fuchs
Arne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl-Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannChristel HanewinckelAlfred HartenbachKlaus HasenfratzNina HauerHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannDr. Barbara HendricksMonika HeubaumUwe HikschReinhold Hiller
Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerHans-Ulrich KloseFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3319
(C)
(D)
Ernst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickDr. Uwe KüsterChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnRobert LeidingerDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieIngrid Matthäus-MaierHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingAndrea NahlesVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Willfried PennerDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterReinhold RobbeGudrun RoosRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Gerhard RübenkönigMarlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchRudolf ScharpingBernd ScheelenSiegfried SchefflerHorst SchildOtto SchilyDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerOlaf ScholzKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGisela SchröterDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Volkmar Schultz
Ilse SchumannEwald SchurerDr. R. Werner SchusterDietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-DürenErnst SchwanholdRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerJochen WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelHelmut Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Dr. Norbert WieczorekHeidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützHeino Wiese
Klaus WiesehügelBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfPeter ZumkleyBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMarieluise Beck
Volker Beck
Angelika BeerMatthias BerningerAnnelie BuntenbachEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer
Joseph Fischer
Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtMonika KnocheDr. Angelika Köster-LoßackSteffi LemkeDr. Helmut LippeltDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKlaus Wolfgang Müller
Kerstin Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstClaudia Roth
Christine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleJürgen TrittinDr. Antje VollmerSylvia VoßHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
PDSMonika BaltDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva-Maria Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsFred GebhardtDr. Gregor GysiDr. Barbara HöllCarsten HübnerUlla JelpkeSabine JüngerGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthAngela MarquardtManfred Müller
Kersten NaumannRosel NeuhäuserPetra PauDr. Uwe-Jens RösselChristina SchenkGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertEntschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungendes Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPUAbgeordnete(r)Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSUVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
3320 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Ich gebe nun das von den Schriftführern und Schrift-führerinnen ermittelte Ergebnis der zweiten nament-lichen Abstimmung über den Änderungsantrag derCDU/CSU auf Drucksache 14/938 bekannt. AbgegebeneStimmen 600. Mit Ja haben gestimmt 272. Mit Nein ha-ben gestimmt 328. – Auch dieser Änderungsantrag istdamit abgelehnt worden.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 600;davon:ja: 272nein: 328JACDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserDr. Norbert BlümFriedrich BohlDr. Maria BöhmerSylvia BonitzWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachDr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepePaul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward BuwittCajus CaesarManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Hubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke EymerIlse FalkDr. Hans Georg FaustUlf FinkIngrid FischbachDirk Fischer
Herbert FrankenhauserDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisGeorg GirischDr. Reinhard GöhnerDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillHermann GröheManfred GrundGottfried Haschke
Gerda HasselfeldtNorbert Hauser
Klaus-Jürgen HedrichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesSiegfried HornungJoachim HörsterHubert HüppePeter JacobySusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlBartholomäus KalbSteffen KampeterDr. Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertManfred KolbeNorbert KönigshofenEva-Maria KorsRudolf KrausDr. Martina KrogmannDr. Paul KrügerDr. Hermann KuesDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß
Erwin MarschewskiDr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsDr. Gerd MüllerBernward Müller
Elmar Müller
Günter NookeFriedhelm OstEduard OswaldNorbert Otto
Dr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDieter PützhofenThomas RachelDr. Peter RamsauerHelmut RauberChrista Reichard
Katherina ReicheErika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt RossmanithAdolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian RuckAnita SchäferHartmut SchauerteHeinz SchemkenKarl-Heinz ScherhagGerhard ScheuDietmar SchleeBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von SchmudeBirgit Schnieber-JastramDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika SchuchardtDiethard W. Schütze
Clemens SchwalbeHorst SeehoferHeinz SeiffertRudolf SeitersWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteCarl-Dieter SprangerWolfgang SteigerDr. Wolfgang Freiherr vonStettenAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblThomas StroblMichael StübgenDr. Rita SüssmuthEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlGunnar UldallArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffPeter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter WillschWerner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerF.D.P.Hildebrecht Braun
Ernst BurgbacherJörg van EssenGisela FrickPaul K. FriedhoffHorst Friedrich
Rainer FunkeHans-Michael GoldmannJoachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3321
(C)
(D)
Sabine Leutheusser-SchnarrenbergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingHans-Joachim Otto
Cornelia PieperDr. Günther RexrodtDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerCarl-Ludwig ThieleDr. Dieter ThomaeDr. Guido WesterwellePDSMonika BaltDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsFred GebhardtDr. Gregor GysiDr. Barbara HöllCarsten HübnerUlla JelpkeSabine JüngerGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzUrsula LötzerHeidemarie LüthAngela MarquardtManfred Müller
Kersten NaumannRosel NeuhäuserChristine OstrowskiPetra PauDr. Uwe-Jens RösselGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertDr. Winfried WolfNeinSPDBrigitte AdlerGerd AndresRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseDr. Eberhard BrechtRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenRudolf DreßlerDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherIris FollakNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich
Harald FrieseAnke Fuchs
Arne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl-Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannChristel HanewinckelAlfred HartenbachKlaus HasenfratzNina HauerHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannDr. Barbara HendricksMonika HeubaumUwe HikschReinhold Hiller
Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerHans-Ulrich KloseFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickDr. Uwe KüsterWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnRobert LeidingerDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieIngrid Matthäus-MaierHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingAndrea NahlesVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Willfried PennerDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterReinhold RobbeGudrun RoosRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Gerhard RübenkönigMarlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchRudolf ScharpingBernd ScheelenSiegfried SchefflerHorst SchildOtto SchilyDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Regina Schmidt-ZadelCarsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerOlaf ScholzKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGisela SchröterDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Volkmar Schultz
Ilse SchumannVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
3322 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Ewald SchurerDr. R. Werner SchusterDietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-DürenErnst SchwanholdRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerHans-Joachim WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelDr. Norbert WieczorekHelmut Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützHeino Wiese
Klaus WiesehügelBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfPeter ZumkleyBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMarieluise Beck
Volker Beck
Angelika BeerMatthias BerningerAnnelie BuntenbachEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer
Joseph Fischer
Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtMonika KnocheDr. Angelika Köster-LoßackSteffi LemkeDr. Helmut LippeltDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKlaus Wolfgang Müller
Kerstin Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstClaudia Roth
Christine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleJürgen TrittinDr. Antje VollmerSylvia VoßHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungendes Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPUAbgeordnete(r)Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSUDamit kommen wir zum Einzelplan 12 in der Aus-schußfassung. Die Fraktion der F.D.P. verlangt zu einemTitel getrennte – namentliche – Abstimmung, nämlichzu Kapitel 12 03 Titel 882 61, Zuweisung für den Baudes Ems-Sperrwerkes. Ich bitte die Schriftführerinnenund Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-men. – Sind alle Urnen besetzt? – Ich eröffne die Ab-stimmung. –Ist jemand anwesend, der in dieser dritten namentli-chen Abstimmung seine Stimme noch nicht abgegebenhat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Ab-stimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift-führer, mit der Auszählung zu beginnen.Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ichdie Sitzung.
Die unterbro-chene Sitzung ist wieder eröffnet.Ich rufe jetzt die übrigen Titel des Einzelplans 12 inder Ausschußfassung auf. Wer stimmt dafür? – Gegen-stimmen? – Enthaltungen? – Die übrigen Titel des Ein-zelplans 12 sind mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-nen gegen die Stimmen der gesamten Opposition ange-nommen.Ich gebe jetzt das von den Schriftführern und Schrift-führerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-stimmung über Kapitel 12 03 Titel 882 61, Zuweisungfür den Bau des Ems-Sperrwerkes, bekannt. Abgegebe-ne Stimmen 606. Mit Ja haben gestimmt 569, mit Neinhaben gestimmt 32, Enthaltungen 5. Kapitel 12 03 Titel882 61 ist damit angenommen.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 605;davon:ja: 569nein: 31enthalten: 5JaSPDBrigitte AdlerGerd AndresRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseDr. Eberhard BrechtRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3323
(C)
(D)
Dr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenRudolf DreßlerDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherIris FollakNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich
Harald FrieseAnke Fuchs
Arne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl-Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannChristel HanewinckelAlfred HartenbachKlaus HasenfratzNina HauerHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannDr. Barbara HendricksMonika HeubaumUwe HikschReinhold Hiller
Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerHans-Ulrich KloseFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickDr. Uwe KüsterWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnRobert LeidingerDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieIngrid Matthäus-MaierHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingAndrea NahlesVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Willfried PennerDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterReinhold RobbeGudrun RoosRenßé RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Gerhard RübenkönigMarlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchRudolf ScharpingBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildOtto SchilyDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerOlaf ScholzKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGisela SchröterDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Volkmar Schultz
Ilse SchumannEwald SchurerDr. R. Werner SchusterDietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-DürenErnst SchwanholdRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerHans-Joachim WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelDr. Norbert WieczorekHelmut Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützHeino Wiese
Klaus WiesehügelBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfPeter ZumkleyCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
3324 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
(C)
Dr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserDr. Norbert BlümFriedrich BohlDr. Maria BöhmerSylvia BonitzWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachDr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepePaul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward BuwittCajus CaesarManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Hubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke EymerIlse FalkDr. Hans Georg FaustUlf FinkIngrid FischbachDirk Fischer
Herbert FrankenhauserDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisGeorg GirischDr. Reinhard GöhnerDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillHermann GröheManfred GrundGottfried Haschke
Gerda HasselfeldtNorbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen HedrichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesSiegfried HornungJoachim HörsterHubert HüppePeter JacobySusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlBartholomäus KalbSteffen KampeterDr. Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertManfred KolbeNorbert KönigshofenEva-Maria KorsRudolf KrausDr. Martina KrogmannDr. Paul KrügerDr. Hermann KuesDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß
Erwin MarschewskiDr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsDr. Gerd MüllerBernward Müller
Elmar Müller
Günter NookeFriedhelm OstEduard OswaldNorbert Otto
Dr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDieter PützhofenThomas RachelDr. Peter RamsauerHelmut RauberChrista Reichard
Katherina ReicheErika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt RossmanithAdolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian RuckAnita SchäferHartmut SchauerteHeinz SchemkenKarl-Heinz ScherhagGerhard ScheuDietmar SchleeBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von SchmudeBirgit Schnieber-JastramDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika SchuchardtDiethard W. Schütze
Clemens SchwalbeHorst SeehoferHeinz SeiffertRudolf SeitersWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteCarl-Dieter SprangerWolfgang SteigerDr. Wolfgang Freiherr vonStettenAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblThomas StroblMichael StübgenDr. Rita SüssmuthEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlGunnar UldallArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffPeter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter WillschWerner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMarieluise Beck
Volker Beck
Angelika BeerMatthias BerningerAnnelie BuntenbachEkin DeligözFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer
Joseph Fischer
Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtMonika KnocheDr. Angelika Köster-LoßackDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKlaus Wolfgang Müller
Kerstin Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstClaudia Roth
Christine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleDr. Antje VollmerHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
F.D.P.Hildebrecht Braun
Ernst BurgbacherJörg van EssenGisela FrickPaul K. FriedhoffHorst Friedrich
Rainer FunkeHans-Michael GoldmannJoachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeSabine Leutheusser-SchnarrenbergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingHans-Joachim Otto
Vizepräsidentin Dr. Anje Vollmer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3325
(C)
(D)
Cornelia PieperDr. Günter RexrodtDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerCarl-Ludwig ThieleDr. Dieter ThomaeDr. Guido WesterwelleNeinBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENSylvia VoßPDSMonika BaltDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsFred GebhardtDr. Gregor GysiDr. Barbara HöllCarsten HübnerUlla JelpkeSabine JüngerGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthAngela MarquardtManfred Müller
Kersten NaumannRosel NeuhäuserPetra PauGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertDr. Winfried WolfEnthaltenSPDAntje-Marie SteenBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDr. Thea DückertSteffi LemkeDr. Helmut LippeltPDSDr. Uwe-Jens RösselEntschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungendes Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPUAbgeordnete(r)Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSUDamit ist auch der Einzelplan 12 insgesamt ange-nommen.Ich unterbreche jetzt die Sitzung für etwa eine Stun-de. Der Wiederbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durchKlingelsignal bekanntgegeben.Die Sitzung ist hiermit unterbrochen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist wieder er-
öffnet.
Ich rufe auf:
23. Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
– Drucksachen 14/615, 14/622 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Waltraud Lehn
Jochen Borchert
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Heidemarie Ehlert
Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU, ein Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P.
und zwei Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aus-
sprache über einen Änderungsantrag namentlich ab-
stimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster
für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Peter
Paziorek.
Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren! Der vorliegende Haushalts-plan der rotgrünen Regierung ist ein Haushaltsplan derumweltpolitischen Untätigkeit.
Er ist damit ein Spiegelbild der Leistungsbilanz die-ses Bundesumweltministers.
Uns hat diese Tatsache eigentlich nicht überrascht.Am Anfang der Tätigkeit der neuen Regierung, als dieKabinettsliste bekanntgegeben wurde, fragten die Jour-nalisten danach, welche umweltpolitischen Tätigkeitender neue Umweltminister bis dahin entfaltet hatte. Siewaren ganz erstaunt, festzustellen: UmweltpolitischeSchwerpunkte gab es in seinem politischen Leben vor-her nicht. Genau dieser Weg zeigt sich jetzt in diesemHaushaltsplan.Deshalb möchte ich in Erinnerung rufen, was derBundesumweltminister bisher erreicht hat. Die Liste istnicht lang. Sie, Herr Minister, haben sich selbst einAtomausstiegsfiasko beschert und eine unsinnige, unterUmweltschutzgesichtspunkten sogar schädliche Öko-steuer mit initiiert. Das war es; mehr haben Sie nach7 Monaten im Amt als Bilanz nicht vorzuweisen. DieseBilanz ist miserabel.
Dabei trägt der Bundesumweltminister eine hohe fachli-che Verantwortung für eine vernünftige Lösung der Ent-sorgungsfrage in der Atompolitik, für das Erreichen desvon uns allen gesetzten Klimaschutzziels, für die Erar-beitung eines Umweltgesetzbuches usw. Ich stelle fest:Der Bundesumweltminister ist dieser Verantwortungunter keinem Gesichtspunkt gerecht geworden.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
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Wie widersprüchlich die Umwelt- und Energiepolitikdes Umweltministers konzipiert ist, läßt sich an denAusstiegsplänen hinsichtlich der Kernenergie eindeutigbelegen.
Sie, Herr Minister, haben in der Umweltausschußsitzungam 20. Januar noch ganz stolz erklärt: In einem erstenSchritt werden wir das Atomgesetz novellieren. Wir ha-ben uns in der vergangenen Woche auf einen Gesetz-entwurf geeinigt. – Sie haben dann weiter ausgeführt: Erenthält unter anderem die Streichung des Förderzwek-kes, das Verbot von Genehmigungen für neue Atom-kraftwerke und Wiederaufbereitungsanlagen. So ging esweiter. Nur, bis jetzt hat niemand im Umweltausschußund niemand in diesem Hause diesen Gesetzentwurf ge-sehen. Er ist bei uns nicht angekommen. So verhält essich bei Ihnen eben mit Ankündigungen und deren tat-sächlicher Umsetzung.Ein Ausstieg aus der Kernenergie ist natürlich auchinhaltlich mit dem Hauptanliegen unserer gemeinsamverabredeten Klimaschutzpolitik überhaupt nicht zu ver-einbaren. Es steht doch selbst im rotgrünen Koalitions-vertrag, daß sich die Bundesregierung in allen Bereichenfür den Schutz des Klimas einsetzen wolle. Nun wissenwir aber, daß in Deutschland dank der Kernenergie jähr-lich zwischen 100 Millionen t – so die eine Rechnung –und 160 Millionen t CO2 – so die andere Rechnung – imVergleich zur Stromerzeugung selbst mit modernstenKohlenkraftwerken vermieden werden.Wir sind uns alle gemeinsam darüber im klaren, daßwir als Industriestaat zuviel CO2 in die Atmosphäre aus-stoßen. 1997 haben wir uns in Kioto verpflichtet, biszum Jahre 2008 den CO2-Ausstoß, verglichen mit demJahr 1990, um zirka 200 Millionen t zu reduzieren. Dasist eine gewaltige Herausforderung. Wenn nun aber alleKernkraftwerke abgestellt würden, dann erhöhte sich dasZiel noch einmal um 100 bis 160 Millionen t CO2. Daswären insgesamt nahezu 350 Millionen t CO2.
– Herr Müller, Sie wissen doch ganz genau, daß dasstimmt. Sie müssen das jetzt nur rufen, um von Ihrer un-sinnigen Ausstiegspolitik abzulenken.
Es ist spannend, zu hören, wie Sie, wenn Sie bei Ihrerüberzogenen, unrealistischen und wissenschaftlich über-haupt nicht nachvollziehbaren Kernenergieausstiegs-politik verbleiben, das Ziel erreichen wollen, im Schnittfast 1 Million t CO2 täglich bis zum Jahre 2008 abzu-bauen.
– Herr Müller, wenn das alles so einleuchtend wäre, wieSie das gerade rufen, dann frage ich mich, warum derBundesumweltminister den Entwurf eines Atomaus-stiegsgesetzes, den er am 20. Januar im Umweltaus-schuß angekündigt hat, bis heute nicht eingebracht hat.Oder geht es bei Ihnen nur um vielleicht noch unklarebetriebswirtschaftliche Fragen? Die Antwort wäre inter-essant. Sie haben den Gesetzentwurf noch nicht einge-bracht, weil Sie kein schlüssiges Konzept dafür haben,wie mit Ihrer Ausstiegspolitik eine sinnvolle Klima-schutzpolitik verbunden werden soll.
Das ist das Hauptproblem Ihrer ganzen Ankündigungen,meine Damen und Herren.
Sie haben bis jetzt auch den Zweiflern in der Wissen-schaft keine überzeugende und schlüssige Antwort ge-ben können. Deshalb flüchten Sie – die Regierung undIhr ganzes Haus – nun aus der Verantwortung, und zwarmit dem Motto – ich zitiere –: Wir werden im Laufeeines Jahres an einem runden Tisch mit den gesell-schaftlichen Gruppen ein solches schlüssiges Konzepterarbeiten. Damit geben Sie zu erkennen: Sie haben zumjetzigen Zeitpunkt dieses schlüssige Konzept noch nicht.Ich warne Sie: Schieben Sie die Verantwortung indieser Frage nicht auf die gesellschaftlichen Gruppie-rungen ab! Sie können und müssen sich mit diesen ge-sellschaftlichen Gruppierungen auseinandersetzen, un-bestritten. Aber wir werden es Ihnen nicht durchgehenlassen, wenn Sie später die Verantwortung für eine ge-scheiterte Klimaschutzpolitik auf die gesellschaftlichenGruppen abschieben wollen. Das wird es mit uns nichtgeben. Sie stehen in der Pflicht, zunächst ein Konzeptvorzulegen, nicht die anderen.
Die Ökosteuer, die Sie durchgesetzt haben, wird andieser drohenden negativen CO2-Bilanz Ihrer Politiknicht viel ändern. Die Ökosteuer belegt nur, wie kon-zeptlos Rotgrün in den letzten Wochen umweltpolitischagiert hat. Dieses Gesetz hat nichts mit Ökologie zu tun,wohl aber eine ganze Menge mit Steuererhöhungen undAbkassieren.Sie behaupten, mit diesem Gesetz eine doppelte Divi-dende einfahren zu können. Sie spekulieren auf eineVerbesserung von Umweltqualität. Das ist schon die er-ste Fehlspekulation. Weiterhin argumentieren Sie immerwieder mit einer ökologischen Lenkungsfunktion. Manmuß ganz klar sagen: Eine ökologische Lenkungsfunk-tion ist bei dieser sogenannten Ökosteuer überhauptnicht zu erkennen. Es ist schon ein tolles Stück, wenn imAugenblick in den kommunalen Parlamenten berichtetwird, daß zum Beispiel der öffentliche Personennahver-kehr teurer wird. Sie haben in den Kommunen immerwieder das Umsteigen vom Auto auf den ÖPNV propa-giert. Aber gleichzeitig sagen Sie den Leuten: Wir habenjetzt eine Steuer eingeführt, die zum Beispiel die Benut-zung des öffentlichen Personennahverkehrs im ländli-chen Raum noch verteuert. Ich frage Sie: Wo ist beieinem solchen Gesetz die umweltpolitische Lenkungs-wirkung? – Sie ist nicht vorhanden. Es ist ein reines Ab-kassiermodell.
Dr. Peter Paziorek
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Die Beispiele Atomausstieg und Ökosteuer belegen,wie wenig bei der Regierung in der Umweltpolitik dieGedanken noch zusammenpassen. Sie propagierenvollmundig den Ausstieg aus der friedlichen Nutzungder Kernenergie, müssen aber gleichzeitig zugeben, daßSie ein geschlossenes energiewirtschaftliches Alterna-tivkonzept noch gar nicht haben. Da liegt ja auch der tie-fere Grund für die Auseinandersetzungen zwischen demWirtschaftsministerium und dem Umweltministerium.Sie sprechen von der ökologischen LenkungswirkungIhrer sogenannten Ökosteuer und wollen letztlich auchdamit nur dem Finanzminister die Taschen füllen. Eswird immer deutlicher, welch geringe Rolle die Um-weltpolitik bei SPD und Grünen in den letzten Wochenund Monaten gespielt hat und zukünftig spielen wird.Sie, SPD und Grüne, sind keine Umweltparteien mehr.
– Das waren sie auch nie; Sie haben recht.Aber das Erstaunliche dabei ist, wie diese Entwick-lung eigentlich ohne Diskussion in Ihren Parteien undFraktionen hingenommen wird. Der geringe Stellenwertder Umweltpolitik auf Ihrer politischen Agenda in denletzten Monaten hat sicherlich auch damit zu tun – dasist nun einmal so; das können wir bedauern –, daß Sie inder Regierung sind und nun merken, daß sich die ober-flächliche Instrumentalisierung der Umweltpolitikzugunsten Ihrer parteipolitischen Ziele so einfach nichtmehr umsetzen läßt.Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie in unsererRegierungszeit sowohl Vertreter der SPD als auch Ver-treter der Grünen aus der Opposition heraus
völlig ohne Realitätsbezug überzogene Maßnahmen ge-fordert, überzogene finanzielle Forderungen für ihreUmweltziele gestellt haben und mit welcher Härte sie,auch in der Wortwahl, unsere Umweltpolitik einschließ-lich der Politik unserer Umweltministerin Angela Mer-kel angegriffen haben. Jetzt gibt es Berichte an denUmweltausschuß von Ihnen – auch am 20. Januar –, indenen Sie auf einmal die Umweltpolitik auch auf euro-päischer Ebene loben.Sie, Herr Minister, haben wörtlich davon gesprochen,daß Europa sich als umweltpolitischer Motor der inter-nationalen Klimaschutzpolitik dargestellt hat. Als FrauMerkel das im Ausschuß dargelegt hat, als Frau Merkeldas hier im Plenum dargelegt hat, haben Sie das bestrit-ten. Ein paar Wochen später, als Sie in der Regierungsind, sagen Sie: Jawohl, das stimmt; es ist eine hervorra-gende Umweltpolitik auf europäischer Ebene gemachtworden. Sie erkennen jetzt, daß Sie mit dieser ober-flächlichen Beschreibung und mit diesem oberflächli-chen Einsatz der Umweltpolitik zugunsten parteipoliti-scher Ziele in der Regierung nicht mehr weiterkommen.Sie haben Ihre Forderungen in den letzten Jahrenimmer gleich begründet, nämlich letztlich – auch Sie,Frau Ganseforth – mit Katastrophenszenarien undUntergangsszenarien. Sie befinden sich nun – das kannich auch verstehen – in großen inhaltlichen Schwierig-keiten, weil Sie Ihren bisherigen Stil als Regierungspar-tei nicht mehr fortsetzen können. Es wird ja immerdeutlicher, wenn man mit vielen Vertretern von Um-weltschutzverbänden spricht, daß die Beschreibung vonWeltuntergangsszenarien – Herr Müller, Sie haben dasmehrfach im Plenum so vorgetragen – für eine sinnvolleUmweltpolitik völlig kontraproduktiv ist.Frau Homburger hat voll und ganz recht: DerartigeSzenarien haben der Sache des Umweltschutzes nie ge-nützt und werden auch in Zukunft wertlos bleiben. WerUmweltprobleme immer so beschreibt, als wären sie ineiner modernen Gesellschaft überhaupt nicht lösbar oderals könnten sie nur durch eine total veränderte Lebens-weise gelöst werden, der kann letztlich dem Bürger eineaufgeklärte Umweltpolitik überhaupt nicht mehr ver-mitteln.
Wir müssen erkennen: Wir werden mit unserer Um-weltpolitik nur erfolgreich sein, wenn wir dem Bürgerdarlegen, daß wir die Probleme Schritt für Schritt imSinne einer vernünftigen, rational begründeten Umwelt-politik lösen wollen. Deshalb wird es gerade in dieserFrage darauf ankommen, einen völlig neuen Stil zu ent-wickeln und einen neuen Diskurs zu starten.Herr Minister Trittin, zu einer solchen Haltung habenSie sich nicht durchgerungen. Sie wollen das wohl auchnicht. Aus diesem Grunde ist Ihre Umweltpolitik – wieman an diesem Haushalt sehen kann – nichts anderes alsdie Politik der großen, aber auch der leeren Worte undder Untätigkeit im konkreten Fall. Das ist die bisherigeBilanz Ihrer Umweltpolitik in den letzten sechs Mona-ten.
Sie haben zwar versucht, die Widersprüche zu über-spielen. Sie haben auch gegenüber den europäischenPartnern eine Atomausstiegspolitik nach dem Mottogemacht: Hoppla, jetzt komm‘ ich! Alle in Europa hörenauf mein Kommando! – Sie haben wohl gar nicht ver-standen, daß man mit europäischen Partnern und Freun-den, auch wenn es unterschiedliche inhaltliche Positio-nen gibt, so nicht umgehen kann.Gleiches gilt für die Umweltpolitik, so wie sie sich inden Verlautbarungen des rotgrünen Lagers darstellt.Deshalb sage ich an die Adresse der Koalition: Wir wer-den mit überzogenen Zielvorstellungen die Probleme derZukunft nicht lösen können.Worauf kommt es jetzt in den nächsten Monaten an?Wir alle in diesem Hause sind uns in dem Punkt einig,daß gerade vor der Wende zum nächsten Jahrtausend dieSicherung der natürlichen Lebensgrundlagen einzentrales Zukunftsproblem ist, das wir gemeinsam be-wältigen müssen.
Das in Rio beschlossene Leitbild der nachhaltigenEntwicklung – darüber gab es in diesem Hause Kon-Dr. Peter Paziorek
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sens – ist darauf ausgerichtet, gerechte Chancen für alleStaaten der Erde zu schaffen. Deshalb sind gerade wirals Industrieländer verpflichtet, immer wieder zu prüfen,ob wir unsere Produktions- und Konsumweisen im Hin-blick auf die begrenzten natürlichen Ressourcen undMöglichkeiten noch aufrechterhalten können. Aber einschrittweises, unter Standortgesichtspunkten verträgli-ches Umsteuern wird nur gelingen, wenn auf allen Ebe-nen – sowohl auf staatlicher und politischer wie auch aufprivater und wirtschaftlicher Ebene – alle Entschei-dungsträger in einen solchen Prozeß tatsächlich einbe-zogen werden und wenn wir im Sinne der Agenda 21auf allen politischen Ebenen und in allen Bereichen derGesellschaft unsere Kräfte bündeln. Diesen Weg hat mitgroßem Erfolg Angela Merkel beschritten,
als sie zum Beispiel alle relevanten Umwelt- und Wirt-schaftsverbände zu einem Dialog eingeladen hat unddiesen Dialog sinnvoll geführt hat.
Sie aber, Herr Trittin, stoßen die Menschen vor denKopf, wenn Sie meinen, Sie könnten durch eine Nadel-stichpolitik Investitionen unwirtschaftlich machen odermit einer Ökosteuer private Haushalte nur zu Steuernund Abgaben heranziehen. Sie haben noch nicht erkannt,daß man im Rahmen einer modernen UmweltpolitikMenschen, Vereine und Organisationen – kurz: die ge-samte Gesellschaft – auch davon überzeugen muß, daßdas Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung von allengetragen werden muß.Ihr Stil und Ihr Weg sind falsch. Somit stellt sich dieFrage, ob dieser Weg im Sinne einer aufgeklärten Um-weltpolitik in Deutschland weiterhin so beschritten wer-den kann. Wir sagen: Nein, es ist der falsche Weg; erführt leider in eine falsche Richtung.
Ihre Umweltpolitik ist konturenlos. Sie konzentriertsich nur auf ein einziges Thema, nämlich auf denAtomausstieg. Dadurch wird deutlich, welche anderenwichtigen Bereiche Sie vernachlässigen und daß Sie inweiten Bereichen der Umweltpolitik kein Konzept undkeine Politik haben, die geeignet sind, die Herausforde-rungen des nächsten Jahrtausends tatsächlich zu bewäl-tigen. Konzeptionslos und verschwommen: So muß IhreUmweltpolitik leider bezeichnet werden.Deutschland braucht eine andere Umweltpolitik alsdiejenige, die Sie vertreten.
Herr Minister, Sie haben die Chancen für den Beginneiner neuen Umweltpolitik nicht sinnvoll genutzt. DasTraurige ist, daß Sie in der Umweltpolitik die Weichenfalsch gestellt haben.
– Herr Kubatschka, ich habe es gerade deutlich ausge-führt; aber es ist genauso wie im Umweltausschuß. Siewollen die Ausführungen zur Ökosteuer nicht wahrneh-men. Sie wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, daßder von Ihrer Koalition getragene Minister im Umwelt-ausschuß erklärt hat: „Wir haben uns in SachenAtomausstiegspolitik geeinigt“, obwohl in dieser Bezie-hung nichts kommt. Wir können der Presse entnehmen,daß selbst das einzige Thema, von dem der Minister sichvorgenommen hat, es in den ersten Monaten seiner Re-gierungszeit zu bewältigen, im Augenblick irgendwoversackt und versandet ist. Es ist weder im Umweltaus-schuß noch im Plenum angekommen. Herr Kubatschka,daraus kann ich nur die Schlußfolgerung ziehen: Mit-glieder Ihrer Fraktion und vielleicht auch Sie haben er-kannt, daß viele dieser Weichenstellungen falsch sind.Sie haben mitgeholfen, daß manches von dem, wasvollmundig angekündigt worden ist, aber nicht realitäts-bezogen ist, dieses Haus noch nicht erreicht hat.Es kann nicht so weitergehen, daß wir Umweltpolitikin dieser Form gestalten. Deshalb lautet heute abend un-ser Appell an Sie als Mitglieder der rotgrünen Regie-rungskoalition und an Sie persönlich, Herr Minister:Machen Sie Schluß mit einer einseitigen Politik, die nurauf den Atomausstieg konzentriert ist! Machen SieSchluß damit, daß Ihre Politik auf ein einziges Themaverengt ist, um damit Ihre Parteibasis, Ihre Parteiorgani-sation und letztlich auch Ihre Fraktion hinter sich zu be-kommen! Helfen Sie mit, in Deutschland eine Umwelt-politik zu gestalten, die sämtliche Herausforderungenannimmt und internationalen Standards entspricht!Sie haben mit diesem Haushaltsplan diese Möglich-keiten nicht ergriffen. Sie haben mit diesem Haushalts-plan nicht belegt, daß Sie diese Weichenstellungen vor-nehmen wollen. Aus diesem Grunde können wir diesemHaushaltsplan nicht zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die SPD-
Fraktion spricht jetzt die Kollegin Waltraud Lehn.
Frau Präsidentin! Meine lie-ben Kolleginnen und Kollegen! Herr Paziorek, Ihr Vor-wurf, der von uns vorgelegte Haushalt sei ein Haushaltder Untätigkeit, veranlaßt mich zu folgenden Bemer-kungen am Beginn: Sie haben es wirklich nötig, diesenVorwurf zu erheben. Ihre Tätigkeit im Umweltbereichbestand doch darin – man kann schon fast von Jahr-zehnten sprechen –, Probleme schlichtweg auszusitzen.Was den Energiebereich angeht, kann man hinzufügen,daß das Augenzumachen das Höchstmaß der Bewegungbei Ihnen darstellt.
Zur langjährigen Problemverdrängung kommt heute dieRealitätsverdrängung hinzu. Ein Blick in den Haushalthätte Ihnen hier wirklich weitergeholfen. Es wäre beiden Vorbereitungen auf die heutigen Beratungen wirk-lich nicht zuviel verlangt gewesen, wenn Sie das ge-macht hätten.Dr. Peter Paziorek
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem erstenHaushalt der rotgrünen Regierung haben wir auch imUmweltbereich eindeutig Prioritäten gesetzt
und einen Politikwechsel eingeleitet.
Der Schutz der Umwelt und die Sicherung der Res-sourcen ist eine der wichtigsten Aufgaben einer moder-nen Gesellschaft. Wir sind es unseren Kindern und En-keln schuldig, ihnen eine intakte und lebenswerte Um-welt zu übergeben. Auch in diesem Sinne gibt unserHaushalt nicht nur eine Antwort auf gegenwärtige Pro-bleme, sondern auch eine Basis für die Zukunft.Wir haben in einem ersten Schritt nur einen Teil– sicherlich nicht alle – unserer umweltpolitischen Zieleim Haushalt verankert. Dabei hat uns das finanzpoliti-sche Chaos, das uns die alte Bundesregierung hinterlas-sen hat, leider nur wenig Spielraum gelassen.
– Ich kann verstehen, daß Sie das nicht gerne hörenwollen, aber wenn man jede vierte Mark für Schulden,die Sie, CDU/CSU und F.D.P., gemacht haben, ausge-ben muß und nicht mehr zur Verfügung hat, dann kannman das mit Erblast nur noch unzureichend beschreiben.
Mit dem Umsteuern, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, haben wir gleichwohl begonnen, insbesondere inder Frage der Endlager. Aber auch eine Erweiterung dergegenseitigen Deckungsfähigkeit und damit die flexible-re Verwendung bereitgestellter Mittel sind hier zu nen-nen. Größere Änderungen klassischer Ausgabenpositio-nen setzen allerdings eine kritische und sorgfältige Be-standsaufnahme und Analyse voraus.Auch für den Umwelthaushalt gilt: Effizienz undZielgenauigkeit sind gerade bei Sparzwang im Umgangmit den Mitteln unverzichtbare Bestandteile. InhaltlicheZiele erreicht man eben nicht nur dadurch, daß einfachnur zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Wenn siedie Fähigkeit zu ein wenig Selbstkritik und ein wenigSachlichkeit hätten, müßten das auch die Kolleginnenund Kollegen von CDU/CSU und F.D.P. zugeben. De-ren Aktivitäten haben sich in den Beratungen bislangdarin erschöpft, die alten Anträge von SPD und Grünenaus der letzten Legislaturperiode auszugraben.
Auch das beweist uns, Herr Paziorek: Die neue Opposi-tion hat keine eigenen Ideen.
Sie verzichtet darauf, Zukunft zu gestalten. Sie leben janicht einmal mehr in der Gegenwart, Ihr Blick ist nurnoch rückwärts gewandt.
Die SPD-Fraktion und die rotgrüne Koalition insge-samt haben Ziele und Perspektiven,
mit realistischem Blick für die Möglichkeiten auch undgerade in finanzieller Hinsicht, mit Mut zum Umdenkenund mit der Kraft, Neues zu gestalten. Wir ändern dasEndlagerkonzept und leiten den Ausstieg – auch wennes Ihnen nicht paßt – aus der Kernenergie ein. Wir för-dern erneuerbare Energien durch ein Programm, dasMarktanreize schafft und durch die Ökosteuer gegen-finanziert wird. Wir haben ein 100 000-Dächer-Pro-gramm zur Förderung der Photovoltaikanlagen auf denWeg gebracht. Wir erhöhen die Mittel zur Förderung desNaturschutzes und steigern die Fördermittel für Projekteder Umwelt- und Naturschutzverbände.
Trotz der Vorgabe, in diesem Haushalt – wie auch inallen Haushalten – 0,5 Prozent einzusparen, ist es unsgelungen, insgesamt wichtige Akzente zu setzen. Wirhaben die Kürzungen nämlich so vorgenommen, daßdie Qualität unserer umweltpolitischen Ziele nicht be-rührt und die Funktionsfähigkeit des Ministeriums nichtbeeinträchtigt wird. Etwas weniger Mittel beispielsweisefür die Einrichtungen von Dienstzimmern sind wahrlichverkraftbar; das beeinträchtigt die Umweltpolitik nicht.Nun könnte ein oberflächlicher Blick auf den Haus-halt allerdings zu einem erschreckten Zusammenzuckenführen, denn im Vergleich zum Vorjahr sinken die Aus-gaben um 7,2 Prozent auf 1,126 Milliarden DM. Alsoweniger Mittel für Umwelt und Naturschutz ausgerech-net bei einer rotgrünen Koalition? Natürlich trifft dasnicht zu, im Gegenteil.Beim Umwelthaushalt gibt es nämlich den ganz be-sonderen Sachverhalt, der die Entwicklung verzerrt, unddas ist die Absenkung der Mittelansätze im Endlager-bereich. Die Ausgaben im Endlagerbereich gehen weitüberproportional zurück, und zwar um 172,5 MillionenDM. Damit setzen wir eine unserer Koalitionsvereinba-rungen zum Ausstieg aus der Atomenergie und zur Än-derung des Endlagerkonzeptes um.
Wir lösen damit die arrogante Politik der alten Bun-desregierung ab, die jahrelang den Willen der Mensch-heit –
Waltraud Lehn
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der Mehrheit der Menschen in diesem Land ignorierte.
– Sehen Sie, im Gegensatz zu Ihnen merke ich manch-mal meine Fehler und kann mich noch korrigieren. Ichwünschte, Sie hätten so viel davon.
Seit langem hat sich in der Bevölkerung ein Mei-nungswandel vollzogen. Es sind nicht mehr nur einige„Spinner“, sondern es ist die überwiegende Mehrheit derMenschen, die immer größere Bedenken gegen dieKernenergie haben und deshalb den Ausstieg wollen.Die alte Bundesregierung hat trotzdem bis zu ihrer Ab-wahl starr an ihrem verfehlten Konzept festgehalten, unddas werden wir ändern.
Es wird nur noch ein einziges Endlager für alle Artenradioaktiver Abfälle geben.
– Die Frage nach dem Ort bereitet Ihnen Kopfzerbre-chen, denn die Tatsache, daß wir hier etwas Bewegungmachen, hat ja ganz Bayern, jedenfalls auf seiten derCSU, ins nachdenkliche Chaos gestürzt.
Das müssen Sie einmal mit Ihren Kollegen besprechen.Das Planfeststellungsverfahren für das ProjektSchacht Konrad soll nur noch im notwendigen Umfangentsprechend der Abstimmung mit Niedersachsen bis zueiner Entscheidung fortgeführt werden. Die Änderungder Endlagerkonzeption macht ein deutliches Absenkender bisherigen Ansätze möglich.Der Stammhaushalt der BMU, aus dem die umwelt-politischen Ausgaben finanziert werden, steigt um0,9 Prozent und beträgt jetzt immerhin 728,4 MillionenDM. Trotz der schwierigen finanzpolitischen Rahmen-bedingungen für den Haushalt 1999 ist es uns gelungen,in umweltpolitisch wichtigen Bereichen Prioritäten zusetzen und deutliche Aufstockungen der Mittel vorzu-nehmen.Hervorheben möchte ich hier insbesondere die Erhö-hung des Ansatzes für den Naturschutz. Hier steigendie Fördermittel um 5,9 Millionen DM. Das ist eine Er-höhung um 8,2 Prozent.
– In der Tat, das hätten Sie nicht fertiggebracht.
Das mag für Sie unglaublich gewesen sein; Sie hätten esnie geschafft, aber wir haben es geschafft.Für uns ist der Naturschutz von ganz besonderer Be-deutung, da er keine wirtschaftliche Lobby hat. Eineausreichende staatliche Finanzierung ist daher jetzt undauch in Zukunft besonders wichtig.
Einzelne Ansätze im Naturschutzbereich steigen weitüberproportional, so etwa der Ansatz für Naturschutz-forschung um 19,6 Prozent auf 11,6 Millionen DM.Auch die Fördermittel für Naturschutzgroßprojektekonnten wenigstens leicht auf 43 Millionen DM erhöhtwerden.Eine deutliche Steigerung gibt es auch bei den Pro-jektfördermitteln für die Umwelt- und die Natur-schutzverbände. Gerade sie leisten einen wichtigenBeitrag für die ökologische Modernisierung in vielenLebensbereichen.
Der Ansatz für die Umwelt- und Naturschutzverbändesteigt um 23 Prozent auf 5,6 Millionen DM. Durch diezusätzliche Deckungsfähigkeit mit anderen Haushalts-posten haben wir hier unseren Handlungsspielraum so-gar darüber hinaus noch erweitern können. Damit stehenfür bundesweit bedeutsame Projekte wesentlich mehrFördermittel zur Verfügung als unter der alten Bundes-regierung. Von Untätigkeit kann somit auch nicht an-satzweise die Rede sein.
Für einen modernen Naturschutz ist die Verwirkli-chung des Leitbildes „nachhaltige Entwicklung“ einwichtiger Baustein, vor allem in einem so dicht besie-delten Land wie der Bundesrepublik Deutschland. So-lange der Verbrauch an Naturflächen, die Zerstörunggewachsener Landschaftsstrukturen und die Gefährdungbiologischer Vielfalt weiterhin voranschreiten, wird so-wohl bewahrender als auch auf Entwicklung bedachterNaturschutz nötig sein.Eine weitere umweltpolitisch besonders bedeutsameÄnderung hat der Haushaltsausschuß im Zusammenhangmit der ökologischen Steuerreform beschlossen. Zusätz-lich zum Regierungsentwurf werden in den Haushalt desWirtschaftsministeriums 180 Millionen DM für einMarktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarerEnergien aufgenommen, das aus der Ökosteuer gegen-finanziert wird. Zusammen mit den bisher vorgesehenen20 Millionen DM zur Förderung von Einzelmaßnahmenzur Nutzung erneuerbarer Energien ergibt sich ein neuerAnsatz für 1999 in Höhe von 200 Millionen DM. Damitist der Mittelansatz zur Förderung von Einzelmaßnah-men zur Nutzung erneuerbarer Energien verzehnfachtworden. Dies ist ein deutliches Zeichen, in welcheRichtung unsere Energiepolitik gehen wird.Für dieses Förderprogramm wird in vollem Umfangdas Steueraufkommen eingesetzt, das sich aus der Be-steuerung der erneuerbaren Energien ergibt. Damit istdie politische Forderung erfüllt, daß ein Ausgleich fürWaltraud Lehn
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die Einbeziehung der erneuerbaren Energien in dieStrombesteuerung geschaffen werden muß.Dem Bundeswirtschaftsminister stehen die finanziel-len Mittel für zahlreiche Fördermöglichkeiten zur Ver-fügung. Profitieren werden unter anderem: Solarkollek-toranlagen, Biomasse- und Biogasanlagen, geothermi-sche Anlagen, Wasserkraftanlagen, Photovoltaikanlagenund solarthermische Anlagen zur Stromerzeugung.Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch das100 000-Dächer-Programm zur Förderung von Photo-voltaikanlagen. Dieses Programm, ebenfalls angesiedeltim Haushalt des Bundeswirtschaftsministers, hat, bezo-gen auf die nächsten beiden Jahre, ein Fördervolumenvon 181 Millionen DM. Insgesamt stellt die Bundesre-gierung in den nächsten vier Jahren mehr als 1 MilliardeDM zur beschleunigten Markteinführung erneuerbarerEnergien zusätzlich bereit.
Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einerEnergiewende, das heißt: zu einer Energieversorgung,die Umwelt und Ressourcen besser schont und vor allemdie CO2-Emission vermindert.
Welche Bedeutung den erneuerbaren Energien nichtnur für eine nachhaltige Entwicklung, sondern auch alszukunftsorientierte Technologie zukommt, zeigt uns dieWindenergie, wie sie sich in den letzten Jahren entwik-kelt hat. Mit rund 3 000 Megawatt installierter Leistunghat diese Branche im letzten Jahr ihre weltweite Spit-zenplazierung vor den USA und vor Dänemark festigenkönnen. Dadurch konnten in diesem Bereich mittler-weile rund 15 000 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die anderen erneuerbaren Energien sollen folgen,insbesondere die Solarenergie zur Warmwasserbereitungund Stromerzeugung, Biomasse, Biogas und weiterekleinere Wasserkraftwerke und Geothermie. Unser Zielist dabei eine Verdoppelung des Anteils erneuerbarerEnergien bis zum Jahre 2010.
Die alte Bundesregierung hat es versäumt, Anreize zuschaffen, vorhandene Energiesparpotentiale auszuschöp-fen, erneuerbare Energien stärker auszubauen und ener-giesparende und ressourcenschonende Produkte undProduktionsverfahren zu entwickeln. Mit Ihrer einseiti-gen Ausrichtung auf die Atomenergie haben Sie For-schung und Entwicklung anderer Energieträger sträflichvernachlässigt.
– Ich wünschte, es wäre so;
denn dann brauchte ich mich nicht mit den Problemen,die Sie hinterlassen haben, so auseinanderzusetzen, wieich das tue.
Die Alternative zur Kernenergie ist nicht die Kli-makatastrophe, wie Sie ständig behaupten, sondern eineVerbesserung der Effizienz und eine Nutzung erneuer-barer Energien. Das klare Signal zum Ausstieg aus derAtomenergie setzt zugleich ein deutliches Zeichen fürden Einstieg in eine verstärkte Anwendung der Kraft-Wärme-Kopplung, des Erdgases und erneuerbarer Ener-gien. Dies ist ein deutliches Zeichen für unsere ernstzu-nehmende Absicht, den weiteren Ausbau dieser umwelt-freundlichen und zukunftsfähigen Energien voranzutrei-ben.Der Ausbau der erneuerbarer Energien sowie dieVerbesserung der Energieeffizienz und Maßnahmen zurEnergieeinsparung sind die Schlüsselbereiche zur Schaf-fung eines nachhaltigen Systems der Energieversorgungund auch der Energienutzung. Beide Strategien müssenHand in Hand gehen; denn beide sind unverzichtbareBestandteile einer wirksamen Klimaschutzstrategie.In einem dichtbesiedelten und hochindustrialisiertenLand wie Deutschland ist die Flächennutzung alsSchnittstelle zum Naturschutz ebenfalls ein wichtigerBereich. Von besonderer Bedeutung wird in den näch-sten Jahren die Fortführung der Arbeiten am Umweltge-setzbuch sein.Für all diese Aufgaben haben wir mit unserem Haus-halt einen Rahmen geschaffen. Vieles bleibt noch zutun, aber vieles kann auch mit diesem Haushalt bereitsin Angriff genommen, und einige wenige gute Sachenkönnen fortgeführt werden. Wichtig ist aber auch, daßeine effiziente Politik der Nachhaltigkeit nicht isoliertbetrachtet wird, sondern in eine Gesamtstrategie einge-bunden ist. Eine nachhaltige Politik kann nur erfolgreichsein, wenn an ihr nicht nur der Staat, sondern auch Un-ternehmen, wissenschaftliche Institute, Verbände undgesellschaftliche Gruppen mitarbeiten. Von ihnen allenkönnen wichtige Impulse für ein gemeinsames Konzeptder Nachhaltigkeit ausgehen.Umweltschutz lebt von der Kooperation und Teilha-be aller Beteiligten. Wir alle sollten uns bewußt sein,daß auch die Umweltpolitik nur als Querschnittsaufgabeim klassischen Sinn erfolgreich sein wird. Allein hat esdie Umweltpolitik schwer, ihre Ziele durchzusetzen. Nurgemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen andererPolitikbereiche, nicht nur der Wirtschafts- oder derAgrarpolitik, sondern nahezu aller anderen Politikberei-che ist eine effiziente Umweltpolitik möglich. Eine ver-besserte Effizienz im Umweltbereich kann aber nur er-reicht werden, wenn wir nicht nur in der Politik auf Ko-operation setzen, sondern in der Gesellschaft insgesamt.Erfolgreiche Umweltpolitik muß sich auch daranmessen lassen, ob es ihr gelingt, bei allen Teilen der Ge-sellschaft ein Zuständigkeits- und Verantwortungsge-fühl für die Umwelt zu bewirken. Vom Bund über dieWaltraud Lehn
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3332 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Länder bis zu den Kommunen, vom Chemiekonzern biszum Landwirt, letztlich bis zu jeder Bürgerin, bis zu je-dem Bürger, alle in diesem Land müssen ihre Verant-wortung für eine intakte Umwelt übernehmen.
Abschließend möchte ich mich herzlich bei meinenMitberichterstattern der anderen Fraktionen für diemanchmal streitige, aber insgesamt konstruktive Zu-sammenarbeit bedanken. Mein Dank gilt auch dem Mi-nisterium, insbesondere den Mitarbeitern des Haushalts-referates im Bundesumweltministerium,
die mir die Einarbeitung in den auch für mich neuenAufgabenbereich durch exzellente und schnelle Vor-und Zuarbeit sehr erleichtert haben. Bei Ihnen bedankeich mich für das mehr oder minder geduldige Zuhören.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich möchte Sie alle darauf hinweisen, daß
die F.D.P.-Fraktion ihren Antrag auf namentliche Ab-
stimmung ihres Änderungsantrags auf der Drucksache
14/923 aus zeitlichen Gründen zurückgezogen hat.
Ich bedanke mich ausdrücklich – sicherlich im Namen
aller Kolleginnen und Kollegen – für das Entgegen-
kommen der F.D.P.-Fraktion.
Es spricht jetzt für die F.D.P.-Fraktion die Kollegin
Birgit Homburger.
Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! So sind wir nun doch wiederbei der F.D.P. Aber wir wollen uns nun einmal mit demHaushalt auseinandersetzen. Wenn ich die Ankündigun-gen des Wahlkampfes dazu sehe: Da hätte man auf einebreite umweltpolitische Offensive schließen müssen.Insbesondere die Grünen haben geradezu eine Paletteauch finanziell aufwendiger und umstrittener Umwelt-maßnahmen vorgeschlagen und angekündigt. Entgegendieser Ankündigungen ist dieser Umwelthaushalt klein,vor allen Dingen aber auch ideologisch geprägt.
Natürlich steht nicht alles im Haushalt; das wissen wirwohl. Über die Maßnahmen, die sich nicht direkt imHaushalt niederschlagen, haben wir teilweise schon ge-redet. Auf das eine oder andere werde ich nachher zu-rückkommen.Der Gesamteindruck der rotgrünen Umweltpolitikerinnert an die beliebte Fernsehserie „Pleiten, Pech undPannen“. Eine Pleite war beispielsweise die Brennele-mentediplomatie des Ministers in Paris und London.Pech hatten Sie, Herr Minister, bei Ihrem Versuch, demKanzler und dem Kabinett fundamentale grüne Vorstel-lungen schmackhaft zu machen. Pannen ereignen sichschon öfter einmal, wenn Statements in englischer Spra-che gegeben werden, die die Politik der eigenen Regie-rung als Fehler bezeichnen, oder wenn eine der Staats-sekretärinnen Aufrufe gegen die Politik der Bundesre-gierung unterschreibt.Pleiten, Pech und Pannen sind auch beim Haushalt di-rekt festzustellen. Die Gesamtausgaben wurden Ihnenum 86 Millionen DM gekürzt. Da hat es Ihnen nun auchnichts genützt, daß wir als Opposition bei den Beratun-gen im Umweltausschuß Mittelaufstockungen für The-men und Projekte gefordert haben, von denen wir wis-sen, daß sie ihnen lieb sind und bei denen Sie selber, dieGrünen, früher in Ihrer Oppositionszeit mehr Einsatzund mehr Mittel verlangt haben.Es erschöpft sich aber nicht darin. Wir haben eineReihe eigener Anträge gestellt, die sich mit Ihren Vor-stellungen in keiner Weise decken, wie die Ausführun-gen hier zeigen. Wir sind nämlich nicht mit den Etatkür-zungen für die Erkundung des Salzstocks Gorleben alsEndlager für stark radioaktive Abfälle einverstanden.Genausowenig sind wir mit der Kürzung der Mittel fürdie Fertigstellung und Inbetriebnahme der Schachtanla-ge Konrad als Lager für schwach radioaktive Abfälleeinverstanden. In beiden Fällen ersparen Sie nämlichdem Steuerzahler keine Mark; denn die Kosten der Er-kundung und des Ausbaus werden sowieso in voller Hö-he von den künftigen Nutzern erstattet. Sie schaden da-mit natürlich der Volkswirtschaft, weil Stillstandskostenentstehen und schon getätigte Investitionen nicht zu En-de geführt werden.
Dazu kommt noch, daß Sie sagen, wir würden zukünf-tig nur noch ein einziges Endlager haben. Dann sagenSie doch einmal, wo das sein sollte! Sie haben einKonzept angekündigt, haben gesagt, daß Sie einenneuen Standort erkunden wollen, haben Mittel einge-stellt, die gerade einmal dazu reichen, eine wissen-schaftliche Literaturstudie zu machen. Dann hat sichdie Sache erschöpft. Von einem Endlager ist da weitund breit nichts in Sicht.Dafür werden die Betreiber von Kernkraftwerkenmit quasi-religiösem Eifer bekämpft,
werden mit Nadelstichen traktiert und in den Zustandder Verstopfung manövriert. Verbrauchte Brennele-mente dürfen weder zur Wiederaufarbeitung geschicktnoch in bereitstehende aufnahmebereite Zwischenlagertransportiert werden.
Wenn die knappen Zwischenlagerkapazitäten an denKraftwerken erschöpft sind, muß abgeschaltet werden.Darauf zielen Sie ab, das ist Ihre Strategie. Ich frageWaltraud Lehn
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mich, Herr Trittin, wann Ihr Koalitionspartner diesenAusstieg durch die Hintertür stoppt. Ich denke, späte-stens dann, wenn es ernst wird, wird es wieder heißen:Sie sind als Tiger gesprungen und unterm Bettvorlegergeendet.
Von international eingegangenen Verpflichtungenhalten Sie wohl ebensowenig, sei es mit England undFrankreich auf dem Gebiet der Wiederaufarbeitung, seies mit der Ukraine auf dem Gebiet der Stillegung alterund der sicherheitstechnischen Ausrüstung neuer Kern-kraftwerke. Von all dem wollen Sie offensichtlich nichtswissen. Sie schaden mit Ihrem Vorgehen eben nicht nurdem Ansehen Deutschlands und den Exportchancen derdeutschen Industrie, sondern vor allen Dingen demSchutz der Menschen vor Unfällen in Kernkraftwerken.Deswegen verurteilen wir dieses Vorgehen und sind mitdiesem Ansatz nicht einverstanden.Auch sonst scheinen Ihnen, Herr Trittin, das AnsehenDeutschlands im Ausland und die angemessene Vertre-tung deutscher Interessen im europäischen Rahmennicht viel zu bedeuten. Denn anders kann ich mir nichterklären, daß das Europäische Parlament im Februar inStraßburg die Wasserrahmenrichtlinie beraten hat, imübrigen eine Sache, die früher, als die Grünen in derOpposition waren, unheimlich wichtig war. Und wehe,wenn damals nicht die Ministerin da war, sondern wo-möglich ein Staatssekretär; dann war schon die Höllelos. Wo waren Sie?
Nirgends waren Sie! Sie sind mit Ihrem kompletten Ge-folge nach Gorleben gereist. Dort hatten Sie schließlichauch Wichtigeres zu tun. Sie haben dort den Besetzernder Bohrtürme öffentlich versprochen, sie vor Strafver-folgung zu schützen.
International treten Sie also nur negativ auf.
Sie ergreifen keinerlei Initiativen.
– Nein, Initiativen zu ergreifen ist etwas anderes, als ir-gendwo aufzutreten und eine eigene Position durchzu-setzen. Es geht darum, Initiativen – ich komme gleichnoch darauf – zum Thema internationaler Boden-schutz und zum Thema internationaler Klimaschutzzu entwickeln. Es geht darum, daß man neue Initiativenentwickelt, um voranzukommen und internationale Ver-ständigung zu erzielen. Da hat Deutschland immer einewichtige Funktion gehabt, die wir jetzt nicht mehr ha-ben, denn das findet schlichtweg nicht statt.
– Wenn man mitbekommt, was Sie bisher auf interna-tionaler Ebene gemacht haben, wenn man Ihre Auftrittein England und Frankreich verfolgt,
ist man schon fast versucht, zu sagen, daß es vielleichtbesser ist, wenn Sie keine Initiativen im Klimaschutz er-greifen. Sie würden dabei wahrscheinlich mehr kaputt-machen.
Das ist das entscheidende Manko bei der Umwelt-politik. Sie interessieren sich nur für den Atomausstieg.Dankenswerterweise hat es der Kollege von derCDU/CSU schon erwähnt. Dabei ist Ihnen jedes Mittelrecht, sei es der Maulkorb, den Sie der Wissenschaftdurch Zensur von Veröffentlichungen beim Bundesamtfür Strahlenschutz verpaßt haben,
sei es der Versuch, die Reaktor-Sicherheitskommis-sion und die Strahlenschutzkommission durch Sat-zungsänderung zu reinen Instrumenten des Ausstiegs zudegradieren.Was wir brauchen, sind nicht Wissenschaftszensurund Ideologie, sondern die Aufrechterhaltung des hohenSicherheitsstandards in Deutschland und außerdem einausgewogenes Konzept für eine dauerhaft sichere Ener-gieversorgung. Dazu gehören natürlich Energieeffizienzund die Nutzung regenerativer Energien; das haben wirauch nie bestritten und nie anders gesehen.
– Natürlich haben wir verdammt viel gemacht.
Vorhin haben Sie, Frau Kollegin Lehn, dafür als Belegangeführt, daß wir 1998 bei der Windkraft eine Steige-rung gehabt hätten und wie hervorragend das gewesensei: In den letzten Jahren haben wir immer gehört, daßda nichts passiert. Plötzlich hören wir, daß sich zu Zei-ten der alten Regierung auf diesem Gebiet etwas bewegthat, was man jetzt zum eigenen Erfolg macht. Dasklappt nicht. Man muß schon darauf hinweisen, daß dain der Vergangenheit einiges getan worden ist.
Was passiert zum Beispiel auf dem Gebiet der tech-nisch hochinteressanten und von dynamischer Entwick-lung gekennzeichneten Abfallwirtschaft? In der Koali-tionsvereinbarung steht, Sie wollen den Abfallbegriffsowie die Begriffe Verwertung und Beseitigung neu de-finieren.
Birgit Homburger
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3334 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Dann definieren Sie doch einmal! Sie haben das imUmweltausschuß angekündigt. Ein paar Wochen späterhat Ihre Staatssekretärin auf eine Nachfrage erläutert,man könne ein solches Konzept jederzeit vorgelegt be-kommen. Wir haben es dann von seiten der F.D.P.-Fraktion beantragt. Was kam, war nichts außer einerVerschiebung auf Juni, weil nämlich nichts vorliegt,weil das Thema nicht behandelt wird, weil es Sie nichtinteressiert, weil es eben nicht um den Ausstieg aus derKernenergie geht.
Das ist eine Politik, die wir nicht mitmachen. Es gibtnoch mehr Felder, die in Bewegung sind und auf denenman etwas tun muß.
Für die Zeit der deutschen Präsidentschaft in der EUhatten Sie sich ebenfalls viel vorgenommen: eine Richt-linie über die Verbrennung gewöhnlicher und gefährli-cher Abfälle, eine Deponierichtlinie und eine Altauto-richtlinie. Von den ersten beiden haben wir nichts ge-hört. Die Altautorichtlinie, die, europaweit akzeptiert,auf hohem Umwelt- und Verbraucherschutzniveau imMärz dieses Jahres verabschiedungsreif gewesen wäre,haben Sie im Alleingang gestoppt. Gründe hierfür habenSie keine geliefert; das scheint nicht notwendig zu sein.Solange Sie uns keine überzeugenden Gründe liefern,gehen wir davon aus, daß Sie dem Drängen der Auto-mobilindustrie auf Weisung des Kanzlers nachgegebenhaben.Es stehen jetzt insgesamt noch knapp zwei Monate derdeutschen EU-Ratspräsidentschaft aus. Wir sparen uns dieBilanz der restlichen EU-Vorlagen bis Ende Juni diesesJahres auf. Nach dem, was wir bisher wissen, kann mandamit rechnen, daß auch hier von dem, was großartig an-gekündigt wurde, nichts verwirklicht worden ist.Sie haben weiterhin mit einem Feldzug gegen denmotorisierten Straßenverkehr durch die Ankündigungvon Geschwindigkeitsbegrenzungen bei Sommersmog-wetterlagen begonnen. Da haben Ihnen Wissenschaftlergleich widersprochen.
Auch hier geht es nicht um Sachlichkeit, sondern umAktionismus.
Insgesamt vermisse ich bisher in der UmweltpolitikKonzepte – ein fundiertes Abfallwirtschaftskonzept, einLuftreinhaltekonzept, ein Konzept zur Lärmbekämp-fung, zur Reduktion der CO2-Emissionen im Rahmender gegebenen Klimaschutzkonvention, zur Dämpfungder Kosten für die Entsorgung von Abwasser und Abfallsowie eine Strategie zum weiteren internationalen Vor-gehen beim Bodenschutz und beim Klimaschutz. Ichstelle schlicht fest: überall Fehlanzeige, Herr Minister.
Das ökologische Konzept der sogenannten Ökosteuer,die zum 1. April 1999 in der ersten Stufe eingeführtworden ist, haben Sie uns auch noch nicht verraten. Esist vielmehr so, daß mit dem Wörtchen „Öko“ ein Eti-kettenschwindel betrieben wird. Steuererhöhungen sindder eigentliche Zweck der Übung.
Ich räume natürlich gern ein, daß Ihr Einfluß auf die-ses Ökosteuerkonzept begrenzt war, weil die Federfüh-rung beim Finanzminister lag. Was ich Ihnen aber vor-werfe, ist, daß Sie noch nicht einmal den Versuch unter-nommen haben, den Mißbrauch des Ökobegriffs für ge-wöhnliche Steuererhöhungen zu verhindern. Sie habendamit der Akzeptanz der Umweltpolitik und dem Enga-gement breiter Kreise der Bevölkerung für die Umwelt-politik einen Bärendienst erwiesen.
Sie erkennen an meinen Ausführungen, daß dieF.D.P. weder diesem Haushalt noch Ihrer Politik zu-stimmen kann. Deswegen werden wir entsprechend ab-stimmen.Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat derKollege Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.
gen! Vorab ein paar Worte zu den Heldinnen und Hel-den der Opposition.
– Ja, die sitzen rechts, manchmal auch links, diesmalaber rechts. – Frau Homburger, Sie hätten sich eine an-dere Metapher ausdenken sollen; denn mit den Bettvor-legern ist das so eine Sache. Sie sprechen andauernd vonBettvorlegern, schauen aber selbst kaum darunter her-vor. Das ist ein echtes Problem. Wenn Sie also dieseMetapher wählen, dann bekommen Sie ein Vermitt-lungsproblem.
Auch der Kollege Paziorek hat einige Bonmots zumbesten gegeben. Beispielsweise hat er in Frage gestellt,daß die Grünen überhaupt noch eine Umweltpartei sind.Das klingt natürlich aus dem Munde der CDU/CSU inbesonderer Weise berufen. Ich denke an all die Leute,die bei Ihnen ökologisches Profil hatten: Ich fange anmit Herrn Gruhl, den Sie in die Wildnis gejagt haben.Ich ende mit Herrn Töpfer, der nach Nairobi geschicktwurde. Der fühlt sich dort gut, kommt aber hierhin undattestiert Herrn Trittin, daß die Ökosteuer eine feine Sa-Birgit Homburger
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che ist. Das wollt ihr nicht haben. Das kann ich verste-hen. Aber die Umweltpartei sind wir und nicht ihr.
Zu der goldenen Zeit, als Frau Merkel noch Um-weltministerin war, wurde gerne das Hohelied der frei-willigen Selbstverpflichtung und der Dialogorientierunggesungen. Feine Sache, wunderbar, nichts dagegen!Wir haben vor kurzem vom RWI den neuen Monito-ring-Bericht bekommen. Die Experten des RWI beob-achten systematisch die Ergebnisse der freiwilligenSelbstverpflichtungen. Wenn man das zusammenfassenwill, könnte man sagen: Es war im wesentlichen weißeSalbe. Sie haben sich zu dem verpflichtet, was ohnehinpassiert. – Das wäre ungefähr so, als wenn Bayern Mün-chen sich heute verpflichten würde, in dieser Saisondeutscher Meister zu werden. Diese Qualität hat das.
Freiwillige Selbstverpflichtungen sind eine wunder-bare Sache.
Ich werde gleich, wenn ich über die ökologische Steuer-reform – –
– Meine Damen und Herren auf den Oppositionsbänken,etwas mehr Ruhe! Ich komme ja gar nicht zum Reden.Das ist wirklich problematisch.Wir werden auf jeden Fall in der nächsten Stufe derökologischen Steuerreform freiwillige Selbstverpflich-tungen der Wirtschaft anerkennen. Dazu komme ichgleich noch. Aber sie müssen Hand und Fuß haben; siemüssen substantiell sein; sie müssen nachprüfbar sein.Das war bei den freiwilligen Selbstverpflichtungen bis-her nicht der Fall.
Das Hohelied der Dialogorientierung – wer wäredagegen? Für uns ist absolut zentral, den Dialog mit denbetroffenen Menschen, mit den Gruppen und Verbändenund mit den Unternehmen zu suchen. Aber bei dem na-tionalen Nachhaltigkeitsdialog von Frau Merkel, demsogenannten Round table,
waren in der ersten Runde die Verbandsfürsten da, inder zweiten Runde die Referenten und in der drittenRunde die Hilfsreferenten der Referenten. Das war dieQualität der Diskussion. Es gab keinerlei konkrete Er-gebnisse.
Dialog ist gut, aber Dialog ohne Ziel führt zu nichts,führt zu politischem Attentismus. Genau das haben Siegemacht.
Noch einmal zur ökologischen Steuerreform. Mankann es wirklich nicht mehr hören: immer die gleicheSoße, kein neues Argument.
– Aus Ihrem Munde klingt das absolut nicht berufen.
Ihr Finanzminister Waigel hat die Bürgerinnen undBürger dieses Landes zweimal heftig über den Löffelbalbiert:
1991 wurde die Mineralölsteuer um 25 Pfennig er-höht, 1994 noch einmal um 12 Pfennig hoch. Der Unter-schied zwischen Ihnen und uns ist, daß wir das Geld andie Sozialversicherung zurückgeben. Ihr habt es im all-gemeinen Staatshaushalt untergehen lassen.
Nun will ich trotzdem noch einmal, weil er mir jüngstwieder in die Hände fiel, den Umweltbericht 1998 derBundesregierung zitieren. Anscheinend nehmen Siedoch irgendeinen diffusen Zusammenhang zwischenBenzinpreisniveau und ökologischer Lenkungswirkungan. Dort heißt es nämlich wörtlich:Die Pkw-Fahrleistung– in Deutschland –ist– im Zeitraum von 1990 bis 1995 –... trotz der sprunghaften Motorisierung in den neu-en Bundesländern ... lediglich um 3,6 Prozent ange-stiegen.Nächster Satz – „Hört! Hört!“ kann man nur sagen –:Darin zeigt sich auch die dämpfende Wirkung derMineralölsteuererhöhung von 1991 und 1994.
Da gilt es, jetzt soll es plötzlich nicht mehr gelten.Ganz so einfach kann man es sich nicht machen, Kolle-ge Paziorek.
Dr. Reinhard Loske
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Jetzt komme ich zum Haushalt. Ich habe schon dieHälfte der Redezeit verbraucht, weil ich auf diese Vor-würfe eingehen muß. Aber das Parlament ist ja ein Ortdes Dialogs; insofern ist das wunderbar.Kollege Paziorek, der Haushaltsplan ist keineswegsein Dokument der umweltpolitischen Untätigkeit, wieSie gesagt haben. Mit Verlaub: Das ist völlig daneben.Ganz im Gegenteil: Das ist ein Haushalt, der einerseitseine gewisse Kontinuität hat. Denn er ist eine Fort-schreibung dessen, was vorher war. Wie sollte es auchanders sein? Aber er setzt andererseits in dem einen oderanderen Bereich auch neue Akzente. Der erste Bereichist der Naturschutzbereich. Der zweite Bereich ist dieBürgerinnen- und Bürgerbeteiligung. Der dritte Bereichist ein Umsteuern im Energiesektor. Die Kollegin Lehnhat die Haushaltsposten vorgetragen; deswegen werdeich sie hier nicht zitieren. Jedenfalls ist der Stammhaus-halt des BMU zugunsten des Naturschutzes und zugun-sten der Bürgerbeteiligung erhöht worden, und das istgut so.
Wir wissen alle, daß Umweltpolitik mehr ist undmehr sein muß als das, was im Umwelthaushalt stattfin-det. Das reicht nicht aus; Umweltpolitik und Nachhal-tigkeit sind ein Politikfeld, das alle angeht.Herr Kollege Lippold, Sie haben das schon öfter imAusschuß angemahnt; ich betrachte es als großen Fort-schritt, daß im Jahreswirtschaftsbericht 1999 der Bun-desregierung – nicht im Umweltbericht – erstmalig sy-stematisch die ökologische Frage untersucht wird undder Zusammenhang zwischen Ökologie, Beschäftigungund Innovation hergestellt wird. Das alles hat es zu IhrerRegierungszeit nicht gegeben. Das muß man klar fest-halten.
Auch ich finde – das führt mich zu meinem nächstenPunkt –, daß der Nachhaltigkeitsgedanke – das wurdebereits von mehreren Kollegen gesagt – über den Um-weltbereich hinausgeht. Ich freue mich beispielsweise,daß der Finanzminister Eichel und der Kollege Metzgerin dieser Woche, jedenfalls soweit ich zugehört habe,bislang die eigentlichen Nachhaltigkeitsreden gehaltenhaben. Vielleicht kommt ja eine noch bessere.
Der Grundgedanke ist, daß man das Prinzip Zu-kunftsverantwortung nicht nur auf die Umweltpolitik,sondern auch auf die Finanzpolitik, die Haushaltspolitikund übrigens auch auf die sozialen Sicherungssystemeüberträgt; da werden wir noch manche Konflikte auszu-fechten haben.
– Wir haben gerade erst zu regieren begonnen; vielleichtdarf ich daran erinnern. – Wir dürfen nicht auf Kostenzukünftiger Generationen leben.
Die verbleibenden drei Minuten will ich verwenden,um über den Klimaschutz zu reden. Frau Homburger,es ist eine Mär, daß wir nichts zum Klimaschutz ma-chen. Das ist natürlich völlig daneben.
Die Wahrheit ist:
Wir haben von dem Klimaschutzziel der alten Bundes-regierung – 25 Prozent – 12 bis 13 Prozent erreicht. Dasist ungefähr die Hälfte. Wir alle wissen: Das ist uns imwesentlichen durch den industriellen Zusammenbruch inden neuen Bundesländern in den Schoß gefallen. Das hatmit dem Klimaschutz so viel zu tun wie die Kuh mitdem Sonntag.
Die 12 oder 13 Prozent, die wir noch schaffen müs-sen, bedeuten wirkliche Arbeit. Da müssen wir etwastun. Wir haben erst Schritte unternommen. Diese reichennoch nicht aus; das wissen wir selber. Aber sie weisen indie richtige Richtung. Ich nenne hier nicht nur die öko-logische Steuerreform.
– Sie kennen die Details nicht und reden immer auf derMeta-Ebene. Das ist Ihr Problem. Es geht eben nicht nurum die allgemeine Lenkungswirkung, sondern auch umdie spezifische Begünstigung der Kraft-Wärme-Kopplung, der Blockheizkraftwerke, der erneuerbarenEnergie und der Energiedienstleistungen.
– Heute herrschen eine Unruhe und ein Lärm hier. Alsowirklich!Ich will hier heute nicht über die Förderprogrammereden.Was muß noch geschehen? Wir haben ein paar wich-tige Themen vor uns.
– Herr Möllemann, Machogehabe klingt aus IhremMund wirklich sehr berufen. Das muß ich hier einmalsagen.
Dr. Reinhard Loske
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Was muß noch geschehen? Wir werden sehr bald dieEnergiesparverordnung verabschieden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Loske,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mölle-
mann?
Landsmann Möllemann – er kommt aus dem Münster-
land, ich aus der Soester Börde, wir sind quasi Nachbarn
– gerne eine Frage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege
Möllemann.
Herr Kollege, wä-
ren Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich mir nur
auf Grund Ihres Hinweises, hier sei ein solcher Lärm im
Raum, erlaubt habe zu sagen: Eine einzige zarte Frau
gibt einen sachdienlichen Hinweis, wie Sie auf den Weg
der Tugend zurückfinden können. Das habe ich gesagt.
Ich frage mich, wie Sie mit Blick auf diese dezente Be-
merkung von Machogehabe sprechen können. Das irri-
tiert mich und macht mich traurig.
Die Wortkombination Möllemann und Dezenz macht mir
etwas zu schaffen; das gebe ich zu. Ich bin mit Ihrem
Einwand aber einverstanden. Ich habe nicht souverän auf
die Situation reagiert. Danke für Ihren Hinweis.
Ich muß zum Schluß kommen, weil meine Zeit ab-
gelaufen ist.
Ich möchte nur noch sagen: Wir wollen im Bereich der
Energieeffizienz, der Energieeinsparungen, der umwelt-
verträglichen Technologien usw. quasi im Sinne einer
Schaufensterfunktion zeigen, wie es geht, damit
Deutschland auf den Weltmärkten, um die es in Zukunft
geht, etwas vorzuzeigen hat. Dafür brauchen wir zu
Hause eine anspruchsvolle Politik. Wir dürfen nicht dar-
auf warten, daß es uns andere vormachen. Deswegen
glaube ich – diese Auffassung steht im krassen Gegen-
satz zu der von Frau Homburger –, daß das, was wir tun,
unserer internationalen Glaubwürdigkeit dient. Wir ha-
ben allerdings gerade erst angefangen.
Danke schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es spricht jetzt die
Kollegin Eva Bulling-Schröter, PDS-Fraktion.
Frau Präsiden-tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn zweiVorbemerkungen. Erstens. Der Krieg im Kosovo wirdwie alle Kriege – denken wir nur an den Golfkrieg – dieUmwelt nachhaltig schädigen. Das ganze Ausmaß derZerstörungen wie etwa durch die Bomben auf Chemie-werke, Raffinerien, Düngemittelfabriken oder öffentli-che Infrastruktur wie Kanalisation werden wir, wennüberhaupt, erst nach Kriegsende erfahren. Zweitens. Essteht zu befürchten, daß dieser Krieg weltweit die Rü-stung anheizen wird. Das geht immer auf Kosten vonökologischen und/oder sozialen Investitionen – nicht nurhier, sondern insbesondere in der dritten Welt.Nun darf die Umweltpolitik nicht wie in den vergan-genen Jahren von der Konjunktur abhängig gemachtwerden. Die Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen for-dern die Bundesregierung auf, auf dem Angebotskursder Vorgängerregierung zu verharren. Das bedeutet fürdie Umweltpolitik, daß sie nichts oder nur wenig kostendarf. Und die Hombachsche Angebotspolitik von linksist das gleiche in Rotgrün.Es gibt aber auch andere Stimmen. Die Memoran-dumgruppe kritisiert in ihrem Gutachten diese Strategienund fordert ganz klar einen Kurswechsel, und zwar einentschlossenes Gegensteuern durch Investitionen der öf-fentlichen Hand auch und gerade im ökologischen Be-reich. Der DGB kommt in seinem kürzlich veröffentli-chen Positionspapier „Arbeit und Umwelt“ zu ganz ähn-lichen Vorschlägen.Kerstin Müller sagte gestern, die rotgrüne Regierungsei angetreten, um den Reformstau zu überwinden undZukunftsfähigkeit herzustellen, und hat die ökologischeSteuerreform als Haupthebel herausgestellt. Ich werdespäter noch näher darauf eingehen. Eines aber ist klar:Keine müde Mark aus der allzu moderaten Verteuerungder Energie fließt in den ökologischen Umbau.Ich frage mich: Welche Akzente setzt die rotgrüneBundesregierung
– Albert, du kannst dich ja melden –
in Richtung einer materiellen Verbesserung der Um-weltsituation, der Verbesserung der Rahmenbedingun-gen für Umweltinvestitionen und hinsichtlich des Zielsder Bekämpfung der Arbeitslosigkeit? Wo wird der Un-terschied zur Vorgängerregierung deutlich? Wo ist dergewollte und auch gewählte Politikwechsel? Ich glaube,„bescheiden“ wäre hier noch geprahlt.Dr. Reinhard Loske
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3338 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Ich habe Ihnen bereits in der ersten Lesung diesesHaushalts meine Kritik vorgetragen. Ich vermag leidernicht zu erkennen, daß die Bundesregierung im Um-weltbereich initiativ geworden wäre. Nicht einmal An-sätze zur Verwirklichung der in der Koalitionsvereinba-rung festgeschriebenen Ziele sind erkennbar. Ich kannsie Ihnen nennen: Atomausstieg – Sendepause bei derStillegung der Schrottmeiler, kein Ende der Wiederauf-bereitung, statt dessen werden bald wieder die Castor-Behälter rollen. Die Message von Schröder lautet: Aus-stieg in 30 Jahren; denn – so seine Aussage im „Spiegel“von dieser Woche – er sei doch nicht verrückt. – Na,herzlichen Dank. Also, Frau Homburger, Ihre Einschät-zung ist ganz falsch. Die wollen überhaupt nicht ausstei-gen.
Frau Müller hat in ihrer gestrigen Rede den Konsensmit den Energiekonzernen noch einmal angemahnt unddie Pläne von Wirtschaftsminister Müller gelobt, zu-sätzlich zu den sogenannten Energiekonsensgesprächeneinen weiteren Gesprächskreis zum Atomausstieg undzur zukünftigen Energieversorgung zu installieren.„Die Zeit“, der PDS-Nähe und der Wirtschaftsfeind-lichkeit gleichermaßen unverdächtig, kommentierte diesam 29. April 1999 so:Bonn im Bündnisfieber – Minister Müller plant einüberflüssiges Energiepalaver.Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, wasSie tun können, um den Atomausstieg zu bewerkstelli-gen, wie Frau Müller das gestern auch wieder vollmun-dig vorgetragen hat: Stimmen Sie heute unserem Ände-rungsantrag zu, mit dem unter anderem ausreichendeMittel für die Suche und Erkundung eines geeignetenEndlagers in einem öffentlichen, demokratischen Ver-fahren bereitgestellt werden sollen! Stimmen Sie in dernächsten Sitzungsperiode unserem Gesetzentwurf zurÄnderung des Atomgesetzes zu! Dann sind wir auf demWeg.
Oder, Herr Trittin, Sie bringen jetzt endlich einen eige-nen Gesetzesantrag ein. Wir sind ja gar nicht so: Wenner gut ist, ziehen wir unseren zurück.Nächster Punkt. Unterschutzstellung von 10 Prozentder Fläche im Biotopverbund – Funkstille. Ich habe ge-dacht, daß nach dem Urteil zum Nationalpark Elbtalauebei Ihnen die Alarmglocken klingeln und Sie aktiv wer-den. Sie wissen auch, daß Sie bis zum 10. Juni 1999 dieFFH-Gebiete bundesweit nach Brüssel melden müssen.Das Verhältnis von Verkehrsflächen zu Schutzgebie-ten beträgt zirka 13 Prozent zu 2 Prozent der Gesamtflä-che. Die Flächenversiegelung geht ungebrochen weiter.Aber Sie stellen gerade einmal 43 Millionen DM für diegesamtstaatlich repräsentativen Teile von Natur undLandschaft ein. Auch in diesem Bereich haben Sie heuteGelegenheit nachzubessern.Zur Abfallpolitik. Da herrscht bei Ihnen Schweigenim Walde. Sie müssen sich zum Beispiel vom Natur-schutzbund Deutschland kritisieren lassen, daß Sie mitder Verschiebung der Novellierung der Verpackungs-verordnung das Mehrwegsystem gefährden – so diePresseerklärung des NABU vom 2. Mai 1999.Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz istdringend zu novellieren, wenn der zunehmenden Ver-brennungswut Einhalt geboten werden soll. Für die neu-en Bundesländer wäre zumindest eine Novellierung derTA Siedlungsabfall notwendig. Altauto-Verordnung undElektroschrottverordnung sind weitere Beispiele; FrauHomburger hat sie schon genannt. Aber ich muß Sienatürlich kritisieren, Frau Homburger: Sie hätten16 Jahre Zeit gehabt, das ökologisch zu regeln. Sie ha-ben es nicht gemacht.
Hier wird die Politik der Kohl-Regierung unserer Mei-nung nach nahtlos weitergeführt.Was ist von Ihren umweltpolitischen Versprechennoch übrig? Zu den erneuerbaren Energien: Immerhinhaben Sie erreicht, daß die Markteinführung mit200 Millionen DM statt mit 20 Millionen DM gefördertwerden soll, allerdings gekoppelt mit der zweiten unddritten Stufe der ökologischen Steuerreform. Wir habensie kritisiert, wir kritisieren sie noch immer. Erstens istsie unsozial, zweitens nach wie vor halbherzig. Auchvon Ihrer Seite wurde die soziale Frage schon angespro-chen, Herr Loske.Es scheint, mit der Lohnkostendebatte gerät in Ver-gessenheit, worum es eigentlich geht: Es geht um dieinternational eingegangenen Verpflichtungen zur CO2-Reduktion, und es geht auch darum, ein positives Bei-spiel zu geben. Hier hätte diese Regierung weitermachenkönnen. Ich denke, da ist noch einiges zu tun.Es ist aber nicht nur Selbstzweck, es geht auch nichtnur um das gegenseitige Auf-die-Schulter-Klopfen. Esgeht um Zukunftsfähigkeit und nachhaltige Entwick-lung. Sie erfordern den ökologischen Umbau, der mitder Lösung des Beschäftigungsproblems und der sozia-len Sicherung einhergehen muß. Dies wird aber nicht er-reicht, wenn weiter rein additive Umweltpolitik gemachtwird. Es wird vor allem dann nicht erreicht, wenn nichtdas ganze Instrumentarium genutzt wird.
Niemand spricht hier mehr von Umweltabgaben, vonden Möglichkeiten, die ein nationaler Umweltplan bie-ten könnte – ich denke dabei vor allem an eine gesell-schaftliche Mobilisierung – oder von einer institutionel-len Aufwertung der Umweltpolitik durch Initiativ- oderVetorechte der Umweltminister in den Kabinetten.Schlußendlich, um wieder das am Anfang gebrauchteWort vom Gegensteuern aufzugreifen: Ich meine, hier wa-ren die Grünen in ihrem Umbauprogramm von 1986 schonwesentlich weiter. Von all dem, was ich hier angesprochenhabe, finde ich im Einzelplan 16 nur wenig. Einen Bruchmit der Politik der Kohl-Regierung, eine in Zahlen gegos-sene Reformpolitik kann ich nicht feststellen. Deswegenwird meine Fraktion den Haushalt ablehnen.
Eva-Maria Bulling-Schröter
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3339
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es spricht jetzt die
Kollegin Monika Ganseforth, SPD.
Frau Präsidentin! LiebeKollegen und Kolleginnen! Wir sind angetreten, um denungeheuren Reformstau in diesem Land zu überwinden.Das gilt auch für die Umweltpolitik.
Der Haushalt läßt unserer Regierung nur wenig Spiel-raum, weil Sie bereits so viele Kosten auf die Zukunftübertragen haben. Das gilt auch für den Haushalt desUmweltministeriums, für den Einzelplan 16. Es bestehtaber die Möglichkeit, eine neue Umweltpolitik zu be-treiben – mit anderen Schwerpunkten und strukturellenVeränderungen. Das haben wir gemacht. Mit diesemHaushalt beginnen wir, den umweltpolitischen Stau auf-zulösen, der in 16 Jahren Regierung Kohl entstanden ist.
Dieser Stau ist auf Grund Ihrer Deregulierungspolitiksowie des Abbaus von Umweltstandards entstanden. Siehaben die Beteiligungsmöglichkeiten von Bürgerinnenund Bürgern und von Verbänden zurückgedrängt.
Sie haben die Möglichkeiten der Beteiligung und dieMitspracherechte im Rahmen der Umweltverträglich-keitsprüfung zum Beispiel bei den Anhörungen zu denBeschleunigungsgesetzen zurückgenommen.
Wir erhöhen die Mittel für die Verbände, damit sie wiedermehr Möglichkeiten erhalten, sich zu Wort zu melden.
Für Sie galt das Motto: Umweltschutz können wir unsjetzt nicht leisten, wir brauchen eine Atempause. Das hatman Ihrer Politik angemerkt. Und das ist die Ursache fürFehlentwicklungen zu Lasten von Umwelt, Arbeitsplät-zen und Innovation.Ich möchte das an einem Beispiel klarmachen: Sietragen die Verantwortung dafür, daß die Umweltinvesti-tionen des Staates, aber auch des produzierenden Ge-werbes in den vergangenen Jahren zurückgefahren wur-den. Das Statistische Bundesamt spricht davon, daß dieKosten für Umweltinvestitionen in Staat und Wirtschaftzwischen 1992 und 1995 um 5 Milliarden DM zurück-gegangen sind.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat Sie ge-warnt, es dürfe keine Atempause in der Umweltpolitikgeben. Er hat gesagt, das schade dem Wirtschaftsstand-ort Deutschland.
– Wenn Sie etwas sagen wollen, müssen Sie fragen. Ichkann Sie nicht verstehen. – Sie wollten nicht zur Kennt-nis nehmen, was der Sachverständigenrat gesagt hat, daßnämlich unterlassener Umweltschutz Arbeitsplätze ge-fährdet.
Wir haben unter Ihrer Ägide die Spitzenposition alsExportweltmeister von Umwelttechnologien verloren.Die USA und Japan haben uns – so der Vorsitzende derUmweltkommission des Bundesverbandes der mittel-ständischen Wirtschaft, Herr Menke-Glückert – inzwi-schen überholt. Der DGB hat gerade vorgerechnet, daßzirka eine halbe Million Arbeitsplätze wegen fehlendenUmweltschutzes unter Ihrer Regierung brachliegen.Mit dem vorliegenden Haushalt leiten wir über denEinzelplan 16 hinaus eine Trendwende ein. Das nütztder Umwelt, der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen.
Das Krebsübel unserer Gesellschaft, nämlich die Ar-beitslosigkeit, kann auch durch die Umweltpolitik be-kämpft werden, und das tun wir. Lassen Sie mich dazuein paar Beispiele nennen: In den Bereichen Gewässer-schutz, Luftreinhaltung sowie Abfall, Boden- und Na-turschutz gibt es große Beschäftigungspotentiale.Zum Thema Klimaschutz möchte ich als Beispiel dieÖkosteuer nennen, zu dem Sie immer Ihre alte Leierwiederholen. Kommen wir einmal zu den Blockheiz-kraftwerken! Blockheizkraftwerke bedeuten doppelteNutzung der Energie; sie erzeugen Wärme und Stromgleichzeitig. Wir waren uns immer alle einig: Klima-schutz kann man nur hinbekommen, wenn man derKraft-Wärme-Kopplung einen größeren Stellenwert ein-räumt. Was ist passiert? In den letzten Jahren sind dieNeuinstallationen von Blockheizkraftwerken dramatischzurückgegangen: im Vergleich zu den Zahlen von Mitteder 90er Jahre in den letzten 2 Jahren um 60 Prozent. Esgeschieht also genau das Gegenteil von dem, was nötigist, um Klimaschutz zu machen, aber auch, um Arbeits-plätze im Handwerk, in der Projektierung, im Ingenieur-bereich und in der Unterhaltung zu schaffen.Durch die Ökosteuer sind die Blockheizkraftwerkeund die Kraft-Wärme-Kopplung wieder in die Vorhandgekommen. Ich will Ihnen einmal aus einer Pressemit-teilung der Fördergemeinschaft Blockheizkraftwerkevon dieser Woche einen Satz vorlesen:Ökosteuer stellt die Weichen in Richtung umwelt-freundliche Energieerzeugung.Ich habe jetzt nicht die Zeit, Ihnen die Pressemitteilungim einzelnen vorzulesen.Ich will aber noch einen Punkt nennen, den wir gleichmit erledigt haben. Sie hatten diese unsinnige bürokrati-sche Hürde, daß Blockheizkraftwerke an die Ortsfestig-keit gebunden waren, wollten sie für die Energie nichteine zigmal höhere Steuer zahlen. Ortsfestigkeit heißt:Von der Steuerbefreiung profitierten zum Beispiel nichtdiejenigen Kraftwerke, die im Sommer ein Freibad und
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im Winter das Rathaus heizten. Eine doppelte Nutzungwar wegen dieser unsinnigen Ortsfestigkeit nicht mög-lich. Diese Regelung haben wir gestrichen. So werdenwir weiterkommen.
Ein anderes Beispiel für die Schaffung von Arbeits-plätzen sind die Wärmeschutz- und Energiesparver-ordnungen. Die IG Bau-Agrar-Umwelt sagt, daß imBaugewerbe 80 000 Arbeitsplätze zusätzlich entstünden,wenn die Energiesparverordnung geändert würde. Wirsind dabei; das wird kommen.Zur gezielten Nutzung der Windenergie und derPhotovoltaik. Wir haben schon auf das 100 000-Dächer-Programm hingewiesen. Das Fraunhofer-Institut hat er-mittelt, daß durch die Nutzung dieser Energie über30 000 Arbeitsplätze gewonnen werden können.Sie sehen: Umweltschutz schafft Arbeitsplätze. DieFörderung des Bodenschutzes, der Naturschutz, für denwir mehr Mittel eingesetzt haben, die Naturparks – alldas bringt Arbeit und hilft der Umwelt.Das sind nur einige Beispiele für das, was wir auf denWeg gebracht haben und was in Arbeit ist. Darin liegtdie Trendwende, die wir in der Umweltpolitik brauchenund die wir eingeleitet haben. Umweltschutz muß wie-der der Motor für ökologische Modernisierung, Innova-tion, Investitionen und Beschäftigung werden.
Wir haben angefangen, den Stau aufzulösen. Der Haus-halt ist ein Beispiel dafür.Schönen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der
Kollege Dr. Christian Ruck, CDU/CSU.
Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren! Bevor ich auf meineneigentlichen Schwerpunkt, die Klimapolitik, zu sprechenkomme, möchte ich – damit es im Protokoll steht – aufeinige Dinge eingehen, die meine Vorredner von derSPD und den Grünen in die Debatte geworfen haben.
– Herr Schlauch! Sind Sie auch wieder da? Das freutmich. Ich habe schon etwas vermißt.Erstens zu den Naturschutzgroßprojekten. Es freutmich wirklich, daß Sie die 40 Millionen DM noch umeinen Beitrag von 3 Millionen DM aufstocken. Von miraus – das sage ich Ihnen ganz ehrlich – können Sie auchgern so weitermachen. Das war ein gemeinsames Anlie-gen. Man muß dazusagen, daß wir die Institution Natur-schutzgroßprojekte erst eingeführt haben; Sie haben esdann ein bißchen aufgestockt. Herzlichen Glückwunsch!
Ich möchte auch – nur damit es im Protokoll steht –daran erinnern, daß es in den letzten eineinhalb Jahr-zehnten in vielen Bereichen wirklich einen dramatischenRückgang an Schadstoffen gegeben hat, zum Beispielbeim Schwefeldioxid, zum Beispiel beim Blei. Und eskommt natürlich auch nicht von ungefähr, wenn imRhein wieder Lachse schwimmen. Ich möchte daran er-innern, daß der große Aufschwung für Umweltarbeits-plätze, ungefähr eine halbe Million, natürlich nicht vonIhrer halbjährigen Regierung stammt, sondern von derVorgängerregierung,
zum Beispiel durch die Einrichtung der BundesstiftungUmwelt und die Umwandlung des Werks in Salzgitter.Auch das war eine ganz gezielte und bewußte Politikder Vorgängerregierung. Ich erinnere daran, daß auch,– dies ist international anerkannt – der Rio-Prozeß erstdurch Kanzler Kohl & Co. losgetreten und gesichertwurde. Darüber war immer Konsens, wenigstens bei de-nen, denen Umweltpolitik wirklich am Herzen liegt.Nun zur Windenergie, Frau Lehn. Natürlich freuenwir uns alle, daß es zu dem gewaltigen Aufschwung beider Windenergie gekommen ist. Aber auch das ist na-türlich nicht auf Ihre Politik in dem halben Jahr zurück-zuführen, sondern war das Ergebnis des Stromeinspei-sungsgesetzes, und das haben wir „verbrochen“.
– Herr Loske, zu dem Einwurf, es habe sich in den letz-ten eineinhalb Jahrzehnten nichts getan: Das ist einfachfalsch, da muß ich Sie korrigieren.
Sie müssen in bezug auf die Windenergie den Men-schen nur erklären, daß dies eine ganz besonders auchlandschaftlich schöne Form der Energienutzung ist, undda haben wir noch einiges zu tun.Damit bin ich auch schon bei dem Thema Energie-politik. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so-wohl Ökonomie als auch Ökologie brauchen eine mo-derne, durchdachte Energiepolitik, die auf rationalenwissenschaftlichen Argumenten beruht. Ich glaube,darin sind wir uns noch alle einig. Aber von dieserdurchdachten Energiepolitik kann bei Ihnen und imHaushalt 1999 überhaupt keine Rede sein.
Sie waren so stolz auf die Ökosteuer. Jetzt sage ichIhnen: Ihre Ökosteuer zieht ausgerechnet den regenera-Monika Ganseforth
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tiven Energien 300 Millionen DM aus der Tasche. Alslaschen Ausgleich bieten Sie ein Programm für 200Millionen DM an, und zwar zu Bedingungen, die sicher-stellen, daß es todsicher ein Flop wird. Das kann ich Ih-nen schon jetzt garantieren.
Dafür setzen Sie nicht nur wie bisher, sondern noch ver-stärkt mit 700 Millionen DM auf die Kohleförderungund damit noch stärker als bisher auf eine veraltete, teu-re und wenig klimafreundliche Energie.Sie jubeln die Photovoltaik und das 100 000-Dächer-Programm hoch. Auch hier, meine Damen undHerren, ist die Frage, ob nicht schon die konkrete Aus-gestaltung des Projektes über Hausbanken dafür sorgt,daß der gewünschte Schneeballeffekt überhaupt nichtzustande kommt. Die Photovoltaik ist unter den regene-rativen Energieträgern leider die Technik, bei der mitdem meisten Geld am wenigsten Effekt erzielt wird.Selbst wenn Sie mit einem gigantischen Aufwand Ihre100 000 Dächer verwirklichen könnten, entspräche diesgerade mal einem Anteil von 0,05 Prozent unseresStromaufkommens.Wichtig wäre dagegen die konsequente Umsetzungder Energiesparverordnung, einer Verordnung, dienoch von der vorigen Bundesregierung unter Bundes-bauminister Oswald kabinettsreif vorangetrieben wordenwar. Hier sind auch Sie, Herr Umweltminister Trittin,gefordert: Statt die Programme zur energiesparendenGebäudesanierung zu gefährden, sollten Sie sie aufstok-ken. Denn hierin steckt nicht nur ein gewaltiges Potenti-al an Energiesparmaßnahmen, sondern auch Potentialfür weit über 100 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze imBaubereich.
– Ja, dann machen wir es doch!
– Was heißt: Von euch kommt ja nichts? Wir haben siedoch so weit vorangetrieben, daß Sie sie jetzt verab-schieden können. Also tun Sie es doch!
– Keine Unruhe auf den Plätzen! Wir könnten nämlicheigentlich über das alles, meine Damen und Herren, inRuhe im Detail miteinander diskutieren. Nur, mit Um-weltminister Trittin und seinen Gefolgsleuten kann manüberhaupt nicht mehr vernünftig diskutieren; denn Sie,Herr Trittin, haben mit Ihrer Politik des Kernenergie-ausstiegs um jeden finanziellen und politischen Preisauch jeden Anspruch auf Vernunft und Sachverstandverloren.
Sie sind ein blanker Ideologe, ein politischer Saboteur
und nehmen es mit der Wahrheit nicht immer ganz ge-nau, auch nicht gegenüber den eigenen Kabinettskolle-gen.
Herr Kollege Schmidt, Ihr Umweltminister Trittinbehauptet immer, so auch im Ausschuß für wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung, daß niemandmehr Atomkraftwerke baut. Auf meine ausdrücklicheAnfrage in diesem Ausschuß wollte er mir und den an-deren Kollegen weismachen, daß auch die Entwick-lungsländer keine Zukunft mehr in der Kernenergie se-hen. Aber die Wirklichkeit ist, daß nicht nur Japan mehrals ein Dutzend neue Kernkraftwerke
inklusive Wiederaufbereitungsanlagen baut und Rußlandund die Ukraine neue Reaktoren planen und bauen, son-dern daß auch China und Südafrika in unsere Hochtem-peraturreaktortechnologie einsteigen und Rußland seineReaktoren an Iran und Irak verkauft. In Wirklichkeit willniemand außer uns aus der Kernenergie aussteigen. Aberviele wollen einsteigen.Es bleibt dabei: Nach der Liberalisierung des euro-päischen Energiemarktes werden wir bei einem Ausstiegaus der Kernenergie gezwungen sein, große Teile unse-res Strombedarfs aus unsicheren Kernanlagen aus demAusland oder auch aus alten CO2-Kohleschleudern zumBeispiel in Rußland zu beziehen. Es ist Politsabotage,wenn Sie auf der einen Seite dafür sorgen, daß wir ausdem Konzept der Endlagerung aussteigen, und auf deranderen Seite gleichzeitig bejammern, daß es keineMöglichkeiten zur Endlagerung gebe, und deshalb denAusstieg aus der Kernenergie fordern.
Es paßt zu dieser infamen Politik, daß Sie an dieSpitze des bisher international renommierten Bundes-amtes für Strahlenschutz einen Mann berufen, desseneinzige Qualifikation es ist, ein erklärter Atomkraftgeg-ner zu sein, und daß Sie auch die Reaktor-Sicherheits-kommission um seriöse und international hoch angese-hene Wissenschaftler wie Professor Birkhofer „struktur-bereinigt“ haben.
– Herr Trittin, das ist nicht nur ein Zeichen fehlender de-mokratischer Gesinnung, sondern auch ein Anschlag aufdas Ansehen unserer deutschen Forschungslandschaft,von der Sie, Herr Kubatschka, eigentlich mehr verstehensollten, als Sie es hier bisher zum Besten geben.Ihre Energiepolitik hat nichts mehr mit einer seriösenAbwägung unterschiedlicher Risiken zu tun. Es gehtIhnen einzig und allein darum, das gewalttätige SymbolDr. Christian Ruck
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Ihrer linksgrünen Ideologie abzusichern. In Ihrem Drang,bestehende Gesetze und völkerrechtliche Verträge zuignorieren, sind Sie zu einem politischen Irrlicht gewor-den, das oft keine sachlichen Beiträge mehr leistet.
Trittin arbeitet am Sofortausstieg, während KanzlerSchröder von Fristen zwischen 30 und 40 Jahren für denAusstieg spricht. Dazwischen liegt punktgenau die Pro-gnose von Herrn Müller, der von 20 Jahren ausgeht. Dassoll dann die verläßliche Energiepolitik der RegierungSchröder mit ihrem Umweltminister Trittin sein!Es ist in der Tat so, wie es auch schon angesprochenworden ist: Sie reduzieren die Umweltpolitik auf denAtomausstieg. Dies tut mir leid für die vielen kompe-tenten und hoch engagierten Beamten im Umweltmi-nisterium. Es tut mir auch leid für die vielen aufrichtigenKämpfer für die Erhaltung der Schöpfung.
Dies ist auch zum Schaden von Ökonomie und Ökolo-gie. Wir hoffen, daß wir vom Wähler sehr schnell dieGelegenheit bekommen, zu zeigen, daß wir die bessereUmwelt- und Energiepolitik machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ruck,
gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Eva
Bulling-Schröter?
Nein, jetzt bin ich
fertig – und von der PDS sowieso nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächster Redner ist
der Kollege Kubatschka, SPD.
Sehr geehrte Frau Präsi-dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Wochen-magazin aus Hamburg betitelt in dieser Woche eineStory zur Kernenergie mit „Stiller Abschied“. Die Über-schrift stimmt. Die Industrie hat sich nämlich bereits stillaus der Kernenergie verabschiedet. Seit Harrisburg – dasist jetzt 20 Jahre her – ist in den USA kein neues Kern-kraftwerk mehr bestellt worden.
Auch unser jüngstes Kernkraftwerk hat bereits dasZehnjährige gefeiert. Selbst Befürworter der Kernener-gie sprechen mehr von Restlaufzeiten der vorhandenenKraftwerke als von einem Neubau. Auch die Industrieerkennt: Kernenergie ist eine Übergangsenergie.Im Wahlkampf haben wir Sozialdemokraten verspro-chen, den Ausstieg aus der Kernenergie einzuleiten.Dazu hat die Koalition den Wählerauftrag erhalten. ImKoalitionsvertrag haben wir das Procedere festgelegt. Wirhaben uns unter anderem darauf geeinigt, daß die Bundes-regierung einen Konsens mit den EVUs aushandeln soll.Dabei ist der Konsens nicht das Ziel, sondern das Mittel,um den Wählerauftrag zu erfüllen. Ein tragbarer Konsensheißt aber auch Kompromiß. Die Gleichsetzung vonRestlaufzeiten mit den technischen Laufzeiten von Kern-kraftwerken stellt keinen Kompromiß dar. Mit dem Aus-stieg aus der Kernenergie ist aber auch der Einstieg in ei-ne ökologische Energieversorgung verbunden.
Man sollte dieses Konsensjahr, dieses Verhand-lungsjahr aber auch nicht mit Randproblemen belasten,wie bisher geschehen.
Die Besteuerung von Rückstellungen bei den EVUsist für mich so ein Randproblem.
Die EVUs sollten mit ihren Zahlen glaubwürdig bleiben.
Sarkastisch könnte man einwenden: Wer seine Steuer-schuld nicht richtig berechnen kann, kann auch die Si-cherheit von Kernkraftwerken nicht richtig berechnen.
Die Energieversorgungsunternehmen kämpfen natür-lich auch für die Arbeitsplätze in den AKWs. Die Zah-len der Beschäftigten schwanken zwischen 15 000 und37 700. Letztere Zahl stammt übrigens von der Vereini-gung Deutscher Elektrizitätswerke. Wo war aber eigent-lich der Widerstand, als zwischen 1990 und 1998 min-destens 40 000 Arbeitsplätze vernichtet wurden – vonden EVUs?
Die Arbeitsplatzvernichtung geht weiter. In den Schät-zungen wird davon ausgegangen, daß die Liberalisie-rung des Strommarktes noch einmal 40 000 Arbeitsplät-ze vernichtet.
Sollten nach einjährigen Konsensverhandlungen kei-ne Ergebnisse vorliegen, so sind wir entschlossen, dengesetzlichen Weg einzuleiten. Die Konzernchefs solltensich nicht täuschen: Die SPD und die Koalition sind ent-schlossen, aus der Kernenergie auszusteigen.
Die Bürgerinnen und Bürger werden den Erfolg derKoalition auch an der Ausstiegsfrage messen.
Dr. Christian Ruck
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– Weil Sie gerade Stamokap sagen, Herr Kollege: Ken-nen Sie überhaupt den Unterschied zwischen „Eurokap“und Stamokap? Ich nehme an, Sie wissen es nicht.Oberste Maxime ist aber die Sicherheit von Kern-kraftwerken. Da kann es keine Kompromisse geben.Die Sicherheit muß daher laufend überprüft werden;denn über das Alterungsverhalten von Atomkraftwerkenwissen wir nicht mit letzter Sicherheit Bescheid. Dane-ben ist aber auch der technische Zustand entscheidend.Deshalb dürfen die Kernkraftwerke in den mittel- undosteuropäischen Staaten und in den neuen unabhängigenStaaten keine lange Zukunft haben. Das Aufrüsten undUmrüsten schafft falsche Sicherheit.Ich möchte auch noch ganz kurz auf die Anträge vonCDU/CSU und F.D.P. eingehen. Den Antragstellernmüßte es eigentlich klar sein, daß die Bundesregierungein anderes Entsorgungskonzept ausgearbeitet hat bzw.daran arbeitet.
In dieses Konzept passen die Anträge von CDU/CSUund F.D.P. nicht. Deswegen werden wir sie ablehnen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zahlen belegen,daß wir weltweit keinen Spitzenplatz beim Einsatz er-neuerbarer Energien einnehmen. Andere Staaten sindviel weiter, vor allem dann, wenn sie nicht in die Kern-energie eingestiegen sind. Die Kernenergie hat nämlichKapital gebunden. Die erneuerbaren Energien habenbisher nicht ausreichende Chancen erhalten.Der Einzelplan 16 ist ein relativ kleiner Haushalt.Trotzdem müssen von ihm die entscheidenden Impulsezur ökologischen Modernisierung unserer Industriege-sellschaft ausgehen. Umweltschutz ist mit Recht eineAufgabe, die in alle Fachbereiche integriert ist. Deswe-gen stecken in anderen Teilen des Bundeshaushaltes vielhöhere Mittel für den Umweltschutz. Auch der Amster-damer Vertrag verpflichtet uns zu mehr Nachhaltigkeitin der Europäischen Union.
Mehr Umweltschutz kostet nicht notwendigerweisemehr Geld. Oft kann Geld gespart werden. Wenn wirUmweltstandards auf hohem Niveau in Europa und aufinternationaler Ebene vereinbaren und festsetzen, schüt-zen wir die Umwelt, fördern den Export von Umwelt-technologie und erhalten und schaffen in DeutschlandArbeitsplätze. Ökologie und Ökonomie sind kein Wider-spruch. Wenn die Ökonomie die Ökologie mißachtet,wird die Ökonomie Schiffbruch erleiden.
Langfristig gefährdet mangelnde Ökologie unserenWohlstand; vor allem gefährdet sie die Zukunft unsererKinder und Kindeskinder. Wir sind die Nutznießer, dieanderen zahlen die Rechnung.Unser Ziel muß eine ökologische Kreislaufwirtschaftsein. Umweltpolitik muß wieder zu einem echten Re-formwerk werden, wie sie es in Zeiten der soziallibera-len Koalition war.
– Sie haben anscheinend keinen zeitgeschichtlichen Ho-rizont, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für dieAufmerksamkeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Letzter Redner indieser Debatte ist der Bundesminister für Umwelt, Na-turschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin.Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit: Frau Präsidentin! MeineDamen und Herren! Liebe Frau Lehn, ich gebe aus-drücklich den Dank zurück; es war eine sehr gute Zu-sammenarbeit mit den Berichterstatterinnen und Be-richterstattern aller Fraktionen. Ich möchte mich hier fürdie konstruktive Arbeit ausdrücklich bedanken.In der Tat sind wohl die globalen Klimaverände-rungen die größte Herausforderung, vor der die Um-weltpolitik heute steht. In den letzten Tagen hat es er-neut einen Tornado in Oklahoma, Tennessee und Texasgegeben. Die zunehmende Häufung dieser Erscheinun-gen stellen nicht irgendwelche Ökologen fest, sonderndie kühl kalkulierende Versicherungswirtschaft sagtheute, daß in dem Gebiet des sogenannten Tornado-Highways, der quer durch die USA geht, Häuser wegender zunehmenden Häufung von Tornados nicht mehrversichert werden.
Für mich heißt das: Tatenlosigkeit, gerade beim Klima-schutz, ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr leistenkönnen.
Es geht bei dieser Frage schon lange nicht mehr um un-sere Kinder, sondern es geht um die heutige Zeit, um dashier und jetzt, und natürlich auch um sehr massive wirt-schaftliche Interessen. Deswegen ist es richtig, daß wiram Ziel der Reduktion von klimarelevanten Emissio-nen festhalten.Man muß sich einmal die Zahlen anschauen, die Sieuns hinterlassen haben. Herr Loske hat die Zahlen ge-nannt: Es wurde eine CO2-Reduktion um 13 Prozent er-reicht, die Hälfte des Weges ist zurückgelegt. Wenn Siesich aber die Zahlen etwas genauer anschauen, werdenSie feststellen, daß wir einheitsbedingt nicht nur einendeutlichen Rückgang der Emissionen bei der Industrieverzeichnen können, sondern durch einen massiven An-Horst Kubatschka
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stieg im Bereich des Verkehrs auch neue Emissionenproduziert worden sind.Zu dieser problematischen Klimasituation sagenCDU/CSU und F.D.P.: Wer das Klima schützen will,muß auf die Nuklearenergie setzen.
Sie müssen mir einmal darlegen, meine Damen und Her-ren, wie viele LKWs nuklear angetrieben oder wie vieleprivate Haushalte – in diesem Bereich sind die Emissio-nen übrigens auch angestiegen – aus der Abwärme einesAtomkraftwerkes beheizt werden.
Sie wissen sehr genau, daß der Anteil der Kernenergieam Primärenergieeinsatz in diesem Lande einmal12,7 Prozent beträgt. Deswegen ist es im Sinne einervernünftigen Klimaschutzpolitik richtig, sich auf dieHauptbereiche, in denen der Anstieg stattfindet, zu kon-zentrieren, und das sind der Verkehrsbereich und derBereich der privaten Haushalte.
Deswegen – gnädige Kollegen, Sie haben hier von,,internationaler Untätigkeit“ gesprochen – ist es ebenrichtig, daß wir im Dezember im Rat mit durchgesetzthaben, daß künftig in Europa nur noch Lkw mit einervorgeschriebenen Abgasnachbehandlung, mit einemPartikelfilter und einem Stickoxidkatalysator auf dieStraße kommen.Deswegen ist es richtig, daß es dieser international sofürchterlich untätige Umweltminister zum erstenmal ge-schafft hat, aus dieser Erkenntnis heraus zusammen mitden Vertretern der acht großen Industrienationen einePosition zu formulieren, die besagt: Diese großen Indu-strienationen sind der Auffassung, daß sich die ökologi-schen Kosten auch und gerade im Verkehr in den Prei-sen niederschlagen müssen, und verpflichten sich dazu,dafür einzutreten, daß auch die Steuerbefreiung fürSchiffstreibstoffe und für Flugzeugtreibstoffe, also Ke-rosin, abgeschafft wird. – Soviel zur internationalenUntätigkeit dieses Umweltministers.
Wenn wir von Klimaschutz reden, dann bedarf es andieser Stelle des Hinweises, daß gerade bei der Produk-tion und bei der Konsumtion von Energie eine Effizienz-revolution brauchen. Deswegen ist es richtig, daß wirzum 1. April 1999 den Einstieg in die ökologischeSteuerreform geschafft haben.
Wir finden uns hier in guter europäischer Nachbar-schaft:
Nicht nur die skandinavischen Länder und beispielswei-se die Niederlande gehen diesen Weg, auch Italien hat indiesem Jahr eine entsprechende CO2-Steuer mit vier Stu-fen bis zum Jahr 2004 eingeführt. Die Briten, meineDamen und Herren, haben nicht nur die jährliche Anhe-bung der Mineralölsteuer um 6 Prozent beschlossen,sondern in diesem Jahr auch explizit zusätzlich eineKlimaabgabe für die Industrie eingeführt. Deswegensind wir mit unserem Plan, in einer zweiten und drittenStufe mit der ökologischen Steuerreform voranzukom-men, eben nicht europäisch isoliert, sondern hier zeigtsich eine klare Entwicklung in Gesamteuropa.
Überall in Europa hat man begriffen: Es ist vernünftiger,Kilowattstunden einzusparen als Arbeitsplätze wegzura-tionalisieren. Nur Sie haben das noch nicht begriffen.
Wenn Sie an dieser Stelle der Auffassung sind, das,was wir machen, sei alles lächerlich, will ich Sie nureinmal darauf hinweisen, daß die 180 Millionen DM, diewir im Jahr 1999 zur Förderung erneuerbarer Energi-en einsetzen, mehr ist als das, was innerhalb der Euro-päischen Union zur Förderung regenerativer Energien invier Jahren ausgegeben wird. Wenn Sie sich hier in be-sonderer Weise auf die Windenergie berufen, so sageich: Ich erinnere mich noch sehr gut, werte Kollegen,daß es der Wirtschaftsminister der F.D.P. gewesen ist,der versucht hat, das Stromeinspeisungsgesetz abzu-schaffen und damit die Nutzung der Windenergie zubehindern.
Wenn Sie nach Alternativen für eine andere Energie-politik fragen, dann sage ich Ihnen: Die Alternative istim Einsparen, Effektivieren und Erneuern. Zuallererstbrauchen wir einen Abbau von Überkapazitäten.Dabei geht es nicht allein um eine Energieeinspar-politik. Allein die Erhöhung des Wirkungsgrades jet-ziger Kraftwerke, der ungefähr bei 30 Prozent liegt, aufüber 50 Prozent würde heute schon den Anteil nuklearerEnergie problemlos substituieren können.
Schon heute erzielen beispielsweise Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen einen Wirkungsgrad von 70 bis 80Prozent. Das ist der Grund, warum wir diese Anlagenbei der ökologischen Steuerreform bewußt ausgenom-men haben.
In solche Anlagen gilt es zu investieren, statt krampfhaftan bestimmten Risikotechnologien festzuhalten.
Bundesminister Jürgen Trittin
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Wenn Sie, meine Damen und Herren, von guterNachbarschaft und von Partnerschaft mit unserenNachbarn in Frankreich und in Großbritannien reden,dann sage ich Ihnen in aller Ruhe, aber auch mit allemNachdruck: Es zeugt nun wahrlich nicht von guterNachbarschaft, wenn man über Jahre hinweg am Randedes geltenden Rechtes – und im übrigen auch am Randedes geltenden französischen Rechts – andere Länder alsZwischen- und Endlager für den eigenen Müll benutzt.Das ist in der Tat kein Zeichen guter Nachbarschaft.
Sie präsentieren Beispiele, wo überall neue Atom-kraftwerke gebaut werden. Wenn Sie genau zugehörthätten, dann wüßten Sie, daß ich gesagt habe: Überalldort, wo Marktwirtschaft und Demokratie herrschen,sind die Atomkraftwerke umstritten.
Schauen Sie sich Ihre Beispiele daraufhin einmal in allerRuhe an!Glauben Sie etwa, daß Länder wie zum Beispiel dieUkraine und China auf eigene Kosten Kernkraftwerkebauen? Der Bau soll von uns regelmäßig mit Kreditenbezuschußt und subventioniert werden. Soviel möchteich zu Ihrer Überzeugung sagen, daß Atomkraftwerkeökonomisch rechenbar sind. Sie sind es erklärtermaßennicht.
Weil Sie den Vorwurf der Untätigkeit des Umwelt-ministers so in den Vordergrund gestellt haben, will ichan dieser Stelle noch eine Bemerkung machen: Ich habeSie schon in der ersten Lesung des Haushaltes daraufhingewiesen, daß wir von Ihnen eine beschämende Bi-lanz übernommen haben.
Wir haben von Ihnen zum Beispiel übernommen, daßwir bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten aufdem zweitletzten Platz in Europa stehen, weit hinterSpanien, Italien und auch weit hinter den dicht besie-delten Niederlanden. Trotzdem sagen Sie, diese Bundes-regierung sei untätig. Herr Paziorek, wir haben in denletzten sechs Monaten mehr Schutzgebiete bei der Euro-päischen Union angemeldet als Sie in den gesamten16 Jahren Ihrer Regierungszeit. Soviel zu Ihrem Vor-wurf der Untätigkeit und zu der vernichtenden BilanzIhrer Regierungszeit!
Liebe Kollegin Bulling-Schröter – diese Bemerkungsei mir am Rande erlaubt –, ich freue mich über das En-gagement für den Nationalpark Elbtalaue. Es ist gut,daß in diesem Zusammenhang Klage erhoben wurde. Indieser Angelegenheit streiten wir Seit’ an Seit’. Ich wür-de mich aber freuen, wenn die PDS insgesamt mit dieseraufrechten Haltung auch dann an der Seite der Ökologiezu finden wäre, wenn es etwa um das untere Odertalgeht.
Ich weiß, daß dies eine sehr strittige Frage bei Ihnen ist.Aber ich würde mir Ihr Engagement an dieser Stellewünschen.Abschließend möchte ich sagen: Sie haben versucht,die Ökologie mehr oder weniger als einen Anschlag aufArbeitsplätze in diesem Lande hinzustellen.
Eine Politik der Energiewende ist heute in der Lage,bis zu 200 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen: im Bau-handwerk, im Anlagenbau, in Ingenieurbüros und in derEnergiewirtschaft. Die Frage der Windkraft als Jobmo-tor müssen wir ebenso aufwerfen wie die Frage derSchaffung von neuen Arbeitsplätzen durch Wärmedäm-mungsprogramme und Niedrigenergiestandards.Die Schaffung neuer Arbeitsplätze aus umweltpoliti-scher Sicht und die Erörterung im Dialog mit Arbeitge-bern, mit Gewerkschaften und mit den Naturschutzver-bänden werden zentrale Bestandteile des Forums „Ar-beit und Umwelt“ sein, das im Rahmen des „Bündnissesfür Arbeit“ stattfinden wird und das im Juni hier tagensoll. Wir wollen damit eines deutlich machen: Ökologieist kein Hindernis für Arbeitsplätze; Ökologie ist keinStandortnachteil und kein Ballast; Ökologie ist ein pro-duktiver Faktor mit allergrößter Wirkung für eine nach-haltige Entwicklung und für die Modernisierung derBundesrepublik Deutschland.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen
Dr. Klaus Lippold.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Es ist schon eine Zumutung, wenn man sich hieranhören muß, was Sie als eigene Leistung verkaufen.Bei den Fortschritten in der europäischen Verkehrspoli-tik, insbesondere was die Energieeinsparung und dieAbgasreduktion angeht, bauen Sie doch auf das, was wirgemacht haben. Sie haben nichts anderes vorzuzeigen!Wo Sie im Rahmen Ihrer Ratspräsidentschaft etwashätten weiterentwickeln können, haben Sie versagt. Soeinfach ist das.
Sie stellen sich hier hin und sprechen von den An-meldungen der FFH-Gebiete. Das läuft über die Länder,aber nicht über Sie. Zu Ihrem Haushalt hat der KollegePaziorek hinreichend viel gesagt.Bundesminister Jürgen Trittin
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Sie haben früher kritisiert, wir würden in der Klima-schutzpolitik nicht weit genug voranschreiten. Was istdenn mit Ihnen? Bei Ihnen ist die neue Bescheidenheitausgebrochen. Die Ziele, die wir genannt haben, habenSie heute übernommen. Sie haben kein Wort der Kritikvon damals wiederholt, weil Sie in keinem einzigenPunkt weiter sind. Sagen Sie doch einmal, wer in dereuropäischen Umweltschutzpolitik und in der europäi-schen Klimapolitik am weitesten ist!
Sie zitieren die nordischen Länder. Was ist denn mitDänemark und seiner Besteuerung, mit dem Zuwachsder CO2-Emissionen, Herr Trittin? Es geht doch nichtdarum, ob jemand falsche Programme macht, sondern esgeht darum, daß jemand eine effiziente Umweltpolitikmacht. Sie haben das Wort „Effizienz“ immer wieder imMunde, aber bei Ihnen läuft nichts.
Herr Trittin, wo sind denn die Arbeitsplätze im Um-weltschutz hergekommen? Als Sie noch in Hanau Ar-beitsplätze vernichtet haben, haben wir mit Herrn Töpferund Frau Merkel Arbeitsplätze im Umweltschutz ge-schaffen. Wir haben uns an die Spitze der Exporteure inder Welt gestellt.
Dazu haben Sie nichts beigetragen. Wenn es hier undheute um Arbeitsplätze geht, dann können Sie sich ein-mal die Diskussion um die 630-DM-Gesetzgebung an-schauen: Was Sie schaffen, ist Chaos, aber keine neuenArbeitsplätze.Sie sitzen hier und reden davon, daß wir bei der Frageder Endlager nicht weitergekommen sind. Sie blockie-ren die aktuelle Situation und haben als Konzept 19 neueZwischenlager vorgeschlagen. Das ist doch – ehrlich ge-sagt – das allerletzte.
Früher haben Sie zu sicheren Konzepten nein gesagt.Aber wenn wir Ihre Lösung mit den Zwischenlagern imWasser an den bestehenden Kernkraftwerken je vorge-schlagen hätten, dann hätten Sie Zeter und Mordio ge-schrien und gesagt, wir wollten die Republik an denRand des Abgrunds bringen. Die Konzepte, die sichersind, verweigern Sie. Sie wollen neue Lösungen, dieScheinlösungen sind. Das müssen wir ablehnen.Sie haben davon gesprochen, daß Energie eingespartwerden muß, insbesondere im Altbaubestand. Wo bleibtdie Energiesparverordnung, Herr Trittin? Nichts ha-ben Sie geleistet! Das, was an Vorarbeit geleistet wor-den ist, bleibt in Ihrem Ministerium liegen. So könntenwir die Beispiele fortsetzen.Nein, was dort sitzt, ist der erfolgloseste Umweltmi-nister seit Beginn dieser Republik! Das Schlimme ist: Erfreut sich noch darüber.
Es mag sein, daß Sie als Enfant terrible dieses Parla-ments im Umgang mit Journalisten einen gewissenAufmerksamkeitswert haben.
Aber das ist auch das einzige. Was wir uns wünschenwürden, wäre ein Umweltschutzminister, der uns wei-terbringt. Das allerdings sind Sie nicht!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Erwiderung HerrBundesminister Trittin, bitte.Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit: Lieber Herr Lippold, ineinen Wettbewerb des „enfant“ – in welcher Form auchimmer – möchte ich mit Ihnen nicht eintreten.
Ich möchte Sie in aller Ruhe auf ein paar Fakten hinwei-sen. Das, was wir im Rahmen der Anmeldungen vonFFH-Schutzgebieten nach Brüssel weitergeleitet haben,waren nicht etwa die jetzt beschleunigt nachgeliefertenAngaben der Länder, sondern war das, was unter IhrerRegierung innerhalb der Verwaltung des Bundes liegen-geblieben ist. Das haben wir abgeräumt und nichts ande-res!
Wenn Sie sich auf mich beziehen – das einzige Bei-spiel, was ich Ihnen genannt habe, ist die Lkw-Richtlinie –, dann empfehle ich Ihnen einen einfachenBlick in die Drucksache. Sie werden dann feststellen,daß diese Lkw-Richtlinie im Dezember und ausdrück-lich durch unser Wirken und fernab Ihrer Regierungs-beteiligung entstanden ist. – Entschuldigung, jetzt istmein Rechner angegangen.
– Er sollte mich mahnen, an der namentlichen Abstim-mung teilzunehmen. Das ist weniger Technikbegeiste-rung als Respekt vor dem Parlament, Herr Kollege.
Ich will an dieser Stelle zum Abschluß noch eines sa-gen, lieber Herr Lippold: Daß Sie hier in echauffierterRede beklagen, daß wir nicht früher an der Regierunggewesen sind, das hat mich schon überrascht.
Ich hätte Ihnen gerne den Gefallen getan, aber nun wares eben nicht so.Dr. Klaus W. Lippold
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Nun haben wir das Problem, daß Sie das Verschiebenvon Atommüll ins Ausland über Jahre hinweg als Ent-sorgungsnachweis akzeptiert haben. Sie haben überJahre hinweg geduldet, daß Atommüll unter der Auf-schrift Wiederaufarbeitung nach Frankreich und Eng-land geschickt wurde, ohne daß dieser, wie es das Ge-setz vorsieht, schadlos wiederverwertet worden ist.Wenn er denn schadlos wiederverwertet worden wäre,wie kommt es dann, daß wir mittlerweile 20 TonnenPlutonium in Frankreich liegen haben, von dem wirnicht wissen, wie wir damit umgehen müssen? Sie sinddie letzten, die in dieser Frage auch nur im Ansatz dasWort ergreifen und von Verantwortung reden dürfen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es spricht jetzt noch
der Kollege Grill für die CDU/CSU.
Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Trittin,
ich will das letzte, was Sie gesagt haben, hier deutlich
zurückweisen. Sie haben überhaupt kein Recht dazu, der
Union und der alten Koalition in der Frage der Wieder-
aufarbeitung deutscher Brennstäbe in Frankreich so et-
was vorzuwerfen. Sie haben dazu überhaupt keine Ver-
anlassung!
Erstens: Das hat mit der SPD unter Helmut Schmidt
begonnen.
Das zweite ist: Sie waren Mitglied der niedersächsi-
schen Landesregierung von 1990 bis 1994, die seit 1990
die Castor-Transporte nach Frankreich hat laufen lassen,
damit sie nicht nach Gorleben müssen. Bleiben Sie da,
wo Sie sind, und tun Sie uns den Gefallen, mit einer sol-
chen Unwahrhaftigkeit letztendlich das zu ermöglichen,
was wir jetzt brauchen: nämlich den Regierungswechsel.
Ihr Abteilungsleiter Renneberg hat am Montag in
Hannover die Katze aus dem Sack gelassen. Er hat
nämlich gesagt: Wir dürfen die Untersuchung mit Gor-
leben nicht zu Ende führen, weil sonst die Gefahr be-
steht, daß sich herausstellt, daß der Salzstock geeignet
ist. Das ist Ihre Politik!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnenund Kollegen, ich schließe hiermit diese zweifellos au-ßergewöhnlich temperamentvolle Debatte. Wir kommennun zur Abstimmung, und zwar zunächst über die Ände-rungsanträge.Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion derF.D.P. auf Drucksache 14/923, über den jetzt nicht na-mentlich abgestimmt wird. Deshalb frage ich Sie: Werstimmt für diesen Änderungsantrag der F.D.P.? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist derÄnderungsantrag gegen die Stimmen von F.D.P. undCDU/CSU abgelehnt.Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Druck-sache 14/939: Wer stimmt für diesen Änderungsantrag?– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist derÄnderungsantrag gegen die Stimmen von CDU/CSUund der F.D.P. abgelehnt.Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Druck-sache 14/940: Wer stimmt für diesen Änderungsantrag?– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist derÄnderungsantrag gegen die Stimmen der CDU/CSU-und der F.D.P.-Fraktion abgelehnt.Änderungsantrag der PDS-Fraktion auf Drucksache14/977: Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmtdagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungs-antrag gegen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.Änderungsantrag der PDS-Fraktion auf Drucksache14/978: Wer stimmt für diesen Antrag? – Gegenprobe! –Enthaltungen? – Damit ist dieser Änderungsantrag ge-gen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-plan 16 in der Ausschußfassung. Wer stimmt für denEinzelplan 16? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Damit ist der Einzelplan 16 mit den Stimmen der Koali-tionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU,F.D.P. und PDS angenommen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt I. 24 auf:Haushaltsgesetz 1999– Drucksachen 14/623, 14/624 –Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich AustermannMichael von SchmudeHans Georg WagnerOswald MetzgerDr. Günter RexrodtDr. Christa LuftEine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommendeshalb gleich zur Abstimmung, und zwar zunächst überden Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. Werstimmt für den Änderungsantrag der F.D.P. auf derDrucksache 14/924? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Damit ist der Änderungsantrag gegen dieStimmen der F.D.P. und der CDU/CSU abgelehnt.Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf inder Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand-zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Da-mit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit denStimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmenvon CDU/CSU-Fraktion, F.D.P.-Fraktion und PDS an-genommen.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-schlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Be-richt der Bundesregierung über den Stand und die vor-aussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft auf derBundesminister Jürgen Trittin
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Drucksache 14/625 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehltKenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußemp-fehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit istdiese Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusseseinstimmig angenommen.Wir kommen jetzt zur Beschlußempfehlung desHaushaltsausschusses zu dem Finanzplan des Bundes1998 – 2002 auf Drucksache 14/625 Nr. 2. Der Aus-schuß empfiehlt, die Unterrichtung auf Drucksa-che 13/11101 für erledigt zu erklären. Wer stimmt fürdiese Beschlußempfehlung? – Gegenprobe! – Enthal-tungen? – Damit ist diese Beschlußempfehlung ein-stimmig angenommen.Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt II auf:Dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 1999
– Drucksachen 14/300, 14/760, 14/601 bis14/621, 14/622, 14/623, 14/624 –Es liegen fünf Entschließungsanträge der Fraktion derCDU/CSU, drei Entschließungsanträge der Fraktion derF.D.P. und ein Entschließungsantrag der Fraktion derPDS vor. Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aus-sprache die Schlußabstimmung und die Abstimmungüber die fünf Entschließungsanträge namentlich durch-führen werden.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. –
Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für dieFraktion der CDU/CSU der Kollege Adolf Roth.
Frau Präsidentin!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habedurchaus Verständnis für Ihre Reaktion; aber ein großerTeil von Ihnen hat sich in der Zwischenzeit zu dieserungewöhnlichen Stunde etwas stärken können, so daßwir auch die letzte Etappe dieser Haushaltsberatung1999 in geordneter Form durchführen können.Es gehört zu den guten Traditionen unseres Hauses,daß in der dritten Lesung zum Bundesetat der Vorsit-zende des Haushaltsausschusses das Wort ergreift. Diesist erstmals seit 16 Jahren – Gott sei's geklagt! – wiederein Mitglied der CDU/CSU-Fraktion, das jetzt vor Ihnensteht.
– Ich bedanke mich für den freundlichen Applaus,
aber Sie wissen: Ich gehöre einer sehr traditionsbewuß-ten Partei an, und wir wissen diese Tradition zu schät-zen. Deshalb werden wir mit aller Kraft und mit allerEntschlossenheit daran arbeiten, daß dieser Zustand als-bald beendet wird und diese wichtige parlamentarischeFunktion wieder an einen geeigneten Vertreter oder einegeeignete Vertreterin aus Ihren Reihen übergehen kann.Das jedenfalls ist unsere politische Absicht.
Wann dies geschieht, entscheiden allerdings nichtwir, sondern die Wählerinnen und Wähler. Der neueBundesfinanzminister kommt, wie ich, aus dem Bun-desland Hessen. Wir haben gerade aktuell die Erfahrunggemacht, daß diese Mechanismen des politischen Wech-sels – der Wechsel ist ja das einzig Beständige in derDemokratie – durchaus funktionieren. Ziehen Sie sichalso warm an, Herr Bundesfinanzminister; auch hiersind Ihrer Tätigkeit zeitliche Grenzen gesetzt.
Meine Damen und Herren, wenn sich die Qualität derPolitik auch im Zahlenwerk des Bundeshaushalts aus-drückt, dann werden wir gerade am Ende dieser etwasungewöhnlich abgelaufenen parlamentarischen Haus-haltswoche in der eigenen Erwartung bestärkt, daß wirnicht erst fünf Anläufe brauchen, bis Deutschland wie-der aus der Situation herauskommt, die Sie bereits inden ersten sieben Monaten angerichtet haben und die einMenetekel hinsichtlich der weiteren Entwicklung ist.Ich habe anläßlich der Debatte in dieser Woche dasGefühl gehabt, daß Sie die ersten sieben Monate IhrerRegierungstätigkeit am liebsten vergessen machenmöchten. Sie sind hier zwar zum Haushalt 1999 ange-treten, haben aber jeweils über diesen zeitlichen Hori-zont hinausgeblendet. Sie haben weder eine eigeneFinanzplanung vorgelegt, noch gibt es eine aktualisierteSteuerschätzung, noch wurde vom neuen Bundes-finanzminister ein Rahmen vorgelegt. Das alles deutetdarauf hin, daß Sie gerade in dieser Haushaltswoche al-len Grund hatten, die letzten sieben Monate in Bonnvergessen zu machen.Meine Damen und Herren, bevor ich zu meinen poli-tischen Bewertungen komme, möchte ich noch kurz ei-nige Anmerkungen zur Arbeit des Haushaltsausschus-ses in den letzten Monaten machen. Dieser Ausschußmit seinen 42 Mitgliedern hat nach dem Regierungs-wechsel und der letzten Bundestagswahl eine erheblicheVeränderung erfahren.
In die Reihen der Opposition sind ehemalige Regie-rungsmitglieder als Verstärkung eingerückt. In die Pha-lanx der SPD sind zehn neue Kolleginnen und Kollegeneingerückt. Insgesamt kann ich sagen, daß sich das per-sonelle Gefüge unseres Ausschusses gefestigt hat unddaß wir in den letzten Wochen haben unter Beweis stel-len können, daß wir unseren Auftrag durch einen straf-Vizepräsidentin Petra Bläss
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fen und effizienten Beratungsablauf ordnungsgemäß er-ledigen konnten.Einen wesentlichen Anteil daran – es gehört zu unse-ren Üblichkeiten, das auszusprechen – hatten die ver-antwortlichen haushaltspolitischen Sprecher der Frak-tionen, allen voran auf der Seite der Regierungskoalitiondie Kollegen Hans Georg Wagner und Oswald Metzger,die ihre Truppen zusammengehalten haben, wenn not-wendig auch mit Auszeiten und Sitzungsunterbrechun-gen.
In der neuen Rolle auf der Gegenseite, der Oppositi-on, waren dies die Kollegen Dietrich Austermann undDr. Günter Rexrodt und – nicht zu vergessen – meinStellvertreter im Amt, Manfred Hampel, sowie die Vor-sitzenden der Unterausschüsse, Uta Titze-Stecher undBartholomäus Kalb. Ihnen allen, aber auch den nichtnamentlich genannten Ausschußmitgliedern möchte ichmeinen herzlichen Dank für das kollegiale Miteinanderund für die Handhabung der einschlägigen Haushälter-tugenden aussprechen.
Etatberatungen nach einem Regierungswechsel habenzwangsläufig ihre eigene Dramaturgie. Gerade der Ab-lauf der letzten Tage hat deutlich gemacht, daß am Endedieser Haushaltsberatungen einige Einschätzungen undeinige Zusammenfassungen möglich sind.Ich möchte zunächst einmal feststellen, daß der imrotgrünen Koalitionsvertrag angekündigte „umfassendeKassensturz ... über die tatsächliche Lage der Staatsfi-nanzen“ in dieser behaupteten Form niemals stattgefun-den hat.
Ich füge für die Kenner hinzu: Es ist natürlich absurd,dies überhaupt als Programmpunkt aufzuführen. Dennwenn eine Opposition, die über 16 Jahre die Gescheh-nisse verfolgt hat, öffentlich bekennen müßte, sie wisseüber die Haushaltslage nicht Bescheid – wie es damalsder jetzige Bundeskanzler im Wahlkampf immer wiedergesagt hat –, würde sie sich ein großes Armutszeugnisausstellen.
Es hat keinen Kassensturz gegeben. Der ist uns auchnie authentisch bzw. in Form von überprüfbaren Ergeb-nissen vorgelegt worden.
Herr Bundesfinanzminister, liebe Kolleginnen undKollegen der Regierungsseite, die permanente Flucht indie Diskussion über strukturelle Defizite und Erblastenhängt den kundigen Thebanern seit Wochen und Mona-ten zum Halse heraus. Namhafte Sprecher der Koalitionhaben das öffentlich bekannt. Sie müssen sich jetzt deninhaltlichen Herausforderungen stellen.Wenn schon von einer Bilanz gesprochen wird, HerrBundesfinanzminister: In dieser Woche ist immer wie-der das aktuelle Frühjahrsgutachten der Institute zi-tiert worden. Ich möchte Ihnen noch einmal in Erinne-rung rufen, daß in diesem Gutachten ausgewiesen wird,daß im Jahre 1998 – das ist das Jahr der Wende und desWechsels –, also zehn Jahre nach Beginn des Wieder-vereinigungsprozesses, sämtliche einschlägigen Finanz-daten, also die Staatsausgabenquote, die Abgabenquote,die Steuerlasten und das gesamtstaatliche Finanzie-rungsdefizit in Deutschland, besser gewesen sind alszehn Jahre zuvor, vor dem Fall der Mauer.
Herr Bundesfinanzminister, Sie wissen ganz genau, wer1980 Inhaber der Regierungsverantwortung war. Das istdie aktenkundige Schlußbilanz
– wenn dieses Thema überhaupt auf der Tagesordnungsteht – der Bundesregierung von Helmut Kohl, dieFinanzminister Theo Waigel vorlegen konnte.
Ein Zweites möchte ich sagen: Sie waren auf dieÜbernahme der Regierungsverantwortung – das aller-dings haben die letzten Monate bewiesen – inhaltlichund konzeptionell überhaupt nicht vorbereitet. Sie habenim letzten Jahr Bilder von der Haushaltslage skizziert,die nach der Wahl sofort in sich zusammengebrochensind. Alle düsteren Prophezeiungen über den „geschön-ten Wahlhaushalt 1998“ sind in sich zusammengefallen.Punktgenau in den Ausgaben und im Finanzierungsdefi-zit hat der Haushalt 1998 abgeschlossen, und nicht nurdas: Er hatte sogar einen übertragbaren, nicht realisier-ten Einnahmeüberhang von 10 Milliarden DM als Pol-ster für die neue Bundesregierung.
Das ist die Situation gewesen.
Sie haben es selber bestätigt, und dann sollten Sieauch zu Ihren Aussagen der letzten Wochen stehen –noch in dieser Woche ist es an diesem Pult gesagt wor-den –: 95 Prozent des von Theo Waigel vorgelegtenHaushalts 1999 haben Sie lediglich abgekupfert. Offen-bar ist Ihnen in sieben Monaten nichts anderes eingefal-len, als die Richtigkeit der Grundanlage des Zahlenge-füges dieses Haushaltes zu bestätigen.Herr Finanzminister, Sie haben vorgestern den Begriffder unverwechselbaren eigenen Handschrift in die Dis-kussion eingebracht. Eine unverwechselbar eigene Hand-schrift in diesem Haushalt ist allerdings die Expansion aufder Ausgabenseite von 6,3 Prozent; das hat es hier seitvielen Jahren nicht gegeben. Das ist allerdings eine Posi-tion, die bei Theo Waigel nicht vorgesehen war.
Adolf Roth
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Meine Damen und Herren, mit dem chaotischen Hinund Her der letzten Monate – das ist in dieser Woche oftbesprochen worden – haben Sie doch letztlich bewirkt,daß die Öffentlichkeit Zweifel daran anmelden kann undanmelden mußte, ob die Kernziele Ihrer Regierungs-politik mit einer solchen verfehlten Anlage bereits in derersten Etappe überhaupt erreichbar sind. Die Wachs-tumsrate von 2,8 Prozent im letzten Jahr ist mittlerweilenahezu halbiert.Die Arbeitsmarktsituation, auf die Sie als Kern-stück Ihrer Regierungsarbeit immer wieder abgehobenhaben, ist – ich muß noch einmal auf die Zahl von 1982zurückgreifen – in ihrer Deutlichkeit kaum zu übertref-fen: 1982 war die Zahl der Arbeitslosen in Deutschlandin den letzten zwölf Monaten vor dem Regierungswech-sel um 600 000 gestiegen – das war damals im heutigenWestdeutschland –; im Jahr 1998 ist die Arbeitslosen-zahl in den letzten zwölf Monaten vor dem Regierungs-wechsel um 350 000 zurückgegangen. Das ist der Unter-schied.
Dieses Hin und Her, die Eintrübung der Konjunktur undder Zusammenbruch der wirtschaftlichen Perspektivenund Wachstumsaussichten sind das Ergebnis Ihrer Poli-tik.Als Sie zu Jahresbeginn nicht recht weiterkamen, ha-ben Sie die inzwischen reichlich überstrapazierte Formelvom Übergangshaushalt 1999 gewählt. Damals habenSie allerdings noch nicht geahnt, welche unerwarteteStichhaltigkeit und Aktualität diese Formel vom Über-gangshaushalt bekommen würde, nämlich als die Tur-bulenzen im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Os-kar Lafontaine Sie politisch niedergestreckt haben.
Das war die Situation: Erst wurden die Kompetenzendieses Ressorts üppig zu einem Superressort aufgepol-stert; dann kam es wenige Tage nach der parlamentari-schen Vorlage des allerersten Haushaltsentwurfs vordiesem Hohen Hause zur Flucht aus der Verantwortung.Das war der schlimmste Verantwortungsboykott, den esin Deutschland je gegeben hat. Das ist Ihre Ausgangs-position für die weitere Entwicklung.
Die Verwalter des parlamentarischen Königsrechts –des Budgetrechts – sind der Haushaltsausschuß und dasParlament insgesamt. Diese Souveränität des Parlamen-tes hat in diesen Wochen eine eindrucksvolle Bestäti-gung erfahren; denn die Haushaltsberatungen 1999 ha-ben in nahezu vollständiger Abwesenheit einer intaktenRessortleitung des Bundesfinanzministeriums stattge-funden, sie waren ausschließliche Arbeit des Parlaments.Ich sage Ihnen bei aller Unterschiedlichkeit der Bewer-tung: Wir können damit ganz gut leben. Wir hatten auchohne die Ressortspitze nicht eine Sekunde Anlaß dazu,unseren Beratungsfahrplan zu ändern.Herr Minister, Sie haben vorgestern dem Hohen Hau-se mitgeteilt, daß Sie sich in den ersten Wochen IhrerAmtstätigkeit erst einmal einen Überblick über die Lageverschafft haben – mehr haben wir an Einflüssen ausIhrer Richtung auch nicht verspüren können.Das ist das Unaufrichtige an der ganzen Strategie, diewir in der Außendarstellung in dieser Woche erlebt ha-ben: Vor der Bundestagswahl hieß es, Deutschlandbraucht einen neuen Anfang.
– Klatschen Sie nur! – 130 Tage später konnte man hö-ren: Deutschland und Schröder brauchen eine zweiteChance. Jetzt, 180 Tage später, teilt der neue Finanzmi-nister dem Hohen Hause mit: Freunde, die eigentlicheVorstellung beginnt erst im nächsten Jahr, im Jahr 2000;wir brauchen jetzt zur Einschätzung der aktuellen Poli-tikgestaltung keine entscheidenden Regierungsschrittezu unternehmen.Der neue Bundesfinanzminister hat sich vor diesemHaus in einer für mich als Beobachter seiner vorherigenpolitischen Tätigkeit etwas ungewohnten Rolle präsen-tiert. Er ist sozusagen als Terminator der Finanzpolitik,als gnadenloser Tabubrecher mit folgenden Sprüchenaufgetreten: Nieder mit den Neuschulden; Abbau derNeuschulden; Sparen bis zum Abwinken. Es hat sich einzeitlich und inhaltlich völlig neuer Horizont der Finanz-politik eröffnet. – Wenn man aber dann den Debattengelauscht hat, hörte man aus dieser Ecke immer die Mu-sik: Jetzt konnten wir noch nicht so richtig aufdrehen,weil ihr uns nicht genug Geld in der Kasse gelassenhabt, aber im nächsten Jahr werden wir originär rotgrüneHaushaltspolitik und Politik in Deutschland gestalten! –Mit dieser Formel werden Sie nicht weiterkommen.
Am 21. April hat es im Haushaltsausschuß eine er-ste Begegnung mit dem Finanzminister gegeben. Erwird sich gefragt haben: Sind die immer so harmlos?Sind die immer so freundlich? Ich kann Ihnen für dieentspannte Atmosphäre zwei Gründe sagen. Der ersteGrund: Wir Haushaltspolitiker sind von unserem ganzenNaturell her sehr verträgliche, aufgeschlossene Men-schen,
die auch im Umgang mit neuen Regierungsmitgliedernwissen, was sich gehört.Ich muß allerdings die Einschränkung machen: Wirsind nur so lange so freundlich, solange man uns nichtreizt, Herr Bundesfinanzminister. Wären Sie an diesemTag etwas aus Ihrer blumigen Abstraktion herausgegan-gen, hätten Sie nicht nur wolkige, allgemeine Andeutun-gen mit dem permanenten Hinweis gemacht, auf garkeinen Fall das Geheimnis Ihrer Regierungsabsichten zulüften, wären Sie also konkret geworden – dann wärenwir auf unserem Posten gewesen. Das werden wir aberdann sein, wenn Sie am 30. Juni wieder im Haushalts-ausschuß sind und Ihr großes Wunderpaket der zusam-mengefügten Perspektiven rotgrüner originärer Haus-Adolf Roth
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halts- und Finanzpolitik für die nächsten Jahre vorlegen;das sichere ich Ihnen zu.Der zweite Grund – er ist vielleicht etwas ernsthafter–: Sie haben dem Haushaltsausschuß gegenüber ein of-fenes Eingeständnis gemacht. Sie haben nämlich gesagt,daß unter allen staatlichen Ebenen der Bund mit seinerFinanzausstattung bekanntlich am schlechtesten dran seiund daß dieser Zustand nicht in den letzten viereinhalbMonaten entstanden sei. So habe ich mir den Satz aufge-schrieben. Herr Bundesfinanzminister, das ist ein be-merkenswertes Eingeständnis des ehemaligen SPD-Finanzkoordinators im Bundesrat, der für viele Ent-wicklungen in unserem bundesstaatlichen Finanzgefüge,die wir in den letzten Jahren erlebt haben, mitverant-wortlich war.
Ich will das noch einmal zu Protokoll geben, Herr Fi-nanzminister, weil auch namhafte Haushaltspolitiker dersozialdemokratischen Fraktion
genau diese Einschätzung seit Jahren im Haushaltsaus-schuß und auch hier im Plenum vertreten haben.Unser Hauptvorwurf an Ihre Adresse war immer: DieVerweigerung bundesstaatlicher Finanzverantwortung –Herr Staatssekretär Diller, da nehme ich Sie besondersins Visier – unter Mithilfe der strukturellen Mehrheit imBundesrat in den letzten zehn Jahren gehörte zu denschwerwiegendsten Fehlern, die Sie in Ihrer Anlaufpha-se zur Regierungsübernahme gemacht haben. Allerdingswerden Sie heute von diesem Fehler eingeholt und zah-len dafür Ihren Preis.
Herr Eichel, Sie haben als Verantwortlicher im Bun-desrat zehn Jahre lang – dies ist der zehnte Haushalt seitBeginn des Wiedervereinigungsprozesses – eine aktivePolitik als Gegengewicht zu der Bonner Politik auf IhrPanier geschrieben. Das war der Kern Ihrer politischenStrategie. Wenn Sie dies heute als Bundesfinanzministerauszubaden haben, ist unser Mitgefühl Ihnen gegenüberreichlich eingeschränkt.Meine Damen und Herren, Sie haben jede Konsoli-dierung verweigert. Sie haben nichts dazu beigetragen,die Finanzierungsdefizite zurückzuführen. Sie haben ge-rade in den Jahren, in denen die Ausweitung der Finan-zierungsdefizite im Zusammenhang mit dem deutschenEinigungsprozeß unausweislich gewesen ist, den Ver-such gemacht, in die Haushaltsgesetzgebung des Bundeseinzugreifen. Der Zeuge dieses Versuchs sitzt hier aufseinem Abgeordnetenplatz: Theo Waigel. Der Bundes-haushalt sollte über den Bundesrat gekippt und verändertwerden.
Kein Komma ist geändert worden. Aber ihr Verhaltenhat uns damals in einer schwierigen wirtschaftlichenZeit Monate gekostet, Monate mit einer vorläufigenHaushaltsführung, die ausgesprochen negative Aus-wirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung gehabthat.
Deshalb sage ich mit großem Selbstbewußtsein: Wirhaben uns durch diese zehn Jahre durchgekämpft. TheoWaigel ist der Architekt des europäischen Stabili-tätspaktes gewesen. Er hat mit unserer Mehrheit die Sta-bilitätskriterien des Maastrichter Vertrages eingehalten,gegen alle negativen Ankündigungen. Diesen Erfolgwerden wir uns von Ihnen nicht wegreden lassen.
Ein Weiteres, Herr Bundesfinanzminister – ich denke,das muß ich Ihnen als langjährigem Ministerpräsidentennicht in Erinnerung rufen –: Es ist ein Fakt, daß sich derAnteil des Bundes am gesamtstaatlichen Steuerauf-kommen in den Jahren von 1991 bis 1998 von damals48 Prozent auf nur noch 41 Prozent zurückentwickelthat. Im gleichen Zeitraum hat sich der Länderanteil umgenau diese 7 Prozentpunkte von 34 Prozent auf eben-falls 41 Prozent erhöht. Das heißt, umgerechnet auf dasheutige Steueraufkommen im Haushaltsjahr 1999:Knapp 60 Milliarden DM sind, wenn man die alten unddie neuen Haushaltsstrukturen und Steuerverteilungen inDeutschland vergleicht, vom Bund auf die Länder über-gegangen, und zwar in einer Zeit, in der wir jährlich60 Milliarden DM höhere Rentenaufwendungen zu fi-nanzieren hatten, in einer Zeit, in der die Aufwendungenfür die Umstrukturierung der Arbeitsmärkte im wieder-vereinigten Deutschland auf das Fünffache angestiegenwaren, in einer Zeit, als wir den Kohlepfennig finanzie-ren mußten und viele andere Sonderlasten zu tragenhatten.
Herr Bundesfinanzminister, ich habe diese Rechnungaufgemacht, weil ich es wirklich für nicht in Ordnunggehalten habe – um es ganz neutral auszudrücken –, daßSie die Stirn hatten, in dieser Woche vor dieses Parla-ment zu treten und die 500 Milliarden DM kommunisti-scher Erblastschulden der DDR dem damaligen Bun-desfinanzminister Theo Waigel in die Schuhe zu schie-ben.
Sie haben von einem von der Vorgängerregierung auf-gehäuften Schuldenberg von 1 500 Milliarden DM ge-sprochen.
Sie sind ein Meister in Fußnoten- und Nettoberechnun-gen, und ich weiß nicht, was Sie sonst noch alles zu-stande bringen. Es ist nicht anständig, so miteinanderumzugehen, wenn man weiß, welche Lasten dem Bund,auch durch die Machtverhältnisse im Bundesrat, in die-sen Jahren aufgebürdet worden sind.
Adolf Roth
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Am gleichen Tag, Herr Finanzminister Eichel, hattedieses Parlament in abschließender Lesung das Un-kenntlichmachen der kommunistischen Erblastschuldender DDR in der Finanzstatistik des Bundes per Gesetz zubeschließen. Sie haben unter dem Deckmantel der soge-nannten Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit perGesetz das, was Sie über Jahre hinweg kritisiert haben,wenn gewisse Streckungen notwendig waren, zum Dau-erzustand gemacht, und zwar aus zwei Motiven heraus:zum einen, um die Schulden pauschal Ihrer Vorgänger-regierung in die Schuhe schieben zu können, zum ande-ren, um sich einen zusätzlichen Finanzierungsspielraumim Bundeshaushalt zu schaffen.Zu den Tilgungsleistungen der letzten Jahre: Es sindimmerhin 48 Milliarden DM der Erblastschulden seit1994 getilgt worden, und zwar nicht nur durch Bewer-tungsgewinne der Deutschen Bundesbank. Auch mit re-gulären Haushaltsmitteln ist ein Betrag von knapp15 Milliarden DM getilgt worden, und zwar im Rahmendes gegebenen Kreditrahmens.Genau das wird mit diesem Gesetz unkenntlich ge-macht. Sie wollen das, was an Abfinanzierung innerhalbeiner Generation vereinbart worden war, aussetzen, umsich selber einen höheren Ausgabenspielraum zuzumes-sen.
Deshalb, glaube ich, ist der Ruf des Erfinders der neuenSparsamkeit und des Entdeckers der deutschen Spar-politik – so schimmerte es in manchen Kommentierun-gen fast schon durch – etwas voreilig.
Wenn Sie sich wirklich drei Wochen lang um einenÜberblick bemüht haben – das bestreitet Ihnen niemand –,dann werden Sie auch festgestellt haben, daß zwischen1993 und 1998 die Bundesregierung Helmut Kohl mitdem Finanzminister Theo Waigel einen außerordentlichstrikten Konsolidierungskurs gefahren ist. Die Ausgabendes Jahres 1998 waren vom Niveau her nicht höher alsdie Ausgaben des Jahres 1993. Sie müssen also mit die-sem Kurs nicht erst anfangen, sondern Sie wären gut be-raten gewesen, wenn Sie diesen Kurs fortgesetzt hätten,statt jetzt mit einem expansiven Schritt in die andereRichtung zu gehen.
– Die Zahlen sprechen eine deutliche, nicht widerlegba-re Sprache, Herr Kollege Schmidt: Der letzte Haushaltder Bundesregierung von Helmut Kohl hatte mit einerAusgabenquote von 12 Prozent des Bruttoinlandpro-dukts den niedrigsten Ausgabenanteil seit 50 Jahren, unddas am Ende dieses schwierigen Wiedervereinigungs-jahrzehnts. Das ist die Wahrheit.
Sie prangern heute kritisch an, daß Deutschland indiesen zehn Jahren im Durchschnitt ein vorübergehendum 1,3 Prozent höheres staatliches Finanzierungsdefizithatte als in den Jahren vor der Wiedervereinigung – eshat damit übrigens im europäischen Umfeld eine absolutunauffällige Entwicklung genommen –, mit dem Ergeb-nis, daß 1998 das Finanzierungsdefizit mit 2 Prozent –Herr Minister, Sie sollten durchaus die Darlegung derZahlen für einen Moment verfolgen – niedriger gewesenist als zehn Jahre davor, vor dem Fall der Mauer im Jah-re 1988. Tatsächlich ist das die authentische Schlußbi-lanz, von der Sie so oft in negativer und abschätzenderForm öffentlich geredet haben. Das lassen wir Ihnennicht durchgehen.
Meine Damen und Herren, Sie wollen das bestreiten,aber Sie werden es nicht bestreiten können. Deshalb sindwir auf die Politik, die Sie in den nächsten Wochen undMonaten vorbereiten, gespannt. Wir sind sehr gespannt,wie Sie aus dem konzeptionellen Dickicht Ihres erstenRegierungshalbjahres herausfinden. Für mich ist sicher –diesen Punkt möchte ich am Ende auch noch ansprechen –,daß die uns durch die Vertragsverpflichtungen von Maa-stricht auferlegte Nachhaltigkeit der Finanzpolitik nichtnur – was in Ordnung ist und was von uns mit Sicherheitmitgetragen wird – quantitative Einschnitte fordert, son-dern uns auch eine qualitative Veränderung unsererStaatstätigkeit und insbesondere eine Veränderung unse-rer heutigen bundesstaatlichen Finanzverfassung abver-langt.Sie haben gesagt, wir müßten wirtschaftlich gute Jah-re – offenkundig rechnen Sie alsbald damit; im Momentsieht es nicht danach aus – zur Konsolidierung nutzen.Die Wahrheit in allen parlamentarischen Demokratien –mit dieser Erfahrung stehen wir leider nicht allein – ist,daß wirklich wirkungsvolle Konsolidierungsstrategienregelmäßig erst dann funktioniert haben, wenn den je-weiligen Parlamenten und Regierungen – ich sage daseinmal so vorsichtig – die Verhältnisse etwas eng ge-worden sind. Das war 1974/75 so, das war in den Jahren1981 bis 1983 so, und leider war das Mitte der 90er Jah-re auch so, als wir zu unserer Konsolidierungsstrategiegezwungen waren, die wir zu einem guten Ergebnis ge-bracht haben.
– Ja, wir werden auf Ihren Datenkranz mit Geduld undGelassenheit warten, Herr Kollege Diller.Ich halte es für einen schwerwiegenden Fehler, daßdie neue Bundesregierung die notwendige Neuordnungunserer Finanzverfassung überhaupt nicht thematisiert,sie auf die lange Bank schiebt und lediglich eine Kom-mission bildet. Sie haben in Ihrem ergreifenden Grund-satzreferat in diesem Hause kein einziges Wort dazu ge-sagt.
Mit der im Koalitionsvertrag festgelegten Festschrei-bung richten Sie sich auf Jahre hin auf eine Verhärtungder bestehenden Verhältnisse ein.Adolf Roth
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3353
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Mein Amtsvorgänger, ein Sozialdemokrat, hat dendamaligen Bundeskanzler, Helmut Kohl, bei der Haus-haltsdebatte im Herbst 1997 dafür gelobt, daß er ineinem Gespräch mit dem Haushaltsausschuß angekün-digt hat, das vorrangigste und wichtigste Thema derneuen, nämlich dieser 14. Legislaturperiode sei eine po-litische Generalbetrachtung des bundesstaatlichen Fi-nanzsystems unter Einschluß aller Ebenen. Dazu gehörtinsbesondere eine Bewertung der Situation in unserenGemeinden, also nicht allein im Bund und in den Län-dern. Mein Amtsvorgänger hat damals triumphierendgesagt: Dazu wird es gar nicht mehr kommen; dieseAufgabe nehmen wir Ihnen ab. Die neue Regierung hatdas aber nicht thematisiert; sie hat es auf die Bank ge-schoben. Ich möchte Ihnen prophezeien, daß Sie ohneden Wettbewerb unter den Bundesländern, ohne die Ent-flechtung der Aufgaben und ohne die Stärkung der Ver-antwortung der einzelnen Ebenen in unserem Staat nichtvorankommen. Deshalb sollten Sie sich wenigstens be-mühen, erste Schritte zu einer solchen Neuordnung zumachen. Ich rate ihnen dringend, die Beseitigung derMischfinanzierung und die Beseitigung der Gemein-schaftsaufgaben dabei als erstes in Betracht zu ziehen.
Ich möchte eines ohne Polemik sagen. Herr Bundes-finanzminister, niemand in diesem Hause und wahr-scheinlich kaum jemand in der Öffentlichkeit will, daßSie in die politischen Fußstapfen Ihres Vorgängers tre-ten. Die spannende Frage ist jedoch, ob es Ihnen gelin-gen wird, aus diesen Fußstapfen herauszukommen. Das,was in dieser Woche in der Haushaltsdebatte im Parla-ment abgelaufen ist, spricht dafür, daß Sie vom Ansatzeiner solchen neuen Entwicklung noch meilenweit ent-fernt sind.
Weil das so ist, werden wir diesen Haushalt nicht mit-tragen, ihn in dritter Lesung ablehnen und werden Siesich darauf einrichten müssen, einen sehr kritischenKontrapartner auf den Bänken der Opposition zu haben.Bevor ich abtrete, möchte ich ein Wort des Dankessagen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in denMinisterien sowie beim Bundesrechnungshof und be-sonders – wenn ich meinen Blick nach hinten richte, se-he ich sie dort noch zu später Stunde sitzen – an dieMitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Sekretariatdes Haushaltsausschusses, die ihre Arbeit weit über denüblichen Rahmen ihrer Verpflichtungen hinaus geleistetund die mit Bravour Ordnung in die Flut unserer Anträ-ge, Berichte und Unterlagen gebracht haben.
Sie haben den störungsfreien Ablauf gesichert. Sie ha-ben uns beraten, sie haben uns geholfen. Dafür sind wirihnen sehr dankbar.Damit möchte ich für meinen Teil sagen: Wir sindjetzt in einer noch nicht definierten Phase der deutschenFinanzpolitik. Es wird in den nächsten Jahren sehr span-nend werden. Aber wir werden mit aller Entschlossen-heit dafür kämpfen, daß wirklich eine Wende in derFinanzpolitik, auch im Gefüge zwischen dem Bund undden Ländern, in Deutschland eintritt. Wir werden Ihnennämlich abverlangen, daß Sie das, was Sie vor diesemHause angekündigt haben, auch in der Praxis Ihrer Re-gierungsarbeit durchsetzen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die
SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Hans Georg
Wagner.
Herr Präsident! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Bei aller Wertschät-zung, Herr Kollege Roth, muß ich Ihnen sagen, daß das– für mich überraschend – die erste extrem parteipoli-tisch gefärbte Rede eines Vorsitzenden des Haushalts-ausschusses gewesen ist, in klarer Überschreitung IhrerKompetenzen.
Ich habe nichts dagegen, will Sie auch nicht politischisolieren, aber wir werden darauf zurückkommen müs-sen. Manches in Ihrer Verhandlungsführung erklärt sicham heutigen Abend.
– Herr Glos, Sie waren ja nicht dabei, Sie können nichtmitreden. Setzen Sie sich bitte hin! Sie müssen hiernicht herumstehen.Seit Dienstag habe ich eines gelernt. Ich war bisherder Auffassung, daß es Menschen gibt, die ein Langzeit-gedächtnis haben, und Menschen, die ein Kurzzeitge-dächtnis haben. Von Dienstag bis heute habe ich erlebt,daß es auch Menschen gibt, die überhaupt kein Ge-dächtnis haben. Das sind nämlich Sie auf der rechtenSeite des Hauses, gedächtnislose Gesellinnen und Ge-sellen, die nicht wissen, daß sie bis zum 27. September1998 die Mehrheit hatten. Alles, was Sie heute für dieletzten sieben Monate gefordert haben, hätten Sie längsterledigt haben können. Sie haben nichts davon getan.
Das kann daran gelegen haben, Herr Kollege Waigel,daß Ihr Freund und Oberbefehlshaber aus München indieser Haushaltsdebatte heute nicht hier war, so daß Sienicht gewußt haben, was Sie eigentlich sagen sollten.
Aber vielleicht ist er beim nächstenmal wieder dabei,dann geht es geordneter zu.Eines ist doch klar: Nachdem überhaupt keine Alter-nativen sichtbar wurden, nachdem überhaupt keine kon-kreten Vorschläge gemacht wurden,
Adolf Roth
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sondern nur Erhöhungsanträge gestellt worden sind,muß ich Ihnen sagen: Das hängt damit zusammen, daßIhr Oberbefehlshaber nicht da war.
Wie es bei Ihnen aussieht, steht doch heute zumBeispiel in den bedeutenden „Lübecker Nachrichten“.Dort steht die Überschrift: „Schäuble muß mehr tun“.Ich zitiere jetzt einmal diesen Artikel, weil er so schönist:Die Junge Union … hat den CDU-VorsitzendenWolfgang Schäuble angegriffen: Er tue zu wenig,
um die Partei aus ihrem politischen Tief herauszu-holen und sie programmatisch zu erneuern. In derPartei herrsche „unproduktiver Stillstand“,
– das kann ich ausdrücklich bestätigen –warfen die JU-Bundesvorsitzende Hildegard Müllerund der schleswig-holsteinische JU-Chef OliverFrankenberg Schäuble vor. Frankenberg sagte denLN, die CDU dürfe sich nicht von dem Wahlerfolgin Hessen sowie den günstigen aktuellen Umfrage-werten täuschen lassen und sich einer falschen„Wir-sind-wieder-da“-Stimmung hingeben.Er forderte Schäuble auf, sich entschlossen für Ver-änderung und Fortentwicklung der CDU einzuset-zen – „wie vor zwei Jahren als Fraktionsvorsitzen-der“. In der Innenpolitik müsse die Union verloreneKompetenz zurückgewinnen. „Die grandios verlo-rene Bundestagswahl war kein Ausrutscher“, be-tonte Frankenberg.Recht hat er, so ist es in der Tat.
Kraft- und saftlos in der Opposition, ohne irgendeineeigene Initiative. Das sind Sie, wie Sie es in den letzten16 Jahren in der Regierung gewesen sind, auch in derOpposition gewesen: saft- und kraftlos!
Wir reden nachgewiesenermaßen über ein strukturel-les Defizit.
– Herr Kollege Waigel, ich höre den Zwischenruf schon.Ich komme nachher bei Ihnen vorbei und erzähle esIhnen.
Sind Sie damit einverstanden? – Danke. Dann erzähleich Ihnen, wie es Oskar Lafontaine geht. Es geht ihmübrigens gut. Ihm geht es besser als Ihnen. Denn Siesind ja noch saft- und kraftlos hier im Bundestag; dashat er jetzt nicht mehr nötig.
Das strukturelle Defizit, Herr Waigel, das Sie unshinterlassen haben, beträgt 30 Milliarden DM. Wennman die gewinnfinanzierten Investitionen hinzuzählt,sind es 90 Milliarden DM, die eigentlich aus diesemHaushalt erwirtschaftet werden müßten, um den Haus-halt wieder auf eine ganz solide Grundlage zu stellen.Sie haben diese 90 Milliarden DM so oder so zu verant-worten. Sie sollten nicht darum herumreden.Ich möchte zur Erinnerung auch des Kollegen Rothnoch auf folgendes hinweisen: 1982, zum Ende der sozi-alliberalen Koalition unter Helmut Schmidt, lag dieVerschuldung bei 300 Milliarden DM. Sie haben es bis1990 geschafft – ohne Einheit –, diesen Betrag auf600 Milliarden DM zu verdoppeln. Bis heute haben Siedie Verschuldung auf 1,5 Billionen DM, also 1 500 Mil-liarden DM, anwachsen lassen. Das ist die Erblast IhrerRegierung. Sie, Herr Kollege Waigel, waren neun Jahreals Finanzminister daran beteiligt.
Sie haben die längste Zeit, die jemals ein Finanzministerim Amt war, dazu genutzt, den Schuldenberg unentwegtansteigen zu lassen. Das ist Ihr Verdienst, Herr KollegeWaigel.Die Zinsbelastung ist mit 25 Prozent so hoch wieseinerzeit die der Länder Saarland und Bremen. DieseLänder haben 1992, wie Sie wissen, vor dem Bundes-verfassungsgericht geklagt und gewonnen. Etwas höherist die Zinslastquote des Bundeshaushaltes. Da habenSie wirklich schön gewirtschaftet. Das kann man Ihnenbestätigen.
Wir haben dafür gesorgt, daß die Kosten der Teilent-schuldung von Bremen und des Saarlandes in den Haus-halt 1999 aufgenommen wurden. Sie haben das damalsin Ihrem Entwurf nicht berücksichtigt. Dafür haben Sieviele Begründungen angeführt. Ich bedauere, daß da-mals diesem Entwurf Leute zugestimmt haben, die da-von betroffen waren. Sie haben die Kohleregelung nichtaufnehmen wollen. Das ist jetzt auch gemacht worden;denn nach der Vereinbarung vom 13. März 1997 mußteeine klare Finanzierungsregelung für den Abbau derSubventionen im Steinkohlebergbau bis zum Jahre 2005geschaffen werden. Ich weiß, daß Sie eine solche Rege-lung schneller schaffen wollten. Aber erst der Protest derBergarbeiter vor unserer Haustür hat dafür gesorgt, daßdiese Regelung geschaffen wurde, die halbwegs sozial-verträglich umgesetzt werden kann.Ich möchte noch eines zum Subventionsabbau hin-zufügen: Man muß wissen, daß im deutschen Steinkoh-lebergbau die einzige Vereinbarung getroffen wordenist, nach der die Unternehmen Vorleistungen erbringenund Konzepte über Betriebsschließungen vorlegenmußten. Wenn jetzt die Regierung – Herr Müller undHerr Eichel – fordert, daß die deutsche Wirtschaft end-lich sagen soll, wo Subventionen abgebaut werden sol-Hans Georg Wagner
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len, dann sagen Sie in völliger Übereinstimmung mit derdeutschen Wirtschaft – Sie übernehmen eigentlich wieimmer deren Argumente –: Das soll zuerst die Regie-rung vorlegen. Damals haben das Saarland und Nord-rhein-Westfalen für seine Steinkohlezechen an der RuhrStillegungspläne vorgelegt. Deshalb sage ich: Die bei-den Minister haben ihre Forderung zu Recht erhoben.Die Industrie soll endlich einmal sagen, wo Subventio-nen abgebaut werden sollen.
Derjenige, der kassiert, weiß doch am besten, wasman zurückgeben kann. Wenn so bedeutende Wirt-schaftsführer und Sprecher von Organisationen wie dieHerren Hundt, Stihl, Philipp und wie sie sonst noch hei-ßen mögen – vielleicht habe ich einen vergessen – sa-gen,
das können wir nicht machen, soll die Regierung docherst einmal die Gegenfinanzierung der Steuerreformvorlegen und mitteilen, was wir an Stelle der Subventio-nen erhalten, dann muß ich darauf antworten, daß das sonicht geht. Das wird es mit uns und der Koalition sonicht geben.
Die alte Regierung hat nur geringe Bereitschaft ge-zeigt, dieses Thema aufzugreifen. Die Regelung für denSteinkohlebergbau, die es vor der Vereinbarung vom 13.März gab, war überstürzt, unüberlegt und in höchstemMaße unsozial. Das muß man Ihnen auch heute nochvorhalten, obwohl inzwischen schon einige Jahre insLand gegangen sind.
Wenn man den Subventionsabbau überall so betrei-ben würde wie im Steinkohlebergbau, dann hätte manjährliche Einsparungsmöglichkeiten von 140 MilliardenDM. Diese Zahl stammt nicht von mir, sondern vomKieler Weltwirtschaftsinstitut, das im Juli 1998 ein Gut-achten über den Stand der Subventionen in der Bundes-republik Deutschland vorgelegt hat. Ich möchte dieZahlen aus dem Gutachten einmal nennen: 1997 betrugdas Subventionsvolumen 291 Milliarden DM. Davonentfielen 187 Milliarden DM auf den privaten Unter-nehmenssektor.Der gesamte Bergbau wurde 1997 mit 12,4 Mil-liarden DM subventioniert. In dieser Summe sind nocheinige Anpassungsgelder enthalten, so daß die Höhe derNettosubventionen für den deutschen Steinkohlebergbaubei 8,9 Milliarden DM lag. Das ist sehr wenig. Dasmacht nur einen Anteil von 3,5 Prozent an den Gesamt-subventionen in Deutschland aus. Trotzdem wird derBergbau beim Thema Subventionsabbau immer wiederals erster genannt. Deshalb habe ich heute abend dieseZahlen genannt, damit jeder weiß, wie es tatsächlichaussieht.Ich füge hinzu: Es wäre gut gewesen, wenn Sie auchnoch andere Subventionsbereiche früher in Angriff ge-nommen hätten. In Nordrhein-Westfalen und im Saar-land haben jedenfalls die Bergbauunternehmen ihrenAnteil finanziert.Da ich gerade von Subventionsabbau spreche: Siehaben damals gesagt, daß der Abbau von Subventionenfür den Steinkohlebergbau eine regionale Aufgabe sei.Ich sage voraus: In Verbindung mit der Agenda 2000wird der Abbau von Subventionen in der Landwirtschaftund der Abbau von Subventionen in anderen Wirt-schaftsbereichen eine regionale Aufgabe sein. Das heißt,der Bund kann nicht alleine die Lasten des Subventions-abbaus tragen; vielmehr müssen auch die in der Haupt-sache betroffenen Länder den Subventionsabbau mitfi-nanzieren, so wie es das Saarland und Nordrhein-Westfalen getan haben.
– Es ist jedem unbenommen, was er hier tut. Sie grinsen,er klatscht nicht. Jeder kann machen, was er will. Es istein frei gewähltes Parlament. Man kann niemandem seinVerhalten vorschreiben. Sie freuen sich, und Herr Dillerist nachdenklich geworden, weil er daran denkt, daßauch Rheinland-Pfalz mit seinen Winzern einen Sub-ventionstatbestand erfüllt. Er denkt über das nach, wasdort passieren wird.
Wir sollten den Subventionsabbau anpacken, mögli-cherweise gemeinsam. Das sollte aber nicht nur dort ge-schehen, wo das Wort „sozial“ steht. Es sollte zuersteinmal dort geschehen, wo es wirklich niemandem wehtut. Wenn man so vorgeht, dann dauert es eine ganzeZeit, bis man zum Abbau sozialer Leistungen gelangt.Man könnte Milliardenbeträge zum Abbau des Defizitsim Bundeshaushalt heranziehen, wenn man Steuerflucht,vor allen Dingen Steuerhinterziehung verhindern würdeund Steuerschlupflöcher stopfen würde. Deshalb solltenwir an die Sache herangehen und versuchen, das zustan-de zu bringen. Deshalb ran an die Sache!
Um fair zu sein, sage ich in Richtung derer, die sichinsbesondere mit sozialen Leistungen befassen: Natür-lich muß man auch darüber nachdenken, wie man zumehr Zielgenauigkeit kommt und wie man dafür sorgt,daß Mißbrauch abgebaut wird. So wie wir im BereichSteuern und in anderen Bereichen Mißbrauch abbauenwollen, muß es möglich sein, daß der Bezug von sozia-len Leistungen nicht mißbraucht wird. Das ist selbstver-ständlich. Die Fachleute auf diesem Gebiet müssen dar-über nachdenken, wie man den Abbau dieses Miß-brauchs erreichen kann.Herr Minister Eichel, ich bin der Meinung, daß wiralle freiwilligen Leistungen des Bundes überprüfenmüssen.
Hans Georg Wagner
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– Herr Kollege Rezzo Schlauch, dazu komme ich noch.– Adolf Roth hat gesagt, er wolle, daß alle Gemein-schaftsaufgaben – Hochschulbau, Verbesserung der re-gionalen Wirtschaftsstruktur; an diese zwei kann ichmich erinnern – abgeschafft werden. Abgesehen davon,daß das nicht geht, möchte ich sagen: Es sind immerhinGemeinschaftsaufgaben mit freiwilligen Leistungen desBundes. Das gilt für den sozialen Wohnungsbau. Im Ge-setz heißt es, daß der soziale Wohnungsbau Sache derLänder ist. Es gibt also schon einige Möglichkeiten, woman Einsparungen vornehmen und auf eine Konsolidie-rungsphase umstellen könnte.Ich möchte noch ein paar Sätze zum Haushalt selbersagen. Wir haben die Anteile für Forschungsvorhabenzugunsten kleiner und mittlerer Betriebe im Haushaltdes Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologieum 1 Milliarde DM erhöht. Daß wir gar nicht soschlecht liegen, entnehme ich unserer künftigen Heimat-zeitung, der „Berliner Zeitung“, von heute. Unter derÜberschrift „Mittelstand investiert wieder stärker“ heißtes dort:Die mittelständischen Unternehmen investierenwieder: „Die Lage ist besser als die Stimmung“,sagte der Vorstandssprecher der bundeseigenenKreditanstalt für Wiederaufbau , Gerd Vogt.Denn zwischen Januar und April– also ganz eindeutig in der Zeit dieser Bundesregie-rung –hat die Förderbank des Bundes inländische Investi-tionskredite in Höhe von 18,6 Milliarden Mark …zugesagt, das waren sechs Milliarden mehr als imentsprechenden Vorjahreszeitraum. Davon entfielenneun Milliarden Mark auf Kredite für kleine undmittlere Unternehmen, ein Plus von rund 50 Pro-zent.
Sie haben drei Tage lang versucht, uns weiszuma-chen, die mittelständische Wirtschaft investiere nichtmehr, sie sei enttäuscht und laufe mit Tränen in den Au-gen herum. Hier steht schwarz auf weiß, daß die mittel-ständische Wirtschaft unter einer rotgrünen Regierunginvestiert. Danke schön, mittelständische Wirtschaft!
Ich nenne eine weitere Zahl. Täglich gehen in Frank-furt mehr als 1 000 Anträge mit der Bitte um Finanzie-rung ein. Im März und im April sind es sogar täglich2 000 Anträge gewesen. Als Europäer finde ich es imübrigen gut, daß auch kleine und mittelständische Be-triebe – das haben wir immer gefordert – in stärkeremMaße in anderen Ländern der Europäischen Union inve-stieren. Es ist wünschenswert, daß nicht nur die großenBetriebe in anderen Ländern investieren, sondern daßauch die mittelständische Wirtschaft in Kooperation mitder mittelständischen Wirtschaft der anderen EU-Ländertritt. Ich finde, das ist eine gute Sache.Wir haben, um auf den Haushalt zurückzukommen,die Mittel für Friedens- und Konfliktforschung ver-doppelt. Früher standen diese Ausgaben in IhremStreichorchester an erster Stelle. Sie haben sie gestri-chen, wir haben sie verdoppelt, denn die Zahl der Krisenist ja nicht kleiner, sondern größer geworden.
Ich freue mich auch, daß wir – da mußten wir eineAuszeit nehmen, wie Sie, Herr Kollege Roth, kritischangemerkt haben – für humanitäre Hilfe und für denAufbau im Kosovo 300 Millionen DM in den Haushalteingestellt haben, zusätzlich zu den Mitteln, die in denvier Etats Entwicklungshilfe, Inneres, Äußeres undVerteidigung enthalten sind. Ob die zusätzlichen300 Millionen DM ausreichen, weiß niemand von uns,auch Sie nicht.Verschiedentlich wurde hier davon gesprochen, daßwir endlich Mittel für den sogenannten Marshallplan –ich bin Gerhard Schröder übrigens sehr dankbar dafür,daß er die Idee eines Marshallplanes für den Balkanentwickelt hat – einstellen sollten. Ihre Forderung, heuteschon etwas einzustellen, belegt, daß Sie noch nie wuß-ten, wie so etwas geht. Europa müßte Ihnen eigentlicheine Warnung sein. Theo Waigel hat 1994 den Finanzie-rungsvertrag, der uns auf Dauer zum größten Nettozah-ler in der Europäischen Union gemacht hat, wahrschein-lich deshalb unterschrieben, weil er es so gesehen hat,daß wir Europa bezahlen sollen, damit die anderen mit-machen. Wenn wir aber heute schon sagen, wieviel Geldwir zu einem Marshallplan für den Balkan beisteuern,dann reduzieren die anderen von vornherein ihre Beiträ-ge. Es gilt also, zunächst einmal Verhandlungen darüberzu führen. Wenn es soweit ist, werden wir schon die ent-sprechenden Geldmittel im Haushalt zur Verfügungstellen. Ich hoffe dabei auf Ihre Mithilfe.
Für den militärischen Einsatz haben wir 441 Mil-lionen DM eingestellt. Wir hoffen, daß die Summe aus-reicht bzw. geringer ausfällt, aber die Hoffnung istwahrscheinlich vergebens, wie Sie alle wissen.Nun haben Herr Austermann und andere die Wocheüber und auch heute mit den Steuermehreinnahmen inHöhe von 30 Milliarden DM geaast. Ich sage Ihnen jetzt,wofür wir diese Mehreinnahmen verbraucht haben: DieErlöse aus der Umsatzsteuererhöhung zum 1. April letz-ten Jahres fließen als Zuschuß der Rentenversicherung zu.Diesen Beschluß, die Mehrwertsteuer um 1 Prozent zuerhöhen, haben wir im April vergangenen Jahres ge-meinsam gefaßt; hierbei handelt es sich um 4 MilliardenDM. Damit bleiben noch 26 Milliarden DM übrig. DieÖkosteuereinnahmen dienen der Absenkung der Beiträ-ge zur Rentenversicherung; hier geht es um 8,5 Mil-liarden DM. Die Abnahme der Privatisierungseinnah-men im Einzelplan 60 als erster Schritt zur Schließungder strukturellen Lücke macht 9 Milliarden DM aus. DieAbsenkung der Nettokreditaufnahme gegenüber 1998schlägt mit 3 Milliarden DM zu Buche und die Finanzie-rung des Ausgabenzuwachses im Bundeshaushalt vonnur 1,2 Prozent mit 5 Milliarden DM. In diesen Berei-chen werden, wie Sie sehen können, die 30 MilliardenHans Georg Wagner
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DM eingesetzt; sie sind völlig für die eben hier genann-ten Maßnahmen draufgegangen.Schon diese wenigen Zahlen belegen, daß Ihre Be-hauptungen schlichter Unfug sind.
Versuchen Sie doch nicht die Menschen dadurch zu täu-schen, daß Sie den Eindruck erwecken, die Steuermehr-einnahmen in Höhe von 30 Milliarden DM stünden ganzoder zu einem großen Teil für Steuerentlastungen zurVerfügung. Sie sind nicht mehr da, sondern schon aus-gegeben worden.Es freut mich sehr, daß die Investitionen im Haushaltnicht zurückgefahren worden sind. Durch sie werdenArbeitsplätze gesichert und geschaffen. Das gilt für denVerkehrshaushalt und andere Bereiche, die investiveAufgaben wahrnehmen.Dieser Haushalt kann sich sehen lassen.
Wir werden bei der Vorlage des nächsten Haushaltes se-hen, inwieweit Sie bereit sind, zur Konsolidierung desBundeshaushaltes das Ihrige beizutragen. In dieser Wo-che war davon absolut nichts zu spüren.Schönen Dank.
Alsnächster Redner hat der Kollege Jürgen Koppelin vonder F.D.P.-Fraktion das Wort. Bitte schön.Jürgen Koppelin (von der F.D.P. mit Bei-fall begrüßt): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!Ich möchte zwei Vorbemerkungen machen:Zunächst möchte ich auch für die F.D.P.-Fraktion,einer guten Tradition folgend, den Mitarbeiterinnen undMitarbeitern des Haushaltsausschusses für ihre Zuarbeitund vor allem für die Geduld, die sie mit uns Abgeord-neten gehabt haben, meinen herzlichen Dank ausspre-chen.
Erlauben Sie mir – das sage ich jetzt einmal, um et-was Stimmung aufkommen zu lassen – außerdem eineBemerkung an die Kolleginnen und Kollegen der Union:Sie hatten ja in dieser Woche den Wunsch geäußert, dieAbstimmung über den Haushalt am Freitag stattfindenzu lassen. Wenn ich einen Blick auf die Uhr werfe,glaube ich, daß wir das noch hinbekommen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt istmehr als eine Auflistung von Einnahmen und Ausgaben,er stellt Weichen für die Finanzpolitik und die Gesell-schaftspolitik. Er ist natürlich auch Voraussetzung dafür,daß neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen wer-den. Der Herr Finanzminister Nummer zwei dieser Re-gierung sagte
– belassen wir es bei Nummer zwei; der andere war janur kommissarisch tätig –, er wolle die Verschuldungverringern, Veränderungen bei den Ausgaben vorneh-men und eine solide Finanzpolitik betreiben. Das ist zubegrüßen, um so mehr, als man befürchten mußte, daßsich Deutschland unter dem Finanzminister Lafontaineinternational ins Abseits manövrieren und vor allemfinanzpolitisch in einem Sumpf versinken würde.Da Herr Kollege Wagner, der aus dem Saarlandkommt, eben gesprochen hat, kann ich es mir nun dochnicht verkneifen, noch ein Wort zu Lafontaine zu sagen.Sein Verhalten ist meines Wissens bisher einmalig inder Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gewe-sen. Da schmeißt der Finanzminister einer Bundesregie-rung während der laufenden Haushaltsberatungen dieBrocken hin und sucht fluchtartig das Weite. Dann wirddas Finanzministerium kommissarisch vom Wirt-schaftsminister geleitet, um dann Hans Eichel übergebenzu werden. Noch als abgewählter Ministerpräsidentbleibt er so lange im Amt, um der wachstumsschädli-chen und arbeitsplatzvernichtenden Steuergesetzgebungvon Rotgrün im Bundesrat zustimmen zu können.
Das, Herr Eichel, haben Sie getan, obwohl Sie nach derWahl gesagt haben, Sie wollten an den Abstimmungenim Bundesrat nicht teilnehmen. Das waren natürlichkeine besonders guten Voraussetzungen für die Über-nahme Ihres neuen Amtes.Auch Sie, Herr Eichel, tragen Verantwortung dafür,daß die Ökosteuer nichts anderes ist als das Abkassie-ren der Bürger.
Da Sie ja auf uns, auf F.D.P. oder CDU/CSU, nicht hö-ren wollen, zitiere ich einmal jemanden, auf den Sievielleicht hören. Gerhard Schröder hat sich zur Ökosteu-er 1997 in einem Interview mit dpa – noch als Minister-präsident – wie folgt geäußert:Schröder: Die erhoffte Lenkungswirkung zumWohl der Umwelt wird nur gering sein. Für dieBürger in Flächenstaaten wie Bayern ist ein höhererBenzinpreis aber eine empfindliche Mehrausgabe.
Die SPD muß dann in Kauf nehmen, daß die Leutedie Schnauze voll von uns haben.
Ich glaube, wir können dem Bundeskanzler Vollzugmelden. Die Leute haben inzwischen die Schnauze voll.Von der vor der Wahl versprochenen Entlastung derSteuerzahler ist ebenfalls nicht viel übriggeblieben.Kleine Wohltaten wie die Anhebung des Kindergeldeswerden zu Lasten der Unternehmen und damit zu LastenHans Georg Wagner
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der Arbeitsplätze finanziert. Auch dafür, Herr Eichel,tragen Sie Verantwortung.Ich muß noch einmal auf einen Punkt zurückkom-men, den gestern der Bundeskanzler angesprochen hat.Er hat uns, der alten Koalition, vorgeworfen, wir hättendas Thema Steuerreform in unserer Regierungszeitüberhaupt nicht angepackt. Die Wahrheit ist: Es gab indiesem Parlament Anträge zur Steuerreform von derF.D.P., der CDU/CSU und auch vom Bündnis 90/DieGrünen; es gab aber keine Anträge von der SPD.
Das brauchte die SPD auch nicht, denn das Rezept warja einfach: Wir lehnen alles ab und blockieren alles imBundesrat. Das war die Methode Lafontaine, und derjetzige Finanzminister Eichel hatte das als hessischerMinisterpräsident im Bundesrat als Wortführer der SPD-Bundesländer umzusetzen. Ich sage es einmal sehr deut-lich: Herr Eichel trat im Bundesrat als die Taschen-buchausgabe von Oskar Lafontaine auf. Das ist dieWahrheit.
War es nicht Rotgrün, die angetreten waren, auch inder Haushaltspolitik einen politischen Neuanfang zustarten? Waren Sie es nicht, die von Haushaltsklarheitund Haushaltswahrheit gesprochen haben? – Nichtsdavon ist übriggeblieben: Da wird die Ausgabenent-wicklung schöngerechnet, indem man eine fragwürdigeUnterscheidung zwischen Netto- und Bruttozuwächsenvornimmt. Nur so gelingt es, den Ausgabenzuwachsnominell auf 1,2 Prozent zu begrenzen. Da werdenErblastentilgungsfonds, Bundeseisenbahnvermögen undKohleverstromungsfonds in den Bundesetat übernom-men. Dies ist auf zweierlei Weise für die rotgrüne Bun-desregierung sicher zweckmäßig: zum einen, weil derBund ohnehin für die Schulden dieser Sondervermögenaufkommen muß, zum anderen – und das ist der eigent-liche Grund –, weil der Finanzminister jetzt Luft hat,eine weitere Neuverschuldung vorzunehmen.Da wird der Bundeshaushalt 1999 in Höhe von rund23 Milliarden DM durch Einmaleffekte finanziert, in-dem man rund 17 Milliarden DM aus Privatisierungser-lösen aus dem Jahr 1998 in das Jahr 1999 verschiebt und6 Milliarden DM aus dem Verkauf von Kreditforderun-gen an die Bahn in den Haushalt einstellt, und so gehtdas in einem fort. Ohne diese Mitgift wäre es nicht ge-lungen, die Neuverschuldung auf 53,5 Milliarden DM zubegrenzen. Doch wie unsolide Ihre Haushaltspolitik ist,zeigt die gestrige Entscheidung des Hauptpersonalratsdes Bundeseisenbahnvermögens, den Verkauf von110 000 Eisenbahnerwohnungen abzulehnen. Damitfehlen Ihnen plötzlich in Ihrem Haushalt schon wieder4,6 Milliarden DM.Wenn Herr Müntefering nun erklärt, dann müsse manbei den Investitionen streichen, darf man Herrn Münte-fering einmal darauf aufmerksam machen, daß er damitdann allerdings in Schwierigkeiten mit Art. 115 desGrundgesetzes kommen wird. Er sollte das einmalnachlesen. Aber vielleicht hat sich Herr Münteferingnoch nicht mit der Haushaltspolitik seiner Regierung be-schäftigt. Investitionen zu kürzen, wie Herr Münteferinges ankündigt, heißt natürlich auch, Arbeitsplätze zu ver-nichten.
Bei dieser Politik wundert es nicht, daß die Arbeits-marktausgaben mehr als reichlich angesetzt werdenund daß die Bundesanstalt für Arbeit mit einem Zuschußvon 11 Milliarden DM ausgestattet wird. Dieser Zu-schuß zeigt doch, daß die rotgrüne Koalition schon jetztnicht mehr daran glaubt, daß die Arbeitslosigkeit abge-baut werden kann. Ja, sie rechnet sogar mit einer höhe-ren Arbeitslosigkeit. Anders ist dieser Zuschuß nicht zuerklären.Wer, wie die rotgrünen Haushälter, daherkommt undvon einer eingeleiteten Wende in der Finanzpolitikspricht, der muß anscheinend an Realitätsverlust beson-derer Art leiden; denn der Haushalt zeichnet sich durchUnfähigkeit, Dilettantismus und Schönrederei aus, wassich wie ein roter Faden durch Ihre Politik zieht. Ange-fangen mit der Ökosteuer über die Regelungen zurScheinselbständigkeit bis hin zu den 630-Mark-Jobsund zu dieser Haushaltsvorlage: alles Dilettantismus undSchönrederei, aber keine arbeitsmarktpolitischen Signa-le.
Die Wirkung Ihrer Politik ist doch, daß auf Grund derNeuregelungen zur Scheinselbständigkeit und zu den630-Mark-Jobs zigtausend Arbeitnehmer kündigen undFreiberufler und junge Selbständige um ihre Existenzfürchten müssen. Die Gründung von Existenzen wirdnoch zusätzlich durch die Bürokratie bei den Finanzäm-tern erschwert. Eines erreichen Sie mit Ihrer Politik aufjeden Fall: die radikale Steigerung von Schwarzarbeit.
An einer Stelle sind Sie ja schon leiser geworden. Dasnach der Bundestagswahl groß angekündigte „Bündnisfür Arbeit“ ist, so meine ich, inzwischen zu einer reinenPR-Veranstaltung für den Bundeskanzler verkommen.Wenn das „Bündnis für Arbeit“ Sinn haben soll, dannhätten Sie die Gesetze zu den 630-Mark-Jobs, zurScheinselbständigkeit und zur Ökosteuer einmal mit denBetroffenen erörtern sollen. Das haben Sie natürlichnicht getan.
Wenn Arbeitsminister Riester erklärt, man dürfe bei die-sen Gesetzen vor den Verbänden und deren Kritik nichteinknicken, dann zeigt das doch, daß Ihnen an der Mei-nung der Arbeitgeber überhaupt nicht gelegen ist. Sieliegen doch voll im Gewerkschaftstrend. Der KollegeNiebel hat schon dargelegt, wie groß Ihre Besetzung beiden Gewerkschaften ist.
Jeden Tag kündigen Regierungsmitglieder und Abge-ordnete der Koalition Änderungen zu den verkorkstenGesetzen an. Wann können aber die Betroffenen mitJürgen Koppelin
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entsprechenden Veränderungen rechnen? In dieser Fragehaben Sie bisher gekniffen.Mir und allen anderen ist heute aufgefallen, daß Siedem Bundesarbeitsminister einen sehr langanhaltendenBeifall gegeben haben. Offen gesagt, habe ich gedacht:Nun verabschieden Sie ihn.
Denn das letzte Mal, liebe Kolleginnen und Kollegenvon Rotgrün, haben Sie einen so langen Beifall im Hau-se nach der letzten Rede von Oskar Lafontaine gegeben.– Danach war er weg.
Der Bundesarbeitsminister sollte nicht Arbeitsmi-nister heißen, er ist inzwischen ein Arbeitsplatzvernich-tungsminister geworden. Das ist die Wahrheit, die wirhier ansprechen müssen.Die F.D.P. hat bei den Beratungen in den verschiede-nen Ausschüssen immer wieder Vorschläge eingebracht,die Verbesserungen in der Haushalts-, Finanz- und Ar-beitsmarktpolitik bedeutet hätten. Aber alle Anträge sindabgelehnt worden. Ich verstehe das: Wer wie Rotgrünideologisch verblendet ist, der wird sich nicht an denRealitäten orientieren können.An dem, was in der SPD-Fraktion passiert, merktman, daß Sie sich gar nicht mehr bewegen können. Da-für hat es in diesen Tagen ein Beispiel gegeben. DerGewerkschaftsboß der IG BAU, der SPD-AbgeordneteWiesehügel, startete in der SPD-Fraktion einen Antragzur Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes. Dar-über schreibt die „Berliner Zeitung“ – ich finde, es istein sehr aufschlußreiches Dokument –:Das Vorgehen stieß auf heftigen Protest von SPD-Fraktionschef Peter Struck. Nachdem er den Abge-ordneten wegen dessen eigenmächtigen Vorgehenseinbestellt hatte, wies Struck die Initiative im Frak-tionsvorstand lautstark mit scharfen Worten zurück.Im nächsten Absatz heißt es:Danach schlossen sich weitere Abgeordnete derUnterschriftenaktion an.
So läuft das in der SPD. Das ist ein Beispiel für IhreDoppelzüngigkeit.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zumSchluß.
– Ich danke Ihnen für den Beifall. – Erlauben Sie mireine Bemerkung: Früher hat an dieser Stelle für die So-zialdemokraten die Kollegin Matthäus-Maier gespro-chen. Wir haben alle zur Kenntnis genommen, daß siedemnächst aus diesem Hause ausscheiden wird undeinen anderen beruflichen Weg einschlägt. Ich möchtean dieser Stelle der Kollegin Matthäus-Maier für ihr En-gagement im Parlament Dank sagen, auch wenn wirnicht immer einer Meinung gewesen sind. Ich möchteihr vor allem Dank sagen – das werden Sie verstehen –für den ersten Teil ihrer Parlamentsarbeit.
Für den zweiten Teil bedanke ich mich etwas weniger.Da bitte ich Ingrid um Verständnis. Aber insgesamtmöchte ich einen Dank aussprechen. Sie ist eine enga-gierte Parlamentarierin gewesen und hat unseren Re-spekt verdient.Ich will noch süffisant bemerken: Bei mir wird sie alsdie Parlamentarierin in Erinnerung bleiben, die bei allenForderungen, die aus der SPD gekommen sind, immerwieder den Deckungsvorschlag gemacht hat, die An-schaffung des Euro-Fighters abzulehnen. Ingrid, herzli-chen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt 1999ist eher ein Schritt zurück und nicht nach vorn. Der ersteHaushalt der rotgrünen Koalition ist ein Dokument derEinfallslosigkeit und der Hilflosigkeit. Er ist unseriös. Erist vor allem nicht geeignet, einen wichtigen Beitrag zurLösung der Probleme unseres Landes zu leisten. Siemüssen verstehen, daß wir so einen Haushalt nicht mit-tragen können und ihn ablehnen.Vielen Dank.
FürBündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege MatthiasBerninger das Wort.
Haushaltsdebatten zu so später Stunde lassen erwarten,daß der Schlagabtausch der vergangenen Tage in denalten Schützengräben fortgeführt wird. Offen gestandenwar ich von dem Aufguß, der dabei zum Teil heraus-kam, von dem, was schon in den letzten Wochen immerwieder behauptet wurde, etwas enttäuscht.Eines wurde heute zwischen den Zeilen zugestanden.Herr Kollege Roth, Sie haben gesagt, Sie wollen demneuen Bundesfinanzminister abverlangen, das Angekün-digte durchzusetzen. Das, finde ich, ist die Rolle, die ichmir von der Opposition in Zukunft wünsche. Das istauch ein verstecktes Lob für das, was der Bundesfi-nanzminister in seiner ersten Stellungnahme zum Haus-halt 1999 und zu den Perspektiven hier deutlich gemachthat.
Er hat deutlich gemacht, daß es nicht mehr so weiter-geht, den Haushalt mal ein bißchen über, mal ein biß-chen unter der verfassungsmäßig festgelegten Grenze zufahren, wie das sein Vorgänger Waigel mit einer Mi-schung aus Erhöhung der Schulden und Verkauf von Ta-felsilber gemacht hat. Ein Ergebnis der Bestandsauf-Jürgen Koppelin
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nahme in den Haushaltsberatungen 1999 ist doch wohl,daß in den vergangenen 16 Jahren von dem Tafelsilberder Bundesrepublik Deutschland allenfalls noch ein Es-pressolöffel übriggeblieben ist. Genau das ist eines derGrundprobleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben.
Wir werden das Haushaltsloch im nächsten Jahr undin den Folgejahren nicht mehr durch Privatisierungserlö-se, durch Tricksereien oder was auch immer verkleinernoder die Haushaltsmisere kaschieren können. Es gibt nureinen Weg, die strukturellen Probleme, die im Haushaltvorhanden sind und auf die der Finanzminister in seinerRede vor zwei Tagen eingegangen ist, anzupacken.Strukturelles Problem Nummer eins ist die Neuver-schuldung. Wir haben angekündigt, den Haushalt insGleichgewicht zu bringen, die Neuverschuldung herun-terzufahren. Wir wollen die Neuverschuldung im Rah-men der mittelfristigen Finanzplanung in dieser Legis-laturperiode halbieren, was ich schon für ein sehr ehr-geiziges Ziel halte, auch wenn es Herr Lafontaine for-muliert hat. Die Halbierung der Neuverschuldung ineiner Legislaturperiode und das Ziel, in den nächstenacht Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentie-ren, sind ein ehrgeiziges Vorhaben, das nur dann gelingt,wenn die Konsolidierungsanstrengungen von dieser Ko-alition getragen werden.Nun sagen Sie, Herr Kollege Roth, Sie wollen denFinanzminister dabei unterstützen, diese Konsolidie-rungsanstrengungen durchzusetzen. Ich bin neu imHaushaltsausschuß. Wir als Haushälter der Koalitions-fraktionen haben versucht, zu sparen, bei den einzelnenTiteln nicht mit globalen Minderausgaben oder ähnli-chem zu operieren. Dabei haben wir immer wieder fol-gende Feststellung gemacht: Abstrakt sind Sie von derOpposition der Meinung, man müsse kürzen, sparen unddürfe nicht soviel ausgeben. Bei jedem Kürzungsvor-schlag haben Sie aber protestiert und Gegenanträge ge-stellt, um einzelne Ansätze doch noch zu erhöhen oderzu verdoppeln.
Das ist Ihr gutes Recht. Das ist im übrigen auch das Re-zept gewesen, mit dem die Opposition 1983 auf die Fi-nanzpolitik der neuen Bundesregierung reagiert hat. Daskönnen Sie ruhig für eine ganz lange Zeit machen. Sowerden Sie auch, Herr Roth – das hoffe ich sehr –, sehrlange Ausschußvorsitzender bleiben. Aber Sie werdenkeinen Beitrag dazu leisten, daß wir den Haushalt wie-der ins Gleichgewicht bringen.Wenn man sich die Beiträge der Kolleginnen undKollegen angehört hat, die für den Haushalt nicht direktverantwortlich sind, sondern für die jeweilige Fachpoli-tik, dann hat man festgestellt, daß es sich abstrakt leichtüber die Reduzierung der Neuverschuldung und überden Schuldenabbau reden läßt. Wenn es aber, so wiejetzt, konkret wird – jede Kollegin und jeder Kollegeweiß das –, stehen natürlich eine Reihe von Verspre-chungen, die wir alle gemacht haben, eine Reihe vonBesitzständen, eine Reihe von Wohltaten und eine Reihevon guten Dingen, die wir durch Staatsausgaben finan-zieren, auf dem Prüfstand. Sie werden verstehen, daßwir nicht unmittelbar nach der Wahl – so wie wir es inverschiedenen Bereichen gemacht haben; wie ich meine,nicht immer mit dem größten Erfolg – den Haushaltkomplett umgebaut haben, sondern uns für den Haushalt1999 Zeit genommen haben, um ihn uns sehr genau an-zusehen und zu schauen, ob das, was wir in Oppositi-onszeiten schon vermutet hatten – nämlich, daß es einenormes strukturelles Defizit gibt –, zutrifft, um dannmit dem Haushalt 1999 die Maßnahmen vorzubereiten,die im Jahr 2000 folgen müssen. Am Haushalt 2000messen wir dann auch Ihre Ankündigung, den Herrn Fi-nanzminister zu unterstützen; denn im Haushalt 2000steht ganz konkret eine veränderte Prioritätensetzung an.Es steht auch ganz konkret an, daß wir tatsächlich be-ginnen, mit massiven Einschnitten zu sparen.Sie von der Opposition gestehen ja auch ein – sei esin der Kneipe, sei es in den Ausschußsitzungen –, daßSie es uns nicht zugetraut hätten, dieses halbe Prozent,das wir Parlamentarier uns als erstes Ziel gesetzt ha-ben, einzusparen. Ihr Lob für die guten Haushaltsbe-ratungen, Herr Kollege Roth, macht deutlich, daß dieKoalitionsfraktionen hier mit großer Geschlossenheitetwas erreicht haben – gegen den Widerstand in deneigenen Reihen und von Lobbyisten. Ein Beispiel vonvielen ist, daß das Branntweinmonopol fällt. Sie geste-hen ja ein, daß wir dabei auf einem ganz vernünftigenWeg sind.
Im nächsten Jahr wird es schwerer; denn dann wirdein halbes Prozent Einsparung nicht ausreichen. Dannmüssen wir mehr tun, als dieses halbe Prozent einzuspa-ren. Ein Punkt, der dann eine sehr wichtige Rolle spielenwird, wird die Reform der Rentenversicherung sein.Wir bringen den Haushalt nämlich nur dann ins Gleich-gewicht, wenn wir neben der Reduzierung der Neuver-schuldung die immer stärker wachsenden Ausgaben fürdie Alterssicherung in den Griff bekommen. Wenn wirdas nicht schaffen, dann werden Sie uns in den nächstenJahren mit Recht kritisieren können, nach dem Motto:Das Haushaltsvolumen wächst immer mehr, Sie suchensich neue Steuereinnahmen – wie etwa durch die Öko-steuer – und wollen die Ausgabenzuwächse in der Ren-tenversicherung damit finanzieren.Das ist es nicht, was hinter der ökologischen Steuer-reform steht. Da müssen wir alle von seiten der Koaliti-onsfraktionen den Menschen auch sehr unangenehmeWahrheiten sagen, zum Beispiel die unangenehmeWahrheit, daß neben der Umfinanzierung, neben der Fi-nanzierung weg von den Beiträgen hin etwa zu indirek-ten Steuern – wir meinen, die Ökosteuer ist der richtigeWeg –, auch strukturelle Reformen nötig sind.
Das wird sehr schwer werden. Der jetzige Finanzmi-nister wird aber scheitern, wenn das nicht gelingt.
Matthias Berninger
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Insofern sage ich Ihnen, daß wir Grünen beim ThemaRentenreform in den nächsten zwei Jahren sehr genauhinsehen werden.Wir werden aber nicht da anschließen, wo Sie aufge-hört haben, nämlich die Rentenreform so zu gestalten,daß vor allem bei den ärmeren Rentnerinnen und Rent-nern gekürzt wird. Sie haben vor allem bei denen ge-kürzt, die es bitter nötig haben, im Alter auch staatlicheUnterstützung zu bekommen. Wir wollen eine Rentenre-form machen, die die Lasten gerecht verteilt: nicht nurzwischen Alten und Jungen, sondern auch innerhalb derälteren Generation.
Ich erwarte vom Bundesfinanzminister und vom Bun-desarbeitsminister, daß sie hier in den nächsten zweiJahren Vorschläge machen, an deren Ende ein moder-nes, dauerhaftes und für alle Generationen tragfähigesRentenversicherungssystem steht.Wir haben aber nicht nur gekürzt. Das ist etwas, wasdiesen Haushalt von den Haushalten unterscheidet, de-ren Beratungen ich als Oppositionsabgeordneter verfol-gen konnte. Ich habe gesehen, daß man immer gesagthat: Wir müssen für kommende Generationen sparen.Damit hat man beispielsweise begründet, daß man nichtsfür junge Menschen getan hat, die keinen Arbeitsplatzbekommen haben.
Wir haben über Jahre beobachten können, wie der Bil-dungsetat von der Vorgängerregierung beständig gekürztwurde. Ich denke, zur Generationengerechtigkeit ge-hört, daß man einerseits für kommende Generationen,andererseits aber auch für die Spielräume der Tages-politik sorgt, indem man weniger Schulden macht, aberauch – das scheint mir ebensowichtig zu sein – andereAkzente setzt. Daher freue ich mich, daß es uns gelun-gen ist, nahezu 1 Milliarde DM mehr im Bildungsbe-reich bereitzustellen.
Das ist dem ehemaligen Herrn Finanzminister – der jetztaufsteht –, soweit ich mich erinnere, nie gelungen.
– Kann ich leider nicht, weil Sie diese zusätzliche Milli-arde nie bereitgestellt haben. Im Gegenteil: Herr Rütt-gers ist in seinem Bereich letzten Endes immer mit denmeisten Einsparungen nach Hause gegangen. Vor demHintergrund haben Sie an der falschen Stelle gespart undzu Recht die letzten Wahlen verloren.Ich glaube, daß dieser Weg, einerseits in bestimmtenBereichen Akzente zu setzen, andererseits aber auchmutig zu sparen, der vernünftigste Weg ist. – Wenn Siejetzt den Kollegen Metzger ansprechen, Herr Waigel:Der ist auch der Meinung, daß man Akzente setzen muß;da müssen Sie nur seine Rede hören.
Er ist, ebenso wie wir alle in der Koalition, der Mei-nung, Herr Kollege Waigel, daß einfach nur Sparennicht ausreicht, sondern daß man darüber hinaus auchAkzente setzen muß. Diese Akzente haben wir gesetzt,indem wir 2 Milliarden DM für junge Leute bereitge-stellt haben, die aus der Arbeitslosenstatistik herausge-fallen sind und gar nicht mehr als junge Arbeitslose vor-kamen. Natürlich kann man sagen, daß von den2 Milliarden DM nicht jede Mark optimal angekommenist. Aber daß der Kollege Austermann in seiner Redezum Haushalt gesagt hat, das Programm sei insgesamtBlödsinn, halte ich für absolut unangemessen und, wennSie sich die Schicksale betrachten, aus meiner Sicht fürzu kurz gedacht.
Wenn hier die Rede davon ist, daß wir zuviel für ak-tive Arbeitsmarktpolitik ausgeben, will ich Ihnen sa-gen: Das halte ich für eine ziemliche Heuchelei. VorWahlen, Herr Kollege Koppelin, ist auch die F.D.P. da-bei, die Menschen zu beruhigen und zum Beispiel Pro-gramme aufzulegen. Unmittelbar nach der Wahl wollenSie die Leute wieder aus dem Arbeitsmarkt, und sei esnur aus dem zweiten Arbeitsmarkt, herausschicken. Die-se Heuchelei machen wir nicht mit. Insofern freue ichmich darüber, daß wir im Bereich der Arbeitsmarktpoli-tik auch den Versuch machen, statt der ArbeitslosigkeitArbeit und sinnvolle Beschäftigung für die Menschen zufinanzieren.
Das ist etwas, was noch über Jahre nötig sein wird, weildie Arbeitslosigkeit nicht in dem Maße zurückgehenwird, wie wir uns das alle wünschen.Die Haushaltsberatungen sind nach dem alten Musterabgelaufen. Auch wir haben immer wieder darauf hin-gewiesen, daß die Hinterlassenschaften der Vorgänger-regierung unsere Spielräume einschränken. Wir hattennatürlich auch den einen oder anderen Spagat zu ma-chen, weil auch die Koalitionsfraktionen im Wahlkampfweit mehr versprochen haben, als sie in der Regierungs-verantwortung halten können. Das Thema Wohngeld,das heute eine Rolle spielte, ist ein Beispiel.Man sollte die Debatte über den Haushalt 2000 nichtin diesem Stil fortsetzen. Bei der Debatte über denHaushalt 2000 steht an, daß wir gemeinsam versuchen,neue Akzente zu setzen, aber auch zu sparen. Da erwarteich von denen, die uns vorhalten, wir würden unsolideFinanzpolitik machen, Einsparvorschläge statt der For-derung nach Erhöhungen, von denen Sie genau wissen,daß wir sie nicht realisieren können.
Ich gehe fest davon aus, daß der neue Kurs, obwohles ein unangenehmer Kurs ist, in der Bevölkerung weitmehr Widerhall finden wird als die Finanzpolitik derWaigelschen Haushaltslöcher. Ich gehe deshalb fest da-von aus, weil die Menschen spüren, daß wir über Jahreüber unsere Verhältnisse gelebt haben und daß wir sie inMatthias Berninger
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der Gegenwart nicht schonen können, wie Sie bei-spielsweise bei der deutschen Wiedervereinigung ver-sucht haben, die Besserverdienenden zu schonen undden Großteil der Wiedervereinigung auf Pump zu finan-zieren, so daß wir noch heute die Lasten tragen.
Ich gehe davon aus, daß diese Politik zwar sehr unbe-quem sein wird, aber zumindest von den Koalitionsfrak-tionen getragen werden wird. Meiner Einschätzung nachkönnen wir dann das Ziel erreichen, in dieser Legisla-turperiode die Nettoneuverschuldung zu halbieren unddie Spielräume für die Politik zu erweitern, so daß wirgenügend Spielräume haben, um neue Akzente setzenzu können, Akzente, die in der Haushaltsdebatte immerwieder deutlich wurden; die 1 Milliarde DM für Bildunghabe ich genannt. Wir haben zum erstenmal das Un-gleichgewicht von Investitionen in die Straße und dieSchiene zugunsten der Schiene verändert.
Es ist uns gelungen, im Bereich der regenerativen Ener-gien 200 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, diedie Markteinführung regenerativer Energien fördern.Das 100 000-Dächer-Programm wird ein sehr ehrgeizi-ges Programm sein.
– 1 Million.Wir haben eine Reihe von Akzenten setzen können,und wir werden diesen Weg fortsetzen. Aber wir werdenkeine Akzente mehr zu Lasten kommender Generatio-nen setzen und deshalb unsere Versprechen darauf aus-richten, daß der Haushalt in Zukunft ins Gleichgewichtkommt. Ich freue mich, daß der Finanzminister genaudiesen Weg eingeschlagen hat. Es wird der richtige Wegsein, der auch erfolgversprechend ist.Vielen Dank.
Für die
PDS spricht nun die Kollegin Dr. Christa Luft.
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir zunächst ein
großes Lob an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Ausschußsekretariats für ihre stets umsichtige Arbeit.
Den Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionspar-
teien möchte ich sagen: Es war auffällig bzw. ein No-
vum, daß Sie – ganz im Unterschied zu den Abgeord-
neten der CDU/CSU und der F.D.P. während der ver-
gangenen Legislaturperiode – versucht haben, die Ho-
heit der Mehrheitsfraktionen über den Haushalt zurück-
zugewinnen. Das war durchaus ein Novum, und das war
bemerkenswert.
Sie von der CDU/CSU und der F.D.P. haben den Regie-
rungsentwurf früher immer nur durchgewunken. Da gab
es ja nicht einmal irgendwo eine Veränderung um
10 000 DM. Aber ich muß Ihnen von der SPD sagen:
Grund zum Feiern dafür, daß Sie die Neuverschuldung
um 2,7 Milliarden DM abgesenkt haben, haben Sie ver-
mutlich nicht. Ich denke eher, daß das ein Pyrrhussieg
ist. Allein die Kosten für den Kosovo-Krieg, die noch
anfallen werden, werden diese Absenkung zu einem
Pyrrhussieg machen.
Dem neuen Ausschußvorsitzenden, Adolf Roth, habe
ich eigentlich für seine umsichtige und faire Beratungs-
führung Respekt zollen wollen.
Ich muß aber sagen, daß diese Fairneß nicht bis zu sei-
ner heutigen Rede angehalten hat. Denn es gibt im
Haushaltsausschuß auch Vertreterinnen und Vertreter
der PDS, die ebenfalls eine anständige Arbeit machen.
Das hätte vielleicht nicht unter den Tisch fallen dürfen,
auch wenn es sich im Moment um eine späte Stunde
handelt.
Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zur Aus-
schußarbeit. Wir von der PDS gehörten in der vergan-
genen Legislaturperiode zur Opposition, und wir be-
finden uns auch jetzt in der Opposition. Wenn man sich
aus dieser Sicht anschaut, wie nicht nur die Rollen,
sondern auch die Argumente vertauscht worden sind,
dann ist das mitunter sehr absurd. Die früheren Koali-
tionsabgeordneten und heutigen Oppositionsabgeord-
neten vergessen, welche Argumente und Forderungen
sie damals hatten. Die neuen Koalitionäre tun dies ge-
nauso und vergessen Argumente, die sie in der Oppo-
sition hatten.
Ich will mich nun besonders an die rechte Seite wen-
den. Wenn heute von Ihrer Seite Anträge auf Ausgaben-
anhebungen in dreistelliger Millionenhöhe gestellt wer-
den, ohne daß Sie einen einzigen Finanzierungsvor-
schlag dazu machen, dann müssen Sie noch allerhand
lernen. Denn das haben Sie uns immer vorgeworfen.
Wir haben das inzwischen gelernt.
Frau
Kollegin Luft, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Koppelin?
Ja.Matthias Berninger
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3363
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Bitte
schön, Herr Koppelin.
Frau Kollegin Luft, sind
Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die F.D.P. heute
auch Sparanträge zur Abstimmung gestellt hat? Wenn
nicht, bin ich gerne bereit, Ihnen diese nachher zur Ver-
fügung zu stellen und an Ihren Platz zu bringen.
Die haben Sie heute zur Ab-stimmung gestellt. Im Ausschuß haben Sie diese Anträ-ge zu einem großen Teil nicht eingebracht.
Die kommen jetzt in allerletzter Minute. Das sage ich,um das Bild wieder geradezurücken.
Jetzt verrate ich Ihnen, vor allen Dingen den Koaliti-onsabgeordneten, ein Geheimnis: Meine Fraktion wirddiesen Haushalt in der Schlußabstimmung nicht anneh-men.
Wir tun dies nicht deshalb, weil wir zur Fundamentalop-position neigten oder weil wir überhaupt nichts Zustim-mungsfähiges fänden. In den Debatten zu den Einzel-plänen haben wir gesagt, wo auch wir Zustimmungsfä-higes sehen.Ich nenne Ihnen in aller Kürze unsere hauptsächli-chen Ablehnungsgründe und verbinde damit einige in-haltliche Bemerkungen.Erstens. Dieser erste Haushalt von Rotgrün leitet kei-ne von der Mehrheit dieses Landes erhoffte nachhaltigePolitikwende in Richtung auf soziale und ökologischeErneuerung ein. Eine Politikwende ist für Sie – dasmuß ich insbesondere den Haushaltspolitikerinnen und-politikern der Grünen sagen – weitestgehend auf denEinstieg in die Haushaltskonsolidierung geschrumpft.Das ist natürlich kein unwichtiges Ziel. Das ist völligklar. Aber so haben Sie Ihre Prioritäten im Wahlkampfnicht gesetzt.
Im übrigen: Eingesparte Zinsen – darum geht es ja,wenn man die Neuverschuldung absenken möchte –muß man irgendwann einmal in ein angemessenes Ver-hältnis zu Steuerausfällen setzen, die zu erwarten sind,wenn Subventionen und Investitionen gekürzt werden,wenn man Stellen streicht und wenn man Kürzungen fürZuwendungsempfänger vornimmt. Das alles bleibt nichtwirkungslos. Wir müssen den einen Effekt und den an-deren zusammen bilanzieren. Nur dann wird ein Schuhdaraus.Nun kündigen Sie an, daß die eigentliche Haushalts-konsolidierung erst im Jahr 2000 bevorstehe. Da wirdvon drastischem Sparen gesprochen. Sie müssen aufpas-sen, daß aus solchen Ankündigungen nicht eine ArtDrohkulisse wird und daß sich nicht Unsicherheit aus-breitet, nicht nur bei Zuwendungsempfängern, sondernauch bei den auf Förderung angewiesenen kleinen undmittelständischen Unternehmen,
bei Existenzgründern, bei Rentnerinnen und Rentnernund bei kranken Menschen.Zweitens. Die positiven, auch für uns zustimmungs-fähigen Akzente dieses Haushaltes werden im kommen-den Jahr wahrscheinlich – da muß ich sagen: leider –zum großen Teil nicht wiederholbar sein. Sie werdennicht dauerhaft sein. Sie sind im Gegenteil Einmalef-fekte im ersten Jahr der Regierung. Das betrifft auchdas in diesen Debatten – wie ich finde, zu Recht – hoch-gelobte, auch von uns begrüßte Sonderprogramm zurAusbildung und Beschäftigung von 100 000 jungenLeuten. Wir brauchen nur jeden Tag einen Blick in dieZeitungen zu werfen. Ich sage Ihnen eine einzige Zahl:In den neuen Bundesländern ist jetzt schon klar, daß dasAngebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen 1999 dasAngebot von 1998, das schon bescheiden genug war,noch einmal um 10 Prozent unterschreiten wird.
Viele der jungen Leute, die jetzt dank dieses Programmsin eine Ausbildung oder eine Beschäftigung kommen,werden wir also wahrscheinlich im kommenden Jahr umdiese Zeit wieder als Arbeitslose auf der Straße finden,weil sie keine Anschlußbeschäftigung oder Anschluß-ausbildung in einem Betrieb finden.
Drittens. Bei einer ganzen Reihe von aufgestocktenTiteln haben Sie sich leider verweigert, auch einmal ei-nen neuen Weg zu gehen. Sie sind, was die aktive Ar-beitsmarktpolitik betrifft, im Grunde bei den Einjahres-ABM geblieben. Wir hatten vorgeschlagen, wenigstenseinmal zu probieren, in personalintensiven Bereichen,die nicht rationalisierbar sind und die folglich von pri-vaten Unternehmen als wenig attraktiv angesehen wer-den, einen Einstieg in eine öffentliche Beschäftigungs-förderung vorzunehmen und damit Dauerarbeitsplätzezu schaffen.
Das haben Sie abgelehnt. Wir bedauern das zutiefst.Im übrigen brüskieren Sie damit auch Genossinnenund Genossen aus Ihren eigenen Reihen. Ich zitiere nurFrau Simonis, sozialdemokratische Ministerpräsidentinvon Schleswig-Holstein. Wir wollen sie nicht für unsvereinnahmen. Aber auch sie spricht davon, daß wirohne eine öffentlich geförderte Beschäftigung in be-stimmten personalintensiven Bereichen, insbesonderebei humanen Dienstleistungen, nicht aus dieserschlimmen Massenarbeitslosigkeit herauskommenwerden.
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3364 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999
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Absolute Kontinuität – auch das ist ein Grund für uns,diesen Haushalt abzulehnen – wahrt Rotgrün beim Ver-teidigungshaushalt. Die meisten von uns, die wir hiersitzen, werden sich erinnern, welche Vorkämpferin fürden Verzicht auf die Anschaffung des Eurofighters FrauMatthäus-Maier immer gewesen ist.
Verzicht auf die Anschaffung des Eurofighters undFrau Matthäus-Maier – das war sozusagen ein Zwil-lingspaar. Jetzt ist es leider so gekommen, daß FrauMatthäus-Maier geht und der Eurofighter kommt. Unswäre es umgekehrt lieber gewesen.
Ich komme zum letzten Punkt. Wir kritisieren, daßdie neue Koalition zwar sehr viele Ausgabenposten –viele davon natürlich zu Recht – auf den Prüfstand ge-stellt hat, sich aber bei den möglichen Einnahmequelleneinfach den Schneid hat abkaufen lassen. Sie habennicht von Anfang an das getan, was zu Oppositionszei-ten auch von der SPD und von sehr vielen Bündnisgrü-nen immer gefordert worden ist, nämlich die privateVermögensteuer sofort wieder zu erheben. Das habenSie versäumt. Das wäre zwar keine Einnahmequelle fürden Bund gewesen; aber das hätte die Länderhaushaltekonsolidiert. Dann wäre manches kozufinanzierendeProjekt besser auf den Weg zu bringen gewesen.
Sie haben leider auch nicht den Konsens mit denLändern über die Einstellung von zusätzlichen Be-triebsprüfern und Steuerfahndern gesucht. Expertennennen Ihnen die Summen, die damit hereinzuholen wä-ren.
Frau
Kollegin Luft, ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Ich bin sofort fertig.
Es gibt Bundesrechnungshofsberichte, die auf die
Verschwendung von Steuermitteln hinweisen. Auch dies
wäre ein Handlungsfeld für die neue Koalition gewesen.
Lassen Sie uns in der nächsten Runde nicht nur die
Ausgabenposten weiter kritisch unter die Lupe nehmen!
Lassen Sie uns gemeinsam auch daran arbeiten, wie wir
zu Einnahmenverbesserungen für diesen Haushalt kom-
men!
Danke schön.
Als
letzter Redner in dieser Haushaltsdebatte hat das Wort
der Bundesfinanzminister Hans Eichel.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen,
daß im Anschluß fünf namentliche Abstimmungen und
eine Reihe weiterer einfacher Abstimmungen stattfin-
den.
Ich bitte Sie, ein wenig Ruhe zu bewahren, damit
diejenigen, die zuhören wollen, der Rede des Bundes-
finanzministers folgen können. Ich denke, er wird es Ih-
nen danken, indem er die Redezeit einhält.
Bitte schön, Herr Minister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
HerrPräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ichwerde es Ihnen danken, indem ich meine Redezeit nichteinhalte. Ich werde sie stark verkürzen,
da es keinen Sinn macht, am Ende der Debatte alles zuwiederholen – und sei es nur in Kurzfassung –, was wirin den letzten Tagen diskutiert haben.Ich möchte von meiner Seite aus dem Haushaltsaus-schuß herzlichen Dank sagen, der insgesamt, so glaubeich, eine hervorragende Arbeit geleistet hat. Es ist vonallen Seiten gewürdigt worden, daß er die Aufgabe, un-ter diesen Bedingungen dafür zu sorgen, daß wir auchmit weniger Geld auskommen und eine gute Politik ma-chen können, so ernst genommen hat. Dafür will ichherzlichen Dank sagen.
Eine weitere Bemerkung richtet sich an Sie, verehrterKollege Roth. Ich habe Ihre Rede als gar nicht so pole-misch empfunden. Es mag sein, daß die Töne im hessi-schen Landtag gelegentlich rauher sind. Ich sage nur:Wenn ich mir Sie angehört habe, dann hätte ich, als ichhier ankam, zu allen anderen schönen Dingen eigentlichnoch ein hübsches Sparbuch und einen Bausparvertragvorfinden müssen. So ungefähr war die Finanzsituationdes Bundes nach Ihren Schilderungen.
Das wirkliche Problem ist ganz einfach: Oberfläch-lich betrachtet, stimmen alle Ihre Zahlen. Sie haben nurschlicht übersehen, daß wir auf einem riesigen Funda-ment von Schulden stehen.
Ich habe darauf verzichtet – ich wiederhole das nochmal –,Schuldzuweisungen zu machen; das ist gar nicht dasThema. Es ist aber nicht zu leugnen, daß von 1982 bisheute die Bundesschuld von 300 Milliarden DM auf1,5 Billionen DM gestiegen ist. Sie haben recht: In die-sen Kosten sind die Kosten der deutschen Einheit ent-halten. Es ist wahr, daß sich die DDR, die der Bundeinmal als einen großen Zugewinn betrachtet hat – dasmüssen wir festhalten –, als Bruchladen herausgestellthat und daß aus der Lust plötzlich eine Last wurde. 1990hätten Sie tun müssen, was Ihnen so viele – auch diedamalige Opposition – geraten haben: Sie hätten auf dieEinkommensteuersenkung, die sie pünktlich zumWahljahr vorgenommen haben, verzichten müssen. Siehätten sagen müssen: Wir brauchen das Geld für denDr. Christa Luft
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3365
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Aufbau. Ihnen haben auch die Wirtschaft und der Deut-sche Gewerkschaftsbund gesagt: Wir sind bereit, auf dieSteuersenkung zu verzichten; wir sind bereit, Steuerer-höhungen zuzustimmen und zu beschließen, weil wir siefür die Finanzierung der Einheit brauchten. Hätten Siedas gemacht, säßen wir nicht auf dem großen Schulden-berg, auf dem wir heute sitzen. Das ist die einfache,traurige Wahrheit.
Die andere Zahl, die Sie nicht in den Mund genom-men haben, betrifft die Verdoppelung der Zins-Steuer-Quote, von 12 auf jetzt über 22 Prozent. Fast jedevierte Mark, die wir einnehmen, ist für Zinsen – ohnejede Leistung für die Bürger – sofort wieder weg. Dasist eine dramatische Zahl. Um diesen Sachverhaltkönnen Sie mit Ihren kleinen Zahlenspielereien nichtherumreden.
Das heißt, wir sind eingeschnürt. Folgende Tatsache istauch wahr: Der soziale Bereich ist mit 200 MilliardenDM der größte Brocken. Keiner der Teile dieses Haus-haltes kann ungeprüft weitergeschrieben werden.Herr Kollege Roth, Sie sagten etwas zum Verhältniszwischen Bund und Ländern. Bezüglich der Verschie-bung muß ich den Kollegen Waigel in Schutz nehmen.Das, was Sie dazu gesagt haben, wäre, wenn es richtiggewesen wäre, eine einzige Anklage gegen Ihre eigeneRegierungstätigkeit. Wenn die Länder schon Gaunersind, Herr Roth, dann lege ich großen Wert darauf, daßauch der Herr Stoiber, der Herr Teufel und der Herr Vo-gel dazuzählen. Sie waren immer alle mit dabei.Ach ja, „windfall profits“ für Niedersachsen hat esauch gegeben.
Hinter der betreffenden Zahl, die dramatisch aussieht,der Verschiebung der Finanzverhältnisse zwischen Bundund Ländern, steckt im wesentlichen nichts anderes alsdie Hereinnahme der neuen Länder in den horizontalenFinanzausgleich. Das wurde dadurch finanziert – vorherhatte der Bund die Länder finanziert –, daß der BundUmsatzsteueranteile an die Länder übertragen hat. Sokonnten die neuen Länder gleichberechtigt in den Län-derfinanzausgleich einbezogen werden. Das ist der we-sentliche Hintergrund. Insofern muß ich Herrn KollegenWaigel da wirklich in Schutz nehmen. Trotzdem stimmtes, daß der Bund die schlechteste Finanzsituation derdrei Staatsebenen hat.Jetzt komme ich auf die Rolle des Bundesrates zusprechen, weil natürlich auch diese Bundesregierung,weil natürlich auch ich mit dem Bundesrat arbeiten muß.Wir hatten gar nicht immer die parteipolitische Situati-on, wie sie am Schluß gegeben war.Die Wahrheit, Herr Roth, ist eine ganz andere, näm-lich daß wir das föderale Konsolidierungsprogramm, dasdie Frage beantworten sollte, wie wir die deutsche Ein-heit finanzieren können, die Postreform, die Bahnreformbis hin zu den Jahressteuergesetzen zusammen gemachthaben. Es gab nur einen großen Streitpunkt: Das war IhrEntwurf einer Steuerreform. Das hatte zwei Gründe. Eswar ein schwerer handwerklicher Fehler, eine solche Re-form anstatt am Anfang einer Wahlperiode an ihremEnde zu machen; das wissen Sie auch selber.
Der zweite Grund hängt mit der Finanzsituation zu-sammen, die auch bei den Ländern schlecht ist, abernoch dramatischer beim Bund ist: daß sich niemand – esgab da eine klammheimliche massive Unterstützung derCDU-Ministerpräsidentenkollegen – eine Steuerreformvorstellen konnte, die zusätzliche Einnahmeausfälle von30 Milliarden DM bis 40 Milliarden DM verursacht. Daswar der eigentliche Hintergrund.
Meine Damen und Herren, wir stehen da vor einerganz schwierigen Situation. Wir werden aus ihr nur miteiner Kombination aus Einsparungen und Förde-rung des wirtschaftlichen Wachstums herauskom-men. Ich wiederhole: Allein mit Einsparungen werdenwir das Problem nicht lösen. Wir werden es nur lösen,wenn wir gleichzeitig ein Wirtschaftswachstum be-kommen, das uns hilft, aus diesem Defizit herauszu-kommen. Das ist eine kombinierte Strategie, die vielArbeit erfordert.Meine Damen und Herren, die Lage im Lande – da-von bin ich auf Grund vieler Indikatoren fest überzeugt– ist besser als die gegenwärtige Stimmung.
Ich denke, daß das zunehmend auch die Wirtschaft sosieht. Wir hatten das übrigens schon einmal: Da warenSie selbst sauer darauf, wie sehr einige Vertreter derWirtschaftsverbände dieses Land heruntergeredet haben.Ich weiß, daß das in der Mitte der vorigen Wahlperiodeselbst Ihnen zu weit gegangen ist.Ich freue mich, wenn jemand wie Herr Wössner oderHerr Kopper – ich bin sicher: es kommen noch eineMenge andere hinterher – sagen: Uns reicht das jetzt.Wir wollen nicht, daß das Land so heruntergeredet wird.Auch mit Psychologie kann man Wirtschaft kaputtma-chen. – Das ist wohl wahr.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute, die uns für die-ses erste Halbjahr eine schlechtere Entwicklungsper-spektive vorausgesagt haben, sind dieselben, die jetztsagen: Aber in der zweiten Hälfte dieses Jahres be-schleunigt sich das Wirtschaftswachstum wieder. Näch-stes Jahr haben wir wieder eines vergleichbar der Situa-tion, wie wir sie im vergangenen Jahr gehabt haben. Al-so kann auch die Analyse „Es liegt vor allem an der Tä-tigkeit dieser Regierung, daß es wirtschaftlich in diesemFrühjahr schlechter läuft“ schlechterdings nicht stim-Bundesminister Hans Eichel
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men. Sonst wäre auch die andere Analyse, daß es wiederaufwärts geht, gar nicht möglich.
Ich sage allerdings auch, daß das noch nicht unge-fährdet ist. Wenn Sie genauer hinsehen, werden Sie fest-stellen, daß wir in der Weltwirtschaft noch eine Reihevon Problemen haben. Alle sind sich darin einig, daßuns in diesem Frühjahr die Auswirkungen des Ab-schwungs in Südostasien, in Brasilien und vor allem inRußland erreicht haben. Das sind übrigens Risiken, diein Ihrem Haushaltsentwurf für 1999 noch nicht berück-sichtigt waren, die wir unsererseits erst in den Haus-haltsentwurf haben einarbeiten müssen.Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben einegute Chance, dieses Land voranzubringen. Wir habenaber einen harten, schwierigen, sehr steinigen Weg voruns. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen.Ich sage auch zum Kollegen Waigel: Daß auch Siesich um Einsparungen bemüht haben, bestreite ich garnicht. Wahr ist auch, daß schon in Ihren Haushaltenvieles nicht mehr finanziert wurde, was noch als öffent-liche Propaganda über Ihre Regierungsarbeit zu lesenwar. Ein typisches Beispiel ist der Bundesverkehrswe-geplan.
Ich habe übrigens im letzten Wahlkampf nicht mehrkritisiert, daß der Bund so wenig Geld hatte. Ich habenur kritisiert, daß Sie den Eindruck erweckten, alskönnten Sie noch eine Fülle von Projekten durchführen,obwohl sie alle nicht mehr finanzierbar waren. Das istdoch das Problem gewesen.
Sie haben eine Politik des Als-ob gemacht: als ob wirmehr Steuereinnahmen hätten, als ob wir ein höheresWirtschaftswachstum hätten und als ob wir weniger Ar-beitslose hätten und deswegen weniger an die Bundes-anstalt für Arbeit überweisen müßten. Jedes halbe Jahrist das mit jeder neuen Steuerschätzung zusammenge-brochen. Das kann so nicht weitergehen.Auf realistischer Basis aufzubauen und den schweren,steinigen Weg aus der Staatsverschuldung zu gehen,damit dieses Land wieder handlungsfähig wird, ist dasVertrauenssignal nach draußen. Das ist auch ein gutesSignal, um das Wirtschaftswachstum in diesem Landwieder anzukurbeln und den jungen Menschen in diesemLand das Vertrauen zu geben, daß die ältere Generationeine Politik betreibt, die auch der jüngeren eine Zukunftgibt. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zusammenarbeit.
Ichschließe die Aussprache. Wir kommen zur Schlußab-stimmung über das Haushaltsgesetz 1999, Drucksachen14/300, 14/760, 14/601 bis 14/621, 14/622, 14/623 und14/624. Die Fraktion der SPD hat namentliche Abstim-mung beantragt.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, dievorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen be-setzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.Es gibt Verwirrung an einer Urne. Wir sind in derSchlußabstimmung über das Haushaltsgesetz 1999. DenAntrag auf namentliche Abstimmung hat die SPD ge-stellt. Ich glaube, jeder weiß jetzt, wie er abzustimmenhat. –Sind alle Stimmkarten abgegeben? – Das ist der Fall.Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit demAuszählen zu beginnen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat eben Verwir-rung über die Frage gegeben, welcher Punkt zur Ab-stimmung stand. Deswegen bitte ich, auch weiterhinaufzupassen.Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmungüber den Entschließungsantrag der Fraktion derCDU/CSU auf Drucksache 14/920. Ich bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätzeeinzunehmen bzw. zu behalten. – Die Urnen sind be-setzt. Ich eröffne die Abstimmung. – Sind alle Stimm-karten abgegeben?
Sind jetzt alle Stimmkarten abgegeben? – Dannschließe ich die Abstimmung und bitte mit der Auszäh-lung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später be-kanntgegeben.Wir setzen die Beratungen fort und kommen zur Ab-stimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionder CDU/CSU auf Drucksache 14/927. Die Fraktion derCDU/CSU hat namentliche Abstimmung beantragt.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, anihren Plätzen zu bleiben. Die Urnen sind besetzt. Ich er-öffne die Abstimmung. Das ist jetzt die dritte namentli-che Abstimmung. –Sind alle Stimmkarten abgegeben? – Dann schließeich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit derAuszählung zu beginnen.Ich gebe zwischenzeitlich das von den Schriftführe-rinnen und Schriftführer ermittelte Ergebnis der erstennamentlichen Abstimmung über den Bundeshaus-haltsplan für das Haushaltsjahr 1999 bekannt. Abge-gebene Stimmen 611. Mit Ja haben gestimmt 332, mitNein haben gestimmt 277, Enthaltungen 2. Der Gesetz-entwurf ist damit angenommen.
Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU aufDrucksache 14/947. Die Fraktion der CDU/CSU ver-langt namentliche Abstimmung.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, dievorgesehenen Plätze einzunehmen. Die Urnen sind be-setzt. Ich eröffne die Abstimmung. Das ist jetzt dieBundesminister Hans Eichel
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 3367
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vierte namentliche Abstimmung. Wir kommen dannnoch zu einer fünften. –Sind alle Stimmkarten abgegeben? – Dann schließeich die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zubeginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgege-ben.Vor der nächsten Abstimmung gebe ich Ihnen dasvon den Schriftführern und Schriftführerinnen ermit-telte Ergebnis der namentlichen Abstimmung überden Entschließungsantrag zum Einzelplan 12, Ge-schäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr,Bau- und Wohnungswesen, Drucksache 14/920, be-kannt. Abgegebene Stimmen 609. Mit Ja haben ge-stimmt 246, mit Nein haben gestimmt 363, Enthaltun-gen keine. Der Entschließungsantrag auf Drucksache14/920 ist abgelehnt.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksa-che 14/911. Auch hier ist namentliche Abstimmung be-antragt.Ich eröffne die Abstimmung. Das ist die letzte na-mentliche Abstimmung. –Sind alle Stimmkarten abgegeben? – Das ist der Fall.Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zubeginnen.Ich gebe jetzt das von den Schriftführern und Schrift-führerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-stimmung über den Entschließungsantrag zur drittenBeratung des Haushaltsgesetzes 1999, Einzelplan 11,Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeitund Sozialordnung, Drucksache 14/927, bekannt. Ab-gegebene Stimmen 604. Mit Ja haben gestimmt 243, mitNein haben gestimmt 361, Enthaltung keine. Der Ent-schließungsantrag ist abgelehnt.Wir setzen nun die Abstimmungen fort; allerdingshandelt es sich um einfache Abstimmungen. Ich bitte,die Plätze einzunehmen, damit ich den Überblick be-halten kann.Jetzt folgt die Abstimmung über den Entschließungs-antrag der Fraktion der F.D.P., Drucksache 14/949. Werstimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmtdagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit denStimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung derPDS und gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P.abgelehnt.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, Drucksa-che 14/921. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die-ser Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS ab-gelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-ßungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache14/934. Wer stimmt für diesen Antrag? – Gegenstim-men? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmender Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der PDS undgegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abge-lehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-ßungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache14/906. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?– Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der An-trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge-gen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS ab-gelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-ßungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache14/953. Wer stimmt für den Antrag? – Wer stimmt da-gegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit denStimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSUund F.D.P. bei Zustimmung durch die PDS-Fraktion ab-gelehnt.Jetzt gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnenund Schriftführern ermittelte Ergebnis der vierten na-mentlichen Abstimmung über den Entschließungsan-trag der Abgeordneter Birgit Schnieber-Jastram undweiterer Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSUzur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1999, Ein-zelplan 11, Geschäftsbereich des Bundesministeriumsfür Arbeit und Sozialordnung, auf Drucksache 14/947bekannt. Abgegebene Stimmen 606. Mit Ja haben ge-stimmt 246, mit Nein 360, keine Enthaltung. Der Ent-schließungsantrag ist abgelehnt.Ich unterbreche jetzt die Sitzung, bis ich die Ergeb-nisse der letzten namentlichen Abstimmung bekomme.
Ich setze
die Sitzung fort und gebe Ihnen das von den Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der
namentlichen Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Ernst Burg-
bacher, Jörg van Essen und anderer Abgeordneter und
der Fraktion der F.D.P. zur dritten Beratung des Haus-
haltsgesetzes 1999, Einzelplan 11, Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, auf
Drucksache 14/911 bekannt. Abgegebene Stimmen
612. Mit Ja haben gestimmt 245, mit Nein haben ge-
stimmt 367. Es gab keine Enthaltungen. Der Entschlie-
ßungsantrag ist abgelehnt.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Freitag, den 7. Mai 1999, 8 Uhr – wohlge-
merkt: 8 Uhr – ein.
Die Sitzung ist geschlossen.